Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 15. Dez. 2015 - 11 K 3637/15

bei uns veröffentlicht am15.12.2015

Tenor

Soweit die Klage teilweise zurückgenommen und soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige ist.
Die am ...1991 im Bundesgebiet geborene Klägerin wurde auf der Grundlage des § 40b StAG mit der Aushändigung der Einbürgerungsurkunde vom 25.01.2001 am 25.01.2001 in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
Mit Schreiben vom 10.03.2009 wies das Landratsamt Göppingen die Klägerin darauf hin, dass sie verpflichtet sei, sich ab dem 18. bis zum 23. Lebensjahr entweder für die deutsche oder für die ausländische Staatsangehörigkeit zu entscheiden. Weiter wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass ein automatischer Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eintritt, wenn innerhalb des genannten Zeitraums keine Erklärung abgegeben wird, dass ein automatischer Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit eintritt bei Abgabe der Erklärung, dass die ausländische Staatsangehörigkeit beibehalten werden soll, dass bei Entscheidung für die deutsche Staatsangehörigkeit diese beibehalten wird, wenn der Verlust/die Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit bis zum 23. Lebensjahr nachgewiesen wird und dass bis zum Erreichen des 21. Lebensjahres eine Beibehaltungsgenehmigung beantragt werden kann. Dieses Schreiben wurde der Klägerin am 13.03.2009 zugestellt.
Mit Schreiben vom 07.05.2009 teilte die Klägerin dem Landratsamt Göppingen mit, sie wolle die deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten und ihr sei bekannt, dass sie auf die ausländische Staatsangehörigkeit verzichten und den Verlust der zuständigen Behörde spätestens bis zur Vollendung ihres 23. Lebensjahres nachweisen müsse, andernfalls ihre deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes verloren gehe.
Mit Schreiben vom 03.05.2012 und vom 15.08.2013 wurde die Klägerin an die Beibringung der Verlustbescheinigung der bosnischen Staatsangehörigkeit erinnert.
Mit Bescheid vom 02.05.2014 stellte das Landratsamt Göppingen fest, dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes am 28.04.2014 verloren hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe die deutsche Staatsangehörigkeit auf der Grundlage des § 40b StAG erworben. Neben der deutschen Staatsangehörigkeit sei die Klägerin auch im Besitz der bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigkeit. Am 07.05.2009 habe die Klägerin die Erklärung abgegeben, die deutsche Staatsangehörigkeit behalten zu wollen. Ihrer Verpflichtung, vor Vollendung des 23. Lebensjahres nachzuweisen, dass sie die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit aufgegeben oder verloren habe, sei sie nicht nachgekommen. Eine Beibehaltungsgenehmigung habe die Klägerin nicht beantragt. Die Meldebehörde, die Ausländerbehörde sowie die Pass- und Personalausweisbehörde würden über den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit unterrichtet. Die Klägerin sei verpflichtet, die Einbürgerungsurkunde dem Landratsamt Göppingen vorzulegen.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.05.2014 Widerspruch ein und brachte zur Begründung vor, ihr sei es nicht möglich gewesen, sich aus der bosnischen Staatsbürgerschaft entlassen zu lassen. Sie sei nicht im Besitz eines Dokumentes, das sie als bosnische Staatsangehörige auszeichne. Zwar habe ihr Vater einen bosnischen Pass erworben, ihre Mutter habe einen solchen Pass aber nie besessen, sondern lediglich einen jugoslawischen, auf dem sie eingetragen gewesen sei. Ihre Mutter sei auf dem Gebiet der heutigen serbischen Republik geboren. Ihre Bemühungen beim bosnischen Konsulat um eine Entlassung aus der bosnischen Staatsbürgerschaft seien nicht erfolgreich gewesen, da sie die Sprache nicht beherrsche und die bosnischen Behörden darauf bestanden hätten, dass sie sich zuerst in Bosnien-Herzegowina anmelden müsse, um einen Pass zu erhalten.
Mit Erlass vom 23.12.2014 hat das Regierungspräsidium Stuttgart das Landratsamt Göppingen angewiesen, den Bescheid vom 02.05.2014 aufzuheben, da der Widerspruch aufschiebende Wirkung entfalte und die Klägerin weiter als deutsche Staatsangehörige anzusehen sei.
Mit Bescheid vom 26.03.2015 nahm das Landratsamt Göppingen den Bescheid vom 02.05.2014 zurück.
10 
Mit Schriftsatz vom 01.07.2015 teilte die Klägerin dem Landratsamt Göppingen mit, sie habe vom Bürgerbüro Rechberghausen Auskunft erhalten, dass das Landratsamt Göppingen diesem am 29.09.2015 mitgeteilt habe, nur der Feststellungsbescheid vom 02.05.2014 sei zurückgenommen worden, hierdurch sei die Klägerin aber nicht automatisch wieder deutsche Staatsangehörige geworden. Sie müsse vielmehr einen Wiedereinbürgerungsantrag stellen, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu erlangen. Diese Mitteilung des Landratsamts Göppingen sei unzutreffend, da sie nicht automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verloren habe, sondern es eines feststellenden Verwaltungsaktes bedürfe. Aufgrund der Aufhebung des Feststellungsbescheides sei sie deutsche Staatsangehörige geblieben. Außerdem habe sie mit dem Regierungspräsidium vereinbart, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit behalte. Da das Landratsamt Göppingen mit der Umsetzung der getroffenen Vereinbarung in Verzug sei, sei das Landratsamt verpflichtet, die Kosten der Beauftragung mit einer 1,3 Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR zu bezahlen. Außerdem kündigte die Klägerin an, eine Leistungsklage mit dem Ziel, die Meldedaten gegenüber der örtlichen Meldebehörde zu korrigieren, zu erheben.
11 
Am 22.07.2015 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, sie verlange vom Landratsamt Göppingen die Umsetzung des mit dem Regierungspräsidium Stuttgart abgeschlossenen Vergleichs, wonach an die Meldebehörde die Mitteilung zu ergehen habe, dass sie deutsche Staatsangehörige sei. Es gehe um die Frage, ob die Aufhebung des statusfeststellenden Verwaltungsaktes zur Folge habe, dass sie ihre deutsche Staatsangehörigkeit behalten habe. Das Landratsamt sei weiter der Auffassung, dass sie kraft Gesetzes die Staatsangehörigkeit verloren habe und sich um eine Wiedereinbürgerung bemühen müsse. Der letzte gemeinsame Wohnsitz ihrer Eltern vor der Ausreise nach Deutschland habe in der heutigen serbischen Republik gelegen. Ihr Vater habe sich für die bosnisch-herzegowinische Staatsangehörigkeit entschieden, ihre Mutter habe jedoch nur jugoslawische Papiere vor der Ausreise besessen. Sie selbst sei deshalb lediglich im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit und nicht im Besitz einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Im Widerspruchsverfahren habe das Regierungspräsidium Stuttgart die Rechtsauffassung vertreten, dass aufgrund des Widerspruchsverfahrens das neue Optionsrecht anzuwenden sei und sie weiterhin deutsche Staatsangehörige bleibe. Sie und das Regierungspräsidium Stuttgart seien davon ausgegangen, dass mit der Kassation des Feststellungsbescheids vom 02.05.2014 der ursprüngliche Status im Hinblick auf die neue Optionsregelung wieder eingetreten sei und die eventuell vorhandene ausländische Staatsangehörigkeit hingenommen werde. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit trete nicht automatisch ein; erforderlich sei vielmehr ein feststellender Verwaltungsakt. Die vom Landratsamt verlangte Handlung erschöpfe sich in der Richtigstellung der Meldedaten gegenüber der Meldebehörde nach § 5a Meldegesetz. Das Landratsamt sei aufgrund des mit dem Regierungspräsidium Stuttgart abgeschlossenen Vergleichs verpflichtet, die getroffenen Vereinbarungen umzusetzen. Mit der Richtigstellung der Meldung gegenüber der örtlichen Meldebehörde befinde sich das Landratsamt in Verzug. Daher bestehe auch eine Verpflichtung des Landratsamts zur Kostenerstattung. Der Beklagte sei im Hinblick auf die vorgerichtlich entstandenen und nicht in die Verfahrensgebühr aufgegangenen Anwaltskosten erstattungspflichtig. Nach Teil 3, Vorbemerkung Nr. 4 Abs. 4 RVG werde die Geschäftsgebühr zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, das sich an die außergerichtliche Tätigkeit in derselben Angelegenheit anschließe. Außergerichtlich seien Gebühren und Auslagen sowie Mehrwertsteuer in Höhe von 492,54 EUR aus dem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR entstanden. Nach Klageerhebung verbleibe ein Honorarbetrag in Höhe von 258,17 EUR, den der Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens ersetzen müsse. Schließlich müsse das Gericht zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten die Rechtsfrage, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit behalten habe, feststellen. Das Feststellungsinteresse ergebe sich aus dem Rechtsgedanken des § 256 Abs. 2 ZPO. Möglicherweise habe sie in ihrer Jugend über ihre Eltern die jugoslawische Staatsangehörigkeit erworben. Der Staat Jugoslawien existiere aber nicht mehr. Zu den Nachfolgestaaten Serbien und Bosnien-Herzegowina fühle sie sich nicht zugehörig und dort sei sie auch nicht registriert. Verbindungen zu den Nachfolgestaaten bestünden nicht.
12 
Die Klägerin beantragt nunmehr,
13 
festzustellen, dass sie deutsche Staatsangehörige ist.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Er trägt vor, eine Unterrichtungspflicht der Meldebehörde nach § 33 Abs. 5 StAG bestehe nicht, da die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. § 5a Meldegesetz begründe lediglich eine Mitteilungspflicht der örtlichen Meldebehörde, nicht aber der Staatsangehörigkeitsbehörde. Die von der Klägerin begehrte Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige sei, könne nicht ausgesprochen werden. Die Klägerin habe den Vorschriften der Optionsregelung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, die bis zum 19.12.2014 gültig gewesen seien, unterlegen. Dies habe zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit mit Vollendung des 23. Lebensjahres am 28.04.2014 geführt. Da die Klägerin den Nachweis über den Verlust der ausländischen - bosnischen - Staatsangehörigkeit nicht erbracht habe und ein Beibehaltungsantrag nicht gestellt worden sei, sei die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin mit Vollendung des 23. Lebensjahres kraft Gesetzes erloschen. Diese Verlustfolge habe der von der Klägerin eingelegte Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid vom 02.05.2014 nicht beseitigt. Die Rücknahme des Feststellungsbescheids vom 02.05.2014 habe nicht dazu geführt, dass die Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit zurückerlangt hätte. Denn der Feststellungsbescheid habe lediglich deklaratorischen Charakter. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 13.11.2014 habe zugunsten der Klägerin keine Rückwirkung entfaltet. Übergangsregelungen habe der Gesetzgeber bewusst nicht getroffen. Die neu gefasste Optionsregelung wirke sich somit auf die Optionspflicht der Klägerin nicht aus.
17 
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Klage im Hinblick auf den geltend gemachten Verzugsschaden zurückgenommen. Soweit sie eine Verurteilung des Beklagten begehrte, der örtlichen Meldebehörde mitzuteilen, dass sie deutsche Staatsangehörige ist, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
18 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

19 
Soweit die Klage zurückgenommen wurde und nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen wird das Verfahren insoweit entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt.
20 
Im Übrigen ist die Klage unzulässig.
21 
Bei Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit hat nach § 30 Abs. 1 StAG die verbindliche Klärung durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu erfolgen. Eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage nachrangig (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Seit der Einfügung des § 30 StAG, der die Staatsangehörigkeitsbehörde zur verbindlichen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ermächtigt, scheidet deshalb die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO als zulässige Klageart für das Begehren auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2015 - 1 C 17/14 - BVerwGE 151, 245).
22 
Auch bei Umdeutung des Begehrens der Klägerin als Verpflichtungsbegehren, gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsakts nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG, der ihre deutsche Staatsangehörigkeit feststellt, ist die Klage unzulässig.
23 
Ein Klagebegehren, das auf die Verpflichtung einer Behörde zum Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist (§ 42 Abs. 1 VwGO), ist nach der Verwaltungsgerichtsordnung nur zulässig, wenn zuvor bei der Behörde ein Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts gestellt oder abgelehnt oder nicht beschieden worden ist (vgl. §§ 68 Abs. 2, 75 Satz 1 VwGO), und zwar auch dann, wenn der Verwaltungsakt auch ohne Antrag ergehen kann oder gar von Amts wegen erlassen werden muss. Dies folgt auch aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der gebietet, dass sich zunächst die Verwaltung mit (vermeintlichen) Ansprüchen des Einzelnen befasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.11.2007 - 6 C 42/06 - BVerwGE 130, 39 und Urt. v. 31.08.1995 - 5 C 11/94 - BVerwGE 99, 158; VGH Mannheim, Beschl. v. 19.04.1999 - 6 S 420/97 - VBlBW 2000, 106; Beschl. v. 19.02.2008 - 13 S 2774/07 - VBlBW 2008, 351; Urt. v. 18.06.2008 - 13 S 2809/07 - VBlBW 2009, 73 und Urt. v. 03.07.2014 - 5 S 2429/12 - juris -). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben.
24 
Ob in der prozessualen Geltendmachung des Verpflichtungsbegehrens gleichzeitig ein neuer Antrag an die Behörde gesehen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.06.1993 - 11 C 16/92 - NVwZ 1995, 75 und Urt. v. 04.08.1993 - 11 C 15/92 - NVwZ 1995, 76), kann das Gericht offen lassen. Denn selbst dann wäre das geltend gemachte Verpflichtungsbegehren unzulässig, weil die Antragstellung bei der Behörde keine bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachholbare Sachurteilsvoraussetzung, sondern eine nicht nachholbare Klagevoraussetzung ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.08.1973 - II C 10.73 - Buchholz 232 § 181 BBG Nr. 6; Urt. v. 24.02.1982 - 6 C 8/77 - BVerwGE 65, 87; Urt. v. 27.06.1986 - 6 C 131/80 - BVerwGE 74, 30 und Beschl. v. 01.12.1993 - 2 B 115/93 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 110; VGH Mannheim, Beschl. v. 19.04.1999 - 6 S 420/97 - a.a.O.; Urt. v. 13.04.2000 - 5 S 1136/98 - NVwZ 2001, 101; Beschl. v. 30.05.2000 - A 6 S 281/00 - AuAS 2000, 201; Beschl. v. 28.04.2008 - 11 S 683/08 - VBlBW 2008, 490 und Urt. v. 03.07.2014 - 5 S 2429/12 - juris -; OVG Hamburg, Urt. v. 18.12.2008 - 4 Bf 69/08 - InfAuslR 2009, 189). Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen; ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 03.07.2014 - 5 S 2429/12 - juris -).
25 
An einer solchen Antragstellung fehlt es hier. Vielmehr ging die Klägerin selbst davon aus, dass mit der Aufhebung des Bescheids vom 02.05.2014 durch das Landratsamt Göppingen sie ihre deutsche Staatsangehörigkeit behalten habe und dies lediglich der zuständigen Meldebehörde mitgeteilt werden müsse, eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit es deshalb nicht bedürfe. Die Klage ist deshalb als unzulässig abzuweisen.
26 
Zur Vermeidung von weiteren Rechtsstreitigkeiten weist das Gericht noch auf folgende Gesichtspunkte hin:
27 
Zunächst wäre vom Beklagten unter Mitwirkung der Klägerin (§ 37 Abs. 1 StAG i.V.m. § 82 Abs. 1 AufenthG) zu klären, welche Staatsangehörigkeit oder welche Staatsangehörigkeiten sie mit ihrer Geburt erworben hat. Insoweit dürften die Staatsangehörigkeiten von Bosnien und Herzegowina, von Serbien und der Republik Srpska in Betracht kommen. Ob die Klägerin eine oder alle genannten Staatsangehörigkeiten erworben hat, hängt davon ab, welche Staatsangehörigkeit(en) die Eltern der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Geburt hatten. Sollte die Klägerin eine oder alle der genannten ausländischen Staatsangehörigkeiten zum Zeitpunkt ihrer Geburt erworben haben, wäre zu prüfen, ob sie die ausländische Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit am 25.01.2001 verloren hat. So sieht beispielsweise Art. 17 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina (BuH) vom 16.12.1997 vor, dass die Staatsangehörigkeit von BuH durch den freiwilligen Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit verloren geht, sofern nichts anderes in einem zwischen BuH und jenem Staat geschlossenen bilateralen Vertrag bestimmt ist. Allerdings wurde Art. 17 StAG BuH durch Urteil des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina vom 23.09.2011 für verfassungswidrig erklärt (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Anm. 2 zu Art. 17), wobei unklar ist, ob Art. 17 StAG BuH auch rückwirkend für verfassungswidrig erklärt wurde.
28 
Falls die Klägerin eine ausländische Staatsangehörigkeit mit ihrer Geburt erworben und diese durch Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht verloren hat, so war sie gemäß § 29 StAG a.F. optionspflichtig. Die Hinweise des Landratsamts Göppingen im Schreiben vom 10.03.2009 entsprachen den Anforderungen des § 29 Abs. 5 StAG a.F.; die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.05.2009 erklärt, die deutsche Staatsangehörigkeit behalten zu wollen, eine Beibehaltungsgenehmigung wurde aber nicht beantragt. Die Klägerin war somit gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 StAG a.F. verpflichtet, die Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres nachzuweisen. Da sie diesen Nachweis bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres (28.04.2014) nicht geführt hat, ging ihre deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 StAG a.F. kraft Gesetzes mit Ablauf des 28.04.2014 verloren. Der Feststellungsbescheid gemäß § 29 Abs. 6 Satz 1 StAG hat nur deklaratorische Wirkung; konstitutiv wirken allein die gesetzlichen Verlusttatbestände (vgl. HTK-StAR / § 29 StAG / zu Abs. 6, Stand: 11.08.2015, Rn. 1 m.w.N.). Das am 20.12.2014 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 13.11.2014 enthält keine Altfallregelung. Die Neufassung des § 29 StAG ist deshalb auf Altfälle, in denen - wie vorliegend - der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bereits eingetreten ist, nicht anwendbar; der Gesetzgeber hat von einer Rückwirkung des Gesetzes bewusst abgesehen (vgl. HTK-StAR / § 29 StAG / zu Abs. 1, Stand: 04.12.2015, Rn. 6 m.w.N.). Zwar hatte der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 26.05.14 eingelegte Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid des Landratsamts Göppingen vom 02.05.2014 aufschiebende Wirkung. Eine solche aufschiebende Wirkung bezieht sich aber nur auf die Feststellung und ihre Wirkungen (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 StAG); unberührt hiervon bleibt ein kraft Gesetzes bereits eingetretener Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit (vgl. HTK-StAR / § 29 StAG / zu Abs. 6, Stand: 11.08.2015, Rn. 8.; Berlit in: GK-StAR, Stand Juni 2015, § 29 StAG Rn. 273). Dies bedeutet, dass trotz der aufschiebenden Wirkung eines eingelegten Widerspruchs gegen den Feststellungsbescheid der Staatsangehörigkeitsbehörde andere Behörden an der Berücksichtigung des kraft Gesetzes eingetretenen Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit nicht gehindert sind.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 und § 161 Abs. 2 VwVO. Soweit der Rechtsstreit von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, sind auch die insoweit angefallenen Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Denn § 5a Abs. 3 Meldegesetz BW a.F. richtete sich ausschließlich an öffentliche Stellen und begründete keinen subjektiv-öffentlichen Anspruch der Klägerin.

Gründe

19 
Soweit die Klage zurückgenommen wurde und nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen wird das Verfahren insoweit entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt.
20 
Im Übrigen ist die Klage unzulässig.
21 
Bei Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit hat nach § 30 Abs. 1 StAG die verbindliche Klärung durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu erfolgen. Eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage nachrangig (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Seit der Einfügung des § 30 StAG, der die Staatsangehörigkeitsbehörde zur verbindlichen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ermächtigt, scheidet deshalb die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO als zulässige Klageart für das Begehren auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.02.2015 - 1 C 17/14 - BVerwGE 151, 245).
22 
Auch bei Umdeutung des Begehrens der Klägerin als Verpflichtungsbegehren, gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsakts nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG, der ihre deutsche Staatsangehörigkeit feststellt, ist die Klage unzulässig.
23 
Ein Klagebegehren, das auf die Verpflichtung einer Behörde zum Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist (§ 42 Abs. 1 VwGO), ist nach der Verwaltungsgerichtsordnung nur zulässig, wenn zuvor bei der Behörde ein Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts gestellt oder abgelehnt oder nicht beschieden worden ist (vgl. §§ 68 Abs. 2, 75 Satz 1 VwGO), und zwar auch dann, wenn der Verwaltungsakt auch ohne Antrag ergehen kann oder gar von Amts wegen erlassen werden muss. Dies folgt auch aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der gebietet, dass sich zunächst die Verwaltung mit (vermeintlichen) Ansprüchen des Einzelnen befasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.11.2007 - 6 C 42/06 - BVerwGE 130, 39 und Urt. v. 31.08.1995 - 5 C 11/94 - BVerwGE 99, 158; VGH Mannheim, Beschl. v. 19.04.1999 - 6 S 420/97 - VBlBW 2000, 106; Beschl. v. 19.02.2008 - 13 S 2774/07 - VBlBW 2008, 351; Urt. v. 18.06.2008 - 13 S 2809/07 - VBlBW 2009, 73 und Urt. v. 03.07.2014 - 5 S 2429/12 - juris -). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben.
24 
Ob in der prozessualen Geltendmachung des Verpflichtungsbegehrens gleichzeitig ein neuer Antrag an die Behörde gesehen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.06.1993 - 11 C 16/92 - NVwZ 1995, 75 und Urt. v. 04.08.1993 - 11 C 15/92 - NVwZ 1995, 76), kann das Gericht offen lassen. Denn selbst dann wäre das geltend gemachte Verpflichtungsbegehren unzulässig, weil die Antragstellung bei der Behörde keine bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachholbare Sachurteilsvoraussetzung, sondern eine nicht nachholbare Klagevoraussetzung ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.08.1973 - II C 10.73 - Buchholz 232 § 181 BBG Nr. 6; Urt. v. 24.02.1982 - 6 C 8/77 - BVerwGE 65, 87; Urt. v. 27.06.1986 - 6 C 131/80 - BVerwGE 74, 30 und Beschl. v. 01.12.1993 - 2 B 115/93 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 110; VGH Mannheim, Beschl. v. 19.04.1999 - 6 S 420/97 - a.a.O.; Urt. v. 13.04.2000 - 5 S 1136/98 - NVwZ 2001, 101; Beschl. v. 30.05.2000 - A 6 S 281/00 - AuAS 2000, 201; Beschl. v. 28.04.2008 - 11 S 683/08 - VBlBW 2008, 490 und Urt. v. 03.07.2014 - 5 S 2429/12 - juris -; OVG Hamburg, Urt. v. 18.12.2008 - 4 Bf 69/08 - InfAuslR 2009, 189). Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen; ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 03.07.2014 - 5 S 2429/12 - juris -).
25 
An einer solchen Antragstellung fehlt es hier. Vielmehr ging die Klägerin selbst davon aus, dass mit der Aufhebung des Bescheids vom 02.05.2014 durch das Landratsamt Göppingen sie ihre deutsche Staatsangehörigkeit behalten habe und dies lediglich der zuständigen Meldebehörde mitgeteilt werden müsse, eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit es deshalb nicht bedürfe. Die Klage ist deshalb als unzulässig abzuweisen.
26 
Zur Vermeidung von weiteren Rechtsstreitigkeiten weist das Gericht noch auf folgende Gesichtspunkte hin:
27 
Zunächst wäre vom Beklagten unter Mitwirkung der Klägerin (§ 37 Abs. 1 StAG i.V.m. § 82 Abs. 1 AufenthG) zu klären, welche Staatsangehörigkeit oder welche Staatsangehörigkeiten sie mit ihrer Geburt erworben hat. Insoweit dürften die Staatsangehörigkeiten von Bosnien und Herzegowina, von Serbien und der Republik Srpska in Betracht kommen. Ob die Klägerin eine oder alle genannten Staatsangehörigkeiten erworben hat, hängt davon ab, welche Staatsangehörigkeit(en) die Eltern der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Geburt hatten. Sollte die Klägerin eine oder alle der genannten ausländischen Staatsangehörigkeiten zum Zeitpunkt ihrer Geburt erworben haben, wäre zu prüfen, ob sie die ausländische Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit am 25.01.2001 verloren hat. So sieht beispielsweise Art. 17 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina (BuH) vom 16.12.1997 vor, dass die Staatsangehörigkeit von BuH durch den freiwilligen Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit verloren geht, sofern nichts anderes in einem zwischen BuH und jenem Staat geschlossenen bilateralen Vertrag bestimmt ist. Allerdings wurde Art. 17 StAG BuH durch Urteil des Verfassungsgerichts von Bosnien und Herzegowina vom 23.09.2011 für verfassungswidrig erklärt (vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Anm. 2 zu Art. 17), wobei unklar ist, ob Art. 17 StAG BuH auch rückwirkend für verfassungswidrig erklärt wurde.
28 
Falls die Klägerin eine ausländische Staatsangehörigkeit mit ihrer Geburt erworben und diese durch Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht verloren hat, so war sie gemäß § 29 StAG a.F. optionspflichtig. Die Hinweise des Landratsamts Göppingen im Schreiben vom 10.03.2009 entsprachen den Anforderungen des § 29 Abs. 5 StAG a.F.; die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.05.2009 erklärt, die deutsche Staatsangehörigkeit behalten zu wollen, eine Beibehaltungsgenehmigung wurde aber nicht beantragt. Die Klägerin war somit gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 StAG a.F. verpflichtet, die Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres nachzuweisen. Da sie diesen Nachweis bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres (28.04.2014) nicht geführt hat, ging ihre deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 StAG a.F. kraft Gesetzes mit Ablauf des 28.04.2014 verloren. Der Feststellungsbescheid gemäß § 29 Abs. 6 Satz 1 StAG hat nur deklaratorische Wirkung; konstitutiv wirken allein die gesetzlichen Verlusttatbestände (vgl. HTK-StAR / § 29 StAG / zu Abs. 6, Stand: 11.08.2015, Rn. 1 m.w.N.). Das am 20.12.2014 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 13.11.2014 enthält keine Altfallregelung. Die Neufassung des § 29 StAG ist deshalb auf Altfälle, in denen - wie vorliegend - der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bereits eingetreten ist, nicht anwendbar; der Gesetzgeber hat von einer Rückwirkung des Gesetzes bewusst abgesehen (vgl. HTK-StAR / § 29 StAG / zu Abs. 1, Stand: 04.12.2015, Rn. 6 m.w.N.). Zwar hatte der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 26.05.14 eingelegte Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid des Landratsamts Göppingen vom 02.05.2014 aufschiebende Wirkung. Eine solche aufschiebende Wirkung bezieht sich aber nur auf die Feststellung und ihre Wirkungen (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 StAG); unberührt hiervon bleibt ein kraft Gesetzes bereits eingetretener Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit (vgl. HTK-StAR / § 29 StAG / zu Abs. 6, Stand: 11.08.2015, Rn. 8.; Berlit in: GK-StAR, Stand Juni 2015, § 29 StAG Rn. 273). Dies bedeutet, dass trotz der aufschiebenden Wirkung eines eingelegten Widerspruchs gegen den Feststellungsbescheid der Staatsangehörigkeitsbehörde andere Behörden an der Berücksichtigung des kraft Gesetzes eingetretenen Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit nicht gehindert sind.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 und § 161 Abs. 2 VwVO. Soweit der Rechtsstreit von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, sind auch die insoweit angefallenen Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Denn § 5a Abs. 3 Meldegesetz BW a.F. richtete sich ausschließlich an öffentliche Stellen und begründete keinen subjektiv-öffentlichen Anspruch der Klägerin.

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

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(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

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(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für

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Ein Ausländer, der am 1. Januar 2000 rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist auf Antrag einzubürgern, wenn bei seiner Geburt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 vorgelegen habe

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 33


(1) Das Bundesverwaltungsamt (Registerbehörde) führt ein Register der Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten. In das Register werden eingetragen: 1. Entscheidungen zu Staatsangehörigkeitsurkunden,2. Entscheidungen zum Bestand und geset

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Ein Ausländer, der am 1. Januar 2000 rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist auf Antrag einzubürgern, wenn bei seiner Geburt die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 vorgelegen haben und weiter vorliegen. Der Antrag kann bis zum 31. Dezember 2000 gestellt werden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Das Bundesverwaltungsamt (Registerbehörde) führt ein Register der Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten. In das Register werden eingetragen:

1.
Entscheidungen zu Staatsangehörigkeitsurkunden,
2.
Entscheidungen zum Bestand und gesetzlichen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit,
3.
Entscheidungen zu Erwerb, Bestand und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, die nach dem 31. Dezember 1960 und vor dem 28. August 2007 getroffen worden sind.

(2) Im Einzelnen dürfen in dem Register gespeichert werden:

1.
die Grundpersonalien der betroffenen Person (Familienname, Geburtsname, frühere Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Geschlecht sowie die Anschrift im Zeitpunkt der Entscheidung) und Auskunftssperren nach § 51 des Bundesmeldegesetzes,
2.
Rechtsgrund und Datum der Urkunde oder der Entscheidung sowie Rechtsgrund und der Tag des Erwerbs oder Verlusts der Staatsangehörigkeit, im Fall des § 3 Absatz 2 auch der Zeitpunkt, auf den der Erwerb zurückwirkt,
3.
Bezeichnung, Anschrift und Aktenzeichen der Behörde, die die Entscheidung getroffen hat.

(3) Die Staatsangehörigkeitsbehörden sind verpflichtet, die in Absatz 2 genannten personenbezogenen Daten zu den Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 und 2, die sie nach dem 28. August 2007 treffen, unverzüglich an die Registerbehörde zu übermitteln.

(4) Die Registerbehörde übermittelt den Staatsangehörigkeitsbehörden und Auslandsvertretungen auf Ersuchen die in Absatz 2 genannten Daten, soweit die Kenntnis der Daten für die Erfüllung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Aufgaben dieser Stellen erforderlich ist. Für die Übermittlung an andere öffentliche Stellen und für Forschungszwecke gelten die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Übermittlung von Angaben nach Absatz 1 zu Forschungszwecken ist nur in anonymisierter Form oder dann zulässig, wenn das wissenschaftliche Interesse an der Durchführung des Forschungsvorhabens das Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung erheblich überwiegt.

(5) Die Staatsangehörigkeitsbehörde teilt nach ihrer Entscheidung, dass eine Person eingebürgert worden ist oder die deutsche Staatsangehörigkeit weiterhin besitzt, verloren, aufgegeben oder nicht erworben hat, der zuständigen Meldebehörde oder Auslandsvertretung die in Absatz 2 genannten Daten unverzüglich mit.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass sie infolge der Adoption durch ihren deutschen Stiefvater, die noch vor der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres beantragt, aber erst längere Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit amtsgerichtlich beschlossen worden ist, die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.

2

Die Klägerin ist im Jahre 1986 als Kind russischer Eltern geboren und besitzt die russische Staatsangehörigkeit. Nach der Scheidung ihrer leiblichen Eltern im Jahre 1991 heiratete ihre Mutter im Januar 2002 einen deutschen Staatsangehörigen. Die Klägerin reiste im Juli 2002 erstmals in das Bundesgebiet ein und erhielt in der Folgezeit befristete Aufenthaltstitel zum Familiennachzug zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater. Im März 2003 beantragte der Stiefvater der Klägerin bei dem zuständigen Amtsgericht deren Annahme als Kind. Nach Eingang der gutachterlichen Äußerung des Jugendamtes fragte das Familiengericht bei dem Stiefvater der Klägerin an, ob er, um die weitere Entwicklung abzuwarten, den Adoptionsantrag zurücknehmen oder für eine gewisse Zeit ruhen lassen wolle. Dieser teilte mit, dass er es vorziehen würde, den Adoptionsantrag zunächst ruhen zu lassen. Im Februar 2005 verfügte das Familiengericht das Weglegen des Vorganges. Der Stiefvater der Klägerin teilte im März 2005 der Beklagten mit, dass die Klägerin nach Russland zurückgekehrt sei, um dort eine Ausbildung zu absolvieren.

3

Die Klägerin reiste im Juli 2009 mit einem Visum zu Besuchszwecken erneut in das Bundesgebiet ein. Sie heiratete im Juli 2009 einen deutschen Staatsangehörigen und erhielt in der Folgezeit Aufenthaltstitel zum Ehegattennachzug. Durch einen seit August 2011 rechtskräftigen Strafbefehl wurde die Klägerin wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels zu einer Geldstrafe verurteilt; die in Dänemark geschlossene Ehe hatte sich als ausländerrechtliche Zweckehe ("Scheinehe") erwiesen. Diese Ehe wurde im Dezember 2011 geschieden. Die Beklagte wies mit Bescheid vom 7. Dezember 2011 die Klägerin aus dem Bundesgebiet aus und nahm rückwirkend die erteilten Aufenthaltstitel zurück. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

4

Am 30. Dezember 2011 ging beim Amtsgericht eine notarielle Urkunde ein, gerichtet auf den Ausspruch der Annahme der Klägerin als Kind mit den Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen. Das Amtsgericht München - Familiengericht - sprach mit unanfechtbarem Beschluss vom 8. Mai 2012 die Annahme der Klägerin als Kind aus und bestimmte zugleich, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richteten. Dabei nahm das Amtsgericht Bezug auf den "Antrag des Annehmenden und der Anzunehmenden vom 28.12.2011 in Verbindung mit dem Adoptionsantrag des Annehmenden vom 24.3.2003".

5

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 30. Mai 2012 ihre Rechtsauffassung mit, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 6 Satz 1 StAG erworben habe, und bekräftigte diese Rechtsauffassung auf die Aufforderung der Klägerin (Schreiben vom 23. Juni 2012), ihre deutsche Staatsangehörigkeit anzuerkennen (Schreiben vom 27. Juni 2012). Das Verwaltungsgericht gab im Oktober 2013 der Klage auf Feststellung statt, dass die Klägerin durch die Annahme als Kind mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 8. Mai 2012 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe.

6

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wies der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 30. Juni 2014 zurück. Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe nach § 6 Satz 1 StAG durch wirksame Annahme als Kind durch einen Deutschen die Staatsangehörigkeit erworben, weil sie im Zeitpunkt des Annahmeantrags das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Abzustellen sei auf den ursprünglichen Annahmeantrag aus dem Jahre 2003. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei entscheidend, dass im Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes noch der auf Minderjährigenadoption gerichtete Antrag anhängig und bis zu diesem Zeitpunkt weder abschlägig beschieden noch wirksam zurückgenommen worden sei. Der Stiefvater habe mit Blick auf die Stellungnahme des Jugendamtes, das wegen der erst kurzen Beziehung noch kein vollwertiges Eltern-Kind-Verhältnis gesehen habe, lediglich ein Ruhen des Verfahrens beantragt. Der Antrag vom März 2003 sei erst mit dem am 8. Mai 2012 ergangenen Beschluss des Amtsgerichts beschieden worden, das ausdrücklich auch auf diesen Adoptionsantrag Bezug genommen habe.

7

Die Umstände des vorliegenden Falles gäben keinen Anlass zu einer einengenden Interpretation des § 6 Satz 1 StAG, die das Bundesverwaltungsgericht für Missbrauchsfälle offengelassen habe. Die Klägerin habe das Verfahren nicht weiter betrieben und den Nichtabschluss des ersten Adoptionsverfahrens jedenfalls nicht in einer Weise zu verantworten oder zu vertreten, die eine Nichtanwendung des § 6 Satz 1 StAG rechtfertige. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, der Zeitpunkt des Wiederaufgreifens des Adoptionsantrages längere Zeit nach der Wiedereinreise ins Bundesgebiet und im Angesicht einer Ausweisungsverfügung lasse auf ein missbräuchliches Verhalten schließen, berücksichtige nicht, dass das Offenhalten des ursprünglichen Adoptionsantrages dem Stiefvater ausdrücklich vom zuständigen Amtsrichter angeboten worden sei. Die Durchführung einer Ausbildung im Ausland sowie die Eheschließung, die sich als Scheinehe erwiesen und zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt habe, habe nichts mit dem Adoptionsverfahren zu tun, das im Jahr 2003 nicht beendet worden sei. Der Klägerin sei nicht vorwerfbar, dass sie mit der Adoption auch der Ausweisung entgehen wolle und sie sich nicht umgehend nach ihrer Wiedereinreise im Jahre 2009 um die Verfahrensfortsetzung bemüht habe. Weder dem Adoptions- noch dem Staatsangehörigkeitsrecht sei eine derartige Pflicht zu entnehmen. Auch hätte insoweit ihr Stiefvater mitwirken müssen; eine stärkere Eltern-Kind-Beziehung sei aber erst durch das erneute Zusammenleben ab September 2009 erwachsen. Es sei auch nachvollziehbar, dass der im Jahr 2003 gestellte Adoptionsantrag zunächst aus dem Blickfeld geraten sei. Der erste Adoptionsantrag sei hier auch nicht gleichsam "ins Blaue hinein" und auf Vorrat gestellt worden, sondern nach Begründung einer Eltern-Kind-Beziehung aus dem Gefühl der Mitverantwortung und der Verbundenheit heraus.

8

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 6 Satz 1 StAG, weil die nach den Umständen des Einzelfalles gebotene teleologische Reduktion der Regelung abgelehnt worden sei; die Klägerin habe mit dem Wiederaufgreifen des Adoptionsverfahrens auch rechtsmissbräuchlich gehandelt.

9

Die beteiligte Landesanwaltschaft Bayern unterstützt die Revision und hebt hervor, das Verfahren gebe dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu § 6 Satz 1 StAG fortzuentwickeln, um einen Missbrauch der Regelung auszuschließen oder abzuwehren.

10

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und hebt hervor, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG unstreitig vorlägen. Mangels Rechtspflicht zum sofortigen Wiederaufgreifen des Adoptionsverfahrens könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie sich nicht sofort nach Rückkehr ins Bundesgebiet im Jahre 2009 um den Fortgang des Verfahrens bemüht habe. Mangels missbräuchlicher Ausnutzung bestehe auch kein Anlass für eine teleologische Reduktion des § 6 Satz 1 StAG.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, ein vor Eintritt der Volljährigkeit gestellter Antrag auf Annahme an Kindes statt führe nach § 6 Satz 1 StAG auch dann zum Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes, wenn dieser Antrag erst längere Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit wieder aufgegriffen worden ist, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige ist.

12

1. Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen die Klage als zulässig angesehen. Zulässige Klageart für das erkennbare Begehren der Klägerin auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit ist indes entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs nicht die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO), sondern die auf entsprechende behördliche Feststellung gerichtete Verpflichtungsklage.

13

Gemäß § 30 Abs. 1 StAG (mit Wirkung vom 28. August 2007 einfügt durch Art. 5 Nr. 19 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl I S. 1970) wird das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt (Satz 1); diese Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist (Satz 2). Bei Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit hat nach § 30 Abs. 1 StAG mithin nunmehr die verbindliche Klärung durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu erfolgen (s. Marx, in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 30 Rn. 29 ff., 34, Stand April 2010). Der Staatsangehörigkeitsbehörde steht es nicht frei, auf den auch von Amts wegen möglichen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 StAG) Erlass dieses feststellenden Verwaltungsaktes zu verzichten und den Einzelnen direkt auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage zu verweisen. Diese ist gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage nachrangig (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht einer Ausdeutung des durchgängigen und unveränderten Begehrens der Klägerin als Verpflichtungsbegehren, gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG, der ihre deutsche Staatsangehörigkeit feststellt, nicht entgegen.

14

Mit der Einfügung des § 30 StAG, der die Staatsangehörigkeitsbehörde zur verbindlichen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ermächtigt, ist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1985 - 1 C 12.84 - Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr. 5) zur Zulässigkeit der Feststellungsklage in Fällen überholt, in denen die Staatsangehörigkeitsbehörde gegenüber dem Betroffenen die Rechtsstellung als Deutscher bestreitet. Diese Rechtsprechung gründete sich maßgeblich darauf, dass nach seinerzeitigem Recht ein auf Antrag ausgestellter Staatsangehörigkeitsausweis lediglich den Charakter einer widerlegbaren Vermutung (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1985 - 1 C 52.82 - BVerwGE 71, 309 <316>) hatte und daher auch die inzidenten Feststellungen über das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit nicht in allen Angelegenheiten Rechtsklarheit schaffen konnten, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich war.

15

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung der Beklagten, ihre deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen, weil sie nicht deutsche Staatsangehörige (geworden) ist. Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch die - hier allein als Erwerbsgrund in Betracht kommende (2.1) - Annahme an Kindes statt durch einen deutschen Staatsangehörigen erworben. Zwar sind die allgemeinen Voraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG erfüllt (2.3). Diese Annahme ist indes nicht im Sinne des § 6 Satz 1 StAG auf einen Annahmeantrag erfolgt, bei dessen Stellung die Klägerin das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; denn zwischen dem Annahmeantrag, der durch ihren Stiefvater im März 2003 vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres der Klägerin gestellt wurde, und der Annahme als Kind durch ihren Stiefvater deutscher Staatsangehörigkeit besteht nicht der nach dem Sinn und Zweck der Regelung erforderliche verfahrens- und materiellrechtliche Zusammenhang (2.4).

16

2.1 Als Rechtsgrundlage für einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Klägerin kommt hier allein § 6 StAG in Betracht. Nach § 6 Satz 1 StAG in der noch heute gültigen Fassung, die diese Bestimmung durch Art. 6 § 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (vom 25. Juli 1986, BGBl. I S. 1142) erhalten hat, erwirbt mit der nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen das Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die deutsche Staatsangehörigkeit. Dass die Klägerin aus einem anderen Rechtsgrund die deutsche Staatsangehörigkeit erworben oder besitzen könnte, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen.

17

2.2 Die Staatsangehörigkeitsbehörde hat nach § 6 Satz 1 StAG selbständig zu prüfen, ob eine nach deutschem Recht wirksame Annahme an Kindes statt ein Kind betrifft, das im Zeitpunkt des zur Annahme führenden Antrages das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. An die familiengerichtliche Entscheidung über ein Adoptionsbegehren ist sie nur insoweit gebunden, als es die Tatsache einer nach deutschem Recht wirksamen Annahme als Kind, und zwar zu den Bedingungen einer Minderjährigenadoption, betrifft. Eine weitergehende Bindung auch an die Beurteilung des Familiengerichts, auf welchen Antrag hin diese Adoption erfolgt sei, oder an die familiengerichtliche Begründung, aus welchem der in § 1772 Abs. 1 Satz 1 BGB benannten Rechtsgründe sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen oder eines verwandten Minderjährigen richten, für den nach § 6 Satz 1 StAG zu beurteilenden Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes besteht nicht. § 1772 BGB regelt nur die familienrechtlichen Wirkungen. Eine Bindungswirkung für den eigenständig geregelten Staatsangehörigkeitserwerb ergibt sich hieraus nicht. Sie folgt auch nicht aus der Tatbestandswirkung der Annahme an Kindes statt oder der Rechtskraftwirkung der familiengerichtlichen Entscheidung. Die auf die zivilrechtlichen Wirkungen der Annahmeentscheidung bezogenen Wirkungen bleiben von einer selbständigen staatsangehörigkeitsbehördlichen Beurteilung des Zusammenhanges des vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrages und der letztlich bewirkten Annahme unberührt.

18

2.3 Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof sind im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass für einen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG erforderlich ist, dass ein Annahmeantrag zu einem Zeitpunkt bei dem Familiengericht gestellt worden ist, zu dem das Kind das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (s.a. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1998 - 1 C 2.98 - BVerwGE 108, 216), und dass dieser Annahmeantrag verfahrensrechtlich nicht dadurch "verbraucht" worden sein darf, dass er im Zeitpunkt der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres abschließend negativ beschieden oder wirksam zurückgenommen worden ist (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <121>). Diese Voraussetzungen sind hier mit Blick auf den im März 2003 gestellten Antrag festgestellt und stehen auch nicht im Streit.

19

Der Anwendung des § 6 Satz 1 StAG steht für sich allein auch nicht entgegen, dass das auf diesen Antrag hin eingeleitete familiengerichtliche Verfahren zum Ruhen gebracht und die Akten schließlich weggelegt worden sind; dies bewirkt keine Erledigung dieses Verfahrens im Rechtssinne (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <121>). Dem gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG steht auch nicht notwendig entgegen, dass mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes das durch einen zuvor gestellten Antrag wirksam eingeleitete Verfahren nur dann zu einer Annahme an Kindes statt führen kann, wenn nach § 1768 Abs. 1 BGB ein weiterer Antrag durch den Annehmenden und den (volljährig gewordenen) Anzunehmenden gestellt wird; denn die Einwilligung, die gemäß § 1746 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Annahme eines minderjährigen Kindes erforderlich ist, wirkt auch dann nicht über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus, wenn sie durch das anzunehmende Kind - wie nach Vollendung des vierzehnten Lebensjahres grundsätzlich vorausgesetzt (§ 1746 Abs. 1 Satz 3 BGB) - selbst erteilt worden ist. Dieser neuerliche Antrag ist Voraussetzung dafür, dass es - wie von § 6 Satz 1 StAG vorausgesetzt - nach Eintritt der Volljährigkeit überhaupt zu einer Annahme an Kindes statt kommen kann und steht daher dem erforderlichen Zusammenhang mit dem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag für sich genommen nicht entgegen (s.a. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <118 f.>).

20

2.4 § 6 Satz 1 StAG erfordert aber für den Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes zwischen dem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrag und der nachfolgenden Annahme an Kindes statt einen hinreichenden verfahrens- und materiellrechtlichen Zusammenhang. Dies gebieten Sinn und Zweck der Regelung, wie sie sich hinreichend aus der Entstehungsgeschichte erschließen (a). Dieser Zusammenhang besteht nur dann, wenn bei einem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrag der zur Fortsetzung des Verfahrens nach § 1768 BGB erforderliche Antrag spätestens bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt worden ist und das Adoptionsverfahren von den Antragstellern sodann mit dem gebotenen Nachdruck betrieben wird (b). Nicht zu prüfen ist dann, ob bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres das Verfahren aus Gründen nicht zu einem Abschluss gekommen ist, die ganz oder überwiegend in der Sphäre der Antragsteller liegen, oder ob der vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellte Antrag im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit bereits zur Annahme an Kindes statt hätte führen müssen (c).

21

a) Die durch das Gesetz vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) eingefügte Vorverlagerung des Anknüpfungszeitpunktes für einen gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb durch Adoption auf den Zeitpunkt der Antragstellung berücksichtigt Art. 3 des Europäischen Übereinkommens vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern - Europäisches Adoptionsübereinkommen - (BGBl. 1980 II S. 1093 und 1981 II S. 72) und passt im Kern die Reichweite des gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerbs dem Geltungsbereich dieses Abkommens an (s.a. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <116 f.>). Dies modifiziert die bei Einfügung des § 6 StAG (Adoptionsgesetz vom 2. Juli 1976, BGBl. I S. 1749) getroffene Grundentscheidung, dass nur die Adoption Minderjähriger staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen haben soll, um jeden Anreiz zu vermeiden, durch eine Adoption die für Ausländer bestehenden aufenthaltsrechtlichen, berufsrechtlichen und sonstigen Beschränkungen zu umgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1998 - 1 C 2.98 - BVerwGE 108, 216 <219 f.>; s.a. BT-Drs. 7/3061; S. 65), für Fälle im Grenzbereich zwischen Minderjährigen- und Volljährigenadoption. Es hebt sie indes nicht auf. Minderjährigen, die durch ihre Einwilligung (§ 1746 BGB) zu dem Adoptionsantrag ihren Wunsch und Willen zur Annahme durch Einleitung des dafür vorgesehenen Verfahrens wirksam bekundet haben, sollen lediglich die ihnen gewährten Rechtsvorteile ohne Rücksicht auf die Dauer und Gestaltung des Adoptionsverfahrens erhalten bleiben (s. - unter Auswertung der Entstehungsgeschichte - BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <117 f.>). Die Anknüpfung an den Annahmeantrag berücksichtigt dabei auch, dass bei einer beachtlichen Antragstellung vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres das Ziel an Gewicht verliert, Manipulationen und Umgehungen der für erwachsene Ausländer geltenden Aufenthaltsbeschränkungen zu begegnen (BT-Drs. 10/504 S. 96).

22

Aus der Entstehungsgeschichte des § 6 StAG ergibt sich indes kein Anhaltspunkt, dass der Grundsatz, einer Erwachsenenadoption keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen beizumessen, insgesamt oder doch auch für Fälle aufgegeben werden sollte, in denen zwischen dem vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Annahmeantrag und der anschließenden Annahme als Volljähriger kein substantieller materieller und verfahrensrechtlicher Zusammenhang mehr besteht. § 6 Satz 1 StAG ist daher nur dann anzuwenden, wenn sich die nach Eintritt der Volljährigkeit vollzogene Adoption sachlich und verfahrensrechtlich als Abschluss des durch den vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Annahmeantrages darstellt. Dies ist nicht der Fall, wenn das Verfahren, das durch den vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Adoptionsantrag eingeleitet worden ist, zwar formell noch anhängig ist, es aber für einen Zeitraum faktisch oder förmlich zum Ruhen gebracht worden ist, der allein schon durch den Zeitablauf einen substantiellen Zusammenhang zu dem Erstantrag ausschließt. Auch das Urteil des Senats vom 14. Oktober 2003 (1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <119>) hat nicht das Erfordernis einer "funktionalen Verbindung" zwischen dem ersten Adoptionsantrag mit dem Annahmebeschluss als Anwendungsvoraussetzung des § 6 Satz 1 StAG abgelehnt; abgestellt wird allein darauf, dass die in jenem Verfahren zu dessen Verneinung herangezogenen Gründe die seinerzeitige Berufungsentscheidung nicht tragen konnten.

23

b) Für die verfahrensrechtliche Verknüpfung ist maßgeblich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der für den Fortgang des Verfahrens nach § 1768 Abs. 1 BGB erforderliche (weitere) Adoptionsantrag bei dem Familiengericht eingeht, soweit dann in der Folgezeit das Verfahren mit dem gehörigen Nachdruck betrieben wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen die Staatsangehörigkeitsbehörde und auch der Anzunehmende nach hinreichend klaren, nicht von streitanfälligen Wertungen abhängigen objektiven Kriterien beurteilen können, ob noch ein hinreichend substantieller Zusammenhang besteht, der die Rechtsfolge des § 6 Satz 1 StAG auslöst. Keine andere Beurteilung rechtfertigt, dass der Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB gemeinsam mit dem Annehmenden zu stellen ist, also nicht allein in der Verfügungsmacht des Anzunehmenden steht. Denn ist der später Annehmende vorübergehend nicht bereit, an der erforderlichen Antragstellung mitzuwirken, fehlt es an dem von § 6 Satz 1 StAG für den Rechtserhalt vorausgesetzten, fortbestehenden beiderseitigen Adoptionswillen. Ein später gleichwohl gestellter Antrag setzt dann sachlich nicht das durch den Erstantrag eingeleitete Verfahren fort.

24

Der Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB wahrt den hinreichenden substantiellen Zusammenhang mit dem Erstantrag nur, wenn er bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt worden ist und sodann mit dem gehörigen Nachdruck verfolgt wird. Zu diesem Zeitpunkt endet eine Übergangsphase auch rechtlich abgestufter Verantwortlichkeit und Verantwortung, die mit der Volljährigkeit durch die der junge Mensch rechtlich in vollem Umfang handlungsfähig wird, beginnt. Dass die Volljährigkeit nicht zwingend eine umfassende rechtliche Verantwortlichkeit bedeutet, anerkennt etwa das Jugendstrafrecht, das auch auf Heranwachsende angewendet wird, die im Zeitpunkt der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt waren (§ 1 Abs. 2 JGG). Im Einzelfall fortbestehenden Orientierungs- und Entwicklungsbedarf setzt auch § 41 Abs. 1 SGB VIII voraus, nach dem einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden soll, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist, in der Regel aber nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres. Nach der Neufassung des § 29 StAG (sog. Optionsregelung) durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (vom 13. November 2014, BGBl. I S. 1714) anerkennt nunmehr auch das Staatsangehörigkeitsrecht selbst in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4, Abs. 1a StAG, dass der Prozess des Aufwachsens im Bundesgebiet erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres als beendet anzusehen ist und der junge Volljährige sich mit der Zustellung des Hinweises, der seine Optionspflicht auslöst, in vollem Umfange seiner staatsangehörigkeitsrechtlichen Verantwortung zu stellen hat.

25

In dem Zeitraum bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres hat der junge Volljährige einerseits hinreichend Gelegenheit, sich unter den mit Eintritt der Volljährigkeit veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen Klarheit zu verschaffen, ob er an dem eingeleiteten Adoptionsverfahren festhalten möchte, und den hierfür erforderlichen Antrag auch zu stellen. Innerhalb dieser Frist ist ihm dies indes auch abzuverlangen, wenn er den materiell fortbestehenden wechselseitigen Adoptionswillen und die in § 6 Satz 1 StAG vorausgesetzte verfahrensrechtlich vermittelte Antragskontinuität geltend machen will. Diese Frist wahrt aber andererseits noch einen substantiellen Zusammenhang zu dem vor Eintritt der Volljährigkeit eingeleiteten Adoptionsverfahren und stellt so sicher, dass die Übergangsphase einer erleichterten, situationsgerechten Gesetzesanwendung im Grenzbereich zwischen Minderjährigen und Volljährigen sachgerecht begrenzt wird. Bei einem bereits vor Eintritt der Volljährigkeit durch einen wirksamen Adoptionsantrag dokumentierten wechselseitigen Adoptionswillen, an den bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres ein Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB anknüpft, ist ein Gebrauch des Adoptionsrechts zu vorrangig familienrechtsfremden Zwecken weitestgehend ausgeschlossen, so dass dem Zweck der grundsätzlichen Beschränkung staatsangehörigkeitsrechtlicher Wirkungen auf die Minderjährigenadoption hinreichend Rechnung getragen wird. Der durch den Zeitablauf gelockerte Zusammenhang zu dem bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag wird durch einen fristgerecht gestellten Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB aber nur gewahrt, wenn das dadurch wieder aufgegriffene Verfahren sodann mit dem gebotenen Nachdruck betrieben und unter gehöriger Mitwirkung des Anzunehmenden bis zum Adoptionsbeschluss gefördert wird; dies ist insbesondere bei einem lediglich "auf Vorrat" gestellten Antrag, der dann gleich wieder zum Ruhen gebracht wird, ebenso wenig der Fall wie bei einer sonst verfahrensverzögernden Verfahrensgestaltung.

26

c) Bei einer Stellung des Antrags nach § 1768 Abs. 1 BGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und damit in einer Übergangsphase bedarf es nicht der Prüfung, inwieweit das Nichtbetreiben oder der Nichtabschluss des durch den Erstantrag eingeleiteten Verfahrens von dem Anzunehmenden zu verantworten oder zu vertreten ist oder sonst in dessen Sphäre fällt. Dies dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diese Prüfung würde einen Staatsangehörigkeitserwerb, der kraft Gesetzes erfolgt, mit einer einzelfallbezogenen Ermittlung und Bewertung der Gründe belasten, die zum Nichtabschluss des durch den vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag eingeleiteten Verfahrens oder dessen Nichtweiterbetreibens geführt haben.

27

Sinn und Zweck des § 6 Satz 1 StAG erfordern auch keine hypothetische Prüfung, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anzunehmende volljährig wird, nach der objektiven Rechtslage eine Annahme an Kindes statt familiengerichtlich hätte ausgesprochen werden können oder gar müssen.

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2007 - 16 K 2916/06 - wird zugelassen, soweit dieses die Verfügung der Beklagten vom 16.9.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.7.2006 aufhebt und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Besuchs der Technischen Oberschule zu erteilen.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2007 - 16 K 2916/06 - wird abgelehnt, soweit dieses die Klage im Übrigen abweist.

Insoweit trägt die Klägerin die Kosten des Zulassungsverfahrens. Diesbezüglich wird der Streitwert auf 5.000 EUR festgesetzt.

Die Kostenentscheidung im Übrigen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

 
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg (I.). Hingegen ist der Zulassungsantrag der Klägerin abzulehnen (II.).
I.
Der rechtzeitig gestellte (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat sachlich Erfolg. Sie hat jedenfalls in einem entscheidungserheblichen Punkt ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ausreichend konkret dargelegt; insoweit ist dieser Zulassungsgrund auch inhaltlich gegeben (siehe § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ob daneben auch noch aus anderen Gründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen oder der ebenfalls geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) vorliegt, kann daher offen bleiben.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der jeweils dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, DVBl. 2004, 838). Es kommt dabei darauf an, ob vom Antragsteller ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt worden ist, dass der Erfolg des Rechtsmittels mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie sein Misserfolg (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris und vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Dazu müssen zum einen die angegriffenen Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen - zumindest im Kern - zutreffend herausgearbeitet werden (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.4.1997 - 8 S 1040/97 -, VBlBW 1997, 299). Zum anderen sind schlüssige Bedenken gegen diese Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen aufzuzeigen, wobei sich der Darlegungsaufwand im Einzelfall nach den Umständen des jeweiligen Verfahrens richtet (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.7.1997 - 7 S 216/98 -, VBlBW 1998, 378 m.w.N.), insbesondere nach Umfang und Begründungstiefe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Streitstoff muss dabei unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet werden; erforderlich ist eine fallbezogene Begründung, die dem Berufungsgericht eine Beurteilung der Zulassungsfrage ohne weitere eigene aufwendige Ermittlungen ermöglicht (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 30.6.2006 - 5 B 99/05 -, juris). Selbst wenn aber - auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts bezogen - rechtliche Zweifel im oben genannten Sinn gegeben sind, ist ein Zulassungsantrag abzulehnen, wenn das Urteil jedenfalls im Ergebnis richtig ist; in diesem Fall wird nämlich ein Berufungsverfahren nicht zu einer Abänderung im Sinn des jeweiligen Beteiligten führen (siehe BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004, a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 24.10.2007 die Beklagte dazu verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Besuchs der Technischen Oberschule zu erteilen. Dem hält die Beklagte entgegen, das Gericht habe hiermit zu Unrecht eine überraschende Klageänderung zugelassen und ihr damit die Möglichkeit genommen, selbst über diesen von der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zu entscheiden und hierbei Ermessen auszuüben. Den geänderten Aufenthaltszweck habe ihr die Klägerin zuvor nicht mitgeteilt; die Beklagte habe erst in der mündlichen Verhandlung erfahren, dass die Klägerin nunmehr die zuvor absolvierte Ausbildung zur Modedesignerin abgeschlossen und sich im Sommer 2007 an der Technischen Oberschule zur Weiterbildung angemeldet habe.
Dieses Vorbringen ist geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Hierbei ist davon auszugehen, dass die an die Beklagte zu stellenden Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes erheblich reduziert sind. Fehlen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts wie hier jegliche Ausführungen zu einem bestimmten Problemkreis, dürfen auch die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel nicht überspannt werden. Denn der Darlegungsaufwand richtet sich (auch) nach Umfang und Begründungstiefe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Auszugehen ist davon, dass - wie die Beklagte zu Recht geltend macht - eine Klageänderung i.S.v. § 91 Abs. 1 VwGO vorliegt. Es handelt es sich bei dem Aufenthaltszweck des Besuchs der Technischen Oberschule um einen neuen Streitgegenstand. In Bezug auf den ursprünglich begehrten Zuzug der volljährigen Klägerin zu ihren Adoptiveltern auf der Grundlage des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegt dies auf der Hand. Gleiches gilt aber auch im Vergleich zu dem mittlerweile beendeten Besuch eines Berufskollegs mit dem Ziel der Ausbildung zur Modedesignerin. Zwar handelt es sich auch insoweit um eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung, die nach dem dritten Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen ist. Dennoch liegt im Vergleich zu dem jetzigen Besuch der Technischen Oberschule ein geänderter Aufenthaltszweck vor. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung knüpft an eine bestimmte konkrete Ausbildung an. Dies ergibt sich insbesondere aus der Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, die auch im Rahmen des hier als Anspruchsgrundlage kommenden § 16 Abs. 5 AufenthG anwendbar ist (§ 16 Abs. 5 Satz 2 AufenthG). Danach soll einem Ausländer die Aufenthaltserlaubnis nicht für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht. Diese Regelung würde leer laufen, wenn ein Ausländer die Ausbildung, die Grundlage der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis ist, nach Belieben und ohne Voraussetzungen wechseln dürfte. Aus dem Erfordernis eines bestimmten Zwecks folgt vielmehr, dass dieser klar und eindeutig umrissen sein muss (vgl. zur früheren Rechtslage BVerwG, Beschluss vom 3.3.1994 - 1 B 190.93 -, NVwZ 1995, 1125; zur aktuellen Rechtslage Bay. VGH, Beschluss vom 21.6.2007 - 24 CS 06.3454 - und Hamb. OVG, Beschluss vom 14.11.2007 - 3 Bs 232/07 - jew. juris). Eine wie hier im Hinblick auf eine Ausbildung zur Modedesignerin erteilte Aufenthaltserlaubnis schließt den Besuch einer Technischen Oberschule mit dem Ziel, die Fachhochschulreife zu erwerben, nicht ein.
Ob das Verwaltungsgericht angenommen hat, es liege schon keine Klageänderung vor, oder ob es diese für zulässig gehalten hat, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, da es keine Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage enthält. Ernstliche Zweifel bestehen jedoch unabhängig von der Frage, ob hier eine unzulässige Klageänderung vorliegt. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, spricht Vieles dafür, dass jedenfalls die Klage in Bezug auf den geänderten Aufenthaltszweck unzulässig sein könnte. Denn es fehlt an einem vorherigen Antrag bei der Verwaltung und demzufolge auch an der Durchführung eines Verwaltungs- und eines Vorverfahrens. Die Zulässigkeit einer Klageänderung entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, die Zulässigkeit der geänderten (erweiterten) Klage zu prüfen. Hierzu gehört grundsätzlich, dass das Verwaltungsverfahren und das Vorverfahren durchgeführt worden sein müssen, falls nicht die Voraussetzungen des § 75 VwGO vorliegen (wofür hier nichts ersichtlich ist). Aus Gründen der Prozessökonomie darf die Anwendung zwingenden Verfahrensrechts nicht unterbleiben. Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Verwaltung, sich mit den Ansprüchen zu befassen, die ein Bürger geltend macht. Gerichte sind dazu berufen, das Handeln der Verwaltung auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, nicht aber dazu, sich an deren Stelle zu setzen und originär über erstmals vor Gericht geltend gemachte Ansprüche zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.1.1986 - 5 C 36/84 -, NVwZ 1987, 412; OVG Nordr.-Westf., Urteil vom 7.11.1996 - 7 A 4820/95 -; OVG Saarl., Beschluss vom 22.6.1994 - 3 W 1/94 -).
II.
Der auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auf die besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat hingegen keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat die Klägerin schon nicht in ausreichender Weise dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs scheitere hier schon an der Sperrwirkung des § 16 Abs. 2 AufenthG; ein gesetzlicher Anspruch bestehe nicht, weil die hier in Betracht kommenden §§ 28 Abs. 4, 36 AufenthG keinen solchen Anspruch vermittelten. Hiermit setzt sich die Klägerin in ihrem Zulassungsantrag nicht substantiiert auseinander. Sie behauptet zwar, dass hier ein „klarer Ausnahmefall“ von der in § 16 Abs. 2 AufenthG angeordneten Sperrwirkung vorliege. Sie legt aber in keiner Weise dar, weshalb ihrer Ansicht nach ein solcher Ausnahmefall gegeben sein soll.
10 
Die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel sind auch in Bezug auf die weiteren Ausführungen der Klägerin nicht erfüllt, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 AufenthG lägen vor, insoweit werde auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen. Der bloße Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen stellt schon grundsätzlich nicht die gebotene Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil dar (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124a, Rdnr. 49). Gerade im vorliegenden Fall gilt dies sogar in besonderem Maße. Denn sowohl vor der Verwaltung als auch im Gerichtsverfahren hatte die Klägerin eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG noch damit begründet, im Falle ihrer Aufenthaltsbeendigung drohten schwerwiegende psychische Folgen für ihren Adoptivvater. Weshalb nach dessen Tod weiterhin eine außergewöhnliche Härte gegeben sein soll, müsste daher schon deshalb besonders begründet werden, weil diese Frage nicht Gegenstand des erstinstanzlichen schriftlichen Vorbringens der Klägerin gewesen ist.
11 
2. Die Klägerin hat auch keine Gründe dargelegt, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Rechtssache weise besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Annahme besonderer Schwierigkeiten im vorgenannten Sinn setzt voraus, dass der Rechtssache nicht nur allgemeine oder durchschnittliche Schwierigkeit zukommt. Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn sich der konkret zu entscheidende Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht signifikant, d.h. erheblich von dem Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfällen unterscheidet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124, Rdnr. 9).
12 
Dass die Rechtssache gemessen hieran besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Bei dem Zusammenspiel von Erwachsenenadoption und Aufenthaltsrecht, auf das die Klägerin verweist, handelt sich um ein in der verwaltungsgerichtlichen Praxis keinesfalls ungewöhnliches Problem. Dass die Entscheidungsrelevanz der Frage, wie sich eine eventuelle Ausreise der Klägerin auf ihre Adoptiveltern auswirken könne, die Notwendigkeit von „erheblich breiteren Feststellungen“ als im Normalfall erfordern soll, hat die Klägerin nicht dargelegt, sondern nur pauschal behauptet. Schließlich folgt allein aus dem Umstand, dass die Kammer den Rechtsstreit nicht nach § 6 Abs. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen hat, ebenfalls nicht zwangsläufig, dass die Annahme besonderer Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerechtfertigt wäre (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 8).
III.
13 
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der zugelassenen Berufung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
14 
Im Übrigen (soweit der Zulassungsantrag abgelehnt wird) trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO). Insoweit ist der Streitwert nach § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festzusetzen.
15 
Diese Entscheidung ist für die Klägerin unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. April 2007 - 5 K 1035/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Rücknahme einer bestandskräftigen Ausweisung, hilfsweise die Befristung von deren Wirkungen.
Der am … in … in der Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. 1969 reiste er zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Deutschland ein, wo sein Vater schon seit mehreren Jahren lebte und arbeitete. Bis 1982 lebte er bei seinem Vater, der in dieser Zeit durchgehend als Arbeitnehmer beschäftigt war. Er besuchte in Heilbronn die Grund- und die Hauptschule, die er im Alter von 15 Jahren nach der 6. Klasse ohne Abschluss verließ. In der Folgezeit war er in mehreren Arbeitsverhältnissen unterschiedlicher Dauer beschäftigt; zeitweise war er arbeitslos. Eine Anstellung als Textilfärber verlor er 1992 nach etwa zehn Jahren, nachdem sein Arbeitgeber in Konkurs fiel. Seit 1993 oder 1994 arbeitete er mit verschiedenen Polizeidienststellen zusammen, für die er als V-Mann eingesetzt wurde. Von Ende 1998 bis April 1999 betrieb er eine Imbissbude. Er ist seit 1982 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Aus dieser Ehe sind zwei am 22.8.1983 und am 15.3.1990 geborene Kinder hervorgegangen. Am 4.10.1990 erhielt er eine Aufenthaltsberechtigung.
Mit Urteil vom 21.4.1997 - 23 Cs 16 Js 22675/96 - verurteilte das Amtsgericht Heilbronn den Kläger wegen versuchter Nötigung, Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen zu je 20,-- DM.
Mit Urteil vom 6.10.1999 - 1 KLs 61/ Js 8741/99 - verurteilte das Landgericht Heilbronn den Kläger und seinen Bruder wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Dieses Urteil ist seit dem 14.10.1999 rechtskräftig.
Mit Bescheid vom 24.2.2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung führte es aus, der Kläger erfülle aufgrund der begangenen Straftaten den Tatbestand der Ist-Ausweisung. Zwar genieße er aufgrund seiner Aufenthaltsberechtigung besonderen Ausweisungsschutz. Dies hindere aber seine Ausweisung nicht, da schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorlägen. Zwar werde die Ist- zur Regel-Ausweisung abgestuft, ein Ausnahmefall liege aber nicht vor. Ein weitergehender völkerrechtlicher Ausweisungsschutz komme dem Kläger nicht zu.
Der Kläger hat am 13.3.2000 vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben, zu deren Begründung er vortrug, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung machten seine Ausweisung nicht erforderlich. Er arbeite seit Oktober 1993 als Vertrauensperson mit der Polizei zusammen und habe an der Überführung von über 60 Rauschgifthändlern mitgewirkt. Die meisten der überführten Rauschgifthändler seien zwischenzeitlich in die Türkei abgeschoben worden. Im Falle einer Abschiebung sei mit Maßnahmen der Rauschgiftszene gegen ihn zu rechnen. Er lebe seit über 30 Jahren in der Bundesrepublik und ihm stehe der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG zu. Weiter sei er ein wichtiger Zeuge in einem Mordprozess, der vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen stattfinde. Auch wegen dieses Verfahrens sei er mit dem Tod bedroht worden.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob mit Urteil vom 24.4.2001 - 5 K 1684/00 -die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.2.2000 auf und wies die Klage im übrigen ab. In den Entscheidungsgründen heißt es: Die Ausweisung des Klägers sei aus den in dem angefochtenen Bescheid dargelegten Gründen nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsandrohung sei hingegen aufzuheben, da eine weitere Sachaufklärung erforderlich sei. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass aufgrund des Strafnachrichtenaustausches zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland die Verurteilung des Klägers in der Türkei bekannt gegeben worden sei. Es sei offen, welche Auswirkungen dies im Hinblick auf die §§ 51 und 53 AuslG haben könne.
Hiergegen beantragten sowohl der Kläger als auch der Beklagte fristgerecht Zulassung der Berufung.
Der Kläger machte in seinem Zulassungsantrag geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Verwaltungsgericht seine persönlichen Belange nicht zutreffend gewürdigt habe. Er habe nicht nur bei der Überführung anderer Rauschgifthändler mitgewirkt, sondern sei tragender Zeuge in einem anhängigen Mordprozess. Seine Unterstützung in diesem Verfahren und die gegen ihn ausgesprochenen Morddrohungen ließen eine Ausweisung als unbillige Härte erscheinen. Im übrigen werde auf die Begründung der Klage hingewiesen.
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Mit Beschluss vom 14.8.2001 - 10 S 1409/01 - lehnte der erkennende Verwaltungsgerichtshof den Zulassungsantrag des Klägers ab. Das Verwaltungsgericht habe seine persönlichen Belange gewürdigt. Allein der Umstand, dass es diese abschließend nicht in dem vom Kläger gewünschte Sinne würdige, begründe noch keine ernstlichen Zweifel. Im Rahmen der Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliege, habe das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Klägers berücksichtigt, er habe bei der Überführung anderer Rauschgifthändler mitgewirkt. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass dies die Annahme eines Ausnahmefalls grundsätzlich nicht rechtfertige, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger vortrage, er sei tragender Zeuge in einem Mordprozess und es seien bereits Morddrohungen ausgesprochen worden, zeige das Zulassungsvorbringen nicht in einer den Anforderungen an die Darlegung nach § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO genügenden Weise auf, weshalb insoweit ernstliche Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestünden.
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Auf den Zulassungsantrag des Beklagten ließ der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13.8.2001 - 10 S 1409/01 - die Berufung in Bezug auf die Aufhebung der Abschiebungsandrohung zu. Mit Urteil vom 19.12.2001 änderte es auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart und wies die Klage auch hinsichtlich der in der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.2.2000 verfügten Abschiebungsandrohung ab.
12 
Mit Urteil vom 20.3.2003 - 1 KLs 61 Js 25579/02 - verurteilte das Landgericht Heilbronn den Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 23 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Dieses Urteil ist seit dem 28.8.2003 rechtskräftig.
13 
Mit Antrag vom 17.1.2005, konkretisiert durch Schriftsatz vom 4.2.2005, beantragte der Kläger beim Regierungspräsidium Stuttgart, die Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 im Wege des Wiederaufgreifens zu widerrufen und für den Fall, dass er abgeschoben werde, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung sowie der Abschiebung ab dem Zeitpunkt der Abschiebung zu befristen. Zur Begründung trug er vor: Er dürfe nur nach einer einzelfallbezogenen Prüfung, die von seinem persönlichen Verhalten ausgehe, ausgewiesen werden. Die Gefahrenprognose beschränke sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte und dürfe sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Eine Ausweisung sei darüber hinaus nur gerechtfertigt, wenn das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung das private Interesse des Bürgers an einem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiege. In Anbetracht dessen, dass er im Bundesgebiet aufgewachsen sei und seine Familie mit zwei Kindern noch im Bundesgebiet lebe und weil seine Ausweisung eine erhebliche Gefahr für seine Person begründe, sei diese nicht gerechtfertigt. Er habe als V-Mann für die Polizei in Hessen und Baden-Württemberg gearbeitet. Er sei an der Festnahme zahlreicher Personen aus der organisierten Kriminalität beteiligt gewesen. Er werde von den Straftätern bedroht, die mit seiner Hilfe überführt worden und nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe in die Türkei abgeschoben worden seien. Dem Antrag war u.a. ein 43-seitiges handschriftliches Schreiben des Klägers vom 30.9.2004 beigefügt, in dem er von seiner jahrelangen Tätigkeit als V-Mann und über mehrere Anschläge, die auf ihn und seine Familienangehörigen verübt worden seien, im einzelnen berichtet. Insbesondere schildert der Kläger darin auch einen angeblichen Angriff (wohl im Jahr 2002) im Urlaub in der Türkei und weshalb er sich wegen einer Zeugenaussage in einem Mordprozess gefährdet fühle.
14 
Mit Bescheid vom 16.2.2005 - zugestellt am 18.2.2005 - lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart den Antrag auf Rücknahme bzw. Widerruf der Ausweisung vom 24.2.2000 ab. In den Gründen wird ausgeführt: Gegenstand dieser Entscheidung sei lediglich der Antrag auf Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens. Hinsichtlich des Vorliegens etwaiger Abschiebungshindernisse ergehe eine gesonderte Entscheidung. Über den am 4.2.2005 gestellten Antrag auf nachträgliche Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung und Abschiebung werde erst nach erfolgter Abschiebung entschieden. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG lägen nicht vor. Eine Änderung der Rechtsprechung stelle keine Änderung der Rechtslage dar. Die Rücknahme nach § 48 LVwVfG setze voraus, dass die Ausweisung rechtswidrig sei. Es werde nicht verkannt, dass die am 24.2.2000 verfügte Ausweisung nicht in Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts stehe und somit rechtswidrig sei. § 48 LVwVfG räume jedoch der Behörde Ermessen ein. Bei einer zum heutigen Zeitpunkt zu treffenden Ermessensentscheidung müssten alle seit dem seinerzeit maßgeblichen Zeitpunkt eingetretenen Umstände berücksichtigt werden. Die am 20.3.2003 vom Landgericht Heilbronn verhängte neuerliche Freiheitsstrafe sei Anlass genug, die Ausweisung des Klägers zu verfügen. Es werde nicht verkannt, dass ihm eine Rechtsposition aus Art. 6 oder 7 ARB 1/80 zustehe. Der ihm hiernach zustehende besondere Ausweisungsschutz sei dadurch überwunden, dass von ihm eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung ausgehe. Sonstige weitere im persönlichen und privaten Umfeld zu berücksichtigende Umstände oder Änderungen seit dem damals maßgeblichen Zeitpunkt seien nicht eingetreten und auch nicht vorgetragen worden.
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Der Kläger hat am 18.3.2005 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und in der mündlichen Verhandlung die Rücknahme der Ausweisung, hilfsweise deren Befristung, beantragt.
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Mit Beschluss vom 26.3.2007 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ab. In den Gründen heißt es, der Klage fehle hinreichende Erfolgsaussicht. Eine Änderung der Rechtsprechung sei keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG. Der Kläger habe aber auch keinen Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 LVwVfG. Es sei bereits zweifelhaft, ob die verfügte Ausweisung schon allein deshalb rechtswidrig sei, weil sie nicht als Ermessensentscheidung ergangen sei. Die Kammer des Verwaltungsgerichts, der der Berichterstatter angehöre, habe sich gegenüber der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern distanziert. Aber auch wenn man zugunsten des Klägers davon ausgehe, dass eine Ermessensentscheidung zu verlangen sei, fehle es an glaubhaft gemachten Umständen dafür, dass dieses rechtmäßig nur dahingehend ausgeübt werden könne, die verfügte Ausweisung zurückzunehmen. Überdies sei weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Ausweisung - bezogen auf den Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung über die Ausweisung - im Ergebnis nicht auch hätte „ermessensfehlerfrei“ erfolgen können. Hiernach dürfte es nicht entscheidungserheblich sein, ob wegen der zwischenzeitlich erneuten Verurteilung des Klägers dieser nunmehr wiederum ausgewiesen werden könne, wovon das Regierungspräsidium Stuttgart in seinem Bescheid vom 16.2.2005 ausgehe. Folglich komme es voraussichtlich nicht darauf an, dass keine Ermittlungen zum Verlauf des Strafvollzugs erfolgt seien.
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Mit Urteil vom 13.4.2007 - 5 K 1035/05 - wies das Verwaltungsgericht die auf Rücknahme der Ausweisung, hilfsweise auf deren Befristung gerichtete Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen in seinem Prozesskostenhilfebeschluss vom 26.3.2007 ab. Ergänzend wird ausgeführt: Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung besonders hervorgehoben habe, dass hier ein Fall der erstrebten Rücknahme eines noch nicht vollzogenen Bescheids vorliege, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Derartige Umstände könnten als ausschlaggebende Erwägungen für oder gegen eine Rücknahme nicht entscheidungserheblich sein. Der erst in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag, den Beklagten zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisung vom 24.2.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu befristen, sei unzulässig. Der in dem Schriftsatz vom 4.2.2005 an das Regierungspräsidium Stuttgart gestellte Antrag sei unter einer aufschiebenden Bedingung (für den Fall, dass der Kläger abgeschoben werde) gestellt worden. Da diese Bedingung noch nicht eingetreten sei, liege keine Untätigkeit des Beklagten vor. Deshalb seien die Voraussetzungen des § 75 Satz 1 VwGO nicht erfüllt. Im übrigen gehe der Hilfsantrag über das Begehren im Verwaltungsverfahren hinaus, weshalb dem Kläger auch kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite stehe.
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Gegen das ihm am 16.5.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.6.2007 Zulassung der Berufung beantragt. Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 27.11.2007 - zugestellt am 7.12.2007 - zugelassenen Berufung hat er am 7.1.2008 vorgetragen: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe er dargelegt, dass er im Bundesgebiet mit seiner Familie nicht nur fest verwurzelt sei, sondern auch dass sein Leben durch die Ausweisung und Abschiebung in die Türkei konkret gefährdet werde. Daher habe er einen Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung, zumindest einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über seinen Antrag auf Rücknahme der Ausweisung. Er habe ein handschriftliches Schreiben mit 43 Seiten vorgelegt, in dem er nicht nur seine Verwurzelung in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch die Härten, die seine Familie im Falle seiner Ausweisung treffen würden, und die konkrete Gefahr für sein Leben, falls er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen werde, beschrieben habe. In der Begründung des Bescheids vom 16.2.2005 werde die mit einer Ausweisung verbundene Lebensgefahr in keiner Weise berücksichtigt. Der Beklagte habe es unterlassen, den Inhalt dieses Schreibens in seine Ermessensentscheidung einzubeziehen. Es werde fälschlicherweise in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass weitere in seinem persönlichen und privatem Umfeld zu berücksichtigende Umstände oder Änderungen seit dem Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung nicht eingetreten und nicht vorgetragen worden seien. Es liege ein Ermessensdefizit vor, weil der Beklagte die Gefährdung seines Lebens bei der Ausübung seines Rücknahmeermessens nicht berücksichtigt habe. Seit seiner erneuten Haftentlassung (am 5.4.2007) wohne er mit seiner Familie zusammen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.4.2007 - 5 K 1035/05 - zu ändern, den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 16.2.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 zurückzunehmen,
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hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über die Rücknahme der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.2.2000 erneut zu entscheiden und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten
22 
sowie höchst hilfsweise nur für den Fall, dass der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag vollständig abgelehnt werden, den Beklagten zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 zu befristen bzw. über eine Befristung zu entscheiden und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Zur Begründung macht er geltend: Die vom Kläger geltend gemachten Gründe führten nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null und damit nicht zu einem Rechtsanspruch auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Im übrigen stelle das diesbezügliche Vorbringen des Klägers lediglich dessen Sicht der Dinge dar. Es seien keine Tatsachen bekannt, die einer Abschiebung in die Türkei entgegen stünden. Auf das - sogleich wiedergegebene - Schreiben der Polizeidirektion Heilbronn vom 28.12.2004 werde verwiesen. Der Kläger sei nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe erneut im Bundesgebiet in besonders schwerwiegender Weise straffällig geworden.
26 
Der Beklagte hat ein Schreiben der Polizeidirektion Heilbronn vom 28.12.2004 vorgelegt, in dem ausgeführt wird: Der Erstkontakt datiere vom Frühjahr 1994. Der Kläger sei am 10.1.1995 gemäß § 1 des Gesetzes über die förmliche Verpflichtung nicht beamteter Personen verpflichtet worden. Abstrakt seien Vertrauenspersonen nicht einschätzbaren Gefährdungen ausgesetzt. Konkrete Gefährdungen hätten sich während der Tätigkeit des Klägers teilweise ergeben. Mit seiner Festnahme am 6.4.1999 seien die Fürsorgemaßnahmen für ihn eingestellt worden. Durch die Festnahme und die anschließende Einlieferung in die Haftanstalt hätten sich neue Gefährdungslagen ergeben. Auch aufgrund von Aussagen des Klägers in einem Mordfall vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen gegen zwei türkische Tatverdächtige sei es zu Drohungen gegenüber dem Kläger gekommen, die jedoch nach heutiger Bewertung gegenstandslos seien. Nach seiner Haftentlassung habe keine konkrete Gefährdungslage für ihn mehr bestanden.
27 
Mit Urteil vom 11.4.2008 - 41 Cs 24 Js 7058/08 - verurteilte das Amtsgericht Heilbronn den Kläger wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeit 25.1.2008) zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen. Dieses Urteil ist seit dem 7.5.2008 rechtskräftig.
28 
Mit Anklageschrift vom 10.6.2008 schuldigte die Staatsanwaltschaft Heilbronn den Kläger an, am 10.8.2007 eine Sachbeschädigung in Tateinheit mit einem Familiendiebstahl und einer Bedrohung, am 12.8.2007 und am 22.8.2007 zwei weitere Vergehen der Bedrohung - in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Erpressung, zwischen dem 1.2. und dem 12.3.2008 einen Diebstahl sowie am 1.4.2008 eine Sachbeschädigung begangen zu haben.
29 
Dem Senat liegen die einschlägigen Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart (5 Hefte) sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 5 K 1035/05 - und - 5 K 223/05 - sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs der Verfahren - 10 S 1815/01 -, - 10 S 1816/01 - und - 13 S 95/06 - vor. Auf diese Akten wird wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
30 
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage ist in Bezug auf das mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag verfolgten Begehren nicht begründet.
31 
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt, dass Gegenstand des Hauptantrags allein die Rücknahme der Ausweisung ist. Der Kläger hat indes weder einen Anspruch auf eine Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 noch kann er verlangen, dass die Behörde über seinen entsprechenden Antrag erneut entscheidet und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts beachtet (vgl. § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO), denn die Voraussetzungen einer Rücknahme § 48 Abs. 1 LVwVfG liegen nicht vor (1.). Bezüglich des höchst hilfsweise gestellten Antrags auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 ist die Klage unzulässig (2.).
32 
1. a) Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig. Insbesondere steht ihr nicht die Rechtskraft der Gerichtsentscheidungen entgegen, mit denen die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 gerichtlich bestätigt worden ist. Es liegt hier kein Fall vor, in dem die Behörde oder das Gericht schon gehindert ist, überhaupt eine neue Sachentscheidung zu treffen. Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Dies bedeutet, dass sich die Bindungswirkung nicht auf alle Urteilselemente, sondern nur auf den Entscheidungssatz erstreckt. § 121 VwGO ist nicht zu entnehmen, dass die Bindung nur für identische Streitgegenstände gilt. Allerdings unterscheidet sich die Bindungswirkung je nachdem, ob es sich um einen identischen oder einen anderen Streitgegenstand handelt. Bei identischen Streitgegenständen ist der Folgeprozess - oder eine neue Behördenentscheidung - wegen entgegenstehender Rechtskraft bereits unzulässig. Die Rechtskraft wirkt hier als Prozesshindernis und hindert bereits jede abweichende neue Sachentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.5.1994 - 9 C 501/93 -, BVerwGE 96, 24 ff.; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 6.12.2007 - 15 A 3294/07.A -, Ls. in DVBl. 2008, 133; vgl. auch Senatsbeschluss vom 5.3.2008 - 13 S 58/08 -). Ein solcher vollkommen identischer Streitgegenstand liegt hier jedoch nicht vor, da der in diesem Verfahren geltend gemachte Anspruch auf die Rücknahme einer Ausweisungsverfügung nach §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 LVwVfG nicht identisch mit deren damaliger Anfechtung ist.
33 
b) Der Hauptantrag ist unbegründet. Es fehlt an den tatbestandlichen Voraussetzungen der begehrten Rücknahme auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 LVwVfG. Nach dieser Vorschrift können nur rechtswidrige Verwaltungsakte zurückgenommen werden. Für das vorliegende Verfahren ist jedoch bindend von einer rechtmäßigen Ausweisung auszugehen. Aufgrund der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24.4.2001 - 5 K 1684/00 -, die bezüglich der Ausweisung durch die Ablehnung des Berufungszulassungsantrags des Klägers mit Beschluss des erkennenden Gerichtshofs vom 14.8.2001 - 10 S 1409/01 - eingetreten ist, ist gemäß § 121 Nr. 1 VwGO für das vorliegenden Verfahren für beide Beteiligte bindend davon auszugehen, dass die damalige Ausweisung rechtmäßig ist.
34 
Auch bei fehlender Identität der Streitgegenstände kann eine Bindungswirkung nach § 121 VwGO eintreten. Dies gilt für die Konstellationen, in denen die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist (präjudizielle Rechtskraft). Denn Zweck des § 121 VwGO ist es zu verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die bereits durch Urteil entscheiden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.9.2001 - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118 = NVwZ 2002, 345; OVG Nordrh.-Westf., a.a.O.; Senatbeschluss, a.a.O.). Die Wirkung der Rechtskraft auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde gegenüber demselben Betroffenen rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, BVerwGE 91, 256). Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage wird festgestellt, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts besitzt und dieser ihn nicht in solchen Rechten verletzt, deren Verletzung seine Aufhebung zur Folge haben müssten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 121 Rn. 21). Begehrt ein Kläger die Rücknahme einer Behördenentscheidung, deren Rechtmäßigkeit durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist, steht diesem Begehren die Rechtskraft des Urteils entgegen (Nds. OVG, Beschluss vom 6.9.2002 - 8 LA 126/02 -, juris; vgl. auch OVG Saarl., Beschluss vom 16.7.1999 - 2 Q 22/99 -, juris).
35 
Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt allerdings dann nicht ein, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat (BVerwG, ebd. sowie BVerwGE 14, 359 <362 f.>; 35, 234 <236>; BVerfGE 47, 146 <165>). Eine solche Fallkonstellation ist hier jedoch nicht gegeben. Die Rechtskraftwirkung entfällt nicht schon dann, wenn - wie hier - im Vorprozess eine Ausweisungsverfügung aus sachlichrechtlichen Gründen bestätigt worden ist, die sich im Lichte einer späteren Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung möglicherweise als nicht stichhaltig erweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.). Eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage, liegt mit anderen Worten nicht schon dann vor, wenn sich lediglich die Erkenntnislage oder deren Würdigung ändert (insoweit wohl auf die vorliegende Konstellation übertragbar: BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 9 C 12/00 -, BVerwGE 112, 80 = NVwZ 2001, 335).
36 
Diese Rechtskraftwirkungen treten auch dann ein, wenn sich die im Vorprozess obsiegende Behörde wie im vorliegenden Fall nicht auf deren Bindungswirkungen beruft, sondern selbst die Rechtmäßigkeit der Erstverfügung überprüft und hiernach davon ausgeht, der ursprüngliche Verwaltungsakt sei (nach heutiger Erkenntnislage) rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht hat - insoweit nicht tragend - ausgeführt, die im Vorprozess obsiegende Behörde sei durch die Rechtskraftwirkung allein nicht gehindert, unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf die Durchsetzung des von ihr erlassenen belastenden Verwaltungsaktes zu verzichten oder den begehrten begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen; die Rechtskraft wirke nur zugunsten, nicht zuungunsten der obsiegenden Partei (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 13 und 21).
37 
Diese Auffassung vermag jedoch jedenfalls insoweit dogmatisch nicht zu überzeugen, als sie die Wirkungen der Rechtskraft im Folgeprozess davon abhängig macht, ob sich der im Erstprozess obsiegende Beteiligte auf sie beruft. Die Ansicht, dass die Rechtskraft und deren Wirkungen zur Disposition eines Beteiligten stehen sollen, beruht wohl auf der Übernahme zivilprozessualer Grundsätze, die ihrerseits durch die Dispositionsbefugnis der Parteien im Zivilprozess gerechtfertigt sind. Da die Parteienherrschaft im Verwaltungsprozess jedoch weit weniger ausgeprägt ist, kann es dort nicht zulässig sein, dass ein Beteiligter auf die Wirkungen der Rechtskraft für den Folgeprozess verzichtet - sei es bewusst oder auch weil er sich (wie wohl hier) dieser Wirkungen gar nicht bewusst ist. Die Rechtskraft dient den objektiven Belangen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Neue Verfahren und widerstreitende gerichtliche Entscheidungen über dieselbe Streitsache sollen verhindert werden. Dabei wird die Möglichkeit, dass infolge der Rechtskraft eine unrichtige Entscheidung maßgeblich bleibt, grundsätzlich geringer gewertet als die Rechtsunsicherheit, die ohne die Rechtskraft bestehen würde. Die Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO tritt unabhängig davon ein, ob das rechtskräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O. m.w. Nachw., Urteil vom 31.7.2002 - 1 C 7.02 - NVwZ 2003 Beilage I 1, 1-2). Dient die Rechtskraft hiernach primär den objektiven Belangen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit und der Vermeidung widerstreitender gerichtlicher Entscheidungen, ist nicht erklärbar, weshalb ein Beteiligter die Befugnis haben sollte, über diese ihm nicht zustehenden Belange zu verfügen. Erst recht gilt dies dann, wenn wie hier die Behörde (bzw. deren Träger) von der Rechtskraft begünstigt wäre. Denn die Verwaltung ist an das geltende Recht gebunden und kann daher nicht nach Belieben auf die Wirkungen der Rechtskraft für den Folgeprozess verzichten (vgl. Maurer, JZ 1993, 574; s. auch Erfmeyer, DVBl. 1997, 27).
38 
Auch das Bundesverwaltungsgericht scheint davon auszugehen, dass die Rechtskraft eines Urteils, mit dem die Anfechtungsklage gegen eine Ausweisungsverfügung abgewiesen wurde, deren Rücknahme entgegenstehen kann. In seinem Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - hat es - insoweit allerdings nicht tragend - ausgeführt, in dem dort entschiedenen Fall stehe § 121 VwGO der gerichtlichen Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung im Rahmen des § 48 LVwVfG nicht entgegen, weil sie der dortige Kläger nicht angefochten habe (juris, Rn. 17; vgl. auch - allerdings ohne nähere Begründung - VG Karlsruhe, Urteil vom 17.4.2008 - 2 K 3360/07 -, juris).
39 
Die mit der Rechtskraftwirkung verbundene Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber anderen Ausländern, die eine Ausweisung nicht vor Gericht angefochten haben, ist entgegen seiner in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung nicht ungerechtfertigt. Sie beruht auf der Natur der Sache. Die Wirkungen der Rechtskraft können nach § 121 Nr. 1 VwGO immer nur zugunsten oder zulasten desjenigen eintreten, der als Beteiligter eines gerichtlichen Verfahrens ein rechtskräftiges Urteil erwirkt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O., juris Rn. 16).
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Diese Grundsätze werden - die Freizügigkeitsberechtigung des Klägers und einen Verstoß der Ausweisung gegen Gemeinschaftsrecht zu seinen Gunsten unterstellt - durch Gemeinschaftsrecht nicht modifiziert. Der Europäische Gerichtshof respektiert die Bestandskraft eines Verwaltungsakts als Ausprägung der Rechtssicherheit, die zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundsätzen zählt (vgl. EuGH, Urteil vom 13.1.2004 - C-453/00 - Kühne u. Heitz -, Slg. 2004 I, 837 = NVwZ 2004, 459 Rn. 24). Die in dieser Entscheidung entwickelten Voraussetzungen eines Rücknahmeanspruchs im Anschluss an eine rechtskräftige, die Vorlagepflicht verletzende letztinstanzliche Gerichtsentscheidung sind hier nicht gegeben. Der in Art. 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet hiernach eine Verwaltungsbehörde auf entsprechenden Antrag hin, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung Rechnung zu tragen, wenn
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- die Behörde nach nationalem Recht befugt ist, diese Entscheidung zurückzunehmen,
- die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden ist,
- das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war, und
- der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt hat.
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Hier fehlt es zumindest an der dritten Voraussetzung, dass das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Denn der damals zuständige 10. Senat des erkennenden Gerichtshofs war nicht berechtigt oder gar verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Der Kläger hatte in seinem damaligen Zulassungsantrag allein geltend gemacht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Verwaltungsgericht seine persönlichen Belange nicht zutreffend gewürdigt habe, denn er habe nicht nur bei der Überführung anderer Rauschgifthändler mitgewirkt, sondern sei tragender Zeuge in einem anhängigen Mordprozess; seine Unterstützung in diesem Verfahren und die gegen ihn ausgesprochenen Morddrohungen ließen eine Ausweisung als unbillige Härte erscheinen; im übrigen werde auf die Begründung der Klage hingewiesen. Mit diesem Vorbringen hatte der Kläger keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu den europarechtlichen Voraussetzungen der gegen ihn verfügten Ausweisung dargelegt.
43 
Auch wenn der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 12.2.2008 - C-2/06 -Kempter, DÖV 2008, 505, Rn. 44 und 45; s. auch Weiß, DÖV 2008, 47) mittlerweile wohl nicht mehr primär auf eine Verletzung der Vorlagepflicht abstellt, sondern darauf, ob das in letzter Instanz entscheidende nationale Gericht einen gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkt hätte aufgreifen dürfen oder müssen, ergibt sich für den vorliegenden Fall nicht anderes. Der 10. Senat des erkennenden Gerichtshofs war im damaligen Berufungszulassungsverfahren nicht berechtigt, gemeinschaftsrechtliche Gesichtspunkte zu prüfen, nachdem sie der Kläger in seinem damaligen Zulassungsantrag nicht erwähnt hatte. Denn anders als im Berufungsverfahren existiert im Berufungszulassungsverfahren keine umfassende Pflicht des Oberverwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsgerichtshofs zur Amtsaufklärung. Vielmehr ist nach der maßgeblichen nationalen Vorschrift des § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Berufung nur zuzulassen, wenn ein Zulassungsgrund dargelegt wird (und vorliegt). Daher können bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung grundsätzlich nur solche Gründe berücksichtigt werden, auf die sich der Rechtsmittelführer fristgerecht beruft (Kopp/Schenke, a.a.O., § 124a Rn. 50).
44 
Es kann dahingestellt bleiben, ob ausnahmsweise eine Durchbrechung der Rechtskraft dann geboten ist, wenn die Aufrechterhaltung des durch die Vorentscheidung geschaffenen Zustandes schlechthin unerträglich wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.). Eine solche Situation besteht im vorliegenden Fall nicht. Schwere und unerträgliche Folgen für den Ausländer können im Regelfall im Rahmen einer Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG vermieden werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man annimmt, dass eine Befristung - abweichend von dem Wortlaut von Satz 4 dieser Vorschrift - auch auf einen Zeitpunkt vor der Ausreise des Ausländers erfolgen kann, falls z.B. die Wertentscheidungen der Art. 6 GG, Art. 8 EMRK oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dies erfordern (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 24.7.2007 - 1 K 1505/06 - m.w. Nachw., juris; s. auch Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 485 ff.). Außerdem ist es durchaus fraglich, ob die Auffassung des Beklagten zutrifft, wonach auch in der vorliegenden Konstellation der Widerruf nach § 49 Abs. 1 LVwVfG ausgeschlossen sein soll. Denn hier geht es nicht um die Berücksichtigung einer tatsächlichen Änderung, für welche die Befristung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG eine abschließende Sonderregelung enthält, sondern (auch) um die Anwendung neuer rechtlicher Erkenntnisse auf ein abgeschlossenes Verfahren. Insoweit erscheint es nicht von vornherein als undenkbar, dass für Fälle der vorliegenden Art Raum für die Anwendung des § 49 LVwVfG sein könnte.
45 
2. In Bezug auf die höchst hilfsweise begehrte Befristung ist die Klage unzulässig. Denn es fehlt insofern an einem vorherigen Antrag bei der Verwaltung und demzufolge auch an der Durchführung eines Verwaltungs- und eines Vorverfahrens. Grundsätzlich muss nach § 68 VwGO auch bei einem Hilfsantrag ein entsprechendes Verwaltungs- und Vorverfahren durchgeführt worden sein, falls nicht die Voraussetzungen des § 75 VwGO vorliegen. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Der in dem Schriftsatz vom 4.2.2005 an das Regierungspräsidium Stuttgart gestellte Befristungsantrag ist ausdrücklich unter einer aufschiebenden Bedingung (für den Fall, dass der Kläger abgeschoben werde) gestellt worden. Da diese Bedingung nicht eingetreten ist, liegt auch keine Untätigkeit des Beklagten vor. Allein aus Gründen der Prozessökonomie darf die Anwendung zwingenden Verfahrensrechts nicht unterbleiben. Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Verwaltung, sich mit den Ansprüchen zu befassen, die ein Bürger geltend macht. Gerichte sind dazu berufen, das Handeln der Verwaltung auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, nicht aber dazu, sich an deren Stelle zu setzen und originär über erstmals vor Gericht geltend gemachte Ansprüche zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.1.1986 - 5 C 36/84 -, NVwZ 1987, 412; OVG Nordr.-Westf., Urteil vom 7.11.1996 - 7 A 4820/95 -; OVG Saarl., Beschluss vom 22.6.1994 - 3 W 1/94 -; Senatsbeschluss vom 19.2.2008 - 13 S 2774/07 -, juris).
46 
Zudem fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers, weil der nunmehr ohne Bedingung verfolgte Hilfsantrag über das Begehren im Verwaltungsverfahren hinausgeht. Denn solange der Kläger diesen Antrag der Behörde nicht unterbreitet hat, lässt sich nicht feststellen dass er überhaupt auf gerichtlichen Rechtsschutz angewiesen ist. Es lässt sich auch nicht sagen, dass ein solcher Antrag von vornherein aussichtslos wäre. Die Behörde hat sich im vorliegenden Rechtsstreit in der Sache nicht auf das Begehren des Klägers eingelassen, so dass es offen ist, ob und inwieweit sie einem unbedingten Befristungsantrag entsprechen würde. Der Kläger müsste folglich zunächst einen derartigen Antrag beim Beklagten stellen und könnte nur dann, wenn dieser ganz oder teilweise abgelehnt wird, verwaltungsgerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.
47 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
48 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
49 
Beschluss vom 18. Juni 2008
50 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
51 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
30 
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage ist in Bezug auf das mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag verfolgten Begehren nicht begründet.
31 
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt, dass Gegenstand des Hauptantrags allein die Rücknahme der Ausweisung ist. Der Kläger hat indes weder einen Anspruch auf eine Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 noch kann er verlangen, dass die Behörde über seinen entsprechenden Antrag erneut entscheidet und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts beachtet (vgl. § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO), denn die Voraussetzungen einer Rücknahme § 48 Abs. 1 LVwVfG liegen nicht vor (1.). Bezüglich des höchst hilfsweise gestellten Antrags auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 ist die Klage unzulässig (2.).
32 
1. a) Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig. Insbesondere steht ihr nicht die Rechtskraft der Gerichtsentscheidungen entgegen, mit denen die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 gerichtlich bestätigt worden ist. Es liegt hier kein Fall vor, in dem die Behörde oder das Gericht schon gehindert ist, überhaupt eine neue Sachentscheidung zu treffen. Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Dies bedeutet, dass sich die Bindungswirkung nicht auf alle Urteilselemente, sondern nur auf den Entscheidungssatz erstreckt. § 121 VwGO ist nicht zu entnehmen, dass die Bindung nur für identische Streitgegenstände gilt. Allerdings unterscheidet sich die Bindungswirkung je nachdem, ob es sich um einen identischen oder einen anderen Streitgegenstand handelt. Bei identischen Streitgegenständen ist der Folgeprozess - oder eine neue Behördenentscheidung - wegen entgegenstehender Rechtskraft bereits unzulässig. Die Rechtskraft wirkt hier als Prozesshindernis und hindert bereits jede abweichende neue Sachentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.5.1994 - 9 C 501/93 -, BVerwGE 96, 24 ff.; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 6.12.2007 - 15 A 3294/07.A -, Ls. in DVBl. 2008, 133; vgl. auch Senatsbeschluss vom 5.3.2008 - 13 S 58/08 -). Ein solcher vollkommen identischer Streitgegenstand liegt hier jedoch nicht vor, da der in diesem Verfahren geltend gemachte Anspruch auf die Rücknahme einer Ausweisungsverfügung nach §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 LVwVfG nicht identisch mit deren damaliger Anfechtung ist.
33 
b) Der Hauptantrag ist unbegründet. Es fehlt an den tatbestandlichen Voraussetzungen der begehrten Rücknahme auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 LVwVfG. Nach dieser Vorschrift können nur rechtswidrige Verwaltungsakte zurückgenommen werden. Für das vorliegende Verfahren ist jedoch bindend von einer rechtmäßigen Ausweisung auszugehen. Aufgrund der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24.4.2001 - 5 K 1684/00 -, die bezüglich der Ausweisung durch die Ablehnung des Berufungszulassungsantrags des Klägers mit Beschluss des erkennenden Gerichtshofs vom 14.8.2001 - 10 S 1409/01 - eingetreten ist, ist gemäß § 121 Nr. 1 VwGO für das vorliegenden Verfahren für beide Beteiligte bindend davon auszugehen, dass die damalige Ausweisung rechtmäßig ist.
34 
Auch bei fehlender Identität der Streitgegenstände kann eine Bindungswirkung nach § 121 VwGO eintreten. Dies gilt für die Konstellationen, in denen die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist (präjudizielle Rechtskraft). Denn Zweck des § 121 VwGO ist es zu verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die bereits durch Urteil entscheiden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.9.2001 - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118 = NVwZ 2002, 345; OVG Nordrh.-Westf., a.a.O.; Senatbeschluss, a.a.O.). Die Wirkung der Rechtskraft auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde gegenüber demselben Betroffenen rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, BVerwGE 91, 256). Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage wird festgestellt, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts besitzt und dieser ihn nicht in solchen Rechten verletzt, deren Verletzung seine Aufhebung zur Folge haben müssten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 121 Rn. 21). Begehrt ein Kläger die Rücknahme einer Behördenentscheidung, deren Rechtmäßigkeit durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist, steht diesem Begehren die Rechtskraft des Urteils entgegen (Nds. OVG, Beschluss vom 6.9.2002 - 8 LA 126/02 -, juris; vgl. auch OVG Saarl., Beschluss vom 16.7.1999 - 2 Q 22/99 -, juris).
35 
Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt allerdings dann nicht ein, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat (BVerwG, ebd. sowie BVerwGE 14, 359 <362 f.>; 35, 234 <236>; BVerfGE 47, 146 <165>). Eine solche Fallkonstellation ist hier jedoch nicht gegeben. Die Rechtskraftwirkung entfällt nicht schon dann, wenn - wie hier - im Vorprozess eine Ausweisungsverfügung aus sachlichrechtlichen Gründen bestätigt worden ist, die sich im Lichte einer späteren Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung möglicherweise als nicht stichhaltig erweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.). Eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage, liegt mit anderen Worten nicht schon dann vor, wenn sich lediglich die Erkenntnislage oder deren Würdigung ändert (insoweit wohl auf die vorliegende Konstellation übertragbar: BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 9 C 12/00 -, BVerwGE 112, 80 = NVwZ 2001, 335).
36 
Diese Rechtskraftwirkungen treten auch dann ein, wenn sich die im Vorprozess obsiegende Behörde wie im vorliegenden Fall nicht auf deren Bindungswirkungen beruft, sondern selbst die Rechtmäßigkeit der Erstverfügung überprüft und hiernach davon ausgeht, der ursprüngliche Verwaltungsakt sei (nach heutiger Erkenntnislage) rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht hat - insoweit nicht tragend - ausgeführt, die im Vorprozess obsiegende Behörde sei durch die Rechtskraftwirkung allein nicht gehindert, unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf die Durchsetzung des von ihr erlassenen belastenden Verwaltungsaktes zu verzichten oder den begehrten begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen; die Rechtskraft wirke nur zugunsten, nicht zuungunsten der obsiegenden Partei (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 13 und 21).
37 
Diese Auffassung vermag jedoch jedenfalls insoweit dogmatisch nicht zu überzeugen, als sie die Wirkungen der Rechtskraft im Folgeprozess davon abhängig macht, ob sich der im Erstprozess obsiegende Beteiligte auf sie beruft. Die Ansicht, dass die Rechtskraft und deren Wirkungen zur Disposition eines Beteiligten stehen sollen, beruht wohl auf der Übernahme zivilprozessualer Grundsätze, die ihrerseits durch die Dispositionsbefugnis der Parteien im Zivilprozess gerechtfertigt sind. Da die Parteienherrschaft im Verwaltungsprozess jedoch weit weniger ausgeprägt ist, kann es dort nicht zulässig sein, dass ein Beteiligter auf die Wirkungen der Rechtskraft für den Folgeprozess verzichtet - sei es bewusst oder auch weil er sich (wie wohl hier) dieser Wirkungen gar nicht bewusst ist. Die Rechtskraft dient den objektiven Belangen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Neue Verfahren und widerstreitende gerichtliche Entscheidungen über dieselbe Streitsache sollen verhindert werden. Dabei wird die Möglichkeit, dass infolge der Rechtskraft eine unrichtige Entscheidung maßgeblich bleibt, grundsätzlich geringer gewertet als die Rechtsunsicherheit, die ohne die Rechtskraft bestehen würde. Die Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO tritt unabhängig davon ein, ob das rechtskräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O. m.w. Nachw., Urteil vom 31.7.2002 - 1 C 7.02 - NVwZ 2003 Beilage I 1, 1-2). Dient die Rechtskraft hiernach primär den objektiven Belangen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit und der Vermeidung widerstreitender gerichtlicher Entscheidungen, ist nicht erklärbar, weshalb ein Beteiligter die Befugnis haben sollte, über diese ihm nicht zustehenden Belange zu verfügen. Erst recht gilt dies dann, wenn wie hier die Behörde (bzw. deren Träger) von der Rechtskraft begünstigt wäre. Denn die Verwaltung ist an das geltende Recht gebunden und kann daher nicht nach Belieben auf die Wirkungen der Rechtskraft für den Folgeprozess verzichten (vgl. Maurer, JZ 1993, 574; s. auch Erfmeyer, DVBl. 1997, 27).
38 
Auch das Bundesverwaltungsgericht scheint davon auszugehen, dass die Rechtskraft eines Urteils, mit dem die Anfechtungsklage gegen eine Ausweisungsverfügung abgewiesen wurde, deren Rücknahme entgegenstehen kann. In seinem Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - hat es - insoweit allerdings nicht tragend - ausgeführt, in dem dort entschiedenen Fall stehe § 121 VwGO der gerichtlichen Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung im Rahmen des § 48 LVwVfG nicht entgegen, weil sie der dortige Kläger nicht angefochten habe (juris, Rn. 17; vgl. auch - allerdings ohne nähere Begründung - VG Karlsruhe, Urteil vom 17.4.2008 - 2 K 3360/07 -, juris).
39 
Die mit der Rechtskraftwirkung verbundene Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber anderen Ausländern, die eine Ausweisung nicht vor Gericht angefochten haben, ist entgegen seiner in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung nicht ungerechtfertigt. Sie beruht auf der Natur der Sache. Die Wirkungen der Rechtskraft können nach § 121 Nr. 1 VwGO immer nur zugunsten oder zulasten desjenigen eintreten, der als Beteiligter eines gerichtlichen Verfahrens ein rechtskräftiges Urteil erwirkt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O., juris Rn. 16).
40 
Diese Grundsätze werden - die Freizügigkeitsberechtigung des Klägers und einen Verstoß der Ausweisung gegen Gemeinschaftsrecht zu seinen Gunsten unterstellt - durch Gemeinschaftsrecht nicht modifiziert. Der Europäische Gerichtshof respektiert die Bestandskraft eines Verwaltungsakts als Ausprägung der Rechtssicherheit, die zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundsätzen zählt (vgl. EuGH, Urteil vom 13.1.2004 - C-453/00 - Kühne u. Heitz -, Slg. 2004 I, 837 = NVwZ 2004, 459 Rn. 24). Die in dieser Entscheidung entwickelten Voraussetzungen eines Rücknahmeanspruchs im Anschluss an eine rechtskräftige, die Vorlagepflicht verletzende letztinstanzliche Gerichtsentscheidung sind hier nicht gegeben. Der in Art. 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet hiernach eine Verwaltungsbehörde auf entsprechenden Antrag hin, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung Rechnung zu tragen, wenn
41 
- die Behörde nach nationalem Recht befugt ist, diese Entscheidung zurückzunehmen,
- die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden ist,
- das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war, und
- der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt hat.
42 
Hier fehlt es zumindest an der dritten Voraussetzung, dass das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Denn der damals zuständige 10. Senat des erkennenden Gerichtshofs war nicht berechtigt oder gar verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Der Kläger hatte in seinem damaligen Zulassungsantrag allein geltend gemacht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Verwaltungsgericht seine persönlichen Belange nicht zutreffend gewürdigt habe, denn er habe nicht nur bei der Überführung anderer Rauschgifthändler mitgewirkt, sondern sei tragender Zeuge in einem anhängigen Mordprozess; seine Unterstützung in diesem Verfahren und die gegen ihn ausgesprochenen Morddrohungen ließen eine Ausweisung als unbillige Härte erscheinen; im übrigen werde auf die Begründung der Klage hingewiesen. Mit diesem Vorbringen hatte der Kläger keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu den europarechtlichen Voraussetzungen der gegen ihn verfügten Ausweisung dargelegt.
43 
Auch wenn der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 12.2.2008 - C-2/06 -Kempter, DÖV 2008, 505, Rn. 44 und 45; s. auch Weiß, DÖV 2008, 47) mittlerweile wohl nicht mehr primär auf eine Verletzung der Vorlagepflicht abstellt, sondern darauf, ob das in letzter Instanz entscheidende nationale Gericht einen gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkt hätte aufgreifen dürfen oder müssen, ergibt sich für den vorliegenden Fall nicht anderes. Der 10. Senat des erkennenden Gerichtshofs war im damaligen Berufungszulassungsverfahren nicht berechtigt, gemeinschaftsrechtliche Gesichtspunkte zu prüfen, nachdem sie der Kläger in seinem damaligen Zulassungsantrag nicht erwähnt hatte. Denn anders als im Berufungsverfahren existiert im Berufungszulassungsverfahren keine umfassende Pflicht des Oberverwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsgerichtshofs zur Amtsaufklärung. Vielmehr ist nach der maßgeblichen nationalen Vorschrift des § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Berufung nur zuzulassen, wenn ein Zulassungsgrund dargelegt wird (und vorliegt). Daher können bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung grundsätzlich nur solche Gründe berücksichtigt werden, auf die sich der Rechtsmittelführer fristgerecht beruft (Kopp/Schenke, a.a.O., § 124a Rn. 50).
44 
Es kann dahingestellt bleiben, ob ausnahmsweise eine Durchbrechung der Rechtskraft dann geboten ist, wenn die Aufrechterhaltung des durch die Vorentscheidung geschaffenen Zustandes schlechthin unerträglich wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.). Eine solche Situation besteht im vorliegenden Fall nicht. Schwere und unerträgliche Folgen für den Ausländer können im Regelfall im Rahmen einer Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG vermieden werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man annimmt, dass eine Befristung - abweichend von dem Wortlaut von Satz 4 dieser Vorschrift - auch auf einen Zeitpunkt vor der Ausreise des Ausländers erfolgen kann, falls z.B. die Wertentscheidungen der Art. 6 GG, Art. 8 EMRK oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dies erfordern (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 24.7.2007 - 1 K 1505/06 - m.w. Nachw., juris; s. auch Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 485 ff.). Außerdem ist es durchaus fraglich, ob die Auffassung des Beklagten zutrifft, wonach auch in der vorliegenden Konstellation der Widerruf nach § 49 Abs. 1 LVwVfG ausgeschlossen sein soll. Denn hier geht es nicht um die Berücksichtigung einer tatsächlichen Änderung, für welche die Befristung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG eine abschließende Sonderregelung enthält, sondern (auch) um die Anwendung neuer rechtlicher Erkenntnisse auf ein abgeschlossenes Verfahren. Insoweit erscheint es nicht von vornherein als undenkbar, dass für Fälle der vorliegenden Art Raum für die Anwendung des § 49 LVwVfG sein könnte.
45 
2. In Bezug auf die höchst hilfsweise begehrte Befristung ist die Klage unzulässig. Denn es fehlt insofern an einem vorherigen Antrag bei der Verwaltung und demzufolge auch an der Durchführung eines Verwaltungs- und eines Vorverfahrens. Grundsätzlich muss nach § 68 VwGO auch bei einem Hilfsantrag ein entsprechendes Verwaltungs- und Vorverfahren durchgeführt worden sein, falls nicht die Voraussetzungen des § 75 VwGO vorliegen. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Der in dem Schriftsatz vom 4.2.2005 an das Regierungspräsidium Stuttgart gestellte Befristungsantrag ist ausdrücklich unter einer aufschiebenden Bedingung (für den Fall, dass der Kläger abgeschoben werde) gestellt worden. Da diese Bedingung nicht eingetreten ist, liegt auch keine Untätigkeit des Beklagten vor. Allein aus Gründen der Prozessökonomie darf die Anwendung zwingenden Verfahrensrechts nicht unterbleiben. Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Verwaltung, sich mit den Ansprüchen zu befassen, die ein Bürger geltend macht. Gerichte sind dazu berufen, das Handeln der Verwaltung auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, nicht aber dazu, sich an deren Stelle zu setzen und originär über erstmals vor Gericht geltend gemachte Ansprüche zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.1.1986 - 5 C 36/84 -, NVwZ 1987, 412; OVG Nordr.-Westf., Urteil vom 7.11.1996 - 7 A 4820/95 -; OVG Saarl., Beschluss vom 22.6.1994 - 3 W 1/94 -; Senatsbeschluss vom 19.2.2008 - 13 S 2774/07 -, juris).
46 
Zudem fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers, weil der nunmehr ohne Bedingung verfolgte Hilfsantrag über das Begehren im Verwaltungsverfahren hinausgeht. Denn solange der Kläger diesen Antrag der Behörde nicht unterbreitet hat, lässt sich nicht feststellen dass er überhaupt auf gerichtlichen Rechtsschutz angewiesen ist. Es lässt sich auch nicht sagen, dass ein solcher Antrag von vornherein aussichtslos wäre. Die Behörde hat sich im vorliegenden Rechtsstreit in der Sache nicht auf das Begehren des Klägers eingelassen, so dass es offen ist, ob und inwieweit sie einem unbedingten Befristungsantrag entsprechen würde. Der Kläger müsste folglich zunächst einen derartigen Antrag beim Beklagten stellen und könnte nur dann, wenn dieser ganz oder teilweise abgelehnt wird, verwaltungsgerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.
47 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
48 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
49 
Beschluss vom 18. Juni 2008
50 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
51 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamtes vom 28.01.2005 für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Talquerung mit neuem Hauptbahnhof) und des Planfeststellungsbeschlusses derselben Behörde vom 19.08.2005 im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel).
Er ist Miteigentümer des Grundstücks Flst.Nr. 1322 der Gemarkung Stuttgart. Das Grundstück befindet sich am Übergang der Planfeststellungsabschnitte 1.1 und 1.2, die bestandskräftig planfestgestellt sind. Es wird für das Vorhaben zu einem geringen Teil dauerhaft und zum überwiegenden Teil vorübergehend in Anspruch genommen, teilweise wird es dinglich beschränkt. Auf dem Grundstück ist die Einfahrt zum sog. Fildertunnel geplant. Das auf dem Grundstück stehende Wohngebäude S... Straße ..., in dem sich die Wohnung des Klägers befand, ist im Oktober 2013 abgerissen worden, nachdem die Beigeladene vorzeitig in den Besitz des Grundstücks eingewiesen worden und ein Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die vorzeitige Besitzeinweisung erfolglos geblieben war (Beschluss des Senats vom 19.09.2013 - 5 S 1546/13 -, juris und nachfolgend: BVerfG, Beschluss vom 20.09.2013 - 1 BvQ 41/13 -).
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 hatte der Kläger erfolglos Klage erhoben (Senatsurteil vom 06.04.2006 - 5 S 848/05 -). Den Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005 für den Planfeststellungsabschnitt 1.2 hatte der Kläger nicht angefochten; er hatte im Anhörungsverfahren auch keine Einwendungen erhoben. Im Mai 2012 beantragte der Kläger beim Eisenbahn-Bundesamt, den Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 aufzuheben. Seinen im Juni 2012 zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte der Senat mit Beschluss vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) ab. Seine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614/1 -, juris). Seine ebenfalls gegen den Beschluss des Senats vom 08.08.2012 erhobene Anhörungsrüge hat der Senat mit Beschluss vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) zurückgewiesen.
Bereits am 10.12.2012 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, ihm stehe ein Anspruch auf Aufhebung in Form eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG der Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.1 und 1.2 zu, weil es aufgrund neu eingetretener Tatsachen an einem positiven Gesamturteil für das Projekt „Stuttgart 21“ fehle. Denn wegen dieser neuen Tatsachen könnten die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.3 und 1.6b nicht mehr erlassen werden. Ohne diese Planfeststellungsbeschlüsse könne das Gesamtprojekt jedoch nicht verwirklicht werden. Die Abschnitte 1.3 und 1.6b seien mangels Planrechtfertigung nicht genehmigungsfähig, denn das Gesamtprojekt stelle wegen fehlender Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs einen planerischen Missgriff dar und zudem sei seine Finanzierung ausgeschlossen.
Dr. Engelhardt habe in seinen Stellungnahmen vom 07.06.2012 und vom 06.06.2014 nachgewiesen, dass die Kapazität des derzeitigen Kopfbahnhofs von 50 Zügen pro Stunde auf 32 Züge pro Stunde sinke, wenn das Projekt eines Durchgangsbahnhofs verwirklicht werde. Damit werde das Projektziel der Leistungssteigerung nicht erreicht; im Gegenteil sinke die Leistung. Die Prognosen der Gutachter der Bahn, die von einer “ausreichenden und zukunftssicheren Bemessung des Projekts Stuttgart 21“ ausgingen, seien fehlerhaft. Gleiches gelte für den sog. Stresstest. Dr. Engelhardt habe nachgewiesen, dass die Feststellung der Leistungsfähigkeit auf einer Auslegungsleistung von nur 32 Zügen beruhe. Bereits das vom Senat im Verfahren - 5 S 848/05 - als maßgeblich bezeichnete „Szenario A“, der Fahrplan also, zu dessen Umsetzung „S 21“ ausgelegt und bemessen worden sei, sehe in der Spitzenstunde lediglich 32 Züge vor, wie sich aus dem Urteil des Senats vom 06.04.2006 ergebe.
Da die für die Beigeladene tätigen Gutachter den wahren Sachverhalt eines Kapazitätsrückbaus verschleiert und damit verhindert hätten, dass der „geplante Engpass“ von ihm selbst und vom erkennenden Senat habe erkannt werden können, liege ein Beweisnotstand vor. Ein solcher Beweisnotstand habe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folge, dass die ihm erst nach Abschluss des Vorprozesses eröffnete Möglichkeit der Beschaffung neuer Beweismittel einer Änderung des Sachverhalts gleichstehe.
Die Planrechtfertigung sei zudem auch deshalb entfallen, weil die Finanzierung des Gesamtprojekts ausgeschlossen sei. Wegen der gesteigerten Kosten sei eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen worden. Diese verstoße wegen der finanziellen Beteiligung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG und sei nichtig. Als eigentumsrechtlich Betroffener habe er einen Anspruch auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Finanzierungsvertrages. Aus Art. 87e Abs. 3 und 4 GG folge, dass der Bund für den Bau und Erhalt des Schienennetzes zuständig sei. Die Zuständigkeit der Länder erstrecke sich nur auf das Verkehrsangebot des Schienenpersonennahverkehrs, also auf die Beförderungsleistung auf den Schienen. Das Projekt „S 21“ gehöre zur Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes, weil es den Bahnknoten Stuttgart in die Aus- und Neubaustrecke Stuttgart-Augsburg einbinde. Diese Einbindung müsste auch ohne den Bau von „S 21“ vorgenommen werden. Eine finanzielle Beteiligung des Landes verstoße daher gegen Art. 104a GG, weil dem Finanzierungsanteil kein Aufgabenanteil entspreche. Die Verfassungswidrigkeit der Landesbeiträge führe zur Nichtigkeit der entsprechenden Klauseln in den Finanzierungsverträgen, die Zahlungspflichten der Landesseite vorsähen. Die Nichtigkeit führe wiederum zu einer Finanzierungslücke in entsprechender Höhe, denn weder die Vorhabenträgerin noch der Bund hätten eine Bereitschaft erklärt, bei einem Ausfall der Landesfinanzierung für die Mehrkosten einzustehen. Beide hätten im Gegenteil erklärt, keine weiteren Anteile zu leisten.
Die Planrechtfertigung fehle schließlich auch deshalb, weil der Plan für den Abschnitt 1.3 ohnehin nicht festgestellt werden könne. Dies habe das Eisenbahn-Bundesamt der Vorhabenträgerin mit Schreiben vom 13.01.2006 mitgeteilt, das ihm seinerzeit vorenthalten worden sei. Wegen dieses Vorenthaltens habe er sich im Vorprozess im Beweisnotstand befunden. Ohne den Abschnitt 1.3 entfalle aber das für das Projekt erforderliche „vorläufige positive Gesamturteil“.
Aufgrund der neuen Tatsachen wäre das Eisenbahn-Bundesamt nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.1 und 1.2 nicht zu erlassen. Außerdem werde angesichts seiner eigenen Eigentumsbeeinträchtigung sowie derer zahlreicher anderer Betroffener ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet. Ihm stehe ein Anspruch auf Widerruf zu, weil das durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG eröffnete Ermessen auf Null reduziert sei.
10 
Die genannten Gründe erfüllten im Übrigen auch die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG. Schließlich stehe ihm auch ein Anspruch auf Rücknahme nach § 48 VwVfG zu.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
1. die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Talquerung mit neuem Hauptbahnhof) vom 28.01.2005 und den Planfeststellungsbeschluss im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) vom 19.08.2005 aufzuheben,
13 
2. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag an das Eisenbahn-Bundesamt vom 06.05.2012 unter Aufhebung der unter Nr.1 genannten Planfeststellungsbeschlüsse und Erlass einer Baustoppverfügung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
14 
3. hilfsweise - unabhängig vom Hilfsantrag zu 2 - die Beklagte zu verpflichten, eine Nebenbestimmung zu den unter Nr. 1 genannten Planfeststellungsbeschlüssen mit folgendem Inhalt zu erlassen:
15 
Die Bauarbeiten auf dem Grundstück S... Straße ..., ... Stuttgart dürfen erst fortgesetzt werden, wenn die Planfeststellungsbeschlüsse zu den Planfeststellungsabschnitten 1.3 (Filderbereich) und 1.6b (Abstellbahnhof) unanfechtbar geworden sind.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit der Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 1.1 betroffen sei. Der Klage stehe die Rechtskraft des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses des Senats vom 13.08.2012 entgegen. Die Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 und die Zuschussvereinbarung für die Neubaustrecke vom gleichen Tag seien zumindest der Sache nach Gegenstand des Beschlusses gewesen. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht vorlägen. Das Eisenbahn-Bundesamt wäre nicht berechtigt, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Es sei nach wie vor beabsichtigt, das Projekt zu verwirklichen und es sei objektiv realisierbar. Gegenüber dem bislang zugrunde gelegten Sachverhalt ergebe sich nichts Neues. Die Finanzierung des Projekts sei nicht ausgeschlossen, wie gerade die neue Finanzierungsvereinbarung zeige. Die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs sei zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses durch Gutachten, insbesondere jenes des Prof. Dr. Schwanhäuser belegt gewesen. Eine fehlerhafte Tatsachengrundlage bei der Erstellung des Gutachtens sei nicht zu erkennen gewesen. Das Eisenbahn-Bundesamt habe daher davon ausgehen dürfen, dass die Sachverständigenausführungen zutreffen, und dürfe auch weiter davon ausgehen.
19 
Soweit sich die Klage auf den Planfeststellungsabschnitt 1.2 beziehe, sei sie unbegründet. Nach dem Urteil des Senats vom 08.02.2007 (5 S 2224/05) stehe fest, dass auch bezüglich des Planfeststellungsabschnitts 1.2 die Finanzierung gesichert sei. Die nun vorgetragenen Tatsachen (Vereinbarungen vom 02.04.2009 und neue Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit) belegten nicht, dass die Finanzierung entweder nicht mehr beabsichtigt oder objektiv nicht möglich sei.
20 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit sie den Planfeststellungsabschnitt 1.2 betreffe, da der Kläger keinen entsprechenden Aufhebungsantrag beim Eisenbahn-Bundesamt gestellt habe. Außerdem sei er nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG a.F. materiell präkludiert, da er im Anhörungsverfahren zum Planfeststellungsabschnitt 1.2 keine Einwendungen erhoben habe.
23 
Dem Aufhebungsanspruch stehe im Übrigen die Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 (5 S 848/05) entgegen. § 49 VwVfG könne die Rechtskraft nicht durchbrechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überwinde § 49 VwVfG nur die Bestandskraft. Zudem erweise sich der Widerruf nur als ultima ratio und sei auf Beeinträchtigungen von Leben und Gesundheit beschränkt. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nicht vor, da tatsächlich keine Änderungen eingetreten seien. Das bloße Bekanntwerden von Umständen, die bereits vor Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen hätten, dabei aber nicht berücksichtigt worden seien, genüge nicht.
24 
Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs trage der Kläger keine neuen Tatsachen vor. Die Gutachten der Professoren Heimerl, Schwanhäuser und Martin seien bereits im Planfeststellungsverfahren zum Abschnitt 1.1 in Zweifel gezogen worden. Zudem habe sie auch der Kläger im Klageverfahren vor dem VGH Baden-Württemberg - 5 S 848/12 - beanstandet. Die Kritik des Herrn Dr. Engelhardt, über dessen fachliche Qualifikation der Beigeladenen keine Informationen vorlägen, sei keine neue Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Sie sei auch nicht als neue wissenschaftliche Erkenntnis zu werten. Dies würde voraussetzen, dass die Erkenntnisse ein gewisses Maß an fachwissenschaftlicher Anerkennung gefunden hätten und so weit fortgeschritten seien, um eine zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts herrschende Auffassung abzulösen. Daran fehle es hier. Dr. Engelhardt sei nur eine Stimme, die die in mehreren Gutachten niedergelegten Erkenntnisse renommierter Fachwissenschaftler in Zweifel ziehe. Dies könne nicht dazu führen, dass die bei Erlass des Verwaltungsakts vorhandenen Erkenntnisse nunmehr allgemein anders bewertet würden oder zu bewerten seien.
25 
Auch im Hinblick auf die Finanzierung des Projekts Stuttgart 21 lägen keine neuen Tatsachen vor. Die Finanzierung sei nicht ausgeschlossen, sodass auch die Planrechtfertigung nicht in Frage stehe. Für Kostensteigerungen jenseits des „Kostendeckels“ sähen die Finanzierungsvereinbarungen vom 02.04.2009 eine sog. Sprechklausel vor. Dass einzelne Finanzierungspartner hierzu bereits eine bestimmte Haltung formuliert hätten, führe nicht dazu, dass die Finanzierung ausgeschlossen wäre. Denn entsprechende Gespräche seien noch nicht geführt worden. Ihr Ergebnis könne nicht aufgrund jetziger politischer Verlautbarungen sicher prognostiziert werden. Außerdem habe die Beigeladene stets die Möglichkeit, Mehrkosten selbst zu übernehmen, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein.
26 
Die Finanzierungsvereinbarung sei auch nicht nichtig. Sie verstoße nicht gegen Art. 104a Abs. 1 GG, weil die DB Netz AG als Vorhabenträgerin des Projekts Stuttgart 21 in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht nicht dem Bund zuzuordnen sei. Bei dem Projekt handele es sich um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn als Wirtschaftsunternehmen. Die DB Netz AG nehme keine Verwaltungsaufgaben des Bundes wahr. Folglich falle das Projekt nicht in den Anwendungsbereich des Art. 104a Abs. 1 GG. Dies habe wiederum zur Folge, dass sich aus Art. 104a Abs. 1 GG keine Bedenken gegen den Abschluss von Finanzierungsvereinbarungen herleiten ließen, durch die sich einzelne Länder oder Kommunen zur anteiligen Finanzierung dieser Infrastrukturprojekte verpflichteten. Die finanzverfassungsrechtliche Kritik an der Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 verkenne die Folgen der in Art. 87e Abs. 3 GG vorgegebenen Privatisierung der Eisenbahninfrastruktur.
27 
Unabhängig davon würden öffentliche Interessen ohne den Widerruf nicht gefährdet werden. Insoweit reichten Vermögensinteressen Einzelner, wie die des Klägers, nicht aus. Soweit es sich um die Beeinträchtigung individueller Rechtspositionen handele, könnte nur eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit eine Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen. Erst recht sei das durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG eröffnete Widerrufsermessen nicht auf Null reduziert.
28 
Die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge hat der Senat abgelehnt; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
29 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der zur Sache gehörenden Gerichts- und Behördenakten sowie der Gerichtsakten in den Verfahren 5 S 848/05, 5 S 1200/12 und 5 S 1812/12 verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
30 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag nur zum Teil zulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie nicht begründet. Mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag ist die Klage zwar zulässig, aber ebenfalls nicht begründet.
A.
31 
Die auf Verpflichtung zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse gerichtete Klage ist nur zum Teil zulässig.
I.
32 
Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 19.08.2005 für den Abschnitt 1.2 zu verpflichten, ist sie unzulässig, denn es fehlt an einem entsprechenden Aufhebungsantrag des Klägers beim Eisenbahn-Bundesamt.
33 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.11.2007 - 6 C 42.06 -, BVerwGE 130, 39) hängt die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist. Bei dem danach - auch hier - erforderlichen Antrag handelt es sich nicht um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müsste, sondern um eine im Prozess nicht nachholbare Klagevoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 24.02.1982 - 6 C 8.77 -, BVerwGE 65, 87). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben. Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 75 Rn. 5; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Eyermann/Rennert, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 75 Rn. 5). Ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 42 Rn. 6).
II.
34 
Die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 für den Abschnitt 1.1 gerichtete Klage ist dagegen zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 06.05.2012 auf Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses hat das Eisenbahn-Bundesamt zwar nicht entschieden. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt, denn es liegt kein zureichender Grund für die unterlassene Entscheidung vor.
35 
Der Kläger ist antragsbefugt, da er von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen ist. Das Rechtsschutzinteresse an der Klage ist auch durch den Abriss des Gebäudes nicht entfallen, denn der Kläger ist nach wie vor Miteigentümer des Grundstücks.
B.
36 
Soweit die Klage danach mit dem Hauptantrag zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 liegen nicht vor. Denn die Unterlassung der begehrten Aufhebung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte, dass das Eisenbahn-Bundesamt diesen Planfeststellungsbeschluss nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 VwVfG widerruft (dazu I. und II.), noch dass sie den Planfeststellungsbeschluss zurücknimmt (dazu III.).
I.
37 
Der Anwendungsbereich des § 49 VwVfG ist eröffnet, nachdem aufgrund des Senatsurteils vom 06.04.2006 feststeht, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist (vgl. zur Anwendbarkeit des § 49 VwVfG im Planfeststellungsverfahren BVerwG, Urteil vom 21.05.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6). Die Anwendbarkeit scheitert entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht von vornherein an der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Nach § 121 Nr. 1 VwGO bindet zwar ein rechtskräftiges Urteil die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Rechtsbeständigkeit gerichtlicher Entscheidungen folgt aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, das Verfassungsrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131,20; Entscheidung vom 14.03.1963 -, 1 BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313). Ändert sich aber später die dem Urteil zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage, so liegt bei einem erneuten Rechtsstreit ein anderer Streitgegenstand vor, der von der Rechtskraft des früheren Urteils nicht umfasst wird (Kopp/Schenke, a.a.O., § 121 Rn. 28 m.w.N.d.Rspr.), denn die Sachlage ist Teil des Klagegrundes und damit des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 116), wenn es mit anderen Worten für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Eine Änderung der Sachlage liegt jedoch nicht vor, wenn sich nachträglich neue Erkenntnisse über zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandene Tatsachen oder im rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigte Beweismittel finden, oder wenn der Beteiligte sein Vorbringen aufgrund neuer Beweismittel „besser“ beweisen kann (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 117 m.w.N.d.Rspr.).
38 
Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Fall trotz Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG grundsätzlich möglich, weil er tatbestandlich voraussetzt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die Behörde berechtigten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen.
39 
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beigeladenen, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in den Fällen, in denen bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, stets nur dann in Betracht komme, wenn die Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit betroffen seien. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht den Anwendungsbereich dieser Regelung in seinem von der Beigeladenen zitierten Urteil vom 21.05.1997 (a.a.O.) nicht in dieser Weise beschränkt. Denn die Entscheidung betraf einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, d.h. einen Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich wesentlich von denen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Insbesondere setzt ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG - anders als ein solcher nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG - nicht voraus, dass neue Tatsachen eingetreten sind.
40 
Die Voraussetzungen für den vom Kläger begehrten Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen jedoch nicht vor.
41 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
42 
Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an nachträglich eingetretenen Tatsachen, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der Kläger meint zwar, die Planrechtfertigung für den Abschnitt 1.1 sei entfallen, weil das Gesamtprojekt „Stuttgart 21“ nicht verwirklicht werden könne. Denn es sei eine neue Tatsache, dass die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.3 und 1.6b nicht erlassen werden könnten, weil die Leistungsfähigkeit des Hauptbahnhofs 1.1 seinerzeit fehlerhaft festgestellt worden, die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen gewesen sei und es an einem „vorläufigen positiven Gesamturteil“ gefehlt habe. Mit dieser Ansicht verkennt der Kläger jedoch die Bedeutung der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Denn die Fragen der Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs und der Finanzierung sowie der Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts sind darin geklärt worden.
43 
Die Rechtskraft dieser Entscheidung würde nur dann nicht entgegen stehen, wenn hinsichtlich der genannten Fragen ein Sachverhalt vorläge, der von der Entscheidung nicht umfasst wäre. Es kann offen bleiben, ob ein solcher - von der Rechtskraft nicht erfasster - neuer Sachverhalt stets dann vorliegt, wenn neue Tatsachen gegeben sind, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen. Dafür mag vieles sprechen. Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht erfüllt sind. Es liegen weder in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs (dazu 1.), noch in Bezug auf die Finanzierung (dazu 2.) oder die Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts (dazu 3.) neue Tatsachen vor.
44 
1. Der vom Kläger als Beleg für die mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs ins Feld geführte Umstand, dass dieser nur für 32 Züge pro Stunde ausgelegt sei, ist keine solche neue Tatsache.
45 
a) Der Kläger trägt selbst vor, dass dies bereits aus dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten folge und zudem auch Eingang in das Urteil des Senats vom 06.04.2006 gefunden habe. Auf S. 37 (juris Rn. 58f.) ist dort ausgeführt, dass nach dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer der achtgleisige Durchgangsbahnhof für abgestimmte Betriebsprogramme mit 32 bis 35 Gleisbelegungen pro Stunde ausreiche, während das Betriebsszenario A nur durchschnittlich 25,5 Gleisbelegungen pro Stunde der Hauptverkehrszeit erwarten lasse. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Gutachter dem Durchgangsbahnhof für das Betriebsszenario A eine gute bis sehr gute Betriebsqualität bescheinigt habe. Die Bedarfsprognose sei unter den Beteiligten nicht streitig.
46 
Daraus folgt, dass die Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofs - entgegen dem Vortrag des Klägers - stets bekannt war. Dass sie ausreichend und zukunftssicher bemessen ist, wurde vom Kläger von Anfang an bestritten und war Gegenstand der Erörterung und der Befragung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens - 5 S 848/05 -. Der Kläger hat zwar seinerzeit nicht vorgetragen, die Kapazität des neuen Durchgangsbahnhofs (32 Züge) bleibe hinter derjenigen des bestehenden Kopfbahnhofs (50 Züge) zurück, worauf er nun maßgeblich abhebt. Auch insoweit liegt jedoch keine neue Tatsache vor. Denn der Kläger behauptet nicht, dass sich die Kapazität einer der beiden Bahnhöfe verändert habe. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich der Kapazitäten nur um eine neue Argumentation, die belegen soll, dass die Kapazität des neuen Bahnhofs entgegen der bisherigen Einschätzung doch nicht ausreichend bemessen sei. Dies stellt eine neue Bewertung unveränderter Tatsachen dar. Eine solche neue oder geänderte Bewertung genügt für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG jedoch nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 46; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 49 Rn. 47). Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung, dass Tatsachen auch dann vorlägen, wenn die Fakten eine rechtliche Bewertung im Rahmen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erforderten (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49 Rn. 60 und Gayer, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO Kommentar, 4. Aufl. 2007, Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 49 Rn. 44 unter Berufung auf OVG Berlin, Urteil vom 14.10.1998 - 1 B 67.95 -, NVwZ-RR 2000, 431 zum Widerruf nach § 47 Abs. 2 WaffG a.F.), steht der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Denn auch in dem vom OVG Berlin entschiedenen Fall handelte es sich im Ergebnis um eine neu entstandene Tatsachenlage (Änderung der Berufstätigkeit des dortigen Klägers), deren Bewertung zum Wegfall eines Tatbestandsmerkmals (waffenrechtliches Bedürfnis) führte.
47 
b) Angesichts der dargestellten Situation kann von einem „Beweisnotstand“, wie ihn der Kläger für sich reklamiert, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergab sich die Kapazität von 32 Zügen pro Stunde bereits aus dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag und das auch Gegenstand des Verfahrens 5 S 848/05 war. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie der Kläger behauptet - die Personenstromanalyse von Durth-Roos, aus der sich diese Kapazität ebenfalls ergebe, erst später bekannt geworden ist. Offen bleiben kann angesichts dessen auch, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für die besondere Situation im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung, wonach im Einzelfall eine Änderung der Sachlage auch kann eintreten kann, wenn ein Prozessbeteiligter wegen eines „Beweisnotstandes“ im Vorprozess erst nachträglich neue Beweismittel beschaffen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.1984 - 8 C 137.81 -, BVerwGE 70, 156), auch auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen ist.
48 
c) Es liegen auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs vor, die als neue Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einzustufen wären. Dies setzte voraus, dass aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bestimmte bereits vorhandene Tatsachen anders bewertet werden (BVerwG, Beschluss vom 16.07.1982 - 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 45). Die vom Kläger angeführten Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt vom 07.06.2012 und 06.06.2014 stellen jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, die neuen Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gleichzustellen wären. Hierzu ist nicht jede neue Erkenntnis eines Wissenschaftlers geeignet. Vielmehr muss die Erkenntnis Grundlage dafür sein, dass eine bestimmte bereits vorhandene Tatsache allgemein anders bewertet wird (Kopp/Ramsauer, a.a.O.; zur Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Planungsentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, juris Rn. 308). Denn eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, die geeignet ist, einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu begründen, ist abzugrenzen von der bloßen anderen Bewertung einer unveränderten Tatsache. Um letzteres handelt es sich bei den Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt. Sie stellen ein neues Beweismittel dar, mit dem der Kläger die früheren Gutachten zu entkräften versucht. Denn der Meinung von Herrn Dr. Engelhardt steht nach wie vor die Meinung der Gutachter der Beigeladenen entgegen. Neue Beweismittel genügen jedoch für einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht. Darin unterscheidet sich dieser Widerrufstatbestand entscheidend von der in § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgesehenen Möglichkeit, ein Verfahren wieder aufzugreifen. Diese wird im Planfeststellungsrecht durch § 72 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 5 S 1200/12 - vorgelegten Abschlussberichts der VIEREGG-RÖSSLER GmbH vom 27.10.2011, in dem ebenfalls eine höhere Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofs gegenüber dem geplanten Durchgangsbahnhof im Sinne einer höheren Kapazität pro Stunde errechnet wurde, ergibt sich kein anderes Bild. Allenfalls könnte dies als - weiterer - Beleg für eine kontroverse Beurteilung der Leistungsfähigkeit dienen, nicht jedoch als Nachweis, dass die Leistungsfähigkeit allgemein anders bewertet wird.
49 
2. Auch hinsichtlich der Finanzierung des Gesamtprojekts liegen keine neuen Tatsachen vor.
50 
Der Kläger meint, die Gesamtfinanzierung sei ausgeschlossen, weil die (neue) Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 aufgrund der vorgesehenen Beteiligung des Landes Baden-Württemberg verfassungswidrig sei. Der Kläger beruft sich auf das für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellte Gutachten von Prof. Meyer vom 03.11.2010. Nach dessen Ansicht verstößt die Mitfinanzierung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Zu gegenläufigen Ergebnissen kommen indes zum einen Gersdorf (ZG 2011, 248) und Pauly/Becker (NVwZ 2013, 334) und zum anderen Dolde/Porsch (NVwZ 2011, 833), wenngleich mit unterschiedlichen Ansätzen.
51 
Einer Erörterung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen streitigen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit und Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG - bedarf es hier jedoch nicht. Denn Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Finanzierungsvereinbarung, sondern der vom Kläger geltend gemachte Widerrufsanspruch nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. In diesem Rahmen ist zu entscheiden, ob neue Tatsachen vorliegen, die belegen, dass die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen ist, so dass - als rechtliche Folge - keine Planrechtfertigung (mehr) vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1999 - 4 A 12.98 -, NVwZ 2000, 555; Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, BVerwGE 84, 123). Dies ist nicht der Fall. Denn unabhängig davon, dass die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung des Projekts „Stuttgart 21“ äußerst kontrovers diskutiert wird und daher keine Rede davon sein kann, dass die Finanzierungsvereinbarung eindeutig als nichtig zu qualifizieren ist, würde das Projekt nicht schon dann an der Finanzierung scheitern und würde die Planrechtfertigung nicht schon dann fehlen, wenn die Finanzierungsvereinbarung tatsächlich nichtig wäre. Dies wäre vielmehr erst der Fall, wenn zugleich feststünde, dass auch eine andere Aufteilung der Kosten von vornherein ausscheidet, so dass nach der Vorstellung aller Finanzierungsbeteiligten das Projekt nicht zu verwirklichen wäre. Das ist derzeit nicht zu erkennen. Der Kläger meint zwar, den Äußerungen des Bundes und der Bahn, über die zugesagten Kostenbeteiligungen hinaus keine weiteren Beiträge zu leisten, entnehmen zu können, dass im Falle der Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung das Projekt nicht mehr verwirklicht werden könne. Diese Ansicht teilt der Senat jedoch nicht. Die Äußerungen sind vor dem Hintergrund der derzeitigen, geteilten Finanzierungsverantwortung zu sehen. Stünde zu irgendeinem Zeitpunkt die Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung rechtskräftig fest, sei es weil einzelne Finanzierungsträger sich überhaupt nicht beteiligen dürfen, sei es weil ihr Finanzierungsanteil gemessen an ihrem Aufgabenanteil zu hoch ist, müsste eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden. Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass hierzu die Bereitschaft fehlt. Die Beigeladene hat im Gegenteil in ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass sie - sogar ohne rechtliche Verpflichtung - nicht gehindert sei, höhere Kosten zu tragen. Bei dieser Situation und angesichts der großen Bedeutung des Projekts spricht derzeit nichts dafür, dass dessen Durchführung an der Finanzierung scheitern wird. Im Übrigen zeigen gerade die der ursprünglichen Finanzierungsvereinbarung folgenden Vereinbarungen, dass die Beteiligten willens sind, die Finanzierung sicherzustellen.
52 
3. Schließlich liegen auch keine neuen Tatsachen vor, die belegen, dass es am „vorläufigen positiven Gesamturteil“ des Projekts „Stuttgart 21“ fehlt, und zwar auch dann nicht, wenn die unter 1. dargestellte, im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Änderung der Sachlage in Fällen des „Beweisnotstandes“ auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen sein sollte. Denn ein Fall des Beweisnotstandes - wie ihn der Kläger für sich in Anspruch nimmt - liegt nicht vor. Der Kläger meint zwar, er hätte das Fehlen des „vorläufigen positiven Gesamturteils“ im Vorprozess beweisen können, wenn ihm das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13.01.2006 nicht vorenthalten worden wäre. Denn in diesem Schreiben teile das Eisenbahn-Bundesamt der beigeladenen Vorhabenträgerin mit, dass der Abschnitt 1.3 nicht genehmigungsfähig sei. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Abschnitts 1.3 habe zur Folge, dass das Gesamtprojekt nicht verwirklicht werden könne. Der Senat teilt die Ansicht des Klägers jedoch nicht. In dem Schreiben, das sich als Anlage ASt 2 bei den Akten des beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrens - 5 S 1200/12 - befindet, teilt das Eisenbahn-Bundesamt der Beigeladenen zwar mit, dass die Planfeststellungsunterlagen zum Abschnitt 1.3 in der vorgelegten Form nicht genehmigungsfähig seien. Die Mitteilung bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass der Plan für den Abschnitt 1.3 endgültig nicht festgestellt werden kann. Nur in diesem Fall würde der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen stehen mit der Folge, dass sowohl dessen Rechtfertigung als auch die der einzelnen Planfeststellungsabschnitte entfiele (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 - 7 A 4.12 -, BVerwGE 147, 184). Das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes betrifft indessen nur die seinerzeit vorgelegten Planunterlagen. Es schließt mit dem Hinweis, dass die Antragsunterlagen „zur Überarbeitung“ zurückgegeben würden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass mit dem Schreiben vom 13.01.2006 zu belegen gewesen wäre, dass der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen steht. Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nr. 20 nicht nachzugehen, mit dem der Kläger die Beiziehung und Verlesung des Schreibens vom 13.01.2006 beantragt hat. Der Antrag auf Beiziehung ist gegenstandslos, da sich das Schreiben bei den Akten befindet. Auf dessen wortgenauen Inhalt kommt es nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich an, so dass es auch keiner Verlesung bedurfte.
III.
53 
Der Kläger kann seinen geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 auch nicht auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Der Widerruf nach dieser Vorschrift ist auch dann möglich, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert hat, so z.B. wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Die Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall führte zu einer Durchbrechung des rechtskräftigen Urteils vom 06.04.2006. Es kann offen bleiben, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG tatsächlich eine für die Rechtskraftdurchbrechung hinreichende gesetzliche Grundlage darstellt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 78.88 -, BVerwGE 82, 272 und Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137).
54 
Dem Kläger steht jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Widerruf erforderlich ist, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Es müssen solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es - vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht - rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 54; Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 49 Rn. 34). In Betracht kommen Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.; Kugele, VwVfG, § 49 Rn. 12). Solche gewichtigen Gemeinwohlgründe liegen hier nicht vor. Insoweit reicht das Interesse der Allgemeinheit an der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel bei weitem nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.).
55 
Neben den genannten Gemeinwohlgründen können zwar auch gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG rechtfertigen. Ein Widerruf wegen einer Grundrechtsbeeinträchtigung ist daher auch dann möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1997, a.a.O.). Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar (BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24) und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282). Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O.). Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind im vorliegenden Fall jedoch nicht betroffen. Vielmehr beruft sich der Kläger auf die Beeinträchtigung seines eigenen, grundgesetzlich über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums und auf entsprechende Eigentumsbeeinträchtigungen weiterer Personen. Soweit es um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG vor, selbst wenn sich die Eigentumsbeeinträchtigung als rechtswidrig erweist. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, in dessen Anwendungsbereich Planfeststellungsbeschlüsse fallen, die enteignungsrechtliche Vorwirkungen besitzen (vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 83 m.w.N.). Eine Enteignung des Klägers sieht der Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zwar nicht vor. Er erachtet die Veränderung der Grundstückssituation jedoch als so gravierend, dass sie im Ergebnis zu einer Aufhebung der Privatnützigkeit des Eigentums führe und die Grundstückseigentümer entsprechend den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes eine vollständige Übernahme des Grundstücks verlangen könnten (vgl. S. 227 des Planfeststellungsbeschlusses). Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Entfällt der Gemeinwohlgrund einer Enteignung, mag dies zwar unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einen Widerrufsgrund darstellen. Der Wegfall des Gemeinwohlgrundes bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dadurch schwere Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu befürchten sind. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der gegebenenfalls neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit.
56 
Dass die Rechtssicherheit gerade auch bei Eingriffen in das Eigentum besonderes Gewicht hat, kommt in der Regelung des § 72 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck. Die Vorschrift vermittelt Planfeststellungsbeschlüssen, die typischerweise vor allem mit Eingriffen in das Eigentum Dritter verbunden sind, eine „erhöhte Bestandsgarantie“, indem sie die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG ausschließt. Durch diesen Ausschluss soll den besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen werden, insbesondere seiner in § 75 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 VwVfG geregelten Gestaltungs- und Ausschlusswirkung (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drs. 7/910 S. 87 zu § 68, der dem heutigen § 72 Abs. 1 VwVfG entspricht). Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Dieser rechtsgestaltenden Wirkung entspricht es, dass nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens und der Benutzung der Anlagen sowie auf Beseitigung und Änderung der Anlagen ausgeschlossen sind; dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für nachträgliche Auflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gelten (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 90 zu § 71 Abs. 2, der dem heutigen § 75 Abs. 2 VwVfG entspricht). Eine Ausnahme bilden nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG insoweit lediglich Auflagen, die erforderlich werden, um nicht voraussehbare Auswirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen zu begegnen. Diese gesetzliche Konzeption zeigt, dass ein unanfechtbarer Planfeststellungsbeschluss bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht mehr aus den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG genannten Gründen einer Entscheidung über seinen Bestand oder seine Änderung zugeführt werden soll. Selbst bei unvorhersehbaren Wirkungen eines unanfechtbar festgestellten Plans sieht das Gesetz keinen Anspruch auf Aufhebung vor, sondern nur einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen oder - falls Schutzmaßnahmen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen, wie etwa in der oben genannten Katastrophensituation oder bei Gefahren für Leben oder Gesundheit den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Ob Sonderfälle denkbar sind, in denen ausnahmsweise auch eine Eigentumsverletzung einen gewichtigen Gemeinwohlgrund im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG darstellen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine solche besondere Konstellation hat der Kläger nicht geltend gemacht und sie liegt auch nicht vor. Der Umstand, dass außer dem Kläger noch weitere Eigentümer von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen sind, stellt keinen solchen Sonderfall dar. Denn er rückt die Situation nicht in die Nähe der oben beschriebenen Katastrophenfälle oder der ihnen gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit.
57 
Eine andere Beurteilung gebietet auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts zur Durchbrechung der Rechtskraft. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204) muss die Rechtskraft grundsätzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Auf diese Rechtsprechung beruft sich der Kläger. Die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustands ist im vorliegenden Fall jedoch nicht „schlechthin unerträglich“. Denn es streiten die Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit miteinander, die beide gleichermaßen mit Verfassungsrang ausgestattet sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131, 20), ohne dass auf Seiten der materiellen Gerechtigkeit weitere gewichtige Umstände hinzuträten, die es geböten, ihr Vorrang zu gewähren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.10.1967, - III C 123.66 -, BVerwGE 28, 122 - Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - und Urteil vom 07.09.1999, a.a.O. - erhebliche Gefahr für Leib oder Leben).
58 
Schließlich darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614 -, juris) eine Enteignung zur Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens - trotz Rechtskraft eines Urteils, das die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss abweist - zwar dann nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass diese Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde. Es ist danach aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nur nach Maßgabe der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Überwindung rechtskräftig bestätigter Planfeststellungsbeschlüsse zugelassen wird (vgl. zum Gebot effektiven und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbundenen Rechtsschutzes bei gestuften Verfahren auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 -, NVwZ 2014, 211, 216). Auch unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes ist es daher nicht geboten, die Eigentumsbeeinträchtigung Einzelner als schweren Nachteil für das Gemeinwohl zu werten und einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG ungeachtet des Fehlens eines neuen Sachverhalts zuzulassen.
III.
59 
Die von dem Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 lässt sich schließlich auch nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Denn dem geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 06.04.2006 entgegen. Insoweit kann auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des Senats vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) und vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) verwiesen werden. Der Kläger hat hierzu nichts Weiteres vorgetragen.
IV.
60 
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter I. bis III. brauchte der Senat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen Nr. 1 bis 19 nicht nachzugehen. Die Beweisanträge Nr. 1 bis 4, 7 bis 9, 13, 14, und 16 sind für die Entscheidung nicht erheblich. Mit ihnen sollen keine neuen Tatsachen bewiesen, sondern es soll Beweis dafür erbracht werden, dass die im einzelnen genannten Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 vorlagen. Dies gilt auch für den Beweisantrag Nr. 14, obwohl der Kläger auf einen Vergleich der Kapazität des bestehenden Bahnhofs im Jahr 2011 und der geplanten Kapazität von 32 Zügen abhebt. Denn er behauptet selbst nicht, dass sich die Kapazität eines der beiden Bahnhöfe seit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geändert habe (vgl. oben unter I.1.a)). Mit den Beweisanträgen Nr. 5, 6 und 10 werden lediglich neue Beweismittel zu Fragen der Kapazitätsermittlung und -bewer-tung benannt, mit denen eine bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende Tatsache bewiesen werden soll. Diese Fragen waren bereits Gegenstand der früheren Gutachten. Auch dass insoweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die - wie oben unter I. 1.a) ausgeführt - als neue Tatsachen zu werten wären, legt der Kläger nicht dar. Die Beweisanträge sind daher für die Entscheidung unerheblich. Das gleiche gilt für die Beweisanträge Nr. 11 und 12. Denn damit soll nicht bewiesen werden, dass sich der tatsächliche Zugverkehr in der Spitzenstunde gegenüber dem Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses in einem bestimmten Umfang geändert hat. Die Beweisanträge Nr. 15 und 17 sind unerheblich, weil die Planrechtfertigung nur dann entfiele, wenn feststünde, dass im Falle der Unwirksamkeit der Finanzierungsvereinbarung die Umsetzung des Projekts an der Finanzierung scheitern wird. Dies ist nach den Ausführungen unter I. 2. jedoch nicht der Fall. Die Beweisthemen der Beweisanträge Nr. 18 und 19 enthalten keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens (BGH, Urteil vom 25.11.1997 - VI ZR 306/96 -, NJW 1998, 1223, 1224). Die Beweisanträge haben jedoch zum einen Hypothesen zum Gegenstand („nicht mehr beginnen würde“, „nicht mehr zustimmen würde“) und zum anderen zukünftige Entscheidungen, die darüber hinaus von dem Eintritt bestimmter Bedingungen abhängen. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, was der Kläger unter einem „hohen“ Fahrgastwechsel und „überdurchschnittlich hoher“ Mindesthaltezeit (Beweisantrag Nr. 10a) sowie „größeren“ Neubauten (Beweisantrag Nr. 13) versteht.
C.
61 
Da es somit bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 fehlt, bleibt auch der unter Nr. 2 gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg, der auf eine Verpflichtung zur Bescheidung des beim Eisenbahn-Bundesamt gestellten Aufhebungsantrags gerichtet ist.
D.
62 
Der auf einen Baustopp gerichtete Hilfsantrag unter Nr. 3 hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn die mit ihm begehrte Nebenbestimmung könnte jedenfalls nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf oder eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen nach den §§ 48 f. VwVfG den Planfeststellungsbeschlüssen beigefügt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2012 - 5 S 196/12 -, NVwZ-RR 2012, 340). Allerdings fehlt es aus den oben dargestellten Gründen an den Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme.
E.
63 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
64 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
65 
Beschluss vom 2. Juli 2014
66 
Der Streitwert wird nach § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2, 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 30.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
30 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag nur zum Teil zulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie nicht begründet. Mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag ist die Klage zwar zulässig, aber ebenfalls nicht begründet.
A.
31 
Die auf Verpflichtung zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse gerichtete Klage ist nur zum Teil zulässig.
I.
32 
Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 19.08.2005 für den Abschnitt 1.2 zu verpflichten, ist sie unzulässig, denn es fehlt an einem entsprechenden Aufhebungsantrag des Klägers beim Eisenbahn-Bundesamt.
33 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.11.2007 - 6 C 42.06 -, BVerwGE 130, 39) hängt die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist. Bei dem danach - auch hier - erforderlichen Antrag handelt es sich nicht um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müsste, sondern um eine im Prozess nicht nachholbare Klagevoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 24.02.1982 - 6 C 8.77 -, BVerwGE 65, 87). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben. Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 75 Rn. 5; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Eyermann/Rennert, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 75 Rn. 5). Ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 42 Rn. 6).
II.
34 
Die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 für den Abschnitt 1.1 gerichtete Klage ist dagegen zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 06.05.2012 auf Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses hat das Eisenbahn-Bundesamt zwar nicht entschieden. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt, denn es liegt kein zureichender Grund für die unterlassene Entscheidung vor.
35 
Der Kläger ist antragsbefugt, da er von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen ist. Das Rechtsschutzinteresse an der Klage ist auch durch den Abriss des Gebäudes nicht entfallen, denn der Kläger ist nach wie vor Miteigentümer des Grundstücks.
B.
36 
Soweit die Klage danach mit dem Hauptantrag zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 liegen nicht vor. Denn die Unterlassung der begehrten Aufhebung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte, dass das Eisenbahn-Bundesamt diesen Planfeststellungsbeschluss nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 VwVfG widerruft (dazu I. und II.), noch dass sie den Planfeststellungsbeschluss zurücknimmt (dazu III.).
I.
37 
Der Anwendungsbereich des § 49 VwVfG ist eröffnet, nachdem aufgrund des Senatsurteils vom 06.04.2006 feststeht, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist (vgl. zur Anwendbarkeit des § 49 VwVfG im Planfeststellungsverfahren BVerwG, Urteil vom 21.05.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6). Die Anwendbarkeit scheitert entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht von vornherein an der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Nach § 121 Nr. 1 VwGO bindet zwar ein rechtskräftiges Urteil die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Rechtsbeständigkeit gerichtlicher Entscheidungen folgt aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, das Verfassungsrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131,20; Entscheidung vom 14.03.1963 -, 1 BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313). Ändert sich aber später die dem Urteil zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage, so liegt bei einem erneuten Rechtsstreit ein anderer Streitgegenstand vor, der von der Rechtskraft des früheren Urteils nicht umfasst wird (Kopp/Schenke, a.a.O., § 121 Rn. 28 m.w.N.d.Rspr.), denn die Sachlage ist Teil des Klagegrundes und damit des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 116), wenn es mit anderen Worten für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Eine Änderung der Sachlage liegt jedoch nicht vor, wenn sich nachträglich neue Erkenntnisse über zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandene Tatsachen oder im rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigte Beweismittel finden, oder wenn der Beteiligte sein Vorbringen aufgrund neuer Beweismittel „besser“ beweisen kann (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 117 m.w.N.d.Rspr.).
38 
Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Fall trotz Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG grundsätzlich möglich, weil er tatbestandlich voraussetzt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die Behörde berechtigten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen.
39 
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beigeladenen, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in den Fällen, in denen bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, stets nur dann in Betracht komme, wenn die Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit betroffen seien. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht den Anwendungsbereich dieser Regelung in seinem von der Beigeladenen zitierten Urteil vom 21.05.1997 (a.a.O.) nicht in dieser Weise beschränkt. Denn die Entscheidung betraf einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, d.h. einen Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich wesentlich von denen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Insbesondere setzt ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG - anders als ein solcher nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG - nicht voraus, dass neue Tatsachen eingetreten sind.
40 
Die Voraussetzungen für den vom Kläger begehrten Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen jedoch nicht vor.
41 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
42 
Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an nachträglich eingetretenen Tatsachen, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der Kläger meint zwar, die Planrechtfertigung für den Abschnitt 1.1 sei entfallen, weil das Gesamtprojekt „Stuttgart 21“ nicht verwirklicht werden könne. Denn es sei eine neue Tatsache, dass die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.3 und 1.6b nicht erlassen werden könnten, weil die Leistungsfähigkeit des Hauptbahnhofs 1.1 seinerzeit fehlerhaft festgestellt worden, die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen gewesen sei und es an einem „vorläufigen positiven Gesamturteil“ gefehlt habe. Mit dieser Ansicht verkennt der Kläger jedoch die Bedeutung der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Denn die Fragen der Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs und der Finanzierung sowie der Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts sind darin geklärt worden.
43 
Die Rechtskraft dieser Entscheidung würde nur dann nicht entgegen stehen, wenn hinsichtlich der genannten Fragen ein Sachverhalt vorläge, der von der Entscheidung nicht umfasst wäre. Es kann offen bleiben, ob ein solcher - von der Rechtskraft nicht erfasster - neuer Sachverhalt stets dann vorliegt, wenn neue Tatsachen gegeben sind, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen. Dafür mag vieles sprechen. Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht erfüllt sind. Es liegen weder in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs (dazu 1.), noch in Bezug auf die Finanzierung (dazu 2.) oder die Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts (dazu 3.) neue Tatsachen vor.
44 
1. Der vom Kläger als Beleg für die mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs ins Feld geführte Umstand, dass dieser nur für 32 Züge pro Stunde ausgelegt sei, ist keine solche neue Tatsache.
45 
a) Der Kläger trägt selbst vor, dass dies bereits aus dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten folge und zudem auch Eingang in das Urteil des Senats vom 06.04.2006 gefunden habe. Auf S. 37 (juris Rn. 58f.) ist dort ausgeführt, dass nach dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer der achtgleisige Durchgangsbahnhof für abgestimmte Betriebsprogramme mit 32 bis 35 Gleisbelegungen pro Stunde ausreiche, während das Betriebsszenario A nur durchschnittlich 25,5 Gleisbelegungen pro Stunde der Hauptverkehrszeit erwarten lasse. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Gutachter dem Durchgangsbahnhof für das Betriebsszenario A eine gute bis sehr gute Betriebsqualität bescheinigt habe. Die Bedarfsprognose sei unter den Beteiligten nicht streitig.
46 
Daraus folgt, dass die Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofs - entgegen dem Vortrag des Klägers - stets bekannt war. Dass sie ausreichend und zukunftssicher bemessen ist, wurde vom Kläger von Anfang an bestritten und war Gegenstand der Erörterung und der Befragung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens - 5 S 848/05 -. Der Kläger hat zwar seinerzeit nicht vorgetragen, die Kapazität des neuen Durchgangsbahnhofs (32 Züge) bleibe hinter derjenigen des bestehenden Kopfbahnhofs (50 Züge) zurück, worauf er nun maßgeblich abhebt. Auch insoweit liegt jedoch keine neue Tatsache vor. Denn der Kläger behauptet nicht, dass sich die Kapazität einer der beiden Bahnhöfe verändert habe. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich der Kapazitäten nur um eine neue Argumentation, die belegen soll, dass die Kapazität des neuen Bahnhofs entgegen der bisherigen Einschätzung doch nicht ausreichend bemessen sei. Dies stellt eine neue Bewertung unveränderter Tatsachen dar. Eine solche neue oder geänderte Bewertung genügt für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG jedoch nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 46; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 49 Rn. 47). Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung, dass Tatsachen auch dann vorlägen, wenn die Fakten eine rechtliche Bewertung im Rahmen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erforderten (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49 Rn. 60 und Gayer, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO Kommentar, 4. Aufl. 2007, Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 49 Rn. 44 unter Berufung auf OVG Berlin, Urteil vom 14.10.1998 - 1 B 67.95 -, NVwZ-RR 2000, 431 zum Widerruf nach § 47 Abs. 2 WaffG a.F.), steht der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Denn auch in dem vom OVG Berlin entschiedenen Fall handelte es sich im Ergebnis um eine neu entstandene Tatsachenlage (Änderung der Berufstätigkeit des dortigen Klägers), deren Bewertung zum Wegfall eines Tatbestandsmerkmals (waffenrechtliches Bedürfnis) führte.
47 
b) Angesichts der dargestellten Situation kann von einem „Beweisnotstand“, wie ihn der Kläger für sich reklamiert, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergab sich die Kapazität von 32 Zügen pro Stunde bereits aus dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag und das auch Gegenstand des Verfahrens 5 S 848/05 war. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie der Kläger behauptet - die Personenstromanalyse von Durth-Roos, aus der sich diese Kapazität ebenfalls ergebe, erst später bekannt geworden ist. Offen bleiben kann angesichts dessen auch, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für die besondere Situation im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung, wonach im Einzelfall eine Änderung der Sachlage auch kann eintreten kann, wenn ein Prozessbeteiligter wegen eines „Beweisnotstandes“ im Vorprozess erst nachträglich neue Beweismittel beschaffen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.1984 - 8 C 137.81 -, BVerwGE 70, 156), auch auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen ist.
48 
c) Es liegen auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs vor, die als neue Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einzustufen wären. Dies setzte voraus, dass aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bestimmte bereits vorhandene Tatsachen anders bewertet werden (BVerwG, Beschluss vom 16.07.1982 - 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 45). Die vom Kläger angeführten Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt vom 07.06.2012 und 06.06.2014 stellen jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, die neuen Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gleichzustellen wären. Hierzu ist nicht jede neue Erkenntnis eines Wissenschaftlers geeignet. Vielmehr muss die Erkenntnis Grundlage dafür sein, dass eine bestimmte bereits vorhandene Tatsache allgemein anders bewertet wird (Kopp/Ramsauer, a.a.O.; zur Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Planungsentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, juris Rn. 308). Denn eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, die geeignet ist, einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu begründen, ist abzugrenzen von der bloßen anderen Bewertung einer unveränderten Tatsache. Um letzteres handelt es sich bei den Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt. Sie stellen ein neues Beweismittel dar, mit dem der Kläger die früheren Gutachten zu entkräften versucht. Denn der Meinung von Herrn Dr. Engelhardt steht nach wie vor die Meinung der Gutachter der Beigeladenen entgegen. Neue Beweismittel genügen jedoch für einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht. Darin unterscheidet sich dieser Widerrufstatbestand entscheidend von der in § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgesehenen Möglichkeit, ein Verfahren wieder aufzugreifen. Diese wird im Planfeststellungsrecht durch § 72 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 5 S 1200/12 - vorgelegten Abschlussberichts der VIEREGG-RÖSSLER GmbH vom 27.10.2011, in dem ebenfalls eine höhere Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofs gegenüber dem geplanten Durchgangsbahnhof im Sinne einer höheren Kapazität pro Stunde errechnet wurde, ergibt sich kein anderes Bild. Allenfalls könnte dies als - weiterer - Beleg für eine kontroverse Beurteilung der Leistungsfähigkeit dienen, nicht jedoch als Nachweis, dass die Leistungsfähigkeit allgemein anders bewertet wird.
49 
2. Auch hinsichtlich der Finanzierung des Gesamtprojekts liegen keine neuen Tatsachen vor.
50 
Der Kläger meint, die Gesamtfinanzierung sei ausgeschlossen, weil die (neue) Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 aufgrund der vorgesehenen Beteiligung des Landes Baden-Württemberg verfassungswidrig sei. Der Kläger beruft sich auf das für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellte Gutachten von Prof. Meyer vom 03.11.2010. Nach dessen Ansicht verstößt die Mitfinanzierung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Zu gegenläufigen Ergebnissen kommen indes zum einen Gersdorf (ZG 2011, 248) und Pauly/Becker (NVwZ 2013, 334) und zum anderen Dolde/Porsch (NVwZ 2011, 833), wenngleich mit unterschiedlichen Ansätzen.
51 
Einer Erörterung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen streitigen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit und Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG - bedarf es hier jedoch nicht. Denn Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Finanzierungsvereinbarung, sondern der vom Kläger geltend gemachte Widerrufsanspruch nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. In diesem Rahmen ist zu entscheiden, ob neue Tatsachen vorliegen, die belegen, dass die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen ist, so dass - als rechtliche Folge - keine Planrechtfertigung (mehr) vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1999 - 4 A 12.98 -, NVwZ 2000, 555; Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, BVerwGE 84, 123). Dies ist nicht der Fall. Denn unabhängig davon, dass die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung des Projekts „Stuttgart 21“ äußerst kontrovers diskutiert wird und daher keine Rede davon sein kann, dass die Finanzierungsvereinbarung eindeutig als nichtig zu qualifizieren ist, würde das Projekt nicht schon dann an der Finanzierung scheitern und würde die Planrechtfertigung nicht schon dann fehlen, wenn die Finanzierungsvereinbarung tatsächlich nichtig wäre. Dies wäre vielmehr erst der Fall, wenn zugleich feststünde, dass auch eine andere Aufteilung der Kosten von vornherein ausscheidet, so dass nach der Vorstellung aller Finanzierungsbeteiligten das Projekt nicht zu verwirklichen wäre. Das ist derzeit nicht zu erkennen. Der Kläger meint zwar, den Äußerungen des Bundes und der Bahn, über die zugesagten Kostenbeteiligungen hinaus keine weiteren Beiträge zu leisten, entnehmen zu können, dass im Falle der Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung das Projekt nicht mehr verwirklicht werden könne. Diese Ansicht teilt der Senat jedoch nicht. Die Äußerungen sind vor dem Hintergrund der derzeitigen, geteilten Finanzierungsverantwortung zu sehen. Stünde zu irgendeinem Zeitpunkt die Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung rechtskräftig fest, sei es weil einzelne Finanzierungsträger sich überhaupt nicht beteiligen dürfen, sei es weil ihr Finanzierungsanteil gemessen an ihrem Aufgabenanteil zu hoch ist, müsste eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden. Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass hierzu die Bereitschaft fehlt. Die Beigeladene hat im Gegenteil in ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass sie - sogar ohne rechtliche Verpflichtung - nicht gehindert sei, höhere Kosten zu tragen. Bei dieser Situation und angesichts der großen Bedeutung des Projekts spricht derzeit nichts dafür, dass dessen Durchführung an der Finanzierung scheitern wird. Im Übrigen zeigen gerade die der ursprünglichen Finanzierungsvereinbarung folgenden Vereinbarungen, dass die Beteiligten willens sind, die Finanzierung sicherzustellen.
52 
3. Schließlich liegen auch keine neuen Tatsachen vor, die belegen, dass es am „vorläufigen positiven Gesamturteil“ des Projekts „Stuttgart 21“ fehlt, und zwar auch dann nicht, wenn die unter 1. dargestellte, im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Änderung der Sachlage in Fällen des „Beweisnotstandes“ auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen sein sollte. Denn ein Fall des Beweisnotstandes - wie ihn der Kläger für sich in Anspruch nimmt - liegt nicht vor. Der Kläger meint zwar, er hätte das Fehlen des „vorläufigen positiven Gesamturteils“ im Vorprozess beweisen können, wenn ihm das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13.01.2006 nicht vorenthalten worden wäre. Denn in diesem Schreiben teile das Eisenbahn-Bundesamt der beigeladenen Vorhabenträgerin mit, dass der Abschnitt 1.3 nicht genehmigungsfähig sei. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Abschnitts 1.3 habe zur Folge, dass das Gesamtprojekt nicht verwirklicht werden könne. Der Senat teilt die Ansicht des Klägers jedoch nicht. In dem Schreiben, das sich als Anlage ASt 2 bei den Akten des beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrens - 5 S 1200/12 - befindet, teilt das Eisenbahn-Bundesamt der Beigeladenen zwar mit, dass die Planfeststellungsunterlagen zum Abschnitt 1.3 in der vorgelegten Form nicht genehmigungsfähig seien. Die Mitteilung bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass der Plan für den Abschnitt 1.3 endgültig nicht festgestellt werden kann. Nur in diesem Fall würde der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen stehen mit der Folge, dass sowohl dessen Rechtfertigung als auch die der einzelnen Planfeststellungsabschnitte entfiele (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 - 7 A 4.12 -, BVerwGE 147, 184). Das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes betrifft indessen nur die seinerzeit vorgelegten Planunterlagen. Es schließt mit dem Hinweis, dass die Antragsunterlagen „zur Überarbeitung“ zurückgegeben würden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass mit dem Schreiben vom 13.01.2006 zu belegen gewesen wäre, dass der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen steht. Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nr. 20 nicht nachzugehen, mit dem der Kläger die Beiziehung und Verlesung des Schreibens vom 13.01.2006 beantragt hat. Der Antrag auf Beiziehung ist gegenstandslos, da sich das Schreiben bei den Akten befindet. Auf dessen wortgenauen Inhalt kommt es nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich an, so dass es auch keiner Verlesung bedurfte.
III.
53 
Der Kläger kann seinen geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 auch nicht auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Der Widerruf nach dieser Vorschrift ist auch dann möglich, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert hat, so z.B. wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Die Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall führte zu einer Durchbrechung des rechtskräftigen Urteils vom 06.04.2006. Es kann offen bleiben, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG tatsächlich eine für die Rechtskraftdurchbrechung hinreichende gesetzliche Grundlage darstellt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 78.88 -, BVerwGE 82, 272 und Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137).
54 
Dem Kläger steht jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Widerruf erforderlich ist, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Es müssen solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es - vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht - rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 54; Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 49 Rn. 34). In Betracht kommen Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.; Kugele, VwVfG, § 49 Rn. 12). Solche gewichtigen Gemeinwohlgründe liegen hier nicht vor. Insoweit reicht das Interesse der Allgemeinheit an der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel bei weitem nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.).
55 
Neben den genannten Gemeinwohlgründen können zwar auch gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG rechtfertigen. Ein Widerruf wegen einer Grundrechtsbeeinträchtigung ist daher auch dann möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1997, a.a.O.). Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar (BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24) und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282). Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O.). Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind im vorliegenden Fall jedoch nicht betroffen. Vielmehr beruft sich der Kläger auf die Beeinträchtigung seines eigenen, grundgesetzlich über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums und auf entsprechende Eigentumsbeeinträchtigungen weiterer Personen. Soweit es um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG vor, selbst wenn sich die Eigentumsbeeinträchtigung als rechtswidrig erweist. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, in dessen Anwendungsbereich Planfeststellungsbeschlüsse fallen, die enteignungsrechtliche Vorwirkungen besitzen (vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 83 m.w.N.). Eine Enteignung des Klägers sieht der Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zwar nicht vor. Er erachtet die Veränderung der Grundstückssituation jedoch als so gravierend, dass sie im Ergebnis zu einer Aufhebung der Privatnützigkeit des Eigentums führe und die Grundstückseigentümer entsprechend den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes eine vollständige Übernahme des Grundstücks verlangen könnten (vgl. S. 227 des Planfeststellungsbeschlusses). Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Entfällt der Gemeinwohlgrund einer Enteignung, mag dies zwar unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einen Widerrufsgrund darstellen. Der Wegfall des Gemeinwohlgrundes bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dadurch schwere Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu befürchten sind. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der gegebenenfalls neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit.
56 
Dass die Rechtssicherheit gerade auch bei Eingriffen in das Eigentum besonderes Gewicht hat, kommt in der Regelung des § 72 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck. Die Vorschrift vermittelt Planfeststellungsbeschlüssen, die typischerweise vor allem mit Eingriffen in das Eigentum Dritter verbunden sind, eine „erhöhte Bestandsgarantie“, indem sie die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG ausschließt. Durch diesen Ausschluss soll den besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen werden, insbesondere seiner in § 75 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 VwVfG geregelten Gestaltungs- und Ausschlusswirkung (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drs. 7/910 S. 87 zu § 68, der dem heutigen § 72 Abs. 1 VwVfG entspricht). Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Dieser rechtsgestaltenden Wirkung entspricht es, dass nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens und der Benutzung der Anlagen sowie auf Beseitigung und Änderung der Anlagen ausgeschlossen sind; dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für nachträgliche Auflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gelten (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 90 zu § 71 Abs. 2, der dem heutigen § 75 Abs. 2 VwVfG entspricht). Eine Ausnahme bilden nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG insoweit lediglich Auflagen, die erforderlich werden, um nicht voraussehbare Auswirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen zu begegnen. Diese gesetzliche Konzeption zeigt, dass ein unanfechtbarer Planfeststellungsbeschluss bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht mehr aus den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG genannten Gründen einer Entscheidung über seinen Bestand oder seine Änderung zugeführt werden soll. Selbst bei unvorhersehbaren Wirkungen eines unanfechtbar festgestellten Plans sieht das Gesetz keinen Anspruch auf Aufhebung vor, sondern nur einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen oder - falls Schutzmaßnahmen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen, wie etwa in der oben genannten Katastrophensituation oder bei Gefahren für Leben oder Gesundheit den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Ob Sonderfälle denkbar sind, in denen ausnahmsweise auch eine Eigentumsverletzung einen gewichtigen Gemeinwohlgrund im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG darstellen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine solche besondere Konstellation hat der Kläger nicht geltend gemacht und sie liegt auch nicht vor. Der Umstand, dass außer dem Kläger noch weitere Eigentümer von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen sind, stellt keinen solchen Sonderfall dar. Denn er rückt die Situation nicht in die Nähe der oben beschriebenen Katastrophenfälle oder der ihnen gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit.
57 
Eine andere Beurteilung gebietet auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts zur Durchbrechung der Rechtskraft. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204) muss die Rechtskraft grundsätzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Auf diese Rechtsprechung beruft sich der Kläger. Die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustands ist im vorliegenden Fall jedoch nicht „schlechthin unerträglich“. Denn es streiten die Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit miteinander, die beide gleichermaßen mit Verfassungsrang ausgestattet sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131, 20), ohne dass auf Seiten der materiellen Gerechtigkeit weitere gewichtige Umstände hinzuträten, die es geböten, ihr Vorrang zu gewähren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.10.1967, - III C 123.66 -, BVerwGE 28, 122 - Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - und Urteil vom 07.09.1999, a.a.O. - erhebliche Gefahr für Leib oder Leben).
58 
Schließlich darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614 -, juris) eine Enteignung zur Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens - trotz Rechtskraft eines Urteils, das die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss abweist - zwar dann nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass diese Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde. Es ist danach aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nur nach Maßgabe der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Überwindung rechtskräftig bestätigter Planfeststellungsbeschlüsse zugelassen wird (vgl. zum Gebot effektiven und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbundenen Rechtsschutzes bei gestuften Verfahren auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 -, NVwZ 2014, 211, 216). Auch unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes ist es daher nicht geboten, die Eigentumsbeeinträchtigung Einzelner als schweren Nachteil für das Gemeinwohl zu werten und einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG ungeachtet des Fehlens eines neuen Sachverhalts zuzulassen.
III.
59 
Die von dem Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 lässt sich schließlich auch nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Denn dem geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 06.04.2006 entgegen. Insoweit kann auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des Senats vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) und vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) verwiesen werden. Der Kläger hat hierzu nichts Weiteres vorgetragen.
IV.
60 
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter I. bis III. brauchte der Senat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen Nr. 1 bis 19 nicht nachzugehen. Die Beweisanträge Nr. 1 bis 4, 7 bis 9, 13, 14, und 16 sind für die Entscheidung nicht erheblich. Mit ihnen sollen keine neuen Tatsachen bewiesen, sondern es soll Beweis dafür erbracht werden, dass die im einzelnen genannten Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 vorlagen. Dies gilt auch für den Beweisantrag Nr. 14, obwohl der Kläger auf einen Vergleich der Kapazität des bestehenden Bahnhofs im Jahr 2011 und der geplanten Kapazität von 32 Zügen abhebt. Denn er behauptet selbst nicht, dass sich die Kapazität eines der beiden Bahnhöfe seit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geändert habe (vgl. oben unter I.1.a)). Mit den Beweisanträgen Nr. 5, 6 und 10 werden lediglich neue Beweismittel zu Fragen der Kapazitätsermittlung und -bewer-tung benannt, mit denen eine bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende Tatsache bewiesen werden soll. Diese Fragen waren bereits Gegenstand der früheren Gutachten. Auch dass insoweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die - wie oben unter I. 1.a) ausgeführt - als neue Tatsachen zu werten wären, legt der Kläger nicht dar. Die Beweisanträge sind daher für die Entscheidung unerheblich. Das gleiche gilt für die Beweisanträge Nr. 11 und 12. Denn damit soll nicht bewiesen werden, dass sich der tatsächliche Zugverkehr in der Spitzenstunde gegenüber dem Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses in einem bestimmten Umfang geändert hat. Die Beweisanträge Nr. 15 und 17 sind unerheblich, weil die Planrechtfertigung nur dann entfiele, wenn feststünde, dass im Falle der Unwirksamkeit der Finanzierungsvereinbarung die Umsetzung des Projekts an der Finanzierung scheitern wird. Dies ist nach den Ausführungen unter I. 2. jedoch nicht der Fall. Die Beweisthemen der Beweisanträge Nr. 18 und 19 enthalten keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens (BGH, Urteil vom 25.11.1997 - VI ZR 306/96 -, NJW 1998, 1223, 1224). Die Beweisanträge haben jedoch zum einen Hypothesen zum Gegenstand („nicht mehr beginnen würde“, „nicht mehr zustimmen würde“) und zum anderen zukünftige Entscheidungen, die darüber hinaus von dem Eintritt bestimmter Bedingungen abhängen. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, was der Kläger unter einem „hohen“ Fahrgastwechsel und „überdurchschnittlich hoher“ Mindesthaltezeit (Beweisantrag Nr. 10a) sowie „größeren“ Neubauten (Beweisantrag Nr. 13) versteht.
C.
61 
Da es somit bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 fehlt, bleibt auch der unter Nr. 2 gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg, der auf eine Verpflichtung zur Bescheidung des beim Eisenbahn-Bundesamt gestellten Aufhebungsantrags gerichtet ist.
D.
62 
Der auf einen Baustopp gerichtete Hilfsantrag unter Nr. 3 hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn die mit ihm begehrte Nebenbestimmung könnte jedenfalls nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf oder eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen nach den §§ 48 f. VwVfG den Planfeststellungsbeschlüssen beigefügt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2012 - 5 S 196/12 -, NVwZ-RR 2012, 340). Allerdings fehlt es aus den oben dargestellten Gründen an den Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme.
E.
63 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
64 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
65 
Beschluss vom 2. Juli 2014
66 
Der Streitwert wird nach § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2, 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 30.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung die der Eigenart des öffentlichen Dienstes entsprechende Anwendung der Vorschriften des Mutterschutzgesetzes auf Beamtinnen. Diese Rechtsverordnung stellt für Beamtinnen hinsichtlich Inhalt, Art und Umfang den Schutz sicher, der Frauen nach dem Mutterschutzgesetz gewährleistet wird. Für die Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der dem Gesundheitsschutz dienenden mutterschutzrechtlichen Vorschriften gilt § 29 des Mutterschutzgesetzes entsprechend.

(2) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung die der Eigenart des öffentlichen Dienstes entsprechende Anwendung der Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes über die Elternzeit auf Beamtinnen und Beamte. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann in den Fällen des Artikels 91 Absatz 2 Satz 1 und des Artikels 115f Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes den Anspruch auf Elternzeit für Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte in der Bundespolizei aus zwingenden Gründen der inneren Sicherheit ausschließen oder einschränken.

(3) Das Jugendarbeitsschutzgesetz gilt für jugendliche Beamtinnen und jugendliche Beamte entsprechend. Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung Ausnahmen von den Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes für jugendliche Polizeivollzugsbeamtinnen und jugendliche Polizeivollzugsbeamte bestimmen, soweit diese aufgrund der Eigenart des Polizeivollzugsdienstes oder aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich sind.

Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13. Februar 2008 - 2 K 1246/07 - werden zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
Die Beschwerden der Kläger gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13.02.2008 sind statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere wurden sie fristgerecht erhoben (§ 147 Abs. 1 VwGO).
Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Klägern für die unter dem Aktenzeichen 2 K 1246/07 erhobenen Klagen Prozesskostenhilfe zu gewähren. Denn diese Klagen, mit denen die Kläger die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Anordnung des Innenministeriums nach § 23 AufenthG über ein Bleiberecht für im Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausländische Staatsangehörige vom 20.11.2006 (Az.: 4-1340/29) bzw. nach § 104 a Abs. 1 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG, begehren, bieten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Der Ausgang des Klageverfahrens erscheint nicht als offen (zum Maßstab der hinreichenden Erfolgsaussicht vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 20.07.2005 - 11 S 1807/04 - und vom 23.11.2004 - 7 S 2219/04 -, VBlBW 2005, 196).
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten der Klagen verneint. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss.
Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens besteht kein Anlass für eine abweichende Beurteilung der Erfolgsaussichten, soweit hilfsweise die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 VwGO begehrt wird. Insoweit ist die Klage, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, mangels vorheriger Antragstellung bei der Behörde unzulässig. Die anwaltlich vertretenen Kläger haben am 21.12.2006 ausdrücklich die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Anordnung des Innenministeriums vom 20.11.2006 beantragt. Nur dieser Antrag wurde vom Beklagten beschieden. Im Widerspruchsverfahren haben die Kläger an diesem Streitgegenstand festgehalten. Auch der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 23.07.2007 hat daher ausschließlich die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Anordnung des Innenministeriums vom 20.11.2006 zum Gegenstand. Soweit man in dem Schreiben des früheren Bevollmächtigten vom 13.12.2004 (/ 148 der Ausländerakte) einen Antrag auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 AufenthG erblicken wollte, hat der derzeitige Bevollmächtigte durch sein Vorbringen im Verwaltungs- und im Vorverfahren zu erkennen gegeben, dass er dieses Begehren nicht weiter verfolgt.
Der Heranziehung des nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) in das Aufenthaltsgesetz eingefügten § 104 a als neue Anspruchsgrundlage im gerichtlichen Verfahren stehen deshalb keine prozessualen Hindernisse entgegen, weil § 104 a AufenthG in vielen Punkten an die früheren Erlassregelungen angelehnt ist und den gleichen Zweck verfolgt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.11.2007 – 13 S 2438/07 – InfAuslR 2008, 85 = VBlBW 2008, 152; vgl. entsprechend zum Verhältnis der Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG 1990 zur Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG BVerwG, Urt. v. 27.06.2006 – 1 C 14.05 – BVerwGE 126, 192 = NVwZ 2006, 1418).
Der Auffassung der Kläger, bei Beantragung einer bestimmten Aufenthaltserlaubnis nach dem Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes seien grundsätzlich alle in diesem Abschnitt enthaltenen Anspruchsgrundlagen zu prüfen, weil es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand handele, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Streitgegenstand einer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird bestimmt und begrenzt durch die Aufenthaltszwecke, aus denen der Kläger seinen Anspruch herleitet (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 43.06 - InfAuslR 2008, 71 = NVwZ 2008, 333). Die Kläger bestimmen also mit ihren Anträgen und dem der Behörde bzw. dem Gericht unterbreiteten Lebenssachverhalt den Streitgegenstand. Nur dann, wenn – ohne weitere Einschränkung – eine Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen beantragt wird, ist der Anspruch nach jeder bei Würdigung des vorgetragenen Lebenssachverhalts in Betracht kommenden Vorschrift des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen (vgl. zu einer solchen weiten, offenen Antragstellung BVerwG, Urt. v. 04.09.2007, a.a.O.). Wird demgegenüber der geltend gemachte Anspruch auf eine bestimmte Rechtsgrundlage gestützt und legt auch der unterbreitete Lebenssachverhalt nicht nahe, dass weitere Rechtsgrundlagen in Betracht kommen, so ist der Streitgegenstand entsprechend begrenzt. Ein neuer Streitgegenstand kann im Übrigen sogar dann vorliegen, wenn der im gerichtlichen Verfahren erstmals geltend gemachte Aufenthaltszweck nach der gleichen Rechtsvorschrift zu beurteilen ist wie der Aufenthaltszweck, der Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.02.2008 – 13 S 2774/07 – AuAS 2008, 75: Änderung des Aufenthaltszwecks im Rahmen des § 16 AufenthG bei anderer Ausbildung). Danach haben die Kläger hier mit dem Schriftsatz vom 19.12.2007 im Wege der Klageerweiterung einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG unterscheiden sich grundlegend von denen des § 104 a AufenthG bzw. der Anordnung des Innenministeriums vom 20.11.2006. Auch der zur Begründung vorgetragene Lebenssachverhalt ist neu. Der Kläger zu 1 beruft sich in dem Schriftsatz vom 19.12.2007 erstmals darauf, dass ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis vorliege, weil ihm bei einer Trennung von seiner volljährigen Tochter, die eine Aufenthaltserlaubnis erhalten habe, eine schwerwiegende Gesundheitsgefährdung drohe. Hinsichtlich dieses Streitgegenstands ist die Zulässigkeit der Klage an § 75 VwGO zu messen. Danach ist die Klage unzulässig, da es an der vorherigen Antragstellung bei der Behörde fehlt und es sich bei diesem Erfordernis um eine im Verwaltungsprozess nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.08.1995 – 5 C 11.94 – BVerwGE 99, 158; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.04.1999 – 6 S 420/97 – ESVGH 49, 209 = VBlBW 2000, 106 und Beschl. v. 19.02.2008 – 13 S 2774/07 – a.a.O.; Dolde/Porsch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 75 Rn. 5 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 75 Rn. 7; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 75 Rn. 4; Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 75 Rn. 25 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung.
Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil bei Erfolglosigkeit der Beschwerde im Verfahren über die Prozesskostenhilfe eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr von 50,00 EUR anzusetzen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamtes vom 28.01.2005 für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Talquerung mit neuem Hauptbahnhof) und des Planfeststellungsbeschlusses derselben Behörde vom 19.08.2005 im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel).
Er ist Miteigentümer des Grundstücks Flst.Nr. 1322 der Gemarkung Stuttgart. Das Grundstück befindet sich am Übergang der Planfeststellungsabschnitte 1.1 und 1.2, die bestandskräftig planfestgestellt sind. Es wird für das Vorhaben zu einem geringen Teil dauerhaft und zum überwiegenden Teil vorübergehend in Anspruch genommen, teilweise wird es dinglich beschränkt. Auf dem Grundstück ist die Einfahrt zum sog. Fildertunnel geplant. Das auf dem Grundstück stehende Wohngebäude S... Straße ..., in dem sich die Wohnung des Klägers befand, ist im Oktober 2013 abgerissen worden, nachdem die Beigeladene vorzeitig in den Besitz des Grundstücks eingewiesen worden und ein Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die vorzeitige Besitzeinweisung erfolglos geblieben war (Beschluss des Senats vom 19.09.2013 - 5 S 1546/13 -, juris und nachfolgend: BVerfG, Beschluss vom 20.09.2013 - 1 BvQ 41/13 -).
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 hatte der Kläger erfolglos Klage erhoben (Senatsurteil vom 06.04.2006 - 5 S 848/05 -). Den Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005 für den Planfeststellungsabschnitt 1.2 hatte der Kläger nicht angefochten; er hatte im Anhörungsverfahren auch keine Einwendungen erhoben. Im Mai 2012 beantragte der Kläger beim Eisenbahn-Bundesamt, den Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 aufzuheben. Seinen im Juni 2012 zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte der Senat mit Beschluss vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) ab. Seine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614/1 -, juris). Seine ebenfalls gegen den Beschluss des Senats vom 08.08.2012 erhobene Anhörungsrüge hat der Senat mit Beschluss vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) zurückgewiesen.
Bereits am 10.12.2012 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, ihm stehe ein Anspruch auf Aufhebung in Form eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG der Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.1 und 1.2 zu, weil es aufgrund neu eingetretener Tatsachen an einem positiven Gesamturteil für das Projekt „Stuttgart 21“ fehle. Denn wegen dieser neuen Tatsachen könnten die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.3 und 1.6b nicht mehr erlassen werden. Ohne diese Planfeststellungsbeschlüsse könne das Gesamtprojekt jedoch nicht verwirklicht werden. Die Abschnitte 1.3 und 1.6b seien mangels Planrechtfertigung nicht genehmigungsfähig, denn das Gesamtprojekt stelle wegen fehlender Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs einen planerischen Missgriff dar und zudem sei seine Finanzierung ausgeschlossen.
Dr. Engelhardt habe in seinen Stellungnahmen vom 07.06.2012 und vom 06.06.2014 nachgewiesen, dass die Kapazität des derzeitigen Kopfbahnhofs von 50 Zügen pro Stunde auf 32 Züge pro Stunde sinke, wenn das Projekt eines Durchgangsbahnhofs verwirklicht werde. Damit werde das Projektziel der Leistungssteigerung nicht erreicht; im Gegenteil sinke die Leistung. Die Prognosen der Gutachter der Bahn, die von einer “ausreichenden und zukunftssicheren Bemessung des Projekts Stuttgart 21“ ausgingen, seien fehlerhaft. Gleiches gelte für den sog. Stresstest. Dr. Engelhardt habe nachgewiesen, dass die Feststellung der Leistungsfähigkeit auf einer Auslegungsleistung von nur 32 Zügen beruhe. Bereits das vom Senat im Verfahren - 5 S 848/05 - als maßgeblich bezeichnete „Szenario A“, der Fahrplan also, zu dessen Umsetzung „S 21“ ausgelegt und bemessen worden sei, sehe in der Spitzenstunde lediglich 32 Züge vor, wie sich aus dem Urteil des Senats vom 06.04.2006 ergebe.
Da die für die Beigeladene tätigen Gutachter den wahren Sachverhalt eines Kapazitätsrückbaus verschleiert und damit verhindert hätten, dass der „geplante Engpass“ von ihm selbst und vom erkennenden Senat habe erkannt werden können, liege ein Beweisnotstand vor. Ein solcher Beweisnotstand habe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folge, dass die ihm erst nach Abschluss des Vorprozesses eröffnete Möglichkeit der Beschaffung neuer Beweismittel einer Änderung des Sachverhalts gleichstehe.
Die Planrechtfertigung sei zudem auch deshalb entfallen, weil die Finanzierung des Gesamtprojekts ausgeschlossen sei. Wegen der gesteigerten Kosten sei eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen worden. Diese verstoße wegen der finanziellen Beteiligung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG und sei nichtig. Als eigentumsrechtlich Betroffener habe er einen Anspruch auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Finanzierungsvertrages. Aus Art. 87e Abs. 3 und 4 GG folge, dass der Bund für den Bau und Erhalt des Schienennetzes zuständig sei. Die Zuständigkeit der Länder erstrecke sich nur auf das Verkehrsangebot des Schienenpersonennahverkehrs, also auf die Beförderungsleistung auf den Schienen. Das Projekt „S 21“ gehöre zur Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes, weil es den Bahnknoten Stuttgart in die Aus- und Neubaustrecke Stuttgart-Augsburg einbinde. Diese Einbindung müsste auch ohne den Bau von „S 21“ vorgenommen werden. Eine finanzielle Beteiligung des Landes verstoße daher gegen Art. 104a GG, weil dem Finanzierungsanteil kein Aufgabenanteil entspreche. Die Verfassungswidrigkeit der Landesbeiträge führe zur Nichtigkeit der entsprechenden Klauseln in den Finanzierungsverträgen, die Zahlungspflichten der Landesseite vorsähen. Die Nichtigkeit führe wiederum zu einer Finanzierungslücke in entsprechender Höhe, denn weder die Vorhabenträgerin noch der Bund hätten eine Bereitschaft erklärt, bei einem Ausfall der Landesfinanzierung für die Mehrkosten einzustehen. Beide hätten im Gegenteil erklärt, keine weiteren Anteile zu leisten.
Die Planrechtfertigung fehle schließlich auch deshalb, weil der Plan für den Abschnitt 1.3 ohnehin nicht festgestellt werden könne. Dies habe das Eisenbahn-Bundesamt der Vorhabenträgerin mit Schreiben vom 13.01.2006 mitgeteilt, das ihm seinerzeit vorenthalten worden sei. Wegen dieses Vorenthaltens habe er sich im Vorprozess im Beweisnotstand befunden. Ohne den Abschnitt 1.3 entfalle aber das für das Projekt erforderliche „vorläufige positive Gesamturteil“.
Aufgrund der neuen Tatsachen wäre das Eisenbahn-Bundesamt nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.1 und 1.2 nicht zu erlassen. Außerdem werde angesichts seiner eigenen Eigentumsbeeinträchtigung sowie derer zahlreicher anderer Betroffener ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet. Ihm stehe ein Anspruch auf Widerruf zu, weil das durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG eröffnete Ermessen auf Null reduziert sei.
10 
Die genannten Gründe erfüllten im Übrigen auch die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG. Schließlich stehe ihm auch ein Anspruch auf Rücknahme nach § 48 VwVfG zu.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
1. die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Talquerung mit neuem Hauptbahnhof) vom 28.01.2005 und den Planfeststellungsbeschluss im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) vom 19.08.2005 aufzuheben,
13 
2. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag an das Eisenbahn-Bundesamt vom 06.05.2012 unter Aufhebung der unter Nr.1 genannten Planfeststellungsbeschlüsse und Erlass einer Baustoppverfügung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
14 
3. hilfsweise - unabhängig vom Hilfsantrag zu 2 - die Beklagte zu verpflichten, eine Nebenbestimmung zu den unter Nr. 1 genannten Planfeststellungsbeschlüssen mit folgendem Inhalt zu erlassen:
15 
Die Bauarbeiten auf dem Grundstück S... Straße ..., ... Stuttgart dürfen erst fortgesetzt werden, wenn die Planfeststellungsbeschlüsse zu den Planfeststellungsabschnitten 1.3 (Filderbereich) und 1.6b (Abstellbahnhof) unanfechtbar geworden sind.
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Die Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit der Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 1.1 betroffen sei. Der Klage stehe die Rechtskraft des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses des Senats vom 13.08.2012 entgegen. Die Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 und die Zuschussvereinbarung für die Neubaustrecke vom gleichen Tag seien zumindest der Sache nach Gegenstand des Beschlusses gewesen. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht vorlägen. Das Eisenbahn-Bundesamt wäre nicht berechtigt, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Es sei nach wie vor beabsichtigt, das Projekt zu verwirklichen und es sei objektiv realisierbar. Gegenüber dem bislang zugrunde gelegten Sachverhalt ergebe sich nichts Neues. Die Finanzierung des Projekts sei nicht ausgeschlossen, wie gerade die neue Finanzierungsvereinbarung zeige. Die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs sei zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses durch Gutachten, insbesondere jenes des Prof. Dr. Schwanhäuser belegt gewesen. Eine fehlerhafte Tatsachengrundlage bei der Erstellung des Gutachtens sei nicht zu erkennen gewesen. Das Eisenbahn-Bundesamt habe daher davon ausgehen dürfen, dass die Sachverständigenausführungen zutreffen, und dürfe auch weiter davon ausgehen.
19 
Soweit sich die Klage auf den Planfeststellungsabschnitt 1.2 beziehe, sei sie unbegründet. Nach dem Urteil des Senats vom 08.02.2007 (5 S 2224/05) stehe fest, dass auch bezüglich des Planfeststellungsabschnitts 1.2 die Finanzierung gesichert sei. Die nun vorgetragenen Tatsachen (Vereinbarungen vom 02.04.2009 und neue Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit) belegten nicht, dass die Finanzierung entweder nicht mehr beabsichtigt oder objektiv nicht möglich sei.
20 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit sie den Planfeststellungsabschnitt 1.2 betreffe, da der Kläger keinen entsprechenden Aufhebungsantrag beim Eisenbahn-Bundesamt gestellt habe. Außerdem sei er nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG a.F. materiell präkludiert, da er im Anhörungsverfahren zum Planfeststellungsabschnitt 1.2 keine Einwendungen erhoben habe.
23 
Dem Aufhebungsanspruch stehe im Übrigen die Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 (5 S 848/05) entgegen. § 49 VwVfG könne die Rechtskraft nicht durchbrechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überwinde § 49 VwVfG nur die Bestandskraft. Zudem erweise sich der Widerruf nur als ultima ratio und sei auf Beeinträchtigungen von Leben und Gesundheit beschränkt. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nicht vor, da tatsächlich keine Änderungen eingetreten seien. Das bloße Bekanntwerden von Umständen, die bereits vor Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen hätten, dabei aber nicht berücksichtigt worden seien, genüge nicht.
24 
Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs trage der Kläger keine neuen Tatsachen vor. Die Gutachten der Professoren Heimerl, Schwanhäuser und Martin seien bereits im Planfeststellungsverfahren zum Abschnitt 1.1 in Zweifel gezogen worden. Zudem habe sie auch der Kläger im Klageverfahren vor dem VGH Baden-Württemberg - 5 S 848/12 - beanstandet. Die Kritik des Herrn Dr. Engelhardt, über dessen fachliche Qualifikation der Beigeladenen keine Informationen vorlägen, sei keine neue Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Sie sei auch nicht als neue wissenschaftliche Erkenntnis zu werten. Dies würde voraussetzen, dass die Erkenntnisse ein gewisses Maß an fachwissenschaftlicher Anerkennung gefunden hätten und so weit fortgeschritten seien, um eine zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts herrschende Auffassung abzulösen. Daran fehle es hier. Dr. Engelhardt sei nur eine Stimme, die die in mehreren Gutachten niedergelegten Erkenntnisse renommierter Fachwissenschaftler in Zweifel ziehe. Dies könne nicht dazu führen, dass die bei Erlass des Verwaltungsakts vorhandenen Erkenntnisse nunmehr allgemein anders bewertet würden oder zu bewerten seien.
25 
Auch im Hinblick auf die Finanzierung des Projekts Stuttgart 21 lägen keine neuen Tatsachen vor. Die Finanzierung sei nicht ausgeschlossen, sodass auch die Planrechtfertigung nicht in Frage stehe. Für Kostensteigerungen jenseits des „Kostendeckels“ sähen die Finanzierungsvereinbarungen vom 02.04.2009 eine sog. Sprechklausel vor. Dass einzelne Finanzierungspartner hierzu bereits eine bestimmte Haltung formuliert hätten, führe nicht dazu, dass die Finanzierung ausgeschlossen wäre. Denn entsprechende Gespräche seien noch nicht geführt worden. Ihr Ergebnis könne nicht aufgrund jetziger politischer Verlautbarungen sicher prognostiziert werden. Außerdem habe die Beigeladene stets die Möglichkeit, Mehrkosten selbst zu übernehmen, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein.
26 
Die Finanzierungsvereinbarung sei auch nicht nichtig. Sie verstoße nicht gegen Art. 104a Abs. 1 GG, weil die DB Netz AG als Vorhabenträgerin des Projekts Stuttgart 21 in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht nicht dem Bund zuzuordnen sei. Bei dem Projekt handele es sich um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn als Wirtschaftsunternehmen. Die DB Netz AG nehme keine Verwaltungsaufgaben des Bundes wahr. Folglich falle das Projekt nicht in den Anwendungsbereich des Art. 104a Abs. 1 GG. Dies habe wiederum zur Folge, dass sich aus Art. 104a Abs. 1 GG keine Bedenken gegen den Abschluss von Finanzierungsvereinbarungen herleiten ließen, durch die sich einzelne Länder oder Kommunen zur anteiligen Finanzierung dieser Infrastrukturprojekte verpflichteten. Die finanzverfassungsrechtliche Kritik an der Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 verkenne die Folgen der in Art. 87e Abs. 3 GG vorgegebenen Privatisierung der Eisenbahninfrastruktur.
27 
Unabhängig davon würden öffentliche Interessen ohne den Widerruf nicht gefährdet werden. Insoweit reichten Vermögensinteressen Einzelner, wie die des Klägers, nicht aus. Soweit es sich um die Beeinträchtigung individueller Rechtspositionen handele, könnte nur eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit eine Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen. Erst recht sei das durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG eröffnete Widerrufsermessen nicht auf Null reduziert.
28 
Die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge hat der Senat abgelehnt; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
29 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der zur Sache gehörenden Gerichts- und Behördenakten sowie der Gerichtsakten in den Verfahren 5 S 848/05, 5 S 1200/12 und 5 S 1812/12 verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
30 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag nur zum Teil zulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie nicht begründet. Mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag ist die Klage zwar zulässig, aber ebenfalls nicht begründet.
A.
31 
Die auf Verpflichtung zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse gerichtete Klage ist nur zum Teil zulässig.
I.
32 
Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 19.08.2005 für den Abschnitt 1.2 zu verpflichten, ist sie unzulässig, denn es fehlt an einem entsprechenden Aufhebungsantrag des Klägers beim Eisenbahn-Bundesamt.
33 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.11.2007 - 6 C 42.06 -, BVerwGE 130, 39) hängt die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist. Bei dem danach - auch hier - erforderlichen Antrag handelt es sich nicht um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müsste, sondern um eine im Prozess nicht nachholbare Klagevoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 24.02.1982 - 6 C 8.77 -, BVerwGE 65, 87). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben. Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 75 Rn. 5; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Eyermann/Rennert, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 75 Rn. 5). Ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 42 Rn. 6).
II.
34 
Die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 für den Abschnitt 1.1 gerichtete Klage ist dagegen zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 06.05.2012 auf Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses hat das Eisenbahn-Bundesamt zwar nicht entschieden. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt, denn es liegt kein zureichender Grund für die unterlassene Entscheidung vor.
35 
Der Kläger ist antragsbefugt, da er von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen ist. Das Rechtsschutzinteresse an der Klage ist auch durch den Abriss des Gebäudes nicht entfallen, denn der Kläger ist nach wie vor Miteigentümer des Grundstücks.
B.
36 
Soweit die Klage danach mit dem Hauptantrag zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 liegen nicht vor. Denn die Unterlassung der begehrten Aufhebung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte, dass das Eisenbahn-Bundesamt diesen Planfeststellungsbeschluss nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 VwVfG widerruft (dazu I. und II.), noch dass sie den Planfeststellungsbeschluss zurücknimmt (dazu III.).
I.
37 
Der Anwendungsbereich des § 49 VwVfG ist eröffnet, nachdem aufgrund des Senatsurteils vom 06.04.2006 feststeht, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist (vgl. zur Anwendbarkeit des § 49 VwVfG im Planfeststellungsverfahren BVerwG, Urteil vom 21.05.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6). Die Anwendbarkeit scheitert entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht von vornherein an der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Nach § 121 Nr. 1 VwGO bindet zwar ein rechtskräftiges Urteil die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Rechtsbeständigkeit gerichtlicher Entscheidungen folgt aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, das Verfassungsrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131,20; Entscheidung vom 14.03.1963 -, 1 BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313). Ändert sich aber später die dem Urteil zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage, so liegt bei einem erneuten Rechtsstreit ein anderer Streitgegenstand vor, der von der Rechtskraft des früheren Urteils nicht umfasst wird (Kopp/Schenke, a.a.O., § 121 Rn. 28 m.w.N.d.Rspr.), denn die Sachlage ist Teil des Klagegrundes und damit des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 116), wenn es mit anderen Worten für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Eine Änderung der Sachlage liegt jedoch nicht vor, wenn sich nachträglich neue Erkenntnisse über zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandene Tatsachen oder im rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigte Beweismittel finden, oder wenn der Beteiligte sein Vorbringen aufgrund neuer Beweismittel „besser“ beweisen kann (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 117 m.w.N.d.Rspr.).
38 
Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Fall trotz Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG grundsätzlich möglich, weil er tatbestandlich voraussetzt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die Behörde berechtigten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen.
39 
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beigeladenen, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in den Fällen, in denen bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, stets nur dann in Betracht komme, wenn die Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit betroffen seien. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht den Anwendungsbereich dieser Regelung in seinem von der Beigeladenen zitierten Urteil vom 21.05.1997 (a.a.O.) nicht in dieser Weise beschränkt. Denn die Entscheidung betraf einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, d.h. einen Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich wesentlich von denen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Insbesondere setzt ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG - anders als ein solcher nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG - nicht voraus, dass neue Tatsachen eingetreten sind.
40 
Die Voraussetzungen für den vom Kläger begehrten Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen jedoch nicht vor.
41 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
42 
Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an nachträglich eingetretenen Tatsachen, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der Kläger meint zwar, die Planrechtfertigung für den Abschnitt 1.1 sei entfallen, weil das Gesamtprojekt „Stuttgart 21“ nicht verwirklicht werden könne. Denn es sei eine neue Tatsache, dass die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.3 und 1.6b nicht erlassen werden könnten, weil die Leistungsfähigkeit des Hauptbahnhofs 1.1 seinerzeit fehlerhaft festgestellt worden, die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen gewesen sei und es an einem „vorläufigen positiven Gesamturteil“ gefehlt habe. Mit dieser Ansicht verkennt der Kläger jedoch die Bedeutung der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Denn die Fragen der Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs und der Finanzierung sowie der Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts sind darin geklärt worden.
43 
Die Rechtskraft dieser Entscheidung würde nur dann nicht entgegen stehen, wenn hinsichtlich der genannten Fragen ein Sachverhalt vorläge, der von der Entscheidung nicht umfasst wäre. Es kann offen bleiben, ob ein solcher - von der Rechtskraft nicht erfasster - neuer Sachverhalt stets dann vorliegt, wenn neue Tatsachen gegeben sind, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen. Dafür mag vieles sprechen. Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht erfüllt sind. Es liegen weder in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs (dazu 1.), noch in Bezug auf die Finanzierung (dazu 2.) oder die Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts (dazu 3.) neue Tatsachen vor.
44 
1. Der vom Kläger als Beleg für die mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs ins Feld geführte Umstand, dass dieser nur für 32 Züge pro Stunde ausgelegt sei, ist keine solche neue Tatsache.
45 
a) Der Kläger trägt selbst vor, dass dies bereits aus dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten folge und zudem auch Eingang in das Urteil des Senats vom 06.04.2006 gefunden habe. Auf S. 37 (juris Rn. 58f.) ist dort ausgeführt, dass nach dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer der achtgleisige Durchgangsbahnhof für abgestimmte Betriebsprogramme mit 32 bis 35 Gleisbelegungen pro Stunde ausreiche, während das Betriebsszenario A nur durchschnittlich 25,5 Gleisbelegungen pro Stunde der Hauptverkehrszeit erwarten lasse. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Gutachter dem Durchgangsbahnhof für das Betriebsszenario A eine gute bis sehr gute Betriebsqualität bescheinigt habe. Die Bedarfsprognose sei unter den Beteiligten nicht streitig.
46 
Daraus folgt, dass die Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofs - entgegen dem Vortrag des Klägers - stets bekannt war. Dass sie ausreichend und zukunftssicher bemessen ist, wurde vom Kläger von Anfang an bestritten und war Gegenstand der Erörterung und der Befragung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens - 5 S 848/05 -. Der Kläger hat zwar seinerzeit nicht vorgetragen, die Kapazität des neuen Durchgangsbahnhofs (32 Züge) bleibe hinter derjenigen des bestehenden Kopfbahnhofs (50 Züge) zurück, worauf er nun maßgeblich abhebt. Auch insoweit liegt jedoch keine neue Tatsache vor. Denn der Kläger behauptet nicht, dass sich die Kapazität einer der beiden Bahnhöfe verändert habe. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich der Kapazitäten nur um eine neue Argumentation, die belegen soll, dass die Kapazität des neuen Bahnhofs entgegen der bisherigen Einschätzung doch nicht ausreichend bemessen sei. Dies stellt eine neue Bewertung unveränderter Tatsachen dar. Eine solche neue oder geänderte Bewertung genügt für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG jedoch nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 46; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 49 Rn. 47). Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung, dass Tatsachen auch dann vorlägen, wenn die Fakten eine rechtliche Bewertung im Rahmen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erforderten (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49 Rn. 60 und Gayer, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO Kommentar, 4. Aufl. 2007, Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 49 Rn. 44 unter Berufung auf OVG Berlin, Urteil vom 14.10.1998 - 1 B 67.95 -, NVwZ-RR 2000, 431 zum Widerruf nach § 47 Abs. 2 WaffG a.F.), steht der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Denn auch in dem vom OVG Berlin entschiedenen Fall handelte es sich im Ergebnis um eine neu entstandene Tatsachenlage (Änderung der Berufstätigkeit des dortigen Klägers), deren Bewertung zum Wegfall eines Tatbestandsmerkmals (waffenrechtliches Bedürfnis) führte.
47 
b) Angesichts der dargestellten Situation kann von einem „Beweisnotstand“, wie ihn der Kläger für sich reklamiert, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergab sich die Kapazität von 32 Zügen pro Stunde bereits aus dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag und das auch Gegenstand des Verfahrens 5 S 848/05 war. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie der Kläger behauptet - die Personenstromanalyse von Durth-Roos, aus der sich diese Kapazität ebenfalls ergebe, erst später bekannt geworden ist. Offen bleiben kann angesichts dessen auch, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für die besondere Situation im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung, wonach im Einzelfall eine Änderung der Sachlage auch kann eintreten kann, wenn ein Prozessbeteiligter wegen eines „Beweisnotstandes“ im Vorprozess erst nachträglich neue Beweismittel beschaffen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.1984 - 8 C 137.81 -, BVerwGE 70, 156), auch auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen ist.
48 
c) Es liegen auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs vor, die als neue Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einzustufen wären. Dies setzte voraus, dass aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bestimmte bereits vorhandene Tatsachen anders bewertet werden (BVerwG, Beschluss vom 16.07.1982 - 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 45). Die vom Kläger angeführten Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt vom 07.06.2012 und 06.06.2014 stellen jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, die neuen Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gleichzustellen wären. Hierzu ist nicht jede neue Erkenntnis eines Wissenschaftlers geeignet. Vielmehr muss die Erkenntnis Grundlage dafür sein, dass eine bestimmte bereits vorhandene Tatsache allgemein anders bewertet wird (Kopp/Ramsauer, a.a.O.; zur Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Planungsentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, juris Rn. 308). Denn eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, die geeignet ist, einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu begründen, ist abzugrenzen von der bloßen anderen Bewertung einer unveränderten Tatsache. Um letzteres handelt es sich bei den Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt. Sie stellen ein neues Beweismittel dar, mit dem der Kläger die früheren Gutachten zu entkräften versucht. Denn der Meinung von Herrn Dr. Engelhardt steht nach wie vor die Meinung der Gutachter der Beigeladenen entgegen. Neue Beweismittel genügen jedoch für einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht. Darin unterscheidet sich dieser Widerrufstatbestand entscheidend von der in § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgesehenen Möglichkeit, ein Verfahren wieder aufzugreifen. Diese wird im Planfeststellungsrecht durch § 72 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 5 S 1200/12 - vorgelegten Abschlussberichts der VIEREGG-RÖSSLER GmbH vom 27.10.2011, in dem ebenfalls eine höhere Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofs gegenüber dem geplanten Durchgangsbahnhof im Sinne einer höheren Kapazität pro Stunde errechnet wurde, ergibt sich kein anderes Bild. Allenfalls könnte dies als - weiterer - Beleg für eine kontroverse Beurteilung der Leistungsfähigkeit dienen, nicht jedoch als Nachweis, dass die Leistungsfähigkeit allgemein anders bewertet wird.
49 
2. Auch hinsichtlich der Finanzierung des Gesamtprojekts liegen keine neuen Tatsachen vor.
50 
Der Kläger meint, die Gesamtfinanzierung sei ausgeschlossen, weil die (neue) Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 aufgrund der vorgesehenen Beteiligung des Landes Baden-Württemberg verfassungswidrig sei. Der Kläger beruft sich auf das für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellte Gutachten von Prof. Meyer vom 03.11.2010. Nach dessen Ansicht verstößt die Mitfinanzierung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Zu gegenläufigen Ergebnissen kommen indes zum einen Gersdorf (ZG 2011, 248) und Pauly/Becker (NVwZ 2013, 334) und zum anderen Dolde/Porsch (NVwZ 2011, 833), wenngleich mit unterschiedlichen Ansätzen.
51 
Einer Erörterung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen streitigen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit und Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG - bedarf es hier jedoch nicht. Denn Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Finanzierungsvereinbarung, sondern der vom Kläger geltend gemachte Widerrufsanspruch nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. In diesem Rahmen ist zu entscheiden, ob neue Tatsachen vorliegen, die belegen, dass die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen ist, so dass - als rechtliche Folge - keine Planrechtfertigung (mehr) vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1999 - 4 A 12.98 -, NVwZ 2000, 555; Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, BVerwGE 84, 123). Dies ist nicht der Fall. Denn unabhängig davon, dass die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung des Projekts „Stuttgart 21“ äußerst kontrovers diskutiert wird und daher keine Rede davon sein kann, dass die Finanzierungsvereinbarung eindeutig als nichtig zu qualifizieren ist, würde das Projekt nicht schon dann an der Finanzierung scheitern und würde die Planrechtfertigung nicht schon dann fehlen, wenn die Finanzierungsvereinbarung tatsächlich nichtig wäre. Dies wäre vielmehr erst der Fall, wenn zugleich feststünde, dass auch eine andere Aufteilung der Kosten von vornherein ausscheidet, so dass nach der Vorstellung aller Finanzierungsbeteiligten das Projekt nicht zu verwirklichen wäre. Das ist derzeit nicht zu erkennen. Der Kläger meint zwar, den Äußerungen des Bundes und der Bahn, über die zugesagten Kostenbeteiligungen hinaus keine weiteren Beiträge zu leisten, entnehmen zu können, dass im Falle der Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung das Projekt nicht mehr verwirklicht werden könne. Diese Ansicht teilt der Senat jedoch nicht. Die Äußerungen sind vor dem Hintergrund der derzeitigen, geteilten Finanzierungsverantwortung zu sehen. Stünde zu irgendeinem Zeitpunkt die Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung rechtskräftig fest, sei es weil einzelne Finanzierungsträger sich überhaupt nicht beteiligen dürfen, sei es weil ihr Finanzierungsanteil gemessen an ihrem Aufgabenanteil zu hoch ist, müsste eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden. Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass hierzu die Bereitschaft fehlt. Die Beigeladene hat im Gegenteil in ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass sie - sogar ohne rechtliche Verpflichtung - nicht gehindert sei, höhere Kosten zu tragen. Bei dieser Situation und angesichts der großen Bedeutung des Projekts spricht derzeit nichts dafür, dass dessen Durchführung an der Finanzierung scheitern wird. Im Übrigen zeigen gerade die der ursprünglichen Finanzierungsvereinbarung folgenden Vereinbarungen, dass die Beteiligten willens sind, die Finanzierung sicherzustellen.
52 
3. Schließlich liegen auch keine neuen Tatsachen vor, die belegen, dass es am „vorläufigen positiven Gesamturteil“ des Projekts „Stuttgart 21“ fehlt, und zwar auch dann nicht, wenn die unter 1. dargestellte, im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Änderung der Sachlage in Fällen des „Beweisnotstandes“ auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen sein sollte. Denn ein Fall des Beweisnotstandes - wie ihn der Kläger für sich in Anspruch nimmt - liegt nicht vor. Der Kläger meint zwar, er hätte das Fehlen des „vorläufigen positiven Gesamturteils“ im Vorprozess beweisen können, wenn ihm das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13.01.2006 nicht vorenthalten worden wäre. Denn in diesem Schreiben teile das Eisenbahn-Bundesamt der beigeladenen Vorhabenträgerin mit, dass der Abschnitt 1.3 nicht genehmigungsfähig sei. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Abschnitts 1.3 habe zur Folge, dass das Gesamtprojekt nicht verwirklicht werden könne. Der Senat teilt die Ansicht des Klägers jedoch nicht. In dem Schreiben, das sich als Anlage ASt 2 bei den Akten des beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrens - 5 S 1200/12 - befindet, teilt das Eisenbahn-Bundesamt der Beigeladenen zwar mit, dass die Planfeststellungsunterlagen zum Abschnitt 1.3 in der vorgelegten Form nicht genehmigungsfähig seien. Die Mitteilung bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass der Plan für den Abschnitt 1.3 endgültig nicht festgestellt werden kann. Nur in diesem Fall würde der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen stehen mit der Folge, dass sowohl dessen Rechtfertigung als auch die der einzelnen Planfeststellungsabschnitte entfiele (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 - 7 A 4.12 -, BVerwGE 147, 184). Das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes betrifft indessen nur die seinerzeit vorgelegten Planunterlagen. Es schließt mit dem Hinweis, dass die Antragsunterlagen „zur Überarbeitung“ zurückgegeben würden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass mit dem Schreiben vom 13.01.2006 zu belegen gewesen wäre, dass der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen steht. Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nr. 20 nicht nachzugehen, mit dem der Kläger die Beiziehung und Verlesung des Schreibens vom 13.01.2006 beantragt hat. Der Antrag auf Beiziehung ist gegenstandslos, da sich das Schreiben bei den Akten befindet. Auf dessen wortgenauen Inhalt kommt es nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich an, so dass es auch keiner Verlesung bedurfte.
III.
53 
Der Kläger kann seinen geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 auch nicht auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Der Widerruf nach dieser Vorschrift ist auch dann möglich, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert hat, so z.B. wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Die Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall führte zu einer Durchbrechung des rechtskräftigen Urteils vom 06.04.2006. Es kann offen bleiben, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG tatsächlich eine für die Rechtskraftdurchbrechung hinreichende gesetzliche Grundlage darstellt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 78.88 -, BVerwGE 82, 272 und Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137).
54 
Dem Kläger steht jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Widerruf erforderlich ist, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Es müssen solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es - vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht - rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 54; Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 49 Rn. 34). In Betracht kommen Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.; Kugele, VwVfG, § 49 Rn. 12). Solche gewichtigen Gemeinwohlgründe liegen hier nicht vor. Insoweit reicht das Interesse der Allgemeinheit an der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel bei weitem nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.).
55 
Neben den genannten Gemeinwohlgründen können zwar auch gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG rechtfertigen. Ein Widerruf wegen einer Grundrechtsbeeinträchtigung ist daher auch dann möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1997, a.a.O.). Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar (BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24) und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282). Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O.). Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind im vorliegenden Fall jedoch nicht betroffen. Vielmehr beruft sich der Kläger auf die Beeinträchtigung seines eigenen, grundgesetzlich über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums und auf entsprechende Eigentumsbeeinträchtigungen weiterer Personen. Soweit es um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG vor, selbst wenn sich die Eigentumsbeeinträchtigung als rechtswidrig erweist. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, in dessen Anwendungsbereich Planfeststellungsbeschlüsse fallen, die enteignungsrechtliche Vorwirkungen besitzen (vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 83 m.w.N.). Eine Enteignung des Klägers sieht der Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zwar nicht vor. Er erachtet die Veränderung der Grundstückssituation jedoch als so gravierend, dass sie im Ergebnis zu einer Aufhebung der Privatnützigkeit des Eigentums führe und die Grundstückseigentümer entsprechend den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes eine vollständige Übernahme des Grundstücks verlangen könnten (vgl. S. 227 des Planfeststellungsbeschlusses). Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Entfällt der Gemeinwohlgrund einer Enteignung, mag dies zwar unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einen Widerrufsgrund darstellen. Der Wegfall des Gemeinwohlgrundes bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dadurch schwere Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu befürchten sind. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der gegebenenfalls neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit.
56 
Dass die Rechtssicherheit gerade auch bei Eingriffen in das Eigentum besonderes Gewicht hat, kommt in der Regelung des § 72 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck. Die Vorschrift vermittelt Planfeststellungsbeschlüssen, die typischerweise vor allem mit Eingriffen in das Eigentum Dritter verbunden sind, eine „erhöhte Bestandsgarantie“, indem sie die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG ausschließt. Durch diesen Ausschluss soll den besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen werden, insbesondere seiner in § 75 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 VwVfG geregelten Gestaltungs- und Ausschlusswirkung (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drs. 7/910 S. 87 zu § 68, der dem heutigen § 72 Abs. 1 VwVfG entspricht). Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Dieser rechtsgestaltenden Wirkung entspricht es, dass nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens und der Benutzung der Anlagen sowie auf Beseitigung und Änderung der Anlagen ausgeschlossen sind; dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für nachträgliche Auflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gelten (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 90 zu § 71 Abs. 2, der dem heutigen § 75 Abs. 2 VwVfG entspricht). Eine Ausnahme bilden nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG insoweit lediglich Auflagen, die erforderlich werden, um nicht voraussehbare Auswirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen zu begegnen. Diese gesetzliche Konzeption zeigt, dass ein unanfechtbarer Planfeststellungsbeschluss bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht mehr aus den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG genannten Gründen einer Entscheidung über seinen Bestand oder seine Änderung zugeführt werden soll. Selbst bei unvorhersehbaren Wirkungen eines unanfechtbar festgestellten Plans sieht das Gesetz keinen Anspruch auf Aufhebung vor, sondern nur einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen oder - falls Schutzmaßnahmen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen, wie etwa in der oben genannten Katastrophensituation oder bei Gefahren für Leben oder Gesundheit den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Ob Sonderfälle denkbar sind, in denen ausnahmsweise auch eine Eigentumsverletzung einen gewichtigen Gemeinwohlgrund im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG darstellen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine solche besondere Konstellation hat der Kläger nicht geltend gemacht und sie liegt auch nicht vor. Der Umstand, dass außer dem Kläger noch weitere Eigentümer von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen sind, stellt keinen solchen Sonderfall dar. Denn er rückt die Situation nicht in die Nähe der oben beschriebenen Katastrophenfälle oder der ihnen gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit.
57 
Eine andere Beurteilung gebietet auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts zur Durchbrechung der Rechtskraft. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204) muss die Rechtskraft grundsätzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Auf diese Rechtsprechung beruft sich der Kläger. Die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustands ist im vorliegenden Fall jedoch nicht „schlechthin unerträglich“. Denn es streiten die Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit miteinander, die beide gleichermaßen mit Verfassungsrang ausgestattet sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131, 20), ohne dass auf Seiten der materiellen Gerechtigkeit weitere gewichtige Umstände hinzuträten, die es geböten, ihr Vorrang zu gewähren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.10.1967, - III C 123.66 -, BVerwGE 28, 122 - Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - und Urteil vom 07.09.1999, a.a.O. - erhebliche Gefahr für Leib oder Leben).
58 
Schließlich darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614 -, juris) eine Enteignung zur Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens - trotz Rechtskraft eines Urteils, das die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss abweist - zwar dann nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass diese Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde. Es ist danach aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nur nach Maßgabe der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Überwindung rechtskräftig bestätigter Planfeststellungsbeschlüsse zugelassen wird (vgl. zum Gebot effektiven und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbundenen Rechtsschutzes bei gestuften Verfahren auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 -, NVwZ 2014, 211, 216). Auch unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes ist es daher nicht geboten, die Eigentumsbeeinträchtigung Einzelner als schweren Nachteil für das Gemeinwohl zu werten und einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG ungeachtet des Fehlens eines neuen Sachverhalts zuzulassen.
III.
59 
Die von dem Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 lässt sich schließlich auch nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Denn dem geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 06.04.2006 entgegen. Insoweit kann auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des Senats vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) und vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) verwiesen werden. Der Kläger hat hierzu nichts Weiteres vorgetragen.
IV.
60 
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter I. bis III. brauchte der Senat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen Nr. 1 bis 19 nicht nachzugehen. Die Beweisanträge Nr. 1 bis 4, 7 bis 9, 13, 14, und 16 sind für die Entscheidung nicht erheblich. Mit ihnen sollen keine neuen Tatsachen bewiesen, sondern es soll Beweis dafür erbracht werden, dass die im einzelnen genannten Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 vorlagen. Dies gilt auch für den Beweisantrag Nr. 14, obwohl der Kläger auf einen Vergleich der Kapazität des bestehenden Bahnhofs im Jahr 2011 und der geplanten Kapazität von 32 Zügen abhebt. Denn er behauptet selbst nicht, dass sich die Kapazität eines der beiden Bahnhöfe seit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geändert habe (vgl. oben unter I.1.a)). Mit den Beweisanträgen Nr. 5, 6 und 10 werden lediglich neue Beweismittel zu Fragen der Kapazitätsermittlung und -bewer-tung benannt, mit denen eine bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende Tatsache bewiesen werden soll. Diese Fragen waren bereits Gegenstand der früheren Gutachten. Auch dass insoweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die - wie oben unter I. 1.a) ausgeführt - als neue Tatsachen zu werten wären, legt der Kläger nicht dar. Die Beweisanträge sind daher für die Entscheidung unerheblich. Das gleiche gilt für die Beweisanträge Nr. 11 und 12. Denn damit soll nicht bewiesen werden, dass sich der tatsächliche Zugverkehr in der Spitzenstunde gegenüber dem Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses in einem bestimmten Umfang geändert hat. Die Beweisanträge Nr. 15 und 17 sind unerheblich, weil die Planrechtfertigung nur dann entfiele, wenn feststünde, dass im Falle der Unwirksamkeit der Finanzierungsvereinbarung die Umsetzung des Projekts an der Finanzierung scheitern wird. Dies ist nach den Ausführungen unter I. 2. jedoch nicht der Fall. Die Beweisthemen der Beweisanträge Nr. 18 und 19 enthalten keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens (BGH, Urteil vom 25.11.1997 - VI ZR 306/96 -, NJW 1998, 1223, 1224). Die Beweisanträge haben jedoch zum einen Hypothesen zum Gegenstand („nicht mehr beginnen würde“, „nicht mehr zustimmen würde“) und zum anderen zukünftige Entscheidungen, die darüber hinaus von dem Eintritt bestimmter Bedingungen abhängen. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, was der Kläger unter einem „hohen“ Fahrgastwechsel und „überdurchschnittlich hoher“ Mindesthaltezeit (Beweisantrag Nr. 10a) sowie „größeren“ Neubauten (Beweisantrag Nr. 13) versteht.
C.
61 
Da es somit bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 fehlt, bleibt auch der unter Nr. 2 gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg, der auf eine Verpflichtung zur Bescheidung des beim Eisenbahn-Bundesamt gestellten Aufhebungsantrags gerichtet ist.
D.
62 
Der auf einen Baustopp gerichtete Hilfsantrag unter Nr. 3 hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn die mit ihm begehrte Nebenbestimmung könnte jedenfalls nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf oder eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen nach den §§ 48 f. VwVfG den Planfeststellungsbeschlüssen beigefügt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2012 - 5 S 196/12 -, NVwZ-RR 2012, 340). Allerdings fehlt es aus den oben dargestellten Gründen an den Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme.
E.
63 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
64 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
65 
Beschluss vom 2. Juli 2014
66 
Der Streitwert wird nach § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2, 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 30.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
30 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag nur zum Teil zulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie nicht begründet. Mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag ist die Klage zwar zulässig, aber ebenfalls nicht begründet.
A.
31 
Die auf Verpflichtung zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse gerichtete Klage ist nur zum Teil zulässig.
I.
32 
Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 19.08.2005 für den Abschnitt 1.2 zu verpflichten, ist sie unzulässig, denn es fehlt an einem entsprechenden Aufhebungsantrag des Klägers beim Eisenbahn-Bundesamt.
33 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.11.2007 - 6 C 42.06 -, BVerwGE 130, 39) hängt die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist. Bei dem danach - auch hier - erforderlichen Antrag handelt es sich nicht um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müsste, sondern um eine im Prozess nicht nachholbare Klagevoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 24.02.1982 - 6 C 8.77 -, BVerwGE 65, 87). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben. Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 75 Rn. 5; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Eyermann/Rennert, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 75 Rn. 5). Ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 42 Rn. 6).
II.
34 
Die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 für den Abschnitt 1.1 gerichtete Klage ist dagegen zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 06.05.2012 auf Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses hat das Eisenbahn-Bundesamt zwar nicht entschieden. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt, denn es liegt kein zureichender Grund für die unterlassene Entscheidung vor.
35 
Der Kläger ist antragsbefugt, da er von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen ist. Das Rechtsschutzinteresse an der Klage ist auch durch den Abriss des Gebäudes nicht entfallen, denn der Kläger ist nach wie vor Miteigentümer des Grundstücks.
B.
36 
Soweit die Klage danach mit dem Hauptantrag zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 liegen nicht vor. Denn die Unterlassung der begehrten Aufhebung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte, dass das Eisenbahn-Bundesamt diesen Planfeststellungsbeschluss nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 VwVfG widerruft (dazu I. und II.), noch dass sie den Planfeststellungsbeschluss zurücknimmt (dazu III.).
I.
37 
Der Anwendungsbereich des § 49 VwVfG ist eröffnet, nachdem aufgrund des Senatsurteils vom 06.04.2006 feststeht, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist (vgl. zur Anwendbarkeit des § 49 VwVfG im Planfeststellungsverfahren BVerwG, Urteil vom 21.05.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6). Die Anwendbarkeit scheitert entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht von vornherein an der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Nach § 121 Nr. 1 VwGO bindet zwar ein rechtskräftiges Urteil die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Rechtsbeständigkeit gerichtlicher Entscheidungen folgt aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, das Verfassungsrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131,20; Entscheidung vom 14.03.1963 -, 1 BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313). Ändert sich aber später die dem Urteil zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage, so liegt bei einem erneuten Rechtsstreit ein anderer Streitgegenstand vor, der von der Rechtskraft des früheren Urteils nicht umfasst wird (Kopp/Schenke, a.a.O., § 121 Rn. 28 m.w.N.d.Rspr.), denn die Sachlage ist Teil des Klagegrundes und damit des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 116), wenn es mit anderen Worten für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Eine Änderung der Sachlage liegt jedoch nicht vor, wenn sich nachträglich neue Erkenntnisse über zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandene Tatsachen oder im rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigte Beweismittel finden, oder wenn der Beteiligte sein Vorbringen aufgrund neuer Beweismittel „besser“ beweisen kann (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 117 m.w.N.d.Rspr.).
38 
Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Fall trotz Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG grundsätzlich möglich, weil er tatbestandlich voraussetzt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die Behörde berechtigten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen.
39 
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beigeladenen, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in den Fällen, in denen bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, stets nur dann in Betracht komme, wenn die Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit betroffen seien. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht den Anwendungsbereich dieser Regelung in seinem von der Beigeladenen zitierten Urteil vom 21.05.1997 (a.a.O.) nicht in dieser Weise beschränkt. Denn die Entscheidung betraf einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, d.h. einen Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich wesentlich von denen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Insbesondere setzt ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG - anders als ein solcher nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG - nicht voraus, dass neue Tatsachen eingetreten sind.
40 
Die Voraussetzungen für den vom Kläger begehrten Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen jedoch nicht vor.
41 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
42 
Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an nachträglich eingetretenen Tatsachen, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der Kläger meint zwar, die Planrechtfertigung für den Abschnitt 1.1 sei entfallen, weil das Gesamtprojekt „Stuttgart 21“ nicht verwirklicht werden könne. Denn es sei eine neue Tatsache, dass die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.3 und 1.6b nicht erlassen werden könnten, weil die Leistungsfähigkeit des Hauptbahnhofs 1.1 seinerzeit fehlerhaft festgestellt worden, die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen gewesen sei und es an einem „vorläufigen positiven Gesamturteil“ gefehlt habe. Mit dieser Ansicht verkennt der Kläger jedoch die Bedeutung der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Denn die Fragen der Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs und der Finanzierung sowie der Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts sind darin geklärt worden.
43 
Die Rechtskraft dieser Entscheidung würde nur dann nicht entgegen stehen, wenn hinsichtlich der genannten Fragen ein Sachverhalt vorläge, der von der Entscheidung nicht umfasst wäre. Es kann offen bleiben, ob ein solcher - von der Rechtskraft nicht erfasster - neuer Sachverhalt stets dann vorliegt, wenn neue Tatsachen gegeben sind, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen. Dafür mag vieles sprechen. Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht erfüllt sind. Es liegen weder in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs (dazu 1.), noch in Bezug auf die Finanzierung (dazu 2.) oder die Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts (dazu 3.) neue Tatsachen vor.
44 
1. Der vom Kläger als Beleg für die mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs ins Feld geführte Umstand, dass dieser nur für 32 Züge pro Stunde ausgelegt sei, ist keine solche neue Tatsache.
45 
a) Der Kläger trägt selbst vor, dass dies bereits aus dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten folge und zudem auch Eingang in das Urteil des Senats vom 06.04.2006 gefunden habe. Auf S. 37 (juris Rn. 58f.) ist dort ausgeführt, dass nach dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer der achtgleisige Durchgangsbahnhof für abgestimmte Betriebsprogramme mit 32 bis 35 Gleisbelegungen pro Stunde ausreiche, während das Betriebsszenario A nur durchschnittlich 25,5 Gleisbelegungen pro Stunde der Hauptverkehrszeit erwarten lasse. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Gutachter dem Durchgangsbahnhof für das Betriebsszenario A eine gute bis sehr gute Betriebsqualität bescheinigt habe. Die Bedarfsprognose sei unter den Beteiligten nicht streitig.
46 
Daraus folgt, dass die Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofs - entgegen dem Vortrag des Klägers - stets bekannt war. Dass sie ausreichend und zukunftssicher bemessen ist, wurde vom Kläger von Anfang an bestritten und war Gegenstand der Erörterung und der Befragung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens - 5 S 848/05 -. Der Kläger hat zwar seinerzeit nicht vorgetragen, die Kapazität des neuen Durchgangsbahnhofs (32 Züge) bleibe hinter derjenigen des bestehenden Kopfbahnhofs (50 Züge) zurück, worauf er nun maßgeblich abhebt. Auch insoweit liegt jedoch keine neue Tatsache vor. Denn der Kläger behauptet nicht, dass sich die Kapazität einer der beiden Bahnhöfe verändert habe. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich der Kapazitäten nur um eine neue Argumentation, die belegen soll, dass die Kapazität des neuen Bahnhofs entgegen der bisherigen Einschätzung doch nicht ausreichend bemessen sei. Dies stellt eine neue Bewertung unveränderter Tatsachen dar. Eine solche neue oder geänderte Bewertung genügt für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG jedoch nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 46; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 49 Rn. 47). Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung, dass Tatsachen auch dann vorlägen, wenn die Fakten eine rechtliche Bewertung im Rahmen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erforderten (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49 Rn. 60 und Gayer, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO Kommentar, 4. Aufl. 2007, Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 49 Rn. 44 unter Berufung auf OVG Berlin, Urteil vom 14.10.1998 - 1 B 67.95 -, NVwZ-RR 2000, 431 zum Widerruf nach § 47 Abs. 2 WaffG a.F.), steht der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Denn auch in dem vom OVG Berlin entschiedenen Fall handelte es sich im Ergebnis um eine neu entstandene Tatsachenlage (Änderung der Berufstätigkeit des dortigen Klägers), deren Bewertung zum Wegfall eines Tatbestandsmerkmals (waffenrechtliches Bedürfnis) führte.
47 
b) Angesichts der dargestellten Situation kann von einem „Beweisnotstand“, wie ihn der Kläger für sich reklamiert, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergab sich die Kapazität von 32 Zügen pro Stunde bereits aus dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag und das auch Gegenstand des Verfahrens 5 S 848/05 war. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie der Kläger behauptet - die Personenstromanalyse von Durth-Roos, aus der sich diese Kapazität ebenfalls ergebe, erst später bekannt geworden ist. Offen bleiben kann angesichts dessen auch, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für die besondere Situation im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung, wonach im Einzelfall eine Änderung der Sachlage auch kann eintreten kann, wenn ein Prozessbeteiligter wegen eines „Beweisnotstandes“ im Vorprozess erst nachträglich neue Beweismittel beschaffen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.1984 - 8 C 137.81 -, BVerwGE 70, 156), auch auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen ist.
48 
c) Es liegen auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs vor, die als neue Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einzustufen wären. Dies setzte voraus, dass aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bestimmte bereits vorhandene Tatsachen anders bewertet werden (BVerwG, Beschluss vom 16.07.1982 - 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 45). Die vom Kläger angeführten Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt vom 07.06.2012 und 06.06.2014 stellen jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, die neuen Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gleichzustellen wären. Hierzu ist nicht jede neue Erkenntnis eines Wissenschaftlers geeignet. Vielmehr muss die Erkenntnis Grundlage dafür sein, dass eine bestimmte bereits vorhandene Tatsache allgemein anders bewertet wird (Kopp/Ramsauer, a.a.O.; zur Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Planungsentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, juris Rn. 308). Denn eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, die geeignet ist, einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu begründen, ist abzugrenzen von der bloßen anderen Bewertung einer unveränderten Tatsache. Um letzteres handelt es sich bei den Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt. Sie stellen ein neues Beweismittel dar, mit dem der Kläger die früheren Gutachten zu entkräften versucht. Denn der Meinung von Herrn Dr. Engelhardt steht nach wie vor die Meinung der Gutachter der Beigeladenen entgegen. Neue Beweismittel genügen jedoch für einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht. Darin unterscheidet sich dieser Widerrufstatbestand entscheidend von der in § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgesehenen Möglichkeit, ein Verfahren wieder aufzugreifen. Diese wird im Planfeststellungsrecht durch § 72 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 5 S 1200/12 - vorgelegten Abschlussberichts der VIEREGG-RÖSSLER GmbH vom 27.10.2011, in dem ebenfalls eine höhere Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofs gegenüber dem geplanten Durchgangsbahnhof im Sinne einer höheren Kapazität pro Stunde errechnet wurde, ergibt sich kein anderes Bild. Allenfalls könnte dies als - weiterer - Beleg für eine kontroverse Beurteilung der Leistungsfähigkeit dienen, nicht jedoch als Nachweis, dass die Leistungsfähigkeit allgemein anders bewertet wird.
49 
2. Auch hinsichtlich der Finanzierung des Gesamtprojekts liegen keine neuen Tatsachen vor.
50 
Der Kläger meint, die Gesamtfinanzierung sei ausgeschlossen, weil die (neue) Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 aufgrund der vorgesehenen Beteiligung des Landes Baden-Württemberg verfassungswidrig sei. Der Kläger beruft sich auf das für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellte Gutachten von Prof. Meyer vom 03.11.2010. Nach dessen Ansicht verstößt die Mitfinanzierung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Zu gegenläufigen Ergebnissen kommen indes zum einen Gersdorf (ZG 2011, 248) und Pauly/Becker (NVwZ 2013, 334) und zum anderen Dolde/Porsch (NVwZ 2011, 833), wenngleich mit unterschiedlichen Ansätzen.
51 
Einer Erörterung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen streitigen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit und Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG - bedarf es hier jedoch nicht. Denn Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Finanzierungsvereinbarung, sondern der vom Kläger geltend gemachte Widerrufsanspruch nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. In diesem Rahmen ist zu entscheiden, ob neue Tatsachen vorliegen, die belegen, dass die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen ist, so dass - als rechtliche Folge - keine Planrechtfertigung (mehr) vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1999 - 4 A 12.98 -, NVwZ 2000, 555; Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, BVerwGE 84, 123). Dies ist nicht der Fall. Denn unabhängig davon, dass die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung des Projekts „Stuttgart 21“ äußerst kontrovers diskutiert wird und daher keine Rede davon sein kann, dass die Finanzierungsvereinbarung eindeutig als nichtig zu qualifizieren ist, würde das Projekt nicht schon dann an der Finanzierung scheitern und würde die Planrechtfertigung nicht schon dann fehlen, wenn die Finanzierungsvereinbarung tatsächlich nichtig wäre. Dies wäre vielmehr erst der Fall, wenn zugleich feststünde, dass auch eine andere Aufteilung der Kosten von vornherein ausscheidet, so dass nach der Vorstellung aller Finanzierungsbeteiligten das Projekt nicht zu verwirklichen wäre. Das ist derzeit nicht zu erkennen. Der Kläger meint zwar, den Äußerungen des Bundes und der Bahn, über die zugesagten Kostenbeteiligungen hinaus keine weiteren Beiträge zu leisten, entnehmen zu können, dass im Falle der Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung das Projekt nicht mehr verwirklicht werden könne. Diese Ansicht teilt der Senat jedoch nicht. Die Äußerungen sind vor dem Hintergrund der derzeitigen, geteilten Finanzierungsverantwortung zu sehen. Stünde zu irgendeinem Zeitpunkt die Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung rechtskräftig fest, sei es weil einzelne Finanzierungsträger sich überhaupt nicht beteiligen dürfen, sei es weil ihr Finanzierungsanteil gemessen an ihrem Aufgabenanteil zu hoch ist, müsste eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden. Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass hierzu die Bereitschaft fehlt. Die Beigeladene hat im Gegenteil in ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass sie - sogar ohne rechtliche Verpflichtung - nicht gehindert sei, höhere Kosten zu tragen. Bei dieser Situation und angesichts der großen Bedeutung des Projekts spricht derzeit nichts dafür, dass dessen Durchführung an der Finanzierung scheitern wird. Im Übrigen zeigen gerade die der ursprünglichen Finanzierungsvereinbarung folgenden Vereinbarungen, dass die Beteiligten willens sind, die Finanzierung sicherzustellen.
52 
3. Schließlich liegen auch keine neuen Tatsachen vor, die belegen, dass es am „vorläufigen positiven Gesamturteil“ des Projekts „Stuttgart 21“ fehlt, und zwar auch dann nicht, wenn die unter 1. dargestellte, im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Änderung der Sachlage in Fällen des „Beweisnotstandes“ auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen sein sollte. Denn ein Fall des Beweisnotstandes - wie ihn der Kläger für sich in Anspruch nimmt - liegt nicht vor. Der Kläger meint zwar, er hätte das Fehlen des „vorläufigen positiven Gesamturteils“ im Vorprozess beweisen können, wenn ihm das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13.01.2006 nicht vorenthalten worden wäre. Denn in diesem Schreiben teile das Eisenbahn-Bundesamt der beigeladenen Vorhabenträgerin mit, dass der Abschnitt 1.3 nicht genehmigungsfähig sei. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Abschnitts 1.3 habe zur Folge, dass das Gesamtprojekt nicht verwirklicht werden könne. Der Senat teilt die Ansicht des Klägers jedoch nicht. In dem Schreiben, das sich als Anlage ASt 2 bei den Akten des beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrens - 5 S 1200/12 - befindet, teilt das Eisenbahn-Bundesamt der Beigeladenen zwar mit, dass die Planfeststellungsunterlagen zum Abschnitt 1.3 in der vorgelegten Form nicht genehmigungsfähig seien. Die Mitteilung bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass der Plan für den Abschnitt 1.3 endgültig nicht festgestellt werden kann. Nur in diesem Fall würde der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen stehen mit der Folge, dass sowohl dessen Rechtfertigung als auch die der einzelnen Planfeststellungsabschnitte entfiele (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 - 7 A 4.12 -, BVerwGE 147, 184). Das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes betrifft indessen nur die seinerzeit vorgelegten Planunterlagen. Es schließt mit dem Hinweis, dass die Antragsunterlagen „zur Überarbeitung“ zurückgegeben würden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass mit dem Schreiben vom 13.01.2006 zu belegen gewesen wäre, dass der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen steht. Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nr. 20 nicht nachzugehen, mit dem der Kläger die Beiziehung und Verlesung des Schreibens vom 13.01.2006 beantragt hat. Der Antrag auf Beiziehung ist gegenstandslos, da sich das Schreiben bei den Akten befindet. Auf dessen wortgenauen Inhalt kommt es nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich an, so dass es auch keiner Verlesung bedurfte.
III.
53 
Der Kläger kann seinen geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 auch nicht auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Der Widerruf nach dieser Vorschrift ist auch dann möglich, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert hat, so z.B. wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Die Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall führte zu einer Durchbrechung des rechtskräftigen Urteils vom 06.04.2006. Es kann offen bleiben, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG tatsächlich eine für die Rechtskraftdurchbrechung hinreichende gesetzliche Grundlage darstellt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 78.88 -, BVerwGE 82, 272 und Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137).
54 
Dem Kläger steht jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Widerruf erforderlich ist, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Es müssen solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es - vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht - rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 54; Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 49 Rn. 34). In Betracht kommen Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.; Kugele, VwVfG, § 49 Rn. 12). Solche gewichtigen Gemeinwohlgründe liegen hier nicht vor. Insoweit reicht das Interesse der Allgemeinheit an der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel bei weitem nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.).
55 
Neben den genannten Gemeinwohlgründen können zwar auch gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG rechtfertigen. Ein Widerruf wegen einer Grundrechtsbeeinträchtigung ist daher auch dann möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1997, a.a.O.). Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar (BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24) und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282). Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O.). Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind im vorliegenden Fall jedoch nicht betroffen. Vielmehr beruft sich der Kläger auf die Beeinträchtigung seines eigenen, grundgesetzlich über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums und auf entsprechende Eigentumsbeeinträchtigungen weiterer Personen. Soweit es um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG vor, selbst wenn sich die Eigentumsbeeinträchtigung als rechtswidrig erweist. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, in dessen Anwendungsbereich Planfeststellungsbeschlüsse fallen, die enteignungsrechtliche Vorwirkungen besitzen (vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 83 m.w.N.). Eine Enteignung des Klägers sieht der Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zwar nicht vor. Er erachtet die Veränderung der Grundstückssituation jedoch als so gravierend, dass sie im Ergebnis zu einer Aufhebung der Privatnützigkeit des Eigentums führe und die Grundstückseigentümer entsprechend den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes eine vollständige Übernahme des Grundstücks verlangen könnten (vgl. S. 227 des Planfeststellungsbeschlusses). Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Entfällt der Gemeinwohlgrund einer Enteignung, mag dies zwar unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einen Widerrufsgrund darstellen. Der Wegfall des Gemeinwohlgrundes bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dadurch schwere Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu befürchten sind. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der gegebenenfalls neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit.
56 
Dass die Rechtssicherheit gerade auch bei Eingriffen in das Eigentum besonderes Gewicht hat, kommt in der Regelung des § 72 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck. Die Vorschrift vermittelt Planfeststellungsbeschlüssen, die typischerweise vor allem mit Eingriffen in das Eigentum Dritter verbunden sind, eine „erhöhte Bestandsgarantie“, indem sie die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG ausschließt. Durch diesen Ausschluss soll den besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen werden, insbesondere seiner in § 75 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 VwVfG geregelten Gestaltungs- und Ausschlusswirkung (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drs. 7/910 S. 87 zu § 68, der dem heutigen § 72 Abs. 1 VwVfG entspricht). Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Dieser rechtsgestaltenden Wirkung entspricht es, dass nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens und der Benutzung der Anlagen sowie auf Beseitigung und Änderung der Anlagen ausgeschlossen sind; dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für nachträgliche Auflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gelten (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 90 zu § 71 Abs. 2, der dem heutigen § 75 Abs. 2 VwVfG entspricht). Eine Ausnahme bilden nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG insoweit lediglich Auflagen, die erforderlich werden, um nicht voraussehbare Auswirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen zu begegnen. Diese gesetzliche Konzeption zeigt, dass ein unanfechtbarer Planfeststellungsbeschluss bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht mehr aus den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG genannten Gründen einer Entscheidung über seinen Bestand oder seine Änderung zugeführt werden soll. Selbst bei unvorhersehbaren Wirkungen eines unanfechtbar festgestellten Plans sieht das Gesetz keinen Anspruch auf Aufhebung vor, sondern nur einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen oder - falls Schutzmaßnahmen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen, wie etwa in der oben genannten Katastrophensituation oder bei Gefahren für Leben oder Gesundheit den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Ob Sonderfälle denkbar sind, in denen ausnahmsweise auch eine Eigentumsverletzung einen gewichtigen Gemeinwohlgrund im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG darstellen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine solche besondere Konstellation hat der Kläger nicht geltend gemacht und sie liegt auch nicht vor. Der Umstand, dass außer dem Kläger noch weitere Eigentümer von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen sind, stellt keinen solchen Sonderfall dar. Denn er rückt die Situation nicht in die Nähe der oben beschriebenen Katastrophenfälle oder der ihnen gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit.
57 
Eine andere Beurteilung gebietet auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts zur Durchbrechung der Rechtskraft. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204) muss die Rechtskraft grundsätzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Auf diese Rechtsprechung beruft sich der Kläger. Die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustands ist im vorliegenden Fall jedoch nicht „schlechthin unerträglich“. Denn es streiten die Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit miteinander, die beide gleichermaßen mit Verfassungsrang ausgestattet sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131, 20), ohne dass auf Seiten der materiellen Gerechtigkeit weitere gewichtige Umstände hinzuträten, die es geböten, ihr Vorrang zu gewähren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.10.1967, - III C 123.66 -, BVerwGE 28, 122 - Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - und Urteil vom 07.09.1999, a.a.O. - erhebliche Gefahr für Leib oder Leben).
58 
Schließlich darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614 -, juris) eine Enteignung zur Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens - trotz Rechtskraft eines Urteils, das die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss abweist - zwar dann nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass diese Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde. Es ist danach aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nur nach Maßgabe der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Überwindung rechtskräftig bestätigter Planfeststellungsbeschlüsse zugelassen wird (vgl. zum Gebot effektiven und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbundenen Rechtsschutzes bei gestuften Verfahren auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 -, NVwZ 2014, 211, 216). Auch unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes ist es daher nicht geboten, die Eigentumsbeeinträchtigung Einzelner als schweren Nachteil für das Gemeinwohl zu werten und einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG ungeachtet des Fehlens eines neuen Sachverhalts zuzulassen.
III.
59 
Die von dem Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 lässt sich schließlich auch nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Denn dem geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 06.04.2006 entgegen. Insoweit kann auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des Senats vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) und vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) verwiesen werden. Der Kläger hat hierzu nichts Weiteres vorgetragen.
IV.
60 
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter I. bis III. brauchte der Senat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen Nr. 1 bis 19 nicht nachzugehen. Die Beweisanträge Nr. 1 bis 4, 7 bis 9, 13, 14, und 16 sind für die Entscheidung nicht erheblich. Mit ihnen sollen keine neuen Tatsachen bewiesen, sondern es soll Beweis dafür erbracht werden, dass die im einzelnen genannten Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 vorlagen. Dies gilt auch für den Beweisantrag Nr. 14, obwohl der Kläger auf einen Vergleich der Kapazität des bestehenden Bahnhofs im Jahr 2011 und der geplanten Kapazität von 32 Zügen abhebt. Denn er behauptet selbst nicht, dass sich die Kapazität eines der beiden Bahnhöfe seit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geändert habe (vgl. oben unter I.1.a)). Mit den Beweisanträgen Nr. 5, 6 und 10 werden lediglich neue Beweismittel zu Fragen der Kapazitätsermittlung und -bewer-tung benannt, mit denen eine bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende Tatsache bewiesen werden soll. Diese Fragen waren bereits Gegenstand der früheren Gutachten. Auch dass insoweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die - wie oben unter I. 1.a) ausgeführt - als neue Tatsachen zu werten wären, legt der Kläger nicht dar. Die Beweisanträge sind daher für die Entscheidung unerheblich. Das gleiche gilt für die Beweisanträge Nr. 11 und 12. Denn damit soll nicht bewiesen werden, dass sich der tatsächliche Zugverkehr in der Spitzenstunde gegenüber dem Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses in einem bestimmten Umfang geändert hat. Die Beweisanträge Nr. 15 und 17 sind unerheblich, weil die Planrechtfertigung nur dann entfiele, wenn feststünde, dass im Falle der Unwirksamkeit der Finanzierungsvereinbarung die Umsetzung des Projekts an der Finanzierung scheitern wird. Dies ist nach den Ausführungen unter I. 2. jedoch nicht der Fall. Die Beweisthemen der Beweisanträge Nr. 18 und 19 enthalten keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens (BGH, Urteil vom 25.11.1997 - VI ZR 306/96 -, NJW 1998, 1223, 1224). Die Beweisanträge haben jedoch zum einen Hypothesen zum Gegenstand („nicht mehr beginnen würde“, „nicht mehr zustimmen würde“) und zum anderen zukünftige Entscheidungen, die darüber hinaus von dem Eintritt bestimmter Bedingungen abhängen. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, was der Kläger unter einem „hohen“ Fahrgastwechsel und „überdurchschnittlich hoher“ Mindesthaltezeit (Beweisantrag Nr. 10a) sowie „größeren“ Neubauten (Beweisantrag Nr. 13) versteht.
C.
61 
Da es somit bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 fehlt, bleibt auch der unter Nr. 2 gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg, der auf eine Verpflichtung zur Bescheidung des beim Eisenbahn-Bundesamt gestellten Aufhebungsantrags gerichtet ist.
D.
62 
Der auf einen Baustopp gerichtete Hilfsantrag unter Nr. 3 hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn die mit ihm begehrte Nebenbestimmung könnte jedenfalls nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf oder eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen nach den §§ 48 f. VwVfG den Planfeststellungsbeschlüssen beigefügt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2012 - 5 S 196/12 -, NVwZ-RR 2012, 340). Allerdings fehlt es aus den oben dargestellten Gründen an den Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme.
E.
63 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
64 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
65 
Beschluss vom 2. Juli 2014
66 
Der Streitwert wird nach § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2, 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 30.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschäftsunfähig oder im Falle seiner Volljährigkeit in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt zu unterstellen wäre. § 80 Absatz 3 und § 82 des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend.

(2) Die Einbürgerungsbehörden übermitteln den Verfassungsschutzbehörden zur Ermittlung von Ausschlussgründen nach § 11 die bei ihnen gespeicherten personenbezogenen Daten der Antragsteller, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Die Verfassungsschutzbehörden unterrichten die anfragende Stelle unverzüglich nach Maßgabe der insoweit bestehenden besonderen gesetzlichen Verarbeitungsregelungen.

(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die Ausländerbehörde kann ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Sie setzt ihm eine solche Frist, wenn sie die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen fehlender oder unvollständiger Angaben aussetzt, und benennt dabei die nachzuholenden Angaben. Nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise können unberücksichtigt bleiben. Der Ausländer, der eine ICT-Karte nach § 19b beantragt hat, ist verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde jede Änderung mitzuteilen, die während des Antragsverfahrens eintritt und die Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Erteilung der ICT-Karte hat.

(2) Absatz 1 findet im Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung.

(3) Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach Absatz 1 sowie seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz, insbesondere die Verpflichtungen aus den §§ 44a, 48, 49 und 81 hingewiesen werden. Im Falle der Fristsetzung ist er auf die Folgen der Fristversäumung hinzuweisen.

(4) Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint sowie eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit durchgeführt wird. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden. § 40 Abs. 1 und 2, die §§ 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Bundespolizeigesetzes finden entsprechende Anwendung.

(5) Der Ausländer, für den nach diesem Gesetz, dem Asylgesetz oder den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Bestimmungen ein Dokument ausgestellt werden soll, hat auf Verlangen

1.
ein aktuelles Lichtbild nach Maßgabe einer nach § 99 Abs. 1 Nr. 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung vorzulegen oder bei der Aufnahme eines solchen Lichtbildes mitzuwirken und
2.
bei der Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe einer nach § 99 Absatz 1 Nummer 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung mitzuwirken.
Das Lichtbild und die Fingerabdrücke dürfen in Dokumente nach Satz 1 eingebracht und von den zuständigen Behörden zur Sicherung und einer späteren Feststellung der Identität verarbeitet werden.

(6) Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 sind, sind verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Der Ausländer ist bei Erteilung des Aufenthaltstitels über seine Verpflichtung nach Satz 1 zu unterrichten.

(1) Optionspflichtig ist, wer

1.
die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b erworben hat,
2.
nicht nach Absatz 1a im Inland aufgewachsen ist,
3.
eine andere ausländische Staatsangehörigkeit als die eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt und
4.
innerhalb eines Jahres nach Vollendung seines 21. Lebensjahres einen Hinweis nach Absatz 5 Satz 5 über seine Erklärungspflicht erhalten hat.
Der Optionspflichtige hat nach Vollendung des 21. Lebensjahres zu erklären, ob er die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will. Die Erklärung bedarf der Schriftform.

(1a) Ein Deutscher nach Absatz 1 ist im Inland aufgewachsen, wenn er bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres

1.
sich acht Jahre gewöhnlich im Inland aufgehalten hat,
2.
sechs Jahre im Inland eine Schule besucht hat oder
3.
über einen im Inland erworbenen Schulabschluss oder eine im Inland abgeschlossene Berufsausbildung verfügt.
Als im Inland aufgewachsen nach Satz 1 gilt auch, wer im Einzelfall einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht nach den Umständen des Falles eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Erklärt der Deutsche nach Absatz 1, dass er die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit mit dem Zugang der Erklärung bei der zuständigen Behörde verloren.

(3) Will der Deutsche nach Absatz 1 die deutsche Staatsangehörigkeit behalten, so ist er verpflichtet, die Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Tritt dieser Verlust nicht bis zwei Jahre nach Zustellung des Hinweises auf die Erklärungspflicht nach Absatz 5 ein, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, es sei denn, dass dem Deutschen nach Absatz 1 vorher die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit (Beibehaltungsgenehmigung) erteilt wurde. Ein Antrag auf Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung kann, auch vorsorglich, nur bis ein Jahr nach Zustellung des Hinweises auf die Erklärungspflicht nach Absatz 5 gestellt werden (Ausschlussfrist). Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt erst ein, wenn der Antrag bestandskräftig abgelehnt wird. Einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(4) Die Beibehaltungsgenehmigung nach Absatz 3 ist zu erteilen, wenn die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist oder bei einer Einbürgerung nach Maßgabe von § 12 Mehrstaatigkeit hinzunehmen wäre.

(5) Auf Antrag eines Deutschen, der die Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b erworben hat, stellt die zuständige Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nach Absatz 6 fest. Ist eine solche Feststellung nicht bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres erfolgt, prüft die zuständige Behörde anhand der Meldedaten, ob die Voraussetzungen nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 vorliegen. Ist dies danach nicht feststellbar, weist sie den Betroffenen auf die Möglichkeit hin, die Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 1a nachzuweisen. Wird ein solcher Nachweis erbracht, stellt die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nach Absatz 6 fest. Liegt kein Nachweis vor, hat sie den Betroffenen auf seine Verpflichtungen und die nach den Absätzen 2 bis 4 möglichen Rechtsfolgen hinzuweisen. Der Hinweis ist zuzustellen. Die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes finden Anwendung.

(6) Der Fortbestand oder Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach dieser Vorschrift wird von Amts wegen festgestellt. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über das Verfahren zur Feststellung des Fortbestands oder Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit erlassen.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Optionspflichtig ist, wer

1.
die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b erworben hat,
2.
nicht nach Absatz 1a im Inland aufgewachsen ist,
3.
eine andere ausländische Staatsangehörigkeit als die eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt und
4.
innerhalb eines Jahres nach Vollendung seines 21. Lebensjahres einen Hinweis nach Absatz 5 Satz 5 über seine Erklärungspflicht erhalten hat.
Der Optionspflichtige hat nach Vollendung des 21. Lebensjahres zu erklären, ob er die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will. Die Erklärung bedarf der Schriftform.

(1a) Ein Deutscher nach Absatz 1 ist im Inland aufgewachsen, wenn er bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres

1.
sich acht Jahre gewöhnlich im Inland aufgehalten hat,
2.
sechs Jahre im Inland eine Schule besucht hat oder
3.
über einen im Inland erworbenen Schulabschluss oder eine im Inland abgeschlossene Berufsausbildung verfügt.
Als im Inland aufgewachsen nach Satz 1 gilt auch, wer im Einzelfall einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht nach den Umständen des Falles eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Erklärt der Deutsche nach Absatz 1, dass er die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit mit dem Zugang der Erklärung bei der zuständigen Behörde verloren.

(3) Will der Deutsche nach Absatz 1 die deutsche Staatsangehörigkeit behalten, so ist er verpflichtet, die Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Tritt dieser Verlust nicht bis zwei Jahre nach Zustellung des Hinweises auf die Erklärungspflicht nach Absatz 5 ein, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, es sei denn, dass dem Deutschen nach Absatz 1 vorher die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit (Beibehaltungsgenehmigung) erteilt wurde. Ein Antrag auf Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung kann, auch vorsorglich, nur bis ein Jahr nach Zustellung des Hinweises auf die Erklärungspflicht nach Absatz 5 gestellt werden (Ausschlussfrist). Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt erst ein, wenn der Antrag bestandskräftig abgelehnt wird. Einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(4) Die Beibehaltungsgenehmigung nach Absatz 3 ist zu erteilen, wenn die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist oder bei einer Einbürgerung nach Maßgabe von § 12 Mehrstaatigkeit hinzunehmen wäre.

(5) Auf Antrag eines Deutschen, der die Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b erworben hat, stellt die zuständige Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nach Absatz 6 fest. Ist eine solche Feststellung nicht bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres erfolgt, prüft die zuständige Behörde anhand der Meldedaten, ob die Voraussetzungen nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 vorliegen. Ist dies danach nicht feststellbar, weist sie den Betroffenen auf die Möglichkeit hin, die Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 1a nachzuweisen. Wird ein solcher Nachweis erbracht, stellt die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nach Absatz 6 fest. Liegt kein Nachweis vor, hat sie den Betroffenen auf seine Verpflichtungen und die nach den Absätzen 2 bis 4 möglichen Rechtsfolgen hinzuweisen. Der Hinweis ist zuzustellen. Die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes finden Anwendung.

(6) Der Fortbestand oder Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach dieser Vorschrift wird von Amts wegen festgestellt. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über das Verfahren zur Feststellung des Fortbestands oder Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit erlassen.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass sie infolge der Adoption durch ihren deutschen Stiefvater, die noch vor der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres beantragt, aber erst längere Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit amtsgerichtlich beschlossen worden ist, die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat.

2

Die Klägerin ist im Jahre 1986 als Kind russischer Eltern geboren und besitzt die russische Staatsangehörigkeit. Nach der Scheidung ihrer leiblichen Eltern im Jahre 1991 heiratete ihre Mutter im Januar 2002 einen deutschen Staatsangehörigen. Die Klägerin reiste im Juli 2002 erstmals in das Bundesgebiet ein und erhielt in der Folgezeit befristete Aufenthaltstitel zum Familiennachzug zu ihrer Mutter und ihrem Stiefvater. Im März 2003 beantragte der Stiefvater der Klägerin bei dem zuständigen Amtsgericht deren Annahme als Kind. Nach Eingang der gutachterlichen Äußerung des Jugendamtes fragte das Familiengericht bei dem Stiefvater der Klägerin an, ob er, um die weitere Entwicklung abzuwarten, den Adoptionsantrag zurücknehmen oder für eine gewisse Zeit ruhen lassen wolle. Dieser teilte mit, dass er es vorziehen würde, den Adoptionsantrag zunächst ruhen zu lassen. Im Februar 2005 verfügte das Familiengericht das Weglegen des Vorganges. Der Stiefvater der Klägerin teilte im März 2005 der Beklagten mit, dass die Klägerin nach Russland zurückgekehrt sei, um dort eine Ausbildung zu absolvieren.

3

Die Klägerin reiste im Juli 2009 mit einem Visum zu Besuchszwecken erneut in das Bundesgebiet ein. Sie heiratete im Juli 2009 einen deutschen Staatsangehörigen und erhielt in der Folgezeit Aufenthaltstitel zum Ehegattennachzug. Durch einen seit August 2011 rechtskräftigen Strafbefehl wurde die Klägerin wegen Erschleichens eines Aufenthaltstitels zu einer Geldstrafe verurteilt; die in Dänemark geschlossene Ehe hatte sich als ausländerrechtliche Zweckehe ("Scheinehe") erwiesen. Diese Ehe wurde im Dezember 2011 geschieden. Die Beklagte wies mit Bescheid vom 7. Dezember 2011 die Klägerin aus dem Bundesgebiet aus und nahm rückwirkend die erteilten Aufenthaltstitel zurück. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

4

Am 30. Dezember 2011 ging beim Amtsgericht eine notarielle Urkunde ein, gerichtet auf den Ausspruch der Annahme der Klägerin als Kind mit den Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen. Das Amtsgericht München - Familiengericht - sprach mit unanfechtbarem Beschluss vom 8. Mai 2012 die Annahme der Klägerin als Kind aus und bestimmte zugleich, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richteten. Dabei nahm das Amtsgericht Bezug auf den "Antrag des Annehmenden und der Anzunehmenden vom 28.12.2011 in Verbindung mit dem Adoptionsantrag des Annehmenden vom 24.3.2003".

5

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 30. Mai 2012 ihre Rechtsauffassung mit, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 6 Satz 1 StAG erworben habe, und bekräftigte diese Rechtsauffassung auf die Aufforderung der Klägerin (Schreiben vom 23. Juni 2012), ihre deutsche Staatsangehörigkeit anzuerkennen (Schreiben vom 27. Juni 2012). Das Verwaltungsgericht gab im Oktober 2013 der Klage auf Feststellung statt, dass die Klägerin durch die Annahme als Kind mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 8. Mai 2012 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe.

6

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten wies der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 30. Juni 2014 zurück. Zur Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen aus: Die Klägerin habe nach § 6 Satz 1 StAG durch wirksame Annahme als Kind durch einen Deutschen die Staatsangehörigkeit erworben, weil sie im Zeitpunkt des Annahmeantrags das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Abzustellen sei auf den ursprünglichen Annahmeantrag aus dem Jahre 2003. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei entscheidend, dass im Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes noch der auf Minderjährigenadoption gerichtete Antrag anhängig und bis zu diesem Zeitpunkt weder abschlägig beschieden noch wirksam zurückgenommen worden sei. Der Stiefvater habe mit Blick auf die Stellungnahme des Jugendamtes, das wegen der erst kurzen Beziehung noch kein vollwertiges Eltern-Kind-Verhältnis gesehen habe, lediglich ein Ruhen des Verfahrens beantragt. Der Antrag vom März 2003 sei erst mit dem am 8. Mai 2012 ergangenen Beschluss des Amtsgerichts beschieden worden, das ausdrücklich auch auf diesen Adoptionsantrag Bezug genommen habe.

7

Die Umstände des vorliegenden Falles gäben keinen Anlass zu einer einengenden Interpretation des § 6 Satz 1 StAG, die das Bundesverwaltungsgericht für Missbrauchsfälle offengelassen habe. Die Klägerin habe das Verfahren nicht weiter betrieben und den Nichtabschluss des ersten Adoptionsverfahrens jedenfalls nicht in einer Weise zu verantworten oder zu vertreten, die eine Nichtanwendung des § 6 Satz 1 StAG rechtfertige. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, der Zeitpunkt des Wiederaufgreifens des Adoptionsantrages längere Zeit nach der Wiedereinreise ins Bundesgebiet und im Angesicht einer Ausweisungsverfügung lasse auf ein missbräuchliches Verhalten schließen, berücksichtige nicht, dass das Offenhalten des ursprünglichen Adoptionsantrages dem Stiefvater ausdrücklich vom zuständigen Amtsrichter angeboten worden sei. Die Durchführung einer Ausbildung im Ausland sowie die Eheschließung, die sich als Scheinehe erwiesen und zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt habe, habe nichts mit dem Adoptionsverfahren zu tun, das im Jahr 2003 nicht beendet worden sei. Der Klägerin sei nicht vorwerfbar, dass sie mit der Adoption auch der Ausweisung entgehen wolle und sie sich nicht umgehend nach ihrer Wiedereinreise im Jahre 2009 um die Verfahrensfortsetzung bemüht habe. Weder dem Adoptions- noch dem Staatsangehörigkeitsrecht sei eine derartige Pflicht zu entnehmen. Auch hätte insoweit ihr Stiefvater mitwirken müssen; eine stärkere Eltern-Kind-Beziehung sei aber erst durch das erneute Zusammenleben ab September 2009 erwachsen. Es sei auch nachvollziehbar, dass der im Jahr 2003 gestellte Adoptionsantrag zunächst aus dem Blickfeld geraten sei. Der erste Adoptionsantrag sei hier auch nicht gleichsam "ins Blaue hinein" und auf Vorrat gestellt worden, sondern nach Begründung einer Eltern-Kind-Beziehung aus dem Gefühl der Mitverantwortung und der Verbundenheit heraus.

8

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 6 Satz 1 StAG, weil die nach den Umständen des Einzelfalles gebotene teleologische Reduktion der Regelung abgelehnt worden sei; die Klägerin habe mit dem Wiederaufgreifen des Adoptionsverfahrens auch rechtsmissbräuchlich gehandelt.

9

Die beteiligte Landesanwaltschaft Bayern unterstützt die Revision und hebt hervor, das Verfahren gebe dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu § 6 Satz 1 StAG fortzuentwickeln, um einen Missbrauch der Regelung auszuschließen oder abzuwehren.

10

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und hebt hervor, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG unstreitig vorlägen. Mangels Rechtspflicht zum sofortigen Wiederaufgreifen des Adoptionsverfahrens könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie sich nicht sofort nach Rückkehr ins Bundesgebiet im Jahre 2009 um den Fortgang des Verfahrens bemüht habe. Mangels missbräuchlicher Ausnutzung bestehe auch kein Anlass für eine teleologische Reduktion des § 6 Satz 1 StAG.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, ein vor Eintritt der Volljährigkeit gestellter Antrag auf Annahme an Kindes statt führe nach § 6 Satz 1 StAG auch dann zum Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes, wenn dieser Antrag erst längere Zeit nach Eintritt der Volljährigkeit wieder aufgegriffen worden ist, steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige ist.

12

1. Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen die Klage als zulässig angesehen. Zulässige Klageart für das erkennbare Begehren der Klägerin auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit ist indes entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs nicht die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO), sondern die auf entsprechende behördliche Feststellung gerichtete Verpflichtungsklage.

13

Gemäß § 30 Abs. 1 StAG (mit Wirkung vom 28. August 2007 einfügt durch Art. 5 Nr. 19 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl I S. 1970) wird das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt (Satz 1); diese Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist (Satz 2). Bei Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit hat nach § 30 Abs. 1 StAG mithin nunmehr die verbindliche Klärung durch einen feststellenden Verwaltungsakt zu erfolgen (s. Marx, in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 30 Rn. 29 ff., 34, Stand April 2010). Der Staatsangehörigkeitsbehörde steht es nicht frei, auf den auch von Amts wegen möglichen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 StAG) Erlass dieses feststellenden Verwaltungsaktes zu verzichten und den Einzelnen direkt auf eine verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage zu verweisen. Diese ist gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage nachrangig (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). § 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO steht einer Ausdeutung des durchgängigen und unveränderten Begehrens der Klägerin als Verpflichtungsbegehren, gerichtet auf den Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG, der ihre deutsche Staatsangehörigkeit feststellt, nicht entgegen.

14

Mit der Einfügung des § 30 StAG, der die Staatsangehörigkeitsbehörde zur verbindlichen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ermächtigt, ist auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1985 - 1 C 12.84 - Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr. 5) zur Zulässigkeit der Feststellungsklage in Fällen überholt, in denen die Staatsangehörigkeitsbehörde gegenüber dem Betroffenen die Rechtsstellung als Deutscher bestreitet. Diese Rechtsprechung gründete sich maßgeblich darauf, dass nach seinerzeitigem Recht ein auf Antrag ausgestellter Staatsangehörigkeitsausweis lediglich den Charakter einer widerlegbaren Vermutung (BVerwG, Urteil vom 21. Mai 1985 - 1 C 52.82 - BVerwGE 71, 309 <316>) hatte und daher auch die inzidenten Feststellungen über das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit nicht in allen Angelegenheiten Rechtsklarheit schaffen konnten, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich war.

15

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung der Beklagten, ihre deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen, weil sie nicht deutsche Staatsangehörige (geworden) ist. Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch die - hier allein als Erwerbsgrund in Betracht kommende (2.1) - Annahme an Kindes statt durch einen deutschen Staatsangehörigen erworben. Zwar sind die allgemeinen Voraussetzungen des § 6 Satz 1 StAG erfüllt (2.3). Diese Annahme ist indes nicht im Sinne des § 6 Satz 1 StAG auf einen Annahmeantrag erfolgt, bei dessen Stellung die Klägerin das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; denn zwischen dem Annahmeantrag, der durch ihren Stiefvater im März 2003 vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres der Klägerin gestellt wurde, und der Annahme als Kind durch ihren Stiefvater deutscher Staatsangehörigkeit besteht nicht der nach dem Sinn und Zweck der Regelung erforderliche verfahrens- und materiellrechtliche Zusammenhang (2.4).

16

2.1 Als Rechtsgrundlage für einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Klägerin kommt hier allein § 6 StAG in Betracht. Nach § 6 Satz 1 StAG in der noch heute gültigen Fassung, die diese Bestimmung durch Art. 6 § 5 des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (vom 25. Juli 1986, BGBl. I S. 1142) erhalten hat, erwirbt mit der nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen das Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die deutsche Staatsangehörigkeit. Dass die Klägerin aus einem anderen Rechtsgrund die deutsche Staatsangehörigkeit erworben oder besitzen könnte, ist nicht ersichtlich oder vorgetragen.

17

2.2 Die Staatsangehörigkeitsbehörde hat nach § 6 Satz 1 StAG selbständig zu prüfen, ob eine nach deutschem Recht wirksame Annahme an Kindes statt ein Kind betrifft, das im Zeitpunkt des zur Annahme führenden Antrages das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. An die familiengerichtliche Entscheidung über ein Adoptionsbegehren ist sie nur insoweit gebunden, als es die Tatsache einer nach deutschem Recht wirksamen Annahme als Kind, und zwar zu den Bedingungen einer Minderjährigenadoption, betrifft. Eine weitergehende Bindung auch an die Beurteilung des Familiengerichts, auf welchen Antrag hin diese Adoption erfolgt sei, oder an die familiengerichtliche Begründung, aus welchem der in § 1772 Abs. 1 Satz 1 BGB benannten Rechtsgründe sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen oder eines verwandten Minderjährigen richten, für den nach § 6 Satz 1 StAG zu beurteilenden Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes besteht nicht. § 1772 BGB regelt nur die familienrechtlichen Wirkungen. Eine Bindungswirkung für den eigenständig geregelten Staatsangehörigkeitserwerb ergibt sich hieraus nicht. Sie folgt auch nicht aus der Tatbestandswirkung der Annahme an Kindes statt oder der Rechtskraftwirkung der familiengerichtlichen Entscheidung. Die auf die zivilrechtlichen Wirkungen der Annahmeentscheidung bezogenen Wirkungen bleiben von einer selbständigen staatsangehörigkeitsbehördlichen Beurteilung des Zusammenhanges des vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrages und der letztlich bewirkten Annahme unberührt.

18

2.3 Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof sind im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass für einen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG erforderlich ist, dass ein Annahmeantrag zu einem Zeitpunkt bei dem Familiengericht gestellt worden ist, zu dem das Kind das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (s.a. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1998 - 1 C 2.98 - BVerwGE 108, 216), und dass dieser Annahmeantrag verfahrensrechtlich nicht dadurch "verbraucht" worden sein darf, dass er im Zeitpunkt der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres abschließend negativ beschieden oder wirksam zurückgenommen worden ist (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <121>). Diese Voraussetzungen sind hier mit Blick auf den im März 2003 gestellten Antrag festgestellt und stehen auch nicht im Streit.

19

Der Anwendung des § 6 Satz 1 StAG steht für sich allein auch nicht entgegen, dass das auf diesen Antrag hin eingeleitete familiengerichtliche Verfahren zum Ruhen gebracht und die Akten schließlich weggelegt worden sind; dies bewirkt keine Erledigung dieses Verfahrens im Rechtssinne (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <121>). Dem gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb nach § 6 Satz 1 StAG steht auch nicht notwendig entgegen, dass mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes das durch einen zuvor gestellten Antrag wirksam eingeleitete Verfahren nur dann zu einer Annahme an Kindes statt führen kann, wenn nach § 1768 Abs. 1 BGB ein weiterer Antrag durch den Annehmenden und den (volljährig gewordenen) Anzunehmenden gestellt wird; denn die Einwilligung, die gemäß § 1746 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Annahme eines minderjährigen Kindes erforderlich ist, wirkt auch dann nicht über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus, wenn sie durch das anzunehmende Kind - wie nach Vollendung des vierzehnten Lebensjahres grundsätzlich vorausgesetzt (§ 1746 Abs. 1 Satz 3 BGB) - selbst erteilt worden ist. Dieser neuerliche Antrag ist Voraussetzung dafür, dass es - wie von § 6 Satz 1 StAG vorausgesetzt - nach Eintritt der Volljährigkeit überhaupt zu einer Annahme an Kindes statt kommen kann und steht daher dem erforderlichen Zusammenhang mit dem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag für sich genommen nicht entgegen (s.a. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <118 f.>).

20

2.4 § 6 Satz 1 StAG erfordert aber für den Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes zwischen dem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrag und der nachfolgenden Annahme an Kindes statt einen hinreichenden verfahrens- und materiellrechtlichen Zusammenhang. Dies gebieten Sinn und Zweck der Regelung, wie sie sich hinreichend aus der Entstehungsgeschichte erschließen (a). Dieser Zusammenhang besteht nur dann, wenn bei einem vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Annahmeantrag der zur Fortsetzung des Verfahrens nach § 1768 BGB erforderliche Antrag spätestens bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt worden ist und das Adoptionsverfahren von den Antragstellern sodann mit dem gebotenen Nachdruck betrieben wird (b). Nicht zu prüfen ist dann, ob bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres das Verfahren aus Gründen nicht zu einem Abschluss gekommen ist, die ganz oder überwiegend in der Sphäre der Antragsteller liegen, oder ob der vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellte Antrag im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit bereits zur Annahme an Kindes statt hätte führen müssen (c).

21

a) Die durch das Gesetz vom 25. Juli 1986 (BGBl. I S. 1142) eingefügte Vorverlagerung des Anknüpfungszeitpunktes für einen gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb durch Adoption auf den Zeitpunkt der Antragstellung berücksichtigt Art. 3 des Europäischen Übereinkommens vom 24. April 1967 über die Adoption von Kindern - Europäisches Adoptionsübereinkommen - (BGBl. 1980 II S. 1093 und 1981 II S. 72) und passt im Kern die Reichweite des gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerbs dem Geltungsbereich dieses Abkommens an (s.a. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <116 f.>). Dies modifiziert die bei Einfügung des § 6 StAG (Adoptionsgesetz vom 2. Juli 1976, BGBl. I S. 1749) getroffene Grundentscheidung, dass nur die Adoption Minderjähriger staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen haben soll, um jeden Anreiz zu vermeiden, durch eine Adoption die für Ausländer bestehenden aufenthaltsrechtlichen, berufsrechtlichen und sonstigen Beschränkungen zu umgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1998 - 1 C 2.98 - BVerwGE 108, 216 <219 f.>; s.a. BT-Drs. 7/3061; S. 65), für Fälle im Grenzbereich zwischen Minderjährigen- und Volljährigenadoption. Es hebt sie indes nicht auf. Minderjährigen, die durch ihre Einwilligung (§ 1746 BGB) zu dem Adoptionsantrag ihren Wunsch und Willen zur Annahme durch Einleitung des dafür vorgesehenen Verfahrens wirksam bekundet haben, sollen lediglich die ihnen gewährten Rechtsvorteile ohne Rücksicht auf die Dauer und Gestaltung des Adoptionsverfahrens erhalten bleiben (s. - unter Auswertung der Entstehungsgeschichte - BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <117 f.>). Die Anknüpfung an den Annahmeantrag berücksichtigt dabei auch, dass bei einer beachtlichen Antragstellung vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres das Ziel an Gewicht verliert, Manipulationen und Umgehungen der für erwachsene Ausländer geltenden Aufenthaltsbeschränkungen zu begegnen (BT-Drs. 10/504 S. 96).

22

Aus der Entstehungsgeschichte des § 6 StAG ergibt sich indes kein Anhaltspunkt, dass der Grundsatz, einer Erwachsenenadoption keine staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen beizumessen, insgesamt oder doch auch für Fälle aufgegeben werden sollte, in denen zwischen dem vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Annahmeantrag und der anschließenden Annahme als Volljähriger kein substantieller materieller und verfahrensrechtlicher Zusammenhang mehr besteht. § 6 Satz 1 StAG ist daher nur dann anzuwenden, wenn sich die nach Eintritt der Volljährigkeit vollzogene Adoption sachlich und verfahrensrechtlich als Abschluss des durch den vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Annahmeantrages darstellt. Dies ist nicht der Fall, wenn das Verfahren, das durch den vor Eintritt der Volljährigkeit gestellten Adoptionsantrag eingeleitet worden ist, zwar formell noch anhängig ist, es aber für einen Zeitraum faktisch oder förmlich zum Ruhen gebracht worden ist, der allein schon durch den Zeitablauf einen substantiellen Zusammenhang zu dem Erstantrag ausschließt. Auch das Urteil des Senats vom 14. Oktober 2003 (1 C 20.02 - BVerwGE 119, 111 <119>) hat nicht das Erfordernis einer "funktionalen Verbindung" zwischen dem ersten Adoptionsantrag mit dem Annahmebeschluss als Anwendungsvoraussetzung des § 6 Satz 1 StAG abgelehnt; abgestellt wird allein darauf, dass die in jenem Verfahren zu dessen Verneinung herangezogenen Gründe die seinerzeitige Berufungsentscheidung nicht tragen konnten.

23

b) Für die verfahrensrechtliche Verknüpfung ist maßgeblich auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der für den Fortgang des Verfahrens nach § 1768 Abs. 1 BGB erforderliche (weitere) Adoptionsantrag bei dem Familiengericht eingeht, soweit dann in der Folgezeit das Verfahren mit dem gehörigen Nachdruck betrieben wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen die Staatsangehörigkeitsbehörde und auch der Anzunehmende nach hinreichend klaren, nicht von streitanfälligen Wertungen abhängigen objektiven Kriterien beurteilen können, ob noch ein hinreichend substantieller Zusammenhang besteht, der die Rechtsfolge des § 6 Satz 1 StAG auslöst. Keine andere Beurteilung rechtfertigt, dass der Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB gemeinsam mit dem Annehmenden zu stellen ist, also nicht allein in der Verfügungsmacht des Anzunehmenden steht. Denn ist der später Annehmende vorübergehend nicht bereit, an der erforderlichen Antragstellung mitzuwirken, fehlt es an dem von § 6 Satz 1 StAG für den Rechtserhalt vorausgesetzten, fortbestehenden beiderseitigen Adoptionswillen. Ein später gleichwohl gestellter Antrag setzt dann sachlich nicht das durch den Erstantrag eingeleitete Verfahren fort.

24

Der Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB wahrt den hinreichenden substantiellen Zusammenhang mit dem Erstantrag nur, wenn er bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt worden ist und sodann mit dem gehörigen Nachdruck verfolgt wird. Zu diesem Zeitpunkt endet eine Übergangsphase auch rechtlich abgestufter Verantwortlichkeit und Verantwortung, die mit der Volljährigkeit durch die der junge Mensch rechtlich in vollem Umfang handlungsfähig wird, beginnt. Dass die Volljährigkeit nicht zwingend eine umfassende rechtliche Verantwortlichkeit bedeutet, anerkennt etwa das Jugendstrafrecht, das auch auf Heranwachsende angewendet wird, die im Zeitpunkt der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt waren (§ 1 Abs. 2 JGG). Im Einzelfall fortbestehenden Orientierungs- und Entwicklungsbedarf setzt auch § 41 Abs. 1 SGB VIII voraus, nach dem einem jungen Volljährigen Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden soll, wenn und solange die Hilfe auf Grund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist, in der Regel aber nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres. Nach der Neufassung des § 29 StAG (sog. Optionsregelung) durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (vom 13. November 2014, BGBl. I S. 1714) anerkennt nunmehr auch das Staatsangehörigkeitsrecht selbst in § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4, Abs. 1a StAG, dass der Prozess des Aufwachsens im Bundesgebiet erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres als beendet anzusehen ist und der junge Volljährige sich mit der Zustellung des Hinweises, der seine Optionspflicht auslöst, in vollem Umfange seiner staatsangehörigkeitsrechtlichen Verantwortung zu stellen hat.

25

In dem Zeitraum bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres hat der junge Volljährige einerseits hinreichend Gelegenheit, sich unter den mit Eintritt der Volljährigkeit veränderten rechtlichen Rahmenbedingungen Klarheit zu verschaffen, ob er an dem eingeleiteten Adoptionsverfahren festhalten möchte, und den hierfür erforderlichen Antrag auch zu stellen. Innerhalb dieser Frist ist ihm dies indes auch abzuverlangen, wenn er den materiell fortbestehenden wechselseitigen Adoptionswillen und die in § 6 Satz 1 StAG vorausgesetzte verfahrensrechtlich vermittelte Antragskontinuität geltend machen will. Diese Frist wahrt aber andererseits noch einen substantiellen Zusammenhang zu dem vor Eintritt der Volljährigkeit eingeleiteten Adoptionsverfahren und stellt so sicher, dass die Übergangsphase einer erleichterten, situationsgerechten Gesetzesanwendung im Grenzbereich zwischen Minderjährigen und Volljährigen sachgerecht begrenzt wird. Bei einem bereits vor Eintritt der Volljährigkeit durch einen wirksamen Adoptionsantrag dokumentierten wechselseitigen Adoptionswillen, an den bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres ein Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB anknüpft, ist ein Gebrauch des Adoptionsrechts zu vorrangig familienrechtsfremden Zwecken weitestgehend ausgeschlossen, so dass dem Zweck der grundsätzlichen Beschränkung staatsangehörigkeitsrechtlicher Wirkungen auf die Minderjährigenadoption hinreichend Rechnung getragen wird. Der durch den Zeitablauf gelockerte Zusammenhang zu dem bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag wird durch einen fristgerecht gestellten Antrag nach § 1768 Abs. 1 BGB aber nur gewahrt, wenn das dadurch wieder aufgegriffene Verfahren sodann mit dem gebotenen Nachdruck betrieben und unter gehöriger Mitwirkung des Anzunehmenden bis zum Adoptionsbeschluss gefördert wird; dies ist insbesondere bei einem lediglich "auf Vorrat" gestellten Antrag, der dann gleich wieder zum Ruhen gebracht wird, ebenso wenig der Fall wie bei einer sonst verfahrensverzögernden Verfahrensgestaltung.

26

c) Bei einer Stellung des Antrags nach § 1768 Abs. 1 BGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und damit in einer Übergangsphase bedarf es nicht der Prüfung, inwieweit das Nichtbetreiben oder der Nichtabschluss des durch den Erstantrag eingeleiteten Verfahrens von dem Anzunehmenden zu verantworten oder zu vertreten ist oder sonst in dessen Sphäre fällt. Dies dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diese Prüfung würde einen Staatsangehörigkeitserwerb, der kraft Gesetzes erfolgt, mit einer einzelfallbezogenen Ermittlung und Bewertung der Gründe belasten, die zum Nichtabschluss des durch den vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres gestellten Antrag eingeleiteten Verfahrens oder dessen Nichtweiterbetreibens geführt haben.

27

Sinn und Zweck des § 6 Satz 1 StAG erfordern auch keine hypothetische Prüfung, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anzunehmende volljährig wird, nach der objektiven Rechtslage eine Annahme an Kindes statt familiengerichtlich hätte ausgesprochen werden können oder gar müssen.

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2007 - 16 K 2916/06 - wird zugelassen, soweit dieses die Verfügung der Beklagten vom 16.9.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.7.2006 aufhebt und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Besuchs der Technischen Oberschule zu erteilen.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 2007 - 16 K 2916/06 - wird abgelehnt, soweit dieses die Klage im Übrigen abweist.

Insoweit trägt die Klägerin die Kosten des Zulassungsverfahrens. Diesbezüglich wird der Streitwert auf 5.000 EUR festgesetzt.

Die Kostenentscheidung im Übrigen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

 
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg (I.). Hingegen ist der Zulassungsantrag der Klägerin abzulehnen (II.).
I.
Der rechtzeitig gestellte (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) und begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat sachlich Erfolg. Sie hat jedenfalls in einem entscheidungserheblichen Punkt ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ausreichend konkret dargelegt; insoweit ist dieser Zulassungsgrund auch inhaltlich gegeben (siehe § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ob daneben auch noch aus anderen Gründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen oder der ebenfalls geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) vorliegt, kann daher offen bleiben.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der jeweils dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, DVBl. 2004, 838). Es kommt dabei darauf an, ob vom Antragsteller ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt worden ist, dass der Erfolg des Rechtsmittels mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie sein Misserfolg (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris und vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Dazu müssen zum einen die angegriffenen Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen - zumindest im Kern - zutreffend herausgearbeitet werden (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.4.1997 - 8 S 1040/97 -, VBlBW 1997, 299). Zum anderen sind schlüssige Bedenken gegen diese Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen aufzuzeigen, wobei sich der Darlegungsaufwand im Einzelfall nach den Umständen des jeweiligen Verfahrens richtet (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.7.1997 - 7 S 216/98 -, VBlBW 1998, 378 m.w.N.), insbesondere nach Umfang und Begründungstiefe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Streitstoff muss dabei unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet werden; erforderlich ist eine fallbezogene Begründung, die dem Berufungsgericht eine Beurteilung der Zulassungsfrage ohne weitere eigene aufwendige Ermittlungen ermöglicht (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 30.6.2006 - 5 B 99/05 -, juris). Selbst wenn aber - auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts bezogen - rechtliche Zweifel im oben genannten Sinn gegeben sind, ist ein Zulassungsantrag abzulehnen, wenn das Urteil jedenfalls im Ergebnis richtig ist; in diesem Fall wird nämlich ein Berufungsverfahren nicht zu einer Abänderung im Sinn des jeweiligen Beteiligten führen (siehe BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004, a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 24.10.2007 die Beklagte dazu verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Besuchs der Technischen Oberschule zu erteilen. Dem hält die Beklagte entgegen, das Gericht habe hiermit zu Unrecht eine überraschende Klageänderung zugelassen und ihr damit die Möglichkeit genommen, selbst über diesen von der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zu entscheiden und hierbei Ermessen auszuüben. Den geänderten Aufenthaltszweck habe ihr die Klägerin zuvor nicht mitgeteilt; die Beklagte habe erst in der mündlichen Verhandlung erfahren, dass die Klägerin nunmehr die zuvor absolvierte Ausbildung zur Modedesignerin abgeschlossen und sich im Sommer 2007 an der Technischen Oberschule zur Weiterbildung angemeldet habe.
Dieses Vorbringen ist geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Hierbei ist davon auszugehen, dass die an die Beklagte zu stellenden Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes erheblich reduziert sind. Fehlen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts wie hier jegliche Ausführungen zu einem bestimmten Problemkreis, dürfen auch die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel nicht überspannt werden. Denn der Darlegungsaufwand richtet sich (auch) nach Umfang und Begründungstiefe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Auszugehen ist davon, dass - wie die Beklagte zu Recht geltend macht - eine Klageänderung i.S.v. § 91 Abs. 1 VwGO vorliegt. Es handelt es sich bei dem Aufenthaltszweck des Besuchs der Technischen Oberschule um einen neuen Streitgegenstand. In Bezug auf den ursprünglich begehrten Zuzug der volljährigen Klägerin zu ihren Adoptiveltern auf der Grundlage des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegt dies auf der Hand. Gleiches gilt aber auch im Vergleich zu dem mittlerweile beendeten Besuch eines Berufskollegs mit dem Ziel der Ausbildung zur Modedesignerin. Zwar handelt es sich auch insoweit um eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Ausbildung, die nach dem dritten Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen ist. Dennoch liegt im Vergleich zu dem jetzigen Besuch der Technischen Oberschule ein geänderter Aufenthaltszweck vor. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Ausbildung knüpft an eine bestimmte konkrete Ausbildung an. Dies ergibt sich insbesondere aus der Regelung des § 16 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, die auch im Rahmen des hier als Anspruchsgrundlage kommenden § 16 Abs. 5 AufenthG anwendbar ist (§ 16 Abs. 5 Satz 2 AufenthG). Danach soll einem Ausländer die Aufenthaltserlaubnis nicht für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht. Diese Regelung würde leer laufen, wenn ein Ausländer die Ausbildung, die Grundlage der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis ist, nach Belieben und ohne Voraussetzungen wechseln dürfte. Aus dem Erfordernis eines bestimmten Zwecks folgt vielmehr, dass dieser klar und eindeutig umrissen sein muss (vgl. zur früheren Rechtslage BVerwG, Beschluss vom 3.3.1994 - 1 B 190.93 -, NVwZ 1995, 1125; zur aktuellen Rechtslage Bay. VGH, Beschluss vom 21.6.2007 - 24 CS 06.3454 - und Hamb. OVG, Beschluss vom 14.11.2007 - 3 Bs 232/07 - jew. juris). Eine wie hier im Hinblick auf eine Ausbildung zur Modedesignerin erteilte Aufenthaltserlaubnis schließt den Besuch einer Technischen Oberschule mit dem Ziel, die Fachhochschulreife zu erwerben, nicht ein.
Ob das Verwaltungsgericht angenommen hat, es liege schon keine Klageänderung vor, oder ob es diese für zulässig gehalten hat, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, da es keine Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage enthält. Ernstliche Zweifel bestehen jedoch unabhängig von der Frage, ob hier eine unzulässige Klageänderung vorliegt. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, spricht Vieles dafür, dass jedenfalls die Klage in Bezug auf den geänderten Aufenthaltszweck unzulässig sein könnte. Denn es fehlt an einem vorherigen Antrag bei der Verwaltung und demzufolge auch an der Durchführung eines Verwaltungs- und eines Vorverfahrens. Die Zulässigkeit einer Klageänderung entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, die Zulässigkeit der geänderten (erweiterten) Klage zu prüfen. Hierzu gehört grundsätzlich, dass das Verwaltungsverfahren und das Vorverfahren durchgeführt worden sein müssen, falls nicht die Voraussetzungen des § 75 VwGO vorliegen (wofür hier nichts ersichtlich ist). Aus Gründen der Prozessökonomie darf die Anwendung zwingenden Verfahrensrechts nicht unterbleiben. Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Verwaltung, sich mit den Ansprüchen zu befassen, die ein Bürger geltend macht. Gerichte sind dazu berufen, das Handeln der Verwaltung auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, nicht aber dazu, sich an deren Stelle zu setzen und originär über erstmals vor Gericht geltend gemachte Ansprüche zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.1.1986 - 5 C 36/84 -, NVwZ 1987, 412; OVG Nordr.-Westf., Urteil vom 7.11.1996 - 7 A 4820/95 -; OVG Saarl., Beschluss vom 22.6.1994 - 3 W 1/94 -).
II.
Der auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und auf die besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat hingegen keinen Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat die Klägerin schon nicht in ausreichender Weise dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs scheitere hier schon an der Sperrwirkung des § 16 Abs. 2 AufenthG; ein gesetzlicher Anspruch bestehe nicht, weil die hier in Betracht kommenden §§ 28 Abs. 4, 36 AufenthG keinen solchen Anspruch vermittelten. Hiermit setzt sich die Klägerin in ihrem Zulassungsantrag nicht substantiiert auseinander. Sie behauptet zwar, dass hier ein „klarer Ausnahmefall“ von der in § 16 Abs. 2 AufenthG angeordneten Sperrwirkung vorliege. Sie legt aber in keiner Weise dar, weshalb ihrer Ansicht nach ein solcher Ausnahmefall gegeben sein soll.
10 
Die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel sind auch in Bezug auf die weiteren Ausführungen der Klägerin nicht erfüllt, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 AufenthG lägen vor, insoweit werde auf den erstinstanzlichen Vortrag verwiesen. Der bloße Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen stellt schon grundsätzlich nicht die gebotene Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil dar (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124a, Rdnr. 49). Gerade im vorliegenden Fall gilt dies sogar in besonderem Maße. Denn sowohl vor der Verwaltung als auch im Gerichtsverfahren hatte die Klägerin eine außergewöhnliche Härte i.S.v. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG noch damit begründet, im Falle ihrer Aufenthaltsbeendigung drohten schwerwiegende psychische Folgen für ihren Adoptivvater. Weshalb nach dessen Tod weiterhin eine außergewöhnliche Härte gegeben sein soll, müsste daher schon deshalb besonders begründet werden, weil diese Frage nicht Gegenstand des erstinstanzlichen schriftlichen Vorbringens der Klägerin gewesen ist.
11 
2. Die Klägerin hat auch keine Gründe dargelegt, die die Annahme rechtfertigen könnten, die Rechtssache weise besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Annahme besonderer Schwierigkeiten im vorgenannten Sinn setzt voraus, dass der Rechtssache nicht nur allgemeine oder durchschnittliche Schwierigkeit zukommt. Dieser Zulassungsgrund liegt nur dann vor, wenn sich der konkret zu entscheidende Fall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht signifikant, d.h. erheblich von dem Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfällen unterscheidet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 124, Rdnr. 9).
12 
Dass die Rechtssache gemessen hieran besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweisen könnte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Bei dem Zusammenspiel von Erwachsenenadoption und Aufenthaltsrecht, auf das die Klägerin verweist, handelt sich um ein in der verwaltungsgerichtlichen Praxis keinesfalls ungewöhnliches Problem. Dass die Entscheidungsrelevanz der Frage, wie sich eine eventuelle Ausreise der Klägerin auf ihre Adoptiveltern auswirken könne, die Notwendigkeit von „erheblich breiteren Feststellungen“ als im Normalfall erfordern soll, hat die Klägerin nicht dargelegt, sondern nur pauschal behauptet. Schließlich folgt allein aus dem Umstand, dass die Kammer den Rechtsstreit nicht nach § 6 Abs. 1 VwGO auf den Einzelrichter übertragen hat, ebenfalls nicht zwangsläufig, dass die Annahme besonderer Schwierigkeiten i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gerechtfertigt wäre (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 8).
III.
13 
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der zugelassenen Berufung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
14 
Im Übrigen (soweit der Zulassungsantrag abgelehnt wird) trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 2 VwGO). Insoweit ist der Streitwert nach § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR festzusetzen.
15 
Diese Entscheidung ist für die Klägerin unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. April 2007 - 5 K 1035/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Rücknahme einer bestandskräftigen Ausweisung, hilfsweise die Befristung von deren Wirkungen.
Der am … in … in der Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. 1969 reiste er zusammen mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Deutschland ein, wo sein Vater schon seit mehreren Jahren lebte und arbeitete. Bis 1982 lebte er bei seinem Vater, der in dieser Zeit durchgehend als Arbeitnehmer beschäftigt war. Er besuchte in Heilbronn die Grund- und die Hauptschule, die er im Alter von 15 Jahren nach der 6. Klasse ohne Abschluss verließ. In der Folgezeit war er in mehreren Arbeitsverhältnissen unterschiedlicher Dauer beschäftigt; zeitweise war er arbeitslos. Eine Anstellung als Textilfärber verlor er 1992 nach etwa zehn Jahren, nachdem sein Arbeitgeber in Konkurs fiel. Seit 1993 oder 1994 arbeitete er mit verschiedenen Polizeidienststellen zusammen, für die er als V-Mann eingesetzt wurde. Von Ende 1998 bis April 1999 betrieb er eine Imbissbude. Er ist seit 1982 mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Aus dieser Ehe sind zwei am 22.8.1983 und am 15.3.1990 geborene Kinder hervorgegangen. Am 4.10.1990 erhielt er eine Aufenthaltsberechtigung.
Mit Urteil vom 21.4.1997 - 23 Cs 16 Js 22675/96 - verurteilte das Amtsgericht Heilbronn den Kläger wegen versuchter Nötigung, Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen zu je 20,-- DM.
Mit Urteil vom 6.10.1999 - 1 KLs 61/ Js 8741/99 - verurteilte das Landgericht Heilbronn den Kläger und seinen Bruder wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Dieses Urteil ist seit dem 14.10.1999 rechtskräftig.
Mit Bescheid vom 24.2.2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung führte es aus, der Kläger erfülle aufgrund der begangenen Straftaten den Tatbestand der Ist-Ausweisung. Zwar genieße er aufgrund seiner Aufenthaltsberechtigung besonderen Ausweisungsschutz. Dies hindere aber seine Ausweisung nicht, da schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorlägen. Zwar werde die Ist- zur Regel-Ausweisung abgestuft, ein Ausnahmefall liege aber nicht vor. Ein weitergehender völkerrechtlicher Ausweisungsschutz komme dem Kläger nicht zu.
Der Kläger hat am 13.3.2000 vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben, zu deren Begründung er vortrug, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung machten seine Ausweisung nicht erforderlich. Er arbeite seit Oktober 1993 als Vertrauensperson mit der Polizei zusammen und habe an der Überführung von über 60 Rauschgifthändlern mitgewirkt. Die meisten der überführten Rauschgifthändler seien zwischenzeitlich in die Türkei abgeschoben worden. Im Falle einer Abschiebung sei mit Maßnahmen der Rauschgiftszene gegen ihn zu rechnen. Er lebe seit über 30 Jahren in der Bundesrepublik und ihm stehe der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG zu. Weiter sei er ein wichtiger Zeuge in einem Mordprozess, der vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen stattfinde. Auch wegen dieses Verfahrens sei er mit dem Tod bedroht worden.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hob mit Urteil vom 24.4.2001 - 5 K 1684/00 -die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.2.2000 auf und wies die Klage im übrigen ab. In den Entscheidungsgründen heißt es: Die Ausweisung des Klägers sei aus den in dem angefochtenen Bescheid dargelegten Gründen nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsandrohung sei hingegen aufzuheben, da eine weitere Sachaufklärung erforderlich sei. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass aufgrund des Strafnachrichtenaustausches zwischen der Türkei und der Bundesrepublik Deutschland die Verurteilung des Klägers in der Türkei bekannt gegeben worden sei. Es sei offen, welche Auswirkungen dies im Hinblick auf die §§ 51 und 53 AuslG haben könne.
Hiergegen beantragten sowohl der Kläger als auch der Beklagte fristgerecht Zulassung der Berufung.
Der Kläger machte in seinem Zulassungsantrag geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Verwaltungsgericht seine persönlichen Belange nicht zutreffend gewürdigt habe. Er habe nicht nur bei der Überführung anderer Rauschgifthändler mitgewirkt, sondern sei tragender Zeuge in einem anhängigen Mordprozess. Seine Unterstützung in diesem Verfahren und die gegen ihn ausgesprochenen Morddrohungen ließen eine Ausweisung als unbillige Härte erscheinen. Im übrigen werde auf die Begründung der Klage hingewiesen.
10 
Mit Beschluss vom 14.8.2001 - 10 S 1409/01 - lehnte der erkennende Verwaltungsgerichtshof den Zulassungsantrag des Klägers ab. Das Verwaltungsgericht habe seine persönlichen Belange gewürdigt. Allein der Umstand, dass es diese abschließend nicht in dem vom Kläger gewünschte Sinne würdige, begründe noch keine ernstlichen Zweifel. Im Rahmen der Beurteilung, ob ein Ausnahmefall vorliege, habe das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Klägers berücksichtigt, er habe bei der Überführung anderer Rauschgifthändler mitgewirkt. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass dies die Annahme eines Ausnahmefalls grundsätzlich nicht rechtfertige, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger vortrage, er sei tragender Zeuge in einem Mordprozess und es seien bereits Morddrohungen ausgesprochen worden, zeige das Zulassungsvorbringen nicht in einer den Anforderungen an die Darlegung nach § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO genügenden Weise auf, weshalb insoweit ernstliche Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestünden.
11 
Auf den Zulassungsantrag des Beklagten ließ der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13.8.2001 - 10 S 1409/01 - die Berufung in Bezug auf die Aufhebung der Abschiebungsandrohung zu. Mit Urteil vom 19.12.2001 änderte es auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart und wies die Klage auch hinsichtlich der in der Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.2.2000 verfügten Abschiebungsandrohung ab.
12 
Mit Urteil vom 20.3.2003 - 1 KLs 61 Js 25579/02 - verurteilte das Landgericht Heilbronn den Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 23 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Dieses Urteil ist seit dem 28.8.2003 rechtskräftig.
13 
Mit Antrag vom 17.1.2005, konkretisiert durch Schriftsatz vom 4.2.2005, beantragte der Kläger beim Regierungspräsidium Stuttgart, die Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 im Wege des Wiederaufgreifens zu widerrufen und für den Fall, dass er abgeschoben werde, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung sowie der Abschiebung ab dem Zeitpunkt der Abschiebung zu befristen. Zur Begründung trug er vor: Er dürfe nur nach einer einzelfallbezogenen Prüfung, die von seinem persönlichen Verhalten ausgehe, ausgewiesen werden. Die Gefahrenprognose beschränke sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte und dürfe sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Eine Ausweisung sei darüber hinaus nur gerechtfertigt, wenn das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung das private Interesse des Bürgers an einem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiege. In Anbetracht dessen, dass er im Bundesgebiet aufgewachsen sei und seine Familie mit zwei Kindern noch im Bundesgebiet lebe und weil seine Ausweisung eine erhebliche Gefahr für seine Person begründe, sei diese nicht gerechtfertigt. Er habe als V-Mann für die Polizei in Hessen und Baden-Württemberg gearbeitet. Er sei an der Festnahme zahlreicher Personen aus der organisierten Kriminalität beteiligt gewesen. Er werde von den Straftätern bedroht, die mit seiner Hilfe überführt worden und nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe in die Türkei abgeschoben worden seien. Dem Antrag war u.a. ein 43-seitiges handschriftliches Schreiben des Klägers vom 30.9.2004 beigefügt, in dem er von seiner jahrelangen Tätigkeit als V-Mann und über mehrere Anschläge, die auf ihn und seine Familienangehörigen verübt worden seien, im einzelnen berichtet. Insbesondere schildert der Kläger darin auch einen angeblichen Angriff (wohl im Jahr 2002) im Urlaub in der Türkei und weshalb er sich wegen einer Zeugenaussage in einem Mordprozess gefährdet fühle.
14 
Mit Bescheid vom 16.2.2005 - zugestellt am 18.2.2005 - lehnte das Regierungspräsidium Stuttgart den Antrag auf Rücknahme bzw. Widerruf der Ausweisung vom 24.2.2000 ab. In den Gründen wird ausgeführt: Gegenstand dieser Entscheidung sei lediglich der Antrag auf Wiederaufgreifen des Ausweisungsverfahrens. Hinsichtlich des Vorliegens etwaiger Abschiebungshindernisse ergehe eine gesonderte Entscheidung. Über den am 4.2.2005 gestellten Antrag auf nachträgliche Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung und Abschiebung werde erst nach erfolgter Abschiebung entschieden. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 LVwVfG lägen nicht vor. Eine Änderung der Rechtsprechung stelle keine Änderung der Rechtslage dar. Die Rücknahme nach § 48 LVwVfG setze voraus, dass die Ausweisung rechtswidrig sei. Es werde nicht verkannt, dass die am 24.2.2000 verfügte Ausweisung nicht in Einklang mit der neuesten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts stehe und somit rechtswidrig sei. § 48 LVwVfG räume jedoch der Behörde Ermessen ein. Bei einer zum heutigen Zeitpunkt zu treffenden Ermessensentscheidung müssten alle seit dem seinerzeit maßgeblichen Zeitpunkt eingetretenen Umstände berücksichtigt werden. Die am 20.3.2003 vom Landgericht Heilbronn verhängte neuerliche Freiheitsstrafe sei Anlass genug, die Ausweisung des Klägers zu verfügen. Es werde nicht verkannt, dass ihm eine Rechtsposition aus Art. 6 oder 7 ARB 1/80 zustehe. Der ihm hiernach zustehende besondere Ausweisungsschutz sei dadurch überwunden, dass von ihm eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung ausgehe. Sonstige weitere im persönlichen und privaten Umfeld zu berücksichtigende Umstände oder Änderungen seit dem damals maßgeblichen Zeitpunkt seien nicht eingetreten und auch nicht vorgetragen worden.
15 
Der Kläger hat am 18.3.2005 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und in der mündlichen Verhandlung die Rücknahme der Ausweisung, hilfsweise deren Befristung, beantragt.
16 
Mit Beschluss vom 26.3.2007 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts ab. In den Gründen heißt es, der Klage fehle hinreichende Erfolgsaussicht. Eine Änderung der Rechtsprechung sei keine Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG. Der Kläger habe aber auch keinen Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 LVwVfG. Es sei bereits zweifelhaft, ob die verfügte Ausweisung schon allein deshalb rechtswidrig sei, weil sie nicht als Ermessensentscheidung ergangen sei. Die Kammer des Verwaltungsgerichts, der der Berichterstatter angehöre, habe sich gegenüber der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern distanziert. Aber auch wenn man zugunsten des Klägers davon ausgehe, dass eine Ermessensentscheidung zu verlangen sei, fehle es an glaubhaft gemachten Umständen dafür, dass dieses rechtmäßig nur dahingehend ausgeübt werden könne, die verfügte Ausweisung zurückzunehmen. Überdies sei weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Ausweisung - bezogen auf den Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung über die Ausweisung - im Ergebnis nicht auch hätte „ermessensfehlerfrei“ erfolgen können. Hiernach dürfte es nicht entscheidungserheblich sein, ob wegen der zwischenzeitlich erneuten Verurteilung des Klägers dieser nunmehr wiederum ausgewiesen werden könne, wovon das Regierungspräsidium Stuttgart in seinem Bescheid vom 16.2.2005 ausgehe. Folglich komme es voraussichtlich nicht darauf an, dass keine Ermittlungen zum Verlauf des Strafvollzugs erfolgt seien.
17 
Mit Urteil vom 13.4.2007 - 5 K 1035/05 - wies das Verwaltungsgericht die auf Rücknahme der Ausweisung, hilfsweise auf deren Befristung gerichtete Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen in seinem Prozesskostenhilfebeschluss vom 26.3.2007 ab. Ergänzend wird ausgeführt: Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung besonders hervorgehoben habe, dass hier ein Fall der erstrebten Rücknahme eines noch nicht vollzogenen Bescheids vorliege, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Derartige Umstände könnten als ausschlaggebende Erwägungen für oder gegen eine Rücknahme nicht entscheidungserheblich sein. Der erst in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag, den Beklagten zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisung vom 24.2.2000 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu befristen, sei unzulässig. Der in dem Schriftsatz vom 4.2.2005 an das Regierungspräsidium Stuttgart gestellte Antrag sei unter einer aufschiebenden Bedingung (für den Fall, dass der Kläger abgeschoben werde) gestellt worden. Da diese Bedingung noch nicht eingetreten sei, liege keine Untätigkeit des Beklagten vor. Deshalb seien die Voraussetzungen des § 75 Satz 1 VwGO nicht erfüllt. Im übrigen gehe der Hilfsantrag über das Begehren im Verwaltungsverfahren hinaus, weshalb dem Kläger auch kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite stehe.
18 
Gegen das ihm am 16.5.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.6.2007 Zulassung der Berufung beantragt. Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 27.11.2007 - zugestellt am 7.12.2007 - zugelassenen Berufung hat er am 7.1.2008 vorgetragen: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe er dargelegt, dass er im Bundesgebiet mit seiner Familie nicht nur fest verwurzelt sei, sondern auch dass sein Leben durch die Ausweisung und Abschiebung in die Türkei konkret gefährdet werde. Daher habe er einen Anspruch auf Rücknahme der Ausweisung, zumindest einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über seinen Antrag auf Rücknahme der Ausweisung. Er habe ein handschriftliches Schreiben mit 43 Seiten vorgelegt, in dem er nicht nur seine Verwurzelung in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch die Härten, die seine Familie im Falle seiner Ausweisung treffen würden, und die konkrete Gefahr für sein Leben, falls er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen werde, beschrieben habe. In der Begründung des Bescheids vom 16.2.2005 werde die mit einer Ausweisung verbundene Lebensgefahr in keiner Weise berücksichtigt. Der Beklagte habe es unterlassen, den Inhalt dieses Schreibens in seine Ermessensentscheidung einzubeziehen. Es werde fälschlicherweise in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass weitere in seinem persönlichen und privatem Umfeld zu berücksichtigende Umstände oder Änderungen seit dem Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung nicht eingetreten und nicht vorgetragen worden seien. Es liege ein Ermessensdefizit vor, weil der Beklagte die Gefährdung seines Lebens bei der Ausübung seines Rücknahmeermessens nicht berücksichtigt habe. Seit seiner erneuten Haftentlassung (am 5.4.2007) wohne er mit seiner Familie zusammen.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.4.2007 - 5 K 1035/05 - zu ändern, den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 16.2.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 zurückzunehmen,
21 
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über die Rücknahme der Ausweisungsverfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.2.2000 erneut zu entscheiden und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten
22 
sowie höchst hilfsweise nur für den Fall, dass der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag vollständig abgelehnt werden, den Beklagten zu verpflichten, die Wirkungen der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 zu befristen bzw. über eine Befristung zu entscheiden und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Zur Begründung macht er geltend: Die vom Kläger geltend gemachten Gründe führten nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null und damit nicht zu einem Rechtsanspruch auf Rücknahme der Ausweisungsverfügung. Im übrigen stelle das diesbezügliche Vorbringen des Klägers lediglich dessen Sicht der Dinge dar. Es seien keine Tatsachen bekannt, die einer Abschiebung in die Türkei entgegen stünden. Auf das - sogleich wiedergegebene - Schreiben der Polizeidirektion Heilbronn vom 28.12.2004 werde verwiesen. Der Kläger sei nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe erneut im Bundesgebiet in besonders schwerwiegender Weise straffällig geworden.
26 
Der Beklagte hat ein Schreiben der Polizeidirektion Heilbronn vom 28.12.2004 vorgelegt, in dem ausgeführt wird: Der Erstkontakt datiere vom Frühjahr 1994. Der Kläger sei am 10.1.1995 gemäß § 1 des Gesetzes über die förmliche Verpflichtung nicht beamteter Personen verpflichtet worden. Abstrakt seien Vertrauenspersonen nicht einschätzbaren Gefährdungen ausgesetzt. Konkrete Gefährdungen hätten sich während der Tätigkeit des Klägers teilweise ergeben. Mit seiner Festnahme am 6.4.1999 seien die Fürsorgemaßnahmen für ihn eingestellt worden. Durch die Festnahme und die anschließende Einlieferung in die Haftanstalt hätten sich neue Gefährdungslagen ergeben. Auch aufgrund von Aussagen des Klägers in einem Mordfall vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen gegen zwei türkische Tatverdächtige sei es zu Drohungen gegenüber dem Kläger gekommen, die jedoch nach heutiger Bewertung gegenstandslos seien. Nach seiner Haftentlassung habe keine konkrete Gefährdungslage für ihn mehr bestanden.
27 
Mit Urteil vom 11.4.2008 - 41 Cs 24 Js 7058/08 - verurteilte das Amtsgericht Heilbronn den Kläger wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeit 25.1.2008) zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen. Dieses Urteil ist seit dem 7.5.2008 rechtskräftig.
28 
Mit Anklageschrift vom 10.6.2008 schuldigte die Staatsanwaltschaft Heilbronn den Kläger an, am 10.8.2007 eine Sachbeschädigung in Tateinheit mit einem Familiendiebstahl und einer Bedrohung, am 12.8.2007 und am 22.8.2007 zwei weitere Vergehen der Bedrohung - in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Erpressung, zwischen dem 1.2. und dem 12.3.2008 einen Diebstahl sowie am 1.4.2008 eine Sachbeschädigung begangen zu haben.
29 
Dem Senat liegen die einschlägigen Verwaltungsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart (5 Hefte) sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 5 K 1035/05 - und - 5 K 223/05 - sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs der Verfahren - 10 S 1815/01 -, - 10 S 1816/01 - und - 13 S 95/06 - vor. Auf diese Akten wird wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
30 
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage ist in Bezug auf das mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag verfolgten Begehren nicht begründet.
31 
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt, dass Gegenstand des Hauptantrags allein die Rücknahme der Ausweisung ist. Der Kläger hat indes weder einen Anspruch auf eine Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 noch kann er verlangen, dass die Behörde über seinen entsprechenden Antrag erneut entscheidet und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts beachtet (vgl. § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO), denn die Voraussetzungen einer Rücknahme § 48 Abs. 1 LVwVfG liegen nicht vor (1.). Bezüglich des höchst hilfsweise gestellten Antrags auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 ist die Klage unzulässig (2.).
32 
1. a) Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig. Insbesondere steht ihr nicht die Rechtskraft der Gerichtsentscheidungen entgegen, mit denen die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 gerichtlich bestätigt worden ist. Es liegt hier kein Fall vor, in dem die Behörde oder das Gericht schon gehindert ist, überhaupt eine neue Sachentscheidung zu treffen. Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Dies bedeutet, dass sich die Bindungswirkung nicht auf alle Urteilselemente, sondern nur auf den Entscheidungssatz erstreckt. § 121 VwGO ist nicht zu entnehmen, dass die Bindung nur für identische Streitgegenstände gilt. Allerdings unterscheidet sich die Bindungswirkung je nachdem, ob es sich um einen identischen oder einen anderen Streitgegenstand handelt. Bei identischen Streitgegenständen ist der Folgeprozess - oder eine neue Behördenentscheidung - wegen entgegenstehender Rechtskraft bereits unzulässig. Die Rechtskraft wirkt hier als Prozesshindernis und hindert bereits jede abweichende neue Sachentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.5.1994 - 9 C 501/93 -, BVerwGE 96, 24 ff.; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 6.12.2007 - 15 A 3294/07.A -, Ls. in DVBl. 2008, 133; vgl. auch Senatsbeschluss vom 5.3.2008 - 13 S 58/08 -). Ein solcher vollkommen identischer Streitgegenstand liegt hier jedoch nicht vor, da der in diesem Verfahren geltend gemachte Anspruch auf die Rücknahme einer Ausweisungsverfügung nach §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 LVwVfG nicht identisch mit deren damaliger Anfechtung ist.
33 
b) Der Hauptantrag ist unbegründet. Es fehlt an den tatbestandlichen Voraussetzungen der begehrten Rücknahme auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 LVwVfG. Nach dieser Vorschrift können nur rechtswidrige Verwaltungsakte zurückgenommen werden. Für das vorliegende Verfahren ist jedoch bindend von einer rechtmäßigen Ausweisung auszugehen. Aufgrund der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24.4.2001 - 5 K 1684/00 -, die bezüglich der Ausweisung durch die Ablehnung des Berufungszulassungsantrags des Klägers mit Beschluss des erkennenden Gerichtshofs vom 14.8.2001 - 10 S 1409/01 - eingetreten ist, ist gemäß § 121 Nr. 1 VwGO für das vorliegenden Verfahren für beide Beteiligte bindend davon auszugehen, dass die damalige Ausweisung rechtmäßig ist.
34 
Auch bei fehlender Identität der Streitgegenstände kann eine Bindungswirkung nach § 121 VwGO eintreten. Dies gilt für die Konstellationen, in denen die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist (präjudizielle Rechtskraft). Denn Zweck des § 121 VwGO ist es zu verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die bereits durch Urteil entscheiden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.9.2001 - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118 = NVwZ 2002, 345; OVG Nordrh.-Westf., a.a.O.; Senatbeschluss, a.a.O.). Die Wirkung der Rechtskraft auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde gegenüber demselben Betroffenen rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, BVerwGE 91, 256). Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage wird festgestellt, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts besitzt und dieser ihn nicht in solchen Rechten verletzt, deren Verletzung seine Aufhebung zur Folge haben müssten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 121 Rn. 21). Begehrt ein Kläger die Rücknahme einer Behördenentscheidung, deren Rechtmäßigkeit durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist, steht diesem Begehren die Rechtskraft des Urteils entgegen (Nds. OVG, Beschluss vom 6.9.2002 - 8 LA 126/02 -, juris; vgl. auch OVG Saarl., Beschluss vom 16.7.1999 - 2 Q 22/99 -, juris).
35 
Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt allerdings dann nicht ein, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat (BVerwG, ebd. sowie BVerwGE 14, 359 <362 f.>; 35, 234 <236>; BVerfGE 47, 146 <165>). Eine solche Fallkonstellation ist hier jedoch nicht gegeben. Die Rechtskraftwirkung entfällt nicht schon dann, wenn - wie hier - im Vorprozess eine Ausweisungsverfügung aus sachlichrechtlichen Gründen bestätigt worden ist, die sich im Lichte einer späteren Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung möglicherweise als nicht stichhaltig erweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.). Eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage, liegt mit anderen Worten nicht schon dann vor, wenn sich lediglich die Erkenntnislage oder deren Würdigung ändert (insoweit wohl auf die vorliegende Konstellation übertragbar: BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 9 C 12/00 -, BVerwGE 112, 80 = NVwZ 2001, 335).
36 
Diese Rechtskraftwirkungen treten auch dann ein, wenn sich die im Vorprozess obsiegende Behörde wie im vorliegenden Fall nicht auf deren Bindungswirkungen beruft, sondern selbst die Rechtmäßigkeit der Erstverfügung überprüft und hiernach davon ausgeht, der ursprüngliche Verwaltungsakt sei (nach heutiger Erkenntnislage) rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht hat - insoweit nicht tragend - ausgeführt, die im Vorprozess obsiegende Behörde sei durch die Rechtskraftwirkung allein nicht gehindert, unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf die Durchsetzung des von ihr erlassenen belastenden Verwaltungsaktes zu verzichten oder den begehrten begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen; die Rechtskraft wirke nur zugunsten, nicht zuungunsten der obsiegenden Partei (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 13 und 21).
37 
Diese Auffassung vermag jedoch jedenfalls insoweit dogmatisch nicht zu überzeugen, als sie die Wirkungen der Rechtskraft im Folgeprozess davon abhängig macht, ob sich der im Erstprozess obsiegende Beteiligte auf sie beruft. Die Ansicht, dass die Rechtskraft und deren Wirkungen zur Disposition eines Beteiligten stehen sollen, beruht wohl auf der Übernahme zivilprozessualer Grundsätze, die ihrerseits durch die Dispositionsbefugnis der Parteien im Zivilprozess gerechtfertigt sind. Da die Parteienherrschaft im Verwaltungsprozess jedoch weit weniger ausgeprägt ist, kann es dort nicht zulässig sein, dass ein Beteiligter auf die Wirkungen der Rechtskraft für den Folgeprozess verzichtet - sei es bewusst oder auch weil er sich (wie wohl hier) dieser Wirkungen gar nicht bewusst ist. Die Rechtskraft dient den objektiven Belangen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Neue Verfahren und widerstreitende gerichtliche Entscheidungen über dieselbe Streitsache sollen verhindert werden. Dabei wird die Möglichkeit, dass infolge der Rechtskraft eine unrichtige Entscheidung maßgeblich bleibt, grundsätzlich geringer gewertet als die Rechtsunsicherheit, die ohne die Rechtskraft bestehen würde. Die Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO tritt unabhängig davon ein, ob das rechtskräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O. m.w. Nachw., Urteil vom 31.7.2002 - 1 C 7.02 - NVwZ 2003 Beilage I 1, 1-2). Dient die Rechtskraft hiernach primär den objektiven Belangen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit und der Vermeidung widerstreitender gerichtlicher Entscheidungen, ist nicht erklärbar, weshalb ein Beteiligter die Befugnis haben sollte, über diese ihm nicht zustehenden Belange zu verfügen. Erst recht gilt dies dann, wenn wie hier die Behörde (bzw. deren Träger) von der Rechtskraft begünstigt wäre. Denn die Verwaltung ist an das geltende Recht gebunden und kann daher nicht nach Belieben auf die Wirkungen der Rechtskraft für den Folgeprozess verzichten (vgl. Maurer, JZ 1993, 574; s. auch Erfmeyer, DVBl. 1997, 27).
38 
Auch das Bundesverwaltungsgericht scheint davon auszugehen, dass die Rechtskraft eines Urteils, mit dem die Anfechtungsklage gegen eine Ausweisungsverfügung abgewiesen wurde, deren Rücknahme entgegenstehen kann. In seinem Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - hat es - insoweit allerdings nicht tragend - ausgeführt, in dem dort entschiedenen Fall stehe § 121 VwGO der gerichtlichen Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung im Rahmen des § 48 LVwVfG nicht entgegen, weil sie der dortige Kläger nicht angefochten habe (juris, Rn. 17; vgl. auch - allerdings ohne nähere Begründung - VG Karlsruhe, Urteil vom 17.4.2008 - 2 K 3360/07 -, juris).
39 
Die mit der Rechtskraftwirkung verbundene Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber anderen Ausländern, die eine Ausweisung nicht vor Gericht angefochten haben, ist entgegen seiner in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung nicht ungerechtfertigt. Sie beruht auf der Natur der Sache. Die Wirkungen der Rechtskraft können nach § 121 Nr. 1 VwGO immer nur zugunsten oder zulasten desjenigen eintreten, der als Beteiligter eines gerichtlichen Verfahrens ein rechtskräftiges Urteil erwirkt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O., juris Rn. 16).
40 
Diese Grundsätze werden - die Freizügigkeitsberechtigung des Klägers und einen Verstoß der Ausweisung gegen Gemeinschaftsrecht zu seinen Gunsten unterstellt - durch Gemeinschaftsrecht nicht modifiziert. Der Europäische Gerichtshof respektiert die Bestandskraft eines Verwaltungsakts als Ausprägung der Rechtssicherheit, die zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundsätzen zählt (vgl. EuGH, Urteil vom 13.1.2004 - C-453/00 - Kühne u. Heitz -, Slg. 2004 I, 837 = NVwZ 2004, 459 Rn. 24). Die in dieser Entscheidung entwickelten Voraussetzungen eines Rücknahmeanspruchs im Anschluss an eine rechtskräftige, die Vorlagepflicht verletzende letztinstanzliche Gerichtsentscheidung sind hier nicht gegeben. Der in Art. 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet hiernach eine Verwaltungsbehörde auf entsprechenden Antrag hin, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung Rechnung zu tragen, wenn
41 
- die Behörde nach nationalem Recht befugt ist, diese Entscheidung zurückzunehmen,
- die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden ist,
- das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war, und
- der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt hat.
42 
Hier fehlt es zumindest an der dritten Voraussetzung, dass das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Denn der damals zuständige 10. Senat des erkennenden Gerichtshofs war nicht berechtigt oder gar verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Der Kläger hatte in seinem damaligen Zulassungsantrag allein geltend gemacht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Verwaltungsgericht seine persönlichen Belange nicht zutreffend gewürdigt habe, denn er habe nicht nur bei der Überführung anderer Rauschgifthändler mitgewirkt, sondern sei tragender Zeuge in einem anhängigen Mordprozess; seine Unterstützung in diesem Verfahren und die gegen ihn ausgesprochenen Morddrohungen ließen eine Ausweisung als unbillige Härte erscheinen; im übrigen werde auf die Begründung der Klage hingewiesen. Mit diesem Vorbringen hatte der Kläger keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu den europarechtlichen Voraussetzungen der gegen ihn verfügten Ausweisung dargelegt.
43 
Auch wenn der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 12.2.2008 - C-2/06 -Kempter, DÖV 2008, 505, Rn. 44 und 45; s. auch Weiß, DÖV 2008, 47) mittlerweile wohl nicht mehr primär auf eine Verletzung der Vorlagepflicht abstellt, sondern darauf, ob das in letzter Instanz entscheidende nationale Gericht einen gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkt hätte aufgreifen dürfen oder müssen, ergibt sich für den vorliegenden Fall nicht anderes. Der 10. Senat des erkennenden Gerichtshofs war im damaligen Berufungszulassungsverfahren nicht berechtigt, gemeinschaftsrechtliche Gesichtspunkte zu prüfen, nachdem sie der Kläger in seinem damaligen Zulassungsantrag nicht erwähnt hatte. Denn anders als im Berufungsverfahren existiert im Berufungszulassungsverfahren keine umfassende Pflicht des Oberverwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsgerichtshofs zur Amtsaufklärung. Vielmehr ist nach der maßgeblichen nationalen Vorschrift des § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Berufung nur zuzulassen, wenn ein Zulassungsgrund dargelegt wird (und vorliegt). Daher können bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung grundsätzlich nur solche Gründe berücksichtigt werden, auf die sich der Rechtsmittelführer fristgerecht beruft (Kopp/Schenke, a.a.O., § 124a Rn. 50).
44 
Es kann dahingestellt bleiben, ob ausnahmsweise eine Durchbrechung der Rechtskraft dann geboten ist, wenn die Aufrechterhaltung des durch die Vorentscheidung geschaffenen Zustandes schlechthin unerträglich wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.). Eine solche Situation besteht im vorliegenden Fall nicht. Schwere und unerträgliche Folgen für den Ausländer können im Regelfall im Rahmen einer Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG vermieden werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man annimmt, dass eine Befristung - abweichend von dem Wortlaut von Satz 4 dieser Vorschrift - auch auf einen Zeitpunkt vor der Ausreise des Ausländers erfolgen kann, falls z.B. die Wertentscheidungen der Art. 6 GG, Art. 8 EMRK oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dies erfordern (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 24.7.2007 - 1 K 1505/06 - m.w. Nachw., juris; s. auch Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 485 ff.). Außerdem ist es durchaus fraglich, ob die Auffassung des Beklagten zutrifft, wonach auch in der vorliegenden Konstellation der Widerruf nach § 49 Abs. 1 LVwVfG ausgeschlossen sein soll. Denn hier geht es nicht um die Berücksichtigung einer tatsächlichen Änderung, für welche die Befristung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG eine abschließende Sonderregelung enthält, sondern (auch) um die Anwendung neuer rechtlicher Erkenntnisse auf ein abgeschlossenes Verfahren. Insoweit erscheint es nicht von vornherein als undenkbar, dass für Fälle der vorliegenden Art Raum für die Anwendung des § 49 LVwVfG sein könnte.
45 
2. In Bezug auf die höchst hilfsweise begehrte Befristung ist die Klage unzulässig. Denn es fehlt insofern an einem vorherigen Antrag bei der Verwaltung und demzufolge auch an der Durchführung eines Verwaltungs- und eines Vorverfahrens. Grundsätzlich muss nach § 68 VwGO auch bei einem Hilfsantrag ein entsprechendes Verwaltungs- und Vorverfahren durchgeführt worden sein, falls nicht die Voraussetzungen des § 75 VwGO vorliegen. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Der in dem Schriftsatz vom 4.2.2005 an das Regierungspräsidium Stuttgart gestellte Befristungsantrag ist ausdrücklich unter einer aufschiebenden Bedingung (für den Fall, dass der Kläger abgeschoben werde) gestellt worden. Da diese Bedingung nicht eingetreten ist, liegt auch keine Untätigkeit des Beklagten vor. Allein aus Gründen der Prozessökonomie darf die Anwendung zwingenden Verfahrensrechts nicht unterbleiben. Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Verwaltung, sich mit den Ansprüchen zu befassen, die ein Bürger geltend macht. Gerichte sind dazu berufen, das Handeln der Verwaltung auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, nicht aber dazu, sich an deren Stelle zu setzen und originär über erstmals vor Gericht geltend gemachte Ansprüche zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.1.1986 - 5 C 36/84 -, NVwZ 1987, 412; OVG Nordr.-Westf., Urteil vom 7.11.1996 - 7 A 4820/95 -; OVG Saarl., Beschluss vom 22.6.1994 - 3 W 1/94 -; Senatsbeschluss vom 19.2.2008 - 13 S 2774/07 -, juris).
46 
Zudem fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers, weil der nunmehr ohne Bedingung verfolgte Hilfsantrag über das Begehren im Verwaltungsverfahren hinausgeht. Denn solange der Kläger diesen Antrag der Behörde nicht unterbreitet hat, lässt sich nicht feststellen dass er überhaupt auf gerichtlichen Rechtsschutz angewiesen ist. Es lässt sich auch nicht sagen, dass ein solcher Antrag von vornherein aussichtslos wäre. Die Behörde hat sich im vorliegenden Rechtsstreit in der Sache nicht auf das Begehren des Klägers eingelassen, so dass es offen ist, ob und inwieweit sie einem unbedingten Befristungsantrag entsprechen würde. Der Kläger müsste folglich zunächst einen derartigen Antrag beim Beklagten stellen und könnte nur dann, wenn dieser ganz oder teilweise abgelehnt wird, verwaltungsgerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.
47 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
48 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
49 
Beschluss vom 18. Juni 2008
50 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
51 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
30 
Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Klage ist in Bezug auf das mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag verfolgten Begehren nicht begründet.
31 
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt, dass Gegenstand des Hauptantrags allein die Rücknahme der Ausweisung ist. Der Kläger hat indes weder einen Anspruch auf eine Rücknahme der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 noch kann er verlangen, dass die Behörde über seinen entsprechenden Antrag erneut entscheidet und hierbei die Rechtsauffassung des Gerichts beachtet (vgl. § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO), denn die Voraussetzungen einer Rücknahme § 48 Abs. 1 LVwVfG liegen nicht vor (1.). Bezüglich des höchst hilfsweise gestellten Antrags auf Befristung der Wirkungen der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 ist die Klage unzulässig (2.).
32 
1. a) Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig. Insbesondere steht ihr nicht die Rechtskraft der Gerichtsentscheidungen entgegen, mit denen die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung vom 24.2.2000 gerichtlich bestätigt worden ist. Es liegt hier kein Fall vor, in dem die Behörde oder das Gericht schon gehindert ist, überhaupt eine neue Sachentscheidung zu treffen. Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Dies bedeutet, dass sich die Bindungswirkung nicht auf alle Urteilselemente, sondern nur auf den Entscheidungssatz erstreckt. § 121 VwGO ist nicht zu entnehmen, dass die Bindung nur für identische Streitgegenstände gilt. Allerdings unterscheidet sich die Bindungswirkung je nachdem, ob es sich um einen identischen oder einen anderen Streitgegenstand handelt. Bei identischen Streitgegenständen ist der Folgeprozess - oder eine neue Behördenentscheidung - wegen entgegenstehender Rechtskraft bereits unzulässig. Die Rechtskraft wirkt hier als Prozesshindernis und hindert bereits jede abweichende neue Sachentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.5.1994 - 9 C 501/93 -, BVerwGE 96, 24 ff.; OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 6.12.2007 - 15 A 3294/07.A -, Ls. in DVBl. 2008, 133; vgl. auch Senatsbeschluss vom 5.3.2008 - 13 S 58/08 -). Ein solcher vollkommen identischer Streitgegenstand liegt hier jedoch nicht vor, da der in diesem Verfahren geltend gemachte Anspruch auf die Rücknahme einer Ausweisungsverfügung nach §§ 51 Abs. 5, 48 Abs. 1 LVwVfG nicht identisch mit deren damaliger Anfechtung ist.
33 
b) Der Hauptantrag ist unbegründet. Es fehlt an den tatbestandlichen Voraussetzungen der begehrten Rücknahme auf der Grundlage des § 48 Abs. 1 LVwVfG. Nach dieser Vorschrift können nur rechtswidrige Verwaltungsakte zurückgenommen werden. Für das vorliegende Verfahren ist jedoch bindend von einer rechtmäßigen Ausweisung auszugehen. Aufgrund der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24.4.2001 - 5 K 1684/00 -, die bezüglich der Ausweisung durch die Ablehnung des Berufungszulassungsantrags des Klägers mit Beschluss des erkennenden Gerichtshofs vom 14.8.2001 - 10 S 1409/01 - eingetreten ist, ist gemäß § 121 Nr. 1 VwGO für das vorliegenden Verfahren für beide Beteiligte bindend davon auszugehen, dass die damalige Ausweisung rechtmäßig ist.
34 
Auch bei fehlender Identität der Streitgegenstände kann eine Bindungswirkung nach § 121 VwGO eintreten. Dies gilt für die Konstellationen, in denen die rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist (präjudizielle Rechtskraft). Denn Zweck des § 121 VwGO ist es zu verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die bereits durch Urteil entscheiden worden ist, bei unveränderter Sach- und Rechtslage erneut - mit der Gefahr unterschiedlicher Ergebnisse - zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.9.2001 - 1 C 7/01 -, BVerwGE 115, 118 = NVwZ 2002, 345; OVG Nordrh.-Westf., a.a.O.; Senatbeschluss, a.a.O.). Die Wirkung der Rechtskraft auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde gegenüber demselben Betroffenen rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992 - 1 C 12/92 -, BVerwGE 91, 256). Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage wird festgestellt, dass der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts besitzt und dieser ihn nicht in solchen Rechten verletzt, deren Verletzung seine Aufhebung zur Folge haben müssten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 121 Rn. 21). Begehrt ein Kläger die Rücknahme einer Behördenentscheidung, deren Rechtmäßigkeit durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist, steht diesem Begehren die Rechtskraft des Urteils entgegen (Nds. OVG, Beschluss vom 6.9.2002 - 8 LA 126/02 -, juris; vgl. auch OVG Saarl., Beschluss vom 16.7.1999 - 2 Q 22/99 -, juris).
35 
Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt allerdings dann nicht ein, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat (BVerwG, ebd. sowie BVerwGE 14, 359 <362 f.>; 35, 234 <236>; BVerfGE 47, 146 <165>). Eine solche Fallkonstellation ist hier jedoch nicht gegeben. Die Rechtskraftwirkung entfällt nicht schon dann, wenn - wie hier - im Vorprozess eine Ausweisungsverfügung aus sachlichrechtlichen Gründen bestätigt worden ist, die sich im Lichte einer späteren Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung möglicherweise als nicht stichhaltig erweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.). Eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage, liegt mit anderen Worten nicht schon dann vor, wenn sich lediglich die Erkenntnislage oder deren Würdigung ändert (insoweit wohl auf die vorliegende Konstellation übertragbar: BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 9 C 12/00 -, BVerwGE 112, 80 = NVwZ 2001, 335).
36 
Diese Rechtskraftwirkungen treten auch dann ein, wenn sich die im Vorprozess obsiegende Behörde wie im vorliegenden Fall nicht auf deren Bindungswirkungen beruft, sondern selbst die Rechtmäßigkeit der Erstverfügung überprüft und hiernach davon ausgeht, der ursprüngliche Verwaltungsakt sei (nach heutiger Erkenntnislage) rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht hat - insoweit nicht tragend - ausgeführt, die im Vorprozess obsiegende Behörde sei durch die Rechtskraftwirkung allein nicht gehindert, unter Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung auf die Durchsetzung des von ihr erlassenen belastenden Verwaltungsaktes zu verzichten oder den begehrten begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen; die Rechtskraft wirke nur zugunsten, nicht zuungunsten der obsiegenden Partei (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.; Kopp/Schenke, a.a.O., Rn. 13 und 21).
37 
Diese Auffassung vermag jedoch jedenfalls insoweit dogmatisch nicht zu überzeugen, als sie die Wirkungen der Rechtskraft im Folgeprozess davon abhängig macht, ob sich der im Erstprozess obsiegende Beteiligte auf sie beruft. Die Ansicht, dass die Rechtskraft und deren Wirkungen zur Disposition eines Beteiligten stehen sollen, beruht wohl auf der Übernahme zivilprozessualer Grundsätze, die ihrerseits durch die Dispositionsbefugnis der Parteien im Zivilprozess gerechtfertigt sind. Da die Parteienherrschaft im Verwaltungsprozess jedoch weit weniger ausgeprägt ist, kann es dort nicht zulässig sein, dass ein Beteiligter auf die Wirkungen der Rechtskraft für den Folgeprozess verzichtet - sei es bewusst oder auch weil er sich (wie wohl hier) dieser Wirkungen gar nicht bewusst ist. Die Rechtskraft dient den objektiven Belangen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Neue Verfahren und widerstreitende gerichtliche Entscheidungen über dieselbe Streitsache sollen verhindert werden. Dabei wird die Möglichkeit, dass infolge der Rechtskraft eine unrichtige Entscheidung maßgeblich bleibt, grundsätzlich geringer gewertet als die Rechtsunsicherheit, die ohne die Rechtskraft bestehen würde. Die Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO tritt unabhängig davon ein, ob das rechtskräftige Urteil die Sach- und Rechtslage zutreffend gewürdigt hat oder nicht (BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O. m.w. Nachw., Urteil vom 31.7.2002 - 1 C 7.02 - NVwZ 2003 Beilage I 1, 1-2). Dient die Rechtskraft hiernach primär den objektiven Belangen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit und der Vermeidung widerstreitender gerichtlicher Entscheidungen, ist nicht erklärbar, weshalb ein Beteiligter die Befugnis haben sollte, über diese ihm nicht zustehenden Belange zu verfügen. Erst recht gilt dies dann, wenn wie hier die Behörde (bzw. deren Träger) von der Rechtskraft begünstigt wäre. Denn die Verwaltung ist an das geltende Recht gebunden und kann daher nicht nach Belieben auf die Wirkungen der Rechtskraft für den Folgeprozess verzichten (vgl. Maurer, JZ 1993, 574; s. auch Erfmeyer, DVBl. 1997, 27).
38 
Auch das Bundesverwaltungsgericht scheint davon auszugehen, dass die Rechtskraft eines Urteils, mit dem die Anfechtungsklage gegen eine Ausweisungsverfügung abgewiesen wurde, deren Rücknahme entgegenstehen kann. In seinem Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 - hat es - insoweit allerdings nicht tragend - ausgeführt, in dem dort entschiedenen Fall stehe § 121 VwGO der gerichtlichen Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausweisung im Rahmen des § 48 LVwVfG nicht entgegen, weil sie der dortige Kläger nicht angefochten habe (juris, Rn. 17; vgl. auch - allerdings ohne nähere Begründung - VG Karlsruhe, Urteil vom 17.4.2008 - 2 K 3360/07 -, juris).
39 
Die mit der Rechtskraftwirkung verbundene Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber anderen Ausländern, die eine Ausweisung nicht vor Gericht angefochten haben, ist entgegen seiner in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung nicht ungerechtfertigt. Sie beruht auf der Natur der Sache. Die Wirkungen der Rechtskraft können nach § 121 Nr. 1 VwGO immer nur zugunsten oder zulasten desjenigen eintreten, der als Beteiligter eines gerichtlichen Verfahrens ein rechtskräftiges Urteil erwirkt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O., juris Rn. 16).
40 
Diese Grundsätze werden - die Freizügigkeitsberechtigung des Klägers und einen Verstoß der Ausweisung gegen Gemeinschaftsrecht zu seinen Gunsten unterstellt - durch Gemeinschaftsrecht nicht modifiziert. Der Europäische Gerichtshof respektiert die Bestandskraft eines Verwaltungsakts als Ausprägung der Rechtssicherheit, die zu den im Gemeinschaftsrecht anerkannten Grundsätzen zählt (vgl. EuGH, Urteil vom 13.1.2004 - C-453/00 - Kühne u. Heitz -, Slg. 2004 I, 837 = NVwZ 2004, 459 Rn. 24). Die in dieser Entscheidung entwickelten Voraussetzungen eines Rücknahmeanspruchs im Anschluss an eine rechtskräftige, die Vorlagepflicht verletzende letztinstanzliche Gerichtsentscheidung sind hier nicht gegeben. Der in Art. 10 EG verankerte Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet hiernach eine Verwaltungsbehörde auf entsprechenden Antrag hin, eine bestandskräftige Verwaltungsentscheidung zu überprüfen, um der mittlerweile vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung der einschlägigen Bestimmung Rechnung zu tragen, wenn
41 
- die Behörde nach nationalem Recht befugt ist, diese Entscheidung zurückzunehmen,
- die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts bestandskräftig geworden ist,
- das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war, und
- der Betroffene sich, unmittelbar nachdem er Kenntnis von der besagten Entscheidung des Gerichtshofes erlangt hat, an die Verwaltungsbehörde gewandt hat.
42 
Hier fehlt es zumindest an der dritten Voraussetzung, dass das Urteil, wie eine nach seinem Erlass ergangene Entscheidung des Gerichtshofes zeigt, auf einer unrichtigen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die erfolgt ist, ohne dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht wurde, obwohl der Tatbestand des Artikels 234 Absatz 3 EG erfüllt war. Denn der damals zuständige 10. Senat des erkennenden Gerichtshofs war nicht berechtigt oder gar verpflichtet, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen. Der Kläger hatte in seinem damaligen Zulassungsantrag allein geltend gemacht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, da das Verwaltungsgericht seine persönlichen Belange nicht zutreffend gewürdigt habe, denn er habe nicht nur bei der Überführung anderer Rauschgifthändler mitgewirkt, sondern sei tragender Zeuge in einem anhängigen Mordprozess; seine Unterstützung in diesem Verfahren und die gegen ihn ausgesprochenen Morddrohungen ließen eine Ausweisung als unbillige Härte erscheinen; im übrigen werde auf die Begründung der Klage hingewiesen. Mit diesem Vorbringen hatte der Kläger keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu den europarechtlichen Voraussetzungen der gegen ihn verfügten Ausweisung dargelegt.
43 
Auch wenn der Europäische Gerichtshof (Urteil vom 12.2.2008 - C-2/06 -Kempter, DÖV 2008, 505, Rn. 44 und 45; s. auch Weiß, DÖV 2008, 47) mittlerweile wohl nicht mehr primär auf eine Verletzung der Vorlagepflicht abstellt, sondern darauf, ob das in letzter Instanz entscheidende nationale Gericht einen gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkt hätte aufgreifen dürfen oder müssen, ergibt sich für den vorliegenden Fall nicht anderes. Der 10. Senat des erkennenden Gerichtshofs war im damaligen Berufungszulassungsverfahren nicht berechtigt, gemeinschaftsrechtliche Gesichtspunkte zu prüfen, nachdem sie der Kläger in seinem damaligen Zulassungsantrag nicht erwähnt hatte. Denn anders als im Berufungsverfahren existiert im Berufungszulassungsverfahren keine umfassende Pflicht des Oberverwaltungsgerichts bzw. des Verwaltungsgerichtshofs zur Amtsaufklärung. Vielmehr ist nach der maßgeblichen nationalen Vorschrift des § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Berufung nur zuzulassen, wenn ein Zulassungsgrund dargelegt wird (und vorliegt). Daher können bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung grundsätzlich nur solche Gründe berücksichtigt werden, auf die sich der Rechtsmittelführer fristgerecht beruft (Kopp/Schenke, a.a.O., § 124a Rn. 50).
44 
Es kann dahingestellt bleiben, ob ausnahmsweise eine Durchbrechung der Rechtskraft dann geboten ist, wenn die Aufrechterhaltung des durch die Vorentscheidung geschaffenen Zustandes schlechthin unerträglich wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 8.12.1992, a.a.O.). Eine solche Situation besteht im vorliegenden Fall nicht. Schwere und unerträgliche Folgen für den Ausländer können im Regelfall im Rahmen einer Entscheidung über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG vermieden werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man annimmt, dass eine Befristung - abweichend von dem Wortlaut von Satz 4 dieser Vorschrift - auch auf einen Zeitpunkt vor der Ausreise des Ausländers erfolgen kann, falls z.B. die Wertentscheidungen der Art. 6 GG, Art. 8 EMRK oder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dies erfordern (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 24.7.2007 - 1 K 1505/06 - m.w. Nachw., juris; s. auch Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 3. Aufl. 2007, Rn. 485 ff.). Außerdem ist es durchaus fraglich, ob die Auffassung des Beklagten zutrifft, wonach auch in der vorliegenden Konstellation der Widerruf nach § 49 Abs. 1 LVwVfG ausgeschlossen sein soll. Denn hier geht es nicht um die Berücksichtigung einer tatsächlichen Änderung, für welche die Befristung nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG eine abschließende Sonderregelung enthält, sondern (auch) um die Anwendung neuer rechtlicher Erkenntnisse auf ein abgeschlossenes Verfahren. Insoweit erscheint es nicht von vornherein als undenkbar, dass für Fälle der vorliegenden Art Raum für die Anwendung des § 49 LVwVfG sein könnte.
45 
2. In Bezug auf die höchst hilfsweise begehrte Befristung ist die Klage unzulässig. Denn es fehlt insofern an einem vorherigen Antrag bei der Verwaltung und demzufolge auch an der Durchführung eines Verwaltungs- und eines Vorverfahrens. Grundsätzlich muss nach § 68 VwGO auch bei einem Hilfsantrag ein entsprechendes Verwaltungs- und Vorverfahren durchgeführt worden sein, falls nicht die Voraussetzungen des § 75 VwGO vorliegen. Dies hat das Verwaltungsgericht zu Recht verneint. Der in dem Schriftsatz vom 4.2.2005 an das Regierungspräsidium Stuttgart gestellte Befristungsantrag ist ausdrücklich unter einer aufschiebenden Bedingung (für den Fall, dass der Kläger abgeschoben werde) gestellt worden. Da diese Bedingung nicht eingetreten ist, liegt auch keine Untätigkeit des Beklagten vor. Allein aus Gründen der Prozessökonomie darf die Anwendung zwingenden Verfahrensrechts nicht unterbleiben. Grundsätzlich ist es zunächst Sache der Verwaltung, sich mit den Ansprüchen zu befassen, die ein Bürger geltend macht. Gerichte sind dazu berufen, das Handeln der Verwaltung auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen, nicht aber dazu, sich an deren Stelle zu setzen und originär über erstmals vor Gericht geltend gemachte Ansprüche zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.1.1986 - 5 C 36/84 -, NVwZ 1987, 412; OVG Nordr.-Westf., Urteil vom 7.11.1996 - 7 A 4820/95 -; OVG Saarl., Beschluss vom 22.6.1994 - 3 W 1/94 -; Senatsbeschluss vom 19.2.2008 - 13 S 2774/07 -, juris).
46 
Zudem fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse des Klägers, weil der nunmehr ohne Bedingung verfolgte Hilfsantrag über das Begehren im Verwaltungsverfahren hinausgeht. Denn solange der Kläger diesen Antrag der Behörde nicht unterbreitet hat, lässt sich nicht feststellen dass er überhaupt auf gerichtlichen Rechtsschutz angewiesen ist. Es lässt sich auch nicht sagen, dass ein solcher Antrag von vornherein aussichtslos wäre. Die Behörde hat sich im vorliegenden Rechtsstreit in der Sache nicht auf das Begehren des Klägers eingelassen, so dass es offen ist, ob und inwieweit sie einem unbedingten Befristungsantrag entsprechen würde. Der Kläger müsste folglich zunächst einen derartigen Antrag beim Beklagten stellen und könnte nur dann, wenn dieser ganz oder teilweise abgelehnt wird, verwaltungsgerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.
47 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
48 
Die Revision ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
49 
Beschluss vom 18. Juni 2008
50 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
51 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamtes vom 28.01.2005 für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Talquerung mit neuem Hauptbahnhof) und des Planfeststellungsbeschlusses derselben Behörde vom 19.08.2005 im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel).
Er ist Miteigentümer des Grundstücks Flst.Nr. 1322 der Gemarkung Stuttgart. Das Grundstück befindet sich am Übergang der Planfeststellungsabschnitte 1.1 und 1.2, die bestandskräftig planfestgestellt sind. Es wird für das Vorhaben zu einem geringen Teil dauerhaft und zum überwiegenden Teil vorübergehend in Anspruch genommen, teilweise wird es dinglich beschränkt. Auf dem Grundstück ist die Einfahrt zum sog. Fildertunnel geplant. Das auf dem Grundstück stehende Wohngebäude S... Straße ..., in dem sich die Wohnung des Klägers befand, ist im Oktober 2013 abgerissen worden, nachdem die Beigeladene vorzeitig in den Besitz des Grundstücks eingewiesen worden und ein Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die vorzeitige Besitzeinweisung erfolglos geblieben war (Beschluss des Senats vom 19.09.2013 - 5 S 1546/13 -, juris und nachfolgend: BVerfG, Beschluss vom 20.09.2013 - 1 BvQ 41/13 -).
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 hatte der Kläger erfolglos Klage erhoben (Senatsurteil vom 06.04.2006 - 5 S 848/05 -). Den Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005 für den Planfeststellungsabschnitt 1.2 hatte der Kläger nicht angefochten; er hatte im Anhörungsverfahren auch keine Einwendungen erhoben. Im Mai 2012 beantragte der Kläger beim Eisenbahn-Bundesamt, den Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 aufzuheben. Seinen im Juni 2012 zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte der Senat mit Beschluss vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) ab. Seine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614/1 -, juris). Seine ebenfalls gegen den Beschluss des Senats vom 08.08.2012 erhobene Anhörungsrüge hat der Senat mit Beschluss vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) zurückgewiesen.
Bereits am 10.12.2012 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, ihm stehe ein Anspruch auf Aufhebung in Form eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG der Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.1 und 1.2 zu, weil es aufgrund neu eingetretener Tatsachen an einem positiven Gesamturteil für das Projekt „Stuttgart 21“ fehle. Denn wegen dieser neuen Tatsachen könnten die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.3 und 1.6b nicht mehr erlassen werden. Ohne diese Planfeststellungsbeschlüsse könne das Gesamtprojekt jedoch nicht verwirklicht werden. Die Abschnitte 1.3 und 1.6b seien mangels Planrechtfertigung nicht genehmigungsfähig, denn das Gesamtprojekt stelle wegen fehlender Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs einen planerischen Missgriff dar und zudem sei seine Finanzierung ausgeschlossen.
Dr. Engelhardt habe in seinen Stellungnahmen vom 07.06.2012 und vom 06.06.2014 nachgewiesen, dass die Kapazität des derzeitigen Kopfbahnhofs von 50 Zügen pro Stunde auf 32 Züge pro Stunde sinke, wenn das Projekt eines Durchgangsbahnhofs verwirklicht werde. Damit werde das Projektziel der Leistungssteigerung nicht erreicht; im Gegenteil sinke die Leistung. Die Prognosen der Gutachter der Bahn, die von einer “ausreichenden und zukunftssicheren Bemessung des Projekts Stuttgart 21“ ausgingen, seien fehlerhaft. Gleiches gelte für den sog. Stresstest. Dr. Engelhardt habe nachgewiesen, dass die Feststellung der Leistungsfähigkeit auf einer Auslegungsleistung von nur 32 Zügen beruhe. Bereits das vom Senat im Verfahren - 5 S 848/05 - als maßgeblich bezeichnete „Szenario A“, der Fahrplan also, zu dessen Umsetzung „S 21“ ausgelegt und bemessen worden sei, sehe in der Spitzenstunde lediglich 32 Züge vor, wie sich aus dem Urteil des Senats vom 06.04.2006 ergebe.
Da die für die Beigeladene tätigen Gutachter den wahren Sachverhalt eines Kapazitätsrückbaus verschleiert und damit verhindert hätten, dass der „geplante Engpass“ von ihm selbst und vom erkennenden Senat habe erkannt werden können, liege ein Beweisnotstand vor. Ein solcher Beweisnotstand habe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folge, dass die ihm erst nach Abschluss des Vorprozesses eröffnete Möglichkeit der Beschaffung neuer Beweismittel einer Änderung des Sachverhalts gleichstehe.
Die Planrechtfertigung sei zudem auch deshalb entfallen, weil die Finanzierung des Gesamtprojekts ausgeschlossen sei. Wegen der gesteigerten Kosten sei eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen worden. Diese verstoße wegen der finanziellen Beteiligung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG und sei nichtig. Als eigentumsrechtlich Betroffener habe er einen Anspruch auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Finanzierungsvertrages. Aus Art. 87e Abs. 3 und 4 GG folge, dass der Bund für den Bau und Erhalt des Schienennetzes zuständig sei. Die Zuständigkeit der Länder erstrecke sich nur auf das Verkehrsangebot des Schienenpersonennahverkehrs, also auf die Beförderungsleistung auf den Schienen. Das Projekt „S 21“ gehöre zur Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes, weil es den Bahnknoten Stuttgart in die Aus- und Neubaustrecke Stuttgart-Augsburg einbinde. Diese Einbindung müsste auch ohne den Bau von „S 21“ vorgenommen werden. Eine finanzielle Beteiligung des Landes verstoße daher gegen Art. 104a GG, weil dem Finanzierungsanteil kein Aufgabenanteil entspreche. Die Verfassungswidrigkeit der Landesbeiträge führe zur Nichtigkeit der entsprechenden Klauseln in den Finanzierungsverträgen, die Zahlungspflichten der Landesseite vorsähen. Die Nichtigkeit führe wiederum zu einer Finanzierungslücke in entsprechender Höhe, denn weder die Vorhabenträgerin noch der Bund hätten eine Bereitschaft erklärt, bei einem Ausfall der Landesfinanzierung für die Mehrkosten einzustehen. Beide hätten im Gegenteil erklärt, keine weiteren Anteile zu leisten.
Die Planrechtfertigung fehle schließlich auch deshalb, weil der Plan für den Abschnitt 1.3 ohnehin nicht festgestellt werden könne. Dies habe das Eisenbahn-Bundesamt der Vorhabenträgerin mit Schreiben vom 13.01.2006 mitgeteilt, das ihm seinerzeit vorenthalten worden sei. Wegen dieses Vorenthaltens habe er sich im Vorprozess im Beweisnotstand befunden. Ohne den Abschnitt 1.3 entfalle aber das für das Projekt erforderliche „vorläufige positive Gesamturteil“.
Aufgrund der neuen Tatsachen wäre das Eisenbahn-Bundesamt nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.1 und 1.2 nicht zu erlassen. Außerdem werde angesichts seiner eigenen Eigentumsbeeinträchtigung sowie derer zahlreicher anderer Betroffener ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet. Ihm stehe ein Anspruch auf Widerruf zu, weil das durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG eröffnete Ermessen auf Null reduziert sei.
10 
Die genannten Gründe erfüllten im Übrigen auch die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG. Schließlich stehe ihm auch ein Anspruch auf Rücknahme nach § 48 VwVfG zu.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
1. die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Talquerung mit neuem Hauptbahnhof) vom 28.01.2005 und den Planfeststellungsbeschluss im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) vom 19.08.2005 aufzuheben,
13 
2. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag an das Eisenbahn-Bundesamt vom 06.05.2012 unter Aufhebung der unter Nr.1 genannten Planfeststellungsbeschlüsse und Erlass einer Baustoppverfügung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
14 
3. hilfsweise - unabhängig vom Hilfsantrag zu 2 - die Beklagte zu verpflichten, eine Nebenbestimmung zu den unter Nr. 1 genannten Planfeststellungsbeschlüssen mit folgendem Inhalt zu erlassen:
15 
Die Bauarbeiten auf dem Grundstück S... Straße ..., ... Stuttgart dürfen erst fortgesetzt werden, wenn die Planfeststellungsbeschlüsse zu den Planfeststellungsabschnitten 1.3 (Filderbereich) und 1.6b (Abstellbahnhof) unanfechtbar geworden sind.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit der Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 1.1 betroffen sei. Der Klage stehe die Rechtskraft des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses des Senats vom 13.08.2012 entgegen. Die Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 und die Zuschussvereinbarung für die Neubaustrecke vom gleichen Tag seien zumindest der Sache nach Gegenstand des Beschlusses gewesen. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht vorlägen. Das Eisenbahn-Bundesamt wäre nicht berechtigt, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Es sei nach wie vor beabsichtigt, das Projekt zu verwirklichen und es sei objektiv realisierbar. Gegenüber dem bislang zugrunde gelegten Sachverhalt ergebe sich nichts Neues. Die Finanzierung des Projekts sei nicht ausgeschlossen, wie gerade die neue Finanzierungsvereinbarung zeige. Die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs sei zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses durch Gutachten, insbesondere jenes des Prof. Dr. Schwanhäuser belegt gewesen. Eine fehlerhafte Tatsachengrundlage bei der Erstellung des Gutachtens sei nicht zu erkennen gewesen. Das Eisenbahn-Bundesamt habe daher davon ausgehen dürfen, dass die Sachverständigenausführungen zutreffen, und dürfe auch weiter davon ausgehen.
19 
Soweit sich die Klage auf den Planfeststellungsabschnitt 1.2 beziehe, sei sie unbegründet. Nach dem Urteil des Senats vom 08.02.2007 (5 S 2224/05) stehe fest, dass auch bezüglich des Planfeststellungsabschnitts 1.2 die Finanzierung gesichert sei. Die nun vorgetragenen Tatsachen (Vereinbarungen vom 02.04.2009 und neue Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit) belegten nicht, dass die Finanzierung entweder nicht mehr beabsichtigt oder objektiv nicht möglich sei.
20 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit sie den Planfeststellungsabschnitt 1.2 betreffe, da der Kläger keinen entsprechenden Aufhebungsantrag beim Eisenbahn-Bundesamt gestellt habe. Außerdem sei er nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG a.F. materiell präkludiert, da er im Anhörungsverfahren zum Planfeststellungsabschnitt 1.2 keine Einwendungen erhoben habe.
23 
Dem Aufhebungsanspruch stehe im Übrigen die Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 (5 S 848/05) entgegen. § 49 VwVfG könne die Rechtskraft nicht durchbrechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überwinde § 49 VwVfG nur die Bestandskraft. Zudem erweise sich der Widerruf nur als ultima ratio und sei auf Beeinträchtigungen von Leben und Gesundheit beschränkt. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nicht vor, da tatsächlich keine Änderungen eingetreten seien. Das bloße Bekanntwerden von Umständen, die bereits vor Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen hätten, dabei aber nicht berücksichtigt worden seien, genüge nicht.
24 
Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs trage der Kläger keine neuen Tatsachen vor. Die Gutachten der Professoren Heimerl, Schwanhäuser und Martin seien bereits im Planfeststellungsverfahren zum Abschnitt 1.1 in Zweifel gezogen worden. Zudem habe sie auch der Kläger im Klageverfahren vor dem VGH Baden-Württemberg - 5 S 848/12 - beanstandet. Die Kritik des Herrn Dr. Engelhardt, über dessen fachliche Qualifikation der Beigeladenen keine Informationen vorlägen, sei keine neue Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Sie sei auch nicht als neue wissenschaftliche Erkenntnis zu werten. Dies würde voraussetzen, dass die Erkenntnisse ein gewisses Maß an fachwissenschaftlicher Anerkennung gefunden hätten und so weit fortgeschritten seien, um eine zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts herrschende Auffassung abzulösen. Daran fehle es hier. Dr. Engelhardt sei nur eine Stimme, die die in mehreren Gutachten niedergelegten Erkenntnisse renommierter Fachwissenschaftler in Zweifel ziehe. Dies könne nicht dazu führen, dass die bei Erlass des Verwaltungsakts vorhandenen Erkenntnisse nunmehr allgemein anders bewertet würden oder zu bewerten seien.
25 
Auch im Hinblick auf die Finanzierung des Projekts Stuttgart 21 lägen keine neuen Tatsachen vor. Die Finanzierung sei nicht ausgeschlossen, sodass auch die Planrechtfertigung nicht in Frage stehe. Für Kostensteigerungen jenseits des „Kostendeckels“ sähen die Finanzierungsvereinbarungen vom 02.04.2009 eine sog. Sprechklausel vor. Dass einzelne Finanzierungspartner hierzu bereits eine bestimmte Haltung formuliert hätten, führe nicht dazu, dass die Finanzierung ausgeschlossen wäre. Denn entsprechende Gespräche seien noch nicht geführt worden. Ihr Ergebnis könne nicht aufgrund jetziger politischer Verlautbarungen sicher prognostiziert werden. Außerdem habe die Beigeladene stets die Möglichkeit, Mehrkosten selbst zu übernehmen, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein.
26 
Die Finanzierungsvereinbarung sei auch nicht nichtig. Sie verstoße nicht gegen Art. 104a Abs. 1 GG, weil die DB Netz AG als Vorhabenträgerin des Projekts Stuttgart 21 in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht nicht dem Bund zuzuordnen sei. Bei dem Projekt handele es sich um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn als Wirtschaftsunternehmen. Die DB Netz AG nehme keine Verwaltungsaufgaben des Bundes wahr. Folglich falle das Projekt nicht in den Anwendungsbereich des Art. 104a Abs. 1 GG. Dies habe wiederum zur Folge, dass sich aus Art. 104a Abs. 1 GG keine Bedenken gegen den Abschluss von Finanzierungsvereinbarungen herleiten ließen, durch die sich einzelne Länder oder Kommunen zur anteiligen Finanzierung dieser Infrastrukturprojekte verpflichteten. Die finanzverfassungsrechtliche Kritik an der Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 verkenne die Folgen der in Art. 87e Abs. 3 GG vorgegebenen Privatisierung der Eisenbahninfrastruktur.
27 
Unabhängig davon würden öffentliche Interessen ohne den Widerruf nicht gefährdet werden. Insoweit reichten Vermögensinteressen Einzelner, wie die des Klägers, nicht aus. Soweit es sich um die Beeinträchtigung individueller Rechtspositionen handele, könnte nur eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit eine Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen. Erst recht sei das durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG eröffnete Widerrufsermessen nicht auf Null reduziert.
28 
Die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge hat der Senat abgelehnt; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
29 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der zur Sache gehörenden Gerichts- und Behördenakten sowie der Gerichtsakten in den Verfahren 5 S 848/05, 5 S 1200/12 und 5 S 1812/12 verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
30 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag nur zum Teil zulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie nicht begründet. Mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag ist die Klage zwar zulässig, aber ebenfalls nicht begründet.
A.
31 
Die auf Verpflichtung zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse gerichtete Klage ist nur zum Teil zulässig.
I.
32 
Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 19.08.2005 für den Abschnitt 1.2 zu verpflichten, ist sie unzulässig, denn es fehlt an einem entsprechenden Aufhebungsantrag des Klägers beim Eisenbahn-Bundesamt.
33 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.11.2007 - 6 C 42.06 -, BVerwGE 130, 39) hängt die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist. Bei dem danach - auch hier - erforderlichen Antrag handelt es sich nicht um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müsste, sondern um eine im Prozess nicht nachholbare Klagevoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 24.02.1982 - 6 C 8.77 -, BVerwGE 65, 87). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben. Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 75 Rn. 5; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Eyermann/Rennert, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 75 Rn. 5). Ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 42 Rn. 6).
II.
34 
Die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 für den Abschnitt 1.1 gerichtete Klage ist dagegen zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 06.05.2012 auf Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses hat das Eisenbahn-Bundesamt zwar nicht entschieden. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt, denn es liegt kein zureichender Grund für die unterlassene Entscheidung vor.
35 
Der Kläger ist antragsbefugt, da er von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen ist. Das Rechtsschutzinteresse an der Klage ist auch durch den Abriss des Gebäudes nicht entfallen, denn der Kläger ist nach wie vor Miteigentümer des Grundstücks.
B.
36 
Soweit die Klage danach mit dem Hauptantrag zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 liegen nicht vor. Denn die Unterlassung der begehrten Aufhebung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte, dass das Eisenbahn-Bundesamt diesen Planfeststellungsbeschluss nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 VwVfG widerruft (dazu I. und II.), noch dass sie den Planfeststellungsbeschluss zurücknimmt (dazu III.).
I.
37 
Der Anwendungsbereich des § 49 VwVfG ist eröffnet, nachdem aufgrund des Senatsurteils vom 06.04.2006 feststeht, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist (vgl. zur Anwendbarkeit des § 49 VwVfG im Planfeststellungsverfahren BVerwG, Urteil vom 21.05.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6). Die Anwendbarkeit scheitert entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht von vornherein an der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Nach § 121 Nr. 1 VwGO bindet zwar ein rechtskräftiges Urteil die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Rechtsbeständigkeit gerichtlicher Entscheidungen folgt aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, das Verfassungsrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131,20; Entscheidung vom 14.03.1963 -, 1 BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313). Ändert sich aber später die dem Urteil zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage, so liegt bei einem erneuten Rechtsstreit ein anderer Streitgegenstand vor, der von der Rechtskraft des früheren Urteils nicht umfasst wird (Kopp/Schenke, a.a.O., § 121 Rn. 28 m.w.N.d.Rspr.), denn die Sachlage ist Teil des Klagegrundes und damit des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 116), wenn es mit anderen Worten für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Eine Änderung der Sachlage liegt jedoch nicht vor, wenn sich nachträglich neue Erkenntnisse über zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandene Tatsachen oder im rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigte Beweismittel finden, oder wenn der Beteiligte sein Vorbringen aufgrund neuer Beweismittel „besser“ beweisen kann (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 117 m.w.N.d.Rspr.).
38 
Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Fall trotz Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG grundsätzlich möglich, weil er tatbestandlich voraussetzt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die Behörde berechtigten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen.
39 
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beigeladenen, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in den Fällen, in denen bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, stets nur dann in Betracht komme, wenn die Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit betroffen seien. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht den Anwendungsbereich dieser Regelung in seinem von der Beigeladenen zitierten Urteil vom 21.05.1997 (a.a.O.) nicht in dieser Weise beschränkt. Denn die Entscheidung betraf einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, d.h. einen Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich wesentlich von denen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Insbesondere setzt ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG - anders als ein solcher nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG - nicht voraus, dass neue Tatsachen eingetreten sind.
40 
Die Voraussetzungen für den vom Kläger begehrten Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen jedoch nicht vor.
41 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
42 
Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an nachträglich eingetretenen Tatsachen, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der Kläger meint zwar, die Planrechtfertigung für den Abschnitt 1.1 sei entfallen, weil das Gesamtprojekt „Stuttgart 21“ nicht verwirklicht werden könne. Denn es sei eine neue Tatsache, dass die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.3 und 1.6b nicht erlassen werden könnten, weil die Leistungsfähigkeit des Hauptbahnhofs 1.1 seinerzeit fehlerhaft festgestellt worden, die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen gewesen sei und es an einem „vorläufigen positiven Gesamturteil“ gefehlt habe. Mit dieser Ansicht verkennt der Kläger jedoch die Bedeutung der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Denn die Fragen der Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs und der Finanzierung sowie der Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts sind darin geklärt worden.
43 
Die Rechtskraft dieser Entscheidung würde nur dann nicht entgegen stehen, wenn hinsichtlich der genannten Fragen ein Sachverhalt vorläge, der von der Entscheidung nicht umfasst wäre. Es kann offen bleiben, ob ein solcher - von der Rechtskraft nicht erfasster - neuer Sachverhalt stets dann vorliegt, wenn neue Tatsachen gegeben sind, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen. Dafür mag vieles sprechen. Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht erfüllt sind. Es liegen weder in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs (dazu 1.), noch in Bezug auf die Finanzierung (dazu 2.) oder die Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts (dazu 3.) neue Tatsachen vor.
44 
1. Der vom Kläger als Beleg für die mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs ins Feld geführte Umstand, dass dieser nur für 32 Züge pro Stunde ausgelegt sei, ist keine solche neue Tatsache.
45 
a) Der Kläger trägt selbst vor, dass dies bereits aus dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten folge und zudem auch Eingang in das Urteil des Senats vom 06.04.2006 gefunden habe. Auf S. 37 (juris Rn. 58f.) ist dort ausgeführt, dass nach dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer der achtgleisige Durchgangsbahnhof für abgestimmte Betriebsprogramme mit 32 bis 35 Gleisbelegungen pro Stunde ausreiche, während das Betriebsszenario A nur durchschnittlich 25,5 Gleisbelegungen pro Stunde der Hauptverkehrszeit erwarten lasse. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Gutachter dem Durchgangsbahnhof für das Betriebsszenario A eine gute bis sehr gute Betriebsqualität bescheinigt habe. Die Bedarfsprognose sei unter den Beteiligten nicht streitig.
46 
Daraus folgt, dass die Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofs - entgegen dem Vortrag des Klägers - stets bekannt war. Dass sie ausreichend und zukunftssicher bemessen ist, wurde vom Kläger von Anfang an bestritten und war Gegenstand der Erörterung und der Befragung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens - 5 S 848/05 -. Der Kläger hat zwar seinerzeit nicht vorgetragen, die Kapazität des neuen Durchgangsbahnhofs (32 Züge) bleibe hinter derjenigen des bestehenden Kopfbahnhofs (50 Züge) zurück, worauf er nun maßgeblich abhebt. Auch insoweit liegt jedoch keine neue Tatsache vor. Denn der Kläger behauptet nicht, dass sich die Kapazität einer der beiden Bahnhöfe verändert habe. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich der Kapazitäten nur um eine neue Argumentation, die belegen soll, dass die Kapazität des neuen Bahnhofs entgegen der bisherigen Einschätzung doch nicht ausreichend bemessen sei. Dies stellt eine neue Bewertung unveränderter Tatsachen dar. Eine solche neue oder geänderte Bewertung genügt für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG jedoch nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 46; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 49 Rn. 47). Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung, dass Tatsachen auch dann vorlägen, wenn die Fakten eine rechtliche Bewertung im Rahmen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erforderten (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49 Rn. 60 und Gayer, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO Kommentar, 4. Aufl. 2007, Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 49 Rn. 44 unter Berufung auf OVG Berlin, Urteil vom 14.10.1998 - 1 B 67.95 -, NVwZ-RR 2000, 431 zum Widerruf nach § 47 Abs. 2 WaffG a.F.), steht der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Denn auch in dem vom OVG Berlin entschiedenen Fall handelte es sich im Ergebnis um eine neu entstandene Tatsachenlage (Änderung der Berufstätigkeit des dortigen Klägers), deren Bewertung zum Wegfall eines Tatbestandsmerkmals (waffenrechtliches Bedürfnis) führte.
47 
b) Angesichts der dargestellten Situation kann von einem „Beweisnotstand“, wie ihn der Kläger für sich reklamiert, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergab sich die Kapazität von 32 Zügen pro Stunde bereits aus dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag und das auch Gegenstand des Verfahrens 5 S 848/05 war. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie der Kläger behauptet - die Personenstromanalyse von Durth-Roos, aus der sich diese Kapazität ebenfalls ergebe, erst später bekannt geworden ist. Offen bleiben kann angesichts dessen auch, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für die besondere Situation im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung, wonach im Einzelfall eine Änderung der Sachlage auch kann eintreten kann, wenn ein Prozessbeteiligter wegen eines „Beweisnotstandes“ im Vorprozess erst nachträglich neue Beweismittel beschaffen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.1984 - 8 C 137.81 -, BVerwGE 70, 156), auch auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen ist.
48 
c) Es liegen auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs vor, die als neue Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einzustufen wären. Dies setzte voraus, dass aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bestimmte bereits vorhandene Tatsachen anders bewertet werden (BVerwG, Beschluss vom 16.07.1982 - 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 45). Die vom Kläger angeführten Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt vom 07.06.2012 und 06.06.2014 stellen jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, die neuen Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gleichzustellen wären. Hierzu ist nicht jede neue Erkenntnis eines Wissenschaftlers geeignet. Vielmehr muss die Erkenntnis Grundlage dafür sein, dass eine bestimmte bereits vorhandene Tatsache allgemein anders bewertet wird (Kopp/Ramsauer, a.a.O.; zur Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Planungsentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, juris Rn. 308). Denn eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, die geeignet ist, einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu begründen, ist abzugrenzen von der bloßen anderen Bewertung einer unveränderten Tatsache. Um letzteres handelt es sich bei den Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt. Sie stellen ein neues Beweismittel dar, mit dem der Kläger die früheren Gutachten zu entkräften versucht. Denn der Meinung von Herrn Dr. Engelhardt steht nach wie vor die Meinung der Gutachter der Beigeladenen entgegen. Neue Beweismittel genügen jedoch für einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht. Darin unterscheidet sich dieser Widerrufstatbestand entscheidend von der in § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgesehenen Möglichkeit, ein Verfahren wieder aufzugreifen. Diese wird im Planfeststellungsrecht durch § 72 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 5 S 1200/12 - vorgelegten Abschlussberichts der VIEREGG-RÖSSLER GmbH vom 27.10.2011, in dem ebenfalls eine höhere Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofs gegenüber dem geplanten Durchgangsbahnhof im Sinne einer höheren Kapazität pro Stunde errechnet wurde, ergibt sich kein anderes Bild. Allenfalls könnte dies als - weiterer - Beleg für eine kontroverse Beurteilung der Leistungsfähigkeit dienen, nicht jedoch als Nachweis, dass die Leistungsfähigkeit allgemein anders bewertet wird.
49 
2. Auch hinsichtlich der Finanzierung des Gesamtprojekts liegen keine neuen Tatsachen vor.
50 
Der Kläger meint, die Gesamtfinanzierung sei ausgeschlossen, weil die (neue) Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 aufgrund der vorgesehenen Beteiligung des Landes Baden-Württemberg verfassungswidrig sei. Der Kläger beruft sich auf das für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellte Gutachten von Prof. Meyer vom 03.11.2010. Nach dessen Ansicht verstößt die Mitfinanzierung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Zu gegenläufigen Ergebnissen kommen indes zum einen Gersdorf (ZG 2011, 248) und Pauly/Becker (NVwZ 2013, 334) und zum anderen Dolde/Porsch (NVwZ 2011, 833), wenngleich mit unterschiedlichen Ansätzen.
51 
Einer Erörterung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen streitigen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit und Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG - bedarf es hier jedoch nicht. Denn Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Finanzierungsvereinbarung, sondern der vom Kläger geltend gemachte Widerrufsanspruch nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. In diesem Rahmen ist zu entscheiden, ob neue Tatsachen vorliegen, die belegen, dass die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen ist, so dass - als rechtliche Folge - keine Planrechtfertigung (mehr) vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1999 - 4 A 12.98 -, NVwZ 2000, 555; Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, BVerwGE 84, 123). Dies ist nicht der Fall. Denn unabhängig davon, dass die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung des Projekts „Stuttgart 21“ äußerst kontrovers diskutiert wird und daher keine Rede davon sein kann, dass die Finanzierungsvereinbarung eindeutig als nichtig zu qualifizieren ist, würde das Projekt nicht schon dann an der Finanzierung scheitern und würde die Planrechtfertigung nicht schon dann fehlen, wenn die Finanzierungsvereinbarung tatsächlich nichtig wäre. Dies wäre vielmehr erst der Fall, wenn zugleich feststünde, dass auch eine andere Aufteilung der Kosten von vornherein ausscheidet, so dass nach der Vorstellung aller Finanzierungsbeteiligten das Projekt nicht zu verwirklichen wäre. Das ist derzeit nicht zu erkennen. Der Kläger meint zwar, den Äußerungen des Bundes und der Bahn, über die zugesagten Kostenbeteiligungen hinaus keine weiteren Beiträge zu leisten, entnehmen zu können, dass im Falle der Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung das Projekt nicht mehr verwirklicht werden könne. Diese Ansicht teilt der Senat jedoch nicht. Die Äußerungen sind vor dem Hintergrund der derzeitigen, geteilten Finanzierungsverantwortung zu sehen. Stünde zu irgendeinem Zeitpunkt die Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung rechtskräftig fest, sei es weil einzelne Finanzierungsträger sich überhaupt nicht beteiligen dürfen, sei es weil ihr Finanzierungsanteil gemessen an ihrem Aufgabenanteil zu hoch ist, müsste eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden. Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass hierzu die Bereitschaft fehlt. Die Beigeladene hat im Gegenteil in ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass sie - sogar ohne rechtliche Verpflichtung - nicht gehindert sei, höhere Kosten zu tragen. Bei dieser Situation und angesichts der großen Bedeutung des Projekts spricht derzeit nichts dafür, dass dessen Durchführung an der Finanzierung scheitern wird. Im Übrigen zeigen gerade die der ursprünglichen Finanzierungsvereinbarung folgenden Vereinbarungen, dass die Beteiligten willens sind, die Finanzierung sicherzustellen.
52 
3. Schließlich liegen auch keine neuen Tatsachen vor, die belegen, dass es am „vorläufigen positiven Gesamturteil“ des Projekts „Stuttgart 21“ fehlt, und zwar auch dann nicht, wenn die unter 1. dargestellte, im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Änderung der Sachlage in Fällen des „Beweisnotstandes“ auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen sein sollte. Denn ein Fall des Beweisnotstandes - wie ihn der Kläger für sich in Anspruch nimmt - liegt nicht vor. Der Kläger meint zwar, er hätte das Fehlen des „vorläufigen positiven Gesamturteils“ im Vorprozess beweisen können, wenn ihm das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13.01.2006 nicht vorenthalten worden wäre. Denn in diesem Schreiben teile das Eisenbahn-Bundesamt der beigeladenen Vorhabenträgerin mit, dass der Abschnitt 1.3 nicht genehmigungsfähig sei. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Abschnitts 1.3 habe zur Folge, dass das Gesamtprojekt nicht verwirklicht werden könne. Der Senat teilt die Ansicht des Klägers jedoch nicht. In dem Schreiben, das sich als Anlage ASt 2 bei den Akten des beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrens - 5 S 1200/12 - befindet, teilt das Eisenbahn-Bundesamt der Beigeladenen zwar mit, dass die Planfeststellungsunterlagen zum Abschnitt 1.3 in der vorgelegten Form nicht genehmigungsfähig seien. Die Mitteilung bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass der Plan für den Abschnitt 1.3 endgültig nicht festgestellt werden kann. Nur in diesem Fall würde der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen stehen mit der Folge, dass sowohl dessen Rechtfertigung als auch die der einzelnen Planfeststellungsabschnitte entfiele (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 - 7 A 4.12 -, BVerwGE 147, 184). Das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes betrifft indessen nur die seinerzeit vorgelegten Planunterlagen. Es schließt mit dem Hinweis, dass die Antragsunterlagen „zur Überarbeitung“ zurückgegeben würden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass mit dem Schreiben vom 13.01.2006 zu belegen gewesen wäre, dass der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen steht. Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nr. 20 nicht nachzugehen, mit dem der Kläger die Beiziehung und Verlesung des Schreibens vom 13.01.2006 beantragt hat. Der Antrag auf Beiziehung ist gegenstandslos, da sich das Schreiben bei den Akten befindet. Auf dessen wortgenauen Inhalt kommt es nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich an, so dass es auch keiner Verlesung bedurfte.
III.
53 
Der Kläger kann seinen geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 auch nicht auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Der Widerruf nach dieser Vorschrift ist auch dann möglich, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert hat, so z.B. wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Die Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall führte zu einer Durchbrechung des rechtskräftigen Urteils vom 06.04.2006. Es kann offen bleiben, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG tatsächlich eine für die Rechtskraftdurchbrechung hinreichende gesetzliche Grundlage darstellt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 78.88 -, BVerwGE 82, 272 und Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137).
54 
Dem Kläger steht jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Widerruf erforderlich ist, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Es müssen solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es - vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht - rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 54; Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 49 Rn. 34). In Betracht kommen Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.; Kugele, VwVfG, § 49 Rn. 12). Solche gewichtigen Gemeinwohlgründe liegen hier nicht vor. Insoweit reicht das Interesse der Allgemeinheit an der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel bei weitem nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.).
55 
Neben den genannten Gemeinwohlgründen können zwar auch gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG rechtfertigen. Ein Widerruf wegen einer Grundrechtsbeeinträchtigung ist daher auch dann möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1997, a.a.O.). Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar (BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24) und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282). Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O.). Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind im vorliegenden Fall jedoch nicht betroffen. Vielmehr beruft sich der Kläger auf die Beeinträchtigung seines eigenen, grundgesetzlich über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums und auf entsprechende Eigentumsbeeinträchtigungen weiterer Personen. Soweit es um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG vor, selbst wenn sich die Eigentumsbeeinträchtigung als rechtswidrig erweist. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, in dessen Anwendungsbereich Planfeststellungsbeschlüsse fallen, die enteignungsrechtliche Vorwirkungen besitzen (vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 83 m.w.N.). Eine Enteignung des Klägers sieht der Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zwar nicht vor. Er erachtet die Veränderung der Grundstückssituation jedoch als so gravierend, dass sie im Ergebnis zu einer Aufhebung der Privatnützigkeit des Eigentums führe und die Grundstückseigentümer entsprechend den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes eine vollständige Übernahme des Grundstücks verlangen könnten (vgl. S. 227 des Planfeststellungsbeschlusses). Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Entfällt der Gemeinwohlgrund einer Enteignung, mag dies zwar unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einen Widerrufsgrund darstellen. Der Wegfall des Gemeinwohlgrundes bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dadurch schwere Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu befürchten sind. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der gegebenenfalls neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit.
56 
Dass die Rechtssicherheit gerade auch bei Eingriffen in das Eigentum besonderes Gewicht hat, kommt in der Regelung des § 72 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck. Die Vorschrift vermittelt Planfeststellungsbeschlüssen, die typischerweise vor allem mit Eingriffen in das Eigentum Dritter verbunden sind, eine „erhöhte Bestandsgarantie“, indem sie die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG ausschließt. Durch diesen Ausschluss soll den besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen werden, insbesondere seiner in § 75 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 VwVfG geregelten Gestaltungs- und Ausschlusswirkung (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drs. 7/910 S. 87 zu § 68, der dem heutigen § 72 Abs. 1 VwVfG entspricht). Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Dieser rechtsgestaltenden Wirkung entspricht es, dass nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens und der Benutzung der Anlagen sowie auf Beseitigung und Änderung der Anlagen ausgeschlossen sind; dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für nachträgliche Auflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gelten (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 90 zu § 71 Abs. 2, der dem heutigen § 75 Abs. 2 VwVfG entspricht). Eine Ausnahme bilden nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG insoweit lediglich Auflagen, die erforderlich werden, um nicht voraussehbare Auswirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen zu begegnen. Diese gesetzliche Konzeption zeigt, dass ein unanfechtbarer Planfeststellungsbeschluss bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht mehr aus den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG genannten Gründen einer Entscheidung über seinen Bestand oder seine Änderung zugeführt werden soll. Selbst bei unvorhersehbaren Wirkungen eines unanfechtbar festgestellten Plans sieht das Gesetz keinen Anspruch auf Aufhebung vor, sondern nur einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen oder - falls Schutzmaßnahmen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen, wie etwa in der oben genannten Katastrophensituation oder bei Gefahren für Leben oder Gesundheit den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Ob Sonderfälle denkbar sind, in denen ausnahmsweise auch eine Eigentumsverletzung einen gewichtigen Gemeinwohlgrund im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG darstellen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine solche besondere Konstellation hat der Kläger nicht geltend gemacht und sie liegt auch nicht vor. Der Umstand, dass außer dem Kläger noch weitere Eigentümer von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen sind, stellt keinen solchen Sonderfall dar. Denn er rückt die Situation nicht in die Nähe der oben beschriebenen Katastrophenfälle oder der ihnen gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit.
57 
Eine andere Beurteilung gebietet auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts zur Durchbrechung der Rechtskraft. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204) muss die Rechtskraft grundsätzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Auf diese Rechtsprechung beruft sich der Kläger. Die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustands ist im vorliegenden Fall jedoch nicht „schlechthin unerträglich“. Denn es streiten die Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit miteinander, die beide gleichermaßen mit Verfassungsrang ausgestattet sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131, 20), ohne dass auf Seiten der materiellen Gerechtigkeit weitere gewichtige Umstände hinzuträten, die es geböten, ihr Vorrang zu gewähren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.10.1967, - III C 123.66 -, BVerwGE 28, 122 - Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - und Urteil vom 07.09.1999, a.a.O. - erhebliche Gefahr für Leib oder Leben).
58 
Schließlich darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614 -, juris) eine Enteignung zur Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens - trotz Rechtskraft eines Urteils, das die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss abweist - zwar dann nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass diese Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde. Es ist danach aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nur nach Maßgabe der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Überwindung rechtskräftig bestätigter Planfeststellungsbeschlüsse zugelassen wird (vgl. zum Gebot effektiven und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbundenen Rechtsschutzes bei gestuften Verfahren auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 -, NVwZ 2014, 211, 216). Auch unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes ist es daher nicht geboten, die Eigentumsbeeinträchtigung Einzelner als schweren Nachteil für das Gemeinwohl zu werten und einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG ungeachtet des Fehlens eines neuen Sachverhalts zuzulassen.
III.
59 
Die von dem Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 lässt sich schließlich auch nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Denn dem geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 06.04.2006 entgegen. Insoweit kann auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des Senats vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) und vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) verwiesen werden. Der Kläger hat hierzu nichts Weiteres vorgetragen.
IV.
60 
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter I. bis III. brauchte der Senat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen Nr. 1 bis 19 nicht nachzugehen. Die Beweisanträge Nr. 1 bis 4, 7 bis 9, 13, 14, und 16 sind für die Entscheidung nicht erheblich. Mit ihnen sollen keine neuen Tatsachen bewiesen, sondern es soll Beweis dafür erbracht werden, dass die im einzelnen genannten Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 vorlagen. Dies gilt auch für den Beweisantrag Nr. 14, obwohl der Kläger auf einen Vergleich der Kapazität des bestehenden Bahnhofs im Jahr 2011 und der geplanten Kapazität von 32 Zügen abhebt. Denn er behauptet selbst nicht, dass sich die Kapazität eines der beiden Bahnhöfe seit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geändert habe (vgl. oben unter I.1.a)). Mit den Beweisanträgen Nr. 5, 6 und 10 werden lediglich neue Beweismittel zu Fragen der Kapazitätsermittlung und -bewer-tung benannt, mit denen eine bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende Tatsache bewiesen werden soll. Diese Fragen waren bereits Gegenstand der früheren Gutachten. Auch dass insoweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die - wie oben unter I. 1.a) ausgeführt - als neue Tatsachen zu werten wären, legt der Kläger nicht dar. Die Beweisanträge sind daher für die Entscheidung unerheblich. Das gleiche gilt für die Beweisanträge Nr. 11 und 12. Denn damit soll nicht bewiesen werden, dass sich der tatsächliche Zugverkehr in der Spitzenstunde gegenüber dem Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses in einem bestimmten Umfang geändert hat. Die Beweisanträge Nr. 15 und 17 sind unerheblich, weil die Planrechtfertigung nur dann entfiele, wenn feststünde, dass im Falle der Unwirksamkeit der Finanzierungsvereinbarung die Umsetzung des Projekts an der Finanzierung scheitern wird. Dies ist nach den Ausführungen unter I. 2. jedoch nicht der Fall. Die Beweisthemen der Beweisanträge Nr. 18 und 19 enthalten keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens (BGH, Urteil vom 25.11.1997 - VI ZR 306/96 -, NJW 1998, 1223, 1224). Die Beweisanträge haben jedoch zum einen Hypothesen zum Gegenstand („nicht mehr beginnen würde“, „nicht mehr zustimmen würde“) und zum anderen zukünftige Entscheidungen, die darüber hinaus von dem Eintritt bestimmter Bedingungen abhängen. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, was der Kläger unter einem „hohen“ Fahrgastwechsel und „überdurchschnittlich hoher“ Mindesthaltezeit (Beweisantrag Nr. 10a) sowie „größeren“ Neubauten (Beweisantrag Nr. 13) versteht.
C.
61 
Da es somit bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 fehlt, bleibt auch der unter Nr. 2 gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg, der auf eine Verpflichtung zur Bescheidung des beim Eisenbahn-Bundesamt gestellten Aufhebungsantrags gerichtet ist.
D.
62 
Der auf einen Baustopp gerichtete Hilfsantrag unter Nr. 3 hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn die mit ihm begehrte Nebenbestimmung könnte jedenfalls nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf oder eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen nach den §§ 48 f. VwVfG den Planfeststellungsbeschlüssen beigefügt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2012 - 5 S 196/12 -, NVwZ-RR 2012, 340). Allerdings fehlt es aus den oben dargestellten Gründen an den Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme.
E.
63 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
64 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
65 
Beschluss vom 2. Juli 2014
66 
Der Streitwert wird nach § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2, 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 30.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
30 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag nur zum Teil zulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie nicht begründet. Mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag ist die Klage zwar zulässig, aber ebenfalls nicht begründet.
A.
31 
Die auf Verpflichtung zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse gerichtete Klage ist nur zum Teil zulässig.
I.
32 
Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 19.08.2005 für den Abschnitt 1.2 zu verpflichten, ist sie unzulässig, denn es fehlt an einem entsprechenden Aufhebungsantrag des Klägers beim Eisenbahn-Bundesamt.
33 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.11.2007 - 6 C 42.06 -, BVerwGE 130, 39) hängt die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist. Bei dem danach - auch hier - erforderlichen Antrag handelt es sich nicht um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müsste, sondern um eine im Prozess nicht nachholbare Klagevoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 24.02.1982 - 6 C 8.77 -, BVerwGE 65, 87). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben. Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 75 Rn. 5; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Eyermann/Rennert, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 75 Rn. 5). Ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 42 Rn. 6).
II.
34 
Die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 für den Abschnitt 1.1 gerichtete Klage ist dagegen zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 06.05.2012 auf Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses hat das Eisenbahn-Bundesamt zwar nicht entschieden. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt, denn es liegt kein zureichender Grund für die unterlassene Entscheidung vor.
35 
Der Kläger ist antragsbefugt, da er von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen ist. Das Rechtsschutzinteresse an der Klage ist auch durch den Abriss des Gebäudes nicht entfallen, denn der Kläger ist nach wie vor Miteigentümer des Grundstücks.
B.
36 
Soweit die Klage danach mit dem Hauptantrag zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 liegen nicht vor. Denn die Unterlassung der begehrten Aufhebung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte, dass das Eisenbahn-Bundesamt diesen Planfeststellungsbeschluss nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 VwVfG widerruft (dazu I. und II.), noch dass sie den Planfeststellungsbeschluss zurücknimmt (dazu III.).
I.
37 
Der Anwendungsbereich des § 49 VwVfG ist eröffnet, nachdem aufgrund des Senatsurteils vom 06.04.2006 feststeht, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist (vgl. zur Anwendbarkeit des § 49 VwVfG im Planfeststellungsverfahren BVerwG, Urteil vom 21.05.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6). Die Anwendbarkeit scheitert entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht von vornherein an der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Nach § 121 Nr. 1 VwGO bindet zwar ein rechtskräftiges Urteil die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Rechtsbeständigkeit gerichtlicher Entscheidungen folgt aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, das Verfassungsrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131,20; Entscheidung vom 14.03.1963 -, 1 BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313). Ändert sich aber später die dem Urteil zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage, so liegt bei einem erneuten Rechtsstreit ein anderer Streitgegenstand vor, der von der Rechtskraft des früheren Urteils nicht umfasst wird (Kopp/Schenke, a.a.O., § 121 Rn. 28 m.w.N.d.Rspr.), denn die Sachlage ist Teil des Klagegrundes und damit des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 116), wenn es mit anderen Worten für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Eine Änderung der Sachlage liegt jedoch nicht vor, wenn sich nachträglich neue Erkenntnisse über zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandene Tatsachen oder im rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigte Beweismittel finden, oder wenn der Beteiligte sein Vorbringen aufgrund neuer Beweismittel „besser“ beweisen kann (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 117 m.w.N.d.Rspr.).
38 
Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Fall trotz Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG grundsätzlich möglich, weil er tatbestandlich voraussetzt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die Behörde berechtigten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen.
39 
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beigeladenen, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in den Fällen, in denen bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, stets nur dann in Betracht komme, wenn die Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit betroffen seien. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht den Anwendungsbereich dieser Regelung in seinem von der Beigeladenen zitierten Urteil vom 21.05.1997 (a.a.O.) nicht in dieser Weise beschränkt. Denn die Entscheidung betraf einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, d.h. einen Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich wesentlich von denen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Insbesondere setzt ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG - anders als ein solcher nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG - nicht voraus, dass neue Tatsachen eingetreten sind.
40 
Die Voraussetzungen für den vom Kläger begehrten Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen jedoch nicht vor.
41 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
42 
Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an nachträglich eingetretenen Tatsachen, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der Kläger meint zwar, die Planrechtfertigung für den Abschnitt 1.1 sei entfallen, weil das Gesamtprojekt „Stuttgart 21“ nicht verwirklicht werden könne. Denn es sei eine neue Tatsache, dass die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.3 und 1.6b nicht erlassen werden könnten, weil die Leistungsfähigkeit des Hauptbahnhofs 1.1 seinerzeit fehlerhaft festgestellt worden, die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen gewesen sei und es an einem „vorläufigen positiven Gesamturteil“ gefehlt habe. Mit dieser Ansicht verkennt der Kläger jedoch die Bedeutung der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Denn die Fragen der Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs und der Finanzierung sowie der Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts sind darin geklärt worden.
43 
Die Rechtskraft dieser Entscheidung würde nur dann nicht entgegen stehen, wenn hinsichtlich der genannten Fragen ein Sachverhalt vorläge, der von der Entscheidung nicht umfasst wäre. Es kann offen bleiben, ob ein solcher - von der Rechtskraft nicht erfasster - neuer Sachverhalt stets dann vorliegt, wenn neue Tatsachen gegeben sind, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen. Dafür mag vieles sprechen. Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht erfüllt sind. Es liegen weder in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs (dazu 1.), noch in Bezug auf die Finanzierung (dazu 2.) oder die Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts (dazu 3.) neue Tatsachen vor.
44 
1. Der vom Kläger als Beleg für die mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs ins Feld geführte Umstand, dass dieser nur für 32 Züge pro Stunde ausgelegt sei, ist keine solche neue Tatsache.
45 
a) Der Kläger trägt selbst vor, dass dies bereits aus dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten folge und zudem auch Eingang in das Urteil des Senats vom 06.04.2006 gefunden habe. Auf S. 37 (juris Rn. 58f.) ist dort ausgeführt, dass nach dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer der achtgleisige Durchgangsbahnhof für abgestimmte Betriebsprogramme mit 32 bis 35 Gleisbelegungen pro Stunde ausreiche, während das Betriebsszenario A nur durchschnittlich 25,5 Gleisbelegungen pro Stunde der Hauptverkehrszeit erwarten lasse. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Gutachter dem Durchgangsbahnhof für das Betriebsszenario A eine gute bis sehr gute Betriebsqualität bescheinigt habe. Die Bedarfsprognose sei unter den Beteiligten nicht streitig.
46 
Daraus folgt, dass die Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofs - entgegen dem Vortrag des Klägers - stets bekannt war. Dass sie ausreichend und zukunftssicher bemessen ist, wurde vom Kläger von Anfang an bestritten und war Gegenstand der Erörterung und der Befragung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens - 5 S 848/05 -. Der Kläger hat zwar seinerzeit nicht vorgetragen, die Kapazität des neuen Durchgangsbahnhofs (32 Züge) bleibe hinter derjenigen des bestehenden Kopfbahnhofs (50 Züge) zurück, worauf er nun maßgeblich abhebt. Auch insoweit liegt jedoch keine neue Tatsache vor. Denn der Kläger behauptet nicht, dass sich die Kapazität einer der beiden Bahnhöfe verändert habe. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich der Kapazitäten nur um eine neue Argumentation, die belegen soll, dass die Kapazität des neuen Bahnhofs entgegen der bisherigen Einschätzung doch nicht ausreichend bemessen sei. Dies stellt eine neue Bewertung unveränderter Tatsachen dar. Eine solche neue oder geänderte Bewertung genügt für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG jedoch nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 46; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 49 Rn. 47). Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung, dass Tatsachen auch dann vorlägen, wenn die Fakten eine rechtliche Bewertung im Rahmen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erforderten (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49 Rn. 60 und Gayer, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO Kommentar, 4. Aufl. 2007, Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 49 Rn. 44 unter Berufung auf OVG Berlin, Urteil vom 14.10.1998 - 1 B 67.95 -, NVwZ-RR 2000, 431 zum Widerruf nach § 47 Abs. 2 WaffG a.F.), steht der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Denn auch in dem vom OVG Berlin entschiedenen Fall handelte es sich im Ergebnis um eine neu entstandene Tatsachenlage (Änderung der Berufstätigkeit des dortigen Klägers), deren Bewertung zum Wegfall eines Tatbestandsmerkmals (waffenrechtliches Bedürfnis) führte.
47 
b) Angesichts der dargestellten Situation kann von einem „Beweisnotstand“, wie ihn der Kläger für sich reklamiert, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergab sich die Kapazität von 32 Zügen pro Stunde bereits aus dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag und das auch Gegenstand des Verfahrens 5 S 848/05 war. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie der Kläger behauptet - die Personenstromanalyse von Durth-Roos, aus der sich diese Kapazität ebenfalls ergebe, erst später bekannt geworden ist. Offen bleiben kann angesichts dessen auch, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für die besondere Situation im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung, wonach im Einzelfall eine Änderung der Sachlage auch kann eintreten kann, wenn ein Prozessbeteiligter wegen eines „Beweisnotstandes“ im Vorprozess erst nachträglich neue Beweismittel beschaffen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.1984 - 8 C 137.81 -, BVerwGE 70, 156), auch auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen ist.
48 
c) Es liegen auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs vor, die als neue Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einzustufen wären. Dies setzte voraus, dass aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bestimmte bereits vorhandene Tatsachen anders bewertet werden (BVerwG, Beschluss vom 16.07.1982 - 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 45). Die vom Kläger angeführten Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt vom 07.06.2012 und 06.06.2014 stellen jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, die neuen Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gleichzustellen wären. Hierzu ist nicht jede neue Erkenntnis eines Wissenschaftlers geeignet. Vielmehr muss die Erkenntnis Grundlage dafür sein, dass eine bestimmte bereits vorhandene Tatsache allgemein anders bewertet wird (Kopp/Ramsauer, a.a.O.; zur Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Planungsentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, juris Rn. 308). Denn eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, die geeignet ist, einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu begründen, ist abzugrenzen von der bloßen anderen Bewertung einer unveränderten Tatsache. Um letzteres handelt es sich bei den Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt. Sie stellen ein neues Beweismittel dar, mit dem der Kläger die früheren Gutachten zu entkräften versucht. Denn der Meinung von Herrn Dr. Engelhardt steht nach wie vor die Meinung der Gutachter der Beigeladenen entgegen. Neue Beweismittel genügen jedoch für einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht. Darin unterscheidet sich dieser Widerrufstatbestand entscheidend von der in § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgesehenen Möglichkeit, ein Verfahren wieder aufzugreifen. Diese wird im Planfeststellungsrecht durch § 72 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 5 S 1200/12 - vorgelegten Abschlussberichts der VIEREGG-RÖSSLER GmbH vom 27.10.2011, in dem ebenfalls eine höhere Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofs gegenüber dem geplanten Durchgangsbahnhof im Sinne einer höheren Kapazität pro Stunde errechnet wurde, ergibt sich kein anderes Bild. Allenfalls könnte dies als - weiterer - Beleg für eine kontroverse Beurteilung der Leistungsfähigkeit dienen, nicht jedoch als Nachweis, dass die Leistungsfähigkeit allgemein anders bewertet wird.
49 
2. Auch hinsichtlich der Finanzierung des Gesamtprojekts liegen keine neuen Tatsachen vor.
50 
Der Kläger meint, die Gesamtfinanzierung sei ausgeschlossen, weil die (neue) Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 aufgrund der vorgesehenen Beteiligung des Landes Baden-Württemberg verfassungswidrig sei. Der Kläger beruft sich auf das für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellte Gutachten von Prof. Meyer vom 03.11.2010. Nach dessen Ansicht verstößt die Mitfinanzierung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Zu gegenläufigen Ergebnissen kommen indes zum einen Gersdorf (ZG 2011, 248) und Pauly/Becker (NVwZ 2013, 334) und zum anderen Dolde/Porsch (NVwZ 2011, 833), wenngleich mit unterschiedlichen Ansätzen.
51 
Einer Erörterung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen streitigen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit und Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG - bedarf es hier jedoch nicht. Denn Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Finanzierungsvereinbarung, sondern der vom Kläger geltend gemachte Widerrufsanspruch nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. In diesem Rahmen ist zu entscheiden, ob neue Tatsachen vorliegen, die belegen, dass die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen ist, so dass - als rechtliche Folge - keine Planrechtfertigung (mehr) vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1999 - 4 A 12.98 -, NVwZ 2000, 555; Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, BVerwGE 84, 123). Dies ist nicht der Fall. Denn unabhängig davon, dass die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung des Projekts „Stuttgart 21“ äußerst kontrovers diskutiert wird und daher keine Rede davon sein kann, dass die Finanzierungsvereinbarung eindeutig als nichtig zu qualifizieren ist, würde das Projekt nicht schon dann an der Finanzierung scheitern und würde die Planrechtfertigung nicht schon dann fehlen, wenn die Finanzierungsvereinbarung tatsächlich nichtig wäre. Dies wäre vielmehr erst der Fall, wenn zugleich feststünde, dass auch eine andere Aufteilung der Kosten von vornherein ausscheidet, so dass nach der Vorstellung aller Finanzierungsbeteiligten das Projekt nicht zu verwirklichen wäre. Das ist derzeit nicht zu erkennen. Der Kläger meint zwar, den Äußerungen des Bundes und der Bahn, über die zugesagten Kostenbeteiligungen hinaus keine weiteren Beiträge zu leisten, entnehmen zu können, dass im Falle der Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung das Projekt nicht mehr verwirklicht werden könne. Diese Ansicht teilt der Senat jedoch nicht. Die Äußerungen sind vor dem Hintergrund der derzeitigen, geteilten Finanzierungsverantwortung zu sehen. Stünde zu irgendeinem Zeitpunkt die Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung rechtskräftig fest, sei es weil einzelne Finanzierungsträger sich überhaupt nicht beteiligen dürfen, sei es weil ihr Finanzierungsanteil gemessen an ihrem Aufgabenanteil zu hoch ist, müsste eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden. Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass hierzu die Bereitschaft fehlt. Die Beigeladene hat im Gegenteil in ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass sie - sogar ohne rechtliche Verpflichtung - nicht gehindert sei, höhere Kosten zu tragen. Bei dieser Situation und angesichts der großen Bedeutung des Projekts spricht derzeit nichts dafür, dass dessen Durchführung an der Finanzierung scheitern wird. Im Übrigen zeigen gerade die der ursprünglichen Finanzierungsvereinbarung folgenden Vereinbarungen, dass die Beteiligten willens sind, die Finanzierung sicherzustellen.
52 
3. Schließlich liegen auch keine neuen Tatsachen vor, die belegen, dass es am „vorläufigen positiven Gesamturteil“ des Projekts „Stuttgart 21“ fehlt, und zwar auch dann nicht, wenn die unter 1. dargestellte, im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Änderung der Sachlage in Fällen des „Beweisnotstandes“ auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen sein sollte. Denn ein Fall des Beweisnotstandes - wie ihn der Kläger für sich in Anspruch nimmt - liegt nicht vor. Der Kläger meint zwar, er hätte das Fehlen des „vorläufigen positiven Gesamturteils“ im Vorprozess beweisen können, wenn ihm das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13.01.2006 nicht vorenthalten worden wäre. Denn in diesem Schreiben teile das Eisenbahn-Bundesamt der beigeladenen Vorhabenträgerin mit, dass der Abschnitt 1.3 nicht genehmigungsfähig sei. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Abschnitts 1.3 habe zur Folge, dass das Gesamtprojekt nicht verwirklicht werden könne. Der Senat teilt die Ansicht des Klägers jedoch nicht. In dem Schreiben, das sich als Anlage ASt 2 bei den Akten des beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrens - 5 S 1200/12 - befindet, teilt das Eisenbahn-Bundesamt der Beigeladenen zwar mit, dass die Planfeststellungsunterlagen zum Abschnitt 1.3 in der vorgelegten Form nicht genehmigungsfähig seien. Die Mitteilung bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass der Plan für den Abschnitt 1.3 endgültig nicht festgestellt werden kann. Nur in diesem Fall würde der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen stehen mit der Folge, dass sowohl dessen Rechtfertigung als auch die der einzelnen Planfeststellungsabschnitte entfiele (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 - 7 A 4.12 -, BVerwGE 147, 184). Das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes betrifft indessen nur die seinerzeit vorgelegten Planunterlagen. Es schließt mit dem Hinweis, dass die Antragsunterlagen „zur Überarbeitung“ zurückgegeben würden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass mit dem Schreiben vom 13.01.2006 zu belegen gewesen wäre, dass der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen steht. Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nr. 20 nicht nachzugehen, mit dem der Kläger die Beiziehung und Verlesung des Schreibens vom 13.01.2006 beantragt hat. Der Antrag auf Beiziehung ist gegenstandslos, da sich das Schreiben bei den Akten befindet. Auf dessen wortgenauen Inhalt kommt es nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich an, so dass es auch keiner Verlesung bedurfte.
III.
53 
Der Kläger kann seinen geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 auch nicht auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Der Widerruf nach dieser Vorschrift ist auch dann möglich, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert hat, so z.B. wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Die Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall führte zu einer Durchbrechung des rechtskräftigen Urteils vom 06.04.2006. Es kann offen bleiben, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG tatsächlich eine für die Rechtskraftdurchbrechung hinreichende gesetzliche Grundlage darstellt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 78.88 -, BVerwGE 82, 272 und Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137).
54 
Dem Kläger steht jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Widerruf erforderlich ist, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Es müssen solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es - vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht - rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 54; Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 49 Rn. 34). In Betracht kommen Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.; Kugele, VwVfG, § 49 Rn. 12). Solche gewichtigen Gemeinwohlgründe liegen hier nicht vor. Insoweit reicht das Interesse der Allgemeinheit an der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel bei weitem nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.).
55 
Neben den genannten Gemeinwohlgründen können zwar auch gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG rechtfertigen. Ein Widerruf wegen einer Grundrechtsbeeinträchtigung ist daher auch dann möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1997, a.a.O.). Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar (BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24) und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282). Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O.). Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind im vorliegenden Fall jedoch nicht betroffen. Vielmehr beruft sich der Kläger auf die Beeinträchtigung seines eigenen, grundgesetzlich über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums und auf entsprechende Eigentumsbeeinträchtigungen weiterer Personen. Soweit es um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG vor, selbst wenn sich die Eigentumsbeeinträchtigung als rechtswidrig erweist. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, in dessen Anwendungsbereich Planfeststellungsbeschlüsse fallen, die enteignungsrechtliche Vorwirkungen besitzen (vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 83 m.w.N.). Eine Enteignung des Klägers sieht der Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zwar nicht vor. Er erachtet die Veränderung der Grundstückssituation jedoch als so gravierend, dass sie im Ergebnis zu einer Aufhebung der Privatnützigkeit des Eigentums führe und die Grundstückseigentümer entsprechend den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes eine vollständige Übernahme des Grundstücks verlangen könnten (vgl. S. 227 des Planfeststellungsbeschlusses). Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Entfällt der Gemeinwohlgrund einer Enteignung, mag dies zwar unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einen Widerrufsgrund darstellen. Der Wegfall des Gemeinwohlgrundes bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dadurch schwere Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu befürchten sind. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der gegebenenfalls neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit.
56 
Dass die Rechtssicherheit gerade auch bei Eingriffen in das Eigentum besonderes Gewicht hat, kommt in der Regelung des § 72 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck. Die Vorschrift vermittelt Planfeststellungsbeschlüssen, die typischerweise vor allem mit Eingriffen in das Eigentum Dritter verbunden sind, eine „erhöhte Bestandsgarantie“, indem sie die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG ausschließt. Durch diesen Ausschluss soll den besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen werden, insbesondere seiner in § 75 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 VwVfG geregelten Gestaltungs- und Ausschlusswirkung (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drs. 7/910 S. 87 zu § 68, der dem heutigen § 72 Abs. 1 VwVfG entspricht). Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Dieser rechtsgestaltenden Wirkung entspricht es, dass nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens und der Benutzung der Anlagen sowie auf Beseitigung und Änderung der Anlagen ausgeschlossen sind; dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für nachträgliche Auflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gelten (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 90 zu § 71 Abs. 2, der dem heutigen § 75 Abs. 2 VwVfG entspricht). Eine Ausnahme bilden nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG insoweit lediglich Auflagen, die erforderlich werden, um nicht voraussehbare Auswirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen zu begegnen. Diese gesetzliche Konzeption zeigt, dass ein unanfechtbarer Planfeststellungsbeschluss bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht mehr aus den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG genannten Gründen einer Entscheidung über seinen Bestand oder seine Änderung zugeführt werden soll. Selbst bei unvorhersehbaren Wirkungen eines unanfechtbar festgestellten Plans sieht das Gesetz keinen Anspruch auf Aufhebung vor, sondern nur einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen oder - falls Schutzmaßnahmen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen, wie etwa in der oben genannten Katastrophensituation oder bei Gefahren für Leben oder Gesundheit den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Ob Sonderfälle denkbar sind, in denen ausnahmsweise auch eine Eigentumsverletzung einen gewichtigen Gemeinwohlgrund im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG darstellen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine solche besondere Konstellation hat der Kläger nicht geltend gemacht und sie liegt auch nicht vor. Der Umstand, dass außer dem Kläger noch weitere Eigentümer von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen sind, stellt keinen solchen Sonderfall dar. Denn er rückt die Situation nicht in die Nähe der oben beschriebenen Katastrophenfälle oder der ihnen gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit.
57 
Eine andere Beurteilung gebietet auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts zur Durchbrechung der Rechtskraft. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204) muss die Rechtskraft grundsätzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Auf diese Rechtsprechung beruft sich der Kläger. Die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustands ist im vorliegenden Fall jedoch nicht „schlechthin unerträglich“. Denn es streiten die Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit miteinander, die beide gleichermaßen mit Verfassungsrang ausgestattet sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131, 20), ohne dass auf Seiten der materiellen Gerechtigkeit weitere gewichtige Umstände hinzuträten, die es geböten, ihr Vorrang zu gewähren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.10.1967, - III C 123.66 -, BVerwGE 28, 122 - Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - und Urteil vom 07.09.1999, a.a.O. - erhebliche Gefahr für Leib oder Leben).
58 
Schließlich darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614 -, juris) eine Enteignung zur Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens - trotz Rechtskraft eines Urteils, das die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss abweist - zwar dann nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass diese Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde. Es ist danach aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nur nach Maßgabe der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Überwindung rechtskräftig bestätigter Planfeststellungsbeschlüsse zugelassen wird (vgl. zum Gebot effektiven und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbundenen Rechtsschutzes bei gestuften Verfahren auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 -, NVwZ 2014, 211, 216). Auch unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes ist es daher nicht geboten, die Eigentumsbeeinträchtigung Einzelner als schweren Nachteil für das Gemeinwohl zu werten und einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG ungeachtet des Fehlens eines neuen Sachverhalts zuzulassen.
III.
59 
Die von dem Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 lässt sich schließlich auch nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Denn dem geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 06.04.2006 entgegen. Insoweit kann auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des Senats vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) und vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) verwiesen werden. Der Kläger hat hierzu nichts Weiteres vorgetragen.
IV.
60 
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter I. bis III. brauchte der Senat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen Nr. 1 bis 19 nicht nachzugehen. Die Beweisanträge Nr. 1 bis 4, 7 bis 9, 13, 14, und 16 sind für die Entscheidung nicht erheblich. Mit ihnen sollen keine neuen Tatsachen bewiesen, sondern es soll Beweis dafür erbracht werden, dass die im einzelnen genannten Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 vorlagen. Dies gilt auch für den Beweisantrag Nr. 14, obwohl der Kläger auf einen Vergleich der Kapazität des bestehenden Bahnhofs im Jahr 2011 und der geplanten Kapazität von 32 Zügen abhebt. Denn er behauptet selbst nicht, dass sich die Kapazität eines der beiden Bahnhöfe seit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geändert habe (vgl. oben unter I.1.a)). Mit den Beweisanträgen Nr. 5, 6 und 10 werden lediglich neue Beweismittel zu Fragen der Kapazitätsermittlung und -bewer-tung benannt, mit denen eine bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende Tatsache bewiesen werden soll. Diese Fragen waren bereits Gegenstand der früheren Gutachten. Auch dass insoweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die - wie oben unter I. 1.a) ausgeführt - als neue Tatsachen zu werten wären, legt der Kläger nicht dar. Die Beweisanträge sind daher für die Entscheidung unerheblich. Das gleiche gilt für die Beweisanträge Nr. 11 und 12. Denn damit soll nicht bewiesen werden, dass sich der tatsächliche Zugverkehr in der Spitzenstunde gegenüber dem Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses in einem bestimmten Umfang geändert hat. Die Beweisanträge Nr. 15 und 17 sind unerheblich, weil die Planrechtfertigung nur dann entfiele, wenn feststünde, dass im Falle der Unwirksamkeit der Finanzierungsvereinbarung die Umsetzung des Projekts an der Finanzierung scheitern wird. Dies ist nach den Ausführungen unter I. 2. jedoch nicht der Fall. Die Beweisthemen der Beweisanträge Nr. 18 und 19 enthalten keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens (BGH, Urteil vom 25.11.1997 - VI ZR 306/96 -, NJW 1998, 1223, 1224). Die Beweisanträge haben jedoch zum einen Hypothesen zum Gegenstand („nicht mehr beginnen würde“, „nicht mehr zustimmen würde“) und zum anderen zukünftige Entscheidungen, die darüber hinaus von dem Eintritt bestimmter Bedingungen abhängen. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, was der Kläger unter einem „hohen“ Fahrgastwechsel und „überdurchschnittlich hoher“ Mindesthaltezeit (Beweisantrag Nr. 10a) sowie „größeren“ Neubauten (Beweisantrag Nr. 13) versteht.
C.
61 
Da es somit bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 fehlt, bleibt auch der unter Nr. 2 gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg, der auf eine Verpflichtung zur Bescheidung des beim Eisenbahn-Bundesamt gestellten Aufhebungsantrags gerichtet ist.
D.
62 
Der auf einen Baustopp gerichtete Hilfsantrag unter Nr. 3 hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn die mit ihm begehrte Nebenbestimmung könnte jedenfalls nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf oder eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen nach den §§ 48 f. VwVfG den Planfeststellungsbeschlüssen beigefügt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2012 - 5 S 196/12 -, NVwZ-RR 2012, 340). Allerdings fehlt es aus den oben dargestellten Gründen an den Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme.
E.
63 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
64 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
65 
Beschluss vom 2. Juli 2014
66 
Der Streitwert wird nach § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2, 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 30.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung die der Eigenart des öffentlichen Dienstes entsprechende Anwendung der Vorschriften des Mutterschutzgesetzes auf Beamtinnen. Diese Rechtsverordnung stellt für Beamtinnen hinsichtlich Inhalt, Art und Umfang den Schutz sicher, der Frauen nach dem Mutterschutzgesetz gewährleistet wird. Für die Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der dem Gesundheitsschutz dienenden mutterschutzrechtlichen Vorschriften gilt § 29 des Mutterschutzgesetzes entsprechend.

(2) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung die der Eigenart des öffentlichen Dienstes entsprechende Anwendung der Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes über die Elternzeit auf Beamtinnen und Beamte. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann in den Fällen des Artikels 91 Absatz 2 Satz 1 und des Artikels 115f Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes den Anspruch auf Elternzeit für Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte in der Bundespolizei aus zwingenden Gründen der inneren Sicherheit ausschließen oder einschränken.

(3) Das Jugendarbeitsschutzgesetz gilt für jugendliche Beamtinnen und jugendliche Beamte entsprechend. Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung Ausnahmen von den Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes für jugendliche Polizeivollzugsbeamtinnen und jugendliche Polizeivollzugsbeamte bestimmen, soweit diese aufgrund der Eigenart des Polizeivollzugsdienstes oder aus Gründen der inneren Sicherheit erforderlich sind.

Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13. Februar 2008 - 2 K 1246/07 - werden zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

 
Die Beschwerden der Kläger gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13.02.2008 sind statthaft und auch sonst zulässig; insbesondere wurden sie fristgerecht erhoben (§ 147 Abs. 1 VwGO).
Die Beschwerden sind jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Klägern für die unter dem Aktenzeichen 2 K 1246/07 erhobenen Klagen Prozesskostenhilfe zu gewähren. Denn diese Klagen, mit denen die Kläger die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Anordnung des Innenministeriums nach § 23 AufenthG über ein Bleiberecht für im Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausländische Staatsangehörige vom 20.11.2006 (Az.: 4-1340/29) bzw. nach § 104 a Abs. 1 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG, begehren, bieten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Der Ausgang des Klageverfahrens erscheint nicht als offen (zum Maßstab der hinreichenden Erfolgsaussicht vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 20.07.2005 - 11 S 1807/04 - und vom 23.11.2004 - 7 S 2219/04 -, VBlBW 2005, 196).
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten der Klagen verneint. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss.
Auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens besteht kein Anlass für eine abweichende Beurteilung der Erfolgsaussichten, soweit hilfsweise die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 5 VwGO begehrt wird. Insoweit ist die Klage, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, mangels vorheriger Antragstellung bei der Behörde unzulässig. Die anwaltlich vertretenen Kläger haben am 21.12.2006 ausdrücklich die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Anordnung des Innenministeriums vom 20.11.2006 beantragt. Nur dieser Antrag wurde vom Beklagten beschieden. Im Widerspruchsverfahren haben die Kläger an diesem Streitgegenstand festgehalten. Auch der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 23.07.2007 hat daher ausschließlich die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach der Anordnung des Innenministeriums vom 20.11.2006 zum Gegenstand. Soweit man in dem Schreiben des früheren Bevollmächtigten vom 13.12.2004 (/ 148 der Ausländerakte) einen Antrag auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 AufenthG erblicken wollte, hat der derzeitige Bevollmächtigte durch sein Vorbringen im Verwaltungs- und im Vorverfahren zu erkennen gegeben, dass er dieses Begehren nicht weiter verfolgt.
Der Heranziehung des nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970) in das Aufenthaltsgesetz eingefügten § 104 a als neue Anspruchsgrundlage im gerichtlichen Verfahren stehen deshalb keine prozessualen Hindernisse entgegen, weil § 104 a AufenthG in vielen Punkten an die früheren Erlassregelungen angelehnt ist und den gleichen Zweck verfolgt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.11.2007 – 13 S 2438/07 – InfAuslR 2008, 85 = VBlBW 2008, 152; vgl. entsprechend zum Verhältnis der Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG 1990 zur Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 AufenthG BVerwG, Urt. v. 27.06.2006 – 1 C 14.05 – BVerwGE 126, 192 = NVwZ 2006, 1418).
Der Auffassung der Kläger, bei Beantragung einer bestimmten Aufenthaltserlaubnis nach dem Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes seien grundsätzlich alle in diesem Abschnitt enthaltenen Anspruchsgrundlagen zu prüfen, weil es sich um einen einheitlichen Streitgegenstand handele, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Streitgegenstand einer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird bestimmt und begrenzt durch die Aufenthaltszwecke, aus denen der Kläger seinen Anspruch herleitet (BVerwG, Urt. v. 04.09.2007 - 1 C 43.06 - InfAuslR 2008, 71 = NVwZ 2008, 333). Die Kläger bestimmen also mit ihren Anträgen und dem der Behörde bzw. dem Gericht unterbreiteten Lebenssachverhalt den Streitgegenstand. Nur dann, wenn – ohne weitere Einschränkung – eine Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen beantragt wird, ist der Anspruch nach jeder bei Würdigung des vorgetragenen Lebenssachverhalts in Betracht kommenden Vorschrift des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen (vgl. zu einer solchen weiten, offenen Antragstellung BVerwG, Urt. v. 04.09.2007, a.a.O.). Wird demgegenüber der geltend gemachte Anspruch auf eine bestimmte Rechtsgrundlage gestützt und legt auch der unterbreitete Lebenssachverhalt nicht nahe, dass weitere Rechtsgrundlagen in Betracht kommen, so ist der Streitgegenstand entsprechend begrenzt. Ein neuer Streitgegenstand kann im Übrigen sogar dann vorliegen, wenn der im gerichtlichen Verfahren erstmals geltend gemachte Aufenthaltszweck nach der gleichen Rechtsvorschrift zu beurteilen ist wie der Aufenthaltszweck, der Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.02.2008 – 13 S 2774/07 – AuAS 2008, 75: Änderung des Aufenthaltszwecks im Rahmen des § 16 AufenthG bei anderer Ausbildung). Danach haben die Kläger hier mit dem Schriftsatz vom 19.12.2007 im Wege der Klageerweiterung einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG unterscheiden sich grundlegend von denen des § 104 a AufenthG bzw. der Anordnung des Innenministeriums vom 20.11.2006. Auch der zur Begründung vorgetragene Lebenssachverhalt ist neu. Der Kläger zu 1 beruft sich in dem Schriftsatz vom 19.12.2007 erstmals darauf, dass ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis vorliege, weil ihm bei einer Trennung von seiner volljährigen Tochter, die eine Aufenthaltserlaubnis erhalten habe, eine schwerwiegende Gesundheitsgefährdung drohe. Hinsichtlich dieses Streitgegenstands ist die Zulässigkeit der Klage an § 75 VwGO zu messen. Danach ist die Klage unzulässig, da es an der vorherigen Antragstellung bei der Behörde fehlt und es sich bei diesem Erfordernis um eine im Verwaltungsprozess nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.08.1995 – 5 C 11.94 – BVerwGE 99, 158; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.04.1999 – 6 S 420/97 – ESVGH 49, 209 = VBlBW 2000, 106 und Beschl. v. 19.02.2008 – 13 S 2774/07 – a.a.O.; Dolde/Porsch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 75 Rn. 5 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 75 Rn. 7; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 75 Rn. 4; Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 75 Rn. 25 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung.
Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil bei Erfolglosigkeit der Beschwerde im Verfahren über die Prozesskostenhilfe eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr von 50,00 EUR anzusetzen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamtes vom 28.01.2005 für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Talquerung mit neuem Hauptbahnhof) und des Planfeststellungsbeschlusses derselben Behörde vom 19.08.2005 im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel).
Er ist Miteigentümer des Grundstücks Flst.Nr. 1322 der Gemarkung Stuttgart. Das Grundstück befindet sich am Übergang der Planfeststellungsabschnitte 1.1 und 1.2, die bestandskräftig planfestgestellt sind. Es wird für das Vorhaben zu einem geringen Teil dauerhaft und zum überwiegenden Teil vorübergehend in Anspruch genommen, teilweise wird es dinglich beschränkt. Auf dem Grundstück ist die Einfahrt zum sog. Fildertunnel geplant. Das auf dem Grundstück stehende Wohngebäude S... Straße ..., in dem sich die Wohnung des Klägers befand, ist im Oktober 2013 abgerissen worden, nachdem die Beigeladene vorzeitig in den Besitz des Grundstücks eingewiesen worden und ein Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die vorzeitige Besitzeinweisung erfolglos geblieben war (Beschluss des Senats vom 19.09.2013 - 5 S 1546/13 -, juris und nachfolgend: BVerfG, Beschluss vom 20.09.2013 - 1 BvQ 41/13 -).
Gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 hatte der Kläger erfolglos Klage erhoben (Senatsurteil vom 06.04.2006 - 5 S 848/05 -). Den Planfeststellungsbeschluss vom 19.08.2005 für den Planfeststellungsabschnitt 1.2 hatte der Kläger nicht angefochten; er hatte im Anhörungsverfahren auch keine Einwendungen erhoben. Im Mai 2012 beantragte der Kläger beim Eisenbahn-Bundesamt, den Planfeststellungsbeschluss für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 aufzuheben. Seinen im Juni 2012 zur Sicherung des geltend gemachten Anspruchs gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte der Senat mit Beschluss vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) ab. Seine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614/1 -, juris). Seine ebenfalls gegen den Beschluss des Senats vom 08.08.2012 erhobene Anhörungsrüge hat der Senat mit Beschluss vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) zurückgewiesen.
Bereits am 10.12.2012 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, ihm stehe ein Anspruch auf Aufhebung in Form eines Widerrufs nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG der Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.1 und 1.2 zu, weil es aufgrund neu eingetretener Tatsachen an einem positiven Gesamturteil für das Projekt „Stuttgart 21“ fehle. Denn wegen dieser neuen Tatsachen könnten die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Planfeststellungsabschnitte 1.3 und 1.6b nicht mehr erlassen werden. Ohne diese Planfeststellungsbeschlüsse könne das Gesamtprojekt jedoch nicht verwirklicht werden. Die Abschnitte 1.3 und 1.6b seien mangels Planrechtfertigung nicht genehmigungsfähig, denn das Gesamtprojekt stelle wegen fehlender Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs einen planerischen Missgriff dar und zudem sei seine Finanzierung ausgeschlossen.
Dr. Engelhardt habe in seinen Stellungnahmen vom 07.06.2012 und vom 06.06.2014 nachgewiesen, dass die Kapazität des derzeitigen Kopfbahnhofs von 50 Zügen pro Stunde auf 32 Züge pro Stunde sinke, wenn das Projekt eines Durchgangsbahnhofs verwirklicht werde. Damit werde das Projektziel der Leistungssteigerung nicht erreicht; im Gegenteil sinke die Leistung. Die Prognosen der Gutachter der Bahn, die von einer “ausreichenden und zukunftssicheren Bemessung des Projekts Stuttgart 21“ ausgingen, seien fehlerhaft. Gleiches gelte für den sog. Stresstest. Dr. Engelhardt habe nachgewiesen, dass die Feststellung der Leistungsfähigkeit auf einer Auslegungsleistung von nur 32 Zügen beruhe. Bereits das vom Senat im Verfahren - 5 S 848/05 - als maßgeblich bezeichnete „Szenario A“, der Fahrplan also, zu dessen Umsetzung „S 21“ ausgelegt und bemessen worden sei, sehe in der Spitzenstunde lediglich 32 Züge vor, wie sich aus dem Urteil des Senats vom 06.04.2006 ergebe.
Da die für die Beigeladene tätigen Gutachter den wahren Sachverhalt eines Kapazitätsrückbaus verschleiert und damit verhindert hätten, dass der „geplante Engpass“ von ihm selbst und vom erkennenden Senat habe erkannt werden können, liege ein Beweisnotstand vor. Ein solcher Beweisnotstand habe nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folge, dass die ihm erst nach Abschluss des Vorprozesses eröffnete Möglichkeit der Beschaffung neuer Beweismittel einer Änderung des Sachverhalts gleichstehe.
Die Planrechtfertigung sei zudem auch deshalb entfallen, weil die Finanzierung des Gesamtprojekts ausgeschlossen sei. Wegen der gesteigerten Kosten sei eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen worden. Diese verstoße wegen der finanziellen Beteiligung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG und sei nichtig. Als eigentumsrechtlich Betroffener habe er einen Anspruch auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Finanzierungsvertrages. Aus Art. 87e Abs. 3 und 4 GG folge, dass der Bund für den Bau und Erhalt des Schienennetzes zuständig sei. Die Zuständigkeit der Länder erstrecke sich nur auf das Verkehrsangebot des Schienenpersonennahverkehrs, also auf die Beförderungsleistung auf den Schienen. Das Projekt „S 21“ gehöre zur Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes, weil es den Bahnknoten Stuttgart in die Aus- und Neubaustrecke Stuttgart-Augsburg einbinde. Diese Einbindung müsste auch ohne den Bau von „S 21“ vorgenommen werden. Eine finanzielle Beteiligung des Landes verstoße daher gegen Art. 104a GG, weil dem Finanzierungsanteil kein Aufgabenanteil entspreche. Die Verfassungswidrigkeit der Landesbeiträge führe zur Nichtigkeit der entsprechenden Klauseln in den Finanzierungsverträgen, die Zahlungspflichten der Landesseite vorsähen. Die Nichtigkeit führe wiederum zu einer Finanzierungslücke in entsprechender Höhe, denn weder die Vorhabenträgerin noch der Bund hätten eine Bereitschaft erklärt, bei einem Ausfall der Landesfinanzierung für die Mehrkosten einzustehen. Beide hätten im Gegenteil erklärt, keine weiteren Anteile zu leisten.
Die Planrechtfertigung fehle schließlich auch deshalb, weil der Plan für den Abschnitt 1.3 ohnehin nicht festgestellt werden könne. Dies habe das Eisenbahn-Bundesamt der Vorhabenträgerin mit Schreiben vom 13.01.2006 mitgeteilt, das ihm seinerzeit vorenthalten worden sei. Wegen dieses Vorenthaltens habe er sich im Vorprozess im Beweisnotstand befunden. Ohne den Abschnitt 1.3 entfalle aber das für das Projekt erforderliche „vorläufige positive Gesamturteil“.
Aufgrund der neuen Tatsachen wäre das Eisenbahn-Bundesamt nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.1 und 1.2 nicht zu erlassen. Außerdem werde angesichts seiner eigenen Eigentumsbeeinträchtigung sowie derer zahlreicher anderer Betroffener ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet. Ihm stehe ein Anspruch auf Widerruf zu, weil das durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG eröffnete Ermessen auf Null reduziert sei.
10 
Die genannten Gründe erfüllten im Übrigen auch die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG. Schließlich stehe ihm auch ein Anspruch auf Rücknahme nach § 48 VwVfG zu.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
1. die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart „Projekt Stuttgart 21“ im Planfeststellungsabschnitt 1.1 (Talquerung mit neuem Hauptbahnhof) vom 28.01.2005 und den Planfeststellungsbeschluss im Planfeststellungsabschnitt 1.2 (Fildertunnel) vom 19.08.2005 aufzuheben,
13 
2. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag an das Eisenbahn-Bundesamt vom 06.05.2012 unter Aufhebung der unter Nr.1 genannten Planfeststellungsbeschlüsse und Erlass einer Baustoppverfügung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
14 
3. hilfsweise - unabhängig vom Hilfsantrag zu 2 - die Beklagte zu verpflichten, eine Nebenbestimmung zu den unter Nr. 1 genannten Planfeststellungsbeschlüssen mit folgendem Inhalt zu erlassen:
15 
Die Bauarbeiten auf dem Grundstück S... Straße ..., ... Stuttgart dürfen erst fortgesetzt werden, wenn die Planfeststellungsbeschlüsse zu den Planfeststellungsabschnitten 1.3 (Filderbereich) und 1.6b (Abstellbahnhof) unanfechtbar geworden sind.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit der Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 1.1 betroffen sei. Der Klage stehe die Rechtskraft des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses des Senats vom 13.08.2012 entgegen. Die Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 und die Zuschussvereinbarung für die Neubaustrecke vom gleichen Tag seien zumindest der Sache nach Gegenstand des Beschlusses gewesen. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht vorlägen. Das Eisenbahn-Bundesamt wäre nicht berechtigt, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Es sei nach wie vor beabsichtigt, das Projekt zu verwirklichen und es sei objektiv realisierbar. Gegenüber dem bislang zugrunde gelegten Sachverhalt ergebe sich nichts Neues. Die Finanzierung des Projekts sei nicht ausgeschlossen, wie gerade die neue Finanzierungsvereinbarung zeige. Die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs sei zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses durch Gutachten, insbesondere jenes des Prof. Dr. Schwanhäuser belegt gewesen. Eine fehlerhafte Tatsachengrundlage bei der Erstellung des Gutachtens sei nicht zu erkennen gewesen. Das Eisenbahn-Bundesamt habe daher davon ausgehen dürfen, dass die Sachverständigenausführungen zutreffen, und dürfe auch weiter davon ausgehen.
19 
Soweit sich die Klage auf den Planfeststellungsabschnitt 1.2 beziehe, sei sie unbegründet. Nach dem Urteil des Senats vom 08.02.2007 (5 S 2224/05) stehe fest, dass auch bezüglich des Planfeststellungsabschnitts 1.2 die Finanzierung gesichert sei. Die nun vorgetragenen Tatsachen (Vereinbarungen vom 02.04.2009 und neue Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit) belegten nicht, dass die Finanzierung entweder nicht mehr beabsichtigt oder objektiv nicht möglich sei.
20 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
21 
die Klage abzuweisen.
22 
Sie trägt vor, die Klage sei unzulässig, soweit sie den Planfeststellungsabschnitt 1.2 betreffe, da der Kläger keinen entsprechenden Aufhebungsantrag beim Eisenbahn-Bundesamt gestellt habe. Außerdem sei er nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG a.F. materiell präkludiert, da er im Anhörungsverfahren zum Planfeststellungsabschnitt 1.2 keine Einwendungen erhoben habe.
23 
Dem Aufhebungsanspruch stehe im Übrigen die Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 (5 S 848/05) entgegen. § 49 VwVfG könne die Rechtskraft nicht durchbrechen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überwinde § 49 VwVfG nur die Bestandskraft. Zudem erweise sich der Widerruf nur als ultima ratio und sei auf Beeinträchtigungen von Leben und Gesundheit beschränkt. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für den Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nicht vor, da tatsächlich keine Änderungen eingetreten seien. Das bloße Bekanntwerden von Umständen, die bereits vor Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen hätten, dabei aber nicht berücksichtigt worden seien, genüge nicht.
24 
Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs trage der Kläger keine neuen Tatsachen vor. Die Gutachten der Professoren Heimerl, Schwanhäuser und Martin seien bereits im Planfeststellungsverfahren zum Abschnitt 1.1 in Zweifel gezogen worden. Zudem habe sie auch der Kläger im Klageverfahren vor dem VGH Baden-Württemberg - 5 S 848/12 - beanstandet. Die Kritik des Herrn Dr. Engelhardt, über dessen fachliche Qualifikation der Beigeladenen keine Informationen vorlägen, sei keine neue Tatsache im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Sie sei auch nicht als neue wissenschaftliche Erkenntnis zu werten. Dies würde voraussetzen, dass die Erkenntnisse ein gewisses Maß an fachwissenschaftlicher Anerkennung gefunden hätten und so weit fortgeschritten seien, um eine zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts herrschende Auffassung abzulösen. Daran fehle es hier. Dr. Engelhardt sei nur eine Stimme, die die in mehreren Gutachten niedergelegten Erkenntnisse renommierter Fachwissenschaftler in Zweifel ziehe. Dies könne nicht dazu führen, dass die bei Erlass des Verwaltungsakts vorhandenen Erkenntnisse nunmehr allgemein anders bewertet würden oder zu bewerten seien.
25 
Auch im Hinblick auf die Finanzierung des Projekts Stuttgart 21 lägen keine neuen Tatsachen vor. Die Finanzierung sei nicht ausgeschlossen, sodass auch die Planrechtfertigung nicht in Frage stehe. Für Kostensteigerungen jenseits des „Kostendeckels“ sähen die Finanzierungsvereinbarungen vom 02.04.2009 eine sog. Sprechklausel vor. Dass einzelne Finanzierungspartner hierzu bereits eine bestimmte Haltung formuliert hätten, führe nicht dazu, dass die Finanzierung ausgeschlossen wäre. Denn entsprechende Gespräche seien noch nicht geführt worden. Ihr Ergebnis könne nicht aufgrund jetziger politischer Verlautbarungen sicher prognostiziert werden. Außerdem habe die Beigeladene stets die Möglichkeit, Mehrkosten selbst zu übernehmen, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein.
26 
Die Finanzierungsvereinbarung sei auch nicht nichtig. Sie verstoße nicht gegen Art. 104a Abs. 1 GG, weil die DB Netz AG als Vorhabenträgerin des Projekts Stuttgart 21 in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht nicht dem Bund zuzuordnen sei. Bei dem Projekt handele es sich um ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn als Wirtschaftsunternehmen. Die DB Netz AG nehme keine Verwaltungsaufgaben des Bundes wahr. Folglich falle das Projekt nicht in den Anwendungsbereich des Art. 104a Abs. 1 GG. Dies habe wiederum zur Folge, dass sich aus Art. 104a Abs. 1 GG keine Bedenken gegen den Abschluss von Finanzierungsvereinbarungen herleiten ließen, durch die sich einzelne Länder oder Kommunen zur anteiligen Finanzierung dieser Infrastrukturprojekte verpflichteten. Die finanzverfassungsrechtliche Kritik an der Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 verkenne die Folgen der in Art. 87e Abs. 3 GG vorgegebenen Privatisierung der Eisenbahninfrastruktur.
27 
Unabhängig davon würden öffentliche Interessen ohne den Widerruf nicht gefährdet werden. Insoweit reichten Vermögensinteressen Einzelner, wie die des Klägers, nicht aus. Soweit es sich um die Beeinträchtigung individueller Rechtspositionen handele, könnte nur eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leben und Gesundheit eine Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen. Erst recht sei das durch § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG eröffnete Widerrufsermessen nicht auf Null reduziert.
28 
Die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge hat der Senat abgelehnt; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
29 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der zur Sache gehörenden Gerichts- und Behördenakten sowie der Gerichtsakten in den Verfahren 5 S 848/05, 5 S 1200/12 und 5 S 1812/12 verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
30 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag nur zum Teil zulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie nicht begründet. Mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag ist die Klage zwar zulässig, aber ebenfalls nicht begründet.
A.
31 
Die auf Verpflichtung zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse gerichtete Klage ist nur zum Teil zulässig.
I.
32 
Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 19.08.2005 für den Abschnitt 1.2 zu verpflichten, ist sie unzulässig, denn es fehlt an einem entsprechenden Aufhebungsantrag des Klägers beim Eisenbahn-Bundesamt.
33 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.11.2007 - 6 C 42.06 -, BVerwGE 130, 39) hängt die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist. Bei dem danach - auch hier - erforderlichen Antrag handelt es sich nicht um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müsste, sondern um eine im Prozess nicht nachholbare Klagevoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 24.02.1982 - 6 C 8.77 -, BVerwGE 65, 87). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben. Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 75 Rn. 5; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Eyermann/Rennert, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 75 Rn. 5). Ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 42 Rn. 6).
II.
34 
Die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 für den Abschnitt 1.1 gerichtete Klage ist dagegen zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 06.05.2012 auf Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses hat das Eisenbahn-Bundesamt zwar nicht entschieden. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt, denn es liegt kein zureichender Grund für die unterlassene Entscheidung vor.
35 
Der Kläger ist antragsbefugt, da er von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen ist. Das Rechtsschutzinteresse an der Klage ist auch durch den Abriss des Gebäudes nicht entfallen, denn der Kläger ist nach wie vor Miteigentümer des Grundstücks.
B.
36 
Soweit die Klage danach mit dem Hauptantrag zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 liegen nicht vor. Denn die Unterlassung der begehrten Aufhebung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte, dass das Eisenbahn-Bundesamt diesen Planfeststellungsbeschluss nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 VwVfG widerruft (dazu I. und II.), noch dass sie den Planfeststellungsbeschluss zurücknimmt (dazu III.).
I.
37 
Der Anwendungsbereich des § 49 VwVfG ist eröffnet, nachdem aufgrund des Senatsurteils vom 06.04.2006 feststeht, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist (vgl. zur Anwendbarkeit des § 49 VwVfG im Planfeststellungsverfahren BVerwG, Urteil vom 21.05.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6). Die Anwendbarkeit scheitert entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht von vornherein an der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Nach § 121 Nr. 1 VwGO bindet zwar ein rechtskräftiges Urteil die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Rechtsbeständigkeit gerichtlicher Entscheidungen folgt aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, das Verfassungsrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131,20; Entscheidung vom 14.03.1963 -, 1 BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313). Ändert sich aber später die dem Urteil zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage, so liegt bei einem erneuten Rechtsstreit ein anderer Streitgegenstand vor, der von der Rechtskraft des früheren Urteils nicht umfasst wird (Kopp/Schenke, a.a.O., § 121 Rn. 28 m.w.N.d.Rspr.), denn die Sachlage ist Teil des Klagegrundes und damit des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 116), wenn es mit anderen Worten für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Eine Änderung der Sachlage liegt jedoch nicht vor, wenn sich nachträglich neue Erkenntnisse über zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandene Tatsachen oder im rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigte Beweismittel finden, oder wenn der Beteiligte sein Vorbringen aufgrund neuer Beweismittel „besser“ beweisen kann (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 117 m.w.N.d.Rspr.).
38 
Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Fall trotz Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG grundsätzlich möglich, weil er tatbestandlich voraussetzt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die Behörde berechtigten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen.
39 
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beigeladenen, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in den Fällen, in denen bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, stets nur dann in Betracht komme, wenn die Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit betroffen seien. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht den Anwendungsbereich dieser Regelung in seinem von der Beigeladenen zitierten Urteil vom 21.05.1997 (a.a.O.) nicht in dieser Weise beschränkt. Denn die Entscheidung betraf einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, d.h. einen Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich wesentlich von denen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Insbesondere setzt ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG - anders als ein solcher nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG - nicht voraus, dass neue Tatsachen eingetreten sind.
40 
Die Voraussetzungen für den vom Kläger begehrten Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen jedoch nicht vor.
41 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
42 
Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an nachträglich eingetretenen Tatsachen, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der Kläger meint zwar, die Planrechtfertigung für den Abschnitt 1.1 sei entfallen, weil das Gesamtprojekt „Stuttgart 21“ nicht verwirklicht werden könne. Denn es sei eine neue Tatsache, dass die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.3 und 1.6b nicht erlassen werden könnten, weil die Leistungsfähigkeit des Hauptbahnhofs 1.1 seinerzeit fehlerhaft festgestellt worden, die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen gewesen sei und es an einem „vorläufigen positiven Gesamturteil“ gefehlt habe. Mit dieser Ansicht verkennt der Kläger jedoch die Bedeutung der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Denn die Fragen der Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs und der Finanzierung sowie der Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts sind darin geklärt worden.
43 
Die Rechtskraft dieser Entscheidung würde nur dann nicht entgegen stehen, wenn hinsichtlich der genannten Fragen ein Sachverhalt vorläge, der von der Entscheidung nicht umfasst wäre. Es kann offen bleiben, ob ein solcher - von der Rechtskraft nicht erfasster - neuer Sachverhalt stets dann vorliegt, wenn neue Tatsachen gegeben sind, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen. Dafür mag vieles sprechen. Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht erfüllt sind. Es liegen weder in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs (dazu 1.), noch in Bezug auf die Finanzierung (dazu 2.) oder die Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts (dazu 3.) neue Tatsachen vor.
44 
1. Der vom Kläger als Beleg für die mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs ins Feld geführte Umstand, dass dieser nur für 32 Züge pro Stunde ausgelegt sei, ist keine solche neue Tatsache.
45 
a) Der Kläger trägt selbst vor, dass dies bereits aus dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten folge und zudem auch Eingang in das Urteil des Senats vom 06.04.2006 gefunden habe. Auf S. 37 (juris Rn. 58f.) ist dort ausgeführt, dass nach dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer der achtgleisige Durchgangsbahnhof für abgestimmte Betriebsprogramme mit 32 bis 35 Gleisbelegungen pro Stunde ausreiche, während das Betriebsszenario A nur durchschnittlich 25,5 Gleisbelegungen pro Stunde der Hauptverkehrszeit erwarten lasse. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Gutachter dem Durchgangsbahnhof für das Betriebsszenario A eine gute bis sehr gute Betriebsqualität bescheinigt habe. Die Bedarfsprognose sei unter den Beteiligten nicht streitig.
46 
Daraus folgt, dass die Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofs - entgegen dem Vortrag des Klägers - stets bekannt war. Dass sie ausreichend und zukunftssicher bemessen ist, wurde vom Kläger von Anfang an bestritten und war Gegenstand der Erörterung und der Befragung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens - 5 S 848/05 -. Der Kläger hat zwar seinerzeit nicht vorgetragen, die Kapazität des neuen Durchgangsbahnhofs (32 Züge) bleibe hinter derjenigen des bestehenden Kopfbahnhofs (50 Züge) zurück, worauf er nun maßgeblich abhebt. Auch insoweit liegt jedoch keine neue Tatsache vor. Denn der Kläger behauptet nicht, dass sich die Kapazität einer der beiden Bahnhöfe verändert habe. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich der Kapazitäten nur um eine neue Argumentation, die belegen soll, dass die Kapazität des neuen Bahnhofs entgegen der bisherigen Einschätzung doch nicht ausreichend bemessen sei. Dies stellt eine neue Bewertung unveränderter Tatsachen dar. Eine solche neue oder geänderte Bewertung genügt für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG jedoch nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 46; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 49 Rn. 47). Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung, dass Tatsachen auch dann vorlägen, wenn die Fakten eine rechtliche Bewertung im Rahmen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erforderten (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49 Rn. 60 und Gayer, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO Kommentar, 4. Aufl. 2007, Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 49 Rn. 44 unter Berufung auf OVG Berlin, Urteil vom 14.10.1998 - 1 B 67.95 -, NVwZ-RR 2000, 431 zum Widerruf nach § 47 Abs. 2 WaffG a.F.), steht der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Denn auch in dem vom OVG Berlin entschiedenen Fall handelte es sich im Ergebnis um eine neu entstandene Tatsachenlage (Änderung der Berufstätigkeit des dortigen Klägers), deren Bewertung zum Wegfall eines Tatbestandsmerkmals (waffenrechtliches Bedürfnis) führte.
47 
b) Angesichts der dargestellten Situation kann von einem „Beweisnotstand“, wie ihn der Kläger für sich reklamiert, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergab sich die Kapazität von 32 Zügen pro Stunde bereits aus dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag und das auch Gegenstand des Verfahrens 5 S 848/05 war. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie der Kläger behauptet - die Personenstromanalyse von Durth-Roos, aus der sich diese Kapazität ebenfalls ergebe, erst später bekannt geworden ist. Offen bleiben kann angesichts dessen auch, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für die besondere Situation im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung, wonach im Einzelfall eine Änderung der Sachlage auch kann eintreten kann, wenn ein Prozessbeteiligter wegen eines „Beweisnotstandes“ im Vorprozess erst nachträglich neue Beweismittel beschaffen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.1984 - 8 C 137.81 -, BVerwGE 70, 156), auch auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen ist.
48 
c) Es liegen auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs vor, die als neue Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einzustufen wären. Dies setzte voraus, dass aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bestimmte bereits vorhandene Tatsachen anders bewertet werden (BVerwG, Beschluss vom 16.07.1982 - 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 45). Die vom Kläger angeführten Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt vom 07.06.2012 und 06.06.2014 stellen jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, die neuen Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gleichzustellen wären. Hierzu ist nicht jede neue Erkenntnis eines Wissenschaftlers geeignet. Vielmehr muss die Erkenntnis Grundlage dafür sein, dass eine bestimmte bereits vorhandene Tatsache allgemein anders bewertet wird (Kopp/Ramsauer, a.a.O.; zur Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Planungsentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, juris Rn. 308). Denn eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, die geeignet ist, einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu begründen, ist abzugrenzen von der bloßen anderen Bewertung einer unveränderten Tatsache. Um letzteres handelt es sich bei den Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt. Sie stellen ein neues Beweismittel dar, mit dem der Kläger die früheren Gutachten zu entkräften versucht. Denn der Meinung von Herrn Dr. Engelhardt steht nach wie vor die Meinung der Gutachter der Beigeladenen entgegen. Neue Beweismittel genügen jedoch für einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht. Darin unterscheidet sich dieser Widerrufstatbestand entscheidend von der in § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgesehenen Möglichkeit, ein Verfahren wieder aufzugreifen. Diese wird im Planfeststellungsrecht durch § 72 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 5 S 1200/12 - vorgelegten Abschlussberichts der VIEREGG-RÖSSLER GmbH vom 27.10.2011, in dem ebenfalls eine höhere Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofs gegenüber dem geplanten Durchgangsbahnhof im Sinne einer höheren Kapazität pro Stunde errechnet wurde, ergibt sich kein anderes Bild. Allenfalls könnte dies als - weiterer - Beleg für eine kontroverse Beurteilung der Leistungsfähigkeit dienen, nicht jedoch als Nachweis, dass die Leistungsfähigkeit allgemein anders bewertet wird.
49 
2. Auch hinsichtlich der Finanzierung des Gesamtprojekts liegen keine neuen Tatsachen vor.
50 
Der Kläger meint, die Gesamtfinanzierung sei ausgeschlossen, weil die (neue) Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 aufgrund der vorgesehenen Beteiligung des Landes Baden-Württemberg verfassungswidrig sei. Der Kläger beruft sich auf das für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellte Gutachten von Prof. Meyer vom 03.11.2010. Nach dessen Ansicht verstößt die Mitfinanzierung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Zu gegenläufigen Ergebnissen kommen indes zum einen Gersdorf (ZG 2011, 248) und Pauly/Becker (NVwZ 2013, 334) und zum anderen Dolde/Porsch (NVwZ 2011, 833), wenngleich mit unterschiedlichen Ansätzen.
51 
Einer Erörterung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen streitigen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit und Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG - bedarf es hier jedoch nicht. Denn Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Finanzierungsvereinbarung, sondern der vom Kläger geltend gemachte Widerrufsanspruch nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. In diesem Rahmen ist zu entscheiden, ob neue Tatsachen vorliegen, die belegen, dass die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen ist, so dass - als rechtliche Folge - keine Planrechtfertigung (mehr) vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1999 - 4 A 12.98 -, NVwZ 2000, 555; Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, BVerwGE 84, 123). Dies ist nicht der Fall. Denn unabhängig davon, dass die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung des Projekts „Stuttgart 21“ äußerst kontrovers diskutiert wird und daher keine Rede davon sein kann, dass die Finanzierungsvereinbarung eindeutig als nichtig zu qualifizieren ist, würde das Projekt nicht schon dann an der Finanzierung scheitern und würde die Planrechtfertigung nicht schon dann fehlen, wenn die Finanzierungsvereinbarung tatsächlich nichtig wäre. Dies wäre vielmehr erst der Fall, wenn zugleich feststünde, dass auch eine andere Aufteilung der Kosten von vornherein ausscheidet, so dass nach der Vorstellung aller Finanzierungsbeteiligten das Projekt nicht zu verwirklichen wäre. Das ist derzeit nicht zu erkennen. Der Kläger meint zwar, den Äußerungen des Bundes und der Bahn, über die zugesagten Kostenbeteiligungen hinaus keine weiteren Beiträge zu leisten, entnehmen zu können, dass im Falle der Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung das Projekt nicht mehr verwirklicht werden könne. Diese Ansicht teilt der Senat jedoch nicht. Die Äußerungen sind vor dem Hintergrund der derzeitigen, geteilten Finanzierungsverantwortung zu sehen. Stünde zu irgendeinem Zeitpunkt die Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung rechtskräftig fest, sei es weil einzelne Finanzierungsträger sich überhaupt nicht beteiligen dürfen, sei es weil ihr Finanzierungsanteil gemessen an ihrem Aufgabenanteil zu hoch ist, müsste eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden. Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass hierzu die Bereitschaft fehlt. Die Beigeladene hat im Gegenteil in ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass sie - sogar ohne rechtliche Verpflichtung - nicht gehindert sei, höhere Kosten zu tragen. Bei dieser Situation und angesichts der großen Bedeutung des Projekts spricht derzeit nichts dafür, dass dessen Durchführung an der Finanzierung scheitern wird. Im Übrigen zeigen gerade die der ursprünglichen Finanzierungsvereinbarung folgenden Vereinbarungen, dass die Beteiligten willens sind, die Finanzierung sicherzustellen.
52 
3. Schließlich liegen auch keine neuen Tatsachen vor, die belegen, dass es am „vorläufigen positiven Gesamturteil“ des Projekts „Stuttgart 21“ fehlt, und zwar auch dann nicht, wenn die unter 1. dargestellte, im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Änderung der Sachlage in Fällen des „Beweisnotstandes“ auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen sein sollte. Denn ein Fall des Beweisnotstandes - wie ihn der Kläger für sich in Anspruch nimmt - liegt nicht vor. Der Kläger meint zwar, er hätte das Fehlen des „vorläufigen positiven Gesamturteils“ im Vorprozess beweisen können, wenn ihm das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13.01.2006 nicht vorenthalten worden wäre. Denn in diesem Schreiben teile das Eisenbahn-Bundesamt der beigeladenen Vorhabenträgerin mit, dass der Abschnitt 1.3 nicht genehmigungsfähig sei. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Abschnitts 1.3 habe zur Folge, dass das Gesamtprojekt nicht verwirklicht werden könne. Der Senat teilt die Ansicht des Klägers jedoch nicht. In dem Schreiben, das sich als Anlage ASt 2 bei den Akten des beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrens - 5 S 1200/12 - befindet, teilt das Eisenbahn-Bundesamt der Beigeladenen zwar mit, dass die Planfeststellungsunterlagen zum Abschnitt 1.3 in der vorgelegten Form nicht genehmigungsfähig seien. Die Mitteilung bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass der Plan für den Abschnitt 1.3 endgültig nicht festgestellt werden kann. Nur in diesem Fall würde der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen stehen mit der Folge, dass sowohl dessen Rechtfertigung als auch die der einzelnen Planfeststellungsabschnitte entfiele (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 - 7 A 4.12 -, BVerwGE 147, 184). Das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes betrifft indessen nur die seinerzeit vorgelegten Planunterlagen. Es schließt mit dem Hinweis, dass die Antragsunterlagen „zur Überarbeitung“ zurückgegeben würden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass mit dem Schreiben vom 13.01.2006 zu belegen gewesen wäre, dass der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen steht. Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nr. 20 nicht nachzugehen, mit dem der Kläger die Beiziehung und Verlesung des Schreibens vom 13.01.2006 beantragt hat. Der Antrag auf Beiziehung ist gegenstandslos, da sich das Schreiben bei den Akten befindet. Auf dessen wortgenauen Inhalt kommt es nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich an, so dass es auch keiner Verlesung bedurfte.
III.
53 
Der Kläger kann seinen geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 auch nicht auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Der Widerruf nach dieser Vorschrift ist auch dann möglich, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert hat, so z.B. wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Die Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall führte zu einer Durchbrechung des rechtskräftigen Urteils vom 06.04.2006. Es kann offen bleiben, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG tatsächlich eine für die Rechtskraftdurchbrechung hinreichende gesetzliche Grundlage darstellt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 78.88 -, BVerwGE 82, 272 und Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137).
54 
Dem Kläger steht jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Widerruf erforderlich ist, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Es müssen solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es - vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht - rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 54; Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 49 Rn. 34). In Betracht kommen Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.; Kugele, VwVfG, § 49 Rn. 12). Solche gewichtigen Gemeinwohlgründe liegen hier nicht vor. Insoweit reicht das Interesse der Allgemeinheit an der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel bei weitem nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.).
55 
Neben den genannten Gemeinwohlgründen können zwar auch gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG rechtfertigen. Ein Widerruf wegen einer Grundrechtsbeeinträchtigung ist daher auch dann möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1997, a.a.O.). Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar (BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24) und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282). Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O.). Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind im vorliegenden Fall jedoch nicht betroffen. Vielmehr beruft sich der Kläger auf die Beeinträchtigung seines eigenen, grundgesetzlich über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums und auf entsprechende Eigentumsbeeinträchtigungen weiterer Personen. Soweit es um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG vor, selbst wenn sich die Eigentumsbeeinträchtigung als rechtswidrig erweist. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, in dessen Anwendungsbereich Planfeststellungsbeschlüsse fallen, die enteignungsrechtliche Vorwirkungen besitzen (vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 83 m.w.N.). Eine Enteignung des Klägers sieht der Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zwar nicht vor. Er erachtet die Veränderung der Grundstückssituation jedoch als so gravierend, dass sie im Ergebnis zu einer Aufhebung der Privatnützigkeit des Eigentums führe und die Grundstückseigentümer entsprechend den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes eine vollständige Übernahme des Grundstücks verlangen könnten (vgl. S. 227 des Planfeststellungsbeschlusses). Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Entfällt der Gemeinwohlgrund einer Enteignung, mag dies zwar unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einen Widerrufsgrund darstellen. Der Wegfall des Gemeinwohlgrundes bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dadurch schwere Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu befürchten sind. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der gegebenenfalls neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit.
56 
Dass die Rechtssicherheit gerade auch bei Eingriffen in das Eigentum besonderes Gewicht hat, kommt in der Regelung des § 72 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck. Die Vorschrift vermittelt Planfeststellungsbeschlüssen, die typischerweise vor allem mit Eingriffen in das Eigentum Dritter verbunden sind, eine „erhöhte Bestandsgarantie“, indem sie die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG ausschließt. Durch diesen Ausschluss soll den besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen werden, insbesondere seiner in § 75 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 VwVfG geregelten Gestaltungs- und Ausschlusswirkung (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drs. 7/910 S. 87 zu § 68, der dem heutigen § 72 Abs. 1 VwVfG entspricht). Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Dieser rechtsgestaltenden Wirkung entspricht es, dass nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens und der Benutzung der Anlagen sowie auf Beseitigung und Änderung der Anlagen ausgeschlossen sind; dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für nachträgliche Auflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gelten (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 90 zu § 71 Abs. 2, der dem heutigen § 75 Abs. 2 VwVfG entspricht). Eine Ausnahme bilden nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG insoweit lediglich Auflagen, die erforderlich werden, um nicht voraussehbare Auswirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen zu begegnen. Diese gesetzliche Konzeption zeigt, dass ein unanfechtbarer Planfeststellungsbeschluss bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht mehr aus den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG genannten Gründen einer Entscheidung über seinen Bestand oder seine Änderung zugeführt werden soll. Selbst bei unvorhersehbaren Wirkungen eines unanfechtbar festgestellten Plans sieht das Gesetz keinen Anspruch auf Aufhebung vor, sondern nur einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen oder - falls Schutzmaßnahmen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen, wie etwa in der oben genannten Katastrophensituation oder bei Gefahren für Leben oder Gesundheit den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Ob Sonderfälle denkbar sind, in denen ausnahmsweise auch eine Eigentumsverletzung einen gewichtigen Gemeinwohlgrund im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG darstellen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine solche besondere Konstellation hat der Kläger nicht geltend gemacht und sie liegt auch nicht vor. Der Umstand, dass außer dem Kläger noch weitere Eigentümer von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen sind, stellt keinen solchen Sonderfall dar. Denn er rückt die Situation nicht in die Nähe der oben beschriebenen Katastrophenfälle oder der ihnen gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit.
57 
Eine andere Beurteilung gebietet auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts zur Durchbrechung der Rechtskraft. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204) muss die Rechtskraft grundsätzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Auf diese Rechtsprechung beruft sich der Kläger. Die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustands ist im vorliegenden Fall jedoch nicht „schlechthin unerträglich“. Denn es streiten die Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit miteinander, die beide gleichermaßen mit Verfassungsrang ausgestattet sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131, 20), ohne dass auf Seiten der materiellen Gerechtigkeit weitere gewichtige Umstände hinzuträten, die es geböten, ihr Vorrang zu gewähren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.10.1967, - III C 123.66 -, BVerwGE 28, 122 - Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - und Urteil vom 07.09.1999, a.a.O. - erhebliche Gefahr für Leib oder Leben).
58 
Schließlich darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614 -, juris) eine Enteignung zur Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens - trotz Rechtskraft eines Urteils, das die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss abweist - zwar dann nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass diese Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde. Es ist danach aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nur nach Maßgabe der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Überwindung rechtskräftig bestätigter Planfeststellungsbeschlüsse zugelassen wird (vgl. zum Gebot effektiven und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbundenen Rechtsschutzes bei gestuften Verfahren auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 -, NVwZ 2014, 211, 216). Auch unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes ist es daher nicht geboten, die Eigentumsbeeinträchtigung Einzelner als schweren Nachteil für das Gemeinwohl zu werten und einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG ungeachtet des Fehlens eines neuen Sachverhalts zuzulassen.
III.
59 
Die von dem Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 lässt sich schließlich auch nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Denn dem geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 06.04.2006 entgegen. Insoweit kann auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des Senats vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) und vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) verwiesen werden. Der Kläger hat hierzu nichts Weiteres vorgetragen.
IV.
60 
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter I. bis III. brauchte der Senat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen Nr. 1 bis 19 nicht nachzugehen. Die Beweisanträge Nr. 1 bis 4, 7 bis 9, 13, 14, und 16 sind für die Entscheidung nicht erheblich. Mit ihnen sollen keine neuen Tatsachen bewiesen, sondern es soll Beweis dafür erbracht werden, dass die im einzelnen genannten Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 vorlagen. Dies gilt auch für den Beweisantrag Nr. 14, obwohl der Kläger auf einen Vergleich der Kapazität des bestehenden Bahnhofs im Jahr 2011 und der geplanten Kapazität von 32 Zügen abhebt. Denn er behauptet selbst nicht, dass sich die Kapazität eines der beiden Bahnhöfe seit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geändert habe (vgl. oben unter I.1.a)). Mit den Beweisanträgen Nr. 5, 6 und 10 werden lediglich neue Beweismittel zu Fragen der Kapazitätsermittlung und -bewer-tung benannt, mit denen eine bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende Tatsache bewiesen werden soll. Diese Fragen waren bereits Gegenstand der früheren Gutachten. Auch dass insoweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die - wie oben unter I. 1.a) ausgeführt - als neue Tatsachen zu werten wären, legt der Kläger nicht dar. Die Beweisanträge sind daher für die Entscheidung unerheblich. Das gleiche gilt für die Beweisanträge Nr. 11 und 12. Denn damit soll nicht bewiesen werden, dass sich der tatsächliche Zugverkehr in der Spitzenstunde gegenüber dem Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses in einem bestimmten Umfang geändert hat. Die Beweisanträge Nr. 15 und 17 sind unerheblich, weil die Planrechtfertigung nur dann entfiele, wenn feststünde, dass im Falle der Unwirksamkeit der Finanzierungsvereinbarung die Umsetzung des Projekts an der Finanzierung scheitern wird. Dies ist nach den Ausführungen unter I. 2. jedoch nicht der Fall. Die Beweisthemen der Beweisanträge Nr. 18 und 19 enthalten keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens (BGH, Urteil vom 25.11.1997 - VI ZR 306/96 -, NJW 1998, 1223, 1224). Die Beweisanträge haben jedoch zum einen Hypothesen zum Gegenstand („nicht mehr beginnen würde“, „nicht mehr zustimmen würde“) und zum anderen zukünftige Entscheidungen, die darüber hinaus von dem Eintritt bestimmter Bedingungen abhängen. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, was der Kläger unter einem „hohen“ Fahrgastwechsel und „überdurchschnittlich hoher“ Mindesthaltezeit (Beweisantrag Nr. 10a) sowie „größeren“ Neubauten (Beweisantrag Nr. 13) versteht.
C.
61 
Da es somit bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 fehlt, bleibt auch der unter Nr. 2 gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg, der auf eine Verpflichtung zur Bescheidung des beim Eisenbahn-Bundesamt gestellten Aufhebungsantrags gerichtet ist.
D.
62 
Der auf einen Baustopp gerichtete Hilfsantrag unter Nr. 3 hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn die mit ihm begehrte Nebenbestimmung könnte jedenfalls nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf oder eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen nach den §§ 48 f. VwVfG den Planfeststellungsbeschlüssen beigefügt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2012 - 5 S 196/12 -, NVwZ-RR 2012, 340). Allerdings fehlt es aus den oben dargestellten Gründen an den Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme.
E.
63 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
64 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
65 
Beschluss vom 2. Juli 2014
66 
Der Streitwert wird nach § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2, 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 30.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
30 
Die Klage ist mit dem Hauptantrag nur zum Teil zulässig; soweit sie zulässig ist, ist sie nicht begründet. Mit dem ersten und zweiten Hilfsantrag ist die Klage zwar zulässig, aber ebenfalls nicht begründet.
A.
31 
Die auf Verpflichtung zur Aufhebung der Planfeststellungsbeschlüsse gerichtete Klage ist nur zum Teil zulässig.
I.
32 
Soweit die Klage darauf gerichtet ist, die Beklagte zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 19.08.2005 für den Abschnitt 1.2 zu verpflichten, ist sie unzulässig, denn es fehlt an einem entsprechenden Aufhebungsantrag des Klägers beim Eisenbahn-Bundesamt.
33 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28.11.2007 - 6 C 42.06 -, BVerwGE 130, 39) hängt die Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts ab. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist. Bei dem danach - auch hier - erforderlichen Antrag handelt es sich nicht um eine Sachurteilsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müsste, sondern um eine im Prozess nicht nachholbare Klagevoraussetzung (BVerwG, Urteil vom 24.02.1982 - 6 C 8.77 -, BVerwGE 65, 87). Nur durch einen entsprechenden Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts wird der Behörde Gelegenheit zu einer fundierten Sachentscheidung gegeben. Auch die Klagebegründung ist nicht geeignet, das Fehlen eines Antrags zu heilen (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 75 Rn. 5; Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 25; Eyermann/Rennert, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 75 Rn. 5). Ebenso wenig ändert es an der Unzulässigkeit der Klage etwas, dass sich die Behörde zur Sache eingelassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 42 Rn. 6).
II.
34 
Die auf die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 für den Abschnitt 1.1 gerichtete Klage ist dagegen zulässig. Über den Antrag des Klägers vom 06.05.2012 auf Aufhebung dieses Planfeststellungsbeschlusses hat das Eisenbahn-Bundesamt zwar nicht entschieden. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 75 VwGO für die Erhebung einer Untätigkeitsklage erfüllt, denn es liegt kein zureichender Grund für die unterlassene Entscheidung vor.
35 
Der Kläger ist antragsbefugt, da er von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen ist. Das Rechtsschutzinteresse an der Klage ist auch durch den Abriss des Gebäudes nicht entfallen, denn der Kläger ist nach wie vor Miteigentümer des Grundstücks.
B.
36 
Soweit die Klage danach mit dem Hauptantrag zulässig ist, ist sie nicht begründet. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO für die beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Planfeststellungsabschnitt 1.1 liegen nicht vor. Denn die Unterlassung der begehrten Aufhebung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger daher auch nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch gegen die Beklagte, dass das Eisenbahn-Bundesamt diesen Planfeststellungsbeschluss nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 5 VwVfG widerruft (dazu I. und II.), noch dass sie den Planfeststellungsbeschluss zurücknimmt (dazu III.).
I.
37 
Der Anwendungsbereich des § 49 VwVfG ist eröffnet, nachdem aufgrund des Senatsurteils vom 06.04.2006 feststeht, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtmäßig ist (vgl. zur Anwendbarkeit des § 49 VwVfG im Planfeststellungsverfahren BVerwG, Urteil vom 21.05.1997 - 11 C 1.96 -, BVerwGE 105, 6). Die Anwendbarkeit scheitert entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht von vornherein an der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Nach § 121 Nr. 1 VwGO bindet zwar ein rechtskräftiges Urteil die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Diese Rechtsbeständigkeit gerichtlicher Entscheidungen folgt aus dem Prinzip der Rechtssicherheit, das Verfassungsrang genießt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131,20; Entscheidung vom 14.03.1963 -, 1 BvL 28/62 -, BVerfGE 15, 313). Ändert sich aber später die dem Urteil zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage, so liegt bei einem erneuten Rechtsstreit ein anderer Streitgegenstand vor, der von der Rechtskraft des früheren Urteils nicht umfasst wird (Kopp/Schenke, a.a.O., § 121 Rn. 28 m.w.N.d.Rspr.), denn die Sachlage ist Teil des Klagegrundes und damit des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs. Eine Änderung der Sachlage liegt vor, wenn Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 116), wenn es mit anderen Worten für die geltend gemachte Rechtsfolge um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts geht, zu dem das rechtskräftige Urteil - auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion - keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (BVerwG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 C 7.01 -, BVerwGE 115, 118). Eine Änderung der Sachlage liegt jedoch nicht vor, wenn sich nachträglich neue Erkenntnisse über zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandene Tatsachen oder im rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigte Beweismittel finden, oder wenn der Beteiligte sein Vorbringen aufgrund neuer Beweismittel „besser“ beweisen kann (Kilian, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 121 Rn. 117 m.w.N.d.Rspr.).
38 
Vor diesem Hintergrund ist auch im vorliegenden Fall trotz Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006 ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG grundsätzlich möglich, weil er tatbestandlich voraussetzt, dass nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die Behörde berechtigten, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen.
39 
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beigeladenen, dass ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG in den Fällen, in denen bereits ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, stets nur dann in Betracht komme, wenn die Individualrechtsgüter Leben und Gesundheit betroffen seien. Insbesondere hat das Bundesverwaltungsgericht den Anwendungsbereich dieser Regelung in seinem von der Beigeladenen zitierten Urteil vom 21.05.1997 (a.a.O.) nicht in dieser Weise beschränkt. Denn die Entscheidung betraf einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG, d.h. einen Widerruf zur Verhütung oder Beseitigung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl. Dessen Voraussetzungen unterscheiden sich wesentlich von denen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. Insbesondere setzt ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG - anders als ein solcher nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG - nicht voraus, dass neue Tatsachen eingetreten sind.
40 
Die Voraussetzungen für den vom Kläger begehrten Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG liegen jedoch nicht vor.
41 
Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
42 
Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an nachträglich eingetretenen Tatsachen, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen. Der Kläger meint zwar, die Planrechtfertigung für den Abschnitt 1.1 sei entfallen, weil das Gesamtprojekt „Stuttgart 21“ nicht verwirklicht werden könne. Denn es sei eine neue Tatsache, dass die noch ausstehenden Planfeststellungsbeschlüsse für die Abschnitte 1.3 und 1.6b nicht erlassen werden könnten, weil die Leistungsfähigkeit des Hauptbahnhofs 1.1 seinerzeit fehlerhaft festgestellt worden, die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen gewesen sei und es an einem „vorläufigen positiven Gesamturteil“ gefehlt habe. Mit dieser Ansicht verkennt der Kläger jedoch die Bedeutung der entgegenstehenden Rechtskraft des Urteils vom 06.04.2006. Denn die Fragen der Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs und der Finanzierung sowie der Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts sind darin geklärt worden.
43 
Die Rechtskraft dieser Entscheidung würde nur dann nicht entgegen stehen, wenn hinsichtlich der genannten Fragen ein Sachverhalt vorläge, der von der Entscheidung nicht umfasst wäre. Es kann offen bleiben, ob ein solcher - von der Rechtskraft nicht erfasster - neuer Sachverhalt stets dann vorliegt, wenn neue Tatsachen gegeben sind, die einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG rechtfertigen. Dafür mag vieles sprechen. Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner Entscheidung, weil die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht erfüllt sind. Es liegen weder in Bezug auf die Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs (dazu 1.), noch in Bezug auf die Finanzierung (dazu 2.) oder die Verwirklichungsaussichten des Gesamtprojekts (dazu 3.) neue Tatsachen vor.
44 
1. Der vom Kläger als Beleg für die mangelnde Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs ins Feld geführte Umstand, dass dieser nur für 32 Züge pro Stunde ausgelegt sei, ist keine solche neue Tatsache.
45 
a) Der Kläger trägt selbst vor, dass dies bereits aus dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegenden Gutachten folge und zudem auch Eingang in das Urteil des Senats vom 06.04.2006 gefunden habe. Auf S. 37 (juris Rn. 58f.) ist dort ausgeführt, dass nach dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer der achtgleisige Durchgangsbahnhof für abgestimmte Betriebsprogramme mit 32 bis 35 Gleisbelegungen pro Stunde ausreiche, während das Betriebsszenario A nur durchschnittlich 25,5 Gleisbelegungen pro Stunde der Hauptverkehrszeit erwarten lasse. Es sei daher nachvollziehbar, dass der Gutachter dem Durchgangsbahnhof für das Betriebsszenario A eine gute bis sehr gute Betriebsqualität bescheinigt habe. Die Bedarfsprognose sei unter den Beteiligten nicht streitig.
46 
Daraus folgt, dass die Kapazität des geplanten Durchgangsbahnhofs - entgegen dem Vortrag des Klägers - stets bekannt war. Dass sie ausreichend und zukunftssicher bemessen ist, wurde vom Kläger von Anfang an bestritten und war Gegenstand der Erörterung und der Befragung der Gutachter in der mündlichen Verhandlung des vom Kläger betriebenen Klageverfahrens - 5 S 848/05 -. Der Kläger hat zwar seinerzeit nicht vorgetragen, die Kapazität des neuen Durchgangsbahnhofs (32 Züge) bleibe hinter derjenigen des bestehenden Kopfbahnhofs (50 Züge) zurück, worauf er nun maßgeblich abhebt. Auch insoweit liegt jedoch keine neue Tatsache vor. Denn der Kläger behauptet nicht, dass sich die Kapazität einer der beiden Bahnhöfe verändert habe. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei dem vom Kläger vorgenommenen Vergleich der Kapazitäten nur um eine neue Argumentation, die belegen soll, dass die Kapazität des neuen Bahnhofs entgegen der bisherigen Einschätzung doch nicht ausreichend bemessen sei. Dies stellt eine neue Bewertung unveränderter Tatsachen dar. Eine solche neue oder geänderte Bewertung genügt für einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG jedoch nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 46; Meyer, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 49 Rn. 47). Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung, dass Tatsachen auch dann vorlägen, wenn die Fakten eine rechtliche Bewertung im Rahmen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals erforderten (so Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 49 Rn. 60 und Gayer, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/v. Albedyll, VwGO Kommentar, 4. Aufl. 2007, Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 49 Rn. 44 unter Berufung auf OVG Berlin, Urteil vom 14.10.1998 - 1 B 67.95 -, NVwZ-RR 2000, 431 zum Widerruf nach § 47 Abs. 2 WaffG a.F.), steht der Rechtsauffassung des Senats nicht entgegen. Denn auch in dem vom OVG Berlin entschiedenen Fall handelte es sich im Ergebnis um eine neu entstandene Tatsachenlage (Änderung der Berufstätigkeit des dortigen Klägers), deren Bewertung zum Wegfall eines Tatbestandsmerkmals (waffenrechtliches Bedürfnis) führte.
47 
b) Angesichts der dargestellten Situation kann von einem „Beweisnotstand“, wie ihn der Kläger für sich reklamiert, nicht gesprochen werden. Insbesondere ergab sich die Kapazität von 32 Zügen pro Stunde bereits aus dem Gutachten von Prof. Schwanhäußer, das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lag und das auch Gegenstand des Verfahrens 5 S 848/05 war. Es kommt daher nicht darauf an, ob - wie der Kläger behauptet - die Personenstromanalyse von Durth-Roos, aus der sich diese Kapazität ebenfalls ergebe, erst später bekannt geworden ist. Offen bleiben kann angesichts dessen auch, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für die besondere Situation im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung, wonach im Einzelfall eine Änderung der Sachlage auch kann eintreten kann, wenn ein Prozessbeteiligter wegen eines „Beweisnotstandes“ im Vorprozess erst nachträglich neue Beweismittel beschaffen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.09.1984 - 8 C 137.81 -, BVerwGE 70, 156), auch auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen ist.
48 
c) Es liegen auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit des neuen Hauptbahnhofs vor, die als neue Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einzustufen wären. Dies setzte voraus, dass aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bestimmte bereits vorhandene Tatsachen anders bewertet werden (BVerwG, Beschluss vom 16.07.1982 - 7 B 190.81 -, NVwZ 1984, 102; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 45). Die vom Kläger angeführten Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt vom 07.06.2012 und 06.06.2014 stellen jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dar, die neuen Tatsachen im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG gleichzustellen wären. Hierzu ist nicht jede neue Erkenntnis eines Wissenschaftlers geeignet. Vielmehr muss die Erkenntnis Grundlage dafür sein, dass eine bestimmte bereits vorhandene Tatsache allgemein anders bewertet wird (Kopp/Ramsauer, a.a.O.; zur Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse bei Planungsentscheidungen vgl. BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 4 A 1075.04 -, juris Rn. 308). Denn eine neue wissenschaftliche Erkenntnis, die geeignet ist, einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG zu begründen, ist abzugrenzen von der bloßen anderen Bewertung einer unveränderten Tatsache. Um letzteres handelt es sich bei den Stellungnahmen des Herrn Dr. Engelhardt. Sie stellen ein neues Beweismittel dar, mit dem der Kläger die früheren Gutachten zu entkräften versucht. Denn der Meinung von Herrn Dr. Engelhardt steht nach wie vor die Meinung der Gutachter der Beigeladenen entgegen. Neue Beweismittel genügen jedoch für einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwVfG nicht. Darin unterscheidet sich dieser Widerrufstatbestand entscheidend von der in § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgesehenen Möglichkeit, ein Verfahren wieder aufzugreifen. Diese wird im Planfeststellungsrecht durch § 72 Abs. 1 VwVfG ausdrücklich ausgeschlossen. Auch unter Berücksichtigung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - 5 S 1200/12 - vorgelegten Abschlussberichts der VIEREGG-RÖSSLER GmbH vom 27.10.2011, in dem ebenfalls eine höhere Leistungsfähigkeit des bestehenden Kopfbahnhofs gegenüber dem geplanten Durchgangsbahnhof im Sinne einer höheren Kapazität pro Stunde errechnet wurde, ergibt sich kein anderes Bild. Allenfalls könnte dies als - weiterer - Beleg für eine kontroverse Beurteilung der Leistungsfähigkeit dienen, nicht jedoch als Nachweis, dass die Leistungsfähigkeit allgemein anders bewertet wird.
49 
2. Auch hinsichtlich der Finanzierung des Gesamtprojekts liegen keine neuen Tatsachen vor.
50 
Der Kläger meint, die Gesamtfinanzierung sei ausgeschlossen, weil die (neue) Finanzierungsvereinbarung vom 02.04.2009 aufgrund der vorgesehenen Beteiligung des Landes Baden-Württemberg verfassungswidrig sei. Der Kläger beruft sich auf das für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg erstellte Gutachten von Prof. Meyer vom 03.11.2010. Nach dessen Ansicht verstößt die Mitfinanzierung des Landes gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Zu gegenläufigen Ergebnissen kommen indes zum einen Gersdorf (ZG 2011, 248) und Pauly/Becker (NVwZ 2013, 334) und zum anderen Dolde/Porsch (NVwZ 2011, 833), wenngleich mit unterschiedlichen Ansätzen.
51 
Einer Erörterung der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen streitigen Rechtsfragen - insbesondere zur Anwendbarkeit und Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG - bedarf es hier jedoch nicht. Denn Gegenstand des Verfahrens ist nicht die Finanzierungsvereinbarung, sondern der vom Kläger geltend gemachte Widerrufsanspruch nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG. In diesem Rahmen ist zu entscheiden, ob neue Tatsachen vorliegen, die belegen, dass die Gesamtfinanzierung ausgeschlossen ist, so dass - als rechtliche Folge - keine Planrechtfertigung (mehr) vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.1999 - 4 A 12.98 -, NVwZ 2000, 555; Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, BVerwGE 84, 123). Dies ist nicht der Fall. Denn unabhängig davon, dass die Verfassungsmäßigkeit der Finanzierung des Projekts „Stuttgart 21“ äußerst kontrovers diskutiert wird und daher keine Rede davon sein kann, dass die Finanzierungsvereinbarung eindeutig als nichtig zu qualifizieren ist, würde das Projekt nicht schon dann an der Finanzierung scheitern und würde die Planrechtfertigung nicht schon dann fehlen, wenn die Finanzierungsvereinbarung tatsächlich nichtig wäre. Dies wäre vielmehr erst der Fall, wenn zugleich feststünde, dass auch eine andere Aufteilung der Kosten von vornherein ausscheidet, so dass nach der Vorstellung aller Finanzierungsbeteiligten das Projekt nicht zu verwirklichen wäre. Das ist derzeit nicht zu erkennen. Der Kläger meint zwar, den Äußerungen des Bundes und der Bahn, über die zugesagten Kostenbeteiligungen hinaus keine weiteren Beiträge zu leisten, entnehmen zu können, dass im Falle der Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung das Projekt nicht mehr verwirklicht werden könne. Diese Ansicht teilt der Senat jedoch nicht. Die Äußerungen sind vor dem Hintergrund der derzeitigen, geteilten Finanzierungsverantwortung zu sehen. Stünde zu irgendeinem Zeitpunkt die Nichtigkeit der Finanzierungsvereinbarung rechtskräftig fest, sei es weil einzelne Finanzierungsträger sich überhaupt nicht beteiligen dürfen, sei es weil ihr Finanzierungsanteil gemessen an ihrem Aufgabenanteil zu hoch ist, müsste eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden. Es bestehen derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass hierzu die Bereitschaft fehlt. Die Beigeladene hat im Gegenteil in ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass sie - sogar ohne rechtliche Verpflichtung - nicht gehindert sei, höhere Kosten zu tragen. Bei dieser Situation und angesichts der großen Bedeutung des Projekts spricht derzeit nichts dafür, dass dessen Durchführung an der Finanzierung scheitern wird. Im Übrigen zeigen gerade die der ursprünglichen Finanzierungsvereinbarung folgenden Vereinbarungen, dass die Beteiligten willens sind, die Finanzierung sicherzustellen.
52 
3. Schließlich liegen auch keine neuen Tatsachen vor, die belegen, dass es am „vorläufigen positiven Gesamturteil“ des Projekts „Stuttgart 21“ fehlt, und zwar auch dann nicht, wenn die unter 1. dargestellte, im Vertriebenenrecht entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Änderung der Sachlage in Fällen des „Beweisnotstandes“ auf das Planfeststellungsrecht zu übertragen sein sollte. Denn ein Fall des Beweisnotstandes - wie ihn der Kläger für sich in Anspruch nimmt - liegt nicht vor. Der Kläger meint zwar, er hätte das Fehlen des „vorläufigen positiven Gesamturteils“ im Vorprozess beweisen können, wenn ihm das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes vom 13.01.2006 nicht vorenthalten worden wäre. Denn in diesem Schreiben teile das Eisenbahn-Bundesamt der beigeladenen Vorhabenträgerin mit, dass der Abschnitt 1.3 nicht genehmigungsfähig sei. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit des Abschnitts 1.3 habe zur Folge, dass das Gesamtprojekt nicht verwirklicht werden könne. Der Senat teilt die Ansicht des Klägers jedoch nicht. In dem Schreiben, das sich als Anlage ASt 2 bei den Akten des beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrens - 5 S 1200/12 - befindet, teilt das Eisenbahn-Bundesamt der Beigeladenen zwar mit, dass die Planfeststellungsunterlagen zum Abschnitt 1.3 in der vorgelegten Form nicht genehmigungsfähig seien. Die Mitteilung bedeutet entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht, dass der Plan für den Abschnitt 1.3 endgültig nicht festgestellt werden kann. Nur in diesem Fall würde der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen stehen mit der Folge, dass sowohl dessen Rechtfertigung als auch die der einzelnen Planfeststellungsabschnitte entfiele (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.2013 - 7 A 4.12 -, BVerwGE 147, 184). Das Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes betrifft indessen nur die seinerzeit vorgelegten Planunterlagen. Es schließt mit dem Hinweis, dass die Antragsunterlagen „zur Überarbeitung“ zurückgegeben würden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass mit dem Schreiben vom 13.01.2006 zu belegen gewesen wäre, dass der Verwirklichung des Gesamtprojekts ein unüberwindbares Hindernis entgegen steht. Vor diesem Hintergrund brauchte der Senat dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag Nr. 20 nicht nachzugehen, mit dem der Kläger die Beiziehung und Verlesung des Schreibens vom 13.01.2006 beantragt hat. Der Antrag auf Beiziehung ist gegenstandslos, da sich das Schreiben bei den Akten befindet. Auf dessen wortgenauen Inhalt kommt es nach den obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblich an, so dass es auch keiner Verlesung bedurfte.
III.
53 
Der Kläger kann seinen geltend gemachten Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 auch nicht auf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Der Widerruf nach dieser Vorschrift ist auch dann möglich, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert hat, so z.B. wenn Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Die Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall führte zu einer Durchbrechung des rechtskräftigen Urteils vom 06.04.2006. Es kann offen bleiben, ob § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG tatsächlich eine für die Rechtskraftdurchbrechung hinreichende gesetzliche Grundlage darstellt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, BVerwG, Urteil vom 28.07.1989 - 7 C 78.88 -, BVerwGE 82, 272 und Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137).
54 
Dem Kläger steht jedenfalls deshalb kein Anspruch auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sind. Die Vorschrift setzt voraus, dass der Widerruf erforderlich ist, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Es müssen solche gewichtigen Gemeinwohlgründe vorliegen, die es - vergleichbar dem Aufopferungsgedanken im Enteignungsrecht - rechtfertigen, dem Widerrufsbetroffenen eine bereits erteilte Begünstigung nachträglich wieder zu nehmen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 49 Rn. 54; Stein, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, VwVfG, § 49 Rn. 34). In Betracht kommen Gründe eines übergesetzlichen Notstandes, wie z.B. in Katastrophenfällen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.; Kugele, VwVfG, § 49 Rn. 12). Solche gewichtigen Gemeinwohlgründe liegen hier nicht vor. Insoweit reicht das Interesse der Allgemeinheit an der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel bei weitem nicht aus (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O.).
55 
Neben den genannten Gemeinwohlgründen können zwar auch gewichtige Grundrechtsbeeinträchtigungen Einzelner einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG rechtfertigen. Ein Widerruf wegen einer Grundrechtsbeeinträchtigung ist daher auch dann möglich, wenn das Leben oder die Gesundheit Einzelner ernsthaft gefährdet oder beeinträchtigt würden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1997, a.a.O.). Denn das menschliche Leben stellt innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung einen Höchstwert dar (BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978 - 2 BvR 1013/77 -, BVerfGE 49, 24) und auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit hat unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011 - 2 BvR 882/09 -, BVerfGE 128, 282). Deren Schutz ist nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG eine vorrangige Gemeinschaftsaufgabe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.08.1978, a.a.O.; Kopp/Ramsauer, a.a.O.). Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind im vorliegenden Fall jedoch nicht betroffen. Vielmehr beruft sich der Kläger auf die Beeinträchtigung seines eigenen, grundgesetzlich über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentums und auf entsprechende Eigentumsbeeinträchtigungen weiterer Personen. Soweit es um eine Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner infolge eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses geht, liegen jedoch jedenfalls grundsätzlich keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG vor, selbst wenn sich die Eigentumsbeeinträchtigung als rechtswidrig erweist. Denn eine solche Beeinträchtigung ist mit den oben dargestellten Gemeinwohlbeeinträchtigungen nicht vergleichbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, in dessen Anwendungsbereich Planfeststellungsbeschlüsse fallen, die enteignungsrechtliche Vorwirkungen besitzen (vgl. dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 83 m.w.N.). Eine Enteignung des Klägers sieht der Planfeststellungsbeschluss vom 28.01.2005 zwar nicht vor. Er erachtet die Veränderung der Grundstückssituation jedoch als so gravierend, dass sie im Ergebnis zu einer Aufhebung der Privatnützigkeit des Eigentums führe und die Grundstückseigentümer entsprechend den Vorschriften des Landesenteignungsgesetzes eine vollständige Übernahme des Grundstücks verlangen könnten (vgl. S. 227 des Planfeststellungsbeschlusses). Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Entfällt der Gemeinwohlgrund einer Enteignung, mag dies zwar unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einen Widerrufsgrund darstellen. Der Wegfall des Gemeinwohlgrundes bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dadurch schwere Nachteile für das Gemeinwohl im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zu befürchten sind. Für Eingriffe in das Eigentum steht den Betroffenen eine Entschädigung zu, mit der gegebenenfalls neues Eigentum erworben werden kann. Durch diese Möglichkeit der Ersatzbeschaffung unterscheidet sich der Eingriff in das Eigentum maßgeblich von einem Eingriff in das Leben oder die Gesundheit.
56 
Dass die Rechtssicherheit gerade auch bei Eingriffen in das Eigentum besonderes Gewicht hat, kommt in der Regelung des § 72 Abs. 1 VwVfG zum Ausdruck. Die Vorschrift vermittelt Planfeststellungsbeschlüssen, die typischerweise vor allem mit Eingriffen in das Eigentum Dritter verbunden sind, eine „erhöhte Bestandsgarantie“, indem sie die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG ausschließt. Durch diesen Ausschluss soll den besonderen Rechtswirkungen eines unanfechtbar gewordenen Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen werden, insbesondere seiner in § 75 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 VwVfG geregelten Gestaltungs- und Ausschlusswirkung (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drs. 7/910 S. 87 zu § 68, der dem heutigen § 72 Abs. 1 VwVfG entspricht). Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Dieser rechtsgestaltenden Wirkung entspricht es, dass nach § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens und der Benutzung der Anlagen sowie auf Beseitigung und Änderung der Anlagen ausgeschlossen sind; dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für nachträgliche Auflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gelten (vgl. BT-Drs. 7/910 S. 90 zu § 71 Abs. 2, der dem heutigen § 75 Abs. 2 VwVfG entspricht). Eine Ausnahme bilden nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG insoweit lediglich Auflagen, die erforderlich werden, um nicht voraussehbare Auswirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen zu begegnen. Diese gesetzliche Konzeption zeigt, dass ein unanfechtbarer Planfeststellungsbeschluss bei unveränderter Sach- und Rechtslage nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht mehr aus den in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG genannten Gründen einer Entscheidung über seinen Bestand oder seine Änderung zugeführt werden soll. Selbst bei unvorhersehbaren Wirkungen eines unanfechtbar festgestellten Plans sieht das Gesetz keinen Anspruch auf Aufhebung vor, sondern nur einen Anspruch auf nachträgliche Schutzauflagen oder - falls Schutzmaßnahmen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind - auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Diese „erhöhte Bestandsgarantie“ für einen Planfeststellungsbeschluss gebietet es, bei unveränderter Sach- und Rechtslage nur in extremen Ausnahmefällen, wie etwa in der oben genannten Katastrophensituation oder bei Gefahren für Leben oder Gesundheit den Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG zuzulassen. Ob Sonderfälle denkbar sind, in denen ausnahmsweise auch eine Eigentumsverletzung einen gewichtigen Gemeinwohlgrund im Sinne des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG darstellen kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn eine solche besondere Konstellation hat der Kläger nicht geltend gemacht und sie liegt auch nicht vor. Der Umstand, dass außer dem Kläger noch weitere Eigentümer von dem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen sind, stellt keinen solchen Sonderfall dar. Denn er rückt die Situation nicht in die Nähe der oben beschriebenen Katastrophenfälle oder der ihnen gleichzusetzenden Gefährdungen von Leben oder Gesundheit.
57 
Eine andere Beurteilung gebietet auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts zur Durchbrechung der Rechtskraft. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 07.09.1999 - 1 C 6.99 -, NVwZ 2000, 204) muss die Rechtskraft grundsätzlich weichen, wenn ein Festhalten an ihr zu einem schlechthin unerträglichen Ergebnis führen würde. Auf diese Rechtsprechung beruft sich der Kläger. Die Aufrechterhaltung des bestehenden Zustands ist im vorliegenden Fall jedoch nicht „schlechthin unerträglich“. Denn es streiten die Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit miteinander, die beide gleichermaßen mit Verfassungsrang ausgestattet sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2012 - 2 BvL 5/10 -, BVerfGE 131, 20), ohne dass auf Seiten der materiellen Gerechtigkeit weitere gewichtige Umstände hinzuträten, die es geböten, ihr Vorrang zu gewähren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19.10.1967, - III C 123.66 -, BVerwGE 28, 122 - Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - und Urteil vom 07.09.1999, a.a.O. - erhebliche Gefahr für Leib oder Leben).
58 
Schließlich darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 17.04.2013 - 1 BvR 2614 -, juris) eine Enteignung zur Verwirklichung eines planfestgestellten Vorhabens - trotz Rechtskraft eines Urteils, das die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss abweist - zwar dann nicht angeordnet werden, wenn feststeht, dass diese Enteignung aufgrund nachträglich eingetretener Änderungen der Sach- oder Rechtslage nicht mehr dem Gemeinwohl dienen würde. Es ist danach aber von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses nur nach Maßgabe der in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Überwindung rechtskräftig bestätigter Planfeststellungsbeschlüsse zugelassen wird (vgl. zum Gebot effektiven und nicht mit unzumutbaren Risiken und Lasten verbundenen Rechtsschutzes bei gestuften Verfahren auch BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 - 1 BvR 3139/08 -, NVwZ 2014, 211, 216). Auch unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes ist es daher nicht geboten, die Eigentumsbeeinträchtigung Einzelner als schweren Nachteil für das Gemeinwohl zu werten und einen Widerruf nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 VwVfG ungeachtet des Fehlens eines neuen Sachverhalts zuzulassen.
III.
59 
Die von dem Kläger begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 lässt sich schließlich auch nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG stützen. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG zurückgenommen werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen nicht vor. Denn dem geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses steht die Rechtskraft des Senatsurteils vom 06.04.2006 entgegen. Insoweit kann auf die zwischen den Beteiligten ergangenen Beschlüsse des Senats vom 13.08.2012 (- 5 S 1200/12 -, juris) und vom 15.11.2012 (- 5 S 1812/12 -) verwiesen werden. Der Kläger hat hierzu nichts Weiteres vorgetragen.
IV.
60 
Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter I. bis III. brauchte der Senat den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen Nr. 1 bis 19 nicht nachzugehen. Die Beweisanträge Nr. 1 bis 4, 7 bis 9, 13, 14, und 16 sind für die Entscheidung nicht erheblich. Mit ihnen sollen keine neuen Tatsachen bewiesen, sondern es soll Beweis dafür erbracht werden, dass die im einzelnen genannten Umstände bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vom 28.01.2005 vorlagen. Dies gilt auch für den Beweisantrag Nr. 14, obwohl der Kläger auf einen Vergleich der Kapazität des bestehenden Bahnhofs im Jahr 2011 und der geplanten Kapazität von 32 Zügen abhebt. Denn er behauptet selbst nicht, dass sich die Kapazität eines der beiden Bahnhöfe seit dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses geändert habe (vgl. oben unter I.1.a)). Mit den Beweisanträgen Nr. 5, 6 und 10 werden lediglich neue Beweismittel zu Fragen der Kapazitätsermittlung und -bewer-tung benannt, mit denen eine bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses vorliegende Tatsache bewiesen werden soll. Diese Fragen waren bereits Gegenstand der früheren Gutachten. Auch dass insoweit neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die - wie oben unter I. 1.a) ausgeführt - als neue Tatsachen zu werten wären, legt der Kläger nicht dar. Die Beweisanträge sind daher für die Entscheidung unerheblich. Das gleiche gilt für die Beweisanträge Nr. 11 und 12. Denn damit soll nicht bewiesen werden, dass sich der tatsächliche Zugverkehr in der Spitzenstunde gegenüber dem Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses in einem bestimmten Umfang geändert hat. Die Beweisanträge Nr. 15 und 17 sind unerheblich, weil die Planrechtfertigung nur dann entfiele, wenn feststünde, dass im Falle der Unwirksamkeit der Finanzierungsvereinbarung die Umsetzung des Projekts an der Finanzierung scheitern wird. Dies ist nach den Ausführungen unter I. 2. jedoch nicht der Fall. Die Beweisthemen der Beweisanträge Nr. 18 und 19 enthalten keine dem Beweis zugänglichen Tatsachen. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens (BGH, Urteil vom 25.11.1997 - VI ZR 306/96 -, NJW 1998, 1223, 1224). Die Beweisanträge haben jedoch zum einen Hypothesen zum Gegenstand („nicht mehr beginnen würde“, „nicht mehr zustimmen würde“) und zum anderen zukünftige Entscheidungen, die darüber hinaus von dem Eintritt bestimmter Bedingungen abhängen. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, was der Kläger unter einem „hohen“ Fahrgastwechsel und „überdurchschnittlich hoher“ Mindesthaltezeit (Beweisantrag Nr. 10a) sowie „größeren“ Neubauten (Beweisantrag Nr. 13) versteht.
C.
61 
Da es somit bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt 1.1 fehlt, bleibt auch der unter Nr. 2 gestellte Hilfsantrag ohne Erfolg, der auf eine Verpflichtung zur Bescheidung des beim Eisenbahn-Bundesamt gestellten Aufhebungsantrags gerichtet ist.
D.
62 
Der auf einen Baustopp gerichtete Hilfsantrag unter Nr. 3 hat ebenfalls keinen Erfolg. Denn die mit ihm begehrte Nebenbestimmung könnte jedenfalls nur unter den weiteren, für einen Teilwiderruf oder eine Teilrücknahme geltenden Voraussetzungen nach den §§ 48 f. VwVfG den Planfeststellungsbeschlüssen beigefügt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 29.01.2012 - 5 S 196/12 -, NVwZ-RR 2012, 340). Allerdings fehlt es aus den oben dargestellten Gründen an den Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme.
E.
63 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Senat sieht nach § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
64 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
65 
Beschluss vom 2. Juli 2014
66 
Der Streitwert wird nach § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2, 2.2.1 des Streitwertkatalogs 2004 endgültig auf 30.000,-- EUR festgesetzt.
67 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Fähig zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nach diesem Gesetz ist, wer das 16. Lebensjahr vollendet hat, sofern er nicht nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuchs geschäftsunfähig oder im Falle seiner Volljährigkeit in dieser Angelegenheit zu betreuen und einem Einwilligungsvorbehalt zu unterstellen wäre. § 80 Absatz 3 und § 82 des Aufenthaltsgesetzes gelten entsprechend.

(2) Die Einbürgerungsbehörden übermitteln den Verfassungsschutzbehörden zur Ermittlung von Ausschlussgründen nach § 11 die bei ihnen gespeicherten personenbezogenen Daten der Antragsteller, die das 16. Lebensjahr vollendet haben. Die Verfassungsschutzbehörden unterrichten die anfragende Stelle unverzüglich nach Maßgabe der insoweit bestehenden besonderen gesetzlichen Verarbeitungsregelungen.

(1) Der Ausländer ist verpflichtet, seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen. Die Ausländerbehörde kann ihm dafür eine angemessene Frist setzen. Sie setzt ihm eine solche Frist, wenn sie die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen fehlender oder unvollständiger Angaben aussetzt, und benennt dabei die nachzuholenden Angaben. Nach Ablauf der Frist geltend gemachte Umstände und beigebrachte Nachweise können unberücksichtigt bleiben. Der Ausländer, der eine ICT-Karte nach § 19b beantragt hat, ist verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde jede Änderung mitzuteilen, die während des Antragsverfahrens eintritt und die Auswirkungen auf die Voraussetzungen der Erteilung der ICT-Karte hat.

(2) Absatz 1 findet im Widerspruchsverfahren entsprechende Anwendung.

(3) Der Ausländer soll auf seine Pflichten nach Absatz 1 sowie seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz, insbesondere die Verpflichtungen aus den §§ 44a, 48, 49 und 81 hingewiesen werden. Im Falle der Fristsetzung ist er auf die Folgen der Fristversäumung hinzuweisen.

(4) Soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen erforderlich ist, kann angeordnet werden, dass ein Ausländer bei der zuständigen Behörde sowie den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint sowie eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit durchgeführt wird. Kommt der Ausländer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, kann sie zwangsweise durchgesetzt werden. § 40 Abs. 1 und 2, die §§ 41, 42 Abs. 1 Satz 1 und 3 des Bundespolizeigesetzes finden entsprechende Anwendung.

(5) Der Ausländer, für den nach diesem Gesetz, dem Asylgesetz oder den zur Durchführung dieser Gesetze erlassenen Bestimmungen ein Dokument ausgestellt werden soll, hat auf Verlangen

1.
ein aktuelles Lichtbild nach Maßgabe einer nach § 99 Abs. 1 Nr. 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung vorzulegen oder bei der Aufnahme eines solchen Lichtbildes mitzuwirken und
2.
bei der Abnahme seiner Fingerabdrücke nach Maßgabe einer nach § 99 Absatz 1 Nummer 13 und 13a erlassenen Rechtsverordnung mitzuwirken.
Das Lichtbild und die Fingerabdrücke dürfen in Dokumente nach Satz 1 eingebracht und von den zuständigen Behörden zur Sicherung und einer späteren Feststellung der Identität verarbeitet werden.

(6) Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 3 oder 4 sind, sind verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis mitzuteilen, dass die Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit, für die der Aufenthaltstitel erteilt wurde, vorzeitig beendet wurde. Der Ausländer ist bei Erteilung des Aufenthaltstitels über seine Verpflichtung nach Satz 1 zu unterrichten.

(1) Optionspflichtig ist, wer

1.
die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b erworben hat,
2.
nicht nach Absatz 1a im Inland aufgewachsen ist,
3.
eine andere ausländische Staatsangehörigkeit als die eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt und
4.
innerhalb eines Jahres nach Vollendung seines 21. Lebensjahres einen Hinweis nach Absatz 5 Satz 5 über seine Erklärungspflicht erhalten hat.
Der Optionspflichtige hat nach Vollendung des 21. Lebensjahres zu erklären, ob er die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will. Die Erklärung bedarf der Schriftform.

(1a) Ein Deutscher nach Absatz 1 ist im Inland aufgewachsen, wenn er bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres

1.
sich acht Jahre gewöhnlich im Inland aufgehalten hat,
2.
sechs Jahre im Inland eine Schule besucht hat oder
3.
über einen im Inland erworbenen Schulabschluss oder eine im Inland abgeschlossene Berufsausbildung verfügt.
Als im Inland aufgewachsen nach Satz 1 gilt auch, wer im Einzelfall einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht nach den Umständen des Falles eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Erklärt der Deutsche nach Absatz 1, dass er die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit mit dem Zugang der Erklärung bei der zuständigen Behörde verloren.

(3) Will der Deutsche nach Absatz 1 die deutsche Staatsangehörigkeit behalten, so ist er verpflichtet, die Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Tritt dieser Verlust nicht bis zwei Jahre nach Zustellung des Hinweises auf die Erklärungspflicht nach Absatz 5 ein, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, es sei denn, dass dem Deutschen nach Absatz 1 vorher die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit (Beibehaltungsgenehmigung) erteilt wurde. Ein Antrag auf Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung kann, auch vorsorglich, nur bis ein Jahr nach Zustellung des Hinweises auf die Erklärungspflicht nach Absatz 5 gestellt werden (Ausschlussfrist). Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt erst ein, wenn der Antrag bestandskräftig abgelehnt wird. Einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(4) Die Beibehaltungsgenehmigung nach Absatz 3 ist zu erteilen, wenn die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist oder bei einer Einbürgerung nach Maßgabe von § 12 Mehrstaatigkeit hinzunehmen wäre.

(5) Auf Antrag eines Deutschen, der die Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b erworben hat, stellt die zuständige Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nach Absatz 6 fest. Ist eine solche Feststellung nicht bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres erfolgt, prüft die zuständige Behörde anhand der Meldedaten, ob die Voraussetzungen nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 vorliegen. Ist dies danach nicht feststellbar, weist sie den Betroffenen auf die Möglichkeit hin, die Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 1a nachzuweisen. Wird ein solcher Nachweis erbracht, stellt die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nach Absatz 6 fest. Liegt kein Nachweis vor, hat sie den Betroffenen auf seine Verpflichtungen und die nach den Absätzen 2 bis 4 möglichen Rechtsfolgen hinzuweisen. Der Hinweis ist zuzustellen. Die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes finden Anwendung.

(6) Der Fortbestand oder Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach dieser Vorschrift wird von Amts wegen festgestellt. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über das Verfahren zur Feststellung des Fortbestands oder Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit erlassen.

(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.

(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.

(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.

(1) Optionspflichtig ist, wer

1.
die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b erworben hat,
2.
nicht nach Absatz 1a im Inland aufgewachsen ist,
3.
eine andere ausländische Staatsangehörigkeit als die eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt und
4.
innerhalb eines Jahres nach Vollendung seines 21. Lebensjahres einen Hinweis nach Absatz 5 Satz 5 über seine Erklärungspflicht erhalten hat.
Der Optionspflichtige hat nach Vollendung des 21. Lebensjahres zu erklären, ob er die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will. Die Erklärung bedarf der Schriftform.

(1a) Ein Deutscher nach Absatz 1 ist im Inland aufgewachsen, wenn er bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres

1.
sich acht Jahre gewöhnlich im Inland aufgehalten hat,
2.
sechs Jahre im Inland eine Schule besucht hat oder
3.
über einen im Inland erworbenen Schulabschluss oder eine im Inland abgeschlossene Berufsausbildung verfügt.
Als im Inland aufgewachsen nach Satz 1 gilt auch, wer im Einzelfall einen vergleichbar engen Bezug zu Deutschland hat und für den die Optionspflicht nach den Umständen des Falles eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Erklärt der Deutsche nach Absatz 1, dass er die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit mit dem Zugang der Erklärung bei der zuständigen Behörde verloren.

(3) Will der Deutsche nach Absatz 1 die deutsche Staatsangehörigkeit behalten, so ist er verpflichtet, die Aufgabe oder den Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nachzuweisen. Tritt dieser Verlust nicht bis zwei Jahre nach Zustellung des Hinweises auf die Erklärungspflicht nach Absatz 5 ein, so geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, es sei denn, dass dem Deutschen nach Absatz 1 vorher die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit (Beibehaltungsgenehmigung) erteilt wurde. Ein Antrag auf Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung kann, auch vorsorglich, nur bis ein Jahr nach Zustellung des Hinweises auf die Erklärungspflicht nach Absatz 5 gestellt werden (Ausschlussfrist). Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit tritt erst ein, wenn der Antrag bestandskräftig abgelehnt wird. Einstweiliger Rechtsschutz nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(4) Die Beibehaltungsgenehmigung nach Absatz 3 ist zu erteilen, wenn die Aufgabe oder der Verlust der ausländischen Staatsangehörigkeit nicht möglich oder nicht zumutbar ist oder bei einer Einbürgerung nach Maßgabe von § 12 Mehrstaatigkeit hinzunehmen wäre.

(5) Auf Antrag eines Deutschen, der die Staatsangehörigkeit nach § 4 Absatz 3 oder § 40b erworben hat, stellt die zuständige Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nach Absatz 6 fest. Ist eine solche Feststellung nicht bis zur Vollendung seines 21. Lebensjahres erfolgt, prüft die zuständige Behörde anhand der Meldedaten, ob die Voraussetzungen nach Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 vorliegen. Ist dies danach nicht feststellbar, weist sie den Betroffenen auf die Möglichkeit hin, die Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 1a nachzuweisen. Wird ein solcher Nachweis erbracht, stellt die zuständige Behörde den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit nach Absatz 6 fest. Liegt kein Nachweis vor, hat sie den Betroffenen auf seine Verpflichtungen und die nach den Absätzen 2 bis 4 möglichen Rechtsfolgen hinzuweisen. Der Hinweis ist zuzustellen. Die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes finden Anwendung.

(6) Der Fortbestand oder Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach dieser Vorschrift wird von Amts wegen festgestellt. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über das Verfahren zur Feststellung des Fortbestands oder Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit erlassen.