Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 22. Nov. 2016 - 3 K 2905/14

bei uns veröffentlicht am22.11.2016

Tenor

Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt zuletzt noch die Gewährung einer weiteren Beihilfe zu den Aufwendungen für das ärztlich verordnete Präparat Uniselen 200 Ne TAB 100 Stück.
Die Klägerin ist verbeamtete Grund- und Hauptschullehrerin im Dienst des Beklagten und beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 50 Prozent. Sie leidet u. a. an CRP-Erhöhung, chronisch-inflammatorischem Erschöpfungszustand, Gelenkschmerzen, Leaky-Gut-Syndrom, Mitochondriopathie, Selen-, Vitamin-B6- und Vitamin-D-Mangel. Am 06.05.2014 erhielt sie von Dr. R. M. das Präparat Uniselen 200 Ne TAB 100 Stück verordnet, das sie am 17.05.2014 zum Preis von 32,40 EUR erwarb. Am 28.05.2014 beantragte sie beim Beklagten deshalb u. a. die Erstattung von 16,20 EUR. Darüber hinaus beantragte sie die Erstattung von Aufwendungen (u. a. für Ibuprofen) aufgrund eines Rezepts vom 09.05.2014, das ihr infolge einer Knieoperation nach einem Unfall ausgestellt worden war.
Mit Bescheid vom 03.06.2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin zwar eine anderweitige Beihilfe, versagte aber die Beihilfe zu Aufwendungen für das Uniselen 200 Ne in Höhe von 16,20 EUR. Zur Begründung der Nichterstattung dieses Präparats führte er im Wesentlichen aus, Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel seien nicht beihilfefähig, weil es sich um keine Arzneimittel im Sinne der BVO handele. Sie seien ausnahmsweise nur dann beihilfefähig, wenn die medizinische Notwendigkeit anhand eines begründeten medizinischen Gutachtens (Amtsarzt) nachgewiesen werde. Aufwendungen nach der Knieoperation – (u. a.) diejenigen aufgrund des Rezepts vom 09.05.2014 in Höhe von 38,01 EUR – seien nicht berücksichtigt worden, weil die entsprechenden Belege auf ein schädigendes Ereignis hinwiesen, so dass die Klägerin zunächst einen Unfallfragebogen ausfüllen müsse.
Mit Schreiben vom 06.06.2014 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein und reichte den ausgefüllten Unfallfragebogen nach. Daraufhin gewährte der Beklagte weitere Beihilfe für Aufwendungen nach der Knieoperation mit Ausnahme derjenigen aufgrund des Rezepts vom 09.05.2014. Zudem forderte er die Klägerin mit Schreiben vom 17.06.2014 auf, zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit des Präparats Uniselen 200 Ne ein amtsärztliches Gutachten einzureichen.
Mit Schreiben vom 16.07.2014 nahm das Gesundheitsamt des Landkreises R. Stellung und teilte im Ergebnis mit, dass das Präparat Uniselen nicht beihilfefähig sei. Mit Stellungnahme vom 04.08.2014 ergänzte außerdem der behandelnde Arzt Dr. R. M., der bei der Klägerin diagnostizierte Mangelzustand könne nicht durch eine ausgewogene Ernährung ausgeglichen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.09.2014 Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, ihre Blutwerte hätten sich durch die Einnahme des Präparats Uniselen 200 Ne nachhaltig verbessert; dies zeige, dass das Präparat medizinisch notwendig sei. Der Beklagte habe außerdem das ebenfalls im o. g. Rezept enthaltene Präparat Dekristol 20.000 I.E. WKA N2 erstattet; die Versagung der Beihilfe für das Präparat Uniselen 200 Ne sei deshalb willkürlich. Die Stellungnahme des Gesundheitsamts argumentiere fehlerhaft, weil sie allein auf die Verschreibungspflicht abstelle. Die medizinische Notwendigkeit müsse demgegenüber anhand der medizinischen Wirkung beurteilt werden; diese habe der behandelnde Arzt in der Stellungnahme vom 04.08.2014 beschrieben: Die Klägerin habe unter einem akuten Selenmangel gelitten, der zu verschiedenen Beschwerden führte. Durch Gabe einer hohen Dosierung von Selen habe diese Symptomatik behoben werden können. Die (restlichen) Aufwendungen für die Knieoperation seien nicht erstattet worden, obwohl die Klägerin den geforderten Unfallbericht eingereicht habe.
Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 27.09.2014 Beihilfe für die restlichen Aufwendungen aufgrund des Rezepts vom 09.05.2014 in Höhe von 38,01 EUR gewährte, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt zuletzt (sachdienlich gefasst),
ihr für das Präparat Uniselen 200 Ne TAB 100 eine weitere Beihilfe i. H. v. 16,20 EUR zu bewilligen und den Bescheid des Beklagten vom 03.06.2014 und dessen Widerspruchsbescheid vom 06.08.2014 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
10 
Der Beklagte beantragt,
11 
die Klage abzuweisen.
12 
Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf seine Bescheide und die Stellungnahme des Gesundheitsamts R.
13 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorliegenden Behördenakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die Kammer entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
I.
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit – hinsichtlich des Betrags von 38,01 EUR für restliche Aufwendungen anlässlich der Knieoperation – in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
II.
16 
Die im Übrigen als Verpflichtungsklage statthafte und auch sonst zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat weder aufgrund beihilfe- (nachfolgend 1.) noch aufgrund sonstiger beamtenrechtlicher Vorschriften (nachfolgend 2.) einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat Uniselen 200 Ne. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 08.11.2012 – 5 C 4/12 –, Rn. 12, m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.10.2011 – 2 S 1369/11 –, Rn. 25, beide nach juris). Für die am 06.05.2014 entstandenen Aufwendungen ist somit die Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) in der zuletzt durch Änderungsverordnung vom 20.12.2013 (GBl. S. 53) geänderten, am 01.04.2014 in Kraft getretenen Fassung (nachfolgend BVO) maßgebend.
18 
a) Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO bestimmt, dass aus Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete, von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern bei Leistungen nach Nummer 1 verbrauchte oder nach Art und Menge schriftlich verordneteArzneimittel beihilfefähig sind.
19 
Dieser Vorschrift zufolge sind die Aufwendungen der Klägerin für das Präparat Uniselen 200 Ne nicht beihilfefähig, denn es handelt sich dabei nicht um ein Arzneimittel. Zwar sind unter „Arzneimitteln“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen; maßgeblich ist insoweit ihr „materieller Zweckcharakter“ (vgl. ausführlich zum Ganzen nach altem Recht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.08.2012 – 2 S 2631/10 –, Rn. 17 (m. w. N.), juris). Nach dem insoweit inzwischen – abweichend von der Rechtslage bis zum 31.03.2014 – eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO sind aberkeine Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne u. a. Nahrungsergänzungsmittel nach § 1 Abs. 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV), die als solche gekennzeichnet sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe b) BVO). Bei systematischer Betrachtung stellt die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO eine abschließende Sonderregelung gegenüber der allgemeinen, vor die Klammer gezogenen Vorschrift über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel im Eingangssatz der Bestimmung dar.
20 
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe b) BVO ist das Präparat Uniselen 200 Ne kein Arzneimittel. Vielmehr handelt es sich dabei ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 16.07.2014 um ein Nahrungsergänzungsmittel, das als Lebensmittel eingestuft ist. Es ist dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung zu ergänzen, stellt ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung dar (200 µg Selen pro Tablette) und wird als Tablette, d. h. in dosierter Form in den Verkehr gebracht (§ 1 Abs. 1 NemV). Das Präparat ist darüber hinaus entsprechend § 4 Abs. 1 NemV mit der Verkehrsbezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel mit Natriumselenit“ gekennzeichnet. Damit scheidet eine Beihilfefähigkeit der hierfür erbrachten Aufwendungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO aus.
21 
b) Die Aufwendungen der Klägerin sind auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Buchstabe a) BVO beihilfefähig. Nach dieser Vorschrift sind von den in Satz 2 genannten Aufwendungen ausnahmsweise Nahrungsergänzungsmittel beihilfefähig, wenn nach begründetem medizinischen Gutachten die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen ist; das Finanz- und Wirtschaftsministerium kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen von der medizinischen Notwendigkeit ohne gesonderten Nachweis auszugehen ist. Eine derartige Bestimmung durch das Ministerium ist für das hier streitgegenständliche Präparat nicht ersichtlich, so dass die Beihilfefähigkeit den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit nach begründetem medizinischen Gutachten voraussetzt.
22 
Dieser Nachweis ist für das streitige Präparat nicht geführt. Nach Auffassung der Kammer ist es im Gegenteil sogar ausgeschlossen, das Präparat als medizinisch notwendig anzusehen: Soweit für Beihilfezwecke medizinische Gutachten ohne Bezeichnung der Gutachterstelle vorgesehen sind, soll ein – bezüglich des anzugebenden Zwecks ausreichend begründetes – amtsärztliches Zeugnis des Gesundheitsamts eingeholt werden (§ 18 Abs. 5 BVO). Dieses Gutachten liegt hier in Gestalt der amtsärztlichen Stellungnahme vom 16.07.2014 vor und kommt zu dem Ergebnis, dass das Präparat gerade nicht medizinisch notwendig ist.
23 
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Gutachten nicht fehlerhaft begründet worden, weil es allein auf die Verschreibungspflicht von Präparaten abstelle. Zwar nimmt das Gutachten für Vitamine und Mineralstoffpräparate ersichtlich auf die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zur Beihilfeverordnung (VwVBVO) vom 24.04.2012 Bezug, die zu § 6 BVO in der damals noch geltenden Fassung unter Ziff. 2.5 bestimmt, dass Vitamine und Mineralstoffpräparate nur dann beihilfefähig sind, wenn sie verschreibungspflichtig sind, und abweichend davon auch dann, wenn sie bei Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Bei dem vorliegend streitgegenständlichen Präparat handelt es sich indes um ein Nahrungsergänzungsmittel. Für diese hält das Gutachten fest, dass zum einen von ihnen ein über eine ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehender therapeutischer Nutzen nicht zu erwarten ist und dass zum anderen für eine positive Einschätzung der Wirksamkeit und Geeignetheit dieser Mittel keine kontrollierten, wissenschaftlichen Standards genügenden Studien vorliegen. Vor dem Hintergrund dieser klaren, in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Aussage des Gutachtens hält die Kammer es für ausgeschlossen, dass die medizinische Notwendigkeit des Präparats nach begründetem medizinischen Gutachten noch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Buchstabe a) BVO nachgewiesen werden kann.
24 
Da somit bereits ein hinreichend aussagekräftiges, begründetes medizinisches Gutachten nach § 18 Abs. 5 BVO vorliegt, besteht unter dem Gesichtspunkt des Amtsermittlungsgrundsatzes kein Anlass, auf die Beweisanregungen der Klägerin hin ein (weiteres) Sachverständigengutachten zu den Fragen des Therapiestandards, etwaig vorliegender Studien über die Wirksamkeit und Geeignetheit sowie der medizinischen Notwendigkeit des Präparats einzuholen. Dies gilt zumal, da die Klägerin das vorliegende Gutachten – wie dargelegt – im entscheidenden Punkt nicht substantiiert in Frage gestellt hat. Sie hatte dem Amtsarzt zudem die maßgeblichen Befunde und Diagnosen zur Verfügung gestellt, so dass auch der Hinweis auf die pauschale Bescheinigung ihres behandelnden Arztes, der zufolge diverse Mangelzustände vorgelegen hätten, die durch ausgewogene Ernährung nicht beseitigt werden könnten und sich zwischenzeitlich gebessert hätten, hierzu nicht ausreicht. Ebenso wenig gibt der Hinweis auf das Patienteninformationsblatt des C.f.I.M. und darin erwähnte Studien zur sogenannten Mitochondrienmedizin zur Einholung eines (weiteren) Gutachtens Anlass, denn dieses Informationsblatt ist allgemein gehalten und lässt keinen spezifischen Bezug zum vorliegend streitigen Präparat erkennen. Die Beweisanregung gibt insbesondere keinerlei Aufschluss darüber, inwiefern das Präparat nach diesen Studien – entgegen dem Gutachten des Amtsarztes – die Voraussetzungen medizinischer Notwendigkeit erfüllen könnte, zu denen u. a. gehört, dass eine Behandlungsmethode bzw. verordnete Arzneimittel wissenschaftlich allgemein anerkannt sind, also von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2010 – 4 S 1816/07 –, Rn. 26, juris).
25 
c) Soweit die Klägerin schließlich die Beihilfefähigkeit des Präparats Uniselen aus der Gewährung von Beihilfe für das Präparat Dekristol 20.000 I.E. herleiten will, überzeugt dies ebenfalls nicht. So handelt es sich bei Dekristol 20.000 I.E. um ein völlig anderes Präparat, das nicht Gegenstand des Gutachtens vom 16.07.2014 war. Zudem sind die Bewilligungsvoraussetzungen für jedes einzelne Präparat gesondert zu prüfen. Abgesehen davon, könnte die Klägerin sich nicht einmal dann auf Vertrauensschutz berufen, wenn der Beklagte ihr in der Vergangenheit – ggfls. rechtswidrig – Beihilfe für das Präparat Uniselen 200 Ne gewährt hätte. Denn grundsätzlich kann aus einer rechtswidrigen Bewilligung keine Selbstbindung des Beklagten hergeleitet werden, derartige Aufwendungen auch zukünftig ohne Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten (vgl. zum Ganzen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 – 4 S 804/01 –, Rn. 21, juris). Wenn schon die rechtswidrige, bestandskräftige Gewährung einer Beihilfeleistung kein Vertrauen dahin gehend begründet, diese weiterhin zu erhalten, muss dies erst recht für die Bewilligung eines völlig anderen Präparats gelten.
26 
2. Die Klägerin hat auch keinen sich aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach Art. 33 Abs. 5 GG, § 78 BBG ergebenden Beihilfeanspruch, der über die vorgenannten Beihilfevorschriften hinausginge. Denn die Fürsorgepflicht in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen wird grundsätzlich abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert (st. Rspr. BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 25, m. w. N., juris). Aus der Fürsorgepflicht ergeben sich nur dann Leistungsansprüche, wenn diese andernfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Den Wesenskern der Fürsorgepflicht können allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren (st. Rspr. BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 25, m. w. N., juris).
27 
Eine derartige Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht liegt nicht vor. Denn es ist weder erkennbar noch von der Klägerin dargetan, dass ihre amtsangemessene Lebensführung unzumutbar beeinträchtigt wird, weil ihr die begehrte Beihilfe als Folge ihrer Erkrankung vorenthalten wird (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 26, juris). Die Beihilfe ist lediglich als eine die Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Leistung konzipiert; sie soll den Beamten von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 – 2 BvR 1053/98 –, juris). Eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen in Ergänzung der zumutbaren Eigenvorsorge verlangt die Fürsorgepflicht jedoch nicht (BVerfG, Beschluss vom 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 –, juris).
28 
Dementsprechend besteht auch kein Anspruch auf die beantragte Beihilfe aus der Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 Satz 1 BVO. Nach dieser Vorschrift kann bei Anlegung eines strengen Maßstabs in besonderen Härtefällen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde und nur im Einvernehmen mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium zu Aufwendungen im Sinne des § 78 LBG ausnahmsweise abweichend von den in der BVO genannten Voraussetzungen Beihilfe gewährt werden. Damit hat der Verordnungsgeber eine Vorschrift geschaffen, um ganz besonderen Fällen gerecht werden zu können, in denen die durch die BVO erfolgte typisierende, pauschalisierende und abschließende Konkretisierung der gesetzlich und verfassungsrechtlich gebotenen Fürsorgepflicht ausnahmsweise nicht ausreichend ist, um den Wesenskern der Fürsorgepflicht gegenüber dem beihilfeberechtigten Beamten und seinen Angehörigen zu gewährleisten. In derartigen Einzelfällen, in denen in Folge eines die Beihilfeberechtigung hervorrufenden Tatbestands eine unerträgliche Beeinträchtigung der Möglichkeit zur amtsangemessenen Lebensführung auftritt, kann eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht gegeben sein und einen Anspruch auf weitergehende Beihilfe im Einzelfall begründen (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.2008 – 4 S 2725/06 –, Rn. 29, juris). Weder aus dem eigenen Sachvortrag der Klägerin noch aus dem Akteninhalt ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten für das Präparat Uniselen 200 Ne die Klägerin finanziell übermäßig belasten könnten und insbesondere die Voraussetzung des § 5 Abs. 6 Satz 4 BVO erfüllt wären. Auch sonstige Umstände, bei deren Vorliegen es sich aufdrängen müsste, dass der Fürsorgegrundsatz zur ausnahmsweisen Anerkennung der Beihilfefähigkeit – hier der Einbeziehung des im Streit stehenden Nahrungsergänzungsmittels – führt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
29 
3. Im Ergebnis hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Beihilfe, so dass die Klage abzuweisen war.
III.
30 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, soweit die Klage abgewiesen wurde. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, war nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Da die insoweit zunächst eingeklagten Aufwendungen erstattungsfähig waren und der Beklagte deshalb dem Begehren der Klägerin abhalf, entsprach es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens anteilig in entsprechender Höhe dem Beklagten aufzuerlegen.
31 
Das Gericht sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Berufung war nicht gemäß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt.

Gründe

 
14 
Die Kammer entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
I.
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit – hinsichtlich des Betrags von 38,01 EUR für restliche Aufwendungen anlässlich der Knieoperation – in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
II.
16 
Die im Übrigen als Verpflichtungsklage statthafte und auch sonst zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat weder aufgrund beihilfe- (nachfolgend 1.) noch aufgrund sonstiger beamtenrechtlicher Vorschriften (nachfolgend 2.) einen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat Uniselen 200 Ne. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (st. Rspr., vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 08.11.2012 – 5 C 4/12 –, Rn. 12, m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.10.2011 – 2 S 1369/11 –, Rn. 25, beide nach juris). Für die am 06.05.2014 entstandenen Aufwendungen ist somit die Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) in der zuletzt durch Änderungsverordnung vom 20.12.2013 (GBl. S. 53) geänderten, am 01.04.2014 in Kraft getretenen Fassung (nachfolgend BVO) maßgebend.
18 
a) Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO bestimmt, dass aus Anlass einer Krankheit die Aufwendungen für gesondert erbrachte und berechnete, von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern bei Leistungen nach Nummer 1 verbrauchte oder nach Art und Menge schriftlich verordneteArzneimittel beihilfefähig sind.
19 
Dieser Vorschrift zufolge sind die Aufwendungen der Klägerin für das Präparat Uniselen 200 Ne nicht beihilfefähig, denn es handelt sich dabei nicht um ein Arzneimittel. Zwar sind unter „Arzneimitteln“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen; maßgeblich ist insoweit ihr „materieller Zweckcharakter“ (vgl. ausführlich zum Ganzen nach altem Recht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 02.08.2012 – 2 S 2631/10 –, Rn. 17 (m. w. N.), juris). Nach dem insoweit inzwischen – abweichend von der Rechtslage bis zum 31.03.2014 – eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO sind aberkeine Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne u. a. Nahrungsergänzungsmittel nach § 1 Abs. 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV), die als solche gekennzeichnet sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe b) BVO). Bei systematischer Betrachtung stellt die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO eine abschließende Sonderregelung gegenüber der allgemeinen, vor die Klammer gezogenen Vorschrift über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Arzneimittel im Eingangssatz der Bestimmung dar.
20 
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchstabe b) BVO ist das Präparat Uniselen 200 Ne kein Arzneimittel. Vielmehr handelt es sich dabei ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens vom 16.07.2014 um ein Nahrungsergänzungsmittel, das als Lebensmittel eingestuft ist. Es ist dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung zu ergänzen, stellt ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung dar (200 µg Selen pro Tablette) und wird als Tablette, d. h. in dosierter Form in den Verkehr gebracht (§ 1 Abs. 1 NemV). Das Präparat ist darüber hinaus entsprechend § 4 Abs. 1 NemV mit der Verkehrsbezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel mit Natriumselenit“ gekennzeichnet. Damit scheidet eine Beihilfefähigkeit der hierfür erbrachten Aufwendungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO aus.
21 
b) Die Aufwendungen der Klägerin sind auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Buchstabe a) BVO beihilfefähig. Nach dieser Vorschrift sind von den in Satz 2 genannten Aufwendungen ausnahmsweise Nahrungsergänzungsmittel beihilfefähig, wenn nach begründetem medizinischen Gutachten die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen ist; das Finanz- und Wirtschaftsministerium kann bestimmen, unter welchen Voraussetzungen von der medizinischen Notwendigkeit ohne gesonderten Nachweis auszugehen ist. Eine derartige Bestimmung durch das Ministerium ist für das hier streitgegenständliche Präparat nicht ersichtlich, so dass die Beihilfefähigkeit den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit nach begründetem medizinischen Gutachten voraussetzt.
22 
Dieser Nachweis ist für das streitige Präparat nicht geführt. Nach Auffassung der Kammer ist es im Gegenteil sogar ausgeschlossen, das Präparat als medizinisch notwendig anzusehen: Soweit für Beihilfezwecke medizinische Gutachten ohne Bezeichnung der Gutachterstelle vorgesehen sind, soll ein – bezüglich des anzugebenden Zwecks ausreichend begründetes – amtsärztliches Zeugnis des Gesundheitsamts eingeholt werden (§ 18 Abs. 5 BVO). Dieses Gutachten liegt hier in Gestalt der amtsärztlichen Stellungnahme vom 16.07.2014 vor und kommt zu dem Ergebnis, dass das Präparat gerade nicht medizinisch notwendig ist.
23 
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Gutachten nicht fehlerhaft begründet worden, weil es allein auf die Verschreibungspflicht von Präparaten abstelle. Zwar nimmt das Gutachten für Vitamine und Mineralstoffpräparate ersichtlich auf die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft zur Beihilfeverordnung (VwVBVO) vom 24.04.2012 Bezug, die zu § 6 BVO in der damals noch geltenden Fassung unter Ziff. 2.5 bestimmt, dass Vitamine und Mineralstoffpräparate nur dann beihilfefähig sind, wenn sie verschreibungspflichtig sind, und abweichend davon auch dann, wenn sie bei Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Bei dem vorliegend streitgegenständlichen Präparat handelt es sich indes um ein Nahrungsergänzungsmittel. Für diese hält das Gutachten fest, dass zum einen von ihnen ein über eine ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehender therapeutischer Nutzen nicht zu erwarten ist und dass zum anderen für eine positive Einschätzung der Wirksamkeit und Geeignetheit dieser Mittel keine kontrollierten, wissenschaftlichen Standards genügenden Studien vorliegen. Vor dem Hintergrund dieser klaren, in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Aussage des Gutachtens hält die Kammer es für ausgeschlossen, dass die medizinische Notwendigkeit des Präparats nach begründetem medizinischen Gutachten noch im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 Buchstabe a) BVO nachgewiesen werden kann.
24 
Da somit bereits ein hinreichend aussagekräftiges, begründetes medizinisches Gutachten nach § 18 Abs. 5 BVO vorliegt, besteht unter dem Gesichtspunkt des Amtsermittlungsgrundsatzes kein Anlass, auf die Beweisanregungen der Klägerin hin ein (weiteres) Sachverständigengutachten zu den Fragen des Therapiestandards, etwaig vorliegender Studien über die Wirksamkeit und Geeignetheit sowie der medizinischen Notwendigkeit des Präparats einzuholen. Dies gilt zumal, da die Klägerin das vorliegende Gutachten – wie dargelegt – im entscheidenden Punkt nicht substantiiert in Frage gestellt hat. Sie hatte dem Amtsarzt zudem die maßgeblichen Befunde und Diagnosen zur Verfügung gestellt, so dass auch der Hinweis auf die pauschale Bescheinigung ihres behandelnden Arztes, der zufolge diverse Mangelzustände vorgelegen hätten, die durch ausgewogene Ernährung nicht beseitigt werden könnten und sich zwischenzeitlich gebessert hätten, hierzu nicht ausreicht. Ebenso wenig gibt der Hinweis auf das Patienteninformationsblatt des C.f.I.M. und darin erwähnte Studien zur sogenannten Mitochondrienmedizin zur Einholung eines (weiteren) Gutachtens Anlass, denn dieses Informationsblatt ist allgemein gehalten und lässt keinen spezifischen Bezug zum vorliegend streitigen Präparat erkennen. Die Beweisanregung gibt insbesondere keinerlei Aufschluss darüber, inwiefern das Präparat nach diesen Studien – entgegen dem Gutachten des Amtsarztes – die Voraussetzungen medizinischer Notwendigkeit erfüllen könnte, zu denen u. a. gehört, dass eine Behandlungsmethode bzw. verordnete Arzneimittel wissenschaftlich allgemein anerkannt sind, also von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2010 – 4 S 1816/07 –, Rn. 26, juris).
25 
c) Soweit die Klägerin schließlich die Beihilfefähigkeit des Präparats Uniselen aus der Gewährung von Beihilfe für das Präparat Dekristol 20.000 I.E. herleiten will, überzeugt dies ebenfalls nicht. So handelt es sich bei Dekristol 20.000 I.E. um ein völlig anderes Präparat, das nicht Gegenstand des Gutachtens vom 16.07.2014 war. Zudem sind die Bewilligungsvoraussetzungen für jedes einzelne Präparat gesondert zu prüfen. Abgesehen davon, könnte die Klägerin sich nicht einmal dann auf Vertrauensschutz berufen, wenn der Beklagte ihr in der Vergangenheit – ggfls. rechtswidrig – Beihilfe für das Präparat Uniselen 200 Ne gewährt hätte. Denn grundsätzlich kann aus einer rechtswidrigen Bewilligung keine Selbstbindung des Beklagten hergeleitet werden, derartige Aufwendungen auch zukünftig ohne Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen zu erstatten (vgl. zum Ganzen: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 – 4 S 804/01 –, Rn. 21, juris). Wenn schon die rechtswidrige, bestandskräftige Gewährung einer Beihilfeleistung kein Vertrauen dahin gehend begründet, diese weiterhin zu erhalten, muss dies erst recht für die Bewilligung eines völlig anderen Präparats gelten.
26 
2. Die Klägerin hat auch keinen sich aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach Art. 33 Abs. 5 GG, § 78 BBG ergebenden Beihilfeanspruch, der über die vorgenannten Beihilfevorschriften hinausginge. Denn die Fürsorgepflicht in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen wird grundsätzlich abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert (st. Rspr. BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 25, m. w. N., juris). Aus der Fürsorgepflicht ergeben sich nur dann Leistungsansprüche, wenn diese andernfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Den Wesenskern der Fürsorgepflicht können allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren (st. Rspr. BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 25, m. w. N., juris).
27 
Eine derartige Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht liegt nicht vor. Denn es ist weder erkennbar noch von der Klägerin dargetan, dass ihre amtsangemessene Lebensführung unzumutbar beeinträchtigt wird, weil ihr die begehrte Beihilfe als Folge ihrer Erkrankung vorenthalten wird (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, vgl. etwa Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12 –, Rn. 26, juris). Die Beihilfe ist lediglich als eine die Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Leistung konzipiert; sie soll den Beamten von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002 – 2 BvR 1053/98 –, juris). Eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen in Ergänzung der zumutbaren Eigenvorsorge verlangt die Fürsorgepflicht jedoch nicht (BVerfG, Beschluss vom 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 –, juris).
28 
Dementsprechend besteht auch kein Anspruch auf die beantragte Beihilfe aus der Härtefallregelung des § 5 Abs. 6 Satz 1 BVO. Nach dieser Vorschrift kann bei Anlegung eines strengen Maßstabs in besonderen Härtefällen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde und nur im Einvernehmen mit dem Finanz- und Wirtschaftsministerium zu Aufwendungen im Sinne des § 78 LBG ausnahmsweise abweichend von den in der BVO genannten Voraussetzungen Beihilfe gewährt werden. Damit hat der Verordnungsgeber eine Vorschrift geschaffen, um ganz besonderen Fällen gerecht werden zu können, in denen die durch die BVO erfolgte typisierende, pauschalisierende und abschließende Konkretisierung der gesetzlich und verfassungsrechtlich gebotenen Fürsorgepflicht ausnahmsweise nicht ausreichend ist, um den Wesenskern der Fürsorgepflicht gegenüber dem beihilfeberechtigten Beamten und seinen Angehörigen zu gewährleisten. In derartigen Einzelfällen, in denen in Folge eines die Beihilfeberechtigung hervorrufenden Tatbestands eine unerträgliche Beeinträchtigung der Möglichkeit zur amtsangemessenen Lebensführung auftritt, kann eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht gegeben sein und einen Anspruch auf weitergehende Beihilfe im Einzelfall begründen (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11.11.2008 – 4 S 2725/06 –, Rn. 29, juris). Weder aus dem eigenen Sachvortrag der Klägerin noch aus dem Akteninhalt ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten für das Präparat Uniselen 200 Ne die Klägerin finanziell übermäßig belasten könnten und insbesondere die Voraussetzung des § 5 Abs. 6 Satz 4 BVO erfüllt wären. Auch sonstige Umstände, bei deren Vorliegen es sich aufdrängen müsste, dass der Fürsorgegrundsatz zur ausnahmsweisen Anerkennung der Beihilfefähigkeit – hier der Einbeziehung des im Streit stehenden Nahrungsergänzungsmittels – führt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
29 
3. Im Ergebnis hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Beihilfe, so dass die Klage abzuweisen war.
III.
30 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, soweit die Klage abgewiesen wurde. Soweit das Verfahren eingestellt wurde, war nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). Da die insoweit zunächst eingeklagten Aufwendungen erstattungsfähig waren und der Beklagte deshalb dem Begehren der Klägerin abhalf, entsprach es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens anteilig in entsprechender Höhe dem Beklagten aufzuerlegen.
31 
Das Gericht sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO davon ab, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Berufung war nicht gemäß § 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. (2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. (3) Der Genuß bürgerlicher und st

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

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(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Bundesbeamtengesetz - BBG 2009 | § 78 Fürsorgepflicht des Dienstherrn


Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlich

Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel


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(1) Nahrungsergänzungsmittel im Sinne dieser Verordnung ist ein Lebensmittel, das 1. dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,2. ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirk

Nahrungsergänzungsmittelverordnung - NemV | § 4 Kennzeichnung


(1) Für ein Nahrungsergänzungsmittel ist die Bezeichnung "Nahrungsergänzungsmittel" Bezeichnung des Lebensmittels nach der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011. (2) Ein Nahrungsergänzungsmittel darf gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 08. Nov. 2012 - 5 C 4/12

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Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für das ihm ärztlich verordnete Arzneimittel "Sortis 10 mg Filmtabletten No. 100".

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. Aug. 2012 - 2 S 2631/10

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Jan. 2010 - 4 S 1816/07

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Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar. 3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für das ihm ärztlich verordnete Arzneimittel "Sortis 10 mg Filmtabletten No. 100".

2

Als Berufssoldat im Ruhestand ist er Versorgungsempfänger der Beklagten mit einem Beihilfebemessungssatz von 70 v.H. Im April 2009 beantragte er die Gewährung einer Beihilfe für zwei Packungen des vorbezeichneten Medikaments, die er im gleichen Monat zu einem Apothekenverkaufspreis in Höhe von 110,05 € je Packung erworben hatte. Mit Bescheid vom 5. Mai 2009 setzte die Beklagte die Beihilfe insoweit auf einen Betrag von 29,62 € fest. Hierbei erkannte sie einen Festbetrag von 26,16 € je Packung abzüglich eines Eigenbehalts in Höhe von insgesamt 10 € als beihilfefähig an.

3

Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf den Festbetrag stehe im Einklang mit dem Beihilferecht des Bundes wie auch mit höherrangigem Recht. Die Entscheidung über die Festsetzung des Festbetrages sei nicht auf Dritte delegiert worden. Die Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn bleibe gewährleistet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf den Festbetrag entspreche insbesondere dem beihilferechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot.

4

Gegen das Urteil hat der Kläger die von dem Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Auf seinen Antrag hin ist die Frist zu deren Begründung bis zum 3. Februar 2012 verlängert worden. Der Ausdruck der dem Bundesverwaltungsgericht an diesem Tag per Telefax übermittelten Revisionsbegründungsschrift enthält auf Seite 7 nur einige schwarze Striche; eine den Schriftsatz abschließende Unterschrift ist nicht zu erkennen. Hierauf hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung der Revision trägt er im Wesentlichen vor, im Bundesbeihilferecht fehle es an einer Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln auf Festbeträge. Eine solche lasse sich weder auf die Bundesbeihilfeverordnung noch auf die hierzu ergangene Allgemeine Verwaltungsvorschrift stützen. Die maßgeblichen Bestimmungen genügten den Anforderungen der gesetzlichen Ermächtigung nicht. Eine Anpassung der für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmten Festbeträge an die besonderen beamtenrechtlichen Verhältnisse sei ebenso unterblieben wie eine dynamische Verweisung auf das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch. Eine Beschränkung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf Festbeträge werde auch nicht durch das beihilferechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot gerechtfertigt.

5

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.

6

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht führt aus, generell verstießen Festbeträge nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist zulässig (1.) und begründet (2.).

8

1. Die Revision ist auch dann zulässig, wenn - was keiner abschließenden Klärung bedarf - davon ausgegangen wird, dass sie nicht innerhalb der nach § 139 Abs. 3 Satz 3 VwGO gesetzten Frist ordnungsgemäß begründet worden ist, weil der Ausdruck der per Telefax bei dem Bundesverwaltungsgericht eingegangenen Begründungsschrift weder einen Abschluss noch eine Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Klägers erkennen ließ. Dem Kläger ist auf seinen Antrag hin jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 i.V.m. § 60 VwGO).

9

Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 3 VwGO um eine (verlängerte) gesetzliche Frist handelt. Denn die Wiedereinsetzungsvorschriften sind dann jedenfalls - so auch hier - entsprechend anzuwenden, wenn Sinn und Zweck des Wiedereinsetzungsrechts unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 4 GG und des Art. 103 Abs. 1 GG dies gebieten (Beschluss vom 13. Dezember 1993 - BVerwG 9 B 501.93 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 186 S. 60 f. m.w.N.). Ein Prozessbeteiligter, dessen Begründungsschrift trotz rechtzeitiger Absendung das Gericht nicht vollständig erreicht hat, befindet sich im Lichte des Art. 103 Abs. 1 GG in der gleichen Situation wie ein Beteiligter, der die gesetzliche Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO ohne Verschulden versäumt hat (vgl. Urteil vom 24. September 1997 - BVerwG 11 C 10.96 - Buchholz 407.2 § 19 EKrG Nr. 1 und Beschluss vom 6. Juni 1995 - BVerwG 6 C 13.93 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 198). Auch ihm ist durch die Wiedereinsetzung rechtliches Gehör zu gewähren.

10

Das angenommene Fristversäumnis beruhte weder auf einem Verschulden des Klägers (§ 60 Abs. 1 VwGO) noch auf einem diesem zuzurechnenden Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax an das Gericht stellt eine einfache technische Verrichtung dar, die ein Rechtsanwalt einer hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft überlassen darf. Seiner Verpflichtung, für eine genaue Ausgangskontrolle zu sorgen, genügt er bei dem Einsatz eines Telefaxgerätes, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich bei der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Notfrist erst nach der Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen. In diesem Fall darf er sich bei Angestellten, die sich über längere Zeit hinweg als zuverlässig erwiesen haben, darauf verlassen, dass seine allgemein erteilten Anweisungen im Einzelfall befolgt werden (Beschlüsse vom 4. August 2000 - BVerwG 3 B 75.00 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 235 S. 23 m.w.N. und vom 18. März 2004 - BVerwG 6 PB 16.03 - Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 76; BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690 <1691> m.w.N.). So verhält es sich hier. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben glaubhaft gemacht, dass sie durch geeignete organisatorische Vorkehrungen, insbesondere durch eindeutige Anweisungen an das Büropersonal und die Festlegung klarer Zuständigkeiten sicherstellen, dass Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen soweit wie möglich ausgeschlossen werden und dass es sich bei den mit der Versendung der Revisionsbegründungsschrift befassten Angestellten um geschulte und zuverlässige Kräfte handelt.

11

2. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht geht zu Unrecht davon aus, dass das bis zum Ablauf des 19. September 2012 geltende Beihilferecht des Bundes eine Rechtsgrundlage enthielt, welche die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Arzneimittel auf Festbeträge beschränkte.

12

Der Kläger hat einen Anspruch auf die von ihm begehrte weitere Beihilfe für das Arzneimittel "Sortis 10 mg Filmtabletten No. 100" aus § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 22 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl I S. 326). Diese Normen finden hier Anwendung, da die maßgeblichen Aufwendungen mit dem Erwerb des Arzneimittels am 9. April 2009 entstanden sind. Beihilferechtliche Streitigkeiten sind grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, zu beurteilen (stRspr, vgl. Urteile vom 28. Juni 1965 - BVerwG 8 C 80.64 - BVerwGE 21, 264 <265 ff.> = Buchholz 238.91 Nr. 12 Abs. 1 BhV Nr. 1 S. 2 ff., vom 24. März 1982 - BVerwG 6 C 95.79 - BVerwGE 65, 184 <187> = Buchholz 238.4 § 30 SG Nr. 6 S. 10 und vom 30. April 2009 - BVerwG 2 C 127.07 - Buchholz 270 § 12 BhV Nr. 3 Rn. 7).

13

a) Der Kläger ist als Soldat im Ruhestand Versorgungsempfänger und damit beihilfeberechtigt (§ 31 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten - Soldatengesetz - SG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 - BGBl I S. 1482 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 - BGBl I S. 160 - i.V.m. § 80 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 des Bundesbeamtengesetzes - BBG - i.d.F. des Gesetzes vom 5. Februar 2009 - BGBl I S. 160 -, § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 BBhV).

14

b) Die Aufwendungen des Klägers sind auch beihilfefähig gemäß § 80 Abs. 2 BBG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV. Die Beihilfefähigkeit erstreckt sich danach grundsätzlich nur auf notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen.

15

Aufwendungen in Krankheitsfällen sind dem Grunde nach notwendig, wenn sie für eine medizinisch gebotene Behandlung entstanden sind, die der Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung von Leiden oder der Beseitigung oder dem Ausgleich physischer oder psychischer Beeinträchtigungen dient. Der Höhe nach wirtschaftlich angemessen sind Aufwendungen, wenn und soweit keine gleich wirksame preisgünstigere Behandlung zur Verfügung steht (Urteil vom 17. Oktober 2011 - BVerwG 2 C 14.10 - BVerwGE 141, 69 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 41, jeweils Rn. 14 m.w.N.).

16

Die Notwendigkeit der Aufwendungen für das dem Kläger schriftlich verordnete (vgl. § 22 Abs. 1 BBhV) und von den Ausschlusstatbeständen des § 22 Abs. 2 BBhV nicht erfasste Medikament "Sortis 10 mg Filmtabletten No. 100" sowie die wirtschaftliche Angemessenheit dieser Aufwendungen stehen zwischen den Beteiligten - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bekräftigt hat - nicht im Streit. Dies in Zweifel zu ziehen, sieht der Senat auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) keinen Anlass.

17

c) Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen des Klägers ist nicht durch Festbeträge beschränkt. Festbeträge bedürfen, wenn sie als Obergrenzen für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen den Grundsatz einschränken, dass Beihilfe gewährt wird, soweit die Aufwendungen für Arzneimittel notwendig und angemessen sind, einer wirksamen Rechtsgrundlage (Urteil vom 28. Mai 2009 - BVerwG 2 C 28.08 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 19 Rn. 14). Eine solche findet sich weder in der Bundesbeihilfeverordnung (aa) noch in den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften (bb).

18

aa) Obgleich es nicht an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt (1), hat der Verordnungsgeber in § 22 Abs. 3 BBhV (a.F.) keine Festbetragsregelung normiert (2). Nichts anderes folgt aus § 7 BBhV (3).

19

(1) Eine hinreichend bestimmte gesetzliche Regelung, die den Verordnungsgeber dazu ermächtigt, eine Begrenzung der Beihilfefähigkeit für Arzneimittel auf Festbeträge zu normieren, findet sich in § 80 Abs. 4 BBG. Danach regelt das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der Beihilfegewährung, insbesondere der Höchstbeträge, des völligen oder teilweisen Ausschlusses von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch und der Berücksichtigung von Kindern.

20

Die Vorschrift erfasst auch Festbeträge, obgleich diese - anders als die ausdrücklich genannten Höchstbeträge sowie der vollständige und partielle Ausschluss von Arzneimitteln - nicht ebenfalls beispielhaft aufgeführt sind. Dabei bedarf es keiner vertieften Betrachtung, ob Festbeträge nicht bereits als Unterfall der Höchstbeträge begriffen werden können. Mit der Änderung des § 80 Abs. 4 BBG durch das Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) bezweckte der Gesetzgeber die wirkungsgleiche Übertragung von Änderungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung auf das Beihilferecht (BRDrucks 720/07 S. 218 f.). § 35 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2477) i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2008 (BGBl I S. 2426) enthielt bereits eine Regelung zur Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Änderung des § 80 Abs. 4 BBG beabsichtigte, dieses bedeutsame Instrument zur Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Gesundheitswesen von der Übertragung auszunehmen, bestehen nicht.

21

(2) § 22 Abs. 3 BBhV (a.F.) bestimmt jedoch weder selbst Festbeträge, noch enthält diese Norm eine bindende (dynamische) Verweisung auf die Vorschrift des § 35 SGB V und die auf dieser Grundlage für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung getroffene Festbetragsregelung (so zutreffend VGH Mannheim, Urteil vom 4. August 2011 - 2 S 83/11 - DVBl 2011, 1432 = juris Rn. 21; VGH Kassel, Urteil vom 8. September 2011 - 1 A 2556/10 - DVBl 2011, 1498; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. April 2012 - OVG 6 B 13.11 - juris Rn. 14). Dies folgt bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BBhV (a.F.) bestimmt das Bundesministerium des Innern in Verwaltungsvorschriften Festbeträge im Sinne von § 35 SGB V. Damit bleiben diese ausdrücklich einer Regelung in Verwaltungsvorschriften vorbehalten. Für ihre Bestimmung verweist § 22 Abs. 3 Satz 2 BBhV (a.F.) auf die Grundsätze des § 35 SGB V, ohne deren unmittelbare und verbindliche Anwendung anzuordnen. § 22 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 1 BBhV (a.F.) sieht eine Orientierung an den in § 35 SGB V getroffenen Entscheidungen und Bewertungen vor, ohne Inhalt und Ausmaß dieser Orientierung zu konkretisieren. § 22 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 BBhV (a.F.) erlegt dem Bundesministerium des Innern die Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des § 78 BBG auf, ohne insoweit Näheres zu regeln. Auch die Entscheidung, nach welchen Maßstäben über das Entfallen des Eigenbehaltes nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 BBhV zu entscheiden ist, bleibt in § 22 Abs. 3 Satz 5 BBhV (a.F.) einer näheren Bestimmung in Verwaltungsvorschriften vorbehalten.

22

(3) § 7 Satz 2 BBhV greift das Konzept einer wirkungsgleichen Übertragung von Änderungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung auf und hält die Rechtsanwendung an, sich unter Berücksichtigung des Fürsorgegrundsatzes nach § 78 BBG an Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuches zu orientieren. § 7 Satz 3 BBhV erstreckt dieses Gebot zwar auch auf § 22 BBhV (a.F.). Die Vorgabe des § 7 Satz 2 BBhV steht aber unter der Prämisse einer verbindlichen Verweisung auf die betreffenden sozialgesetzlichen Regelungen. Eine solche Verweisung sieht § 22 Abs. 3 BBhV (a.F.) - anders etwa als § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 oder Abs. 5 Satz 2 BBhV (a.F.) - nicht vor.

23

bb) Eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel vermitteln auch nicht die Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums des Innern. Unabhängig davon, ob Festbeträge als Obergrenzen für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Arzneimittel vor dem Hintergrund des Prinzips vom Vorbehalt des Gesetzes überhaupt wirksam in Verwaltungsvorschriften bestimmt werden könnten (vgl. Urteile vom 17. Juni 2004 - BVerwG 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <107> = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123 S. 11, vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 12, und vom 28. Mai 2009 a.a.O. Rn. 19), ist jedenfalls eine entsprechende Bestimmung in Nr. 22.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhV-VwV) vom 14. Februar 2009 (GMBl S. 138) nicht getroffen worden.

24

Nr. 22.3.1 BBhV-VwV enthält lediglich Richtlinien für die Ermittlung der beihilfefähigen Festbeträge. Festbeträge werden damit in dieser Verwaltungsvorschrift nicht selbst niedergelegt, sondern ihre Festsetzung wird mit der Maßgabe, dass der Fürsorgegrundsatz zu berücksichtigen ist, der rechtsanwendenden Verwaltung überantwortet. Eine (dynamische) Verweisung, die die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen erstellte Übersicht für unmittelbar anwendbar erklärt, enthält die Verwaltungsvorschrift ebenfalls nicht. Die in Nr. 22.3.2 BBhV-VwV in Bezug genommene Übersicht über sämtliche Festbeträge und die betroffenen Arzneimittel wird nur als "Grundlage" für eine noch vorzunehmende beihilfespezifische "Ermittlung des beihilfefähigen Festbetrages" herangezogen.

25

Für eine Bestimmung von Festbeträgen genügt es schließlich auch nicht, wenn - wie teilweise geltend gemacht worden ist - entsprechende Daten in ein behördeninternes Datenverarbeitungssystem eingegeben werden. Ungeachtet der Frage der genauen rechtlichen Einordnung dieses Vorgangs liegt darin weder eine von § 22 Abs. 3 BBhV (a.F.) vorgesehene (schriftliche) Niederlegung in Verwaltungsvorschriften, noch könnte die bloße Eingabe in ein Datenverarbeitungssystem den rechtsstaatlichen Publizitätsanforderungen gerecht werden (vgl. Urteil vom 25. November 2004 - BVerwG 5 CN 1.03 - BVerwGE 122, 264 <268 ff.> m.w.N.).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit einem Elektromobil (Cityliner 412).
Der Kläger ist Beamter der Bundesfinanzverwaltung der Bundesrepublik Deutschland und für sich und seine Ehefrau mit einem Bemessungssatz von jeweils 70 Prozent beihilfeberechtigt. Die Ehefrau des Klägers leidet an Multipler Sklerose (MS) und ist stark gehbehindert (Merkmal „aG“). Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten erhält sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege).
Unter dem 30.11.2008 beantragte der Kläger unter anderem Beihilfe für das für seine Ehefrau im September 2008 angeschaffte „behindertengerechte Elektromobil Cityliner 412“. Laut Rechnung der Firma R. belaufen sich die Kosten hierfür auf 3.928,57 EUR. In der ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. J. vom 01.04.2008 wird sinngemäß die medizinische Notwendigkeit für ein „Elektrokrankenfahrzeug“ attestiert und ausgeführt, die Ehefrau des Klägers wohne an einem Berghang und ohne ein Elektrokrankenfahrzeug könne sie sich nicht fortbewegen.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Beklagte die Ausstattung der Ehefrau des Klägers mit einem Elektromobil mit der Begründung ab, es handele sich nicht um ein beihilfefähiges Hilfsmittel. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, den er damit begründete, im Jahre 2003 sei für den Kauf eines behindertengerechten Elektromobils Beihilfe gewährt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 zurück. Zur Begründung führte die Behörde unter anderem aus, nach Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Krankenfahrstühle mit Zubehör beihilfefähig. Nicht beihilfefähig seien dagegen die unter Nr. 9 der Anlage 3 aufgeführten Gegenstände, wozu auch Elektrofahrzeuge, d.h. auch das hier zu beurteilende Elektromobil gehörten.
Der Kläger hat am 02.03.2009 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem sinngemäßen Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm Beihilfe in Höhe von 70 Prozent für die Anschaffung eines Elektromobils Cityliner 412 zu gewähren und die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 03.12.2008 und 03.02.2009 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 31.03.2011 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Bei dem vom Kläger angeschafften Elektromobil handele es sich ersichtlich nicht um einen Krankenfahrstuhl im Sinne von Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes, sondern um ein Elektrofahrzeug im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3. Dieses Fahrzeug sei so gebaut, dass es schon von seinem optischen Eindruck her niemandem einfallen werde, dieses Fahrzeug als Krankenfahrstuhl zu bezeichnen. Wegen seiner Konstruktion und seinen Ausmaßen sei das Fahrzeug auch nicht dazu geeignet, in Wohnungen als Ersatz für einen Stuhl zu dienen. Das Elektromobil sei zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gedacht und entsprechend sei es auch ausgestattet mit Beleuchtung, Blinker, Bremslichtern und Warnblinklicht. Dafür, dass es sich nicht um einen Krankenfahrstuhl handele, spreche im Übrigen auch die Internet-Präsentation der Herstellerfirma. Diese präsentiere das Elektromobil unter dem Oberbegriff „Scooter“ und nicht unter dem Oberbegriff „Rollstühle“, unter dem sie unter anderem auch elektrisch betriebene Rollstühle anbiete.
Die Anschaffung des Elektromobils sei nicht beihilfefähig, weil der Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Es handele sich nicht um ein Hilfsmittel, das speziell auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten sei. Ein Elektromobil spreche einen breiteren Personenkreis an, der keines Rollstuhls bedürfe, aber seine Mobilität erhöhen wolle. Es könne unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen auch im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Der allgemeinen Lebenshaltung dienten diejenigen Hilfsmittel, die üblicherweise herangezogen würden, um die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern, und die aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild hätten.
Der Umstand, dass die Beklagte früher Beihilfe für ein ähnliches Gerät gewährt habe, begründe auch keinen Vertrauensschutz. Die Abrechnung der Beihilfestellen habe Einzelfallcharakter und enthalte keine darüber hinausgehende positive Feststellung oder Festlegung zur Beihilfefähigkeit künftiger Anträge. Selbst wenn die früher für ein ähnliches Gerät bewilligte Beihilfe rechtswidrig gewesen wäre, sei die Beklagte nicht verpflichtet, diese rechtswidrige Praxis fortzusetzen.
Die Fürsorgepflicht gebiete ebenfalls nicht die Gewährung einer weiteren Beihilfe. Die Beihilfevorschriften stellten eine für den Regelfall grundsätzlich abschließende Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen dar. Weitergehende Beihilfeansprüche könnten allenfalls begründet sein, wenn die Fürsorgepflicht in einem Einzelfall gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Daran wäre etwa zu denken, wenn die Ehefrau des Klägers erst durch ein Elektromobil die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit erhielte; diese Bewegungsfreiheit könnte sie aber bereits durch einen - beihilfefähigen - Krankenfahrstuhl erhalten.
10 
Gegen das ihm am 08.04.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.05.2011 (einem Montag) - die vom Verwaltungsgericht zugelassene - Berufung beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt. Nachdem der Kläger am 09.05.2011 darauf hingewiesen worden war, dass die Berufung beim Verwaltungsgericht einzulegen ist, hat er am 20.05.2011 beim Verwaltungsgericht (nochmals) Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung dieses Antrags macht der Kläger geltend: Die Rechtsanwaltsfachangestellte des Bevollmächtigten habe in die Berufungsschrift als Adressaten den Verwaltungsgerichtshof eingetragen. Sie habe am 09.05.2011 gegen 11.00 Uhr dem Bevollmächtigten die Berufungsschrift vorgelegt. Der Bevollmächtigte habe kurzfristig wegen der Erkrankung seines Sohnes um ungefähr 12.00 Uhr die Kanzlei verlassen müssen. Zuvor habe er die Berufungsschrift unterzeichnet und die Rechtsanwaltsfachangestellte darauf hingewiesen, dass die erste Seite der Berufungsschrift noch ausgetauscht werden müsse, weil die Berufung beim Verwaltungsgericht einzureichen sei. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe den Berufungsschriftsatz in der alten Form - also adressiert an den Verwaltungsgerichtshof - um 12.19 Uhr gefaxt. Hierbei habe sie vergessen, dass der Adressat in dem Berufungsschriftsatz noch habe ausgetauscht werden müssen. Die Rechtsanwaltsfachangestellte sei eine ausgesprochen erfahrene und zuverlässige Kraft mit zwölfjähriger Berufserfahrung. Deshalb habe der Bevollmächtigte bei Verlassen der Kanzlei auch davon ausgehen dürfen, dass der Adressat der Berufungsschrift seinen Anweisungen entsprechend geändert werde.
11 
In der Sache trägt der Kläger zur Begründung der Berufung unter anderem Folgendes vor: Das angeschaffte Elektromobil sei als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes anzusehen. Es sei mit einem Elektrokrankenstuhl in jeder Hinsicht vergleichbar. Das Elektromobil könne auch nicht als Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung angesehen werden. Es sei speziell für behinderte und in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkte Personen entwickelt worden. Dem Verwaltungsgericht sei zwar insoweit Recht zu geben, als das Elektromobil auch von älteren, körperlich geschwächten Personen genutzt werden könne. Dies gelte jedoch auch für Rollstühle im herkömmlichen Sinne.
12 
Ein Anspruch lasse sich darüber hinaus auch aus der grundgesetzlich garantierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten ableiten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne die Ehefrau des Klägers die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit nicht bereits durch einen Krankenfahrstuhl erhalten. Ihre Mobilität sei durch das angeschaffte Elektromobil deutlich gestiegen. Hierdurch sei es ihr auch alleine möglich, sich außerhalb der Wohnung fortzubewegen.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 09.12.2008 und 03.02.2009 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von 70 Prozent zu den Kosten für die Anschaffung eines Elektromobils in Höhe von 3.928,57 EUR zu gewähren.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie erwidert: In Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Gegenstände aufgeführt, die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen und die deshalb von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Dort seien Elektrofahrzeuge (= Elektromobile) namentlich genannt. Die Versorgung mit einem der Erkrankung der Ehefrau des Klägers entsprechenden - medizinisch notwendigen - Fortbewegungsmittel werde mit einem Krankenfahrstuhl, der unter Nr. 1 der Anlage 3 als beihilfefähiges Hilfsmittel aufgeführt sei, gewährleistet. Hierzu gehörten auch Elektrorollstühle, zu deren Anschaffungskosten von der Beihilfestelle eine anteilige Beihilfe gewährt worden wäre. Dadurch wäre dem Anspruch der Ehefrau des Klägers auf Bewegungsfreiheit ausreichend Genüge getan. Die Versorgung mit einem Elektromobil gehe dagegen über den Maßstab des medizinisch Notwendigen hinaus.
18 
Das hier zu beurteilende Elektromobil könne - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes angesehen werden. Auch bei wohlwollender Auslegung sei das Elektromobil, das ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und hierfür ausgestattet sei, hingegen für die Nutzung innerhalb einer Wohnung aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet sei, nicht mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl vergleichbar. In der Bedienungsanleitung für das vom Kläger angeschaffte Elektromobil werde darauf hingewiesen, dass als Voraussetzung für dessen Nutzung die grundsätzliche Eignung des Fahrers zur Teilnahme am Straßenverkehr gewährleistet sein müsse. Zudem werde mehrmals auf die durch den Gebrauch des Fahrzeugs möglichen Gefahren (Unfall-, Kurzschluss-, Verletzungs-, Kippgefahr, Überschreitung der Sicherheitsgrenzen bei Geschwindigkeit und Gefälle) aufmerksam gemacht. Nutzungseinschränkungen und -gefahren dieses Umfangs seien mit der Bezeichnung Krankenfahrstuhl, die nach der Definition ausschließlich eine Benutzung durch kranke und behinderte Personen ermöglichen solle, nicht vereinbar. Sie gäben vielmehr Hinweis darauf, dass die Nutzung hauptsächlich durch gesunde, allenfalls in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkte Personen erfolgen könne.
19 
Im häuslichen Bereich sei die Ehefrau des Klägers mit einem „normalen“ Rollstuhl versorgt. Zudem erhalte sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege). Dieses Pflegegeld diene auch zur Verbesserung der Bewegungsfreiheit (Mobilität) der Ehefrau des Klägers. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Pflegeperson - bei einem Betreuungsbedarf „rund um die Uhr“, wie er der Pflegestufe III zugrundezulegen sei - dafür Sorge zu tragen habe, dass der Ehefrau des Klägers die Teilnahme am allgemeinen Leben ermöglicht werde. Hierzu könne mit Hilfe der Pflegeperson der bereits vorhandene Rollstuhl verwendet werden. Eine zusätzliche Versorgung mit einem Elektromobil sei daher nicht erforderlich.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
22 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
23 
Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
26 
2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
27 
a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
29 
aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
31 
bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
32 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
33 
Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
34 
In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
35 
Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
36 
cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
37 
Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
38 
dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
39 
3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss vom 10. Oktober 2011
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
22 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
23 
Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
26 
2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
27 
a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
29 
aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
31 
bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
32 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
33 
Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
34 
In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
35 
Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
36 
cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
37 
Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
38 
dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
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3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Beschluss vom 10. Oktober 2011
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Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Juni 2010 - 13 K 4425/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte.
Die Klägerin ist als Ruhestandsbeamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Unter dem 11.8.2009 beantragte sie u.a. Beihilfe für die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte i.H.v. insgesamt 99,25 EUR. Mit Bescheid vom 31.8.2009 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg die Gewährung von Beihilfeleistungen für diese Präparate ab, da nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO in der ab dem 1.1.2009 gültigen Fassung Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel von der Beihilfefähigkeit ausgenommen seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies es mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 zurück.
Die Klägerin hat am 30.11.2009 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, sie leide u.a. an folgenden Erkrankungen: Asthma bronchiale, Multiple Chemikalien-Sensitivität (im Folgenden: MCS), Vasculitis, Varikosis, Polyneuropathie, Rheumatoide Arthritis, gesicherte Allergien, neuromuskuläre Störungen, Histamin- und Laktoseintoleranzen sowie ausgeprägte Schimmelpilzallergie. Eine ausreichende Versorgung mit Mineralien und Vitaminen aus der täglichen Nahrung sei daher nicht möglich.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.6.2010 - zugestellt am 17.6.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Mit der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO habe der Verordnungsgeber den Ausschluss der Beihilfefähigkeit für bestimmte Aufwendungen über den zuvor geltenden Wortlaut hinaus ausdrücklich auf Nahrungsergänzungsmittel erweitert. Damit sei auch ein krankheitsbedingter Sonderbedarf, wie er bei ärztlich verordneten Nahrungsergänzungsmitteln in der Regel vorliege, von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Bei den streitgegenständlichen Präparaten handle es sich um Nahrungsergänzungsmittel. Dass diese Mittel aus Anlass von mehreren Erkrankungen der Klägerin ärztlich verordnet worden seien, könne am Ausschluss von der Beihilfefähigkeit nichts ändern.
Gegen das Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin. Der Senat hat am 18.4.2011 die Einholung eines Sachverständigengutach- tens beschlossen, das unter dem 2.12.2011 erstattet worden ist. Zusammenfassend wird darin ausgeführt, dass sich bei der körperlichen Untersuchung der Klägerin bis auf das Vorhandensein eines Bluthochdrucks keine weiteren Auffälligkeiten ergeben hätten. Die durchgeführten Laboruntersuchungen hätten keine nennenswerten Pathologica ergeben. Insbesondere die Bestimmung des Gesamt-IgE habe keinen Hinweis auf das Bestehen einer allergischen Reaktionsbereitschaft gezeigt. Insgesamt wäre sowohl bei einer grundsätzlichen allergischen Reaktionsbereitschaft wie auch bei einer derzeitigen allergischen Exposition ein deutlicher erhöhter Immunglobulin-E-Spiegel zu erwarten. Hinsichtlich des angegebenen MCS-Syndroms sei festzustellen, dass es sich hierbei um einen Symptom-Komplex handle, dessen Ursache multifaktorieller Art zu sein scheine. In den jetzt durchgeführten Untersuchungen hätten sich keine weiteren Hinweise auf das Vorliegen einer MCS ergeben.
Die Klägerin macht geltend, Nahrungsergänzungsmittel i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO könnten nur solche Präparate sein, die keine Arzneimittel darstellten. Sie leide an einem MCS-Syndrom, Asthma bronchiale, Histamin-Intoleranz, Laktose-Intoleranz, Schimmelpilzallergie, Polyneuropathie, Vasculitis, Varikosis, Fibromyalgie, Rheumatische Arthrose sowie vielen Allergien. Beim MCS-Syndrom komme es durch Manganmangel zu Stoffwechselveränderungen und Ansammlungen von Giften. Hiergegen werde Kryptosan forte angewandt. Gegen die bei ihr vorliegende Histamin-Intoleranz werde das Arzneimittel Histaminus-Komplex eingesetzt. Die Notwendigkeit des konsequenten Meidens allergieauslösender Stoffe führe zu einem erheblichen Ernährungs- problem mit Mangelerscheinungen. Gegen die Beschwerden und Schmerzen, die durch Polyneuropathie, Vasculitis, Fibromyalgie, Rheumatische Arthrose hervorgerufen würden, werde u.a. das Medikament Folplus verwendet. Die behandelnde Ärztin habe mit Bescheinigung vom 14.12.2010 ausgeführt, dass die angegebenen Vitamine und Mineralstoffe als Therapiestandard zu werten seien.
Das eingeholte Sachverständigengutachten sei unbrauchbar. Offensichtlich fehle es der Sachverständigen an Kenntnissen und Erfahrungen in der Diagnose und Therapie des MCS-Syndroms. In einem von Hill und anderen herausgegebenen Lehrbuch zur MCS werde die ihr angewandte antioxidative Vitamintherapie als naheliegender Therapieansatz beschrieben.
Zum Sachverhalt trägt die Klägerin ergänzend vor, die MCS sei erstmals 1998 nach einer vierjährigen Behandlung mit entsprechendem Krankheitsverlauf diagnostiziert worden. Bereits zuvor sei 1997 Asthma bronchiale festgestellt worden. Sie sei ab 1975 als Fachlehrerin für Bildende Kunst und Technik tätig gewesen. Bei dieser Tätigkeit sei sie zahlreichen Giftstoffen ausgesetzt gewesen. Im Jahr 1994 sei ihr körperlicher Zustand extrem schlecht gewesen; die Arbeitsbedingungen mit den entsprechenden Giftstoffen hätten zu immer weiteren Krankheitsbildern geführt. Die herkömmlichen Untersuchungsmethoden hätten keine eindeutigen Diagnosen ergeben. Ab 2006 sei sie von ihrer Heilpraktikerin nach Methoden der ganzheitlichen Medizin behandelt worden, worauf sich ihr Zustand langsam verbessert habe. Sie koche und backe seither alles selbst und bereite alle Speisen täglich frisch zu. Das Brot werde mit speziellen Mehlen selbst frisch gebacken, da sie aufgrund ihrer Histamin-Intoleranz und Schimmelpilzallergie Hefe und Sauerteig sowie Zusatzstoffe nicht vertrage. Zudem reagiere sie wegen der Schimmelpilzallergie überempfindlich auf alle Zitrusfrüchte und Konservierungsstoffe der Zitronensäure. Sie könne daher nur Naturheilmittel, Vitamine und Mineralien vertragen, bei denen auf jegliche Zusatzstoffe verzichtet werde. Am besten würden „Bio-Lebensmittel“ vertragen. Fleisch müsse „absolut Bio“ und ganz frisch sein, da sich mit jedem Tag der Lagerung der Histamingehalt erheblich erhöhe. Wegen ihrer Histamin-Intoleranz würden viele Gemüse- und Obstsorten ebenfalls nicht vertragen. Nur durch die konsequente Einnahme von Vitaminen und Mineralien könne der permanenten Unterversorgung entgegengewirkt werden.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.6.2010 - 13 K 4425/09 - zu ändern und den Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 31.8.2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Beihilfe für die Aufwendungen für die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er bekräftigt seine Rechtsauffassung, wonach Nahrungsergänzungsmittel generell von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Sinn und Zweck der Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO sei eine einfache, in der Praxis handhabbare Regelung gewesen, nicht hingegen eine in jedem Einzelfall aufwendige Ermittlung, ob das Präparat ein Mittel sei, das geeignet sei, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Das im vorliegenden Fall eingeholte Gutachten komme zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständlichen Präparate weder abstrakt noch im konkreten Fall geeignet seien, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Eine MCS-Erkrankung gehe mit erhöhten Entzündungswerten einher. Nach dem Gutachten vom 2.12.2011 habe die Klägerin keine Hinweise auf Entzündungsreaktionen gezeigt. Die Mess- und Untersuchungsergebnisse seien allesamt unauffällig gewesen. Dabei seien auch umweltmedizinische Aspekte berücksichtigt worden. Beispielsweise sei die in einem Artikel von Prof. Dr. Huber geforderte Bestimmung des C-reaktiven Proteins zur Anzeige von Entzündungsprozessen erfolgt.
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Die streitgegenständlichen Mittel seien Nahrungsergänzungsmittel. Das Präparat Folplus werde als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht und stelle damit ein Nahrungsergänzungsmittel dar. Das Präparat Kryptosan forte sei kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne. Es enthalte neben Vitaminen und Mineralstoffen Alkoholverbindungen, Substanzen, die vom Körper selbst produziert würden sowie Glyzin, welches als Geschmacksverstärker in Lebensmitteln eingesetzt werde, und das Silikat-Mineral Zeolith. Ein über eine ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehender therapeutischer Nutzen sei von diesen Substanzen nicht zu erwarten. Gleiches gelte für das Präparat Histaminus-Komplex.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Akten des Verwal-tungsgerichts und die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar ist das Verwaltungsgericht zu Unrecht der Ansicht, die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte seien als Nahrungsergänzungsmittel nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung von der Beihilfefähigkeit generell ausgeschlossen (unten 1). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte weitere Beihilfe, weil die Aufwendungen für die genannten Präparate unter den in ihrem Fall gegebenen Umständen nicht als notwendig angesehen werden können (unten 2).
17 
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern bei Leistungen nach Nr. 1 verbrauchte oder nach Art und Menge schriftlich verordnete Arzneimittel grundsätzlich beihilfefähig. Nach der Rechtsprechung der vormals für das Beihilferecht zuständigen Senate des erkennenden Gerichtshofs sind nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften unter „Arzneimitteln“ im Sinne dieser Vorschrift Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Die Frage, ob ein Mittel ein Arzneimittel im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach dieser Rechtsprechung nicht nach der formellen Einordnung eines Mittels im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern nach dem materiellen Zweckcharakter, d. h. danach, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (ausführl.: Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/08 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2010 - 13 S 2696/09 - juris). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Der arznei- und lebensmittelrechtlichen Einordnung kommt jedoch eine indizielle Bedeutung zu: Lässt sich nicht feststellen, welcher Verwendungszweck eines Nahrungsergänzungsmittels überwiegt, ist es im Zweifel regelmäßig als Lebensmittel einzuordnen, denn nach dem ersten Anschein handelt es sich bei einem solchen Mittel auch im beihilferechtlichen Sinne nicht um ein Arzneimittel (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 13.12.2010 - 14 BV 08.1982 - juris-Rn. 30 u. 32).
18 
An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Geltung der Beihilfeverordnung in ihrer seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung vom 30.8.2008 festzuhalten. Zwar ist in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel nicht beihilfefähig sind. Der Senat sieht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber mit dieser die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO ergänzenden Bestimmung eine grundlegende Änderung des in der bisherigen Rechtsprechung vertretenen Arzneimittelbegriffs vornehmen und Nahrungsergänzungsmittel auch dann von der Beihilfefähigkeit ausschließen wollte, wenn es sich dabei im Sinne der bisherigen Rechtsprechung um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn handelt. Hätte der Verordnungsgeber eine solche Änderung tatsächlich beabsichtigt, hätte er dies mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringen müssen. Dies wäre z.B. durch einen Verweis auf die entsprechenden Definitionen des AMG, des LFGB oder der NemV (oder deren wörtlicher Übernahme in die BVO) ohne Weiteres möglich gewesen. Der Senat sieht deshalb in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nur eine Klarstellung, die lediglich für solche Nahrungsergänzungsmittel von Bedeutung ist, die keine Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne sind.
19 
Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht auch, dass nach ihr außer Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel auch Aufwendungen für Mittel von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten - so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist - eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird auch von dieser Ausschlussklausel hingegen nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/10 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307).
20 
Die hier vertretene Auslegung wird auch durch eine weitere Erwägung nahegelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5.5.2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126, insbes. juris-Rn. 13-16) hält die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu an, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet werden darf. Sollen hiernach Aufwendungen für Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne auch dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden, wenn die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit erfüllt sind, muss der Dienstherr Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind. Solche Folgen können etwa bei chronischen Erkrankungen auftreten. Für derartige Fallgestaltungen ist daher grundsätzlich eine entsprechende Härtefallregelung erforderlich. An einer solchen Regelung fehlt es hier jedoch. Die Tatsache, dass der baden-württembergische Verordnungsgeber keine Härtefallregelung getroffen hat, spricht demzufolge ebenfalls für eine Auslegung des in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO geregelten Ausschlusstatbestands im Sinne einer bloßen deklaratorischen Klarstellung.
21 
2. Bei den hier in Rede stehenden Präparaten dürfte es sich arznei- und lebensmittelrechtlich gesehen um Nahrungsergänzungsmittel handeln. Insoweit kann auf die Ausführungen in dem Sachverständigengutachten vom 2.12.2011 sowie die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 22.3.2011 Bezug genommen werden, die der Senat für überzeugend erachtet. Im Fall der Klägerin spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass diese Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden, da sie durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit beitragen sollen. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die ihr verordneten Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden sollen, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob dieser Zweck hier erreicht werden kann und die verordneten Mittel insbesondere zur Behandlung einer Erkrankung erforderlich sind. Das ist eine Frage der beihilferechtlichen Notwendigkeit (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO), an der es unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen fehlt.
22 
a) Die Klägerin hat sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren als Zweck der eingesetzten Präparate die Bekämpfung eines Mangelzustands genannt. Ausschließlich auf diesen Gesichtspunkt stützen sich auch die ursprünglichen Verordnungen der streitgegenständlichen Präparate durch die Ärztin von W. und die Heilpraktikerin V.. Daran hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren weitgehend festgehalten. Dementsprechend hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, die streitgegenständlichen Präparate dienten primär der Vorbeugung bzw. Bekämpfung von Mangelerscheinungen.
23 
Der Zweck, eine durch die Allergien der Klägerin verursachte Unterversorgung mit bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen auszugleichen, wird jedoch schon nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin hat zwar detailliert vorgetragen, welche Schwierigkeiten sie bei der Lebensmittelversorgung hat. Allerdings lassen diese Probleme den Schluss auf einen dadurch verursachten Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht zu. Nach der Schilderung der Klägerin verträgt sie zwar insbesondere keine vorgefertigten Lebensmittel. So kann sie ihrem Vortrag zufolge kein gewöhnliches, beim Bäcker erworbenes Brot zu sich nehmen; sie backt jedoch aus hochwertigen schad- und konservierungsstofffreien Zutaten ihr eigenes Brot. Auch Fleisch verträgt sie ihrem Vortrag zufolge, wenn es frisch und „absolut Bio“ ist. An Obst und Gemüse nimmt sie nach ihrer Aufstellung vom 16.4.2012 Karotten, Zwiebeln und Äpfel täglich, Brokkoli, gekochte Tomaten und Bananen zumindest einmal wöchentlich sowie Kohlrabi und Paprika in mehrwöchentlichem Abstand zu sich. Dass bei dieser Art der Ernährung Mangelerscheinungen auftreten könnten, ist nicht ersichtlich. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin weitestgehend daran gehindert ist, Fertigprodukte zu sich zu nehmen, und deshalb einen besonders hohen Aufwand beim Einkauf und der Zubereitung von Speisen treiben muss. Dieser hohe Aufwand führt aber im Ergebnis dazu, dass sie sogar besonders hochwertige Lebensmittel zu sich nimmt, und lässt damit nicht auf das Auftreten von Mangelerscheinungen schließen.
24 
Zudem ist ein Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht laborärztlich diagnostiziert worden. Eine Untersuchung des Vitaminstatus der Klägerin ist - soweit bekannt - niemals erfolgt. Aber auch ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen ist nicht festgestellt worden. Bei einer am 14.8.2006 durchgeführten Untersuchung ihrer Haare lagen die Werte für Mineralstoffe und Spurenelemente größtenteils im (unteren) Normalbereich; lediglich der Wert für Mangan lag mit 0,069 ppm minimal unter dem Wert für den Normalbereich mit 0,07 bis 1 ppm.
25 
Bei dieser Sachlage handelt es sich hier um eine Behandlung „ins Blaue“ hinein. Die streitgegenständlichen Präparate sind ohne hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich eine entsprechende Unterversorgung gegeben sein könnte, verordnet worden. Die Feststellung der Notwendigkeit einer Behandlung setzt aber immer eine entsprechende aussagekräftige Diagnose voraus. Eine bloße nicht abgesicherte Behandlung auf Verdacht ist beihilferechtlich nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
26 
b) Als Reaktion auf das seitens des Senats eingeholte Sachverständigengutachten hat die Klägerin allerdings vorgetragen, die streitgegenständlichen Mittel würden zur antioxidativen Therapie ihrer MCS eingesetzt. Diese Zweckbestimmung lässt sich jedoch den ursprünglichen ärztlichen Verordnungen und der Verordnung ihrer Heilpraktikerin nicht entnehmen. Jedenfalls aber fehlt es auch insoweit an der beihilferechtlichen Notwendigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
27 
Bei der MCS handelt es sich um eine Erkrankung, deren Entstehung umstritten ist. Die Spanne reicht von rein umweltmedizinischen bis zu rein psychosomatischen Erklärungen. Letztlich dürften sich vermittelnde Auffassungen durchgesetzt haben, wonach es sich um eine multifaktorielle Erkrankung handelt (s. das Gutachten mit Anlagen; Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al.; Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 334).
28 
Welcher Erklärungsansatz überzeugender ist, muss im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht geklärt werden. Sollte es sich um eine rein psychosomatische Erkrankung handeln, kann es sich bei der Gabe von Vitaminen und Spurenelementen von vornherein um keine notwendige Behandlung handeln. Aber auch wenn man dem von der Klägerin für richtig gehaltenen umweltmedizinischen Ansatz folgt, ist dies nicht der Fall.
29 
Es ist im Falle der Klägerin schon nicht eindeutig geklärt, ob eine MCS im Sinne einer umweltmedizinischen Erkrankung überhaupt vorliegt. Entsprechende objektive Messwerte, die auf eine MCS hinweisen könnten, liegen nicht vor. Das Sachverständigengutachten hat keine Laborwerte ergeben, die in diese Richtung deuten könnten. Bei der bereits erwähnten Haaranalyse vom 14.8.2006 wurden an toxischen Elementen lediglich Cadmium, Blei und Aluminium - allerdings jeweils im untersten Normalbereich - festgestellt. Auch sonst dürften die nach dem umweltmedizinischen Ansatz erforderlichen differentialdiagnostischen Abklärungen nicht erfolgt sein (s. hierzu: Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.).
30 
Jedenfalls aber ist die Behandlung als solche ebenfalls ohne die gebotene diagnostische Abklärung erfolgt. Gerade die Vertreter des umweltmedizinischen Ansatzes verlangen, dass eine antioxidative Therapie durch die Gabe von Vitaminen nicht „ins Blaue“ hinein erfolgt, sondern durch eine sorgfältige laboranalytische Untersuchung des Redoxstatus kontrolliert werden soll, um z.B. schädliche Vitamin-Überdosierungen zu vermeiden (so ausdrückl. Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.). Dass hier solche Untersuchungen erfolgt sind, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine bloße Behandlung auf Verdacht ist auch in diesem Zusammenhang nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
31 
3. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch die Einholung eines weiteren (oder die Ergänzung des vorliegenden) Gutachtens, die die Klägerin ursprünglich noch angeregt hatte, ist nach alledem nicht erforderlich. Die Bedeutung des eingeholten Sachverständigengutachtens liegt vor allem in der „klassischen“ Diagnostik, d.h. den erhobenen Werten an sich und dem Ausschluss herkömmlicher (internistischer) Erkrankungen mit Ausnahme eines Asthma bronchiale. Insoweit erhebt auch die Klägerin keine Einwendungen gegen die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen.
32 
Wie die Klägerin zu Recht geltend macht lässt sich eine abschließende Bewertung der Entstehung, Diagnose und Therapie einer MCS-Erkrankung - sowohl allgemein als auch in ihrem Einzelfall - dem Gutachten hingegen nicht entnehmen. Der Senat ist jedoch insoweit von dem umweltmedizinischen Ansatz ausgegangen, den auch die Klägerin vertritt. Soweit die Klägerin die Ausführungen des Gutachtens zur Frage der Arzneimitteleigenschaft angreift, hat der Senat zu ihren Gunsten angenommen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Präparaten um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne handelt.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 2. August 2012
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 69,47 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
37 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
16 
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar ist das Verwaltungsgericht zu Unrecht der Ansicht, die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte seien als Nahrungsergänzungsmittel nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung von der Beihilfefähigkeit generell ausgeschlossen (unten 1). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte weitere Beihilfe, weil die Aufwendungen für die genannten Präparate unter den in ihrem Fall gegebenen Umständen nicht als notwendig angesehen werden können (unten 2).
17 
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern bei Leistungen nach Nr. 1 verbrauchte oder nach Art und Menge schriftlich verordnete Arzneimittel grundsätzlich beihilfefähig. Nach der Rechtsprechung der vormals für das Beihilferecht zuständigen Senate des erkennenden Gerichtshofs sind nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften unter „Arzneimitteln“ im Sinne dieser Vorschrift Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Die Frage, ob ein Mittel ein Arzneimittel im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach dieser Rechtsprechung nicht nach der formellen Einordnung eines Mittels im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern nach dem materiellen Zweckcharakter, d. h. danach, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (ausführl.: Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/08 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2010 - 13 S 2696/09 - juris). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Der arznei- und lebensmittelrechtlichen Einordnung kommt jedoch eine indizielle Bedeutung zu: Lässt sich nicht feststellen, welcher Verwendungszweck eines Nahrungsergänzungsmittels überwiegt, ist es im Zweifel regelmäßig als Lebensmittel einzuordnen, denn nach dem ersten Anschein handelt es sich bei einem solchen Mittel auch im beihilferechtlichen Sinne nicht um ein Arzneimittel (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 13.12.2010 - 14 BV 08.1982 - juris-Rn. 30 u. 32).
18 
An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Geltung der Beihilfeverordnung in ihrer seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung vom 30.8.2008 festzuhalten. Zwar ist in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel nicht beihilfefähig sind. Der Senat sieht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber mit dieser die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO ergänzenden Bestimmung eine grundlegende Änderung des in der bisherigen Rechtsprechung vertretenen Arzneimittelbegriffs vornehmen und Nahrungsergänzungsmittel auch dann von der Beihilfefähigkeit ausschließen wollte, wenn es sich dabei im Sinne der bisherigen Rechtsprechung um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn handelt. Hätte der Verordnungsgeber eine solche Änderung tatsächlich beabsichtigt, hätte er dies mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringen müssen. Dies wäre z.B. durch einen Verweis auf die entsprechenden Definitionen des AMG, des LFGB oder der NemV (oder deren wörtlicher Übernahme in die BVO) ohne Weiteres möglich gewesen. Der Senat sieht deshalb in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nur eine Klarstellung, die lediglich für solche Nahrungsergänzungsmittel von Bedeutung ist, die keine Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne sind.
19 
Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht auch, dass nach ihr außer Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel auch Aufwendungen für Mittel von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten - so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist - eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird auch von dieser Ausschlussklausel hingegen nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/10 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307).
20 
Die hier vertretene Auslegung wird auch durch eine weitere Erwägung nahegelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5.5.2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126, insbes. juris-Rn. 13-16) hält die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu an, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet werden darf. Sollen hiernach Aufwendungen für Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne auch dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden, wenn die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit erfüllt sind, muss der Dienstherr Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind. Solche Folgen können etwa bei chronischen Erkrankungen auftreten. Für derartige Fallgestaltungen ist daher grundsätzlich eine entsprechende Härtefallregelung erforderlich. An einer solchen Regelung fehlt es hier jedoch. Die Tatsache, dass der baden-württembergische Verordnungsgeber keine Härtefallregelung getroffen hat, spricht demzufolge ebenfalls für eine Auslegung des in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO geregelten Ausschlusstatbestands im Sinne einer bloßen deklaratorischen Klarstellung.
21 
2. Bei den hier in Rede stehenden Präparaten dürfte es sich arznei- und lebensmittelrechtlich gesehen um Nahrungsergänzungsmittel handeln. Insoweit kann auf die Ausführungen in dem Sachverständigengutachten vom 2.12.2011 sowie die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 22.3.2011 Bezug genommen werden, die der Senat für überzeugend erachtet. Im Fall der Klägerin spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass diese Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden, da sie durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit beitragen sollen. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die ihr verordneten Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden sollen, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob dieser Zweck hier erreicht werden kann und die verordneten Mittel insbesondere zur Behandlung einer Erkrankung erforderlich sind. Das ist eine Frage der beihilferechtlichen Notwendigkeit (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO), an der es unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen fehlt.
22 
a) Die Klägerin hat sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren als Zweck der eingesetzten Präparate die Bekämpfung eines Mangelzustands genannt. Ausschließlich auf diesen Gesichtspunkt stützen sich auch die ursprünglichen Verordnungen der streitgegenständlichen Präparate durch die Ärztin von W. und die Heilpraktikerin V.. Daran hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren weitgehend festgehalten. Dementsprechend hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, die streitgegenständlichen Präparate dienten primär der Vorbeugung bzw. Bekämpfung von Mangelerscheinungen.
23 
Der Zweck, eine durch die Allergien der Klägerin verursachte Unterversorgung mit bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen auszugleichen, wird jedoch schon nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin hat zwar detailliert vorgetragen, welche Schwierigkeiten sie bei der Lebensmittelversorgung hat. Allerdings lassen diese Probleme den Schluss auf einen dadurch verursachten Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht zu. Nach der Schilderung der Klägerin verträgt sie zwar insbesondere keine vorgefertigten Lebensmittel. So kann sie ihrem Vortrag zufolge kein gewöhnliches, beim Bäcker erworbenes Brot zu sich nehmen; sie backt jedoch aus hochwertigen schad- und konservierungsstofffreien Zutaten ihr eigenes Brot. Auch Fleisch verträgt sie ihrem Vortrag zufolge, wenn es frisch und „absolut Bio“ ist. An Obst und Gemüse nimmt sie nach ihrer Aufstellung vom 16.4.2012 Karotten, Zwiebeln und Äpfel täglich, Brokkoli, gekochte Tomaten und Bananen zumindest einmal wöchentlich sowie Kohlrabi und Paprika in mehrwöchentlichem Abstand zu sich. Dass bei dieser Art der Ernährung Mangelerscheinungen auftreten könnten, ist nicht ersichtlich. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin weitestgehend daran gehindert ist, Fertigprodukte zu sich zu nehmen, und deshalb einen besonders hohen Aufwand beim Einkauf und der Zubereitung von Speisen treiben muss. Dieser hohe Aufwand führt aber im Ergebnis dazu, dass sie sogar besonders hochwertige Lebensmittel zu sich nimmt, und lässt damit nicht auf das Auftreten von Mangelerscheinungen schließen.
24 
Zudem ist ein Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht laborärztlich diagnostiziert worden. Eine Untersuchung des Vitaminstatus der Klägerin ist - soweit bekannt - niemals erfolgt. Aber auch ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen ist nicht festgestellt worden. Bei einer am 14.8.2006 durchgeführten Untersuchung ihrer Haare lagen die Werte für Mineralstoffe und Spurenelemente größtenteils im (unteren) Normalbereich; lediglich der Wert für Mangan lag mit 0,069 ppm minimal unter dem Wert für den Normalbereich mit 0,07 bis 1 ppm.
25 
Bei dieser Sachlage handelt es sich hier um eine Behandlung „ins Blaue“ hinein. Die streitgegenständlichen Präparate sind ohne hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich eine entsprechende Unterversorgung gegeben sein könnte, verordnet worden. Die Feststellung der Notwendigkeit einer Behandlung setzt aber immer eine entsprechende aussagekräftige Diagnose voraus. Eine bloße nicht abgesicherte Behandlung auf Verdacht ist beihilferechtlich nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
26 
b) Als Reaktion auf das seitens des Senats eingeholte Sachverständigengutachten hat die Klägerin allerdings vorgetragen, die streitgegenständlichen Mittel würden zur antioxidativen Therapie ihrer MCS eingesetzt. Diese Zweckbestimmung lässt sich jedoch den ursprünglichen ärztlichen Verordnungen und der Verordnung ihrer Heilpraktikerin nicht entnehmen. Jedenfalls aber fehlt es auch insoweit an der beihilferechtlichen Notwendigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
27 
Bei der MCS handelt es sich um eine Erkrankung, deren Entstehung umstritten ist. Die Spanne reicht von rein umweltmedizinischen bis zu rein psychosomatischen Erklärungen. Letztlich dürften sich vermittelnde Auffassungen durchgesetzt haben, wonach es sich um eine multifaktorielle Erkrankung handelt (s. das Gutachten mit Anlagen; Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al.; Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 334).
28 
Welcher Erklärungsansatz überzeugender ist, muss im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht geklärt werden. Sollte es sich um eine rein psychosomatische Erkrankung handeln, kann es sich bei der Gabe von Vitaminen und Spurenelementen von vornherein um keine notwendige Behandlung handeln. Aber auch wenn man dem von der Klägerin für richtig gehaltenen umweltmedizinischen Ansatz folgt, ist dies nicht der Fall.
29 
Es ist im Falle der Klägerin schon nicht eindeutig geklärt, ob eine MCS im Sinne einer umweltmedizinischen Erkrankung überhaupt vorliegt. Entsprechende objektive Messwerte, die auf eine MCS hinweisen könnten, liegen nicht vor. Das Sachverständigengutachten hat keine Laborwerte ergeben, die in diese Richtung deuten könnten. Bei der bereits erwähnten Haaranalyse vom 14.8.2006 wurden an toxischen Elementen lediglich Cadmium, Blei und Aluminium - allerdings jeweils im untersten Normalbereich - festgestellt. Auch sonst dürften die nach dem umweltmedizinischen Ansatz erforderlichen differentialdiagnostischen Abklärungen nicht erfolgt sein (s. hierzu: Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.).
30 
Jedenfalls aber ist die Behandlung als solche ebenfalls ohne die gebotene diagnostische Abklärung erfolgt. Gerade die Vertreter des umweltmedizinischen Ansatzes verlangen, dass eine antioxidative Therapie durch die Gabe von Vitaminen nicht „ins Blaue“ hinein erfolgt, sondern durch eine sorgfältige laboranalytische Untersuchung des Redoxstatus kontrolliert werden soll, um z.B. schädliche Vitamin-Überdosierungen zu vermeiden (so ausdrückl. Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.). Dass hier solche Untersuchungen erfolgt sind, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine bloße Behandlung auf Verdacht ist auch in diesem Zusammenhang nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
31 
3. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch die Einholung eines weiteren (oder die Ergänzung des vorliegenden) Gutachtens, die die Klägerin ursprünglich noch angeregt hatte, ist nach alledem nicht erforderlich. Die Bedeutung des eingeholten Sachverständigengutachtens liegt vor allem in der „klassischen“ Diagnostik, d.h. den erhobenen Werten an sich und dem Ausschluss herkömmlicher (internistischer) Erkrankungen mit Ausnahme eines Asthma bronchiale. Insoweit erhebt auch die Klägerin keine Einwendungen gegen die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen.
32 
Wie die Klägerin zu Recht geltend macht lässt sich eine abschließende Bewertung der Entstehung, Diagnose und Therapie einer MCS-Erkrankung - sowohl allgemein als auch in ihrem Einzelfall - dem Gutachten hingegen nicht entnehmen. Der Senat ist jedoch insoweit von dem umweltmedizinischen Ansatz ausgegangen, den auch die Klägerin vertritt. Soweit die Klägerin die Ausführungen des Gutachtens zur Frage der Arzneimitteleigenschaft angreift, hat der Senat zu ihren Gunsten angenommen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Präparaten um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne handelt.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 2. August 2012
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 69,47 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
37 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Nahrungsergänzungsmittel im Sinne dieser Verordnung ist ein Lebensmittel, das

1.
dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,
2.
ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und
3.
in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird.

(2) Nährstoffe im Sinne dieser Verordnung sind Vitamine und Mineralstoffe, einschließlich Spurenelemente.

(1) Für ein Nahrungsergänzungsmittel ist die Bezeichnung "Nahrungsergänzungsmittel" Bezeichnung des Lebensmittels nach der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011.

(2) Ein Nahrungsergänzungsmittel darf gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf der Verpackung zusätzlich zu den durch die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 vorgeschriebenen Angaben Folgendes angegeben ist:

1.
die Namen der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind, oder eine Angabe zur Charakterisierung dieser Nährstoffe oder sonstigen Stoffe,
2.
die empfohlene tägliche Verzehrsmenge in Portionen des Erzeugnisses,
3.
der Warnhinweis "Die angegebene empfohlene tägliche Verzehrsmenge darf nicht überschritten werden.",
4.
ein Hinweis darauf, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht als Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung verwendet werden sollten,
5.
ein Hinweis darauf, dass die Produkte außerhalb der Reichweite von kleinen Kindern zu lagern sind.
Abweichend von Satz 1 Nr. 3 kann auch ein gleichsinniger Warnhinweis angegeben werden.

(3) Ein Nahrungsergänzungsmittel darf gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf der Verpackung zusätzlich

1.
die Menge der Nährstoffe oder sonstigen Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung im Nahrungsergänzungsmittel, bezogen auf die auf dem Etikett angegebene tägliche Verzehrsmenge in den in Anhang I der Richtlinie 2002/46/EG, in der am 30. November 2009 geltenden Fassung (ABl. L 314 vom 30.11.2009, S. 36), jeweils genannten Maßeinheiten als Durchschnittswerte, die auf der Analyse des Erzeugnisses durch den Hersteller beruhen, und
2.
die in dem Nahrungsergänzungsmittel enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe jeweils als Prozentsatz der in Anhang XIII Teil A der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 angegebenen Referenzwerte, sofern dort für diese Stoffe Referenzwerte festgelegt sind,
angegeben sind. Die Angabe nach Satz 1 Nummer 2 kann auch in grafischer Form erfolgen.

(4) Ein Nahrungsergänzungsmittel darf gewerbsmäßig nicht unter Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen in den Verkehr gebracht werden sowie nicht mit Darstellungen oder sonstigen Aussagen beworben werden, mit denen behauptet oder unterstellt wird, dass bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung im Allgemeinen die Zufuhr angemessener Nährstoffmengen nicht möglich sei.

(5) Für die Art und Weise der Kennzeichnung nach den Absätzen 1 bis 3 gelten Artikel 12 Absatz 1 und 2, Artikel 13 Absatz 1 bis 3 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 und § 2 der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für die Präparate „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ und „Medyn“.
Seine u.a. auch darauf gerichteten Anträge wurden mit Bescheiden des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und vom 14.12.2005 sowie Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006, mit Bescheiden vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 sowie Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 abgelehnt.
Auf seine bereits am 05.05.2006 erhobene Klage hin hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beklagten mit Urteil vom 09.05.2007 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 28,91 EUR nebst Prozesszinsen zu gewähren. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 wurden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die bezüglich der Bescheide vom 06.07.2005, vom 14.12.2005, vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006, vom 28.08.2006 sowie der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2006 und vom 28.09.2006, soweit darin beantragte Beihilfeleistungen abgelehnt würden, zulässige Klage sei insoweit begründet, als dem Kläger in den Bescheiden vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 Beihilfeleistungen zu dem Präparat „Medyn“ abgelehnt worden seien; sie sei unbegründet im Hinblick auf die Ablehnung von Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein und Zeaxanthin Formula“. Die geltend gemachten Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ seien beihilfefähig. Zwar könne ein Vitaminpräparat wie „Medyn“, das im Wesentlichen die Vitamine B6, Folsäure und B12 enthalte, ein Mittel sein, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, indem es die Nahrung um für den Köper notwendige Vitamine ergänze. Jedoch sei „Medyn“ dem Kläger nicht maßgeblich zur Nahrungsergänzung (oder gar zum Ersatz für Nahrungsmittel) verschrieben worden. Ausweislich des vorgelegten Rezepts habe die den Kläger behandelnde Ärztin das Präparat „zur Vermeidung erhöhter Homocysteinwerte“ verschrieben. Es sei danach davon auszugehen, dass beim Kläger überhöhte Homocysteinwerte im Blut festgestellt worden seien. Bei der danach vorliegenden Indikation komme „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts zur Anwendung, ohne zugleich Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der in die mündliche Verhandlung eingeführten Produktbeschreibung diene „Medyn“ zur Senkung erhöhter Homocysteinwerte bedingt durch Vitaminmangel. Die in „Medyn“ enthaltenen Vitamine sollten sonach nicht typische Nahrungsbestandteile - wie es Vitamine seien - ergänzen bzw. sogar ersetzen, sondern einen normabweichenden Zustand bekämpfen. Die DACH-Liga Homocystein, ein Zusammenschluss deutscher, österreichischer und schweizerischer Wissenschaftler, empfehle die Substitution von B-Vitaminen zur Senkung erhöhter Homocysteinspiegel, weil der Zusammenhang von erhöhten Homocysteinspiegeln mit einem gesteigerten Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen als gesichert gelte. Diene „Medyn“ nach der Zweckbestimmung des Herstellers und auch im vorliegenden Fall der Senkung erhöhter Homocysteinwerte, komme es danach - als ärztlich verordnetes Arzneimittel - „aus Anlass einer Krankheit“ zum Einsatz. Denn ein erhöhter Homocysteinspiegel stelle mit der dadurch gegebenen Risikosteigerung für kardiovaskuläre Erkrankungen einen regelwidrigen Zustand des Körpers dar, der der ärztlichen Behandlung bedürfe. An der Charakterisierung von „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften ändere es nichts, dass möglicherweise bei ansonsten gesunden Menschen eine spezifische Zufuhr der in „Medyn“ enthaltenen Vitamine durch eine besonders eingestellte Ernährung zu erreichen sei.
Zu einem anderen Ergebnis sei die Kammer hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gekommen. Hier handle es sich nicht um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung. Zwar solle auch dieses Präparat nach dem Vorbringen des Klägers und der hierzu vorliegenden Verordnung zur Bekämpfung einer Krankheit, der Makuladegeneration, eingesetzt werden, einer Erkrankung, für die es gegenwärtig keine effektiven schulmedizinischen Behandlungsansätze gebe. Jedoch stehe der Einordnung als Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung hier schon die vom Hersteller des Präparats angegebene Zweckbestimmung des Mittels entgegen. Nach der dem Schriftsatz des Beklagten vom 26.06.2006 beigefügten englischsprachigen Produktbeschreibung handle es sich um ein Präparat, das neben den Bestandteilen Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten seien, auch verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) sowie weitere Bestandteile (z.B. Zink und Selen) enthalte. Nach der Produktbeschreibung diene das Mittel der Vorbeugung von Mangelzuständen und zur Erhaltung der Augengesundheit. Zwar sei auch das Risiko einer Makuladegeneration (AMD) erwähnt, jedoch bringe der Hersteller das genannte Mittel nicht als Arzneimittel, d.h. zu Heilzwecken, in den Handel. Nach seiner ausdrücklichen Kennzeichnung handele es sich vielmehr um ein „dietary supplement“, was am ehesten mit „Nahrungsergänzungsmittel“ zu übersetzen sei. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten seien, sei die Erhaltung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung werde aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. Die spezifische Zwecksetzung ändere nichts daran, dass es sich um in der natürlichen Nahrung enthaltene Stoffe handle, die dazu bestimmt seien, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Es handle sich eher um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und sei sonach nicht als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts einzustufen.
Hinsichtlich der Gewährung von Beihilfe für die genannten Präparate hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen, die der Kläger am 13.07.2007 und der Beklagte am 16.07.2007 eingelegt hat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm Beihilfe zu den Aufwendungen für das Arzneimittel „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ nebst 5% Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit zu gewähren und die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und 14.12.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sowie die Bescheide vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, das Arzneimittel „Medyn“ sei ihm erstmals vor zwei Jahren verschrieben worden. Hierfür habe es zwei Gründe gegeben, von denen einer sogar auf dem Rezept vermerkt worden sei. Zum einen habe ein überhöhter Homocysteinspiegel vermieden und auf diese Weise das bei ihm bestehende Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko reduziert werden sollen, daneben seien bei ihm sämtliche Gelenke schwer angeschlagen. Dieser Umstand führe zu einem weit höheren Bedarf an Vitaminen der B-Gruppe als dies bei normalen gesunden Personen der Fall sei. Der gesamte Vortrag des Beklagten gehe schon deshalb ins Leere, weil mit Hilfe dieses Arzneimittels genau das geschehen solle, was der Beklagte zu vermissen scheine, nämlich die Bekämpfung eines besonders schwerwiegenden Krankheitszustands. Am 08.09.2003 sei bei ihm der Homocysteinspiegel zum ersten Mal ermittelt worden. Das Ergebnis sei 10,8 gewesen. Einige Zeit danach sei bei ihm mit der Medyn-Behandlung begonnen worden. Trotz der langjährigen Einnahme sei der am 15.04.2008 erstmals wieder getestete Wert nur auf 10,1 zurückgegangen. Etwa im August habe er sich dazu entschlossen, um möglicherweise dem Streit mit dem Beklagten ein Ende zu machen, eine Zeitlang auf die Einnahme von Medyn zu verzichten. Dies habe jedoch dazu geführt, dass am 31.10.2008 ein Wert von 14,2 festgestellt worden sei. Nach Wiederaufnahme der Medyneinnahme habe sich am 12.03.2009 immer noch ein viel zu hoher Wert von 13,8 ergeben. Bei Medyn handle es sich um ein zugelassenes Arzneimittel. Die Frage der medizinischen Indikation müsse allein und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt werden und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren. Wenn der behandelnde Arzt die Behandlung mit Medyn als indiziert angesehen habe, müsse dies schon deswegen respektiert werden, weil er dies aus therapeutischen Gründen für geboten gehalten habe, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, ihn nicht ordnungsgemäß behandelt zu haben. Das in einem Parallelverfahren vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. K. sei nicht verwertbar. Er beziehe sich auch auf ein Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009, auf ein Gutachten von Prof. Dr. B. über die Bedeutung des erhöhten Homocysteins im Blut, eine aktuelle Publikation von Prof. Dr. H. über die neue Bewertung des Nutzens einer Homocysteinsenkung mit B-Vitaminen mit dem Fazit, dass die Einnahme von B-Vitaminen in Präventionsstudien zu einer signifikanten Reduktion von Schlaganfällen geführt habe, einen englischsprachigen Artikel zur Supplementierung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 und einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Zeitschrift Perfusion 09/2007. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der drei Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere, und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten sei unbrauchbar.
10 
Es sei abwegig, „I Caps“ als Lebensmittel zu behandeln; es sei auch kein Nahrungsergänzungsmittel. „I Caps“ werde von ihm zu Heilungszwecken eingenommen und nicht zur Ernährung oder zum Genuss. Dieser Zweckbestimmung stehe nicht entgegen, dass „I Caps“ von der Produktbeschreibung her als apothekenpflichtiges Nahrungsergänzungsmittel angeboten werde. Maßgeblich für den Charakter eines Präparats als Arzneimittel sei nicht der Verwendungswille des Patienten oder des Produzenten, sondern die eindeutige medizinische Indikation des verordneten Gegenstandes. Schon deshalb scheide eine Anwendung der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NEM) auf die hier streitgegenständlichen Arzneimittel aus. § 1 NEM bestimme unter Nr. 1, dass ein Nahrungsergänzungsmittel dazu bestimmt sein müsse, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Dieser Zweck sei in den hier streitgegenständlichen Fällen nicht gegeben. Weiter fordere § 4 Abs. 1 NEM eine Kennzeichnung der Nahrungsergänzungsmittel mit „NEM“, was weder bei „I Caps“ noch bei „Medyn“ der Fall sei. Laut § 4 Abs. 2 Nr. 4 NEM müsse jedes Nahrungsergänzungsmittel den Hinweis enthalten, dass dieses kein Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung sei. Auch dies sei hier nicht der Fall. Des Weiteren enthalte die Nahrungsergänzungsmittelverordnung in zwei Anlagen die Aufzählung sämtlicher Stoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt nur enthalten sein dürften. In beiden Anlagen würden die Hauptbestandteile der „I Caps“, nämlich die Substanzen Lutein und Zeaxanthin, nicht genannt. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. LFGB sei es verboten, einem Lebensmittel den Anschein eines Arzneimittels zu geben. Nach § 12 LFGB sei bei Lebensmitteln jegliche krankheitsbezogene Werbung verboten, insbesondere schriftliche Angaben, die dazu anreizten, Krankheiten mit Lebensmitteln zu behandeln. Beide Hersteller würden sich durch das In-Verkehr-Bringen von „Medyn“ und „I Caps“ strafbar machen, wenn sie ein Lebensmittel zwecks Behandlung von Krankheiten in den Verkehr gebracht hätten. Diese Präparate seien auch nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Im Übrigen sei es Aufgabe des Beklagten, darzulegen, welche Güter des täglichen Bedarfs von 100% der Bevölkerung täglich angewendet würden, die durch die hier streitgegenständlichen Arzneimittel zu ersetzen wären. Dies sei nicht geschehen. Im Übrigen sei durch Ernährungsmaßnahmen eine wirksame Einflussnahme auf die bestehenden Krankheiten nicht mehr möglich. Als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter habe er ohnehin keine Möglichkeit, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
13 
Er macht geltend, der Kläger habe keinen Anspruch auf Beihilfe für „Medyn“. Das Verwaltungsgericht gehe fälschlicherweise vom Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte beim Kläger aus. Die Aussage der Ärztin, dass durch die Verordnung von „Medyn“ überhöhte Homocysteinwerte vermieden werden sollten, lasse gerade nicht den Schluss zu, dass bereits überhöhte Homocysteinwerte festgestellt worden seien. Zur Gesundheitsvorsorge seien jedoch nach dem allenfalls in Betracht kommenden § 10 Abs. 3 Nr. 3 BVO lediglich ambulante ärztliche Leistungen und nicht schriftlich verordnete Arzneimittel beihilfefähig. Auch bei Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte bestehe keine Beihilfefähigkeit. Ein erhöhter Homocysteinwert sei keine Krankheit im Sinne der Beihilfevorschriften. „Medyn“ enthalte im Übrigen ausschließlich Inhaltsstoffe, die auch in der Nahrung enthalten seien, und falle als Nahrungsergänzungsmittel nicht unter den beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff, sondern diene der Vermeidung von Nährstofflücken und sei damit ein Mittel, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Dies gelte auch für „I Caps“. Das Präparat sei nicht verschreibungspflichtig und werde auch nicht in der „Roten Liste“ geführt. Auch die Tatsache, dass das Erfordernis einer solchen „besonderen Ernährung“ krankheitsbedingt sein und dem Lebensmittel von daher „heilende“ Wirkung zukommen könne, ändere grundsätzlich nichts an seinem Lebensmittelcharakter. Den Nachweis, dass der Kläger an einem Vitaminmangel leide, der durch entsprechende Ernährung nicht behoben werden könne, habe er nicht erbracht. Selbst wenn es sich bei dem Mittel „I Caps“ um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung handeln würde, wäre das Mittel nicht beihilfefähig, da es ausweislich der Produktbeschreibung des Herstellers nicht der Behandlung einer Krankheit, sondern der Erhaltung der Augengesundheit diene. Somit diene das Mittel der Gesundheitsvorsorge und sei nach § 10 BVO nicht beihilfefähig. Für beide Präparate fehle es auch an der wissenschaftlichen Anerkennung und damit an der Notwendigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
14 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. K. vom 20.07.2009 verwiesen.
15 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
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Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
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(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
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1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
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Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für das ihm ärztlich verordnete Arzneimittel "Sortis 10 mg Filmtabletten No. 100".

2

Als Berufssoldat im Ruhestand ist er Versorgungsempfänger der Beklagten mit einem Beihilfebemessungssatz von 70 v.H. Im April 2009 beantragte er die Gewährung einer Beihilfe für zwei Packungen des vorbezeichneten Medikaments, die er im gleichen Monat zu einem Apothekenverkaufspreis in Höhe von 110,05 € je Packung erworben hatte. Mit Bescheid vom 5. Mai 2009 setzte die Beklagte die Beihilfe insoweit auf einen Betrag von 29,62 € fest. Hierbei erkannte sie einen Festbetrag von 26,16 € je Packung abzüglich eines Eigenbehalts in Höhe von insgesamt 10 € als beihilfefähig an.

3

Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage abgewiesen. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf den Festbetrag stehe im Einklang mit dem Beihilferecht des Bundes wie auch mit höherrangigem Recht. Die Entscheidung über die Festsetzung des Festbetrages sei nicht auf Dritte delegiert worden. Die Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn bleibe gewährleistet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf den Festbetrag entspreche insbesondere dem beihilferechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot.

4

Gegen das Urteil hat der Kläger die von dem Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Auf seinen Antrag hin ist die Frist zu deren Begründung bis zum 3. Februar 2012 verlängert worden. Der Ausdruck der dem Bundesverwaltungsgericht an diesem Tag per Telefax übermittelten Revisionsbegründungsschrift enthält auf Seite 7 nur einige schwarze Striche; eine den Schriftsatz abschließende Unterschrift ist nicht zu erkennen. Hierauf hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung der Revision trägt er im Wesentlichen vor, im Bundesbeihilferecht fehle es an einer Beschränkung der Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln auf Festbeträge. Eine solche lasse sich weder auf die Bundesbeihilfeverordnung noch auf die hierzu ergangene Allgemeine Verwaltungsvorschrift stützen. Die maßgeblichen Bestimmungen genügten den Anforderungen der gesetzlichen Ermächtigung nicht. Eine Anpassung der für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmten Festbeträge an die besonderen beamtenrechtlichen Verhältnisse sei ebenso unterblieben wie eine dynamische Verweisung auf das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch. Eine Beschränkung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf Festbeträge werde auch nicht durch das beihilferechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot gerechtfertigt.

5

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.

6

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht führt aus, generell verstießen Festbeträge nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist zulässig (1.) und begründet (2.).

8

1. Die Revision ist auch dann zulässig, wenn - was keiner abschließenden Klärung bedarf - davon ausgegangen wird, dass sie nicht innerhalb der nach § 139 Abs. 3 Satz 3 VwGO gesetzten Frist ordnungsgemäß begründet worden ist, weil der Ausdruck der per Telefax bei dem Bundesverwaltungsgericht eingegangenen Begründungsschrift weder einen Abschluss noch eine Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Klägers erkennen ließ. Dem Kläger ist auf seinen Antrag hin jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 141 Satz 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 i.V.m. § 60 VwGO).

9

Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 3 VwGO um eine (verlängerte) gesetzliche Frist handelt. Denn die Wiedereinsetzungsvorschriften sind dann jedenfalls - so auch hier - entsprechend anzuwenden, wenn Sinn und Zweck des Wiedereinsetzungsrechts unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 4 GG und des Art. 103 Abs. 1 GG dies gebieten (Beschluss vom 13. Dezember 1993 - BVerwG 9 B 501.93 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 186 S. 60 f. m.w.N.). Ein Prozessbeteiligter, dessen Begründungsschrift trotz rechtzeitiger Absendung das Gericht nicht vollständig erreicht hat, befindet sich im Lichte des Art. 103 Abs. 1 GG in der gleichen Situation wie ein Beteiligter, der die gesetzliche Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 VwGO ohne Verschulden versäumt hat (vgl. Urteil vom 24. September 1997 - BVerwG 11 C 10.96 - Buchholz 407.2 § 19 EKrG Nr. 1 und Beschluss vom 6. Juni 1995 - BVerwG 6 C 13.93 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 198). Auch ihm ist durch die Wiedereinsetzung rechtliches Gehör zu gewähren.

10

Das angenommene Fristversäumnis beruhte weder auf einem Verschulden des Klägers (§ 60 Abs. 1 VwGO) noch auf einem diesem zuzurechnenden Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax an das Gericht stellt eine einfache technische Verrichtung dar, die ein Rechtsanwalt einer hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft überlassen darf. Seiner Verpflichtung, für eine genaue Ausgangskontrolle zu sorgen, genügt er bei dem Einsatz eines Telefaxgerätes, wenn er seinen dafür zuständigen Mitarbeitern die Weisung erteilt, sich bei der Übermittlung eines Schriftsatzes einen Einzelnachweis ausdrucken zu lassen, auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen und die Notfrist erst nach der Kontrolle des Sendeberichtes zu löschen. In diesem Fall darf er sich bei Angestellten, die sich über längere Zeit hinweg als zuverlässig erwiesen haben, darauf verlassen, dass seine allgemein erteilten Anweisungen im Einzelfall befolgt werden (Beschlüsse vom 4. August 2000 - BVerwG 3 B 75.00 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 235 S. 23 m.w.N. und vom 18. März 2004 - BVerwG 6 PB 16.03 - Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 76; BGH, Beschluss vom 13. Februar 2007 - VI ZB 70/06 - NJW 2007, 1690 <1691> m.w.N.). So verhält es sich hier. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben glaubhaft gemacht, dass sie durch geeignete organisatorische Vorkehrungen, insbesondere durch eindeutige Anweisungen an das Büropersonal und die Festlegung klarer Zuständigkeiten sicherstellen, dass Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen soweit wie möglich ausgeschlossen werden und dass es sich bei den mit der Versendung der Revisionsbegründungsschrift befassten Angestellten um geschulte und zuverlässige Kräfte handelt.

11

2. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht geht zu Unrecht davon aus, dass das bis zum Ablauf des 19. September 2012 geltende Beihilferecht des Bundes eine Rechtsgrundlage enthielt, welche die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Arzneimittel auf Festbeträge beschränkte.

12

Der Kläger hat einen Anspruch auf die von ihm begehrte weitere Beihilfe für das Arzneimittel "Sortis 10 mg Filmtabletten No. 100" aus § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 22 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) vom 13. Februar 2009 (BGBl I S. 326). Diese Normen finden hier Anwendung, da die maßgeblichen Aufwendungen mit dem Erwerb des Arzneimittels am 9. April 2009 entstanden sind. Beihilferechtliche Streitigkeiten sind grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, zu beurteilen (stRspr, vgl. Urteile vom 28. Juni 1965 - BVerwG 8 C 80.64 - BVerwGE 21, 264 <265 ff.> = Buchholz 238.91 Nr. 12 Abs. 1 BhV Nr. 1 S. 2 ff., vom 24. März 1982 - BVerwG 6 C 95.79 - BVerwGE 65, 184 <187> = Buchholz 238.4 § 30 SG Nr. 6 S. 10 und vom 30. April 2009 - BVerwG 2 C 127.07 - Buchholz 270 § 12 BhV Nr. 3 Rn. 7).

13

a) Der Kläger ist als Soldat im Ruhestand Versorgungsempfänger und damit beihilfeberechtigt (§ 31 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Soldaten - Soldatengesetz - SG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 - BGBl I S. 1482 -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 - BGBl I S. 160 - i.V.m. § 80 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 des Bundesbeamtengesetzes - BBG - i.d.F. des Gesetzes vom 5. Februar 2009 - BGBl I S. 160 -, § 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Satz 1 BBhV).

14

b) Die Aufwendungen des Klägers sind auch beihilfefähig gemäß § 80 Abs. 2 BBG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV. Die Beihilfefähigkeit erstreckt sich danach grundsätzlich nur auf notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen.

15

Aufwendungen in Krankheitsfällen sind dem Grunde nach notwendig, wenn sie für eine medizinisch gebotene Behandlung entstanden sind, die der Wiedererlangung der Gesundheit, der Besserung oder Linderung von Leiden oder der Beseitigung oder dem Ausgleich physischer oder psychischer Beeinträchtigungen dient. Der Höhe nach wirtschaftlich angemessen sind Aufwendungen, wenn und soweit keine gleich wirksame preisgünstigere Behandlung zur Verfügung steht (Urteil vom 17. Oktober 2011 - BVerwG 2 C 14.10 - BVerwGE 141, 69 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 41, jeweils Rn. 14 m.w.N.).

16

Die Notwendigkeit der Aufwendungen für das dem Kläger schriftlich verordnete (vgl. § 22 Abs. 1 BBhV) und von den Ausschlusstatbeständen des § 22 Abs. 2 BBhV nicht erfasste Medikament "Sortis 10 mg Filmtabletten No. 100" sowie die wirtschaftliche Angemessenheit dieser Aufwendungen stehen zwischen den Beteiligten - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bekräftigt hat - nicht im Streit. Dies in Zweifel zu ziehen, sieht der Senat auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) keinen Anlass.

17

c) Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen des Klägers ist nicht durch Festbeträge beschränkt. Festbeträge bedürfen, wenn sie als Obergrenzen für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen den Grundsatz einschränken, dass Beihilfe gewährt wird, soweit die Aufwendungen für Arzneimittel notwendig und angemessen sind, einer wirksamen Rechtsgrundlage (Urteil vom 28. Mai 2009 - BVerwG 2 C 28.08 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 19 Rn. 14). Eine solche findet sich weder in der Bundesbeihilfeverordnung (aa) noch in den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften (bb).

18

aa) Obgleich es nicht an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt (1), hat der Verordnungsgeber in § 22 Abs. 3 BBhV (a.F.) keine Festbetragsregelung normiert (2). Nichts anderes folgt aus § 7 BBhV (3).

19

(1) Eine hinreichend bestimmte gesetzliche Regelung, die den Verordnungsgeber dazu ermächtigt, eine Begrenzung der Beihilfefähigkeit für Arzneimittel auf Festbeträge zu normieren, findet sich in § 80 Abs. 4 BBG. Danach regelt das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der Beihilfegewährung, insbesondere der Höchstbeträge, des völligen oder teilweisen Ausschlusses von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch und der Berücksichtigung von Kindern.

20

Die Vorschrift erfasst auch Festbeträge, obgleich diese - anders als die ausdrücklich genannten Höchstbeträge sowie der vollständige und partielle Ausschluss von Arzneimitteln - nicht ebenfalls beispielhaft aufgeführt sind. Dabei bedarf es keiner vertieften Betrachtung, ob Festbeträge nicht bereits als Unterfall der Höchstbeträge begriffen werden können. Mit der Änderung des § 80 Abs. 4 BBG durch das Gesetz zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) bezweckte der Gesetzgeber die wirkungsgleiche Übertragung von Änderungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung auf das Beihilferecht (BRDrucks 720/07 S. 218 f.). § 35 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2477) i.d.F. des Gesetzes vom 15. Dezember 2008 (BGBl I S. 2426) enthielt bereits eine Regelung zur Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit der Änderung des § 80 Abs. 4 BBG beabsichtigte, dieses bedeutsame Instrument zur Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Gesundheitswesen von der Übertragung auszunehmen, bestehen nicht.

21

(2) § 22 Abs. 3 BBhV (a.F.) bestimmt jedoch weder selbst Festbeträge, noch enthält diese Norm eine bindende (dynamische) Verweisung auf die Vorschrift des § 35 SGB V und die auf dieser Grundlage für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung getroffene Festbetragsregelung (so zutreffend VGH Mannheim, Urteil vom 4. August 2011 - 2 S 83/11 - DVBl 2011, 1432 = juris Rn. 21; VGH Kassel, Urteil vom 8. September 2011 - 1 A 2556/10 - DVBl 2011, 1498; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. April 2012 - OVG 6 B 13.11 - juris Rn. 14). Dies folgt bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BBhV (a.F.) bestimmt das Bundesministerium des Innern in Verwaltungsvorschriften Festbeträge im Sinne von § 35 SGB V. Damit bleiben diese ausdrücklich einer Regelung in Verwaltungsvorschriften vorbehalten. Für ihre Bestimmung verweist § 22 Abs. 3 Satz 2 BBhV (a.F.) auf die Grundsätze des § 35 SGB V, ohne deren unmittelbare und verbindliche Anwendung anzuordnen. § 22 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 1 BBhV (a.F.) sieht eine Orientierung an den in § 35 SGB V getroffenen Entscheidungen und Bewertungen vor, ohne Inhalt und Ausmaß dieser Orientierung zu konkretisieren. § 22 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 BBhV (a.F.) erlegt dem Bundesministerium des Innern die Berücksichtigung der Fürsorgepflicht des § 78 BBG auf, ohne insoweit Näheres zu regeln. Auch die Entscheidung, nach welchen Maßstäben über das Entfallen des Eigenbehaltes nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 BBhV zu entscheiden ist, bleibt in § 22 Abs. 3 Satz 5 BBhV (a.F.) einer näheren Bestimmung in Verwaltungsvorschriften vorbehalten.

22

(3) § 7 Satz 2 BBhV greift das Konzept einer wirkungsgleichen Übertragung von Änderungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung auf und hält die Rechtsanwendung an, sich unter Berücksichtigung des Fürsorgegrundsatzes nach § 78 BBG an Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuches zu orientieren. § 7 Satz 3 BBhV erstreckt dieses Gebot zwar auch auf § 22 BBhV (a.F.). Die Vorgabe des § 7 Satz 2 BBhV steht aber unter der Prämisse einer verbindlichen Verweisung auf die betreffenden sozialgesetzlichen Regelungen. Eine solche Verweisung sieht § 22 Abs. 3 BBhV (a.F.) - anders etwa als § 22 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 oder Abs. 5 Satz 2 BBhV (a.F.) - nicht vor.

23

bb) Eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel vermitteln auch nicht die Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums des Innern. Unabhängig davon, ob Festbeträge als Obergrenzen für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Arzneimittel vor dem Hintergrund des Prinzips vom Vorbehalt des Gesetzes überhaupt wirksam in Verwaltungsvorschriften bestimmt werden könnten (vgl. Urteile vom 17. Juni 2004 - BVerwG 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <107> = Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 123 S. 11, vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 12, und vom 28. Mai 2009 a.a.O. Rn. 19), ist jedenfalls eine entsprechende Bestimmung in Nr. 22.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundesbeihilfeverordnung (BBhV-VwV) vom 14. Februar 2009 (GMBl S. 138) nicht getroffen worden.

24

Nr. 22.3.1 BBhV-VwV enthält lediglich Richtlinien für die Ermittlung der beihilfefähigen Festbeträge. Festbeträge werden damit in dieser Verwaltungsvorschrift nicht selbst niedergelegt, sondern ihre Festsetzung wird mit der Maßgabe, dass der Fürsorgegrundsatz zu berücksichtigen ist, der rechtsanwendenden Verwaltung überantwortet. Eine (dynamische) Verweisung, die die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen erstellte Übersicht für unmittelbar anwendbar erklärt, enthält die Verwaltungsvorschrift ebenfalls nicht. Die in Nr. 22.3.2 BBhV-VwV in Bezug genommene Übersicht über sämtliche Festbeträge und die betroffenen Arzneimittel wird nur als "Grundlage" für eine noch vorzunehmende beihilfespezifische "Ermittlung des beihilfefähigen Festbetrages" herangezogen.

25

Für eine Bestimmung von Festbeträgen genügt es schließlich auch nicht, wenn - wie teilweise geltend gemacht worden ist - entsprechende Daten in ein behördeninternes Datenverarbeitungssystem eingegeben werden. Ungeachtet der Frage der genauen rechtlichen Einordnung dieses Vorgangs liegt darin weder eine von § 22 Abs. 3 BBhV (a.F.) vorgesehene (schriftliche) Niederlegung in Verwaltungsvorschriften, noch könnte die bloße Eingabe in ein Datenverarbeitungssystem den rechtsstaatlichen Publizitätsanforderungen gerecht werden (vgl. Urteil vom 25. November 2004 - BVerwG 5 CN 1.03 - BVerwGE 122, 264 <268 ff.> m.w.N.).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit einem Elektromobil (Cityliner 412).
Der Kläger ist Beamter der Bundesfinanzverwaltung der Bundesrepublik Deutschland und für sich und seine Ehefrau mit einem Bemessungssatz von jeweils 70 Prozent beihilfeberechtigt. Die Ehefrau des Klägers leidet an Multipler Sklerose (MS) und ist stark gehbehindert (Merkmal „aG“). Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten erhält sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege).
Unter dem 30.11.2008 beantragte der Kläger unter anderem Beihilfe für das für seine Ehefrau im September 2008 angeschaffte „behindertengerechte Elektromobil Cityliner 412“. Laut Rechnung der Firma R. belaufen sich die Kosten hierfür auf 3.928,57 EUR. In der ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. J. vom 01.04.2008 wird sinngemäß die medizinische Notwendigkeit für ein „Elektrokrankenfahrzeug“ attestiert und ausgeführt, die Ehefrau des Klägers wohne an einem Berghang und ohne ein Elektrokrankenfahrzeug könne sie sich nicht fortbewegen.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Beklagte die Ausstattung der Ehefrau des Klägers mit einem Elektromobil mit der Begründung ab, es handele sich nicht um ein beihilfefähiges Hilfsmittel. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, den er damit begründete, im Jahre 2003 sei für den Kauf eines behindertengerechten Elektromobils Beihilfe gewährt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 zurück. Zur Begründung führte die Behörde unter anderem aus, nach Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Krankenfahrstühle mit Zubehör beihilfefähig. Nicht beihilfefähig seien dagegen die unter Nr. 9 der Anlage 3 aufgeführten Gegenstände, wozu auch Elektrofahrzeuge, d.h. auch das hier zu beurteilende Elektromobil gehörten.
Der Kläger hat am 02.03.2009 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem sinngemäßen Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm Beihilfe in Höhe von 70 Prozent für die Anschaffung eines Elektromobils Cityliner 412 zu gewähren und die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 03.12.2008 und 03.02.2009 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 31.03.2011 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Bei dem vom Kläger angeschafften Elektromobil handele es sich ersichtlich nicht um einen Krankenfahrstuhl im Sinne von Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes, sondern um ein Elektrofahrzeug im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3. Dieses Fahrzeug sei so gebaut, dass es schon von seinem optischen Eindruck her niemandem einfallen werde, dieses Fahrzeug als Krankenfahrstuhl zu bezeichnen. Wegen seiner Konstruktion und seinen Ausmaßen sei das Fahrzeug auch nicht dazu geeignet, in Wohnungen als Ersatz für einen Stuhl zu dienen. Das Elektromobil sei zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gedacht und entsprechend sei es auch ausgestattet mit Beleuchtung, Blinker, Bremslichtern und Warnblinklicht. Dafür, dass es sich nicht um einen Krankenfahrstuhl handele, spreche im Übrigen auch die Internet-Präsentation der Herstellerfirma. Diese präsentiere das Elektromobil unter dem Oberbegriff „Scooter“ und nicht unter dem Oberbegriff „Rollstühle“, unter dem sie unter anderem auch elektrisch betriebene Rollstühle anbiete.
Die Anschaffung des Elektromobils sei nicht beihilfefähig, weil der Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Es handele sich nicht um ein Hilfsmittel, das speziell auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten sei. Ein Elektromobil spreche einen breiteren Personenkreis an, der keines Rollstuhls bedürfe, aber seine Mobilität erhöhen wolle. Es könne unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen auch im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Der allgemeinen Lebenshaltung dienten diejenigen Hilfsmittel, die üblicherweise herangezogen würden, um die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern, und die aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild hätten.
Der Umstand, dass die Beklagte früher Beihilfe für ein ähnliches Gerät gewährt habe, begründe auch keinen Vertrauensschutz. Die Abrechnung der Beihilfestellen habe Einzelfallcharakter und enthalte keine darüber hinausgehende positive Feststellung oder Festlegung zur Beihilfefähigkeit künftiger Anträge. Selbst wenn die früher für ein ähnliches Gerät bewilligte Beihilfe rechtswidrig gewesen wäre, sei die Beklagte nicht verpflichtet, diese rechtswidrige Praxis fortzusetzen.
Die Fürsorgepflicht gebiete ebenfalls nicht die Gewährung einer weiteren Beihilfe. Die Beihilfevorschriften stellten eine für den Regelfall grundsätzlich abschließende Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen dar. Weitergehende Beihilfeansprüche könnten allenfalls begründet sein, wenn die Fürsorgepflicht in einem Einzelfall gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Daran wäre etwa zu denken, wenn die Ehefrau des Klägers erst durch ein Elektromobil die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit erhielte; diese Bewegungsfreiheit könnte sie aber bereits durch einen - beihilfefähigen - Krankenfahrstuhl erhalten.
10 
Gegen das ihm am 08.04.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.05.2011 (einem Montag) - die vom Verwaltungsgericht zugelassene - Berufung beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt. Nachdem der Kläger am 09.05.2011 darauf hingewiesen worden war, dass die Berufung beim Verwaltungsgericht einzulegen ist, hat er am 20.05.2011 beim Verwaltungsgericht (nochmals) Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung dieses Antrags macht der Kläger geltend: Die Rechtsanwaltsfachangestellte des Bevollmächtigten habe in die Berufungsschrift als Adressaten den Verwaltungsgerichtshof eingetragen. Sie habe am 09.05.2011 gegen 11.00 Uhr dem Bevollmächtigten die Berufungsschrift vorgelegt. Der Bevollmächtigte habe kurzfristig wegen der Erkrankung seines Sohnes um ungefähr 12.00 Uhr die Kanzlei verlassen müssen. Zuvor habe er die Berufungsschrift unterzeichnet und die Rechtsanwaltsfachangestellte darauf hingewiesen, dass die erste Seite der Berufungsschrift noch ausgetauscht werden müsse, weil die Berufung beim Verwaltungsgericht einzureichen sei. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe den Berufungsschriftsatz in der alten Form - also adressiert an den Verwaltungsgerichtshof - um 12.19 Uhr gefaxt. Hierbei habe sie vergessen, dass der Adressat in dem Berufungsschriftsatz noch habe ausgetauscht werden müssen. Die Rechtsanwaltsfachangestellte sei eine ausgesprochen erfahrene und zuverlässige Kraft mit zwölfjähriger Berufserfahrung. Deshalb habe der Bevollmächtigte bei Verlassen der Kanzlei auch davon ausgehen dürfen, dass der Adressat der Berufungsschrift seinen Anweisungen entsprechend geändert werde.
11 
In der Sache trägt der Kläger zur Begründung der Berufung unter anderem Folgendes vor: Das angeschaffte Elektromobil sei als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes anzusehen. Es sei mit einem Elektrokrankenstuhl in jeder Hinsicht vergleichbar. Das Elektromobil könne auch nicht als Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung angesehen werden. Es sei speziell für behinderte und in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkte Personen entwickelt worden. Dem Verwaltungsgericht sei zwar insoweit Recht zu geben, als das Elektromobil auch von älteren, körperlich geschwächten Personen genutzt werden könne. Dies gelte jedoch auch für Rollstühle im herkömmlichen Sinne.
12 
Ein Anspruch lasse sich darüber hinaus auch aus der grundgesetzlich garantierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten ableiten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne die Ehefrau des Klägers die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit nicht bereits durch einen Krankenfahrstuhl erhalten. Ihre Mobilität sei durch das angeschaffte Elektromobil deutlich gestiegen. Hierdurch sei es ihr auch alleine möglich, sich außerhalb der Wohnung fortzubewegen.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 09.12.2008 und 03.02.2009 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von 70 Prozent zu den Kosten für die Anschaffung eines Elektromobils in Höhe von 3.928,57 EUR zu gewähren.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie erwidert: In Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Gegenstände aufgeführt, die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen und die deshalb von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Dort seien Elektrofahrzeuge (= Elektromobile) namentlich genannt. Die Versorgung mit einem der Erkrankung der Ehefrau des Klägers entsprechenden - medizinisch notwendigen - Fortbewegungsmittel werde mit einem Krankenfahrstuhl, der unter Nr. 1 der Anlage 3 als beihilfefähiges Hilfsmittel aufgeführt sei, gewährleistet. Hierzu gehörten auch Elektrorollstühle, zu deren Anschaffungskosten von der Beihilfestelle eine anteilige Beihilfe gewährt worden wäre. Dadurch wäre dem Anspruch der Ehefrau des Klägers auf Bewegungsfreiheit ausreichend Genüge getan. Die Versorgung mit einem Elektromobil gehe dagegen über den Maßstab des medizinisch Notwendigen hinaus.
18 
Das hier zu beurteilende Elektromobil könne - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes angesehen werden. Auch bei wohlwollender Auslegung sei das Elektromobil, das ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und hierfür ausgestattet sei, hingegen für die Nutzung innerhalb einer Wohnung aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet sei, nicht mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl vergleichbar. In der Bedienungsanleitung für das vom Kläger angeschaffte Elektromobil werde darauf hingewiesen, dass als Voraussetzung für dessen Nutzung die grundsätzliche Eignung des Fahrers zur Teilnahme am Straßenverkehr gewährleistet sein müsse. Zudem werde mehrmals auf die durch den Gebrauch des Fahrzeugs möglichen Gefahren (Unfall-, Kurzschluss-, Verletzungs-, Kippgefahr, Überschreitung der Sicherheitsgrenzen bei Geschwindigkeit und Gefälle) aufmerksam gemacht. Nutzungseinschränkungen und -gefahren dieses Umfangs seien mit der Bezeichnung Krankenfahrstuhl, die nach der Definition ausschließlich eine Benutzung durch kranke und behinderte Personen ermöglichen solle, nicht vereinbar. Sie gäben vielmehr Hinweis darauf, dass die Nutzung hauptsächlich durch gesunde, allenfalls in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkte Personen erfolgen könne.
19 
Im häuslichen Bereich sei die Ehefrau des Klägers mit einem „normalen“ Rollstuhl versorgt. Zudem erhalte sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege). Dieses Pflegegeld diene auch zur Verbesserung der Bewegungsfreiheit (Mobilität) der Ehefrau des Klägers. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Pflegeperson - bei einem Betreuungsbedarf „rund um die Uhr“, wie er der Pflegestufe III zugrundezulegen sei - dafür Sorge zu tragen habe, dass der Ehefrau des Klägers die Teilnahme am allgemeinen Leben ermöglicht werde. Hierzu könne mit Hilfe der Pflegeperson der bereits vorhandene Rollstuhl verwendet werden. Eine zusätzliche Versorgung mit einem Elektromobil sei daher nicht erforderlich.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
22 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
23 
Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
26 
2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
27 
a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
29 
aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
31 
bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
32 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
33 
Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
34 
In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
35 
Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
36 
cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
37 
Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
38 
dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
39 
3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss vom 10. Oktober 2011
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
22 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
23 
Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
26 
2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
27 
a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
29 
aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
31 
bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
32 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
33 
Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
34 
In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
35 
Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
36 
cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
37 
Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
38 
dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
39 
3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss vom 10. Oktober 2011
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Juni 2010 - 13 K 4425/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte.
Die Klägerin ist als Ruhestandsbeamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Unter dem 11.8.2009 beantragte sie u.a. Beihilfe für die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte i.H.v. insgesamt 99,25 EUR. Mit Bescheid vom 31.8.2009 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg die Gewährung von Beihilfeleistungen für diese Präparate ab, da nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO in der ab dem 1.1.2009 gültigen Fassung Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel von der Beihilfefähigkeit ausgenommen seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies es mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 zurück.
Die Klägerin hat am 30.11.2009 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, sie leide u.a. an folgenden Erkrankungen: Asthma bronchiale, Multiple Chemikalien-Sensitivität (im Folgenden: MCS), Vasculitis, Varikosis, Polyneuropathie, Rheumatoide Arthritis, gesicherte Allergien, neuromuskuläre Störungen, Histamin- und Laktoseintoleranzen sowie ausgeprägte Schimmelpilzallergie. Eine ausreichende Versorgung mit Mineralien und Vitaminen aus der täglichen Nahrung sei daher nicht möglich.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.6.2010 - zugestellt am 17.6.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Mit der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO habe der Verordnungsgeber den Ausschluss der Beihilfefähigkeit für bestimmte Aufwendungen über den zuvor geltenden Wortlaut hinaus ausdrücklich auf Nahrungsergänzungsmittel erweitert. Damit sei auch ein krankheitsbedingter Sonderbedarf, wie er bei ärztlich verordneten Nahrungsergänzungsmitteln in der Regel vorliege, von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Bei den streitgegenständlichen Präparaten handle es sich um Nahrungsergänzungsmittel. Dass diese Mittel aus Anlass von mehreren Erkrankungen der Klägerin ärztlich verordnet worden seien, könne am Ausschluss von der Beihilfefähigkeit nichts ändern.
Gegen das Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin. Der Senat hat am 18.4.2011 die Einholung eines Sachverständigengutach- tens beschlossen, das unter dem 2.12.2011 erstattet worden ist. Zusammenfassend wird darin ausgeführt, dass sich bei der körperlichen Untersuchung der Klägerin bis auf das Vorhandensein eines Bluthochdrucks keine weiteren Auffälligkeiten ergeben hätten. Die durchgeführten Laboruntersuchungen hätten keine nennenswerten Pathologica ergeben. Insbesondere die Bestimmung des Gesamt-IgE habe keinen Hinweis auf das Bestehen einer allergischen Reaktionsbereitschaft gezeigt. Insgesamt wäre sowohl bei einer grundsätzlichen allergischen Reaktionsbereitschaft wie auch bei einer derzeitigen allergischen Exposition ein deutlicher erhöhter Immunglobulin-E-Spiegel zu erwarten. Hinsichtlich des angegebenen MCS-Syndroms sei festzustellen, dass es sich hierbei um einen Symptom-Komplex handle, dessen Ursache multifaktorieller Art zu sein scheine. In den jetzt durchgeführten Untersuchungen hätten sich keine weiteren Hinweise auf das Vorliegen einer MCS ergeben.
Die Klägerin macht geltend, Nahrungsergänzungsmittel i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO könnten nur solche Präparate sein, die keine Arzneimittel darstellten. Sie leide an einem MCS-Syndrom, Asthma bronchiale, Histamin-Intoleranz, Laktose-Intoleranz, Schimmelpilzallergie, Polyneuropathie, Vasculitis, Varikosis, Fibromyalgie, Rheumatische Arthrose sowie vielen Allergien. Beim MCS-Syndrom komme es durch Manganmangel zu Stoffwechselveränderungen und Ansammlungen von Giften. Hiergegen werde Kryptosan forte angewandt. Gegen die bei ihr vorliegende Histamin-Intoleranz werde das Arzneimittel Histaminus-Komplex eingesetzt. Die Notwendigkeit des konsequenten Meidens allergieauslösender Stoffe führe zu einem erheblichen Ernährungs- problem mit Mangelerscheinungen. Gegen die Beschwerden und Schmerzen, die durch Polyneuropathie, Vasculitis, Fibromyalgie, Rheumatische Arthrose hervorgerufen würden, werde u.a. das Medikament Folplus verwendet. Die behandelnde Ärztin habe mit Bescheinigung vom 14.12.2010 ausgeführt, dass die angegebenen Vitamine und Mineralstoffe als Therapiestandard zu werten seien.
Das eingeholte Sachverständigengutachten sei unbrauchbar. Offensichtlich fehle es der Sachverständigen an Kenntnissen und Erfahrungen in der Diagnose und Therapie des MCS-Syndroms. In einem von Hill und anderen herausgegebenen Lehrbuch zur MCS werde die ihr angewandte antioxidative Vitamintherapie als naheliegender Therapieansatz beschrieben.
Zum Sachverhalt trägt die Klägerin ergänzend vor, die MCS sei erstmals 1998 nach einer vierjährigen Behandlung mit entsprechendem Krankheitsverlauf diagnostiziert worden. Bereits zuvor sei 1997 Asthma bronchiale festgestellt worden. Sie sei ab 1975 als Fachlehrerin für Bildende Kunst und Technik tätig gewesen. Bei dieser Tätigkeit sei sie zahlreichen Giftstoffen ausgesetzt gewesen. Im Jahr 1994 sei ihr körperlicher Zustand extrem schlecht gewesen; die Arbeitsbedingungen mit den entsprechenden Giftstoffen hätten zu immer weiteren Krankheitsbildern geführt. Die herkömmlichen Untersuchungsmethoden hätten keine eindeutigen Diagnosen ergeben. Ab 2006 sei sie von ihrer Heilpraktikerin nach Methoden der ganzheitlichen Medizin behandelt worden, worauf sich ihr Zustand langsam verbessert habe. Sie koche und backe seither alles selbst und bereite alle Speisen täglich frisch zu. Das Brot werde mit speziellen Mehlen selbst frisch gebacken, da sie aufgrund ihrer Histamin-Intoleranz und Schimmelpilzallergie Hefe und Sauerteig sowie Zusatzstoffe nicht vertrage. Zudem reagiere sie wegen der Schimmelpilzallergie überempfindlich auf alle Zitrusfrüchte und Konservierungsstoffe der Zitronensäure. Sie könne daher nur Naturheilmittel, Vitamine und Mineralien vertragen, bei denen auf jegliche Zusatzstoffe verzichtet werde. Am besten würden „Bio-Lebensmittel“ vertragen. Fleisch müsse „absolut Bio“ und ganz frisch sein, da sich mit jedem Tag der Lagerung der Histamingehalt erheblich erhöhe. Wegen ihrer Histamin-Intoleranz würden viele Gemüse- und Obstsorten ebenfalls nicht vertragen. Nur durch die konsequente Einnahme von Vitaminen und Mineralien könne der permanenten Unterversorgung entgegengewirkt werden.
Die Klägerin beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.6.2010 - 13 K 4425/09 - zu ändern und den Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 31.8.2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Beihilfe für die Aufwendungen für die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte zu gewähren.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Er bekräftigt seine Rechtsauffassung, wonach Nahrungsergänzungsmittel generell von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Sinn und Zweck der Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO sei eine einfache, in der Praxis handhabbare Regelung gewesen, nicht hingegen eine in jedem Einzelfall aufwendige Ermittlung, ob das Präparat ein Mittel sei, das geeignet sei, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Das im vorliegenden Fall eingeholte Gutachten komme zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständlichen Präparate weder abstrakt noch im konkreten Fall geeignet seien, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Eine MCS-Erkrankung gehe mit erhöhten Entzündungswerten einher. Nach dem Gutachten vom 2.12.2011 habe die Klägerin keine Hinweise auf Entzündungsreaktionen gezeigt. Die Mess- und Untersuchungsergebnisse seien allesamt unauffällig gewesen. Dabei seien auch umweltmedizinische Aspekte berücksichtigt worden. Beispielsweise sei die in einem Artikel von Prof. Dr. Huber geforderte Bestimmung des C-reaktiven Proteins zur Anzeige von Entzündungsprozessen erfolgt.
14 
Die streitgegenständlichen Mittel seien Nahrungsergänzungsmittel. Das Präparat Folplus werde als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht und stelle damit ein Nahrungsergänzungsmittel dar. Das Präparat Kryptosan forte sei kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne. Es enthalte neben Vitaminen und Mineralstoffen Alkoholverbindungen, Substanzen, die vom Körper selbst produziert würden sowie Glyzin, welches als Geschmacksverstärker in Lebensmitteln eingesetzt werde, und das Silikat-Mineral Zeolith. Ein über eine ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehender therapeutischer Nutzen sei von diesen Substanzen nicht zu erwarten. Gleiches gelte für das Präparat Histaminus-Komplex.
15 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Akten des Verwal-tungsgerichts und die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar ist das Verwaltungsgericht zu Unrecht der Ansicht, die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte seien als Nahrungsergänzungsmittel nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung von der Beihilfefähigkeit generell ausgeschlossen (unten 1). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte weitere Beihilfe, weil die Aufwendungen für die genannten Präparate unter den in ihrem Fall gegebenen Umständen nicht als notwendig angesehen werden können (unten 2).
17 
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern bei Leistungen nach Nr. 1 verbrauchte oder nach Art und Menge schriftlich verordnete Arzneimittel grundsätzlich beihilfefähig. Nach der Rechtsprechung der vormals für das Beihilferecht zuständigen Senate des erkennenden Gerichtshofs sind nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften unter „Arzneimitteln“ im Sinne dieser Vorschrift Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Die Frage, ob ein Mittel ein Arzneimittel im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach dieser Rechtsprechung nicht nach der formellen Einordnung eines Mittels im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern nach dem materiellen Zweckcharakter, d. h. danach, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (ausführl.: Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/08 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2010 - 13 S 2696/09 - juris). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Der arznei- und lebensmittelrechtlichen Einordnung kommt jedoch eine indizielle Bedeutung zu: Lässt sich nicht feststellen, welcher Verwendungszweck eines Nahrungsergänzungsmittels überwiegt, ist es im Zweifel regelmäßig als Lebensmittel einzuordnen, denn nach dem ersten Anschein handelt es sich bei einem solchen Mittel auch im beihilferechtlichen Sinne nicht um ein Arzneimittel (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 13.12.2010 - 14 BV 08.1982 - juris-Rn. 30 u. 32).
18 
An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Geltung der Beihilfeverordnung in ihrer seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung vom 30.8.2008 festzuhalten. Zwar ist in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel nicht beihilfefähig sind. Der Senat sieht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber mit dieser die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO ergänzenden Bestimmung eine grundlegende Änderung des in der bisherigen Rechtsprechung vertretenen Arzneimittelbegriffs vornehmen und Nahrungsergänzungsmittel auch dann von der Beihilfefähigkeit ausschließen wollte, wenn es sich dabei im Sinne der bisherigen Rechtsprechung um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn handelt. Hätte der Verordnungsgeber eine solche Änderung tatsächlich beabsichtigt, hätte er dies mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringen müssen. Dies wäre z.B. durch einen Verweis auf die entsprechenden Definitionen des AMG, des LFGB oder der NemV (oder deren wörtlicher Übernahme in die BVO) ohne Weiteres möglich gewesen. Der Senat sieht deshalb in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nur eine Klarstellung, die lediglich für solche Nahrungsergänzungsmittel von Bedeutung ist, die keine Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne sind.
19 
Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht auch, dass nach ihr außer Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel auch Aufwendungen für Mittel von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten - so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist - eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird auch von dieser Ausschlussklausel hingegen nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/10 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307).
20 
Die hier vertretene Auslegung wird auch durch eine weitere Erwägung nahegelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5.5.2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126, insbes. juris-Rn. 13-16) hält die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu an, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet werden darf. Sollen hiernach Aufwendungen für Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne auch dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden, wenn die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit erfüllt sind, muss der Dienstherr Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind. Solche Folgen können etwa bei chronischen Erkrankungen auftreten. Für derartige Fallgestaltungen ist daher grundsätzlich eine entsprechende Härtefallregelung erforderlich. An einer solchen Regelung fehlt es hier jedoch. Die Tatsache, dass der baden-württembergische Verordnungsgeber keine Härtefallregelung getroffen hat, spricht demzufolge ebenfalls für eine Auslegung des in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO geregelten Ausschlusstatbestands im Sinne einer bloßen deklaratorischen Klarstellung.
21 
2. Bei den hier in Rede stehenden Präparaten dürfte es sich arznei- und lebensmittelrechtlich gesehen um Nahrungsergänzungsmittel handeln. Insoweit kann auf die Ausführungen in dem Sachverständigengutachten vom 2.12.2011 sowie die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 22.3.2011 Bezug genommen werden, die der Senat für überzeugend erachtet. Im Fall der Klägerin spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass diese Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden, da sie durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit beitragen sollen. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die ihr verordneten Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden sollen, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob dieser Zweck hier erreicht werden kann und die verordneten Mittel insbesondere zur Behandlung einer Erkrankung erforderlich sind. Das ist eine Frage der beihilferechtlichen Notwendigkeit (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO), an der es unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen fehlt.
22 
a) Die Klägerin hat sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren als Zweck der eingesetzten Präparate die Bekämpfung eines Mangelzustands genannt. Ausschließlich auf diesen Gesichtspunkt stützen sich auch die ursprünglichen Verordnungen der streitgegenständlichen Präparate durch die Ärztin von W. und die Heilpraktikerin V.. Daran hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren weitgehend festgehalten. Dementsprechend hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, die streitgegenständlichen Präparate dienten primär der Vorbeugung bzw. Bekämpfung von Mangelerscheinungen.
23 
Der Zweck, eine durch die Allergien der Klägerin verursachte Unterversorgung mit bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen auszugleichen, wird jedoch schon nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin hat zwar detailliert vorgetragen, welche Schwierigkeiten sie bei der Lebensmittelversorgung hat. Allerdings lassen diese Probleme den Schluss auf einen dadurch verursachten Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht zu. Nach der Schilderung der Klägerin verträgt sie zwar insbesondere keine vorgefertigten Lebensmittel. So kann sie ihrem Vortrag zufolge kein gewöhnliches, beim Bäcker erworbenes Brot zu sich nehmen; sie backt jedoch aus hochwertigen schad- und konservierungsstofffreien Zutaten ihr eigenes Brot. Auch Fleisch verträgt sie ihrem Vortrag zufolge, wenn es frisch und „absolut Bio“ ist. An Obst und Gemüse nimmt sie nach ihrer Aufstellung vom 16.4.2012 Karotten, Zwiebeln und Äpfel täglich, Brokkoli, gekochte Tomaten und Bananen zumindest einmal wöchentlich sowie Kohlrabi und Paprika in mehrwöchentlichem Abstand zu sich. Dass bei dieser Art der Ernährung Mangelerscheinungen auftreten könnten, ist nicht ersichtlich. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin weitestgehend daran gehindert ist, Fertigprodukte zu sich zu nehmen, und deshalb einen besonders hohen Aufwand beim Einkauf und der Zubereitung von Speisen treiben muss. Dieser hohe Aufwand führt aber im Ergebnis dazu, dass sie sogar besonders hochwertige Lebensmittel zu sich nimmt, und lässt damit nicht auf das Auftreten von Mangelerscheinungen schließen.
24 
Zudem ist ein Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht laborärztlich diagnostiziert worden. Eine Untersuchung des Vitaminstatus der Klägerin ist - soweit bekannt - niemals erfolgt. Aber auch ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen ist nicht festgestellt worden. Bei einer am 14.8.2006 durchgeführten Untersuchung ihrer Haare lagen die Werte für Mineralstoffe und Spurenelemente größtenteils im (unteren) Normalbereich; lediglich der Wert für Mangan lag mit 0,069 ppm minimal unter dem Wert für den Normalbereich mit 0,07 bis 1 ppm.
25 
Bei dieser Sachlage handelt es sich hier um eine Behandlung „ins Blaue“ hinein. Die streitgegenständlichen Präparate sind ohne hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich eine entsprechende Unterversorgung gegeben sein könnte, verordnet worden. Die Feststellung der Notwendigkeit einer Behandlung setzt aber immer eine entsprechende aussagekräftige Diagnose voraus. Eine bloße nicht abgesicherte Behandlung auf Verdacht ist beihilferechtlich nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
26 
b) Als Reaktion auf das seitens des Senats eingeholte Sachverständigengutachten hat die Klägerin allerdings vorgetragen, die streitgegenständlichen Mittel würden zur antioxidativen Therapie ihrer MCS eingesetzt. Diese Zweckbestimmung lässt sich jedoch den ursprünglichen ärztlichen Verordnungen und der Verordnung ihrer Heilpraktikerin nicht entnehmen. Jedenfalls aber fehlt es auch insoweit an der beihilferechtlichen Notwendigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
27 
Bei der MCS handelt es sich um eine Erkrankung, deren Entstehung umstritten ist. Die Spanne reicht von rein umweltmedizinischen bis zu rein psychosomatischen Erklärungen. Letztlich dürften sich vermittelnde Auffassungen durchgesetzt haben, wonach es sich um eine multifaktorielle Erkrankung handelt (s. das Gutachten mit Anlagen; Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al.; Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 334).
28 
Welcher Erklärungsansatz überzeugender ist, muss im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht geklärt werden. Sollte es sich um eine rein psychosomatische Erkrankung handeln, kann es sich bei der Gabe von Vitaminen und Spurenelementen von vornherein um keine notwendige Behandlung handeln. Aber auch wenn man dem von der Klägerin für richtig gehaltenen umweltmedizinischen Ansatz folgt, ist dies nicht der Fall.
29 
Es ist im Falle der Klägerin schon nicht eindeutig geklärt, ob eine MCS im Sinne einer umweltmedizinischen Erkrankung überhaupt vorliegt. Entsprechende objektive Messwerte, die auf eine MCS hinweisen könnten, liegen nicht vor. Das Sachverständigengutachten hat keine Laborwerte ergeben, die in diese Richtung deuten könnten. Bei der bereits erwähnten Haaranalyse vom 14.8.2006 wurden an toxischen Elementen lediglich Cadmium, Blei und Aluminium - allerdings jeweils im untersten Normalbereich - festgestellt. Auch sonst dürften die nach dem umweltmedizinischen Ansatz erforderlichen differentialdiagnostischen Abklärungen nicht erfolgt sein (s. hierzu: Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.).
30 
Jedenfalls aber ist die Behandlung als solche ebenfalls ohne die gebotene diagnostische Abklärung erfolgt. Gerade die Vertreter des umweltmedizinischen Ansatzes verlangen, dass eine antioxidative Therapie durch die Gabe von Vitaminen nicht „ins Blaue“ hinein erfolgt, sondern durch eine sorgfältige laboranalytische Untersuchung des Redoxstatus kontrolliert werden soll, um z.B. schädliche Vitamin-Überdosierungen zu vermeiden (so ausdrückl. Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.). Dass hier solche Untersuchungen erfolgt sind, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine bloße Behandlung auf Verdacht ist auch in diesem Zusammenhang nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
31 
3. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch die Einholung eines weiteren (oder die Ergänzung des vorliegenden) Gutachtens, die die Klägerin ursprünglich noch angeregt hatte, ist nach alledem nicht erforderlich. Die Bedeutung des eingeholten Sachverständigengutachtens liegt vor allem in der „klassischen“ Diagnostik, d.h. den erhobenen Werten an sich und dem Ausschluss herkömmlicher (internistischer) Erkrankungen mit Ausnahme eines Asthma bronchiale. Insoweit erhebt auch die Klägerin keine Einwendungen gegen die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen.
32 
Wie die Klägerin zu Recht geltend macht lässt sich eine abschließende Bewertung der Entstehung, Diagnose und Therapie einer MCS-Erkrankung - sowohl allgemein als auch in ihrem Einzelfall - dem Gutachten hingegen nicht entnehmen. Der Senat ist jedoch insoweit von dem umweltmedizinischen Ansatz ausgegangen, den auch die Klägerin vertritt. Soweit die Klägerin die Ausführungen des Gutachtens zur Frage der Arzneimitteleigenschaft angreift, hat der Senat zu ihren Gunsten angenommen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Präparaten um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne handelt.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 2. August 2012
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 69,47 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
37 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
16 
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar ist das Verwaltungsgericht zu Unrecht der Ansicht, die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte seien als Nahrungsergänzungsmittel nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung von der Beihilfefähigkeit generell ausgeschlossen (unten 1). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte weitere Beihilfe, weil die Aufwendungen für die genannten Präparate unter den in ihrem Fall gegebenen Umständen nicht als notwendig angesehen werden können (unten 2).
17 
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern bei Leistungen nach Nr. 1 verbrauchte oder nach Art und Menge schriftlich verordnete Arzneimittel grundsätzlich beihilfefähig. Nach der Rechtsprechung der vormals für das Beihilferecht zuständigen Senate des erkennenden Gerichtshofs sind nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften unter „Arzneimitteln“ im Sinne dieser Vorschrift Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Die Frage, ob ein Mittel ein Arzneimittel im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach dieser Rechtsprechung nicht nach der formellen Einordnung eines Mittels im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern nach dem materiellen Zweckcharakter, d. h. danach, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (ausführl.: Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/08 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2010 - 13 S 2696/09 - juris). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Der arznei- und lebensmittelrechtlichen Einordnung kommt jedoch eine indizielle Bedeutung zu: Lässt sich nicht feststellen, welcher Verwendungszweck eines Nahrungsergänzungsmittels überwiegt, ist es im Zweifel regelmäßig als Lebensmittel einzuordnen, denn nach dem ersten Anschein handelt es sich bei einem solchen Mittel auch im beihilferechtlichen Sinne nicht um ein Arzneimittel (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 13.12.2010 - 14 BV 08.1982 - juris-Rn. 30 u. 32).
18 
An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Geltung der Beihilfeverordnung in ihrer seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung vom 30.8.2008 festzuhalten. Zwar ist in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel nicht beihilfefähig sind. Der Senat sieht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber mit dieser die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO ergänzenden Bestimmung eine grundlegende Änderung des in der bisherigen Rechtsprechung vertretenen Arzneimittelbegriffs vornehmen und Nahrungsergänzungsmittel auch dann von der Beihilfefähigkeit ausschließen wollte, wenn es sich dabei im Sinne der bisherigen Rechtsprechung um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn handelt. Hätte der Verordnungsgeber eine solche Änderung tatsächlich beabsichtigt, hätte er dies mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringen müssen. Dies wäre z.B. durch einen Verweis auf die entsprechenden Definitionen des AMG, des LFGB oder der NemV (oder deren wörtlicher Übernahme in die BVO) ohne Weiteres möglich gewesen. Der Senat sieht deshalb in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nur eine Klarstellung, die lediglich für solche Nahrungsergänzungsmittel von Bedeutung ist, die keine Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne sind.
19 
Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht auch, dass nach ihr außer Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel auch Aufwendungen für Mittel von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten - so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist - eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird auch von dieser Ausschlussklausel hingegen nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/10 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307).
20 
Die hier vertretene Auslegung wird auch durch eine weitere Erwägung nahegelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5.5.2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126, insbes. juris-Rn. 13-16) hält die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu an, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet werden darf. Sollen hiernach Aufwendungen für Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne auch dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden, wenn die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit erfüllt sind, muss der Dienstherr Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind. Solche Folgen können etwa bei chronischen Erkrankungen auftreten. Für derartige Fallgestaltungen ist daher grundsätzlich eine entsprechende Härtefallregelung erforderlich. An einer solchen Regelung fehlt es hier jedoch. Die Tatsache, dass der baden-württembergische Verordnungsgeber keine Härtefallregelung getroffen hat, spricht demzufolge ebenfalls für eine Auslegung des in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO geregelten Ausschlusstatbestands im Sinne einer bloßen deklaratorischen Klarstellung.
21 
2. Bei den hier in Rede stehenden Präparaten dürfte es sich arznei- und lebensmittelrechtlich gesehen um Nahrungsergänzungsmittel handeln. Insoweit kann auf die Ausführungen in dem Sachverständigengutachten vom 2.12.2011 sowie die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 22.3.2011 Bezug genommen werden, die der Senat für überzeugend erachtet. Im Fall der Klägerin spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass diese Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden, da sie durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit beitragen sollen. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die ihr verordneten Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden sollen, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob dieser Zweck hier erreicht werden kann und die verordneten Mittel insbesondere zur Behandlung einer Erkrankung erforderlich sind. Das ist eine Frage der beihilferechtlichen Notwendigkeit (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO), an der es unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen fehlt.
22 
a) Die Klägerin hat sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren als Zweck der eingesetzten Präparate die Bekämpfung eines Mangelzustands genannt. Ausschließlich auf diesen Gesichtspunkt stützen sich auch die ursprünglichen Verordnungen der streitgegenständlichen Präparate durch die Ärztin von W. und die Heilpraktikerin V.. Daran hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren weitgehend festgehalten. Dementsprechend hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, die streitgegenständlichen Präparate dienten primär der Vorbeugung bzw. Bekämpfung von Mangelerscheinungen.
23 
Der Zweck, eine durch die Allergien der Klägerin verursachte Unterversorgung mit bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen auszugleichen, wird jedoch schon nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin hat zwar detailliert vorgetragen, welche Schwierigkeiten sie bei der Lebensmittelversorgung hat. Allerdings lassen diese Probleme den Schluss auf einen dadurch verursachten Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht zu. Nach der Schilderung der Klägerin verträgt sie zwar insbesondere keine vorgefertigten Lebensmittel. So kann sie ihrem Vortrag zufolge kein gewöhnliches, beim Bäcker erworbenes Brot zu sich nehmen; sie backt jedoch aus hochwertigen schad- und konservierungsstofffreien Zutaten ihr eigenes Brot. Auch Fleisch verträgt sie ihrem Vortrag zufolge, wenn es frisch und „absolut Bio“ ist. An Obst und Gemüse nimmt sie nach ihrer Aufstellung vom 16.4.2012 Karotten, Zwiebeln und Äpfel täglich, Brokkoli, gekochte Tomaten und Bananen zumindest einmal wöchentlich sowie Kohlrabi und Paprika in mehrwöchentlichem Abstand zu sich. Dass bei dieser Art der Ernährung Mangelerscheinungen auftreten könnten, ist nicht ersichtlich. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin weitestgehend daran gehindert ist, Fertigprodukte zu sich zu nehmen, und deshalb einen besonders hohen Aufwand beim Einkauf und der Zubereitung von Speisen treiben muss. Dieser hohe Aufwand führt aber im Ergebnis dazu, dass sie sogar besonders hochwertige Lebensmittel zu sich nimmt, und lässt damit nicht auf das Auftreten von Mangelerscheinungen schließen.
24 
Zudem ist ein Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht laborärztlich diagnostiziert worden. Eine Untersuchung des Vitaminstatus der Klägerin ist - soweit bekannt - niemals erfolgt. Aber auch ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen ist nicht festgestellt worden. Bei einer am 14.8.2006 durchgeführten Untersuchung ihrer Haare lagen die Werte für Mineralstoffe und Spurenelemente größtenteils im (unteren) Normalbereich; lediglich der Wert für Mangan lag mit 0,069 ppm minimal unter dem Wert für den Normalbereich mit 0,07 bis 1 ppm.
25 
Bei dieser Sachlage handelt es sich hier um eine Behandlung „ins Blaue“ hinein. Die streitgegenständlichen Präparate sind ohne hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich eine entsprechende Unterversorgung gegeben sein könnte, verordnet worden. Die Feststellung der Notwendigkeit einer Behandlung setzt aber immer eine entsprechende aussagekräftige Diagnose voraus. Eine bloße nicht abgesicherte Behandlung auf Verdacht ist beihilferechtlich nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
26 
b) Als Reaktion auf das seitens des Senats eingeholte Sachverständigengutachten hat die Klägerin allerdings vorgetragen, die streitgegenständlichen Mittel würden zur antioxidativen Therapie ihrer MCS eingesetzt. Diese Zweckbestimmung lässt sich jedoch den ursprünglichen ärztlichen Verordnungen und der Verordnung ihrer Heilpraktikerin nicht entnehmen. Jedenfalls aber fehlt es auch insoweit an der beihilferechtlichen Notwendigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
27 
Bei der MCS handelt es sich um eine Erkrankung, deren Entstehung umstritten ist. Die Spanne reicht von rein umweltmedizinischen bis zu rein psychosomatischen Erklärungen. Letztlich dürften sich vermittelnde Auffassungen durchgesetzt haben, wonach es sich um eine multifaktorielle Erkrankung handelt (s. das Gutachten mit Anlagen; Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al.; Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 334).
28 
Welcher Erklärungsansatz überzeugender ist, muss im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht geklärt werden. Sollte es sich um eine rein psychosomatische Erkrankung handeln, kann es sich bei der Gabe von Vitaminen und Spurenelementen von vornherein um keine notwendige Behandlung handeln. Aber auch wenn man dem von der Klägerin für richtig gehaltenen umweltmedizinischen Ansatz folgt, ist dies nicht der Fall.
29 
Es ist im Falle der Klägerin schon nicht eindeutig geklärt, ob eine MCS im Sinne einer umweltmedizinischen Erkrankung überhaupt vorliegt. Entsprechende objektive Messwerte, die auf eine MCS hinweisen könnten, liegen nicht vor. Das Sachverständigengutachten hat keine Laborwerte ergeben, die in diese Richtung deuten könnten. Bei der bereits erwähnten Haaranalyse vom 14.8.2006 wurden an toxischen Elementen lediglich Cadmium, Blei und Aluminium - allerdings jeweils im untersten Normalbereich - festgestellt. Auch sonst dürften die nach dem umweltmedizinischen Ansatz erforderlichen differentialdiagnostischen Abklärungen nicht erfolgt sein (s. hierzu: Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.).
30 
Jedenfalls aber ist die Behandlung als solche ebenfalls ohne die gebotene diagnostische Abklärung erfolgt. Gerade die Vertreter des umweltmedizinischen Ansatzes verlangen, dass eine antioxidative Therapie durch die Gabe von Vitaminen nicht „ins Blaue“ hinein erfolgt, sondern durch eine sorgfältige laboranalytische Untersuchung des Redoxstatus kontrolliert werden soll, um z.B. schädliche Vitamin-Überdosierungen zu vermeiden (so ausdrückl. Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.). Dass hier solche Untersuchungen erfolgt sind, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine bloße Behandlung auf Verdacht ist auch in diesem Zusammenhang nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
31 
3. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch die Einholung eines weiteren (oder die Ergänzung des vorliegenden) Gutachtens, die die Klägerin ursprünglich noch angeregt hatte, ist nach alledem nicht erforderlich. Die Bedeutung des eingeholten Sachverständigengutachtens liegt vor allem in der „klassischen“ Diagnostik, d.h. den erhobenen Werten an sich und dem Ausschluss herkömmlicher (internistischer) Erkrankungen mit Ausnahme eines Asthma bronchiale. Insoweit erhebt auch die Klägerin keine Einwendungen gegen die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen.
32 
Wie die Klägerin zu Recht geltend macht lässt sich eine abschließende Bewertung der Entstehung, Diagnose und Therapie einer MCS-Erkrankung - sowohl allgemein als auch in ihrem Einzelfall - dem Gutachten hingegen nicht entnehmen. Der Senat ist jedoch insoweit von dem umweltmedizinischen Ansatz ausgegangen, den auch die Klägerin vertritt. Soweit die Klägerin die Ausführungen des Gutachtens zur Frage der Arzneimitteleigenschaft angreift, hat der Senat zu ihren Gunsten angenommen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Präparaten um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne handelt.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 2. August 2012
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 69,47 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
37 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Nahrungsergänzungsmittel im Sinne dieser Verordnung ist ein Lebensmittel, das

1.
dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen,
2.
ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und
3.
in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird.

(2) Nährstoffe im Sinne dieser Verordnung sind Vitamine und Mineralstoffe, einschließlich Spurenelemente.

(1) Für ein Nahrungsergänzungsmittel ist die Bezeichnung "Nahrungsergänzungsmittel" Bezeichnung des Lebensmittels nach der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011.

(2) Ein Nahrungsergänzungsmittel darf gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf der Verpackung zusätzlich zu den durch die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 vorgeschriebenen Angaben Folgendes angegeben ist:

1.
die Namen der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind, oder eine Angabe zur Charakterisierung dieser Nährstoffe oder sonstigen Stoffe,
2.
die empfohlene tägliche Verzehrsmenge in Portionen des Erzeugnisses,
3.
der Warnhinweis "Die angegebene empfohlene tägliche Verzehrsmenge darf nicht überschritten werden.",
4.
ein Hinweis darauf, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht als Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung verwendet werden sollten,
5.
ein Hinweis darauf, dass die Produkte außerhalb der Reichweite von kleinen Kindern zu lagern sind.
Abweichend von Satz 1 Nr. 3 kann auch ein gleichsinniger Warnhinweis angegeben werden.

(3) Ein Nahrungsergänzungsmittel darf gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn auf der Verpackung zusätzlich

1.
die Menge der Nährstoffe oder sonstigen Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung im Nahrungsergänzungsmittel, bezogen auf die auf dem Etikett angegebene tägliche Verzehrsmenge in den in Anhang I der Richtlinie 2002/46/EG, in der am 30. November 2009 geltenden Fassung (ABl. L 314 vom 30.11.2009, S. 36), jeweils genannten Maßeinheiten als Durchschnittswerte, die auf der Analyse des Erzeugnisses durch den Hersteller beruhen, und
2.
die in dem Nahrungsergänzungsmittel enthaltenen Vitamine und Mineralstoffe jeweils als Prozentsatz der in Anhang XIII Teil A der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 angegebenen Referenzwerte, sofern dort für diese Stoffe Referenzwerte festgelegt sind,
angegeben sind. Die Angabe nach Satz 1 Nummer 2 kann auch in grafischer Form erfolgen.

(4) Ein Nahrungsergänzungsmittel darf gewerbsmäßig nicht unter Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen in den Verkehr gebracht werden sowie nicht mit Darstellungen oder sonstigen Aussagen beworben werden, mit denen behauptet oder unterstellt wird, dass bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung im Allgemeinen die Zufuhr angemessener Nährstoffmengen nicht möglich sei.

(5) Für die Art und Weise der Kennzeichnung nach den Absätzen 1 bis 3 gelten Artikel 12 Absatz 1 und 2, Artikel 13 Absatz 1 bis 3 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 und § 2 der Lebensmittelinformations-Durchführungsverordnung entsprechend.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für die Präparate „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ und „Medyn“.
Seine u.a. auch darauf gerichteten Anträge wurden mit Bescheiden des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und vom 14.12.2005 sowie Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006, mit Bescheiden vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 sowie Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 abgelehnt.
Auf seine bereits am 05.05.2006 erhobene Klage hin hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beklagten mit Urteil vom 09.05.2007 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 28,91 EUR nebst Prozesszinsen zu gewähren. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 wurden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die bezüglich der Bescheide vom 06.07.2005, vom 14.12.2005, vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006, vom 28.08.2006 sowie der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2006 und vom 28.09.2006, soweit darin beantragte Beihilfeleistungen abgelehnt würden, zulässige Klage sei insoweit begründet, als dem Kläger in den Bescheiden vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 Beihilfeleistungen zu dem Präparat „Medyn“ abgelehnt worden seien; sie sei unbegründet im Hinblick auf die Ablehnung von Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein und Zeaxanthin Formula“. Die geltend gemachten Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ seien beihilfefähig. Zwar könne ein Vitaminpräparat wie „Medyn“, das im Wesentlichen die Vitamine B6, Folsäure und B12 enthalte, ein Mittel sein, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, indem es die Nahrung um für den Köper notwendige Vitamine ergänze. Jedoch sei „Medyn“ dem Kläger nicht maßgeblich zur Nahrungsergänzung (oder gar zum Ersatz für Nahrungsmittel) verschrieben worden. Ausweislich des vorgelegten Rezepts habe die den Kläger behandelnde Ärztin das Präparat „zur Vermeidung erhöhter Homocysteinwerte“ verschrieben. Es sei danach davon auszugehen, dass beim Kläger überhöhte Homocysteinwerte im Blut festgestellt worden seien. Bei der danach vorliegenden Indikation komme „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts zur Anwendung, ohne zugleich Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der in die mündliche Verhandlung eingeführten Produktbeschreibung diene „Medyn“ zur Senkung erhöhter Homocysteinwerte bedingt durch Vitaminmangel. Die in „Medyn“ enthaltenen Vitamine sollten sonach nicht typische Nahrungsbestandteile - wie es Vitamine seien - ergänzen bzw. sogar ersetzen, sondern einen normabweichenden Zustand bekämpfen. Die DACH-Liga Homocystein, ein Zusammenschluss deutscher, österreichischer und schweizerischer Wissenschaftler, empfehle die Substitution von B-Vitaminen zur Senkung erhöhter Homocysteinspiegel, weil der Zusammenhang von erhöhten Homocysteinspiegeln mit einem gesteigerten Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen als gesichert gelte. Diene „Medyn“ nach der Zweckbestimmung des Herstellers und auch im vorliegenden Fall der Senkung erhöhter Homocysteinwerte, komme es danach - als ärztlich verordnetes Arzneimittel - „aus Anlass einer Krankheit“ zum Einsatz. Denn ein erhöhter Homocysteinspiegel stelle mit der dadurch gegebenen Risikosteigerung für kardiovaskuläre Erkrankungen einen regelwidrigen Zustand des Körpers dar, der der ärztlichen Behandlung bedürfe. An der Charakterisierung von „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften ändere es nichts, dass möglicherweise bei ansonsten gesunden Menschen eine spezifische Zufuhr der in „Medyn“ enthaltenen Vitamine durch eine besonders eingestellte Ernährung zu erreichen sei.
Zu einem anderen Ergebnis sei die Kammer hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gekommen. Hier handle es sich nicht um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung. Zwar solle auch dieses Präparat nach dem Vorbringen des Klägers und der hierzu vorliegenden Verordnung zur Bekämpfung einer Krankheit, der Makuladegeneration, eingesetzt werden, einer Erkrankung, für die es gegenwärtig keine effektiven schulmedizinischen Behandlungsansätze gebe. Jedoch stehe der Einordnung als Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung hier schon die vom Hersteller des Präparats angegebene Zweckbestimmung des Mittels entgegen. Nach der dem Schriftsatz des Beklagten vom 26.06.2006 beigefügten englischsprachigen Produktbeschreibung handle es sich um ein Präparat, das neben den Bestandteilen Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten seien, auch verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) sowie weitere Bestandteile (z.B. Zink und Selen) enthalte. Nach der Produktbeschreibung diene das Mittel der Vorbeugung von Mangelzuständen und zur Erhaltung der Augengesundheit. Zwar sei auch das Risiko einer Makuladegeneration (AMD) erwähnt, jedoch bringe der Hersteller das genannte Mittel nicht als Arzneimittel, d.h. zu Heilzwecken, in den Handel. Nach seiner ausdrücklichen Kennzeichnung handele es sich vielmehr um ein „dietary supplement“, was am ehesten mit „Nahrungsergänzungsmittel“ zu übersetzen sei. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten seien, sei die Erhaltung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung werde aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. Die spezifische Zwecksetzung ändere nichts daran, dass es sich um in der natürlichen Nahrung enthaltene Stoffe handle, die dazu bestimmt seien, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Es handle sich eher um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und sei sonach nicht als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts einzustufen.
Hinsichtlich der Gewährung von Beihilfe für die genannten Präparate hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen, die der Kläger am 13.07.2007 und der Beklagte am 16.07.2007 eingelegt hat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm Beihilfe zu den Aufwendungen für das Arzneimittel „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ nebst 5% Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit zu gewähren und die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und 14.12.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sowie die Bescheide vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, das Arzneimittel „Medyn“ sei ihm erstmals vor zwei Jahren verschrieben worden. Hierfür habe es zwei Gründe gegeben, von denen einer sogar auf dem Rezept vermerkt worden sei. Zum einen habe ein überhöhter Homocysteinspiegel vermieden und auf diese Weise das bei ihm bestehende Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko reduziert werden sollen, daneben seien bei ihm sämtliche Gelenke schwer angeschlagen. Dieser Umstand führe zu einem weit höheren Bedarf an Vitaminen der B-Gruppe als dies bei normalen gesunden Personen der Fall sei. Der gesamte Vortrag des Beklagten gehe schon deshalb ins Leere, weil mit Hilfe dieses Arzneimittels genau das geschehen solle, was der Beklagte zu vermissen scheine, nämlich die Bekämpfung eines besonders schwerwiegenden Krankheitszustands. Am 08.09.2003 sei bei ihm der Homocysteinspiegel zum ersten Mal ermittelt worden. Das Ergebnis sei 10,8 gewesen. Einige Zeit danach sei bei ihm mit der Medyn-Behandlung begonnen worden. Trotz der langjährigen Einnahme sei der am 15.04.2008 erstmals wieder getestete Wert nur auf 10,1 zurückgegangen. Etwa im August habe er sich dazu entschlossen, um möglicherweise dem Streit mit dem Beklagten ein Ende zu machen, eine Zeitlang auf die Einnahme von Medyn zu verzichten. Dies habe jedoch dazu geführt, dass am 31.10.2008 ein Wert von 14,2 festgestellt worden sei. Nach Wiederaufnahme der Medyneinnahme habe sich am 12.03.2009 immer noch ein viel zu hoher Wert von 13,8 ergeben. Bei Medyn handle es sich um ein zugelassenes Arzneimittel. Die Frage der medizinischen Indikation müsse allein und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt werden und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren. Wenn der behandelnde Arzt die Behandlung mit Medyn als indiziert angesehen habe, müsse dies schon deswegen respektiert werden, weil er dies aus therapeutischen Gründen für geboten gehalten habe, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, ihn nicht ordnungsgemäß behandelt zu haben. Das in einem Parallelverfahren vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. K. sei nicht verwertbar. Er beziehe sich auch auf ein Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009, auf ein Gutachten von Prof. Dr. B. über die Bedeutung des erhöhten Homocysteins im Blut, eine aktuelle Publikation von Prof. Dr. H. über die neue Bewertung des Nutzens einer Homocysteinsenkung mit B-Vitaminen mit dem Fazit, dass die Einnahme von B-Vitaminen in Präventionsstudien zu einer signifikanten Reduktion von Schlaganfällen geführt habe, einen englischsprachigen Artikel zur Supplementierung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 und einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Zeitschrift Perfusion 09/2007. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der drei Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere, und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten sei unbrauchbar.
10 
Es sei abwegig, „I Caps“ als Lebensmittel zu behandeln; es sei auch kein Nahrungsergänzungsmittel. „I Caps“ werde von ihm zu Heilungszwecken eingenommen und nicht zur Ernährung oder zum Genuss. Dieser Zweckbestimmung stehe nicht entgegen, dass „I Caps“ von der Produktbeschreibung her als apothekenpflichtiges Nahrungsergänzungsmittel angeboten werde. Maßgeblich für den Charakter eines Präparats als Arzneimittel sei nicht der Verwendungswille des Patienten oder des Produzenten, sondern die eindeutige medizinische Indikation des verordneten Gegenstandes. Schon deshalb scheide eine Anwendung der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NEM) auf die hier streitgegenständlichen Arzneimittel aus. § 1 NEM bestimme unter Nr. 1, dass ein Nahrungsergänzungsmittel dazu bestimmt sein müsse, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Dieser Zweck sei in den hier streitgegenständlichen Fällen nicht gegeben. Weiter fordere § 4 Abs. 1 NEM eine Kennzeichnung der Nahrungsergänzungsmittel mit „NEM“, was weder bei „I Caps“ noch bei „Medyn“ der Fall sei. Laut § 4 Abs. 2 Nr. 4 NEM müsse jedes Nahrungsergänzungsmittel den Hinweis enthalten, dass dieses kein Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung sei. Auch dies sei hier nicht der Fall. Des Weiteren enthalte die Nahrungsergänzungsmittelverordnung in zwei Anlagen die Aufzählung sämtlicher Stoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt nur enthalten sein dürften. In beiden Anlagen würden die Hauptbestandteile der „I Caps“, nämlich die Substanzen Lutein und Zeaxanthin, nicht genannt. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. LFGB sei es verboten, einem Lebensmittel den Anschein eines Arzneimittels zu geben. Nach § 12 LFGB sei bei Lebensmitteln jegliche krankheitsbezogene Werbung verboten, insbesondere schriftliche Angaben, die dazu anreizten, Krankheiten mit Lebensmitteln zu behandeln. Beide Hersteller würden sich durch das In-Verkehr-Bringen von „Medyn“ und „I Caps“ strafbar machen, wenn sie ein Lebensmittel zwecks Behandlung von Krankheiten in den Verkehr gebracht hätten. Diese Präparate seien auch nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Im Übrigen sei es Aufgabe des Beklagten, darzulegen, welche Güter des täglichen Bedarfs von 100% der Bevölkerung täglich angewendet würden, die durch die hier streitgegenständlichen Arzneimittel zu ersetzen wären. Dies sei nicht geschehen. Im Übrigen sei durch Ernährungsmaßnahmen eine wirksame Einflussnahme auf die bestehenden Krankheiten nicht mehr möglich. Als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter habe er ohnehin keine Möglichkeit, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
13 
Er macht geltend, der Kläger habe keinen Anspruch auf Beihilfe für „Medyn“. Das Verwaltungsgericht gehe fälschlicherweise vom Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte beim Kläger aus. Die Aussage der Ärztin, dass durch die Verordnung von „Medyn“ überhöhte Homocysteinwerte vermieden werden sollten, lasse gerade nicht den Schluss zu, dass bereits überhöhte Homocysteinwerte festgestellt worden seien. Zur Gesundheitsvorsorge seien jedoch nach dem allenfalls in Betracht kommenden § 10 Abs. 3 Nr. 3 BVO lediglich ambulante ärztliche Leistungen und nicht schriftlich verordnete Arzneimittel beihilfefähig. Auch bei Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte bestehe keine Beihilfefähigkeit. Ein erhöhter Homocysteinwert sei keine Krankheit im Sinne der Beihilfevorschriften. „Medyn“ enthalte im Übrigen ausschließlich Inhaltsstoffe, die auch in der Nahrung enthalten seien, und falle als Nahrungsergänzungsmittel nicht unter den beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff, sondern diene der Vermeidung von Nährstofflücken und sei damit ein Mittel, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Dies gelte auch für „I Caps“. Das Präparat sei nicht verschreibungspflichtig und werde auch nicht in der „Roten Liste“ geführt. Auch die Tatsache, dass das Erfordernis einer solchen „besonderen Ernährung“ krankheitsbedingt sein und dem Lebensmittel von daher „heilende“ Wirkung zukommen könne, ändere grundsätzlich nichts an seinem Lebensmittelcharakter. Den Nachweis, dass der Kläger an einem Vitaminmangel leide, der durch entsprechende Ernährung nicht behoben werden könne, habe er nicht erbracht. Selbst wenn es sich bei dem Mittel „I Caps“ um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung handeln würde, wäre das Mittel nicht beihilfefähig, da es ausweislich der Produktbeschreibung des Herstellers nicht der Behandlung einer Krankheit, sondern der Erhaltung der Augengesundheit diene. Somit diene das Mittel der Gesundheitsvorsorge und sei nach § 10 BVO nicht beihilfefähig. Für beide Präparate fehle es auch an der wissenschaftlichen Anerkennung und damit an der Notwendigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
14 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. K. vom 20.07.2009 verwiesen.
15 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.