Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. Juni 2010 - 13 K 4425/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte.
Die Klägerin ist als Ruhestandsbeamtin mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Unter dem 11.8.2009 beantragte sie u.a. Beihilfe für die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte i.H.v. insgesamt 99,25 EUR. Mit Bescheid vom 31.8.2009 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg die Gewährung von Beihilfeleistungen für diese Präparate ab, da nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO in der ab dem 1.1.2009 gültigen Fassung Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel von der Beihilfefähigkeit ausgenommen seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies es mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 zurück.
Die Klägerin hat am 30.11.2009 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, sie leide u.a. an folgenden Erkrankungen: Asthma bronchiale, Multiple Chemikalien-Sensitivität (im Folgenden: MCS), Vasculitis, Varikosis, Polyneuropathie, Rheumatoide Arthritis, gesicherte Allergien, neuromuskuläre Störungen, Histamin- und Laktoseintoleranzen sowie ausgeprägte Schimmelpilzallergie. Eine ausreichende Versorgung mit Mineralien und Vitaminen aus der täglichen Nahrung sei daher nicht möglich.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.6.2010 - zugestellt am 17.6.2010 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Mit der ab dem 1.1.2009 geltenden Fassung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO habe der Verordnungsgeber den Ausschluss der Beihilfefähigkeit für bestimmte Aufwendungen über den zuvor geltenden Wortlaut hinaus ausdrücklich auf Nahrungsergänzungsmittel erweitert. Damit sei auch ein krankheitsbedingter Sonderbedarf, wie er bei ärztlich verordneten Nahrungsergänzungsmitteln in der Regel vorliege, von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Bei den streitgegenständlichen Präparaten handle es sich um Nahrungsergänzungsmittel. Dass diese Mittel aus Anlass von mehreren Erkrankungen der Klägerin ärztlich verordnet worden seien, könne am Ausschluss von der Beihilfefähigkeit nichts ändern.
Gegen das Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Klägerin. Der Senat hat am 18.4.2011 die Einholung eines Sachverständigengutach- tens beschlossen, das unter dem 2.12.2011 erstattet worden ist. Zusammenfassend wird darin ausgeführt, dass sich bei der körperlichen Untersuchung der Klägerin bis auf das Vorhandensein eines Bluthochdrucks keine weiteren Auffälligkeiten ergeben hätten. Die durchgeführten Laboruntersuchungen hätten keine nennenswerten Pathologica ergeben. Insbesondere die Bestimmung des Gesamt-IgE habe keinen Hinweis auf das Bestehen einer allergischen Reaktionsbereitschaft gezeigt. Insgesamt wäre sowohl bei einer grundsätzlichen allergischen Reaktionsbereitschaft wie auch bei einer derzeitigen allergischen Exposition ein deutlicher erhöhter Immunglobulin-E-Spiegel zu erwarten. Hinsichtlich des angegebenen MCS-Syndroms sei festzustellen, dass es sich hierbei um einen Symptom-Komplex handle, dessen Ursache multifaktorieller Art zu sein scheine. In den jetzt durchgeführten Untersuchungen hätten sich keine weiteren Hinweise auf das Vorliegen einer MCS ergeben.
Die Klägerin macht geltend, Nahrungsergänzungsmittel i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO könnten nur solche Präparate sein, die keine Arzneimittel darstellten. Sie leide an einem MCS-Syndrom, Asthma bronchiale, Histamin-Intoleranz, Laktose-Intoleranz, Schimmelpilzallergie, Polyneuropathie, Vasculitis, Varikosis, Fibromyalgie, Rheumatische Arthrose sowie vielen Allergien. Beim MCS-Syndrom komme es durch Manganmangel zu Stoffwechselveränderungen und Ansammlungen von Giften. Hiergegen werde Kryptosan forte angewandt. Gegen die bei ihr vorliegende Histamin-Intoleranz werde das Arzneimittel Histaminus-Komplex eingesetzt. Die Notwendigkeit des konsequenten Meidens allergieauslösender Stoffe führe zu einem erheblichen Ernährungs- problem mit Mangelerscheinungen. Gegen die Beschwerden und Schmerzen, die durch Polyneuropathie, Vasculitis, Fibromyalgie, Rheumatische Arthrose hervorgerufen würden, werde u.a. das Medikament Folplus verwendet. Die behandelnde Ärztin habe mit Bescheinigung vom 14.12.2010 ausgeführt, dass die angegebenen Vitamine und Mineralstoffe als Therapiestandard zu werten seien.
Das eingeholte Sachverständigengutachten sei unbrauchbar. Offensichtlich fehle es der Sachverständigen an Kenntnissen und Erfahrungen in der Diagnose und Therapie des MCS-Syndroms. In einem von Hill und anderen herausgegebenen Lehrbuch zur MCS werde die ihr angewandte antioxidative Vitamintherapie als naheliegender Therapieansatz beschrieben.
Zum Sachverhalt trägt die Klägerin ergänzend vor, die MCS sei erstmals 1998 nach einer vierjährigen Behandlung mit entsprechendem Krankheitsverlauf diagnostiziert worden. Bereits zuvor sei 1997 Asthma bronchiale festgestellt worden. Sie sei ab 1975 als Fachlehrerin für Bildende Kunst und Technik tätig gewesen. Bei dieser Tätigkeit sei sie zahlreichen Giftstoffen ausgesetzt gewesen. Im Jahr 1994 sei ihr körperlicher Zustand extrem schlecht gewesen; die Arbeitsbedingungen mit den entsprechenden Giftstoffen hätten zu immer weiteren Krankheitsbildern geführt. Die herkömmlichen Untersuchungsmethoden hätten keine eindeutigen Diagnosen ergeben. Ab 2006 sei sie von ihrer Heilpraktikerin nach Methoden der ganzheitlichen Medizin behandelt worden, worauf sich ihr Zustand langsam verbessert habe. Sie koche und backe seither alles selbst und bereite alle Speisen täglich frisch zu. Das Brot werde mit speziellen Mehlen selbst frisch gebacken, da sie aufgrund ihrer Histamin-Intoleranz und Schimmelpilzallergie Hefe und Sauerteig sowie Zusatzstoffe nicht vertrage. Zudem reagiere sie wegen der Schimmelpilzallergie überempfindlich auf alle Zitrusfrüchte und Konservierungsstoffe der Zitronensäure. Sie könne daher nur Naturheilmittel, Vitamine und Mineralien vertragen, bei denen auf jegliche Zusatzstoffe verzichtet werde. Am besten würden „Bio-Lebensmittel“ vertragen. Fleisch müsse „absolut Bio“ und ganz frisch sein, da sich mit jedem Tag der Lagerung der Histamingehalt erheblich erhöhe. Wegen ihrer Histamin-Intoleranz würden viele Gemüse- und Obstsorten ebenfalls nicht vertragen. Nur durch die konsequente Einnahme von Vitaminen und Mineralien könne der permanenten Unterversorgung entgegengewirkt werden.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10.6.2010 - 13 K 4425/09 - zu ändern und den Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 31.8.2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Beihilfe für die Aufwendungen für die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er bekräftigt seine Rechtsauffassung, wonach Nahrungsergänzungsmittel generell von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Sinn und Zweck der Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO sei eine einfache, in der Praxis handhabbare Regelung gewesen, nicht hingegen eine in jedem Einzelfall aufwendige Ermittlung, ob das Präparat ein Mittel sei, das geeignet sei, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Das im vorliegenden Fall eingeholte Gutachten komme zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständlichen Präparate weder abstrakt noch im konkreten Fall geeignet seien, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Eine MCS-Erkrankung gehe mit erhöhten Entzündungswerten einher. Nach dem Gutachten vom 2.12.2011 habe die Klägerin keine Hinweise auf Entzündungsreaktionen gezeigt. Die Mess- und Untersuchungsergebnisse seien allesamt unauffällig gewesen. Dabei seien auch umweltmedizinische Aspekte berücksichtigt worden. Beispielsweise sei die in einem Artikel von Prof. Dr. Huber geforderte Bestimmung des C-reaktiven Proteins zur Anzeige von Entzündungsprozessen erfolgt.
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Die streitgegenständlichen Mittel seien Nahrungsergänzungsmittel. Das Präparat Folplus werde als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht und stelle damit ein Nahrungsergänzungsmittel dar. Das Präparat Kryptosan forte sei kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne. Es enthalte neben Vitaminen und Mineralstoffen Alkoholverbindungen, Substanzen, die vom Körper selbst produziert würden sowie Glyzin, welches als Geschmacksverstärker in Lebensmitteln eingesetzt werde, und das Silikat-Mineral Zeolith. Ein über eine ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehender therapeutischer Nutzen sei von diesen Substanzen nicht zu erwarten. Gleiches gelte für das Präparat Histaminus-Komplex.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Akten des Verwal-tungsgerichts und die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar ist das Verwaltungsgericht zu Unrecht der Ansicht, die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte seien als Nahrungsergänzungsmittel nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung von der Beihilfefähigkeit generell ausgeschlossen (unten 1). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte weitere Beihilfe, weil die Aufwendungen für die genannten Präparate unter den in ihrem Fall gegebenen Umständen nicht als notwendig angesehen werden können (unten 2).
17 
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern bei Leistungen nach Nr. 1 verbrauchte oder nach Art und Menge schriftlich verordnete Arzneimittel grundsätzlich beihilfefähig. Nach der Rechtsprechung der vormals für das Beihilferecht zuständigen Senate des erkennenden Gerichtshofs sind nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften unter „Arzneimitteln“ im Sinne dieser Vorschrift Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Die Frage, ob ein Mittel ein Arzneimittel im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach dieser Rechtsprechung nicht nach der formellen Einordnung eines Mittels im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern nach dem materiellen Zweckcharakter, d. h. danach, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (ausführl.: Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/08 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2010 - 13 S 2696/09 - juris). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Der arznei- und lebensmittelrechtlichen Einordnung kommt jedoch eine indizielle Bedeutung zu: Lässt sich nicht feststellen, welcher Verwendungszweck eines Nahrungsergänzungsmittels überwiegt, ist es im Zweifel regelmäßig als Lebensmittel einzuordnen, denn nach dem ersten Anschein handelt es sich bei einem solchen Mittel auch im beihilferechtlichen Sinne nicht um ein Arzneimittel (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 13.12.2010 - 14 BV 08.1982 - juris-Rn. 30 u. 32).
18 
An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Geltung der Beihilfeverordnung in ihrer seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung vom 30.8.2008 festzuhalten. Zwar ist in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel nicht beihilfefähig sind. Der Senat sieht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber mit dieser die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO ergänzenden Bestimmung eine grundlegende Änderung des in der bisherigen Rechtsprechung vertretenen Arzneimittelbegriffs vornehmen und Nahrungsergänzungsmittel auch dann von der Beihilfefähigkeit ausschließen wollte, wenn es sich dabei im Sinne der bisherigen Rechtsprechung um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn handelt. Hätte der Verordnungsgeber eine solche Änderung tatsächlich beabsichtigt, hätte er dies mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringen müssen. Dies wäre z.B. durch einen Verweis auf die entsprechenden Definitionen des AMG, des LFGB oder der NemV (oder deren wörtlicher Übernahme in die BVO) ohne Weiteres möglich gewesen. Der Senat sieht deshalb in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nur eine Klarstellung, die lediglich für solche Nahrungsergänzungsmittel von Bedeutung ist, die keine Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne sind.
19 
Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht auch, dass nach ihr außer Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel auch Aufwendungen für Mittel von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten - so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist - eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird auch von dieser Ausschlussklausel hingegen nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/10 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307).
20 
Die hier vertretene Auslegung wird auch durch eine weitere Erwägung nahegelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5.5.2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126, insbes. juris-Rn. 13-16) hält die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu an, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet werden darf. Sollen hiernach Aufwendungen für Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne auch dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden, wenn die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit erfüllt sind, muss der Dienstherr Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind. Solche Folgen können etwa bei chronischen Erkrankungen auftreten. Für derartige Fallgestaltungen ist daher grundsätzlich eine entsprechende Härtefallregelung erforderlich. An einer solchen Regelung fehlt es hier jedoch. Die Tatsache, dass der baden-württembergische Verordnungsgeber keine Härtefallregelung getroffen hat, spricht demzufolge ebenfalls für eine Auslegung des in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO geregelten Ausschlusstatbestands im Sinne einer bloßen deklaratorischen Klarstellung.
21 
2. Bei den hier in Rede stehenden Präparaten dürfte es sich arznei- und lebensmittelrechtlich gesehen um Nahrungsergänzungsmittel handeln. Insoweit kann auf die Ausführungen in dem Sachverständigengutachten vom 2.12.2011 sowie die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 22.3.2011 Bezug genommen werden, die der Senat für überzeugend erachtet. Im Fall der Klägerin spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass diese Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden, da sie durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit beitragen sollen. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die ihr verordneten Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden sollen, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob dieser Zweck hier erreicht werden kann und die verordneten Mittel insbesondere zur Behandlung einer Erkrankung erforderlich sind. Das ist eine Frage der beihilferechtlichen Notwendigkeit (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO), an der es unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen fehlt.
22 
a) Die Klägerin hat sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren als Zweck der eingesetzten Präparate die Bekämpfung eines Mangelzustands genannt. Ausschließlich auf diesen Gesichtspunkt stützen sich auch die ursprünglichen Verordnungen der streitgegenständlichen Präparate durch die Ärztin von W. und die Heilpraktikerin V.. Daran hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren weitgehend festgehalten. Dementsprechend hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, die streitgegenständlichen Präparate dienten primär der Vorbeugung bzw. Bekämpfung von Mangelerscheinungen.
23 
Der Zweck, eine durch die Allergien der Klägerin verursachte Unterversorgung mit bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen auszugleichen, wird jedoch schon nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin hat zwar detailliert vorgetragen, welche Schwierigkeiten sie bei der Lebensmittelversorgung hat. Allerdings lassen diese Probleme den Schluss auf einen dadurch verursachten Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht zu. Nach der Schilderung der Klägerin verträgt sie zwar insbesondere keine vorgefertigten Lebensmittel. So kann sie ihrem Vortrag zufolge kein gewöhnliches, beim Bäcker erworbenes Brot zu sich nehmen; sie backt jedoch aus hochwertigen schad- und konservierungsstofffreien Zutaten ihr eigenes Brot. Auch Fleisch verträgt sie ihrem Vortrag zufolge, wenn es frisch und „absolut Bio“ ist. An Obst und Gemüse nimmt sie nach ihrer Aufstellung vom 16.4.2012 Karotten, Zwiebeln und Äpfel täglich, Brokkoli, gekochte Tomaten und Bananen zumindest einmal wöchentlich sowie Kohlrabi und Paprika in mehrwöchentlichem Abstand zu sich. Dass bei dieser Art der Ernährung Mangelerscheinungen auftreten könnten, ist nicht ersichtlich. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin weitestgehend daran gehindert ist, Fertigprodukte zu sich zu nehmen, und deshalb einen besonders hohen Aufwand beim Einkauf und der Zubereitung von Speisen treiben muss. Dieser hohe Aufwand führt aber im Ergebnis dazu, dass sie sogar besonders hochwertige Lebensmittel zu sich nimmt, und lässt damit nicht auf das Auftreten von Mangelerscheinungen schließen.
24 
Zudem ist ein Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht laborärztlich diagnostiziert worden. Eine Untersuchung des Vitaminstatus der Klägerin ist - soweit bekannt - niemals erfolgt. Aber auch ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen ist nicht festgestellt worden. Bei einer am 14.8.2006 durchgeführten Untersuchung ihrer Haare lagen die Werte für Mineralstoffe und Spurenelemente größtenteils im (unteren) Normalbereich; lediglich der Wert für Mangan lag mit 0,069 ppm minimal unter dem Wert für den Normalbereich mit 0,07 bis 1 ppm.
25 
Bei dieser Sachlage handelt es sich hier um eine Behandlung „ins Blaue“ hinein. Die streitgegenständlichen Präparate sind ohne hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich eine entsprechende Unterversorgung gegeben sein könnte, verordnet worden. Die Feststellung der Notwendigkeit einer Behandlung setzt aber immer eine entsprechende aussagekräftige Diagnose voraus. Eine bloße nicht abgesicherte Behandlung auf Verdacht ist beihilferechtlich nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
26 
b) Als Reaktion auf das seitens des Senats eingeholte Sachverständigengutachten hat die Klägerin allerdings vorgetragen, die streitgegenständlichen Mittel würden zur antioxidativen Therapie ihrer MCS eingesetzt. Diese Zweckbestimmung lässt sich jedoch den ursprünglichen ärztlichen Verordnungen und der Verordnung ihrer Heilpraktikerin nicht entnehmen. Jedenfalls aber fehlt es auch insoweit an der beihilferechtlichen Notwendigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
27 
Bei der MCS handelt es sich um eine Erkrankung, deren Entstehung umstritten ist. Die Spanne reicht von rein umweltmedizinischen bis zu rein psychosomatischen Erklärungen. Letztlich dürften sich vermittelnde Auffassungen durchgesetzt haben, wonach es sich um eine multifaktorielle Erkrankung handelt (s. das Gutachten mit Anlagen; Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al.; Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 334).
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Welcher Erklärungsansatz überzeugender ist, muss im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht geklärt werden. Sollte es sich um eine rein psychosomatische Erkrankung handeln, kann es sich bei der Gabe von Vitaminen und Spurenelementen von vornherein um keine notwendige Behandlung handeln. Aber auch wenn man dem von der Klägerin für richtig gehaltenen umweltmedizinischen Ansatz folgt, ist dies nicht der Fall.
29 
Es ist im Falle der Klägerin schon nicht eindeutig geklärt, ob eine MCS im Sinne einer umweltmedizinischen Erkrankung überhaupt vorliegt. Entsprechende objektive Messwerte, die auf eine MCS hinweisen könnten, liegen nicht vor. Das Sachverständigengutachten hat keine Laborwerte ergeben, die in diese Richtung deuten könnten. Bei der bereits erwähnten Haaranalyse vom 14.8.2006 wurden an toxischen Elementen lediglich Cadmium, Blei und Aluminium - allerdings jeweils im untersten Normalbereich - festgestellt. Auch sonst dürften die nach dem umweltmedizinischen Ansatz erforderlichen differentialdiagnostischen Abklärungen nicht erfolgt sein (s. hierzu: Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.).
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Jedenfalls aber ist die Behandlung als solche ebenfalls ohne die gebotene diagnostische Abklärung erfolgt. Gerade die Vertreter des umweltmedizinischen Ansatzes verlangen, dass eine antioxidative Therapie durch die Gabe von Vitaminen nicht „ins Blaue“ hinein erfolgt, sondern durch eine sorgfältige laboranalytische Untersuchung des Redoxstatus kontrolliert werden soll, um z.B. schädliche Vitamin-Überdosierungen zu vermeiden (so ausdrückl. Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.). Dass hier solche Untersuchungen erfolgt sind, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine bloße Behandlung auf Verdacht ist auch in diesem Zusammenhang nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
31 
3. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch die Einholung eines weiteren (oder die Ergänzung des vorliegenden) Gutachtens, die die Klägerin ursprünglich noch angeregt hatte, ist nach alledem nicht erforderlich. Die Bedeutung des eingeholten Sachverständigengutachtens liegt vor allem in der „klassischen“ Diagnostik, d.h. den erhobenen Werten an sich und dem Ausschluss herkömmlicher (internistischer) Erkrankungen mit Ausnahme eines Asthma bronchiale. Insoweit erhebt auch die Klägerin keine Einwendungen gegen die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen.
32 
Wie die Klägerin zu Recht geltend macht lässt sich eine abschließende Bewertung der Entstehung, Diagnose und Therapie einer MCS-Erkrankung - sowohl allgemein als auch in ihrem Einzelfall - dem Gutachten hingegen nicht entnehmen. Der Senat ist jedoch insoweit von dem umweltmedizinischen Ansatz ausgegangen, den auch die Klägerin vertritt. Soweit die Klägerin die Ausführungen des Gutachtens zur Frage der Arzneimitteleigenschaft angreift, hat der Senat zu ihren Gunsten angenommen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Präparaten um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne handelt.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 2. August 2012
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 69,47 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
37 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
16 
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar ist das Verwaltungsgericht zu Unrecht der Ansicht, die Präparate Folplus, Histaminus-Komplex und Kryptosan forte seien als Nahrungsergänzungsmittel nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO in der seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung von der Beihilfefähigkeit generell ausgeschlossen (unten 1). Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf die begehrte weitere Beihilfe, weil die Aufwendungen für die genannten Präparate unter den in ihrem Fall gegebenen Umständen nicht als notwendig angesehen werden können (unten 2).
17 
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO sind aus Anlass einer Krankheit entstandene Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern bei Leistungen nach Nr. 1 verbrauchte oder nach Art und Menge schriftlich verordnete Arzneimittel grundsätzlich beihilfefähig. Nach der Rechtsprechung der vormals für das Beihilferecht zuständigen Senate des erkennenden Gerichtshofs sind nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften unter „Arzneimitteln“ im Sinne dieser Vorschrift Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Die Frage, ob ein Mittel ein Arzneimittel im Sinne dieser Vorschrift ist, richtet sich nach dieser Rechtsprechung nicht nach der formellen Einordnung eines Mittels im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern nach dem materiellen Zweckcharakter, d. h. danach, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (ausführl.: Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/08 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.2.2010 - 13 S 2696/09 - juris). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Der arznei- und lebensmittelrechtlichen Einordnung kommt jedoch eine indizielle Bedeutung zu: Lässt sich nicht feststellen, welcher Verwendungszweck eines Nahrungsergänzungsmittels überwiegt, ist es im Zweifel regelmäßig als Lebensmittel einzuordnen, denn nach dem ersten Anschein handelt es sich bei einem solchen Mittel auch im beihilferechtlichen Sinne nicht um ein Arzneimittel (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 13.12.2010 - 14 BV 08.1982 - juris-Rn. 30 u. 32).
18 
An dieser Rechtsprechung ist auch unter der Geltung der Beihilfeverordnung in ihrer seit dem 1.1.2009 geltenden Fassung vom 30.8.2008 festzuhalten. Zwar ist in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nunmehr ausdrücklich bestimmt, dass Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel nicht beihilfefähig sind. Der Senat sieht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber mit dieser die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO ergänzenden Bestimmung eine grundlegende Änderung des in der bisherigen Rechtsprechung vertretenen Arzneimittelbegriffs vornehmen und Nahrungsergänzungsmittel auch dann von der Beihilfefähigkeit ausschließen wollte, wenn es sich dabei im Sinne der bisherigen Rechtsprechung um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn handelt. Hätte der Verordnungsgeber eine solche Änderung tatsächlich beabsichtigt, hätte er dies mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringen müssen. Dies wäre z.B. durch einen Verweis auf die entsprechenden Definitionen des AMG, des LFGB oder der NemV (oder deren wörtlicher Übernahme in die BVO) ohne Weiteres möglich gewesen. Der Senat sieht deshalb in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nur eine Klarstellung, die lediglich für solche Nahrungsergänzungsmittel von Bedeutung ist, die keine Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne sind.
19 
Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht auch, dass nach ihr außer Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel auch Aufwendungen für Mittel von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten - so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist - eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird auch von dieser Ausschlussklausel hingegen nicht erfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 31.8.2010 - 10 S 3384/10 - IÖD 2010, 231; Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 - PharmR 2010, 307).
20 
Die hier vertretene Auslegung wird auch durch eine weitere Erwägung nahegelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5.5.2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126, insbes. juris-Rn. 13-16) hält die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht den Dienstherrn dazu an, Beihilfe für notwendige und angemessene Aufwendungen im Krankheitsfall nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten auszuschließen. Er muss im Blick behalten, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet werden darf. Sollen hiernach Aufwendungen für Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne auch dann von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden, wenn die herkömmlichen beihilferechtlichen Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit erfüllt sind, muss der Dienstherr Vorkehrungen treffen, damit dem Beamten nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind. Solche Folgen können etwa bei chronischen Erkrankungen auftreten. Für derartige Fallgestaltungen ist daher grundsätzlich eine entsprechende Härtefallregelung erforderlich. An einer solchen Regelung fehlt es hier jedoch. Die Tatsache, dass der baden-württembergische Verordnungsgeber keine Härtefallregelung getroffen hat, spricht demzufolge ebenfalls für eine Auslegung des in § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO geregelten Ausschlusstatbestands im Sinne einer bloßen deklaratorischen Klarstellung.
21 
2. Bei den hier in Rede stehenden Präparaten dürfte es sich arznei- und lebensmittelrechtlich gesehen um Nahrungsergänzungsmittel handeln. Insoweit kann auf die Ausführungen in dem Sachverständigengutachten vom 2.12.2011 sowie die Ausführungen im Schriftsatz des Beklagten vom 22.3.2011 Bezug genommen werden, die der Senat für überzeugend erachtet. Im Fall der Klägerin spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass diese Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden, da sie durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit beitragen sollen. Das bedarf jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die ihr verordneten Präparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne eingesetzt werden sollen, ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob dieser Zweck hier erreicht werden kann und die verordneten Mittel insbesondere zur Behandlung einer Erkrankung erforderlich sind. Das ist eine Frage der beihilferechtlichen Notwendigkeit (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO), an der es unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen fehlt.
22 
a) Die Klägerin hat sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im erstinstanzlichen Verfahren als Zweck der eingesetzten Präparate die Bekämpfung eines Mangelzustands genannt. Ausschließlich auf diesen Gesichtspunkt stützen sich auch die ursprünglichen Verordnungen der streitgegenständlichen Präparate durch die Ärztin von W. und die Heilpraktikerin V.. Daran hat die Klägerin auch im Berufungsverfahren weitgehend festgehalten. Dementsprechend hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt, die streitgegenständlichen Präparate dienten primär der Vorbeugung bzw. Bekämpfung von Mangelerscheinungen.
23 
Der Zweck, eine durch die Allergien der Klägerin verursachte Unterversorgung mit bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen auszugleichen, wird jedoch schon nicht schlüssig dargetan. Die Klägerin hat zwar detailliert vorgetragen, welche Schwierigkeiten sie bei der Lebensmittelversorgung hat. Allerdings lassen diese Probleme den Schluss auf einen dadurch verursachten Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht zu. Nach der Schilderung der Klägerin verträgt sie zwar insbesondere keine vorgefertigten Lebensmittel. So kann sie ihrem Vortrag zufolge kein gewöhnliches, beim Bäcker erworbenes Brot zu sich nehmen; sie backt jedoch aus hochwertigen schad- und konservierungsstofffreien Zutaten ihr eigenes Brot. Auch Fleisch verträgt sie ihrem Vortrag zufolge, wenn es frisch und „absolut Bio“ ist. An Obst und Gemüse nimmt sie nach ihrer Aufstellung vom 16.4.2012 Karotten, Zwiebeln und Äpfel täglich, Brokkoli, gekochte Tomaten und Bananen zumindest einmal wöchentlich sowie Kohlrabi und Paprika in mehrwöchentlichem Abstand zu sich. Dass bei dieser Art der Ernährung Mangelerscheinungen auftreten könnten, ist nicht ersichtlich. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Klägerin weitestgehend daran gehindert ist, Fertigprodukte zu sich zu nehmen, und deshalb einen besonders hohen Aufwand beim Einkauf und der Zubereitung von Speisen treiben muss. Dieser hohe Aufwand führt aber im Ergebnis dazu, dass sie sogar besonders hochwertige Lebensmittel zu sich nimmt, und lässt damit nicht auf das Auftreten von Mangelerscheinungen schließen.
24 
Zudem ist ein Vitamin- oder Mineralstoffmangel nicht laborärztlich diagnostiziert worden. Eine Untersuchung des Vitaminstatus der Klägerin ist - soweit bekannt - niemals erfolgt. Aber auch ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen ist nicht festgestellt worden. Bei einer am 14.8.2006 durchgeführten Untersuchung ihrer Haare lagen die Werte für Mineralstoffe und Spurenelemente größtenteils im (unteren) Normalbereich; lediglich der Wert für Mangan lag mit 0,069 ppm minimal unter dem Wert für den Normalbereich mit 0,07 bis 1 ppm.
25 
Bei dieser Sachlage handelt es sich hier um eine Behandlung „ins Blaue“ hinein. Die streitgegenständlichen Präparate sind ohne hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich eine entsprechende Unterversorgung gegeben sein könnte, verordnet worden. Die Feststellung der Notwendigkeit einer Behandlung setzt aber immer eine entsprechende aussagekräftige Diagnose voraus. Eine bloße nicht abgesicherte Behandlung auf Verdacht ist beihilferechtlich nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
26 
b) Als Reaktion auf das seitens des Senats eingeholte Sachverständigengutachten hat die Klägerin allerdings vorgetragen, die streitgegenständlichen Mittel würden zur antioxidativen Therapie ihrer MCS eingesetzt. Diese Zweckbestimmung lässt sich jedoch den ursprünglichen ärztlichen Verordnungen und der Verordnung ihrer Heilpraktikerin nicht entnehmen. Jedenfalls aber fehlt es auch insoweit an der beihilferechtlichen Notwendigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
27 
Bei der MCS handelt es sich um eine Erkrankung, deren Entstehung umstritten ist. Die Spanne reicht von rein umweltmedizinischen bis zu rein psychosomatischen Erklärungen. Letztlich dürften sich vermittelnde Auffassungen durchgesetzt haben, wonach es sich um eine multifaktorielle Erkrankung handelt (s. das Gutachten mit Anlagen; Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al.; Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 334).
28 
Welcher Erklärungsansatz überzeugender ist, muss im Rahmen dieses Rechtsstreits nicht geklärt werden. Sollte es sich um eine rein psychosomatische Erkrankung handeln, kann es sich bei der Gabe von Vitaminen und Spurenelementen von vornherein um keine notwendige Behandlung handeln. Aber auch wenn man dem von der Klägerin für richtig gehaltenen umweltmedizinischen Ansatz folgt, ist dies nicht der Fall.
29 
Es ist im Falle der Klägerin schon nicht eindeutig geklärt, ob eine MCS im Sinne einer umweltmedizinischen Erkrankung überhaupt vorliegt. Entsprechende objektive Messwerte, die auf eine MCS hinweisen könnten, liegen nicht vor. Das Sachverständigengutachten hat keine Laborwerte ergeben, die in diese Richtung deuten könnten. Bei der bereits erwähnten Haaranalyse vom 14.8.2006 wurden an toxischen Elementen lediglich Cadmium, Blei und Aluminium - allerdings jeweils im untersten Normalbereich - festgestellt. Auch sonst dürften die nach dem umweltmedizinischen Ansatz erforderlichen differentialdiagnostischen Abklärungen nicht erfolgt sein (s. hierzu: Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner (Hg.), Handlungsorientierte umweltmedizinische Praxisleitlinie 2011; Prof. Dr. Wolfgang Huber, „Artikel des Monats Januar 2011 Teil 6: CFS, MCS, FMS - Therapie und Differentialdiagnostik“; Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.).
30 
Jedenfalls aber ist die Behandlung als solche ebenfalls ohne die gebotene diagnostische Abklärung erfolgt. Gerade die Vertreter des umweltmedizinischen Ansatzes verlangen, dass eine antioxidative Therapie durch die Gabe von Vitaminen nicht „ins Blaue“ hinein erfolgt, sondern durch eine sorgfältige laboranalytische Untersuchung des Redoxstatus kontrolliert werden soll, um z.B. schädliche Vitamin-Überdosierungen zu vermeiden (so ausdrückl. Hill et al., Multiple Chemikalien-Sensitivität, 3. Aufl. 2010, S. 252 ff.). Dass hier solche Untersuchungen erfolgt sind, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine bloße Behandlung auf Verdacht ist auch in diesem Zusammenhang nicht notwendig i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
31 
3. Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch die Einholung eines weiteren (oder die Ergänzung des vorliegenden) Gutachtens, die die Klägerin ursprünglich noch angeregt hatte, ist nach alledem nicht erforderlich. Die Bedeutung des eingeholten Sachverständigengutachtens liegt vor allem in der „klassischen“ Diagnostik, d.h. den erhobenen Werten an sich und dem Ausschluss herkömmlicher (internistischer) Erkrankungen mit Ausnahme eines Asthma bronchiale. Insoweit erhebt auch die Klägerin keine Einwendungen gegen die in dem Gutachten getroffenen Feststellungen.
32 
Wie die Klägerin zu Recht geltend macht lässt sich eine abschließende Bewertung der Entstehung, Diagnose und Therapie einer MCS-Erkrankung - sowohl allgemein als auch in ihrem Einzelfall - dem Gutachten hingegen nicht entnehmen. Der Senat ist jedoch insoweit von dem umweltmedizinischen Ansatz ausgegangen, den auch die Klägerin vertritt. Soweit die Klägerin die Ausführungen des Gutachtens zur Frage der Arzneimitteleigenschaft angreift, hat der Senat zu ihren Gunsten angenommen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Präparaten um Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne handelt.
33 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
34 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
35 
Beschluss vom 2. August 2012
36 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 69,47 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
37 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch


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Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel


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Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 22. April 2015 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufi

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 22. Apr. 2015 - 1 K 986/14.NW

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Tenor Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 14. Juli 2014 und vom 22. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2014 verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu seinen Aufwendungen für das Präparat LactoStop 33

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Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. September 2008 - 12 K 3408/07 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für chinesische Phytotherapeutika.
Der Kläger ist Beamter im Landesdienst des Beklagten und für seine Ehefrau mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Seine Ehefrau leidet an multiplen Erkrankungen, die mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ärztlich behandelt werden. Auf Veranlassung des Landesamtes für Besoldung und Versorgung (im Folgenden: Landesamt) erstattete das Gesundheitsamt bei dem Landratsamt E. am 08.12.2005 ein amtsärztliches Gutachten zur Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der Behandlung der Ehefrau des Klägers mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin. Der Amtsarzt diagnostizierte bei der Ehefrau unter anderem eine rheumatoide Arthritis im Anschluss an ein rheumatisches Fieber, Fibromyalgiesyndrom, Migräne mit häufig lang anhaltenden Kopfschmerzanfällen und seit dem Jahre 2004 Bandscheibenvorfälle im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule; sie sei ein halbes Jahr auf den Rollstuhl angewiesen gewesen, habe Morphinpräparate eingenommen und sich schließlich einer Operation unterziehen müssen. Nachdem die Behandlung mit Antirheumatika und Analgetika keine Besserung gebracht habe, sei die Ehefrau des Klägers mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin behandelt worden, worauf die schulmedizinischen Medikamente mit ihren Nebenwirkungen, insbesondere auch die Morphinpräparate, hätten abgesetzt werden können. Bei der Traditionellen Chinesischen Medizin würden spezielle Pflanzenteile vom Arzt individuell zusammengestellt und dem jeweiligen Krankheitsstand angepasst; es handle sich dabei um apothekenpflichtige Arzneimittel. Aus ärztlicher Sicht könne „in diesem speziellen Fall die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin als notwendig und angemessen erachtet werden“.
In der Folgezeit erstattete das Landesamt die entsprechenden Aufwendungen des Klägers im Rahmen der Beihilfegewährung, zuletzt mit Beihilfebescheid vom 02.02.2007. Mit Schreiben vom 13.02.2007 teilte das Landesamt dem Kläger mit, dass künftig eine Erstattung von Aufwendungen für die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin nicht mehr in Betracht komme.
Mit Formularantrag vom 09.03.2007 begehrte der Kläger unter anderem Beihilfe für die seiner Ehefrau ärztlich verordneten chinesischen Kräutermischungen in Höhe von insgesamt 262,69 EUR. Mit Bescheid vom 26.03.2007 lehnte das Landesamt diese mit dem Hinweis ab, Teemischungen seien keine beihilfefähigen Aufwendungen. Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies das Landesamt mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2007 mit der Begründung zurück, Tees oder Teemischungen seien geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und könnten deshalb grundsätzlich nicht als beihilfefähig anerkannt werden.
Der Kläger hat am 18.05.2007 Klage bei dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 183,88 EUR zu gewähren sowie den Bescheid des Landesamts vom 26.03.2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 16.04.2007 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen. Zur Begründung hat er vorgetragen, die chinesischen Kräutermischungen seien geeignet, schwerste Medikamente zu ersetzen. Sie dienten nicht wie Kräutertees der Ernährung oder dem Genuss, sondern wirkten als Arzneimittel in fein abgestimmten Dosierungen und müssten nach ständiger Rücksprache mit den behandelnden Ärzten eingenommen werden. Die Präparate würden auch nicht wie Tee getrunken, sondern schluckweise über den Tag verteilt eingenommen.
Mit Urteil vom 10.09.2008 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter entsprechender Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, dem Kläger weitere Beihilfe in Höhe von 183,88 EUR zu gewähren. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, bei den ärztlich verordneten chinesischen Kräuteraufgüssen (sog. Dekokte) handle es sich um Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts, welche nicht zugleich geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die Mittel dienten nach ihrer materiellen Zweckbestimmung der Heilung der diagnostizierten multiplen Erkrankungen. Unerheblich sei, dass die streitgegenständlichen Teemischungen in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen seien, da einer derartigen Zulassung lediglich eine Indizwirkung zukomme. Der Einsatz der chinesischen Heilkräutermischungen bei der schulmedizinisch austherapierten Ehefrau des Klägers habe nach ihrer Zweckbestimmung nicht der Ernährung oder der Nahrungsergänzung gedient; vielmehr seien sie hier aufgrund ärztlicher Verordnung und nach der gezielten Zusammenstellung als Arzneimittel zum Einsatz gelangt. Ferner sei ausnahmsweise die Behandlung mit chinesischen Heilkräutern notwendig, obwohl es sich um eine wissenschaftlich bislang nicht anerkannte Heilmethode handle. Der Umstand, dass die Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin nicht bereits nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO i.V.m. Nr. 1.5 und 1.5.1 der Anlage zur BVO von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien, führe nicht dazu, dass die Notwendigkeit ohne weiteres bejaht werden müsse. Vielmehr habe die Beihilfestelle in einer derartigen Fallgestaltung über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Behandlung zu entscheiden, wozu sie begründete medizinische Gutachten einholen könne. Ausweislich des überzeugenden amtsärztlichen Gutachtens vom 08.12.2005 sei die zuvor durchgeführte schulmedizinische Behandlung der Ehefrau des Klägers mit Antirheumatika und Analgetika nicht erfolgreich verlaufen. Der Amtsarzt habe deshalb in diesem speziellen Fall die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin als notwendig und angemessen erachtet. Die Beihilfestelle sei nicht berechtigt, sich ohne tragfähige Gründe in Widerspruch zu dem amtsärztlichen Gutachten zu setzen und für die Zukunft die Erstattung der Aufwendungen auszuschließen.
Mit Beschluss vom 18.12.2008 - dem Landesamt zugestellt am 12.01.2009 - hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zugelassen. Mit einem am 19.01.2009 eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte die Berufung begründet und vorgetragen, das Verwaltungsgericht habe fälschlicherweise die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die der Ehefrau des Klägers verordneten Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin bejaht. Derartige Mittel stellten bereits keine Arzneimittel im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO dar, da ihnen die hierzu erforderliche allgemeine wissenschaftliche Anerkennung fehle. Für die Arzneimitteleigenschaft im Sinne des Beihilferechts sei auf den materiellen Zweckcharakter eines Mittels und damit darauf abzustellen, ob von ihm nach objektiven Maßstäben eine therapeutische Wirkung zu erwarten sei. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, ob die Therapie wissenschaftlich allgemein anerkannt werde oder ob eine solche Anerkennung zumindest zu erwarten sei. Die verordneten Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin könnten bei Anlegung dieses Maßstabs bereits nicht als Arzneimittel angesehen werden, denn wissenschaftliche Äußerungen über ihre Wirkungsweise lägen nicht vor. Unabhängig hiervon seien die verordneten Heilkräutermischungen geeignet, andere Tees und damit Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und deshalb gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nicht beihilfefähig. Schließlich sei die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin hier nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 BVO, da sie nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft aus ärztlicher Sicht nicht als erforderlich anzusehen sei. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung lasse sich Gegenteiliges nicht dem eingeholten amtsärztlichen Gutachten des Landratsamts E. vom 08.12.2005 entnehmen. Denn der begutachtende Amtsarzt Dr. B. habe gerade nicht attestiert, „dass vorliegend der Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin unbedingt notwendig ist“; vielmehr gehe er davon aus, „dass die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin als notwendig erachtet werden kann“. Ferner betreffe das amtsärztliche Gutachten vom 08.12.2005 nicht die dem streitgegenständlichen Beihilfeantrag vom 09.03.2007 zugrundeliegenden Aufwendungen, sondern sei für einen früheren Leistungsantrag eingeholt worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. September 2008 - 12 K 3408/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil, indem er auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren verweist. Fehl gehe die Erwägung des Beklagten, wonach Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin mangels Anerkennung im medizinischen Schrifttum nicht als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts aufgefasst werden könnten. Das Landesamt übersehe dabei, dass es eine große Anzahl von Fachpublikationen zu diesem Thema gebe. Es handle sich nicht um Mittel der chinesischen Volksmedizin, sondern um Arzneimittel der traditionellen chinesischen Schulmedizin, deren Anwendung an Universitäten nicht nur in China, sondern zunehmend auch in Europa gelehrt und erforscht werde. Gerade auch in Deutschland seien in letzter Zeit klinische Einrichtungen und Universitätslehrstühle zur Erforschung der Traditionellen Chinesischen Medizin eingerichtet worden; auch werde sie von einer großen und weiter wachsenden Zahl von schulmedizinisch ausgebildeten Ärzten ambulant und in beihilfefähigen Kliniken mit Erfolg praktiziert. Der Beklagte verkenne im Übrigen, dass ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit der Traditionellen Chinesischen Medizin mangels Reproduzierbarkeit von Ergebnissen unter gleichen Voraussetzungen nicht im herkömmlichen naturwissenschaftlichen Sinne erbracht werden könne. Vielmehr könne der Wirksamkeitsnachweis - ähnlich wie bei der Homöopathie - nur durch exakte Dokumentationen und Erfahrungsberichte nachgewiesen werden, welche in großer Zahl existierten. Entgegen der Darstellung des Beklagten seien die verordneten Arzneimittel nicht als Güter des täglichen Bedarfs anzusehen. Denn es handle sich um hoch wirksame und teilweise stark toxische Arzneimittel, die bei gesunden Menschen zu schwerwiegenden Reaktionen wie etwa einer Thrombose sowie Herzrhythmusstörungen und Schwindelgefühlen führen könnten. Chinesische Arzneimittel dürften deshalb keinesfalls mit harmlosen Kräutertees verwechselt werden und könnten weder als Nahrungsergänzungsmittel noch als Mittel zur Deckung des Flüssigkeitsbedarfs eingesetzt werden. Was die Notwendigkeit und Angemessenheit der Behandlung im Einzelfall angehe, müsse sich der Beklagte an dem von ihm eingeholten amtsärztlichen Gutachten festhalten lassen. Das Landesamt habe selbst in seiner Gutachtensanforderung vom 02.11.2005 darauf hingewiesen, dass ohne amtsärztliches Gutachten die Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin nicht als beihilfefähig anerkannt werden könnten. Entgegen der Argumentation des Beklagten habe der Amtsarzt die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin für medizinisch notwendig erachtet; die von ihm verwendeten Formulierungen - insbesondere das Wort „kann“ - müssten im Textzusammenhang gesehen werden und dürften nicht isoliert für die Ansicht des Landesamtes herangezogen werden.
13 
Der Berichterstatter des Senats hat die nunmehr zuständige sachbearbeitende Amtsärztin bei dem Gesundheitsamt E. telefonisch am 20.05.2010 ergänzend zu den im amtsärztlichen Gutachten vom 08.12.2005 verwendeten Formulierungen und zur medizinischen Notwendigkeit der durchgeführten Behandlung befragt. Auf den den Beteiligten bekanntgegebenen und in der mündlichen Verhandlung erörterten Aktenvermerk vom 20.05.2010 (AS 109 f. der Senatsakte) wird verwiesen.
14 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und des Landesamts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben; die Versagung der beantragten Beihilfe ist rechtswidrig, denn der Kläger hat Anspruch auf die Bewilligung von Beihilfe für die Behandlung seiner Ehefrau mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin.
16 
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (hier: Dezember 2006 bis Februar 2007) maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17 m.w.N.). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.) sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BVO). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO a.F. sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen unter anderem für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
17 
Bei den der Ehefrau des Klägers ärztlich verordneten chinesischen Kräuterdekokten handelt es sich um Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts (dazu unter 1); auch sind die Kräutermischungen nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (dazu unter 2). Schließlich ist die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin hier auch notwendig und angemessen (dazu unter 3). Zwar handelt es sich um eine derzeit noch nicht wissenschaftlich allgemein anerkannte Heilmethode (3.1). Es liegt jedoch ein Ausnahmefall vor, in welchem der Dienstherr aus Fürsorgegesichtspunkten zur Erstattung der Kosten für eine nicht allgemein anerkannte Methode verpflichtet ist (3.2).
18 
1. Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel“, sondern setzen diesen voraus (hierzu und zum Folgenden grundlegend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.01.2010 - 4 S 1816/07 -, PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.02.2010 - 13 S 2696/09 -, juris). Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 - ZBR 2006, 203).
19 
Unter Arzneimitteln im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Unter den Stoffbegriff im Arzneimittelgesetz fallen unter anderem neben chemischen Elementen und Verbindungen und deren Gemischen sowie Lösungen auch Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzenbestandteile, Algen, Pilze und Flechten in bearbeitetem und unbearbeitetem Zustand (§ 3 Nr. 2 AMG). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Dies sind nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden (d.h. im Sinne der Terminologie des bislang geltenden Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes „verzehrt“ werden); nicht zu den Lebensmitteln gehören danach jedoch Arzneimittel (Art. 2 Abs. 2 d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, juris).
20 
Der Umstand, dass die aus chinesischen Heilkräutern gewonnenen Präparate weder als Arzneimittel registriert sind noch in einer solchen Liste aufgeführt werden, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter im beihilferechtlichen Sinne fehlt. Dies folgt zum einen bereits daraus, dass die genannten Listen jeweils spezielle Zielrichtungen haben (Fertigarzneimittel, homöopathische Liste, Neuheiten etc.) und an der tradierten westlichen Schulmedizin ausgerichtet sind. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die hier in Rede stehenden chinesischen Heilkräuterpräparate scheidet schon deshalb aus, weil es sich um auf Individualrezept vom Pharmazeuten hergestellte Arzneimittel und damit nicht um Fertigarzneimittel gemäß § 4 Abs. 1 AMG handelt; § 21 Abs. 1 AMG sieht eine Zulassungspflicht jedoch lediglich für Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 1 AMG vor. Zum anderen ist nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; Urteil des Senats vom 11.03.2010 - 10 S 3090/08 - PharmR 2010, 300). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
21 
Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung setzt der beihilferechtliche Arzneimittelbegriff darüber hinaus nicht voraus, dass die Therapie wissenschaftlich anerkannt ist oder eine solche Anerkennung zumindest zu erwarten ist. Der auf den materiellen Zweckcharakter eines Präparats abstellende beihilferechtliche Arzneimittelbegriff zwingt nicht dazu, bereits auf dieser Ebene Fragen der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung oder Ausnahmen hiervon zu behandeln. Die Systematik der Beihilfeverordnung spricht vielmehr dafür, diese Frage allein und abschließend im Rahmen der Notwendigkeit bzw. Angemessenheit der Aufwendungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO zu prüfen. Gegenteiliges kann nicht dem von der Berufung herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.1996 (- 2 C 5.95 - ZBR 1996, 314) entnommen werden, da sich diese Entscheidung zu der hier in Rede stehenden Problematik der wissenschaftlichen Anerkennung nicht verhält, sondern lediglich klarstellt, dass dem beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff lediglich Mittel zur Anwendung am oder im menschlichen Körper unterfallen. Eine weitergehende Erörterung dieser definitorischen Zuordnung ist freilich entbehrlich, weil sich die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen nach der Auffassung des Senats lediglich in anderem Zusammenhang stellen (dazu unter 3) und der materielle Prüfungsmaßstab jeweils der gleiche ist.
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Ausgehend von diesen Grundsätzen stellen die der Ehefrau des Klägers von ihrem Arzt auf der Grundlage der Traditionellen Chinesischen Medizin verordneten Dekokte aus Heilpflanzen Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne dar. Denn die in einer spezialisierten Apotheke nach der verordneten Rezeptur hergestellten Dekokte aus chinesischen Heilpflanzen und Heilpflanzenteilen sind zum einen vom Laien selbst nicht herzustellen und dienen zum anderen nach ihrer Zweckbestimmung der Heilung der bei der Ehefrau diagnostizierten multiplen Erkrankungen. Die Zweckbestimmung dieser Dekokte ist damit auch erkennbar auf die Heilung von Krankheiten gerichtet (ähnlich OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47/01 - juris; VG Schleswig, Urteil vom 29.01.2007 - 11 A 185/04 - juris). Diese Zweckbestimmung der verordneten Präparate steht zwischen den Beteiligten im Übrigen zu Recht auch nicht ernstlich im Streit.
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2. Die Kosten für die Heilkräuterdekokte gehören auch nicht zu den Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und bei denen die Beihilfefähigkeit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO a.F. ausgeschlossen ist. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, also diese überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist; dies erfordert eine wertende Betrachtung, welche die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2010 - 4 S 1816/07 - a.a.O.; sowie Beschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen. Vor diesem Hintergrund kann die Frage der Substitutionseignung letztlich nicht fallübergreifend und abstrakt für eine ganze Produktgruppe, sondern lediglich auf das im Einzelfall zur Anwendung gelangende Mittel und dessen pharmakologische Wirkungsweise bezogen beurteilt werden. Maßgeblich ist deshalb weder die Zubereitungsart der Dekokte bzw. Teeaufkochungen noch der subjektiv empfundene Geschmack. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich um solche Heilteezubereitungen handelt, die im Rahmen der täglichen Flüssigkeitszufuhr eingenommen werden und deshalb als Lebens- oder Genussmittel Verwendung finden können.
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Bei dieser Betrachtungsweise sind die hier in Rede stehenden Heildekokte nicht geeignet, klassischen Tee oder aus hergebrachten Kräutermischungen gewonnene Teezubereitungen zu ersetzen und im Rahmen der täglichen Lebensführung eingenommen zu werden. Dies ist nach den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärztin Dr. B. der Klinik am S. vom 13.07.2007 bzw. 21.11.2008 ohne Weiteres festzustellen. Wie die behandelnde Ärztin in sich schlüssig und nachvollziehbar darlegt, beinhalten die der Ehefrau des Klägers rezeptierten Pflanzenmischungen pharmakologisch hoch aktive und teilweise stark toxische Pflanzenbestandteile wie etwa Aconit (Eisenhut), welche bereits in geringer Dosis letale Wirkung haben können und die nur in speziell präparierter Weise bei strikter Mengenbegrenzung eingenommen werden dürfen. Aus medizinischer Sicht dürften diese Mittel daher nicht als Nahrungsergänzungsmittel oder zur Deckung des Flüssigkeitsbedarfs verwendet werden. Übereinstimmend hiermit würden die Kräutermischungen lediglich aus Gründen der besseren Verträglichkeit als Dekokte verabreicht und einzeln schluckweise eingenommen, obwohl an sich auch eine Verabreichung in Pillenform möglich wäre. Bei Berücksichtigung dieser Zusammensetzung der Präparate und deren Darreichung kann deshalb hier keine Rede davon sein, dass sie geeignet wären, hergebrachte Heilkräutertees im Rahmen der täglichen Flüssigkeitszufuhr zu ersetzen.
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3. Im vorliegenden Fall zählen die Kosten für die chinesischen Heilkräutermischungen auch zu den im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO notwendigen Aufwendungen. Nach dieser Bestimmung sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Die Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit stellen dabei unbestimmte Rechtsbegriffe dar, deren Anwendung im Einzelfall der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713; Urteil des Senats vom 09.07.2009 - 10 S 465/09 - juris). Aus § 5 Abs. 1 Satz 2 BVO a.F. folgt nichts Gegenteiliges. Denn diese Vorschrift stellt nur klar, dass die Notwendigkeit und Angemessenheit von Aufwendungen nicht abschließend vom behandelnden Arzt zu bestimmen, sondern der objektiven behördlichen - und im Streitfall verwaltungsgerichtlichen - Kontrolle überantwortet ist. Bei der Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind daher die vom Beklagten angestellten Erwägungen zu einem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraum der Beihilfestelle verfehlt. Nach der vom Senat geteilten ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Beurteilung der Geeignetheit einer medizinischen Behandlung zunächst der Einschätzung des behandelnden Arztes besondere Bedeutung beizumessen; ihr wird regelmäßig zu folgen sein, weil der behandelnde Arzt über die erforderliche Sachkunde verfügt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 - a.a.O.; und vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801). Eine differenzierte Betrachtung ist freilich bei wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Heilmethoden geboten.
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3.1 Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei der von der Ehefrau des Klägers durchgeführten Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Gerichtshofs ist eine Behandlungsmethode dann wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem oder den Urhebern - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O. und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - IÖD 2003, 199).
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Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob diese vom Bundesverwaltungsgericht für Heilbehandlungen entwickelten Grundsätze vollen Umfangs für die Frage gelten, ob beispielsweise ein von einem Arzt im Rahmen einer wissenschaftlich allgemein anerkannten Heilmethode verschriebenes Arzneimittel mit zweifelhafter Wirkung beihilfefähig ist. Auf diese Frage kommt es hier nicht an. Jedenfalls in den Fällen, in denen ein Arzt eine Arznei im Rahmen einer nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Heilmethode verschreibt, kann diese Arznei nur notwendig sein, wenn ausnahmsweise die angewendete Heilmethode trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung beihilfefähig ist (ähnlich OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47/01 - a.a.O.). Wie sich vor allem auch den Darlegungen des Klägers entnehmen lässt, arbeitet die Traditionelle Chinesische Medizin nicht nach westlich geprägten wissenschaftlichen Maßstäben, sondern beruht auf einem hiervon abweichenden Grundverständnis von Erkrankungen und verwendet abweichende Diagnose- bzw. Therapieansätze. Für die Frage der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung kommt es jedoch darauf an, ob ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für die im vorliegenden Fall maßgeblichen Krankheiten in der westlich geprägten Schulmedizin allgemein anerkannt ist. Für diesen Maßstab spricht in systematischer Hinsicht etwa die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 BVO a.F., wonach die Beihilfestelle bei ihrer Entscheidung über die Notwendigkeit von Aufwendungen ein begründetes medizinisches Gutachten einholen kann. Gemäß § 18 Abs. 5 BVO a.F. soll die Beihilfestelle hierzu regelmäßig ein ausreichend begründetes amtsärztliches Zeugnis des zuständigen Gesundheitsamtes einholen. Dies verdeutlicht, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers die Frage der Notwendigkeit der Aufwendungen und in diesem Zusammenhang auch der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode nach schulmedizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben zu beurteilen ist, nicht jedoch auf medizinische Außenseiterstandpunkte abzuheben ist.
28 
Danach kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die traditionelle chinesische Medizin und die bei ihrer Anwendung verordneten Kräuterdekokte als allgemein wissenschaftlich anerkannt anzusehen sind. Fraglich ist bereits, ob im medizinisch-wissenschaftlichen Fachschrifttum hinreichende Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Traditionellen Chinesischen Medizin hinsichtlich der hier wohl im Vordergrund stehenden Erkrankungen einer primär chronischen Polyarthritis bzw. der Fibromyalgie vorliegen. Hinweise hierfür lassen sich jedenfalls nicht dem umfangreichen Sachvortrag des Klägers bzw. der vorgelegten medizinischen Stellungnahme der Klinik am S. entnehmen. So beziehen sich die mit Schriftsatz des Klägers vom 15.12.2008 vorgelegten Literaturhinweise - soweit für den Senat zu beurteilen - zumindest überwiegend nicht auf die hier in Rede stehenden Krankheitsbilder. Auch die im Schreiben der Klinik vom 23.11.2005 (AS. 57 der Behördenakte) erwähnten wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise dürften andere Krankheiten als die bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten betreffen. Übereinstimmend hiermit geht die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die traditionelle chinesische Medizin mittels Heilkräutertherapie derzeit nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt ist (vgl. mit weiteren Nachweisen OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47.01 - a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - a.a.O.).
29 
3.2 Entgegen der Auffassung des Beklagten führt die fehlende allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der bei der Ehefrau des Klägers durchgeführten Behandlungsmethode nicht dazu, dass ein Anspruch auf Beihilfegewährung von vornherein ausgeschlossen ist. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Beihilfe für eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode dann, wenn das Finanzministerium keine Ausschlussregelung getroffen hat und die Notwendigkeit der Behandlung mit einer Außenseitermethode im Einzelfall bei Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabes nachgewiesen ist. Unerheblich ist in einer derartigen Fallgestaltung dann, ob nach dem Stand der Wissenschaft die begründete Aussicht auf eine wissenschaftliche Anerkennung der Therapiemethode besteht.
30 
a) Die maßgeblichen Beihilfevorschriften enthalten, anders als etwa die Nordrhein-Westfälische Beihilfeverordnung (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 - ZBR 2009, 270) oder etwa das Leistungsrecht der Postbeamtenkrankenkasse (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - zu § 30 Abs. 4 der Satzung a.F.), keine explizite Klausel, nach der wissenschaftlich nicht anerkannte Mittel nicht beihilfefähig sind. Jedoch sieht § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. (entsprechend § 6 Abs. 2 der Beihilfevorschriften des Bundes - BhV a.F.) vor, dass das Finanzministerium die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzen oder ganz ausschließen kann. Wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit steht, ist eine solche konkretisierende Ausschlussentscheidung durch das Finanzministerium, welche die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin begrenzen oder ausschließen würde, weder ausdrücklich in der Anlage zur Beihilfeverordnung noch durch die Bezugnahme in Nr. 1.5.1 der Anlage zur Beihilfeverordnung auf die Entscheidungen des Bundesministers des Inneren in den Hinweisen 1 und 2 zu § 6 Abs. 2 BhV getroffen worden.
31 
Der vom Verordnungsgeber in § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. getroffenen Regelung kommt jedoch in systematischer Hinsicht für die Lösung der hier vorliegenden Problematik maßgebliche Bedeutung zu. Denn sowohl dem Wortlaut als auch der systematischen Stellung von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. lässt sich unzweideutig entnehmen, dass es nach der Vorstellung des Verordnungsgebers grundsätzlich Fallkonstellationen geben kann, in denen ein Anspruch auf Beihilfe trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung einer Behandlungsmethode besteht. Für eine normausfüllende bzw. normkonkretisierende (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen Urteil des Senats vom 28.01.2010 - 10 S 2582/08 - juris) Entscheidung des Finanzministeriums bliebe kein Raum, wenn die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung einer Behandlungsmethode in jedem Fall Grundvoraussetzung für die Beihilfegewährung wäre. Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. zeigt, dass der Normgeber der Beihilfeverordnung selbst Fallkonstellationen für denkbar und regelungsbedürftig hält, in denen ein Anspruch auf Beihilfe trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung besteht. Bei wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethoden ist deshalb ein Anspruch auf Beihilfe nur dann von vornherein - vorbehaltlich der vom Bundesverwaltungsgericht auch für solche Fallkonstellationen aufgestellten Ausnahmen (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801; und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436) - ausgeschlossen, wenn das Finanzministerium auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO eine wirksame Ausschlussregelung getroffen hat. Diese Überlegungen verdeutlichen zugleich, dass die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29.06.1995 (2 C 15.94 - a.a.O.) für die Überprüfung von Ausschlussentscheidungen auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. entwickelten Maßstäbe nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen werden können.
32 
b) Im Ausgangspunkt zu Recht geht der Beklagte davon aus, dass Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Ausschlussentscheidung auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. regelmäßig nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind. Die Beihilfe stellt eine aus der Fürsorgepflicht resultierende, die zumutbare Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Leistung des Dienstherrn dar, bei deren Gewährung er an den Grundsatz der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel gebunden ist. Die Beihilfegewährung gründet daher auf der Erwartung, dass die Heilbehandlung zweckmäßig ist und hinreichende Gewähr für eine möglichst rasche und sichere Therapie bietet. Aus der Sicht des Dienstherrn ist es deshalb nicht ohne Belang, ob die von ihm (mit)finanzierte Behandlung Erfolg verspricht oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47.01 - a.a.O.). Dass das öffentliche Interesse an einer effektiven und sparsamen Verwendung von Steuergeldern eine Begrenzung der Beihilfe auf Erfolg versprechende Heilbehandlungen zulässt, ist im Übrigen schon frühzeitig von der Rechtsprechung anerkannt worden (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1960 - 5 AZR 438/59 - AP 1961 BeihilfenGR Nr. 4; BVerwG, Urteil vom 28.11.1963 - 8 C 72.63 - Buchholz 238.91 Nr. 2). Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz liegt dem Begriff der Notwendigkeit der Aufwendungen zugrunde, der in § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. lediglich ausgestaltet und präzisiert wird. Auch ohne eine förmliche Ausschlussentscheidung des Landesfinanzministeriums auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. ist deshalb von der Beihilfestelle im Rahmen der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO zu treffenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Heilbehandlung primär zu prüfen, ob diese allgemein wissenschaftlich anerkannt ist.
33 
c) Nach dem oben Dargelegten ist bei Nichtvorliegen einer förmlichen Ausschlussentscheidung und fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung der durchgeführten Behandlungsmethode ein Beihilfeanspruch jedoch nicht ohne Weiteres ausgeschlossen. Vielmehr ist in einer derartigen Fallgestaltung § 5 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BVO a.F. anzuwenden mit der Folge, dass die Beihilfestelle in eine Einzelfallprüfung einzutreten und festzustellen hat, ob bei Anlegung eines strengen Maßstabes die medizinische Notwendigkeit der Aufwendungen für eine Behandlung mit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode besteht (vgl. so schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.01.1999 - 4 S 1086/96 - IÖD 1999, 139 -; der Sache nach auch Urteil vom 17.12.2009 - 4 S 3040/07 -; Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Erläuterungen, Anm. 33.2 zu § 6 BhV). In diesem Zusammenhang kommt der von § 5 Abs. 1 Satz 3 BVO a.F. vorgesehenen Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Heilbehandlung besondere Bedeutung zu. Das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO, eine Beihilfe zu „dem Grunde nach“ notwendigen Aufwendungen zu leisten, kann den Dienstherrn in Ausnahmefällen auch dazu verpflichten, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach den jeweiligen Bemessungssätzen zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit - z. B. unbekannter Genese - noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall - z. B. wegen einer Gegenindikation - das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten (vgl. so auch BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O. und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - a.a.O.).
34 
d) Auch bei Anlegung dieses strengen Maßstabs liegen im Fall der Ehefrau des Klägers die Voraussetzungen vor, unter denen ein verantwortungsbewusster Arzt ausnahmsweise zu sog. „Außenseitermethoden“ bzw. einem individuellen Heilversuch greifen wird. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass jedenfalls für die primär chronische Polyarthritis - wohl jedoch nicht für die ebenfalls schwerwiegende Fibromyalgie - schulmedizinische Behandlungsmethoden grundsätzlich zur Verfügung stehen. Denn nach den umfangreichen vom Kläger vorgelegten medizinischen Stellungnahmen steht fest, dass seine Ehefrau sich bereits ausreichend schulmedizinisch hat behandeln lassen und es ihr nicht zuzumuten war, weitere Versuche mit wissenschaftlich anerkannten Heilmethoden zu unternehmen, bevor sie auf die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin ausgewichen ist. Insbesondere der in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Stellungnahme der behandelnden Ärztin der Klinik Am S. vom 13.07.2007 lässt sich entnehmen, dass die Ehefrau des Klägers über einen längeren Zeitraum weitgehend erfolglos mit schulmedizinischen Methoden behandelt wurde bzw. die gegen die chronische Polyarthritis eingesetzten schulmedizinischen Medikamente derart starke Nebenwirkungen aufgewiesen haben, dass ihr eine Behandlung damit nicht mehr zuzumuten war.
35 
Von einem Fehlschlagen der schulmedizinischen Behandlungsversuche geht auch der Amtsarzt bei dem Gesundheitsamt des Landratsamts E. in seinem Gutachten vom 08.12.2005 aus. Der Amtsarzt gelangte aufgrund eigener Untersuchung der Ehefrau des Klägers und in Kenntnis der Behandlungsunterlagen zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Einzelfall die Behandlung mit der wissenschaftlich nicht anerkannten Methode der Traditionellen Chinesischen Medizin ausnahmsweise notwendig und angemessen ist. Die vom Beklagten gegen diese amtsärztliche Beurteilung erhobenen Einwände vermag der Senat nicht zu teilen. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, stellte die nunmehr sachbearbeitende Amtsärztin in einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter am 20.05.2010 klar, dass nach dem ständigen Sprachgebrauch bei dem Gesundheitsamt E. die von ihrem Vorgänger verwendete Formulierung („die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin kann als notwendig und angemessen erachtet werden“) eindeutig nicht im vom Beklagten favorisierten relativierenden Sinne zu verstehen ist. Wie die Amtsärztin nachvollziehbar und für den Senat überzeugend in dem Telefongespräch darlegte, bezieht sich diese Formulierung nicht etwa auf das Maß der amtsärztlichen Überzeugung, sondern soll lediglich zum Ausdruck bringen, dass ein Amtsarzt naturgemäß nicht mit letzter Sicherheit beurteilen kann, ob noch weitere schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen. Jedoch konnte auch die nunmehr zuständige Amtsärztin nach Durchsicht der vorhandenen Unterlagen bestätigen, dass jedenfalls sämtliche gängigen antirheumatischen Behandlungsmittel von der Ehefrau des Klägers erfolglos angewendet wurden.
36 
Im Ansatz zu Recht weist der Beklagte freilich darauf hin, dass sich das amtsärztliche Gutachten auf den Gesundheitszustand im Dezember 2005 bezog, während hier Beihilfeleistungen für Aufwendungen im Zeitraum von Dezember 2006 bis Februar 2007 in Rede stehen. Den vom Kläger vorgelegten Behandlungsberichten der Klinik Am S. vom 13.07.2007 und 21.11.2008 lässt sich jedoch eindeutig entnehmen, dass sich unter der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin zwar die Beschwerden der Ehefrau des Klägers nachhaltig gebessert haben, die Fortsetzung der Behandlung jedoch auch zum maßgeblichen Leistungszeitraum medizinisch unzweideutig indiziert war. Eine weitere Aufklärung des Gesundheitszustandes und der Notwendigkeit der Behandlung zum maßgeblichen Leistungszeitraum war vor allem deshalb nicht geboten, weil die Amtsärztin - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert - eine ergänzende Begutachtung wegen des nunmehr abgelaufenen Zeitraumes für zu spekulativ und deshalb aus medizinischen Gründen nicht angemessen hält. Auch für den Senat ist vor diesem Hintergrund ohne Weiteres nachzuvollziehen, dass ein Amtsarzt selbst bei Auswertung der vorhandenen Behandlungsunterlagen keine Begutachtung für einen mehrere Jahre zurückliegenden Leistungszeitraum vornehmen kann.
37 
Unabhängig davon, dass dem geltenden Beihilferecht eine Erfolgsabhängigkeit fremd ist, hat der Amtsarzt im Übrigen bestätigt, dass die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin bei der Ehefrau des Klägers sich als wirksam erwiesen habe und deshalb ein Verzicht auf teurere schulmedizinische Medikamente möglich gewesen sei. Danach ist es - wenn nicht sogar geboten - jedenfalls aber nicht zu beanstanden, wenn ein verantwortungsbewusster Arzt an dieser Behandlungsmethode - die das Landesamt hier im Übrigen in der Vergangenheit mit Beihilfeleistungen gefördert hat - festhält.
38 
e) Unerheblich ist deshalb für die vorliegende Fallgestaltung, ob nach dem Stand der Wissenschaft die begründete Aussicht für eine wissenschaftliche Anerkennung der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin für die bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten Krankheiten besteht.
39 
Eine solche Aussicht erscheint im Übrigen nicht ausgeschlossen, da nach dem zutreffenden Sachvortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 15.12.2008 die Traditionelle Chinesische Medizin bereits an zahlreichen deutschen medizinischen Fakultäten angewendet wird und in diesem Rahmen auch klinische Wirksamkeitsuntersuchungen durchgeführt werden. Ferner bestehen intensive Kooperationen von die traditionelle chinesische Medizin anwendenden niedergelassenen Ärzten und stationären klinischen Einrichtungen mit medizinischen Hochschulen, die ebenfalls eine wissenschaftliche Evaluierung der Methode zum Ziel haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann.
40 
Nach alldem war die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
42 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
43 
Beschluss vom 26. Juli 2010
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 183,88 EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
15 
Die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben; die Versagung der beantragten Beihilfe ist rechtswidrig, denn der Kläger hat Anspruch auf die Bewilligung von Beihilfe für die Behandlung seiner Ehefrau mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin.
16 
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (hier: Dezember 2006 bis Februar 2007) maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17 m.w.N.). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.) sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BVO). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO a.F. sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen unter anderem für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
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Bei den der Ehefrau des Klägers ärztlich verordneten chinesischen Kräuterdekokten handelt es sich um Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts (dazu unter 1); auch sind die Kräutermischungen nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (dazu unter 2). Schließlich ist die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin hier auch notwendig und angemessen (dazu unter 3). Zwar handelt es sich um eine derzeit noch nicht wissenschaftlich allgemein anerkannte Heilmethode (3.1). Es liegt jedoch ein Ausnahmefall vor, in welchem der Dienstherr aus Fürsorgegesichtspunkten zur Erstattung der Kosten für eine nicht allgemein anerkannte Methode verpflichtet ist (3.2).
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1. Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel“, sondern setzen diesen voraus (hierzu und zum Folgenden grundlegend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.01.2010 - 4 S 1816/07 -, PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.02.2010 - 13 S 2696/09 -, juris). Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 - ZBR 2006, 203).
19 
Unter Arzneimitteln im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Unter den Stoffbegriff im Arzneimittelgesetz fallen unter anderem neben chemischen Elementen und Verbindungen und deren Gemischen sowie Lösungen auch Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzenbestandteile, Algen, Pilze und Flechten in bearbeitetem und unbearbeitetem Zustand (§ 3 Nr. 2 AMG). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Dies sind nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden (d.h. im Sinne der Terminologie des bislang geltenden Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes „verzehrt“ werden); nicht zu den Lebensmitteln gehören danach jedoch Arzneimittel (Art. 2 Abs. 2 d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, juris).
20 
Der Umstand, dass die aus chinesischen Heilkräutern gewonnenen Präparate weder als Arzneimittel registriert sind noch in einer solchen Liste aufgeführt werden, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter im beihilferechtlichen Sinne fehlt. Dies folgt zum einen bereits daraus, dass die genannten Listen jeweils spezielle Zielrichtungen haben (Fertigarzneimittel, homöopathische Liste, Neuheiten etc.) und an der tradierten westlichen Schulmedizin ausgerichtet sind. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die hier in Rede stehenden chinesischen Heilkräuterpräparate scheidet schon deshalb aus, weil es sich um auf Individualrezept vom Pharmazeuten hergestellte Arzneimittel und damit nicht um Fertigarzneimittel gemäß § 4 Abs. 1 AMG handelt; § 21 Abs. 1 AMG sieht eine Zulassungspflicht jedoch lediglich für Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 1 AMG vor. Zum anderen ist nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; Urteil des Senats vom 11.03.2010 - 10 S 3090/08 - PharmR 2010, 300). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
21 
Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung setzt der beihilferechtliche Arzneimittelbegriff darüber hinaus nicht voraus, dass die Therapie wissenschaftlich anerkannt ist oder eine solche Anerkennung zumindest zu erwarten ist. Der auf den materiellen Zweckcharakter eines Präparats abstellende beihilferechtliche Arzneimittelbegriff zwingt nicht dazu, bereits auf dieser Ebene Fragen der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung oder Ausnahmen hiervon zu behandeln. Die Systematik der Beihilfeverordnung spricht vielmehr dafür, diese Frage allein und abschließend im Rahmen der Notwendigkeit bzw. Angemessenheit der Aufwendungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO zu prüfen. Gegenteiliges kann nicht dem von der Berufung herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.1996 (- 2 C 5.95 - ZBR 1996, 314) entnommen werden, da sich diese Entscheidung zu der hier in Rede stehenden Problematik der wissenschaftlichen Anerkennung nicht verhält, sondern lediglich klarstellt, dass dem beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff lediglich Mittel zur Anwendung am oder im menschlichen Körper unterfallen. Eine weitergehende Erörterung dieser definitorischen Zuordnung ist freilich entbehrlich, weil sich die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen nach der Auffassung des Senats lediglich in anderem Zusammenhang stellen (dazu unter 3) und der materielle Prüfungsmaßstab jeweils der gleiche ist.
22 
Ausgehend von diesen Grundsätzen stellen die der Ehefrau des Klägers von ihrem Arzt auf der Grundlage der Traditionellen Chinesischen Medizin verordneten Dekokte aus Heilpflanzen Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne dar. Denn die in einer spezialisierten Apotheke nach der verordneten Rezeptur hergestellten Dekokte aus chinesischen Heilpflanzen und Heilpflanzenteilen sind zum einen vom Laien selbst nicht herzustellen und dienen zum anderen nach ihrer Zweckbestimmung der Heilung der bei der Ehefrau diagnostizierten multiplen Erkrankungen. Die Zweckbestimmung dieser Dekokte ist damit auch erkennbar auf die Heilung von Krankheiten gerichtet (ähnlich OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47/01 - juris; VG Schleswig, Urteil vom 29.01.2007 - 11 A 185/04 - juris). Diese Zweckbestimmung der verordneten Präparate steht zwischen den Beteiligten im Übrigen zu Recht auch nicht ernstlich im Streit.
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2. Die Kosten für die Heilkräuterdekokte gehören auch nicht zu den Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und bei denen die Beihilfefähigkeit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO a.F. ausgeschlossen ist. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, also diese überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist; dies erfordert eine wertende Betrachtung, welche die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2010 - 4 S 1816/07 - a.a.O.; sowie Beschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen. Vor diesem Hintergrund kann die Frage der Substitutionseignung letztlich nicht fallübergreifend und abstrakt für eine ganze Produktgruppe, sondern lediglich auf das im Einzelfall zur Anwendung gelangende Mittel und dessen pharmakologische Wirkungsweise bezogen beurteilt werden. Maßgeblich ist deshalb weder die Zubereitungsart der Dekokte bzw. Teeaufkochungen noch der subjektiv empfundene Geschmack. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich um solche Heilteezubereitungen handelt, die im Rahmen der täglichen Flüssigkeitszufuhr eingenommen werden und deshalb als Lebens- oder Genussmittel Verwendung finden können.
24 
Bei dieser Betrachtungsweise sind die hier in Rede stehenden Heildekokte nicht geeignet, klassischen Tee oder aus hergebrachten Kräutermischungen gewonnene Teezubereitungen zu ersetzen und im Rahmen der täglichen Lebensführung eingenommen zu werden. Dies ist nach den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärztin Dr. B. der Klinik am S. vom 13.07.2007 bzw. 21.11.2008 ohne Weiteres festzustellen. Wie die behandelnde Ärztin in sich schlüssig und nachvollziehbar darlegt, beinhalten die der Ehefrau des Klägers rezeptierten Pflanzenmischungen pharmakologisch hoch aktive und teilweise stark toxische Pflanzenbestandteile wie etwa Aconit (Eisenhut), welche bereits in geringer Dosis letale Wirkung haben können und die nur in speziell präparierter Weise bei strikter Mengenbegrenzung eingenommen werden dürfen. Aus medizinischer Sicht dürften diese Mittel daher nicht als Nahrungsergänzungsmittel oder zur Deckung des Flüssigkeitsbedarfs verwendet werden. Übereinstimmend hiermit würden die Kräutermischungen lediglich aus Gründen der besseren Verträglichkeit als Dekokte verabreicht und einzeln schluckweise eingenommen, obwohl an sich auch eine Verabreichung in Pillenform möglich wäre. Bei Berücksichtigung dieser Zusammensetzung der Präparate und deren Darreichung kann deshalb hier keine Rede davon sein, dass sie geeignet wären, hergebrachte Heilkräutertees im Rahmen der täglichen Flüssigkeitszufuhr zu ersetzen.
25 
3. Im vorliegenden Fall zählen die Kosten für die chinesischen Heilkräutermischungen auch zu den im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO notwendigen Aufwendungen. Nach dieser Bestimmung sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Die Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit stellen dabei unbestimmte Rechtsbegriffe dar, deren Anwendung im Einzelfall der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713; Urteil des Senats vom 09.07.2009 - 10 S 465/09 - juris). Aus § 5 Abs. 1 Satz 2 BVO a.F. folgt nichts Gegenteiliges. Denn diese Vorschrift stellt nur klar, dass die Notwendigkeit und Angemessenheit von Aufwendungen nicht abschließend vom behandelnden Arzt zu bestimmen, sondern der objektiven behördlichen - und im Streitfall verwaltungsgerichtlichen - Kontrolle überantwortet ist. Bei der Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind daher die vom Beklagten angestellten Erwägungen zu einem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraum der Beihilfestelle verfehlt. Nach der vom Senat geteilten ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Beurteilung der Geeignetheit einer medizinischen Behandlung zunächst der Einschätzung des behandelnden Arztes besondere Bedeutung beizumessen; ihr wird regelmäßig zu folgen sein, weil der behandelnde Arzt über die erforderliche Sachkunde verfügt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 - a.a.O.; und vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801). Eine differenzierte Betrachtung ist freilich bei wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Heilmethoden geboten.
26 
3.1 Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei der von der Ehefrau des Klägers durchgeführten Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Gerichtshofs ist eine Behandlungsmethode dann wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem oder den Urhebern - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O. und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - IÖD 2003, 199).
27 
Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob diese vom Bundesverwaltungsgericht für Heilbehandlungen entwickelten Grundsätze vollen Umfangs für die Frage gelten, ob beispielsweise ein von einem Arzt im Rahmen einer wissenschaftlich allgemein anerkannten Heilmethode verschriebenes Arzneimittel mit zweifelhafter Wirkung beihilfefähig ist. Auf diese Frage kommt es hier nicht an. Jedenfalls in den Fällen, in denen ein Arzt eine Arznei im Rahmen einer nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Heilmethode verschreibt, kann diese Arznei nur notwendig sein, wenn ausnahmsweise die angewendete Heilmethode trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung beihilfefähig ist (ähnlich OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47/01 - a.a.O.). Wie sich vor allem auch den Darlegungen des Klägers entnehmen lässt, arbeitet die Traditionelle Chinesische Medizin nicht nach westlich geprägten wissenschaftlichen Maßstäben, sondern beruht auf einem hiervon abweichenden Grundverständnis von Erkrankungen und verwendet abweichende Diagnose- bzw. Therapieansätze. Für die Frage der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung kommt es jedoch darauf an, ob ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für die im vorliegenden Fall maßgeblichen Krankheiten in der westlich geprägten Schulmedizin allgemein anerkannt ist. Für diesen Maßstab spricht in systematischer Hinsicht etwa die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 BVO a.F., wonach die Beihilfestelle bei ihrer Entscheidung über die Notwendigkeit von Aufwendungen ein begründetes medizinisches Gutachten einholen kann. Gemäß § 18 Abs. 5 BVO a.F. soll die Beihilfestelle hierzu regelmäßig ein ausreichend begründetes amtsärztliches Zeugnis des zuständigen Gesundheitsamtes einholen. Dies verdeutlicht, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers die Frage der Notwendigkeit der Aufwendungen und in diesem Zusammenhang auch der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode nach schulmedizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben zu beurteilen ist, nicht jedoch auf medizinische Außenseiterstandpunkte abzuheben ist.
28 
Danach kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die traditionelle chinesische Medizin und die bei ihrer Anwendung verordneten Kräuterdekokte als allgemein wissenschaftlich anerkannt anzusehen sind. Fraglich ist bereits, ob im medizinisch-wissenschaftlichen Fachschrifttum hinreichende Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Traditionellen Chinesischen Medizin hinsichtlich der hier wohl im Vordergrund stehenden Erkrankungen einer primär chronischen Polyarthritis bzw. der Fibromyalgie vorliegen. Hinweise hierfür lassen sich jedenfalls nicht dem umfangreichen Sachvortrag des Klägers bzw. der vorgelegten medizinischen Stellungnahme der Klinik am S. entnehmen. So beziehen sich die mit Schriftsatz des Klägers vom 15.12.2008 vorgelegten Literaturhinweise - soweit für den Senat zu beurteilen - zumindest überwiegend nicht auf die hier in Rede stehenden Krankheitsbilder. Auch die im Schreiben der Klinik vom 23.11.2005 (AS. 57 der Behördenakte) erwähnten wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise dürften andere Krankheiten als die bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten betreffen. Übereinstimmend hiermit geht die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die traditionelle chinesische Medizin mittels Heilkräutertherapie derzeit nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt ist (vgl. mit weiteren Nachweisen OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47.01 - a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - a.a.O.).
29 
3.2 Entgegen der Auffassung des Beklagten führt die fehlende allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der bei der Ehefrau des Klägers durchgeführten Behandlungsmethode nicht dazu, dass ein Anspruch auf Beihilfegewährung von vornherein ausgeschlossen ist. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Beihilfe für eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode dann, wenn das Finanzministerium keine Ausschlussregelung getroffen hat und die Notwendigkeit der Behandlung mit einer Außenseitermethode im Einzelfall bei Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabes nachgewiesen ist. Unerheblich ist in einer derartigen Fallgestaltung dann, ob nach dem Stand der Wissenschaft die begründete Aussicht auf eine wissenschaftliche Anerkennung der Therapiemethode besteht.
30 
a) Die maßgeblichen Beihilfevorschriften enthalten, anders als etwa die Nordrhein-Westfälische Beihilfeverordnung (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 - ZBR 2009, 270) oder etwa das Leistungsrecht der Postbeamtenkrankenkasse (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - zu § 30 Abs. 4 der Satzung a.F.), keine explizite Klausel, nach der wissenschaftlich nicht anerkannte Mittel nicht beihilfefähig sind. Jedoch sieht § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. (entsprechend § 6 Abs. 2 der Beihilfevorschriften des Bundes - BhV a.F.) vor, dass das Finanzministerium die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzen oder ganz ausschließen kann. Wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit steht, ist eine solche konkretisierende Ausschlussentscheidung durch das Finanzministerium, welche die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin begrenzen oder ausschließen würde, weder ausdrücklich in der Anlage zur Beihilfeverordnung noch durch die Bezugnahme in Nr. 1.5.1 der Anlage zur Beihilfeverordnung auf die Entscheidungen des Bundesministers des Inneren in den Hinweisen 1 und 2 zu § 6 Abs. 2 BhV getroffen worden.
31 
Der vom Verordnungsgeber in § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. getroffenen Regelung kommt jedoch in systematischer Hinsicht für die Lösung der hier vorliegenden Problematik maßgebliche Bedeutung zu. Denn sowohl dem Wortlaut als auch der systematischen Stellung von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. lässt sich unzweideutig entnehmen, dass es nach der Vorstellung des Verordnungsgebers grundsätzlich Fallkonstellationen geben kann, in denen ein Anspruch auf Beihilfe trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung einer Behandlungsmethode besteht. Für eine normausfüllende bzw. normkonkretisierende (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen Urteil des Senats vom 28.01.2010 - 10 S 2582/08 - juris) Entscheidung des Finanzministeriums bliebe kein Raum, wenn die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung einer Behandlungsmethode in jedem Fall Grundvoraussetzung für die Beihilfegewährung wäre. Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. zeigt, dass der Normgeber der Beihilfeverordnung selbst Fallkonstellationen für denkbar und regelungsbedürftig hält, in denen ein Anspruch auf Beihilfe trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung besteht. Bei wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethoden ist deshalb ein Anspruch auf Beihilfe nur dann von vornherein - vorbehaltlich der vom Bundesverwaltungsgericht auch für solche Fallkonstellationen aufgestellten Ausnahmen (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801; und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436) - ausgeschlossen, wenn das Finanzministerium auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO eine wirksame Ausschlussregelung getroffen hat. Diese Überlegungen verdeutlichen zugleich, dass die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29.06.1995 (2 C 15.94 - a.a.O.) für die Überprüfung von Ausschlussentscheidungen auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. entwickelten Maßstäbe nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen werden können.
32 
b) Im Ausgangspunkt zu Recht geht der Beklagte davon aus, dass Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Ausschlussentscheidung auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. regelmäßig nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind. Die Beihilfe stellt eine aus der Fürsorgepflicht resultierende, die zumutbare Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Leistung des Dienstherrn dar, bei deren Gewährung er an den Grundsatz der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel gebunden ist. Die Beihilfegewährung gründet daher auf der Erwartung, dass die Heilbehandlung zweckmäßig ist und hinreichende Gewähr für eine möglichst rasche und sichere Therapie bietet. Aus der Sicht des Dienstherrn ist es deshalb nicht ohne Belang, ob die von ihm (mit)finanzierte Behandlung Erfolg verspricht oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47.01 - a.a.O.). Dass das öffentliche Interesse an einer effektiven und sparsamen Verwendung von Steuergeldern eine Begrenzung der Beihilfe auf Erfolg versprechende Heilbehandlungen zulässt, ist im Übrigen schon frühzeitig von der Rechtsprechung anerkannt worden (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1960 - 5 AZR 438/59 - AP 1961 BeihilfenGR Nr. 4; BVerwG, Urteil vom 28.11.1963 - 8 C 72.63 - Buchholz 238.91 Nr. 2). Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz liegt dem Begriff der Notwendigkeit der Aufwendungen zugrunde, der in § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. lediglich ausgestaltet und präzisiert wird. Auch ohne eine förmliche Ausschlussentscheidung des Landesfinanzministeriums auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. ist deshalb von der Beihilfestelle im Rahmen der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO zu treffenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Heilbehandlung primär zu prüfen, ob diese allgemein wissenschaftlich anerkannt ist.
33 
c) Nach dem oben Dargelegten ist bei Nichtvorliegen einer förmlichen Ausschlussentscheidung und fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung der durchgeführten Behandlungsmethode ein Beihilfeanspruch jedoch nicht ohne Weiteres ausgeschlossen. Vielmehr ist in einer derartigen Fallgestaltung § 5 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BVO a.F. anzuwenden mit der Folge, dass die Beihilfestelle in eine Einzelfallprüfung einzutreten und festzustellen hat, ob bei Anlegung eines strengen Maßstabes die medizinische Notwendigkeit der Aufwendungen für eine Behandlung mit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode besteht (vgl. so schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.01.1999 - 4 S 1086/96 - IÖD 1999, 139 -; der Sache nach auch Urteil vom 17.12.2009 - 4 S 3040/07 -; Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Erläuterungen, Anm. 33.2 zu § 6 BhV). In diesem Zusammenhang kommt der von § 5 Abs. 1 Satz 3 BVO a.F. vorgesehenen Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Heilbehandlung besondere Bedeutung zu. Das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO, eine Beihilfe zu „dem Grunde nach“ notwendigen Aufwendungen zu leisten, kann den Dienstherrn in Ausnahmefällen auch dazu verpflichten, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach den jeweiligen Bemessungssätzen zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit - z. B. unbekannter Genese - noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall - z. B. wegen einer Gegenindikation - das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten (vgl. so auch BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O. und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - a.a.O.).
34 
d) Auch bei Anlegung dieses strengen Maßstabs liegen im Fall der Ehefrau des Klägers die Voraussetzungen vor, unter denen ein verantwortungsbewusster Arzt ausnahmsweise zu sog. „Außenseitermethoden“ bzw. einem individuellen Heilversuch greifen wird. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass jedenfalls für die primär chronische Polyarthritis - wohl jedoch nicht für die ebenfalls schwerwiegende Fibromyalgie - schulmedizinische Behandlungsmethoden grundsätzlich zur Verfügung stehen. Denn nach den umfangreichen vom Kläger vorgelegten medizinischen Stellungnahmen steht fest, dass seine Ehefrau sich bereits ausreichend schulmedizinisch hat behandeln lassen und es ihr nicht zuzumuten war, weitere Versuche mit wissenschaftlich anerkannten Heilmethoden zu unternehmen, bevor sie auf die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin ausgewichen ist. Insbesondere der in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Stellungnahme der behandelnden Ärztin der Klinik Am S. vom 13.07.2007 lässt sich entnehmen, dass die Ehefrau des Klägers über einen längeren Zeitraum weitgehend erfolglos mit schulmedizinischen Methoden behandelt wurde bzw. die gegen die chronische Polyarthritis eingesetzten schulmedizinischen Medikamente derart starke Nebenwirkungen aufgewiesen haben, dass ihr eine Behandlung damit nicht mehr zuzumuten war.
35 
Von einem Fehlschlagen der schulmedizinischen Behandlungsversuche geht auch der Amtsarzt bei dem Gesundheitsamt des Landratsamts E. in seinem Gutachten vom 08.12.2005 aus. Der Amtsarzt gelangte aufgrund eigener Untersuchung der Ehefrau des Klägers und in Kenntnis der Behandlungsunterlagen zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Einzelfall die Behandlung mit der wissenschaftlich nicht anerkannten Methode der Traditionellen Chinesischen Medizin ausnahmsweise notwendig und angemessen ist. Die vom Beklagten gegen diese amtsärztliche Beurteilung erhobenen Einwände vermag der Senat nicht zu teilen. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, stellte die nunmehr sachbearbeitende Amtsärztin in einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter am 20.05.2010 klar, dass nach dem ständigen Sprachgebrauch bei dem Gesundheitsamt E. die von ihrem Vorgänger verwendete Formulierung („die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin kann als notwendig und angemessen erachtet werden“) eindeutig nicht im vom Beklagten favorisierten relativierenden Sinne zu verstehen ist. Wie die Amtsärztin nachvollziehbar und für den Senat überzeugend in dem Telefongespräch darlegte, bezieht sich diese Formulierung nicht etwa auf das Maß der amtsärztlichen Überzeugung, sondern soll lediglich zum Ausdruck bringen, dass ein Amtsarzt naturgemäß nicht mit letzter Sicherheit beurteilen kann, ob noch weitere schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen. Jedoch konnte auch die nunmehr zuständige Amtsärztin nach Durchsicht der vorhandenen Unterlagen bestätigen, dass jedenfalls sämtliche gängigen antirheumatischen Behandlungsmittel von der Ehefrau des Klägers erfolglos angewendet wurden.
36 
Im Ansatz zu Recht weist der Beklagte freilich darauf hin, dass sich das amtsärztliche Gutachten auf den Gesundheitszustand im Dezember 2005 bezog, während hier Beihilfeleistungen für Aufwendungen im Zeitraum von Dezember 2006 bis Februar 2007 in Rede stehen. Den vom Kläger vorgelegten Behandlungsberichten der Klinik Am S. vom 13.07.2007 und 21.11.2008 lässt sich jedoch eindeutig entnehmen, dass sich unter der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin zwar die Beschwerden der Ehefrau des Klägers nachhaltig gebessert haben, die Fortsetzung der Behandlung jedoch auch zum maßgeblichen Leistungszeitraum medizinisch unzweideutig indiziert war. Eine weitere Aufklärung des Gesundheitszustandes und der Notwendigkeit der Behandlung zum maßgeblichen Leistungszeitraum war vor allem deshalb nicht geboten, weil die Amtsärztin - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert - eine ergänzende Begutachtung wegen des nunmehr abgelaufenen Zeitraumes für zu spekulativ und deshalb aus medizinischen Gründen nicht angemessen hält. Auch für den Senat ist vor diesem Hintergrund ohne Weiteres nachzuvollziehen, dass ein Amtsarzt selbst bei Auswertung der vorhandenen Behandlungsunterlagen keine Begutachtung für einen mehrere Jahre zurückliegenden Leistungszeitraum vornehmen kann.
37 
Unabhängig davon, dass dem geltenden Beihilferecht eine Erfolgsabhängigkeit fremd ist, hat der Amtsarzt im Übrigen bestätigt, dass die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin bei der Ehefrau des Klägers sich als wirksam erwiesen habe und deshalb ein Verzicht auf teurere schulmedizinische Medikamente möglich gewesen sei. Danach ist es - wenn nicht sogar geboten - jedenfalls aber nicht zu beanstanden, wenn ein verantwortungsbewusster Arzt an dieser Behandlungsmethode - die das Landesamt hier im Übrigen in der Vergangenheit mit Beihilfeleistungen gefördert hat - festhält.
38 
e) Unerheblich ist deshalb für die vorliegende Fallgestaltung, ob nach dem Stand der Wissenschaft die begründete Aussicht für eine wissenschaftliche Anerkennung der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin für die bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten Krankheiten besteht.
39 
Eine solche Aussicht erscheint im Übrigen nicht ausgeschlossen, da nach dem zutreffenden Sachvortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 15.12.2008 die Traditionelle Chinesische Medizin bereits an zahlreichen deutschen medizinischen Fakultäten angewendet wird und in diesem Rahmen auch klinische Wirksamkeitsuntersuchungen durchgeführt werden. Ferner bestehen intensive Kooperationen von die traditionelle chinesische Medizin anwendenden niedergelassenen Ärzten und stationären klinischen Einrichtungen mit medizinischen Hochschulen, die ebenfalls eine wissenschaftliche Evaluierung der Methode zum Ziel haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann.
40 
Nach alldem war die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
42 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
43 
Beschluss vom 26. Juli 2010
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 183,88 EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für die Präparate „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ und „Medyn“.
Seine u.a. auch darauf gerichteten Anträge wurden mit Bescheiden des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und vom 14.12.2005 sowie Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006, mit Bescheiden vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 sowie Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 abgelehnt.
Auf seine bereits am 05.05.2006 erhobene Klage hin hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beklagten mit Urteil vom 09.05.2007 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 28,91 EUR nebst Prozesszinsen zu gewähren. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 wurden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die bezüglich der Bescheide vom 06.07.2005, vom 14.12.2005, vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006, vom 28.08.2006 sowie der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2006 und vom 28.09.2006, soweit darin beantragte Beihilfeleistungen abgelehnt würden, zulässige Klage sei insoweit begründet, als dem Kläger in den Bescheiden vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 Beihilfeleistungen zu dem Präparat „Medyn“ abgelehnt worden seien; sie sei unbegründet im Hinblick auf die Ablehnung von Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein und Zeaxanthin Formula“. Die geltend gemachten Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ seien beihilfefähig. Zwar könne ein Vitaminpräparat wie „Medyn“, das im Wesentlichen die Vitamine B6, Folsäure und B12 enthalte, ein Mittel sein, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, indem es die Nahrung um für den Köper notwendige Vitamine ergänze. Jedoch sei „Medyn“ dem Kläger nicht maßgeblich zur Nahrungsergänzung (oder gar zum Ersatz für Nahrungsmittel) verschrieben worden. Ausweislich des vorgelegten Rezepts habe die den Kläger behandelnde Ärztin das Präparat „zur Vermeidung erhöhter Homocysteinwerte“ verschrieben. Es sei danach davon auszugehen, dass beim Kläger überhöhte Homocysteinwerte im Blut festgestellt worden seien. Bei der danach vorliegenden Indikation komme „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts zur Anwendung, ohne zugleich Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der in die mündliche Verhandlung eingeführten Produktbeschreibung diene „Medyn“ zur Senkung erhöhter Homocysteinwerte bedingt durch Vitaminmangel. Die in „Medyn“ enthaltenen Vitamine sollten sonach nicht typische Nahrungsbestandteile - wie es Vitamine seien - ergänzen bzw. sogar ersetzen, sondern einen normabweichenden Zustand bekämpfen. Die DACH-Liga Homocystein, ein Zusammenschluss deutscher, österreichischer und schweizerischer Wissenschaftler, empfehle die Substitution von B-Vitaminen zur Senkung erhöhter Homocysteinspiegel, weil der Zusammenhang von erhöhten Homocysteinspiegeln mit einem gesteigerten Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen als gesichert gelte. Diene „Medyn“ nach der Zweckbestimmung des Herstellers und auch im vorliegenden Fall der Senkung erhöhter Homocysteinwerte, komme es danach - als ärztlich verordnetes Arzneimittel - „aus Anlass einer Krankheit“ zum Einsatz. Denn ein erhöhter Homocysteinspiegel stelle mit der dadurch gegebenen Risikosteigerung für kardiovaskuläre Erkrankungen einen regelwidrigen Zustand des Körpers dar, der der ärztlichen Behandlung bedürfe. An der Charakterisierung von „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften ändere es nichts, dass möglicherweise bei ansonsten gesunden Menschen eine spezifische Zufuhr der in „Medyn“ enthaltenen Vitamine durch eine besonders eingestellte Ernährung zu erreichen sei.
Zu einem anderen Ergebnis sei die Kammer hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gekommen. Hier handle es sich nicht um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung. Zwar solle auch dieses Präparat nach dem Vorbringen des Klägers und der hierzu vorliegenden Verordnung zur Bekämpfung einer Krankheit, der Makuladegeneration, eingesetzt werden, einer Erkrankung, für die es gegenwärtig keine effektiven schulmedizinischen Behandlungsansätze gebe. Jedoch stehe der Einordnung als Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung hier schon die vom Hersteller des Präparats angegebene Zweckbestimmung des Mittels entgegen. Nach der dem Schriftsatz des Beklagten vom 26.06.2006 beigefügten englischsprachigen Produktbeschreibung handle es sich um ein Präparat, das neben den Bestandteilen Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten seien, auch verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) sowie weitere Bestandteile (z.B. Zink und Selen) enthalte. Nach der Produktbeschreibung diene das Mittel der Vorbeugung von Mangelzuständen und zur Erhaltung der Augengesundheit. Zwar sei auch das Risiko einer Makuladegeneration (AMD) erwähnt, jedoch bringe der Hersteller das genannte Mittel nicht als Arzneimittel, d.h. zu Heilzwecken, in den Handel. Nach seiner ausdrücklichen Kennzeichnung handele es sich vielmehr um ein „dietary supplement“, was am ehesten mit „Nahrungsergänzungsmittel“ zu übersetzen sei. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten seien, sei die Erhaltung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung werde aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. Die spezifische Zwecksetzung ändere nichts daran, dass es sich um in der natürlichen Nahrung enthaltene Stoffe handle, die dazu bestimmt seien, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Es handle sich eher um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und sei sonach nicht als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts einzustufen.
Hinsichtlich der Gewährung von Beihilfe für die genannten Präparate hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen, die der Kläger am 13.07.2007 und der Beklagte am 16.07.2007 eingelegt hat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm Beihilfe zu den Aufwendungen für das Arzneimittel „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ nebst 5% Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit zu gewähren und die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und 14.12.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sowie die Bescheide vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, das Arzneimittel „Medyn“ sei ihm erstmals vor zwei Jahren verschrieben worden. Hierfür habe es zwei Gründe gegeben, von denen einer sogar auf dem Rezept vermerkt worden sei. Zum einen habe ein überhöhter Homocysteinspiegel vermieden und auf diese Weise das bei ihm bestehende Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko reduziert werden sollen, daneben seien bei ihm sämtliche Gelenke schwer angeschlagen. Dieser Umstand führe zu einem weit höheren Bedarf an Vitaminen der B-Gruppe als dies bei normalen gesunden Personen der Fall sei. Der gesamte Vortrag des Beklagten gehe schon deshalb ins Leere, weil mit Hilfe dieses Arzneimittels genau das geschehen solle, was der Beklagte zu vermissen scheine, nämlich die Bekämpfung eines besonders schwerwiegenden Krankheitszustands. Am 08.09.2003 sei bei ihm der Homocysteinspiegel zum ersten Mal ermittelt worden. Das Ergebnis sei 10,8 gewesen. Einige Zeit danach sei bei ihm mit der Medyn-Behandlung begonnen worden. Trotz der langjährigen Einnahme sei der am 15.04.2008 erstmals wieder getestete Wert nur auf 10,1 zurückgegangen. Etwa im August habe er sich dazu entschlossen, um möglicherweise dem Streit mit dem Beklagten ein Ende zu machen, eine Zeitlang auf die Einnahme von Medyn zu verzichten. Dies habe jedoch dazu geführt, dass am 31.10.2008 ein Wert von 14,2 festgestellt worden sei. Nach Wiederaufnahme der Medyneinnahme habe sich am 12.03.2009 immer noch ein viel zu hoher Wert von 13,8 ergeben. Bei Medyn handle es sich um ein zugelassenes Arzneimittel. Die Frage der medizinischen Indikation müsse allein und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt werden und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren. Wenn der behandelnde Arzt die Behandlung mit Medyn als indiziert angesehen habe, müsse dies schon deswegen respektiert werden, weil er dies aus therapeutischen Gründen für geboten gehalten habe, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, ihn nicht ordnungsgemäß behandelt zu haben. Das in einem Parallelverfahren vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. K. sei nicht verwertbar. Er beziehe sich auch auf ein Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009, auf ein Gutachten von Prof. Dr. B. über die Bedeutung des erhöhten Homocysteins im Blut, eine aktuelle Publikation von Prof. Dr. H. über die neue Bewertung des Nutzens einer Homocysteinsenkung mit B-Vitaminen mit dem Fazit, dass die Einnahme von B-Vitaminen in Präventionsstudien zu einer signifikanten Reduktion von Schlaganfällen geführt habe, einen englischsprachigen Artikel zur Supplementierung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 und einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Zeitschrift Perfusion 09/2007. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der drei Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere, und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten sei unbrauchbar.
10 
Es sei abwegig, „I Caps“ als Lebensmittel zu behandeln; es sei auch kein Nahrungsergänzungsmittel. „I Caps“ werde von ihm zu Heilungszwecken eingenommen und nicht zur Ernährung oder zum Genuss. Dieser Zweckbestimmung stehe nicht entgegen, dass „I Caps“ von der Produktbeschreibung her als apothekenpflichtiges Nahrungsergänzungsmittel angeboten werde. Maßgeblich für den Charakter eines Präparats als Arzneimittel sei nicht der Verwendungswille des Patienten oder des Produzenten, sondern die eindeutige medizinische Indikation des verordneten Gegenstandes. Schon deshalb scheide eine Anwendung der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NEM) auf die hier streitgegenständlichen Arzneimittel aus. § 1 NEM bestimme unter Nr. 1, dass ein Nahrungsergänzungsmittel dazu bestimmt sein müsse, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Dieser Zweck sei in den hier streitgegenständlichen Fällen nicht gegeben. Weiter fordere § 4 Abs. 1 NEM eine Kennzeichnung der Nahrungsergänzungsmittel mit „NEM“, was weder bei „I Caps“ noch bei „Medyn“ der Fall sei. Laut § 4 Abs. 2 Nr. 4 NEM müsse jedes Nahrungsergänzungsmittel den Hinweis enthalten, dass dieses kein Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung sei. Auch dies sei hier nicht der Fall. Des Weiteren enthalte die Nahrungsergänzungsmittelverordnung in zwei Anlagen die Aufzählung sämtlicher Stoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt nur enthalten sein dürften. In beiden Anlagen würden die Hauptbestandteile der „I Caps“, nämlich die Substanzen Lutein und Zeaxanthin, nicht genannt. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. LFGB sei es verboten, einem Lebensmittel den Anschein eines Arzneimittels zu geben. Nach § 12 LFGB sei bei Lebensmitteln jegliche krankheitsbezogene Werbung verboten, insbesondere schriftliche Angaben, die dazu anreizten, Krankheiten mit Lebensmitteln zu behandeln. Beide Hersteller würden sich durch das In-Verkehr-Bringen von „Medyn“ und „I Caps“ strafbar machen, wenn sie ein Lebensmittel zwecks Behandlung von Krankheiten in den Verkehr gebracht hätten. Diese Präparate seien auch nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Im Übrigen sei es Aufgabe des Beklagten, darzulegen, welche Güter des täglichen Bedarfs von 100% der Bevölkerung täglich angewendet würden, die durch die hier streitgegenständlichen Arzneimittel zu ersetzen wären. Dies sei nicht geschehen. Im Übrigen sei durch Ernährungsmaßnahmen eine wirksame Einflussnahme auf die bestehenden Krankheiten nicht mehr möglich. Als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter habe er ohnehin keine Möglichkeit, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
13 
Er macht geltend, der Kläger habe keinen Anspruch auf Beihilfe für „Medyn“. Das Verwaltungsgericht gehe fälschlicherweise vom Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte beim Kläger aus. Die Aussage der Ärztin, dass durch die Verordnung von „Medyn“ überhöhte Homocysteinwerte vermieden werden sollten, lasse gerade nicht den Schluss zu, dass bereits überhöhte Homocysteinwerte festgestellt worden seien. Zur Gesundheitsvorsorge seien jedoch nach dem allenfalls in Betracht kommenden § 10 Abs. 3 Nr. 3 BVO lediglich ambulante ärztliche Leistungen und nicht schriftlich verordnete Arzneimittel beihilfefähig. Auch bei Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte bestehe keine Beihilfefähigkeit. Ein erhöhter Homocysteinwert sei keine Krankheit im Sinne der Beihilfevorschriften. „Medyn“ enthalte im Übrigen ausschließlich Inhaltsstoffe, die auch in der Nahrung enthalten seien, und falle als Nahrungsergänzungsmittel nicht unter den beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff, sondern diene der Vermeidung von Nährstofflücken und sei damit ein Mittel, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Dies gelte auch für „I Caps“. Das Präparat sei nicht verschreibungspflichtig und werde auch nicht in der „Roten Liste“ geführt. Auch die Tatsache, dass das Erfordernis einer solchen „besonderen Ernährung“ krankheitsbedingt sein und dem Lebensmittel von daher „heilende“ Wirkung zukommen könne, ändere grundsätzlich nichts an seinem Lebensmittelcharakter. Den Nachweis, dass der Kläger an einem Vitaminmangel leide, der durch entsprechende Ernährung nicht behoben werden könne, habe er nicht erbracht. Selbst wenn es sich bei dem Mittel „I Caps“ um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung handeln würde, wäre das Mittel nicht beihilfefähig, da es ausweislich der Produktbeschreibung des Herstellers nicht der Behandlung einer Krankheit, sondern der Erhaltung der Augengesundheit diene. Somit diene das Mittel der Gesundheitsvorsorge und sei nach § 10 BVO nicht beihilfefähig. Für beide Präparate fehle es auch an der wissenschaftlichen Anerkennung und damit an der Notwendigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
14 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. K. vom 20.07.2009 verwiesen.
15 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. November 2009 – 12 K 414/08 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Frage der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für ein Mittel zur Andickung von Flüssigkeiten („Thick & Easy“).
Der Sohn des beihilfeberechtigten Klägers leidet an einer schweren hypoxisch-ischämischen Encephalopathie nach cardiogenem Schock. Daher hat er Probleme bei der Nahrungsaufnahme (Dysphagie). Für ihn besteht ein Beihilfebemessungssatz von 80%.
Ein als „Widerspruch“ bezeichnetes Schreiben des Klägers vom 19.10.2007 legte der Beklagte unwidersprochen als Antrag auf Beihilfe für Gesamtaufwendungen in Höhe von 359,91 EUR für das seinem Sohn verordnete Andickungsmittel „Thick & Easy“ aus.
Mit Beihilfebescheid vom 8.11.2007 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg die beantragte Beihilfe für Aufwendungen für das Präparat „Thick & Easy“ ab. Es handle es sich hierbei nicht um ein Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger unter dem 13.11.2007 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8.1.2008 wies das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte es aus: Das Präparat „Thick & Easy“ sei nicht in der Liste der zugelassenen Fertigarzneimittel (Rote Liste) oder im Pharmaindex (Gelbe Liste) enthalten. Nahrungsergänzungsmittel seien keine Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts und somit grundsätzlich nicht beihilfefähig. Würden jedoch vitamin- und/oder mineralstoffhaltige Nahrungsergänzungsmittel ärztlich verordnet, so seien die Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel dann beihilfefähig, wenn eine der Voraussetzungen für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Vitaminpräparate oder Mineralstoffpräparate (entsprechend den Regelungen der Arzneimittelrichtlinien, dort unter Nr. 20.2 g und h) vorliege. Da in Andickungsmitteln jedoch keine Vitamine oder Mineralstoffe enthalten seien, könnten sie auch bei großzügiger Betrachtung nicht als Arzneimittel angesehen werden. Andickungsmittel sei auch nicht dem Bereich „vollbilanzierte“ oder „chemisch definierte Formeldiäten“ zuzuordnen, für die bei bestimmten Krankheitsbildern eine Beihilfe gewährt werden könne.
Am 4.2.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Aufwendungen für das Verdickungsmittel seien sowohl dem Grunde nach notwendig als auch der Höhe nach angemessen. Zwar sei ein Verdickungsmittel in § 6 der Beihilfeordnung nicht genannt. Jedoch sei § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO zu entnehmen, dass verordnete Arznei- und Verbandsmittel ebenfalls beihilfefähig seien. Auch wenn das Mittel „Thick & Easy“ formell nicht als Arzneimittel anerkannt werde, stelle es sich aufgrund der dargelegten Wirkungsart als ein Arzneimitteln ähnliches Mittel dar. Es habe bei dem Sohn des Klägers die gleiche Funktion wie die alternativ mögliche enterale Ernährung. Bei objektiver Betrachtung sei zu berücksichtigen, dass ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch die Versorgung mit enteraler Ernährung wesentlich schwerwiegender sei als die Ernährungsmöglichkeit mit Hilfe des begehrten Verdickungsmittels. Letztlich liege daher ein notstandsähnlicher Fall vor, der die Versorgung mit dem Verdickungsmittel „Thick & Easy“ begründe, obwohl dieses kein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes sei. Das Verdickungsmittel „Thick & Easy“ sei jedoch als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne zu verstehen. Denn unter Berücksichtigung der vom Hersteller angegebenen Zweckbestimmung diene das Instant-Andickungsmittel zur sicheren Ernährung bei Schluckstörungen (Dysphagie) und zur Unterstützung beim Schlucktraining. Schließlich wirke das begehrte Verdickungsmittel beim Sohn des Klägers als arzneimittelähnliches Produkt, indem es dafür sorge, dass dieser ohne großen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der ansonsten für die enterale Ernährung notwendig wäre, ernährt werden könne. Es handle sich um ein Produkt für Dysphagiepatienten und werde gerade nicht im täglichen Leben zur Bedarfsdeckung eines gesunden Menschen verwendet.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Zur Begründung hat er vorgetragen: Das Präparat „Thick & Easy“ sei kein beihilfefähiges Arzneimittel, sondern ein Mittel, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Für den Begriff des Arzneimittels könne auf die allgemeine Definition in § 2 AMG zurückgegriffen werden. Danach seien unter Arzneimitteln Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt seien, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper u. a. Krankheiten, Leiden, Körperschäden und krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Keine Arzneimittel seien gemäß der Abgrenzung in § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 LFGB. § 2 Abs. 2 LFBG verweise auf die Definition des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, wonach Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse seien, die dazu bestimmt seien oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden könne, dass sie in verarbeiteten, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen aufgenommen werden. Das streitgegenständliche Präparat sei weder auf der Roten noch auf der Gelben Liste aufgeführt. Weiterhin richte sich die Einstufung und damit die Zweckbestimmung eines Mittels als Arzneimittel nach objektiven Maßstäben. Das streitgegenständliche Präparat werde als Nahrungsergänzungsmittel gehandelt; es enthalte auf rein pflanzlicher Basis modifizierte Maisstärke. Es handle sich um ein Lebensmittel, das dazu bestimmt sei, die Konsistenz flüssiger Lebensmittel so zu verändern, dass sie vom Sohn des Klägers aufgenommen werden könnten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.11.2008 - zugestellt am 28.11.2008 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Das Präparat „Thick & Easy“ sei kein Arzneimittel im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO, sondern ein Lebensmittel. Dies seien alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt seien oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden könne, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen aufgenommen würden. Zu Lebensmitteln zählten auch diätetische Lebensmittel; dies seien nach § 1 Abs. 1 der Diätverordnung Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt seien. Darunter fielen gemäß § 1 Abs. 4 a Diätverordnung auch diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten); dies seien Erzeugnisse, die für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt seien. Unter diesen sehr weiten Lebensmittelbegriff falle das Produkt „Thick & Easy“, da es ersichtlich dazu bestimmt ist, von Menschen verzehrt zu werden. Nicht zu den Lebensmitteln gehörten nach Art. 2 Satz 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Arzneimittel. Entscheidend für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel sei seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten Verbraucher darstelle. Die Bestimmung des Verwendungszwecks erschließe sich aus einer Reihe von Umständen, insbesondere der stofflichen Zusammensetzung des Präparats, seiner Aufmachung, der Art und Form der Einnahme und der Vertriebsweise. Dabei komme es zum einen nicht darauf an, ob das Produkt eine erwartete therapeutische Wirkung tatsächlich habe oder haben könne und zum anderen auch nicht darauf, ob es ausdrücklich als Arzneimittel bezeichnet sei, sondern darauf, ob es schlüssig, dann aber mit Gewissheit den Eindruck erwecke, hauptsächlich Heilzwecken zu dienen. Für die beihilferechtliche Einordnung als Arzneimittel sei insbesondere die vom Hersteller angegebene Zweckbestimmung des Mittels maßgebend.
Nach diesen Kriterien stelle sich das Mittel „Thick & Easy“ nicht als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne dar. Nach seiner objektiven Zweckbestimmung, nach seiner stofflichen Zusammensetzung, seiner Aufmachung diene es nicht hauptsächlich Heilzwecken. Nach der Produktbeschreibung werde es der Produktgruppe „Ergänzende Trinknahrungen/Zusatznahrungen“ zugeordnet. Von der Zusammensetzung her handle es sich um „modifizierte Maisstärke (E 1442), Maltodextrin“. Für den Lebensmittelcharakter des Präparats spreche weiter die in der Produktbeschreibung enthaltene Zweckbestimmung „zum Andicken warmer und kalter Getränke, pürierter Gerichte, von Fresenius Kabi Trinknahrungen“. Hieraus ergäben sich keine therapeutischen Wirkaussagen, vielmehr diene das Mittel - jedenfalls ganz überwiegend - der Nahrungsaufnahme insbesondere durch Personen, die an Schluckstörungen litten.
10 
Das Produkt falle auch nicht unter den Begriff des Funktionsarzneimittels. Hiernach seien Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden könnten, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Erforderlich sei eine wirkliche Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers und eine nennenswerte Auswirkung auf den Stoffwechsel. Nach seiner Produktbeschreibung und der sich hieraus ergebenden Zweckbestimmung erfülle das Mittel „Thick & Easy“ diese Bedingung nicht. Denn es diene allein der Herstellung einer bestimmten Nahrungskonsistenz, damit diese von Personen, die an Schluckstörungen litten, aufgenommen werden könne. Irgendeine Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers und eine nennenswerte Auswirkung auf den Stoffwechsel sei damit nicht verbunden.
11 
Das Präparat könne auch nicht als sonstiges Mittel unter die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO subsumiert werden. Hierbei müsse es sich um Mittel handeln, die Arznei- oder Verbandsmitteln gleichstünden. Auch unter Berücksichtigung der Formulierung „und dergleichen“ könnten danach Produkte, die nach ihrer überwiegenden Zweckbestimmung nicht Heilzwecken dienten bzw. keine Funktionsarzneimittel seien, nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO beihilfefähig sein. Auf die Frage, ob das Mittel „Thick & Easy“ geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, komme es nach alledem nicht mehr an. Es treffe im Übrigen auch nicht zu, dass das Mittel die „gleichen Funktionen wie die alternativ mögliche enterale Ernährung“ habe. Ein Mittel, das zur Herstellung einer bestimmten Konsistenz der Nahrung diene, könne nicht mit der enteralen Ernährung verglichen werden.
12 
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Kläger fristgerecht vor, bei dem Produkt „Thick & Easy“ handle es sich um ein Mittel, das nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO („und dergleichen“) zu klassifizieren sei. Es handle sich um ein Produkt ähnlich einem Hilfsmittel, durch dessen Einsatz der Sohn des Klägers überhaupt erst essen könne. Es ermögliche somit den Transport der Nahrung. Aufgrund seiner objektiven Zweckbestimmung sei es in seiner Wirkweise mit der Sonde bei enteraler Ernährung zu vergleichen, welche die Nahrungsaufnahme erst ermögliche und die der Leistungspflicht des Beklagten unterliege. „Thick & Easy“ sei daher auch als Funktionsarzneimittel anzusehen. Auch nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland Pfalz komme es weder darauf an, dass ein eingesetztes Produkt als Arzneimittel zugelassen sei, noch darauf, ob es einen pharmakologischen Bestandteil enthalte. Maßgeblich im beihilferechtlichen Sinne sei vielmehr der überwiegende Zweck, dem das Mittel nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung zu dienen bestimmt sei. Dabei knüpfe die Verkehrsauffassung regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die wiederum davon abhänge, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach hätten. Zudem sei der Anspruch des Klägers auch aus Angemessenheitsgesichtspunkten heraus begründet. Die Produkte für die Sondennahrung bei einer enteralen Ernährung seien um ein vielfaches teurer als die Versorgung mit den begehrten Mitteln. Außerdem sei der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch eine enterale Ernährung wesentlich belastender. Gemäß Art. 7 Abs. 2 UN-Behindertenrechtskonvention sei bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen beträfen, das Wohl des Kindes ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Es handle sich auch nicht um ein Lebensmittel, denn es werde nicht zur Ernährung des Sohns des Klägers benötigt, sondern es sei das Hilfsmittel, damit er überhaupt essen könne. Sein Zweck liege nicht in der Ernährung des Kindes als verwertbarer Nahrungsbestandteil, sondern als Transportmittel, um die sichere Ernährung hinsichtlich Schluckstörungen (Dysphagie) und Aspirationspneumonie zu gewährleisten.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. November 2008 - 12 K 414/08 - zu ändern, den Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 8. November 2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihm für Aufwendungen für das Mittel „Thick & Easy“ Beihilfe in Höhe von 287,93 EUR zu gewähren.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er ist der Auffassung, das Präparat „Thick & Easy“ sei weder unter dem Begriff des Präsentationsarzneimittels noch unter den Begriff des Funktionsarzneimittels einzuordnen. Es diene nicht zu Heilzwecken, da es keinerlei therapeutische Wirkung entfalte, so dass es nicht als Arzneimittel anzusehen sei. Vielmehr falle es unter den Lebensmittelbegriff, da es dazu bestimmt sei, von Menschen verzehrt zu werden. Das Verwaltungsgericht habe darüber hinaus zu Recht erkannt, dass das streitgegenständliche Präparat auch nicht unter § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO subsumiert werden könne, da mit der Formulierung „Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen“ nicht die Möglichkeit eröffnet sei, sämtliche Produkte mit irgendeiner therapeutischen Zwecksetzung für beihilfefähig zu erklären. Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, das Produkt sei ein Hilfsmittel, sei dies in sich unschlüssig, da er zugleich behaupte, es sei als Funktionsarzneimittel anzusehen. Das Präparat falle auch nicht unter den Begriff des Heilmittels im beihilferechtlichen Sinn, da diese in der Anlage zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BVO abschließend aufgeführt seien. Der Vortrag in Bezug auf den Vergleich mit der enteralen Ernährung sei nicht relevant und folglich nicht zu berücksichtigen.
18 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
19 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten (1 Heft) und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 12 K 414/08 - vor. Diese Akten sind wie die Prozessakte Gegenstand der Entscheidung; wegen der näheren Einzelheiten wird hierauf ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), denn er hat keinen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für das Andickungsmittel „Thick & Easy“ für seinen Sohn. Der Senat macht sich hierbei ausdrücklich die Gründe der angefochtenen Entscheidung zu Eigen und verweist auf diese (§ 130b Satz 2 VwGO). Ergänzend ist auszuführen:
21 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.2.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
22 
Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus (hierzu und zum folgenden grundlegend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 -). Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.5.1996 - 2 C 5.95 - ZBR 1996, 314).
23 
Unter Arzneimitteln im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.7.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.5.2009 - 3 C 5.09 - NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 8.7.2004 - 11 ME 12/04 - NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 - Juris).
24 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.4.1993 - 3 B 92.3836 - ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.5.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 - DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 - ZBR 2006, 203).
25 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
26 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-387/99 - Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
27 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Präparat „Thick & Easy“ kein Arzneimittel, sondern ein Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel. Es dient nicht Heilzwecken und es entfaltet auch keine therapeutische Wirkung im eigentlichen Sinne. Eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers findet nicht statt. Es enthält keinen Wirkstoff, der durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen soll, und führt auch zu keiner Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers oder zu einer nennenswerten Auswirkung auf den Stoffwechsel. Nach der bei den Beihilfeakten befindlichen Produktbeschreibung (vgl.http://www.prodiaet-server.de/site/produkt.php?show=FRE-014) besteht es aus modifizierter Maisstärke, Maltodextrin, also einem gewöhnlichen Nahrungsbestandteil. Diese Zusammensetzung - ohne jeden pharmazeutischen Wirkstoff - spricht eindeutig gegen den Arzneimittelcharakter des Präparats. Auch nach der Produktbeschreibung des Herstellers Fresenius wird es der Produktgruppe „Ergänzende Trinknahrungen/Zusatznahrungen“ und nicht etwa den Arzneimitteln zugeordnet. Es dient allein zum Andicken warmer und kalter Getränke, pürierter Gerichte sowie von Fresenius Kabi Trinknahrungen, damit diese von Personen, die an Schluckstörungen leiden, aufgenommen werden können. Lassen die Angaben des Herstellers jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten vermissen und enthält das Präparat ausschließlich einen gewöhnlichen Nahrungsbestandteil wie hier modifizierte Maisstärke, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn zudem keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnte. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
28 
Wie das Verwaltungsgericht ist daher auch der Senat der Auffassung, dass das Präparat „Thick & Easy eher mit einem diätischen Lebensmittel als mit einem Arzneimittel vergleichbar ist. Nach § 2 Abs. 2 LFGB, der auf Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verweist, sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu Lebensmitteln zählen auch diätetische Lebensmittel; dies sind nach § 1 Abs. 1 der Diätverordnung (vom 28.4.2005; BGBl. I S. 1161) Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Darunter fallen gemäß § 1 Abs. 4 a Diätverordnung auch diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten); dies sind Erzeugnisse, die auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sind.
29 
Das Präparat Thick & Easy kann auch nicht als sonstiges Mittel unter die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO a.F. subsumiert werden („und dergleichen“). Wie schon das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, soll mit der Formulierung „Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen“ nicht die Möglichkeit eröffnet werden, sämtliche Produkte mit irgendeiner therapeutischen Zwecksetzung für beihilfefähig zu erklären. Auch hiernach sind Produkte, die keinen Heilzwecken dienen und auch objektiv keine Funktionsarzneimittel sind, nicht beihilfefähig. Ebenfalls zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des Klägers das Mittel „Thick & Easy“ nicht die gleiche Funktion wie eine (beihilfefähige) enterale Ernährung erfüllt, die in bestimmten Fällen medizinisch notwendig sein kann.
30 
Schließlich lässt sich aus Art 7 Abs. 2 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNBehRÜbk) schon deshalb nichts zu Gunsten des Klägers ableiten, weil diese erst seit dem 26.3.2009 in Deutschland geltendes Recht ist (vgl. Kurzke-Maasmeier, SozArb 2010,2; Fuchs, DÄ 2009, A 2506).
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
32 
Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würden, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
33 
Beschluss vom 23. Februar 2010
34 
Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3 GKG unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszügeauf je 287,93 EUR festgesetzt. Anders als vom Verwaltungsgericht zugrundegelegt, besteht für den Sohn des Klägers ein Beihilfebemessungssatz von 80 %. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war daher entsprechend zu ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).
35 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
20 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), denn er hat keinen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für das Andickungsmittel „Thick & Easy“ für seinen Sohn. Der Senat macht sich hierbei ausdrücklich die Gründe der angefochtenen Entscheidung zu Eigen und verweist auf diese (§ 130b Satz 2 VwGO). Ergänzend ist auszuführen:
21 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.2.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
22 
Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus (hierzu und zum folgenden grundlegend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 -). Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.5.1996 - 2 C 5.95 - ZBR 1996, 314).
23 
Unter Arzneimitteln im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.7.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.5.2009 - 3 C 5.09 - NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 8.7.2004 - 11 ME 12/04 - NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 - Juris).
24 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.4.1993 - 3 B 92.3836 - ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.5.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 - DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 - ZBR 2006, 203).
25 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
26 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-387/99 - Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
27 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Präparat „Thick & Easy“ kein Arzneimittel, sondern ein Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel. Es dient nicht Heilzwecken und es entfaltet auch keine therapeutische Wirkung im eigentlichen Sinne. Eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers findet nicht statt. Es enthält keinen Wirkstoff, der durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen soll, und führt auch zu keiner Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers oder zu einer nennenswerten Auswirkung auf den Stoffwechsel. Nach der bei den Beihilfeakten befindlichen Produktbeschreibung (vgl.http://www.prodiaet-server.de/site/produkt.php?show=FRE-014) besteht es aus modifizierter Maisstärke, Maltodextrin, also einem gewöhnlichen Nahrungsbestandteil. Diese Zusammensetzung - ohne jeden pharmazeutischen Wirkstoff - spricht eindeutig gegen den Arzneimittelcharakter des Präparats. Auch nach der Produktbeschreibung des Herstellers Fresenius wird es der Produktgruppe „Ergänzende Trinknahrungen/Zusatznahrungen“ und nicht etwa den Arzneimitteln zugeordnet. Es dient allein zum Andicken warmer und kalter Getränke, pürierter Gerichte sowie von Fresenius Kabi Trinknahrungen, damit diese von Personen, die an Schluckstörungen leiden, aufgenommen werden können. Lassen die Angaben des Herstellers jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten vermissen und enthält das Präparat ausschließlich einen gewöhnlichen Nahrungsbestandteil wie hier modifizierte Maisstärke, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn zudem keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnte. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
28 
Wie das Verwaltungsgericht ist daher auch der Senat der Auffassung, dass das Präparat „Thick & Easy eher mit einem diätischen Lebensmittel als mit einem Arzneimittel vergleichbar ist. Nach § 2 Abs. 2 LFGB, der auf Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verweist, sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu Lebensmitteln zählen auch diätetische Lebensmittel; dies sind nach § 1 Abs. 1 der Diätverordnung (vom 28.4.2005; BGBl. I S. 1161) Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Darunter fallen gemäß § 1 Abs. 4 a Diätverordnung auch diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten); dies sind Erzeugnisse, die auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sind.
29 
Das Präparat Thick & Easy kann auch nicht als sonstiges Mittel unter die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO a.F. subsumiert werden („und dergleichen“). Wie schon das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, soll mit der Formulierung „Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen“ nicht die Möglichkeit eröffnet werden, sämtliche Produkte mit irgendeiner therapeutischen Zwecksetzung für beihilfefähig zu erklären. Auch hiernach sind Produkte, die keinen Heilzwecken dienen und auch objektiv keine Funktionsarzneimittel sind, nicht beihilfefähig. Ebenfalls zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des Klägers das Mittel „Thick & Easy“ nicht die gleiche Funktion wie eine (beihilfefähige) enterale Ernährung erfüllt, die in bestimmten Fällen medizinisch notwendig sein kann.
30 
Schließlich lässt sich aus Art 7 Abs. 2 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNBehRÜbk) schon deshalb nichts zu Gunsten des Klägers ableiten, weil diese erst seit dem 26.3.2009 in Deutschland geltendes Recht ist (vgl. Kurzke-Maasmeier, SozArb 2010,2; Fuchs, DÄ 2009, A 2506).
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
32 
Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würden, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
33 
Beschluss vom 23. Februar 2010
34 
Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3 GKG unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszügeauf je 287,93 EUR festgesetzt. Anders als vom Verwaltungsgericht zugrundegelegt, besteht für den Sohn des Klägers ein Beihilfebemessungssatz von 80 %. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war daher entsprechend zu ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).
35 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für die Präparate „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ und „Medyn“.
Seine u.a. auch darauf gerichteten Anträge wurden mit Bescheiden des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und vom 14.12.2005 sowie Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006, mit Bescheiden vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 sowie Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 abgelehnt.
Auf seine bereits am 05.05.2006 erhobene Klage hin hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beklagten mit Urteil vom 09.05.2007 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 28,91 EUR nebst Prozesszinsen zu gewähren. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 wurden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die bezüglich der Bescheide vom 06.07.2005, vom 14.12.2005, vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006, vom 28.08.2006 sowie der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2006 und vom 28.09.2006, soweit darin beantragte Beihilfeleistungen abgelehnt würden, zulässige Klage sei insoweit begründet, als dem Kläger in den Bescheiden vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 Beihilfeleistungen zu dem Präparat „Medyn“ abgelehnt worden seien; sie sei unbegründet im Hinblick auf die Ablehnung von Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein und Zeaxanthin Formula“. Die geltend gemachten Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ seien beihilfefähig. Zwar könne ein Vitaminpräparat wie „Medyn“, das im Wesentlichen die Vitamine B6, Folsäure und B12 enthalte, ein Mittel sein, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, indem es die Nahrung um für den Köper notwendige Vitamine ergänze. Jedoch sei „Medyn“ dem Kläger nicht maßgeblich zur Nahrungsergänzung (oder gar zum Ersatz für Nahrungsmittel) verschrieben worden. Ausweislich des vorgelegten Rezepts habe die den Kläger behandelnde Ärztin das Präparat „zur Vermeidung erhöhter Homocysteinwerte“ verschrieben. Es sei danach davon auszugehen, dass beim Kläger überhöhte Homocysteinwerte im Blut festgestellt worden seien. Bei der danach vorliegenden Indikation komme „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts zur Anwendung, ohne zugleich Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der in die mündliche Verhandlung eingeführten Produktbeschreibung diene „Medyn“ zur Senkung erhöhter Homocysteinwerte bedingt durch Vitaminmangel. Die in „Medyn“ enthaltenen Vitamine sollten sonach nicht typische Nahrungsbestandteile - wie es Vitamine seien - ergänzen bzw. sogar ersetzen, sondern einen normabweichenden Zustand bekämpfen. Die DACH-Liga Homocystein, ein Zusammenschluss deutscher, österreichischer und schweizerischer Wissenschaftler, empfehle die Substitution von B-Vitaminen zur Senkung erhöhter Homocysteinspiegel, weil der Zusammenhang von erhöhten Homocysteinspiegeln mit einem gesteigerten Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen als gesichert gelte. Diene „Medyn“ nach der Zweckbestimmung des Herstellers und auch im vorliegenden Fall der Senkung erhöhter Homocysteinwerte, komme es danach - als ärztlich verordnetes Arzneimittel - „aus Anlass einer Krankheit“ zum Einsatz. Denn ein erhöhter Homocysteinspiegel stelle mit der dadurch gegebenen Risikosteigerung für kardiovaskuläre Erkrankungen einen regelwidrigen Zustand des Körpers dar, der der ärztlichen Behandlung bedürfe. An der Charakterisierung von „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften ändere es nichts, dass möglicherweise bei ansonsten gesunden Menschen eine spezifische Zufuhr der in „Medyn“ enthaltenen Vitamine durch eine besonders eingestellte Ernährung zu erreichen sei.
Zu einem anderen Ergebnis sei die Kammer hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gekommen. Hier handle es sich nicht um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung. Zwar solle auch dieses Präparat nach dem Vorbringen des Klägers und der hierzu vorliegenden Verordnung zur Bekämpfung einer Krankheit, der Makuladegeneration, eingesetzt werden, einer Erkrankung, für die es gegenwärtig keine effektiven schulmedizinischen Behandlungsansätze gebe. Jedoch stehe der Einordnung als Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung hier schon die vom Hersteller des Präparats angegebene Zweckbestimmung des Mittels entgegen. Nach der dem Schriftsatz des Beklagten vom 26.06.2006 beigefügten englischsprachigen Produktbeschreibung handle es sich um ein Präparat, das neben den Bestandteilen Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten seien, auch verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) sowie weitere Bestandteile (z.B. Zink und Selen) enthalte. Nach der Produktbeschreibung diene das Mittel der Vorbeugung von Mangelzuständen und zur Erhaltung der Augengesundheit. Zwar sei auch das Risiko einer Makuladegeneration (AMD) erwähnt, jedoch bringe der Hersteller das genannte Mittel nicht als Arzneimittel, d.h. zu Heilzwecken, in den Handel. Nach seiner ausdrücklichen Kennzeichnung handele es sich vielmehr um ein „dietary supplement“, was am ehesten mit „Nahrungsergänzungsmittel“ zu übersetzen sei. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten seien, sei die Erhaltung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung werde aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. Die spezifische Zwecksetzung ändere nichts daran, dass es sich um in der natürlichen Nahrung enthaltene Stoffe handle, die dazu bestimmt seien, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Es handle sich eher um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und sei sonach nicht als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts einzustufen.
Hinsichtlich der Gewährung von Beihilfe für die genannten Präparate hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen, die der Kläger am 13.07.2007 und der Beklagte am 16.07.2007 eingelegt hat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm Beihilfe zu den Aufwendungen für das Arzneimittel „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ nebst 5% Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit zu gewähren und die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und 14.12.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sowie die Bescheide vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, das Arzneimittel „Medyn“ sei ihm erstmals vor zwei Jahren verschrieben worden. Hierfür habe es zwei Gründe gegeben, von denen einer sogar auf dem Rezept vermerkt worden sei. Zum einen habe ein überhöhter Homocysteinspiegel vermieden und auf diese Weise das bei ihm bestehende Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko reduziert werden sollen, daneben seien bei ihm sämtliche Gelenke schwer angeschlagen. Dieser Umstand führe zu einem weit höheren Bedarf an Vitaminen der B-Gruppe als dies bei normalen gesunden Personen der Fall sei. Der gesamte Vortrag des Beklagten gehe schon deshalb ins Leere, weil mit Hilfe dieses Arzneimittels genau das geschehen solle, was der Beklagte zu vermissen scheine, nämlich die Bekämpfung eines besonders schwerwiegenden Krankheitszustands. Am 08.09.2003 sei bei ihm der Homocysteinspiegel zum ersten Mal ermittelt worden. Das Ergebnis sei 10,8 gewesen. Einige Zeit danach sei bei ihm mit der Medyn-Behandlung begonnen worden. Trotz der langjährigen Einnahme sei der am 15.04.2008 erstmals wieder getestete Wert nur auf 10,1 zurückgegangen. Etwa im August habe er sich dazu entschlossen, um möglicherweise dem Streit mit dem Beklagten ein Ende zu machen, eine Zeitlang auf die Einnahme von Medyn zu verzichten. Dies habe jedoch dazu geführt, dass am 31.10.2008 ein Wert von 14,2 festgestellt worden sei. Nach Wiederaufnahme der Medyneinnahme habe sich am 12.03.2009 immer noch ein viel zu hoher Wert von 13,8 ergeben. Bei Medyn handle es sich um ein zugelassenes Arzneimittel. Die Frage der medizinischen Indikation müsse allein und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt werden und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren. Wenn der behandelnde Arzt die Behandlung mit Medyn als indiziert angesehen habe, müsse dies schon deswegen respektiert werden, weil er dies aus therapeutischen Gründen für geboten gehalten habe, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, ihn nicht ordnungsgemäß behandelt zu haben. Das in einem Parallelverfahren vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. K. sei nicht verwertbar. Er beziehe sich auch auf ein Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009, auf ein Gutachten von Prof. Dr. B. über die Bedeutung des erhöhten Homocysteins im Blut, eine aktuelle Publikation von Prof. Dr. H. über die neue Bewertung des Nutzens einer Homocysteinsenkung mit B-Vitaminen mit dem Fazit, dass die Einnahme von B-Vitaminen in Präventionsstudien zu einer signifikanten Reduktion von Schlaganfällen geführt habe, einen englischsprachigen Artikel zur Supplementierung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 und einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Zeitschrift Perfusion 09/2007. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der drei Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere, und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten sei unbrauchbar.
10 
Es sei abwegig, „I Caps“ als Lebensmittel zu behandeln; es sei auch kein Nahrungsergänzungsmittel. „I Caps“ werde von ihm zu Heilungszwecken eingenommen und nicht zur Ernährung oder zum Genuss. Dieser Zweckbestimmung stehe nicht entgegen, dass „I Caps“ von der Produktbeschreibung her als apothekenpflichtiges Nahrungsergänzungsmittel angeboten werde. Maßgeblich für den Charakter eines Präparats als Arzneimittel sei nicht der Verwendungswille des Patienten oder des Produzenten, sondern die eindeutige medizinische Indikation des verordneten Gegenstandes. Schon deshalb scheide eine Anwendung der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NEM) auf die hier streitgegenständlichen Arzneimittel aus. § 1 NEM bestimme unter Nr. 1, dass ein Nahrungsergänzungsmittel dazu bestimmt sein müsse, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Dieser Zweck sei in den hier streitgegenständlichen Fällen nicht gegeben. Weiter fordere § 4 Abs. 1 NEM eine Kennzeichnung der Nahrungsergänzungsmittel mit „NEM“, was weder bei „I Caps“ noch bei „Medyn“ der Fall sei. Laut § 4 Abs. 2 Nr. 4 NEM müsse jedes Nahrungsergänzungsmittel den Hinweis enthalten, dass dieses kein Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung sei. Auch dies sei hier nicht der Fall. Des Weiteren enthalte die Nahrungsergänzungsmittelverordnung in zwei Anlagen die Aufzählung sämtlicher Stoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt nur enthalten sein dürften. In beiden Anlagen würden die Hauptbestandteile der „I Caps“, nämlich die Substanzen Lutein und Zeaxanthin, nicht genannt. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. LFGB sei es verboten, einem Lebensmittel den Anschein eines Arzneimittels zu geben. Nach § 12 LFGB sei bei Lebensmitteln jegliche krankheitsbezogene Werbung verboten, insbesondere schriftliche Angaben, die dazu anreizten, Krankheiten mit Lebensmitteln zu behandeln. Beide Hersteller würden sich durch das In-Verkehr-Bringen von „Medyn“ und „I Caps“ strafbar machen, wenn sie ein Lebensmittel zwecks Behandlung von Krankheiten in den Verkehr gebracht hätten. Diese Präparate seien auch nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Im Übrigen sei es Aufgabe des Beklagten, darzulegen, welche Güter des täglichen Bedarfs von 100% der Bevölkerung täglich angewendet würden, die durch die hier streitgegenständlichen Arzneimittel zu ersetzen wären. Dies sei nicht geschehen. Im Übrigen sei durch Ernährungsmaßnahmen eine wirksame Einflussnahme auf die bestehenden Krankheiten nicht mehr möglich. Als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter habe er ohnehin keine Möglichkeit, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
13 
Er macht geltend, der Kläger habe keinen Anspruch auf Beihilfe für „Medyn“. Das Verwaltungsgericht gehe fälschlicherweise vom Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte beim Kläger aus. Die Aussage der Ärztin, dass durch die Verordnung von „Medyn“ überhöhte Homocysteinwerte vermieden werden sollten, lasse gerade nicht den Schluss zu, dass bereits überhöhte Homocysteinwerte festgestellt worden seien. Zur Gesundheitsvorsorge seien jedoch nach dem allenfalls in Betracht kommenden § 10 Abs. 3 Nr. 3 BVO lediglich ambulante ärztliche Leistungen und nicht schriftlich verordnete Arzneimittel beihilfefähig. Auch bei Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte bestehe keine Beihilfefähigkeit. Ein erhöhter Homocysteinwert sei keine Krankheit im Sinne der Beihilfevorschriften. „Medyn“ enthalte im Übrigen ausschließlich Inhaltsstoffe, die auch in der Nahrung enthalten seien, und falle als Nahrungsergänzungsmittel nicht unter den beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff, sondern diene der Vermeidung von Nährstofflücken und sei damit ein Mittel, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Dies gelte auch für „I Caps“. Das Präparat sei nicht verschreibungspflichtig und werde auch nicht in der „Roten Liste“ geführt. Auch die Tatsache, dass das Erfordernis einer solchen „besonderen Ernährung“ krankheitsbedingt sein und dem Lebensmittel von daher „heilende“ Wirkung zukommen könne, ändere grundsätzlich nichts an seinem Lebensmittelcharakter. Den Nachweis, dass der Kläger an einem Vitaminmangel leide, der durch entsprechende Ernährung nicht behoben werden könne, habe er nicht erbracht. Selbst wenn es sich bei dem Mittel „I Caps“ um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung handeln würde, wäre das Mittel nicht beihilfefähig, da es ausweislich der Produktbeschreibung des Herstellers nicht der Behandlung einer Krankheit, sondern der Erhaltung der Augengesundheit diene. Somit diene das Mittel der Gesundheitsvorsorge und sei nach § 10 BVO nicht beihilfefähig. Für beide Präparate fehle es auch an der wissenschaftlichen Anerkennung und damit an der Notwendigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
14 
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. K. vom 20.07.2009 verwiesen.
15 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. September 2008 - 12 K 3408/07 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für chinesische Phytotherapeutika.
Der Kläger ist Beamter im Landesdienst des Beklagten und für seine Ehefrau mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Seine Ehefrau leidet an multiplen Erkrankungen, die mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ärztlich behandelt werden. Auf Veranlassung des Landesamtes für Besoldung und Versorgung (im Folgenden: Landesamt) erstattete das Gesundheitsamt bei dem Landratsamt E. am 08.12.2005 ein amtsärztliches Gutachten zur Frage der Notwendigkeit und Angemessenheit der Behandlung der Ehefrau des Klägers mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin. Der Amtsarzt diagnostizierte bei der Ehefrau unter anderem eine rheumatoide Arthritis im Anschluss an ein rheumatisches Fieber, Fibromyalgiesyndrom, Migräne mit häufig lang anhaltenden Kopfschmerzanfällen und seit dem Jahre 2004 Bandscheibenvorfälle im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule; sie sei ein halbes Jahr auf den Rollstuhl angewiesen gewesen, habe Morphinpräparate eingenommen und sich schließlich einer Operation unterziehen müssen. Nachdem die Behandlung mit Antirheumatika und Analgetika keine Besserung gebracht habe, sei die Ehefrau des Klägers mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin behandelt worden, worauf die schulmedizinischen Medikamente mit ihren Nebenwirkungen, insbesondere auch die Morphinpräparate, hätten abgesetzt werden können. Bei der Traditionellen Chinesischen Medizin würden spezielle Pflanzenteile vom Arzt individuell zusammengestellt und dem jeweiligen Krankheitsstand angepasst; es handle sich dabei um apothekenpflichtige Arzneimittel. Aus ärztlicher Sicht könne „in diesem speziellen Fall die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin als notwendig und angemessen erachtet werden“.
In der Folgezeit erstattete das Landesamt die entsprechenden Aufwendungen des Klägers im Rahmen der Beihilfegewährung, zuletzt mit Beihilfebescheid vom 02.02.2007. Mit Schreiben vom 13.02.2007 teilte das Landesamt dem Kläger mit, dass künftig eine Erstattung von Aufwendungen für die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin nicht mehr in Betracht komme.
Mit Formularantrag vom 09.03.2007 begehrte der Kläger unter anderem Beihilfe für die seiner Ehefrau ärztlich verordneten chinesischen Kräutermischungen in Höhe von insgesamt 262,69 EUR. Mit Bescheid vom 26.03.2007 lehnte das Landesamt diese mit dem Hinweis ab, Teemischungen seien keine beihilfefähigen Aufwendungen. Den hiergegen vom Kläger erhobenen Widerspruch wies das Landesamt mit Widerspruchsbescheid vom 16.04.2007 mit der Begründung zurück, Tees oder Teemischungen seien geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und könnten deshalb grundsätzlich nicht als beihilfefähig anerkannt werden.
Der Kläger hat am 18.05.2007 Klage bei dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihm weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 183,88 EUR zu gewähren sowie den Bescheid des Landesamts vom 26.03.2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 16.04.2007 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen. Zur Begründung hat er vorgetragen, die chinesischen Kräutermischungen seien geeignet, schwerste Medikamente zu ersetzen. Sie dienten nicht wie Kräutertees der Ernährung oder dem Genuss, sondern wirkten als Arzneimittel in fein abgestimmten Dosierungen und müssten nach ständiger Rücksprache mit den behandelnden Ärzten eingenommen werden. Die Präparate würden auch nicht wie Tee getrunken, sondern schluckweise über den Tag verteilt eingenommen.
Mit Urteil vom 10.09.2008 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter entsprechender Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, dem Kläger weitere Beihilfe in Höhe von 183,88 EUR zu gewähren. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, bei den ärztlich verordneten chinesischen Kräuteraufgüssen (sog. Dekokte) handle es sich um Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts, welche nicht zugleich geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die Mittel dienten nach ihrer materiellen Zweckbestimmung der Heilung der diagnostizierten multiplen Erkrankungen. Unerheblich sei, dass die streitgegenständlichen Teemischungen in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen seien, da einer derartigen Zulassung lediglich eine Indizwirkung zukomme. Der Einsatz der chinesischen Heilkräutermischungen bei der schulmedizinisch austherapierten Ehefrau des Klägers habe nach ihrer Zweckbestimmung nicht der Ernährung oder der Nahrungsergänzung gedient; vielmehr seien sie hier aufgrund ärztlicher Verordnung und nach der gezielten Zusammenstellung als Arzneimittel zum Einsatz gelangt. Ferner sei ausnahmsweise die Behandlung mit chinesischen Heilkräutern notwendig, obwohl es sich um eine wissenschaftlich bislang nicht anerkannte Heilmethode handle. Der Umstand, dass die Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin nicht bereits nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO i.V.m. Nr. 1.5 und 1.5.1 der Anlage zur BVO von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien, führe nicht dazu, dass die Notwendigkeit ohne weiteres bejaht werden müsse. Vielmehr habe die Beihilfestelle in einer derartigen Fallgestaltung über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Behandlung zu entscheiden, wozu sie begründete medizinische Gutachten einholen könne. Ausweislich des überzeugenden amtsärztlichen Gutachtens vom 08.12.2005 sei die zuvor durchgeführte schulmedizinische Behandlung der Ehefrau des Klägers mit Antirheumatika und Analgetika nicht erfolgreich verlaufen. Der Amtsarzt habe deshalb in diesem speziellen Fall die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin als notwendig und angemessen erachtet. Die Beihilfestelle sei nicht berechtigt, sich ohne tragfähige Gründe in Widerspruch zu dem amtsärztlichen Gutachten zu setzen und für die Zukunft die Erstattung der Aufwendungen auszuschließen.
Mit Beschluss vom 18.12.2008 - dem Landesamt zugestellt am 12.01.2009 - hat der Senat die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zugelassen. Mit einem am 19.01.2009 eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte die Berufung begründet und vorgetragen, das Verwaltungsgericht habe fälschlicherweise die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die der Ehefrau des Klägers verordneten Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin bejaht. Derartige Mittel stellten bereits keine Arzneimittel im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO dar, da ihnen die hierzu erforderliche allgemeine wissenschaftliche Anerkennung fehle. Für die Arzneimitteleigenschaft im Sinne des Beihilferechts sei auf den materiellen Zweckcharakter eines Mittels und damit darauf abzustellen, ob von ihm nach objektiven Maßstäben eine therapeutische Wirkung zu erwarten sei. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, ob die Therapie wissenschaftlich allgemein anerkannt werde oder ob eine solche Anerkennung zumindest zu erwarten sei. Die verordneten Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin könnten bei Anlegung dieses Maßstabs bereits nicht als Arzneimittel angesehen werden, denn wissenschaftliche Äußerungen über ihre Wirkungsweise lägen nicht vor. Unabhängig hiervon seien die verordneten Heilkräutermischungen geeignet, andere Tees und damit Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und deshalb gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO nicht beihilfefähig. Schließlich sei die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin hier nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 BVO, da sie nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft aus ärztlicher Sicht nicht als erforderlich anzusehen sei. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung lasse sich Gegenteiliges nicht dem eingeholten amtsärztlichen Gutachten des Landratsamts E. vom 08.12.2005 entnehmen. Denn der begutachtende Amtsarzt Dr. B. habe gerade nicht attestiert, „dass vorliegend der Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin unbedingt notwendig ist“; vielmehr gehe er davon aus, „dass die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin als notwendig erachtet werden kann“. Ferner betreffe das amtsärztliche Gutachten vom 08.12.2005 nicht die dem streitgegenständlichen Beihilfeantrag vom 09.03.2007 zugrundeliegenden Aufwendungen, sondern sei für einen früheren Leistungsantrag eingeholt worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. September 2008 - 12 K 3408/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil, indem er auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren verweist. Fehl gehe die Erwägung des Beklagten, wonach Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin mangels Anerkennung im medizinischen Schrifttum nicht als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts aufgefasst werden könnten. Das Landesamt übersehe dabei, dass es eine große Anzahl von Fachpublikationen zu diesem Thema gebe. Es handle sich nicht um Mittel der chinesischen Volksmedizin, sondern um Arzneimittel der traditionellen chinesischen Schulmedizin, deren Anwendung an Universitäten nicht nur in China, sondern zunehmend auch in Europa gelehrt und erforscht werde. Gerade auch in Deutschland seien in letzter Zeit klinische Einrichtungen und Universitätslehrstühle zur Erforschung der Traditionellen Chinesischen Medizin eingerichtet worden; auch werde sie von einer großen und weiter wachsenden Zahl von schulmedizinisch ausgebildeten Ärzten ambulant und in beihilfefähigen Kliniken mit Erfolg praktiziert. Der Beklagte verkenne im Übrigen, dass ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit der Traditionellen Chinesischen Medizin mangels Reproduzierbarkeit von Ergebnissen unter gleichen Voraussetzungen nicht im herkömmlichen naturwissenschaftlichen Sinne erbracht werden könne. Vielmehr könne der Wirksamkeitsnachweis - ähnlich wie bei der Homöopathie - nur durch exakte Dokumentationen und Erfahrungsberichte nachgewiesen werden, welche in großer Zahl existierten. Entgegen der Darstellung des Beklagten seien die verordneten Arzneimittel nicht als Güter des täglichen Bedarfs anzusehen. Denn es handle sich um hoch wirksame und teilweise stark toxische Arzneimittel, die bei gesunden Menschen zu schwerwiegenden Reaktionen wie etwa einer Thrombose sowie Herzrhythmusstörungen und Schwindelgefühlen führen könnten. Chinesische Arzneimittel dürften deshalb keinesfalls mit harmlosen Kräutertees verwechselt werden und könnten weder als Nahrungsergänzungsmittel noch als Mittel zur Deckung des Flüssigkeitsbedarfs eingesetzt werden. Was die Notwendigkeit und Angemessenheit der Behandlung im Einzelfall angehe, müsse sich der Beklagte an dem von ihm eingeholten amtsärztlichen Gutachten festhalten lassen. Das Landesamt habe selbst in seiner Gutachtensanforderung vom 02.11.2005 darauf hingewiesen, dass ohne amtsärztliches Gutachten die Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin nicht als beihilfefähig anerkannt werden könnten. Entgegen der Argumentation des Beklagten habe der Amtsarzt die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin für medizinisch notwendig erachtet; die von ihm verwendeten Formulierungen - insbesondere das Wort „kann“ - müssten im Textzusammenhang gesehen werden und dürften nicht isoliert für die Ansicht des Landesamtes herangezogen werden.
13 
Der Berichterstatter des Senats hat die nunmehr zuständige sachbearbeitende Amtsärztin bei dem Gesundheitsamt E. telefonisch am 20.05.2010 ergänzend zu den im amtsärztlichen Gutachten vom 08.12.2005 verwendeten Formulierungen und zur medizinischen Notwendigkeit der durchgeführten Behandlung befragt. Auf den den Beteiligten bekanntgegebenen und in der mündlichen Verhandlung erörterten Aktenvermerk vom 20.05.2010 (AS 109 f. der Senatsakte) wird verwiesen.
14 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und des Landesamts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben; die Versagung der beantragten Beihilfe ist rechtswidrig, denn der Kläger hat Anspruch auf die Bewilligung von Beihilfe für die Behandlung seiner Ehefrau mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin.
16 
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (hier: Dezember 2006 bis Februar 2007) maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17 m.w.N.). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.) sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BVO). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO a.F. sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen unter anderem für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
17 
Bei den der Ehefrau des Klägers ärztlich verordneten chinesischen Kräuterdekokten handelt es sich um Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts (dazu unter 1); auch sind die Kräutermischungen nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (dazu unter 2). Schließlich ist die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin hier auch notwendig und angemessen (dazu unter 3). Zwar handelt es sich um eine derzeit noch nicht wissenschaftlich allgemein anerkannte Heilmethode (3.1). Es liegt jedoch ein Ausnahmefall vor, in welchem der Dienstherr aus Fürsorgegesichtspunkten zur Erstattung der Kosten für eine nicht allgemein anerkannte Methode verpflichtet ist (3.2).
18 
1. Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel“, sondern setzen diesen voraus (hierzu und zum Folgenden grundlegend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.01.2010 - 4 S 1816/07 -, PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.02.2010 - 13 S 2696/09 -, juris). Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 - ZBR 2006, 203).
19 
Unter Arzneimitteln im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Unter den Stoffbegriff im Arzneimittelgesetz fallen unter anderem neben chemischen Elementen und Verbindungen und deren Gemischen sowie Lösungen auch Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzenbestandteile, Algen, Pilze und Flechten in bearbeitetem und unbearbeitetem Zustand (§ 3 Nr. 2 AMG). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Dies sind nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden (d.h. im Sinne der Terminologie des bislang geltenden Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes „verzehrt“ werden); nicht zu den Lebensmitteln gehören danach jedoch Arzneimittel (Art. 2 Abs. 2 d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, juris).
20 
Der Umstand, dass die aus chinesischen Heilkräutern gewonnenen Präparate weder als Arzneimittel registriert sind noch in einer solchen Liste aufgeführt werden, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter im beihilferechtlichen Sinne fehlt. Dies folgt zum einen bereits daraus, dass die genannten Listen jeweils spezielle Zielrichtungen haben (Fertigarzneimittel, homöopathische Liste, Neuheiten etc.) und an der tradierten westlichen Schulmedizin ausgerichtet sind. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die hier in Rede stehenden chinesischen Heilkräuterpräparate scheidet schon deshalb aus, weil es sich um auf Individualrezept vom Pharmazeuten hergestellte Arzneimittel und damit nicht um Fertigarzneimittel gemäß § 4 Abs. 1 AMG handelt; § 21 Abs. 1 AMG sieht eine Zulassungspflicht jedoch lediglich für Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 1 AMG vor. Zum anderen ist nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; Urteil des Senats vom 11.03.2010 - 10 S 3090/08 - PharmR 2010, 300). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
21 
Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung setzt der beihilferechtliche Arzneimittelbegriff darüber hinaus nicht voraus, dass die Therapie wissenschaftlich anerkannt ist oder eine solche Anerkennung zumindest zu erwarten ist. Der auf den materiellen Zweckcharakter eines Präparats abstellende beihilferechtliche Arzneimittelbegriff zwingt nicht dazu, bereits auf dieser Ebene Fragen der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung oder Ausnahmen hiervon zu behandeln. Die Systematik der Beihilfeverordnung spricht vielmehr dafür, diese Frage allein und abschließend im Rahmen der Notwendigkeit bzw. Angemessenheit der Aufwendungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO zu prüfen. Gegenteiliges kann nicht dem von der Berufung herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.1996 (- 2 C 5.95 - ZBR 1996, 314) entnommen werden, da sich diese Entscheidung zu der hier in Rede stehenden Problematik der wissenschaftlichen Anerkennung nicht verhält, sondern lediglich klarstellt, dass dem beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff lediglich Mittel zur Anwendung am oder im menschlichen Körper unterfallen. Eine weitergehende Erörterung dieser definitorischen Zuordnung ist freilich entbehrlich, weil sich die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen nach der Auffassung des Senats lediglich in anderem Zusammenhang stellen (dazu unter 3) und der materielle Prüfungsmaßstab jeweils der gleiche ist.
22 
Ausgehend von diesen Grundsätzen stellen die der Ehefrau des Klägers von ihrem Arzt auf der Grundlage der Traditionellen Chinesischen Medizin verordneten Dekokte aus Heilpflanzen Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne dar. Denn die in einer spezialisierten Apotheke nach der verordneten Rezeptur hergestellten Dekokte aus chinesischen Heilpflanzen und Heilpflanzenteilen sind zum einen vom Laien selbst nicht herzustellen und dienen zum anderen nach ihrer Zweckbestimmung der Heilung der bei der Ehefrau diagnostizierten multiplen Erkrankungen. Die Zweckbestimmung dieser Dekokte ist damit auch erkennbar auf die Heilung von Krankheiten gerichtet (ähnlich OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47/01 - juris; VG Schleswig, Urteil vom 29.01.2007 - 11 A 185/04 - juris). Diese Zweckbestimmung der verordneten Präparate steht zwischen den Beteiligten im Übrigen zu Recht auch nicht ernstlich im Streit.
23 
2. Die Kosten für die Heilkräuterdekokte gehören auch nicht zu den Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und bei denen die Beihilfefähigkeit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO a.F. ausgeschlossen ist. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, also diese überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist; dies erfordert eine wertende Betrachtung, welche die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2010 - 4 S 1816/07 - a.a.O.; sowie Beschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen. Vor diesem Hintergrund kann die Frage der Substitutionseignung letztlich nicht fallübergreifend und abstrakt für eine ganze Produktgruppe, sondern lediglich auf das im Einzelfall zur Anwendung gelangende Mittel und dessen pharmakologische Wirkungsweise bezogen beurteilt werden. Maßgeblich ist deshalb weder die Zubereitungsart der Dekokte bzw. Teeaufkochungen noch der subjektiv empfundene Geschmack. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich um solche Heilteezubereitungen handelt, die im Rahmen der täglichen Flüssigkeitszufuhr eingenommen werden und deshalb als Lebens- oder Genussmittel Verwendung finden können.
24 
Bei dieser Betrachtungsweise sind die hier in Rede stehenden Heildekokte nicht geeignet, klassischen Tee oder aus hergebrachten Kräutermischungen gewonnene Teezubereitungen zu ersetzen und im Rahmen der täglichen Lebensführung eingenommen zu werden. Dies ist nach den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärztin Dr. B. der Klinik am S. vom 13.07.2007 bzw. 21.11.2008 ohne Weiteres festzustellen. Wie die behandelnde Ärztin in sich schlüssig und nachvollziehbar darlegt, beinhalten die der Ehefrau des Klägers rezeptierten Pflanzenmischungen pharmakologisch hoch aktive und teilweise stark toxische Pflanzenbestandteile wie etwa Aconit (Eisenhut), welche bereits in geringer Dosis letale Wirkung haben können und die nur in speziell präparierter Weise bei strikter Mengenbegrenzung eingenommen werden dürfen. Aus medizinischer Sicht dürften diese Mittel daher nicht als Nahrungsergänzungsmittel oder zur Deckung des Flüssigkeitsbedarfs verwendet werden. Übereinstimmend hiermit würden die Kräutermischungen lediglich aus Gründen der besseren Verträglichkeit als Dekokte verabreicht und einzeln schluckweise eingenommen, obwohl an sich auch eine Verabreichung in Pillenform möglich wäre. Bei Berücksichtigung dieser Zusammensetzung der Präparate und deren Darreichung kann deshalb hier keine Rede davon sein, dass sie geeignet wären, hergebrachte Heilkräutertees im Rahmen der täglichen Flüssigkeitszufuhr zu ersetzen.
25 
3. Im vorliegenden Fall zählen die Kosten für die chinesischen Heilkräutermischungen auch zu den im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO notwendigen Aufwendungen. Nach dieser Bestimmung sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Die Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit stellen dabei unbestimmte Rechtsbegriffe dar, deren Anwendung im Einzelfall der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713; Urteil des Senats vom 09.07.2009 - 10 S 465/09 - juris). Aus § 5 Abs. 1 Satz 2 BVO a.F. folgt nichts Gegenteiliges. Denn diese Vorschrift stellt nur klar, dass die Notwendigkeit und Angemessenheit von Aufwendungen nicht abschließend vom behandelnden Arzt zu bestimmen, sondern der objektiven behördlichen - und im Streitfall verwaltungsgerichtlichen - Kontrolle überantwortet ist. Bei der Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind daher die vom Beklagten angestellten Erwägungen zu einem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraum der Beihilfestelle verfehlt. Nach der vom Senat geteilten ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Beurteilung der Geeignetheit einer medizinischen Behandlung zunächst der Einschätzung des behandelnden Arztes besondere Bedeutung beizumessen; ihr wird regelmäßig zu folgen sein, weil der behandelnde Arzt über die erforderliche Sachkunde verfügt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 - a.a.O.; und vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801). Eine differenzierte Betrachtung ist freilich bei wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Heilmethoden geboten.
26 
3.1 Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei der von der Ehefrau des Klägers durchgeführten Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Gerichtshofs ist eine Behandlungsmethode dann wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem oder den Urhebern - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O. und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - IÖD 2003, 199).
27 
Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob diese vom Bundesverwaltungsgericht für Heilbehandlungen entwickelten Grundsätze vollen Umfangs für die Frage gelten, ob beispielsweise ein von einem Arzt im Rahmen einer wissenschaftlich allgemein anerkannten Heilmethode verschriebenes Arzneimittel mit zweifelhafter Wirkung beihilfefähig ist. Auf diese Frage kommt es hier nicht an. Jedenfalls in den Fällen, in denen ein Arzt eine Arznei im Rahmen einer nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Heilmethode verschreibt, kann diese Arznei nur notwendig sein, wenn ausnahmsweise die angewendete Heilmethode trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung beihilfefähig ist (ähnlich OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47/01 - a.a.O.). Wie sich vor allem auch den Darlegungen des Klägers entnehmen lässt, arbeitet die Traditionelle Chinesische Medizin nicht nach westlich geprägten wissenschaftlichen Maßstäben, sondern beruht auf einem hiervon abweichenden Grundverständnis von Erkrankungen und verwendet abweichende Diagnose- bzw. Therapieansätze. Für die Frage der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung kommt es jedoch darauf an, ob ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für die im vorliegenden Fall maßgeblichen Krankheiten in der westlich geprägten Schulmedizin allgemein anerkannt ist. Für diesen Maßstab spricht in systematischer Hinsicht etwa die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 BVO a.F., wonach die Beihilfestelle bei ihrer Entscheidung über die Notwendigkeit von Aufwendungen ein begründetes medizinisches Gutachten einholen kann. Gemäß § 18 Abs. 5 BVO a.F. soll die Beihilfestelle hierzu regelmäßig ein ausreichend begründetes amtsärztliches Zeugnis des zuständigen Gesundheitsamtes einholen. Dies verdeutlicht, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers die Frage der Notwendigkeit der Aufwendungen und in diesem Zusammenhang auch der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode nach schulmedizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben zu beurteilen ist, nicht jedoch auf medizinische Außenseiterstandpunkte abzuheben ist.
28 
Danach kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die traditionelle chinesische Medizin und die bei ihrer Anwendung verordneten Kräuterdekokte als allgemein wissenschaftlich anerkannt anzusehen sind. Fraglich ist bereits, ob im medizinisch-wissenschaftlichen Fachschrifttum hinreichende Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Traditionellen Chinesischen Medizin hinsichtlich der hier wohl im Vordergrund stehenden Erkrankungen einer primär chronischen Polyarthritis bzw. der Fibromyalgie vorliegen. Hinweise hierfür lassen sich jedenfalls nicht dem umfangreichen Sachvortrag des Klägers bzw. der vorgelegten medizinischen Stellungnahme der Klinik am S. entnehmen. So beziehen sich die mit Schriftsatz des Klägers vom 15.12.2008 vorgelegten Literaturhinweise - soweit für den Senat zu beurteilen - zumindest überwiegend nicht auf die hier in Rede stehenden Krankheitsbilder. Auch die im Schreiben der Klinik vom 23.11.2005 (AS. 57 der Behördenakte) erwähnten wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise dürften andere Krankheiten als die bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten betreffen. Übereinstimmend hiermit geht die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die traditionelle chinesische Medizin mittels Heilkräutertherapie derzeit nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt ist (vgl. mit weiteren Nachweisen OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47.01 - a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - a.a.O.).
29 
3.2 Entgegen der Auffassung des Beklagten führt die fehlende allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der bei der Ehefrau des Klägers durchgeführten Behandlungsmethode nicht dazu, dass ein Anspruch auf Beihilfegewährung von vornherein ausgeschlossen ist. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Beihilfe für eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode dann, wenn das Finanzministerium keine Ausschlussregelung getroffen hat und die Notwendigkeit der Behandlung mit einer Außenseitermethode im Einzelfall bei Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabes nachgewiesen ist. Unerheblich ist in einer derartigen Fallgestaltung dann, ob nach dem Stand der Wissenschaft die begründete Aussicht auf eine wissenschaftliche Anerkennung der Therapiemethode besteht.
30 
a) Die maßgeblichen Beihilfevorschriften enthalten, anders als etwa die Nordrhein-Westfälische Beihilfeverordnung (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 - ZBR 2009, 270) oder etwa das Leistungsrecht der Postbeamtenkrankenkasse (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - zu § 30 Abs. 4 der Satzung a.F.), keine explizite Klausel, nach der wissenschaftlich nicht anerkannte Mittel nicht beihilfefähig sind. Jedoch sieht § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. (entsprechend § 6 Abs. 2 der Beihilfevorschriften des Bundes - BhV a.F.) vor, dass das Finanzministerium die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzen oder ganz ausschließen kann. Wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit steht, ist eine solche konkretisierende Ausschlussentscheidung durch das Finanzministerium, welche die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin begrenzen oder ausschließen würde, weder ausdrücklich in der Anlage zur Beihilfeverordnung noch durch die Bezugnahme in Nr. 1.5.1 der Anlage zur Beihilfeverordnung auf die Entscheidungen des Bundesministers des Inneren in den Hinweisen 1 und 2 zu § 6 Abs. 2 BhV getroffen worden.
31 
Der vom Verordnungsgeber in § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. getroffenen Regelung kommt jedoch in systematischer Hinsicht für die Lösung der hier vorliegenden Problematik maßgebliche Bedeutung zu. Denn sowohl dem Wortlaut als auch der systematischen Stellung von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. lässt sich unzweideutig entnehmen, dass es nach der Vorstellung des Verordnungsgebers grundsätzlich Fallkonstellationen geben kann, in denen ein Anspruch auf Beihilfe trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung einer Behandlungsmethode besteht. Für eine normausfüllende bzw. normkonkretisierende (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen Urteil des Senats vom 28.01.2010 - 10 S 2582/08 - juris) Entscheidung des Finanzministeriums bliebe kein Raum, wenn die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung einer Behandlungsmethode in jedem Fall Grundvoraussetzung für die Beihilfegewährung wäre. Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. zeigt, dass der Normgeber der Beihilfeverordnung selbst Fallkonstellationen für denkbar und regelungsbedürftig hält, in denen ein Anspruch auf Beihilfe trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung besteht. Bei wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethoden ist deshalb ein Anspruch auf Beihilfe nur dann von vornherein - vorbehaltlich der vom Bundesverwaltungsgericht auch für solche Fallkonstellationen aufgestellten Ausnahmen (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801; und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436) - ausgeschlossen, wenn das Finanzministerium auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO eine wirksame Ausschlussregelung getroffen hat. Diese Überlegungen verdeutlichen zugleich, dass die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29.06.1995 (2 C 15.94 - a.a.O.) für die Überprüfung von Ausschlussentscheidungen auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. entwickelten Maßstäbe nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen werden können.
32 
b) Im Ausgangspunkt zu Recht geht der Beklagte davon aus, dass Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Ausschlussentscheidung auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. regelmäßig nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind. Die Beihilfe stellt eine aus der Fürsorgepflicht resultierende, die zumutbare Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Leistung des Dienstherrn dar, bei deren Gewährung er an den Grundsatz der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel gebunden ist. Die Beihilfegewährung gründet daher auf der Erwartung, dass die Heilbehandlung zweckmäßig ist und hinreichende Gewähr für eine möglichst rasche und sichere Therapie bietet. Aus der Sicht des Dienstherrn ist es deshalb nicht ohne Belang, ob die von ihm (mit)finanzierte Behandlung Erfolg verspricht oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47.01 - a.a.O.). Dass das öffentliche Interesse an einer effektiven und sparsamen Verwendung von Steuergeldern eine Begrenzung der Beihilfe auf Erfolg versprechende Heilbehandlungen zulässt, ist im Übrigen schon frühzeitig von der Rechtsprechung anerkannt worden (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1960 - 5 AZR 438/59 - AP 1961 BeihilfenGR Nr. 4; BVerwG, Urteil vom 28.11.1963 - 8 C 72.63 - Buchholz 238.91 Nr. 2). Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz liegt dem Begriff der Notwendigkeit der Aufwendungen zugrunde, der in § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. lediglich ausgestaltet und präzisiert wird. Auch ohne eine förmliche Ausschlussentscheidung des Landesfinanzministeriums auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. ist deshalb von der Beihilfestelle im Rahmen der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO zu treffenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Heilbehandlung primär zu prüfen, ob diese allgemein wissenschaftlich anerkannt ist.
33 
c) Nach dem oben Dargelegten ist bei Nichtvorliegen einer förmlichen Ausschlussentscheidung und fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung der durchgeführten Behandlungsmethode ein Beihilfeanspruch jedoch nicht ohne Weiteres ausgeschlossen. Vielmehr ist in einer derartigen Fallgestaltung § 5 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BVO a.F. anzuwenden mit der Folge, dass die Beihilfestelle in eine Einzelfallprüfung einzutreten und festzustellen hat, ob bei Anlegung eines strengen Maßstabes die medizinische Notwendigkeit der Aufwendungen für eine Behandlung mit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode besteht (vgl. so schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.01.1999 - 4 S 1086/96 - IÖD 1999, 139 -; der Sache nach auch Urteil vom 17.12.2009 - 4 S 3040/07 -; Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Erläuterungen, Anm. 33.2 zu § 6 BhV). In diesem Zusammenhang kommt der von § 5 Abs. 1 Satz 3 BVO a.F. vorgesehenen Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Heilbehandlung besondere Bedeutung zu. Das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO, eine Beihilfe zu „dem Grunde nach“ notwendigen Aufwendungen zu leisten, kann den Dienstherrn in Ausnahmefällen auch dazu verpflichten, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach den jeweiligen Bemessungssätzen zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit - z. B. unbekannter Genese - noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall - z. B. wegen einer Gegenindikation - das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten (vgl. so auch BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O. und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - a.a.O.).
34 
d) Auch bei Anlegung dieses strengen Maßstabs liegen im Fall der Ehefrau des Klägers die Voraussetzungen vor, unter denen ein verantwortungsbewusster Arzt ausnahmsweise zu sog. „Außenseitermethoden“ bzw. einem individuellen Heilversuch greifen wird. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass jedenfalls für die primär chronische Polyarthritis - wohl jedoch nicht für die ebenfalls schwerwiegende Fibromyalgie - schulmedizinische Behandlungsmethoden grundsätzlich zur Verfügung stehen. Denn nach den umfangreichen vom Kläger vorgelegten medizinischen Stellungnahmen steht fest, dass seine Ehefrau sich bereits ausreichend schulmedizinisch hat behandeln lassen und es ihr nicht zuzumuten war, weitere Versuche mit wissenschaftlich anerkannten Heilmethoden zu unternehmen, bevor sie auf die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin ausgewichen ist. Insbesondere der in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Stellungnahme der behandelnden Ärztin der Klinik Am S. vom 13.07.2007 lässt sich entnehmen, dass die Ehefrau des Klägers über einen längeren Zeitraum weitgehend erfolglos mit schulmedizinischen Methoden behandelt wurde bzw. die gegen die chronische Polyarthritis eingesetzten schulmedizinischen Medikamente derart starke Nebenwirkungen aufgewiesen haben, dass ihr eine Behandlung damit nicht mehr zuzumuten war.
35 
Von einem Fehlschlagen der schulmedizinischen Behandlungsversuche geht auch der Amtsarzt bei dem Gesundheitsamt des Landratsamts E. in seinem Gutachten vom 08.12.2005 aus. Der Amtsarzt gelangte aufgrund eigener Untersuchung der Ehefrau des Klägers und in Kenntnis der Behandlungsunterlagen zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Einzelfall die Behandlung mit der wissenschaftlich nicht anerkannten Methode der Traditionellen Chinesischen Medizin ausnahmsweise notwendig und angemessen ist. Die vom Beklagten gegen diese amtsärztliche Beurteilung erhobenen Einwände vermag der Senat nicht zu teilen. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, stellte die nunmehr sachbearbeitende Amtsärztin in einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter am 20.05.2010 klar, dass nach dem ständigen Sprachgebrauch bei dem Gesundheitsamt E. die von ihrem Vorgänger verwendete Formulierung („die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin kann als notwendig und angemessen erachtet werden“) eindeutig nicht im vom Beklagten favorisierten relativierenden Sinne zu verstehen ist. Wie die Amtsärztin nachvollziehbar und für den Senat überzeugend in dem Telefongespräch darlegte, bezieht sich diese Formulierung nicht etwa auf das Maß der amtsärztlichen Überzeugung, sondern soll lediglich zum Ausdruck bringen, dass ein Amtsarzt naturgemäß nicht mit letzter Sicherheit beurteilen kann, ob noch weitere schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen. Jedoch konnte auch die nunmehr zuständige Amtsärztin nach Durchsicht der vorhandenen Unterlagen bestätigen, dass jedenfalls sämtliche gängigen antirheumatischen Behandlungsmittel von der Ehefrau des Klägers erfolglos angewendet wurden.
36 
Im Ansatz zu Recht weist der Beklagte freilich darauf hin, dass sich das amtsärztliche Gutachten auf den Gesundheitszustand im Dezember 2005 bezog, während hier Beihilfeleistungen für Aufwendungen im Zeitraum von Dezember 2006 bis Februar 2007 in Rede stehen. Den vom Kläger vorgelegten Behandlungsberichten der Klinik Am S. vom 13.07.2007 und 21.11.2008 lässt sich jedoch eindeutig entnehmen, dass sich unter der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin zwar die Beschwerden der Ehefrau des Klägers nachhaltig gebessert haben, die Fortsetzung der Behandlung jedoch auch zum maßgeblichen Leistungszeitraum medizinisch unzweideutig indiziert war. Eine weitere Aufklärung des Gesundheitszustandes und der Notwendigkeit der Behandlung zum maßgeblichen Leistungszeitraum war vor allem deshalb nicht geboten, weil die Amtsärztin - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert - eine ergänzende Begutachtung wegen des nunmehr abgelaufenen Zeitraumes für zu spekulativ und deshalb aus medizinischen Gründen nicht angemessen hält. Auch für den Senat ist vor diesem Hintergrund ohne Weiteres nachzuvollziehen, dass ein Amtsarzt selbst bei Auswertung der vorhandenen Behandlungsunterlagen keine Begutachtung für einen mehrere Jahre zurückliegenden Leistungszeitraum vornehmen kann.
37 
Unabhängig davon, dass dem geltenden Beihilferecht eine Erfolgsabhängigkeit fremd ist, hat der Amtsarzt im Übrigen bestätigt, dass die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin bei der Ehefrau des Klägers sich als wirksam erwiesen habe und deshalb ein Verzicht auf teurere schulmedizinische Medikamente möglich gewesen sei. Danach ist es - wenn nicht sogar geboten - jedenfalls aber nicht zu beanstanden, wenn ein verantwortungsbewusster Arzt an dieser Behandlungsmethode - die das Landesamt hier im Übrigen in der Vergangenheit mit Beihilfeleistungen gefördert hat - festhält.
38 
e) Unerheblich ist deshalb für die vorliegende Fallgestaltung, ob nach dem Stand der Wissenschaft die begründete Aussicht für eine wissenschaftliche Anerkennung der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin für die bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten Krankheiten besteht.
39 
Eine solche Aussicht erscheint im Übrigen nicht ausgeschlossen, da nach dem zutreffenden Sachvortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 15.12.2008 die Traditionelle Chinesische Medizin bereits an zahlreichen deutschen medizinischen Fakultäten angewendet wird und in diesem Rahmen auch klinische Wirksamkeitsuntersuchungen durchgeführt werden. Ferner bestehen intensive Kooperationen von die traditionelle chinesische Medizin anwendenden niedergelassenen Ärzten und stationären klinischen Einrichtungen mit medizinischen Hochschulen, die ebenfalls eine wissenschaftliche Evaluierung der Methode zum Ziel haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann.
40 
Nach alldem war die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
42 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
43 
Beschluss vom 26. Juli 2010
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 183,88 EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
15 
Die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben; die Versagung der beantragten Beihilfe ist rechtswidrig, denn der Kläger hat Anspruch auf die Bewilligung von Beihilfe für die Behandlung seiner Ehefrau mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin.
16 
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (hier: Dezember 2006 bis Februar 2007) maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 17 m.w.N.). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung - BVO -) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.) sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BVO). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO a.F. sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen unter anderem für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
17 
Bei den der Ehefrau des Klägers ärztlich verordneten chinesischen Kräuterdekokten handelt es sich um Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts (dazu unter 1); auch sind die Kräutermischungen nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (dazu unter 2). Schließlich ist die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin hier auch notwendig und angemessen (dazu unter 3). Zwar handelt es sich um eine derzeit noch nicht wissenschaftlich allgemein anerkannte Heilmethode (3.1). Es liegt jedoch ein Ausnahmefall vor, in welchem der Dienstherr aus Fürsorgegesichtspunkten zur Erstattung der Kosten für eine nicht allgemein anerkannte Methode verpflichtet ist (3.2).
18 
1. Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel“, sondern setzen diesen voraus (hierzu und zum Folgenden grundlegend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.01.2010 - 4 S 1816/07 -, PharmR 2010, 307; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.02.2010 - 13 S 2696/09 -, juris). Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 - ZBR 2006, 203).
19 
Unter Arzneimitteln im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Unter den Stoffbegriff im Arzneimittelgesetz fallen unter anderem neben chemischen Elementen und Verbindungen und deren Gemischen sowie Lösungen auch Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzenbestandteile, Algen, Pilze und Flechten in bearbeitetem und unbearbeitetem Zustand (§ 3 Nr. 2 AMG). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB). Dies sind nach Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden (d.h. im Sinne der Terminologie des bislang geltenden Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes „verzehrt“ werden); nicht zu den Lebensmitteln gehören danach jedoch Arzneimittel (Art. 2 Abs. 2 d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, juris).
20 
Der Umstand, dass die aus chinesischen Heilkräutern gewonnenen Präparate weder als Arzneimittel registriert sind noch in einer solchen Liste aufgeführt werden, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter im beihilferechtlichen Sinne fehlt. Dies folgt zum einen bereits daraus, dass die genannten Listen jeweils spezielle Zielrichtungen haben (Fertigarzneimittel, homöopathische Liste, Neuheiten etc.) und an der tradierten westlichen Schulmedizin ausgerichtet sind. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung für die hier in Rede stehenden chinesischen Heilkräuterpräparate scheidet schon deshalb aus, weil es sich um auf Individualrezept vom Pharmazeuten hergestellte Arzneimittel und damit nicht um Fertigarzneimittel gemäß § 4 Abs. 1 AMG handelt; § 21 Abs. 1 AMG sieht eine Zulassungspflicht jedoch lediglich für Fertigarzneimittel im Sinne von § 4 Abs. 1 AMG vor. Zum anderen ist nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung im arzneimittelrechtlichen Sinne, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; Urteil des Senats vom 11.03.2010 - 10 S 3090/08 - PharmR 2010, 300). Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-) Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
21 
Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung setzt der beihilferechtliche Arzneimittelbegriff darüber hinaus nicht voraus, dass die Therapie wissenschaftlich anerkannt ist oder eine solche Anerkennung zumindest zu erwarten ist. Der auf den materiellen Zweckcharakter eines Präparats abstellende beihilferechtliche Arzneimittelbegriff zwingt nicht dazu, bereits auf dieser Ebene Fragen der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung oder Ausnahmen hiervon zu behandeln. Die Systematik der Beihilfeverordnung spricht vielmehr dafür, diese Frage allein und abschließend im Rahmen der Notwendigkeit bzw. Angemessenheit der Aufwendungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO zu prüfen. Gegenteiliges kann nicht dem von der Berufung herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.05.1996 (- 2 C 5.95 - ZBR 1996, 314) entnommen werden, da sich diese Entscheidung zu der hier in Rede stehenden Problematik der wissenschaftlichen Anerkennung nicht verhält, sondern lediglich klarstellt, dass dem beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff lediglich Mittel zur Anwendung am oder im menschlichen Körper unterfallen. Eine weitergehende Erörterung dieser definitorischen Zuordnung ist freilich entbehrlich, weil sich die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen nach der Auffassung des Senats lediglich in anderem Zusammenhang stellen (dazu unter 3) und der materielle Prüfungsmaßstab jeweils der gleiche ist.
22 
Ausgehend von diesen Grundsätzen stellen die der Ehefrau des Klägers von ihrem Arzt auf der Grundlage der Traditionellen Chinesischen Medizin verordneten Dekokte aus Heilpflanzen Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne dar. Denn die in einer spezialisierten Apotheke nach der verordneten Rezeptur hergestellten Dekokte aus chinesischen Heilpflanzen und Heilpflanzenteilen sind zum einen vom Laien selbst nicht herzustellen und dienen zum anderen nach ihrer Zweckbestimmung der Heilung der bei der Ehefrau diagnostizierten multiplen Erkrankungen. Die Zweckbestimmung dieser Dekokte ist damit auch erkennbar auf die Heilung von Krankheiten gerichtet (ähnlich OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47/01 - juris; VG Schleswig, Urteil vom 29.01.2007 - 11 A 185/04 - juris). Diese Zweckbestimmung der verordneten Präparate steht zwischen den Beteiligten im Übrigen zu Recht auch nicht ernstlich im Streit.
23 
2. Die Kosten für die Heilkräuterdekokte gehören auch nicht zu den Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen und bei denen die Beihilfefähigkeit gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO a.F. ausgeschlossen ist. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, also diese überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist; dies erfordert eine wertende Betrachtung, welche die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2010 - 4 S 1816/07 - a.a.O.; sowie Beschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach ihrem Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen. Vor diesem Hintergrund kann die Frage der Substitutionseignung letztlich nicht fallübergreifend und abstrakt für eine ganze Produktgruppe, sondern lediglich auf das im Einzelfall zur Anwendung gelangende Mittel und dessen pharmakologische Wirkungsweise bezogen beurteilt werden. Maßgeblich ist deshalb weder die Zubereitungsart der Dekokte bzw. Teeaufkochungen noch der subjektiv empfundene Geschmack. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich um solche Heilteezubereitungen handelt, die im Rahmen der täglichen Flüssigkeitszufuhr eingenommen werden und deshalb als Lebens- oder Genussmittel Verwendung finden können.
24 
Bei dieser Betrachtungsweise sind die hier in Rede stehenden Heildekokte nicht geeignet, klassischen Tee oder aus hergebrachten Kräutermischungen gewonnene Teezubereitungen zu ersetzen und im Rahmen der täglichen Lebensführung eingenommen zu werden. Dies ist nach den vom Kläger vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärztin Dr. B. der Klinik am S. vom 13.07.2007 bzw. 21.11.2008 ohne Weiteres festzustellen. Wie die behandelnde Ärztin in sich schlüssig und nachvollziehbar darlegt, beinhalten die der Ehefrau des Klägers rezeptierten Pflanzenmischungen pharmakologisch hoch aktive und teilweise stark toxische Pflanzenbestandteile wie etwa Aconit (Eisenhut), welche bereits in geringer Dosis letale Wirkung haben können und die nur in speziell präparierter Weise bei strikter Mengenbegrenzung eingenommen werden dürfen. Aus medizinischer Sicht dürften diese Mittel daher nicht als Nahrungsergänzungsmittel oder zur Deckung des Flüssigkeitsbedarfs verwendet werden. Übereinstimmend hiermit würden die Kräutermischungen lediglich aus Gründen der besseren Verträglichkeit als Dekokte verabreicht und einzeln schluckweise eingenommen, obwohl an sich auch eine Verabreichung in Pillenform möglich wäre. Bei Berücksichtigung dieser Zusammensetzung der Präparate und deren Darreichung kann deshalb hier keine Rede davon sein, dass sie geeignet wären, hergebrachte Heilkräutertees im Rahmen der täglichen Flüssigkeitszufuhr zu ersetzen.
25 
3. Im vorliegenden Fall zählen die Kosten für die chinesischen Heilkräutermischungen auch zu den im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO notwendigen Aufwendungen. Nach dieser Bestimmung sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Die Voraussetzungen der Notwendigkeit und Angemessenheit stellen dabei unbestimmte Rechtsbegriffe dar, deren Anwendung im Einzelfall der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713; Urteil des Senats vom 09.07.2009 - 10 S 465/09 - juris). Aus § 5 Abs. 1 Satz 2 BVO a.F. folgt nichts Gegenteiliges. Denn diese Vorschrift stellt nur klar, dass die Notwendigkeit und Angemessenheit von Aufwendungen nicht abschließend vom behandelnden Arzt zu bestimmen, sondern der objektiven behördlichen - und im Streitfall verwaltungsgerichtlichen - Kontrolle überantwortet ist. Bei der Anwendung von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind daher die vom Beklagten angestellten Erwägungen zu einem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensspielraum der Beihilfestelle verfehlt. Nach der vom Senat geteilten ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Beurteilung der Geeignetheit einer medizinischen Behandlung zunächst der Einschätzung des behandelnden Arztes besondere Bedeutung beizumessen; ihr wird regelmäßig zu folgen sein, weil der behandelnde Arzt über die erforderliche Sachkunde verfügt (vgl. BVerwG, Urteile vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 - a.a.O.; und vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801). Eine differenzierte Betrachtung ist freilich bei wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Heilmethoden geboten.
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3.1 Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei der von der Ehefrau des Klägers durchgeführten Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode handelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Gerichtshofs ist eine Behandlungsmethode dann wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen wird. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode von dritter Seite - also von anderen als dem oder den Urhebern - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit ist eine Behandlungsmethode dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O. und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - IÖD 2003, 199).
27 
Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob diese vom Bundesverwaltungsgericht für Heilbehandlungen entwickelten Grundsätze vollen Umfangs für die Frage gelten, ob beispielsweise ein von einem Arzt im Rahmen einer wissenschaftlich allgemein anerkannten Heilmethode verschriebenes Arzneimittel mit zweifelhafter Wirkung beihilfefähig ist. Auf diese Frage kommt es hier nicht an. Jedenfalls in den Fällen, in denen ein Arzt eine Arznei im Rahmen einer nicht allgemein wissenschaftlich anerkannten Heilmethode verschreibt, kann diese Arznei nur notwendig sein, wenn ausnahmsweise die angewendete Heilmethode trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung beihilfefähig ist (ähnlich OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47/01 - a.a.O.). Wie sich vor allem auch den Darlegungen des Klägers entnehmen lässt, arbeitet die Traditionelle Chinesische Medizin nicht nach westlich geprägten wissenschaftlichen Maßstäben, sondern beruht auf einem hiervon abweichenden Grundverständnis von Erkrankungen und verwendet abweichende Diagnose- bzw. Therapieansätze. Für die Frage der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung kommt es jedoch darauf an, ob ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für die im vorliegenden Fall maßgeblichen Krankheiten in der westlich geprägten Schulmedizin allgemein anerkannt ist. Für diesen Maßstab spricht in systematischer Hinsicht etwa die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 BVO a.F., wonach die Beihilfestelle bei ihrer Entscheidung über die Notwendigkeit von Aufwendungen ein begründetes medizinisches Gutachten einholen kann. Gemäß § 18 Abs. 5 BVO a.F. soll die Beihilfestelle hierzu regelmäßig ein ausreichend begründetes amtsärztliches Zeugnis des zuständigen Gesundheitsamtes einholen. Dies verdeutlicht, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers die Frage der Notwendigkeit der Aufwendungen und in diesem Zusammenhang auch der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode nach schulmedizinisch-wissenschaftlichen Maßstäben zu beurteilen ist, nicht jedoch auf medizinische Außenseiterstandpunkte abzuheben ist.
28 
Danach kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die traditionelle chinesische Medizin und die bei ihrer Anwendung verordneten Kräuterdekokte als allgemein wissenschaftlich anerkannt anzusehen sind. Fraglich ist bereits, ob im medizinisch-wissenschaftlichen Fachschrifttum hinreichende Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Traditionellen Chinesischen Medizin hinsichtlich der hier wohl im Vordergrund stehenden Erkrankungen einer primär chronischen Polyarthritis bzw. der Fibromyalgie vorliegen. Hinweise hierfür lassen sich jedenfalls nicht dem umfangreichen Sachvortrag des Klägers bzw. der vorgelegten medizinischen Stellungnahme der Klinik am S. entnehmen. So beziehen sich die mit Schriftsatz des Klägers vom 15.12.2008 vorgelegten Literaturhinweise - soweit für den Senat zu beurteilen - zumindest überwiegend nicht auf die hier in Rede stehenden Krankheitsbilder. Auch die im Schreiben der Klinik vom 23.11.2005 (AS. 57 der Behördenakte) erwähnten wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweise dürften andere Krankheiten als die bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten betreffen. Übereinstimmend hiermit geht die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die traditionelle chinesische Medizin mittels Heilkräutertherapie derzeit nicht allgemein wissenschaftlich anerkannt ist (vgl. mit weiteren Nachweisen OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47.01 - a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - a.a.O.).
29 
3.2 Entgegen der Auffassung des Beklagten führt die fehlende allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der bei der Ehefrau des Klägers durchgeführten Behandlungsmethode nicht dazu, dass ein Anspruch auf Beihilfegewährung von vornherein ausgeschlossen ist. Vielmehr besteht ein Anspruch auf Beihilfe für eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode dann, wenn das Finanzministerium keine Ausschlussregelung getroffen hat und die Notwendigkeit der Behandlung mit einer Außenseitermethode im Einzelfall bei Anlegung eines strengen Prüfungsmaßstabes nachgewiesen ist. Unerheblich ist in einer derartigen Fallgestaltung dann, ob nach dem Stand der Wissenschaft die begründete Aussicht auf eine wissenschaftliche Anerkennung der Therapiemethode besteht.
30 
a) Die maßgeblichen Beihilfevorschriften enthalten, anders als etwa die Nordrhein-Westfälische Beihilfeverordnung (vgl. hierzu OVG Münster, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 - ZBR 2009, 270) oder etwa das Leistungsrecht der Postbeamtenkrankenkasse (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 - zu § 30 Abs. 4 der Satzung a.F.), keine explizite Klausel, nach der wissenschaftlich nicht anerkannte Mittel nicht beihilfefähig sind. Jedoch sieht § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. (entsprechend § 6 Abs. 2 der Beihilfevorschriften des Bundes - BhV a.F.) vor, dass das Finanzministerium die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode begrenzen oder ganz ausschließen kann. Wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit steht, ist eine solche konkretisierende Ausschlussentscheidung durch das Finanzministerium, welche die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin begrenzen oder ausschließen würde, weder ausdrücklich in der Anlage zur Beihilfeverordnung noch durch die Bezugnahme in Nr. 1.5.1 der Anlage zur Beihilfeverordnung auf die Entscheidungen des Bundesministers des Inneren in den Hinweisen 1 und 2 zu § 6 Abs. 2 BhV getroffen worden.
31 
Der vom Verordnungsgeber in § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. getroffenen Regelung kommt jedoch in systematischer Hinsicht für die Lösung der hier vorliegenden Problematik maßgebliche Bedeutung zu. Denn sowohl dem Wortlaut als auch der systematischen Stellung von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. lässt sich unzweideutig entnehmen, dass es nach der Vorstellung des Verordnungsgebers grundsätzlich Fallkonstellationen geben kann, in denen ein Anspruch auf Beihilfe trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung einer Behandlungsmethode besteht. Für eine normausfüllende bzw. normkonkretisierende (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen Urteil des Senats vom 28.01.2010 - 10 S 2582/08 - juris) Entscheidung des Finanzministeriums bliebe kein Raum, wenn die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung einer Behandlungsmethode in jedem Fall Grundvoraussetzung für die Beihilfegewährung wäre. Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. zeigt, dass der Normgeber der Beihilfeverordnung selbst Fallkonstellationen für denkbar und regelungsbedürftig hält, in denen ein Anspruch auf Beihilfe trotz fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung besteht. Bei wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethoden ist deshalb ein Anspruch auf Beihilfe nur dann von vornherein - vorbehaltlich der vom Bundesverwaltungsgericht auch für solche Fallkonstellationen aufgestellten Ausnahmen (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801; und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - NJW 1998, 3436) - ausgeschlossen, wenn das Finanzministerium auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO eine wirksame Ausschlussregelung getroffen hat. Diese Überlegungen verdeutlichen zugleich, dass die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29.06.1995 (2 C 15.94 - a.a.O.) für die Überprüfung von Ausschlussentscheidungen auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. entwickelten Maßstäbe nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen werden können.
32 
b) Im Ausgangspunkt zu Recht geht der Beklagte davon aus, dass Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Ausschlussentscheidung auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. regelmäßig nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO sind. Die Beihilfe stellt eine aus der Fürsorgepflicht resultierende, die zumutbare Eigenvorsorge des Beamten ergänzende Leistung des Dienstherrn dar, bei deren Gewährung er an den Grundsatz der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel gebunden ist. Die Beihilfegewährung gründet daher auf der Erwartung, dass die Heilbehandlung zweckmäßig ist und hinreichende Gewähr für eine möglichst rasche und sichere Therapie bietet. Aus der Sicht des Dienstherrn ist es deshalb nicht ohne Belang, ob die von ihm (mit)finanzierte Behandlung Erfolg verspricht oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 24.09.2004 - 1 Bf 47.01 - a.a.O.). Dass das öffentliche Interesse an einer effektiven und sparsamen Verwendung von Steuergeldern eine Begrenzung der Beihilfe auf Erfolg versprechende Heilbehandlungen zulässt, ist im Übrigen schon frühzeitig von der Rechtsprechung anerkannt worden (vgl. BAG, Urteil vom 24.11.1960 - 5 AZR 438/59 - AP 1961 BeihilfenGR Nr. 4; BVerwG, Urteil vom 28.11.1963 - 8 C 72.63 - Buchholz 238.91 Nr. 2). Dieser von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz liegt dem Begriff der Notwendigkeit der Aufwendungen zugrunde, der in § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. lediglich ausgestaltet und präzisiert wird. Auch ohne eine förmliche Ausschlussentscheidung des Landesfinanzministeriums auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 Nr. 1 BVO a.F. ist deshalb von der Beihilfestelle im Rahmen der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO zu treffenden Entscheidung über die Notwendigkeit einer Heilbehandlung primär zu prüfen, ob diese allgemein wissenschaftlich anerkannt ist.
33 
c) Nach dem oben Dargelegten ist bei Nichtvorliegen einer förmlichen Ausschlussentscheidung und fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung der durchgeführten Behandlungsmethode ein Beihilfeanspruch jedoch nicht ohne Weiteres ausgeschlossen. Vielmehr ist in einer derartigen Fallgestaltung § 5 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 BVO a.F. anzuwenden mit der Folge, dass die Beihilfestelle in eine Einzelfallprüfung einzutreten und festzustellen hat, ob bei Anlegung eines strengen Maßstabes die medizinische Notwendigkeit der Aufwendungen für eine Behandlung mit einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode besteht (vgl. so schon VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.01.1999 - 4 S 1086/96 - IÖD 1999, 139 -; der Sache nach auch Urteil vom 17.12.2009 - 4 S 3040/07 -; Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Erläuterungen, Anm. 33.2 zu § 6 BhV). In diesem Zusammenhang kommt der von § 5 Abs. 1 Satz 3 BVO a.F. vorgesehenen Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Heilbehandlung besondere Bedeutung zu. Das von der Fürsorgepflicht getragene Gebot des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO, eine Beihilfe zu „dem Grunde nach“ notwendigen Aufwendungen zu leisten, kann den Dienstherrn in Ausnahmefällen auch dazu verpflichten, die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode nach den jeweiligen Bemessungssätzen zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit - z. B. unbekannter Genese - noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall - z. B. wegen einer Gegenindikation - das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Unter diesen Voraussetzungen wird ein verantwortungsbewusster Arzt auch solche Behandlungsmethoden in Erwägung ziehen, die nicht dem allgemeinen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprechen, aber nach ernst zu nehmender Auffassung noch Aussicht auf Erfolg bieten (vgl. so auch BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 - a.a.O. und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 - a.a.O.).
34 
d) Auch bei Anlegung dieses strengen Maßstabs liegen im Fall der Ehefrau des Klägers die Voraussetzungen vor, unter denen ein verantwortungsbewusster Arzt ausnahmsweise zu sog. „Außenseitermethoden“ bzw. einem individuellen Heilversuch greifen wird. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass jedenfalls für die primär chronische Polyarthritis - wohl jedoch nicht für die ebenfalls schwerwiegende Fibromyalgie - schulmedizinische Behandlungsmethoden grundsätzlich zur Verfügung stehen. Denn nach den umfangreichen vom Kläger vorgelegten medizinischen Stellungnahmen steht fest, dass seine Ehefrau sich bereits ausreichend schulmedizinisch hat behandeln lassen und es ihr nicht zuzumuten war, weitere Versuche mit wissenschaftlich anerkannten Heilmethoden zu unternehmen, bevor sie auf die Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin ausgewichen ist. Insbesondere der in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Stellungnahme der behandelnden Ärztin der Klinik Am S. vom 13.07.2007 lässt sich entnehmen, dass die Ehefrau des Klägers über einen längeren Zeitraum weitgehend erfolglos mit schulmedizinischen Methoden behandelt wurde bzw. die gegen die chronische Polyarthritis eingesetzten schulmedizinischen Medikamente derart starke Nebenwirkungen aufgewiesen haben, dass ihr eine Behandlung damit nicht mehr zuzumuten war.
35 
Von einem Fehlschlagen der schulmedizinischen Behandlungsversuche geht auch der Amtsarzt bei dem Gesundheitsamt des Landratsamts E. in seinem Gutachten vom 08.12.2005 aus. Der Amtsarzt gelangte aufgrund eigener Untersuchung der Ehefrau des Klägers und in Kenntnis der Behandlungsunterlagen zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Einzelfall die Behandlung mit der wissenschaftlich nicht anerkannten Methode der Traditionellen Chinesischen Medizin ausnahmsweise notwendig und angemessen ist. Die vom Beklagten gegen diese amtsärztliche Beurteilung erhobenen Einwände vermag der Senat nicht zu teilen. Wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert, stellte die nunmehr sachbearbeitende Amtsärztin in einem Telefongespräch mit dem Berichterstatter am 20.05.2010 klar, dass nach dem ständigen Sprachgebrauch bei dem Gesundheitsamt E. die von ihrem Vorgänger verwendete Formulierung („die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin kann als notwendig und angemessen erachtet werden“) eindeutig nicht im vom Beklagten favorisierten relativierenden Sinne zu verstehen ist. Wie die Amtsärztin nachvollziehbar und für den Senat überzeugend in dem Telefongespräch darlegte, bezieht sich diese Formulierung nicht etwa auf das Maß der amtsärztlichen Überzeugung, sondern soll lediglich zum Ausdruck bringen, dass ein Amtsarzt naturgemäß nicht mit letzter Sicherheit beurteilen kann, ob noch weitere schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen. Jedoch konnte auch die nunmehr zuständige Amtsärztin nach Durchsicht der vorhandenen Unterlagen bestätigen, dass jedenfalls sämtliche gängigen antirheumatischen Behandlungsmittel von der Ehefrau des Klägers erfolglos angewendet wurden.
36 
Im Ansatz zu Recht weist der Beklagte freilich darauf hin, dass sich das amtsärztliche Gutachten auf den Gesundheitszustand im Dezember 2005 bezog, während hier Beihilfeleistungen für Aufwendungen im Zeitraum von Dezember 2006 bis Februar 2007 in Rede stehen. Den vom Kläger vorgelegten Behandlungsberichten der Klinik Am S. vom 13.07.2007 und 21.11.2008 lässt sich jedoch eindeutig entnehmen, dass sich unter der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin zwar die Beschwerden der Ehefrau des Klägers nachhaltig gebessert haben, die Fortsetzung der Behandlung jedoch auch zum maßgeblichen Leistungszeitraum medizinisch unzweideutig indiziert war. Eine weitere Aufklärung des Gesundheitszustandes und der Notwendigkeit der Behandlung zum maßgeblichen Leistungszeitraum war vor allem deshalb nicht geboten, weil die Amtsärztin - wie mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert - eine ergänzende Begutachtung wegen des nunmehr abgelaufenen Zeitraumes für zu spekulativ und deshalb aus medizinischen Gründen nicht angemessen hält. Auch für den Senat ist vor diesem Hintergrund ohne Weiteres nachzuvollziehen, dass ein Amtsarzt selbst bei Auswertung der vorhandenen Behandlungsunterlagen keine Begutachtung für einen mehrere Jahre zurückliegenden Leistungszeitraum vornehmen kann.
37 
Unabhängig davon, dass dem geltenden Beihilferecht eine Erfolgsabhängigkeit fremd ist, hat der Amtsarzt im Übrigen bestätigt, dass die Therapie mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin bei der Ehefrau des Klägers sich als wirksam erwiesen habe und deshalb ein Verzicht auf teurere schulmedizinische Medikamente möglich gewesen sei. Danach ist es - wenn nicht sogar geboten - jedenfalls aber nicht zu beanstanden, wenn ein verantwortungsbewusster Arzt an dieser Behandlungsmethode - die das Landesamt hier im Übrigen in der Vergangenheit mit Beihilfeleistungen gefördert hat - festhält.
38 
e) Unerheblich ist deshalb für die vorliegende Fallgestaltung, ob nach dem Stand der Wissenschaft die begründete Aussicht für eine wissenschaftliche Anerkennung der Behandlung mit Mitteln der Traditionellen Chinesischen Medizin für die bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten Krankheiten besteht.
39 
Eine solche Aussicht erscheint im Übrigen nicht ausgeschlossen, da nach dem zutreffenden Sachvortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 15.12.2008 die Traditionelle Chinesische Medizin bereits an zahlreichen deutschen medizinischen Fakultäten angewendet wird und in diesem Rahmen auch klinische Wirksamkeitsuntersuchungen durchgeführt werden. Ferner bestehen intensive Kooperationen von die traditionelle chinesische Medizin anwendenden niedergelassenen Ärzten und stationären klinischen Einrichtungen mit medizinischen Hochschulen, die ebenfalls eine wissenschaftliche Evaluierung der Methode zum Ziel haben. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann.
40 
Nach alldem war die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
41 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
42 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
43 
Beschluss vom 26. Juli 2010
44 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 183,88 EUR festgesetzt.
45 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für die Präparate „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ und „Medyn“.
Seine u.a. auch darauf gerichteten Anträge wurden mit Bescheiden des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und vom 14.12.2005 sowie Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006, mit Bescheiden vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 sowie Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 abgelehnt.
Auf seine bereits am 05.05.2006 erhobene Klage hin hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beklagten mit Urteil vom 09.05.2007 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 28,91 EUR nebst Prozesszinsen zu gewähren. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 wurden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die bezüglich der Bescheide vom 06.07.2005, vom 14.12.2005, vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006, vom 28.08.2006 sowie der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2006 und vom 28.09.2006, soweit darin beantragte Beihilfeleistungen abgelehnt würden, zulässige Klage sei insoweit begründet, als dem Kläger in den Bescheiden vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 Beihilfeleistungen zu dem Präparat „Medyn“ abgelehnt worden seien; sie sei unbegründet im Hinblick auf die Ablehnung von Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein und Zeaxanthin Formula“. Die geltend gemachten Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ seien beihilfefähig. Zwar könne ein Vitaminpräparat wie „Medyn“, das im Wesentlichen die Vitamine B6, Folsäure und B12 enthalte, ein Mittel sein, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, indem es die Nahrung um für den Köper notwendige Vitamine ergänze. Jedoch sei „Medyn“ dem Kläger nicht maßgeblich zur Nahrungsergänzung (oder gar zum Ersatz für Nahrungsmittel) verschrieben worden. Ausweislich des vorgelegten Rezepts habe die den Kläger behandelnde Ärztin das Präparat „zur Vermeidung erhöhter Homocysteinwerte“ verschrieben. Es sei danach davon auszugehen, dass beim Kläger überhöhte Homocysteinwerte im Blut festgestellt worden seien. Bei der danach vorliegenden Indikation komme „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts zur Anwendung, ohne zugleich Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der in die mündliche Verhandlung eingeführten Produktbeschreibung diene „Medyn“ zur Senkung erhöhter Homocysteinwerte bedingt durch Vitaminmangel. Die in „Medyn“ enthaltenen Vitamine sollten sonach nicht typische Nahrungsbestandteile - wie es Vitamine seien - ergänzen bzw. sogar ersetzen, sondern einen normabweichenden Zustand bekämpfen. Die DACH-Liga Homocystein, ein Zusammenschluss deutscher, österreichischer und schweizerischer Wissenschaftler, empfehle die Substitution von B-Vitaminen zur Senkung erhöhter Homocysteinspiegel, weil der Zusammenhang von erhöhten Homocysteinspiegeln mit einem gesteigerten Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen als gesichert gelte. Diene „Medyn“ nach der Zweckbestimmung des Herstellers und auch im vorliegenden Fall der Senkung erhöhter Homocysteinwerte, komme es danach - als ärztlich verordnetes Arzneimittel - „aus Anlass einer Krankheit“ zum Einsatz. Denn ein erhöhter Homocysteinspiegel stelle mit der dadurch gegebenen Risikosteigerung für kardiovaskuläre Erkrankungen einen regelwidrigen Zustand des Körpers dar, der der ärztlichen Behandlung bedürfe. An der Charakterisierung von „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften ändere es nichts, dass möglicherweise bei ansonsten gesunden Menschen eine spezifische Zufuhr der in „Medyn“ enthaltenen Vitamine durch eine besonders eingestellte Ernährung zu erreichen sei.
Zu einem anderen Ergebnis sei die Kammer hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gekommen. Hier handle es sich nicht um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung. Zwar solle auch dieses Präparat nach dem Vorbringen des Klägers und der hierzu vorliegenden Verordnung zur Bekämpfung einer Krankheit, der Makuladegeneration, eingesetzt werden, einer Erkrankung, für die es gegenwärtig keine effektiven schulmedizinischen Behandlungsansätze gebe. Jedoch stehe der Einordnung als Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung hier schon die vom Hersteller des Präparats angegebene Zweckbestimmung des Mittels entgegen. Nach der dem Schriftsatz des Beklagten vom 26.06.2006 beigefügten englischsprachigen Produktbeschreibung handle es sich um ein Präparat, das neben den Bestandteilen Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten seien, auch verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) sowie weitere Bestandteile (z.B. Zink und Selen) enthalte. Nach der Produktbeschreibung diene das Mittel der Vorbeugung von Mangelzuständen und zur Erhaltung der Augengesundheit. Zwar sei auch das Risiko einer Makuladegeneration (AMD) erwähnt, jedoch bringe der Hersteller das genannte Mittel nicht als Arzneimittel, d.h. zu Heilzwecken, in den Handel. Nach seiner ausdrücklichen Kennzeichnung handele es sich vielmehr um ein „dietary supplement“, was am ehesten mit „Nahrungsergänzungsmittel“ zu übersetzen sei. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten seien, sei die Erhaltung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung werde aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. Die spezifische Zwecksetzung ändere nichts daran, dass es sich um in der natürlichen Nahrung enthaltene Stoffe handle, die dazu bestimmt seien, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Es handle sich eher um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und sei sonach nicht als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts einzustufen.
Hinsichtlich der Gewährung von Beihilfe für die genannten Präparate hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen, die der Kläger am 13.07.2007 und der Beklagte am 16.07.2007 eingelegt hat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm Beihilfe zu den Aufwendungen für das Arzneimittel „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ nebst 5% Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit zu gewähren und die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und 14.12.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sowie die Bescheide vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, das Arzneimittel „Medyn“ sei ihm erstmals vor zwei Jahren verschrieben worden. Hierfür habe es zwei Gründe gegeben, von denen einer sogar auf dem Rezept vermerkt worden sei. Zum einen habe ein überhöhter Homocysteinspiegel vermieden und auf diese Weise das bei ihm bestehende Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko reduziert werden sollen, daneben seien bei ihm sämtliche Gelenke schwer angeschlagen. Dieser Umstand führe zu einem weit höheren Bedarf an Vitaminen der B-Gruppe als dies bei normalen gesunden Personen der Fall sei. Der gesamte Vortrag des Beklagten gehe schon deshalb ins Leere, weil mit Hilfe dieses Arzneimittels genau das geschehen solle, was der Beklagte zu vermissen scheine, nämlich die Bekämpfung eines besonders schwerwiegenden Krankheitszustands. Am 08.09.2003 sei bei ihm der Homocysteinspiegel zum ersten Mal ermittelt worden. Das Ergebnis sei 10,8 gewesen. Einige Zeit danach sei bei ihm mit der Medyn-Behandlung begonnen worden. Trotz der langjährigen Einnahme sei der am 15.04.2008 erstmals wieder getestete Wert nur auf 10,1 zurückgegangen. Etwa im August habe er sich dazu entschlossen, um möglicherweise dem Streit mit dem Beklagten ein Ende zu machen, eine Zeitlang auf die Einnahme von Medyn zu verzichten. Dies habe jedoch dazu geführt, dass am 31.10.2008 ein Wert von 14,2 festgestellt worden sei. Nach Wiederaufnahme der Medyneinnahme habe sich am 12.03.2009 immer noch ein viel zu hoher Wert von 13,8 ergeben. Bei Medyn handle es sich um ein zugelassenes Arzneimittel. Die Frage der medizinischen Indikation müsse allein und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt werden und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren. Wenn der behandelnde Arzt die Behandlung mit Medyn als indiziert angesehen habe, müsse dies schon deswegen respektiert werden, weil er dies aus therapeutischen Gründen für geboten gehalten habe, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, ihn nicht ordnungsgemäß behandelt zu haben. Das in einem Parallelverfahren vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. K. sei nicht verwertbar. Er beziehe sich auch auf ein Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009, auf ein Gutachten von Prof. Dr. B. über die Bedeutung des erhöhten Homocysteins im Blut, eine aktuelle Publikation von Prof. Dr. H. über die neue Bewertung des Nutzens einer Homocysteinsenkung mit B-Vitaminen mit dem Fazit, dass die Einnahme von B-Vitaminen in Präventionsstudien zu einer signifikanten Reduktion von Schlaganfällen geführt habe, einen englischsprachigen Artikel zur Supplementierung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 und einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Zeitschrift Perfusion 09/2007. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der drei Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere, und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten sei unbrauchbar.
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Es sei abwegig, „I Caps“ als Lebensmittel zu behandeln; es sei auch kein Nahrungsergänzungsmittel. „I Caps“ werde von ihm zu Heilungszwecken eingenommen und nicht zur Ernährung oder zum Genuss. Dieser Zweckbestimmung stehe nicht entgegen, dass „I Caps“ von der Produktbeschreibung her als apothekenpflichtiges Nahrungsergänzungsmittel angeboten werde. Maßgeblich für den Charakter eines Präparats als Arzneimittel sei nicht der Verwendungswille des Patienten oder des Produzenten, sondern die eindeutige medizinische Indikation des verordneten Gegenstandes. Schon deshalb scheide eine Anwendung der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NEM) auf die hier streitgegenständlichen Arzneimittel aus. § 1 NEM bestimme unter Nr. 1, dass ein Nahrungsergänzungsmittel dazu bestimmt sein müsse, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Dieser Zweck sei in den hier streitgegenständlichen Fällen nicht gegeben. Weiter fordere § 4 Abs. 1 NEM eine Kennzeichnung der Nahrungsergänzungsmittel mit „NEM“, was weder bei „I Caps“ noch bei „Medyn“ der Fall sei. Laut § 4 Abs. 2 Nr. 4 NEM müsse jedes Nahrungsergänzungsmittel den Hinweis enthalten, dass dieses kein Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung sei. Auch dies sei hier nicht der Fall. Des Weiteren enthalte die Nahrungsergänzungsmittelverordnung in zwei Anlagen die Aufzählung sämtlicher Stoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt nur enthalten sein dürften. In beiden Anlagen würden die Hauptbestandteile der „I Caps“, nämlich die Substanzen Lutein und Zeaxanthin, nicht genannt. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. LFGB sei es verboten, einem Lebensmittel den Anschein eines Arzneimittels zu geben. Nach § 12 LFGB sei bei Lebensmitteln jegliche krankheitsbezogene Werbung verboten, insbesondere schriftliche Angaben, die dazu anreizten, Krankheiten mit Lebensmitteln zu behandeln. Beide Hersteller würden sich durch das In-Verkehr-Bringen von „Medyn“ und „I Caps“ strafbar machen, wenn sie ein Lebensmittel zwecks Behandlung von Krankheiten in den Verkehr gebracht hätten. Diese Präparate seien auch nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Im Übrigen sei es Aufgabe des Beklagten, darzulegen, welche Güter des täglichen Bedarfs von 100% der Bevölkerung täglich angewendet würden, die durch die hier streitgegenständlichen Arzneimittel zu ersetzen wären. Dies sei nicht geschehen. Im Übrigen sei durch Ernährungsmaßnahmen eine wirksame Einflussnahme auf die bestehenden Krankheiten nicht mehr möglich. Als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter habe er ohnehin keine Möglichkeit, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
13 
Er macht geltend, der Kläger habe keinen Anspruch auf Beihilfe für „Medyn“. Das Verwaltungsgericht gehe fälschlicherweise vom Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte beim Kläger aus. Die Aussage der Ärztin, dass durch die Verordnung von „Medyn“ überhöhte Homocysteinwerte vermieden werden sollten, lasse gerade nicht den Schluss zu, dass bereits überhöhte Homocysteinwerte festgestellt worden seien. Zur Gesundheitsvorsorge seien jedoch nach dem allenfalls in Betracht kommenden § 10 Abs. 3 Nr. 3 BVO lediglich ambulante ärztliche Leistungen und nicht schriftlich verordnete Arzneimittel beihilfefähig. Auch bei Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte bestehe keine Beihilfefähigkeit. Ein erhöhter Homocysteinwert sei keine Krankheit im Sinne der Beihilfevorschriften. „Medyn“ enthalte im Übrigen ausschließlich Inhaltsstoffe, die auch in der Nahrung enthalten seien, und falle als Nahrungsergänzungsmittel nicht unter den beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff, sondern diene der Vermeidung von Nährstofflücken und sei damit ein Mittel, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Dies gelte auch für „I Caps“. Das Präparat sei nicht verschreibungspflichtig und werde auch nicht in der „Roten Liste“ geführt. Auch die Tatsache, dass das Erfordernis einer solchen „besonderen Ernährung“ krankheitsbedingt sein und dem Lebensmittel von daher „heilende“ Wirkung zukommen könne, ändere grundsätzlich nichts an seinem Lebensmittelcharakter. Den Nachweis, dass der Kläger an einem Vitaminmangel leide, der durch entsprechende Ernährung nicht behoben werden könne, habe er nicht erbracht. Selbst wenn es sich bei dem Mittel „I Caps“ um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung handeln würde, wäre das Mittel nicht beihilfefähig, da es ausweislich der Produktbeschreibung des Herstellers nicht der Behandlung einer Krankheit, sondern der Erhaltung der Augengesundheit diene. Somit diene das Mittel der Gesundheitsvorsorge und sei nach § 10 BVO nicht beihilfefähig. Für beide Präparate fehle es auch an der wissenschaftlichen Anerkennung und damit an der Notwendigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. K. vom 20.07.2009 verwiesen.
15 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. November 2009 – 12 K 414/08 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Frage der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für ein Mittel zur Andickung von Flüssigkeiten („Thick & Easy“).
Der Sohn des beihilfeberechtigten Klägers leidet an einer schweren hypoxisch-ischämischen Encephalopathie nach cardiogenem Schock. Daher hat er Probleme bei der Nahrungsaufnahme (Dysphagie). Für ihn besteht ein Beihilfebemessungssatz von 80%.
Ein als „Widerspruch“ bezeichnetes Schreiben des Klägers vom 19.10.2007 legte der Beklagte unwidersprochen als Antrag auf Beihilfe für Gesamtaufwendungen in Höhe von 359,91 EUR für das seinem Sohn verordnete Andickungsmittel „Thick & Easy“ aus.
Mit Beihilfebescheid vom 8.11.2007 lehnte das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg die beantragte Beihilfe für Aufwendungen für das Präparat „Thick & Easy“ ab. Es handle es sich hierbei nicht um ein Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger unter dem 13.11.2007 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 8.1.2008 wies das Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte es aus: Das Präparat „Thick & Easy“ sei nicht in der Liste der zugelassenen Fertigarzneimittel (Rote Liste) oder im Pharmaindex (Gelbe Liste) enthalten. Nahrungsergänzungsmittel seien keine Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts und somit grundsätzlich nicht beihilfefähig. Würden jedoch vitamin- und/oder mineralstoffhaltige Nahrungsergänzungsmittel ärztlich verordnet, so seien die Aufwendungen für Nahrungsergänzungsmittel dann beihilfefähig, wenn eine der Voraussetzungen für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Vitaminpräparate oder Mineralstoffpräparate (entsprechend den Regelungen der Arzneimittelrichtlinien, dort unter Nr. 20.2 g und h) vorliege. Da in Andickungsmitteln jedoch keine Vitamine oder Mineralstoffe enthalten seien, könnten sie auch bei großzügiger Betrachtung nicht als Arzneimittel angesehen werden. Andickungsmittel sei auch nicht dem Bereich „vollbilanzierte“ oder „chemisch definierte Formeldiäten“ zuzuordnen, für die bei bestimmten Krankheitsbildern eine Beihilfe gewährt werden könne.
Am 4.2.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Aufwendungen für das Verdickungsmittel seien sowohl dem Grunde nach notwendig als auch der Höhe nach angemessen. Zwar sei ein Verdickungsmittel in § 6 der Beihilfeordnung nicht genannt. Jedoch sei § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO zu entnehmen, dass verordnete Arznei- und Verbandsmittel ebenfalls beihilfefähig seien. Auch wenn das Mittel „Thick & Easy“ formell nicht als Arzneimittel anerkannt werde, stelle es sich aufgrund der dargelegten Wirkungsart als ein Arzneimitteln ähnliches Mittel dar. Es habe bei dem Sohn des Klägers die gleiche Funktion wie die alternativ mögliche enterale Ernährung. Bei objektiver Betrachtung sei zu berücksichtigen, dass ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch die Versorgung mit enteraler Ernährung wesentlich schwerwiegender sei als die Ernährungsmöglichkeit mit Hilfe des begehrten Verdickungsmittels. Letztlich liege daher ein notstandsähnlicher Fall vor, der die Versorgung mit dem Verdickungsmittel „Thick & Easy“ begründe, obwohl dieses kein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes sei. Das Verdickungsmittel „Thick & Easy“ sei jedoch als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne zu verstehen. Denn unter Berücksichtigung der vom Hersteller angegebenen Zweckbestimmung diene das Instant-Andickungsmittel zur sicheren Ernährung bei Schluckstörungen (Dysphagie) und zur Unterstützung beim Schlucktraining. Schließlich wirke das begehrte Verdickungsmittel beim Sohn des Klägers als arzneimittelähnliches Produkt, indem es dafür sorge, dass dieser ohne großen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, der ansonsten für die enterale Ernährung notwendig wäre, ernährt werden könne. Es handle sich um ein Produkt für Dysphagiepatienten und werde gerade nicht im täglichen Leben zur Bedarfsdeckung eines gesunden Menschen verwendet.
Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Zur Begründung hat er vorgetragen: Das Präparat „Thick & Easy“ sei kein beihilfefähiges Arzneimittel, sondern ein Mittel, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Für den Begriff des Arzneimittels könne auf die allgemeine Definition in § 2 AMG zurückgegriffen werden. Danach seien unter Arzneimitteln Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt seien, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper u. a. Krankheiten, Leiden, Körperschäden und krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Keine Arzneimittel seien gemäß der Abgrenzung in § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 LFGB. § 2 Abs. 2 LFBG verweise auf die Definition des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, wonach Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse seien, die dazu bestimmt seien oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden könne, dass sie in verarbeiteten, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen aufgenommen werden. Das streitgegenständliche Präparat sei weder auf der Roten noch auf der Gelben Liste aufgeführt. Weiterhin richte sich die Einstufung und damit die Zweckbestimmung eines Mittels als Arzneimittel nach objektiven Maßstäben. Das streitgegenständliche Präparat werde als Nahrungsergänzungsmittel gehandelt; es enthalte auf rein pflanzlicher Basis modifizierte Maisstärke. Es handle sich um ein Lebensmittel, das dazu bestimmt sei, die Konsistenz flüssiger Lebensmittel so zu verändern, dass sie vom Sohn des Klägers aufgenommen werden könnten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.11.2008 - zugestellt am 28.11.2008 - abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Das Präparat „Thick & Easy“ sei kein Arzneimittel im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO, sondern ein Lebensmittel. Dies seien alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt seien oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden könne, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen aufgenommen würden. Zu Lebensmitteln zählten auch diätetische Lebensmittel; dies seien nach § 1 Abs. 1 der Diätverordnung Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt seien. Darunter fielen gemäß § 1 Abs. 4 a Diätverordnung auch diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten); dies seien Erzeugnisse, die für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt seien. Unter diesen sehr weiten Lebensmittelbegriff falle das Produkt „Thick & Easy“, da es ersichtlich dazu bestimmt ist, von Menschen verzehrt zu werden. Nicht zu den Lebensmitteln gehörten nach Art. 2 Satz 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 Arzneimittel. Entscheidend für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel sei seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten Verbraucher darstelle. Die Bestimmung des Verwendungszwecks erschließe sich aus einer Reihe von Umständen, insbesondere der stofflichen Zusammensetzung des Präparats, seiner Aufmachung, der Art und Form der Einnahme und der Vertriebsweise. Dabei komme es zum einen nicht darauf an, ob das Produkt eine erwartete therapeutische Wirkung tatsächlich habe oder haben könne und zum anderen auch nicht darauf, ob es ausdrücklich als Arzneimittel bezeichnet sei, sondern darauf, ob es schlüssig, dann aber mit Gewissheit den Eindruck erwecke, hauptsächlich Heilzwecken zu dienen. Für die beihilferechtliche Einordnung als Arzneimittel sei insbesondere die vom Hersteller angegebene Zweckbestimmung des Mittels maßgebend.
Nach diesen Kriterien stelle sich das Mittel „Thick & Easy“ nicht als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne dar. Nach seiner objektiven Zweckbestimmung, nach seiner stofflichen Zusammensetzung, seiner Aufmachung diene es nicht hauptsächlich Heilzwecken. Nach der Produktbeschreibung werde es der Produktgruppe „Ergänzende Trinknahrungen/Zusatznahrungen“ zugeordnet. Von der Zusammensetzung her handle es sich um „modifizierte Maisstärke (E 1442), Maltodextrin“. Für den Lebensmittelcharakter des Präparats spreche weiter die in der Produktbeschreibung enthaltene Zweckbestimmung „zum Andicken warmer und kalter Getränke, pürierter Gerichte, von Fresenius Kabi Trinknahrungen“. Hieraus ergäben sich keine therapeutischen Wirkaussagen, vielmehr diene das Mittel - jedenfalls ganz überwiegend - der Nahrungsaufnahme insbesondere durch Personen, die an Schluckstörungen litten.
10 
Das Produkt falle auch nicht unter den Begriff des Funktionsarzneimittels. Hiernach seien Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden könnten, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Erforderlich sei eine wirkliche Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers und eine nennenswerte Auswirkung auf den Stoffwechsel. Nach seiner Produktbeschreibung und der sich hieraus ergebenden Zweckbestimmung erfülle das Mittel „Thick & Easy“ diese Bedingung nicht. Denn es diene allein der Herstellung einer bestimmten Nahrungskonsistenz, damit diese von Personen, die an Schluckstörungen litten, aufgenommen werden könne. Irgendeine Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers und eine nennenswerte Auswirkung auf den Stoffwechsel sei damit nicht verbunden.
11 
Das Präparat könne auch nicht als sonstiges Mittel unter die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO subsumiert werden. Hierbei müsse es sich um Mittel handeln, die Arznei- oder Verbandsmitteln gleichstünden. Auch unter Berücksichtigung der Formulierung „und dergleichen“ könnten danach Produkte, die nach ihrer überwiegenden Zweckbestimmung nicht Heilzwecken dienten bzw. keine Funktionsarzneimittel seien, nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO beihilfefähig sein. Auf die Frage, ob das Mittel „Thick & Easy“ geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, komme es nach alledem nicht mehr an. Es treffe im Übrigen auch nicht zu, dass das Mittel die „gleichen Funktionen wie die alternativ mögliche enterale Ernährung“ habe. Ein Mittel, das zur Herstellung einer bestimmten Konsistenz der Nahrung diene, könne nicht mit der enteralen Ernährung verglichen werden.
12 
Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Kläger fristgerecht vor, bei dem Produkt „Thick & Easy“ handle es sich um ein Mittel, das nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO („und dergleichen“) zu klassifizieren sei. Es handle sich um ein Produkt ähnlich einem Hilfsmittel, durch dessen Einsatz der Sohn des Klägers überhaupt erst essen könne. Es ermögliche somit den Transport der Nahrung. Aufgrund seiner objektiven Zweckbestimmung sei es in seiner Wirkweise mit der Sonde bei enteraler Ernährung zu vergleichen, welche die Nahrungsaufnahme erst ermögliche und die der Leistungspflicht des Beklagten unterliege. „Thick & Easy“ sei daher auch als Funktionsarzneimittel anzusehen. Auch nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland Pfalz komme es weder darauf an, dass ein eingesetztes Produkt als Arzneimittel zugelassen sei, noch darauf, ob es einen pharmakologischen Bestandteil enthalte. Maßgeblich im beihilferechtlichen Sinne sei vielmehr der überwiegende Zweck, dem das Mittel nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung zu dienen bestimmt sei. Dabei knüpfe die Verkehrsauffassung regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die wiederum davon abhänge, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach hätten. Zudem sei der Anspruch des Klägers auch aus Angemessenheitsgesichtspunkten heraus begründet. Die Produkte für die Sondennahrung bei einer enteralen Ernährung seien um ein vielfaches teurer als die Versorgung mit den begehrten Mitteln. Außerdem sei der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch eine enterale Ernährung wesentlich belastender. Gemäß Art. 7 Abs. 2 UN-Behindertenrechtskonvention sei bei allen Maßnahmen, die Kinder mit Behinderungen beträfen, das Wohl des Kindes ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Es handle sich auch nicht um ein Lebensmittel, denn es werde nicht zur Ernährung des Sohns des Klägers benötigt, sondern es sei das Hilfsmittel, damit er überhaupt essen könne. Sein Zweck liege nicht in der Ernährung des Kindes als verwertbarer Nahrungsbestandteil, sondern als Transportmittel, um die sichere Ernährung hinsichtlich Schluckstörungen (Dysphagie) und Aspirationspneumonie zu gewährleisten.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. November 2008 - 12 K 414/08 - zu ändern, den Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 8. November 2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2008 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihm für Aufwendungen für das Mittel „Thick & Easy“ Beihilfe in Höhe von 287,93 EUR zu gewähren.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Er ist der Auffassung, das Präparat „Thick & Easy“ sei weder unter dem Begriff des Präsentationsarzneimittels noch unter den Begriff des Funktionsarzneimittels einzuordnen. Es diene nicht zu Heilzwecken, da es keinerlei therapeutische Wirkung entfalte, so dass es nicht als Arzneimittel anzusehen sei. Vielmehr falle es unter den Lebensmittelbegriff, da es dazu bestimmt sei, von Menschen verzehrt zu werden. Das Verwaltungsgericht habe darüber hinaus zu Recht erkannt, dass das streitgegenständliche Präparat auch nicht unter § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO subsumiert werden könne, da mit der Formulierung „Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen“ nicht die Möglichkeit eröffnet sei, sämtliche Produkte mit irgendeiner therapeutischen Zwecksetzung für beihilfefähig zu erklären. Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, das Produkt sei ein Hilfsmittel, sei dies in sich unschlüssig, da er zugleich behaupte, es sei als Funktionsarzneimittel anzusehen. Das Präparat falle auch nicht unter den Begriff des Heilmittels im beihilferechtlichen Sinn, da diese in der Anlage zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BVO abschließend aufgeführt seien. Der Vortrag in Bezug auf den Vergleich mit der enteralen Ernährung sei nicht relevant und folglich nicht zu berücksichtigen.
18 
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
19 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten (1 Heft) und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 12 K 414/08 - vor. Diese Akten sind wie die Prozessakte Gegenstand der Entscheidung; wegen der näheren Einzelheiten wird hierauf ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), denn er hat keinen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für das Andickungsmittel „Thick & Easy“ für seinen Sohn. Der Senat macht sich hierbei ausdrücklich die Gründe der angefochtenen Entscheidung zu Eigen und verweist auf diese (§ 130b Satz 2 VwGO). Ergänzend ist auszuführen:
21 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.2.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
22 
Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus (hierzu und zum folgenden grundlegend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 -). Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.5.1996 - 2 C 5.95 - ZBR 1996, 314).
23 
Unter Arzneimitteln im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.7.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.5.2009 - 3 C 5.09 - NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 8.7.2004 - 11 ME 12/04 - NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 - Juris).
24 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.4.1993 - 3 B 92.3836 - ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.5.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 - DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 - ZBR 2006, 203).
25 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
26 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-387/99 - Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
27 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Präparat „Thick & Easy“ kein Arzneimittel, sondern ein Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel. Es dient nicht Heilzwecken und es entfaltet auch keine therapeutische Wirkung im eigentlichen Sinne. Eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers findet nicht statt. Es enthält keinen Wirkstoff, der durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen soll, und führt auch zu keiner Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers oder zu einer nennenswerten Auswirkung auf den Stoffwechsel. Nach der bei den Beihilfeakten befindlichen Produktbeschreibung (vgl.http://www.prodiaet-server.de/site/produkt.php?show=FRE-014) besteht es aus modifizierter Maisstärke, Maltodextrin, also einem gewöhnlichen Nahrungsbestandteil. Diese Zusammensetzung - ohne jeden pharmazeutischen Wirkstoff - spricht eindeutig gegen den Arzneimittelcharakter des Präparats. Auch nach der Produktbeschreibung des Herstellers Fresenius wird es der Produktgruppe „Ergänzende Trinknahrungen/Zusatznahrungen“ und nicht etwa den Arzneimitteln zugeordnet. Es dient allein zum Andicken warmer und kalter Getränke, pürierter Gerichte sowie von Fresenius Kabi Trinknahrungen, damit diese von Personen, die an Schluckstörungen leiden, aufgenommen werden können. Lassen die Angaben des Herstellers jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten vermissen und enthält das Präparat ausschließlich einen gewöhnlichen Nahrungsbestandteil wie hier modifizierte Maisstärke, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn zudem keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnte. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
28 
Wie das Verwaltungsgericht ist daher auch der Senat der Auffassung, dass das Präparat „Thick & Easy eher mit einem diätischen Lebensmittel als mit einem Arzneimittel vergleichbar ist. Nach § 2 Abs. 2 LFGB, der auf Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verweist, sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu Lebensmitteln zählen auch diätetische Lebensmittel; dies sind nach § 1 Abs. 1 der Diätverordnung (vom 28.4.2005; BGBl. I S. 1161) Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Darunter fallen gemäß § 1 Abs. 4 a Diätverordnung auch diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten); dies sind Erzeugnisse, die auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sind.
29 
Das Präparat Thick & Easy kann auch nicht als sonstiges Mittel unter die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO a.F. subsumiert werden („und dergleichen“). Wie schon das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, soll mit der Formulierung „Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen“ nicht die Möglichkeit eröffnet werden, sämtliche Produkte mit irgendeiner therapeutischen Zwecksetzung für beihilfefähig zu erklären. Auch hiernach sind Produkte, die keinen Heilzwecken dienen und auch objektiv keine Funktionsarzneimittel sind, nicht beihilfefähig. Ebenfalls zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des Klägers das Mittel „Thick & Easy“ nicht die gleiche Funktion wie eine (beihilfefähige) enterale Ernährung erfüllt, die in bestimmten Fällen medizinisch notwendig sein kann.
30 
Schließlich lässt sich aus Art 7 Abs. 2 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNBehRÜbk) schon deshalb nichts zu Gunsten des Klägers ableiten, weil diese erst seit dem 26.3.2009 in Deutschland geltendes Recht ist (vgl. Kurzke-Maasmeier, SozArb 2010,2; Fuchs, DÄ 2009, A 2506).
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
32 
Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würden, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
33 
Beschluss vom 23. Februar 2010
34 
Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3 GKG unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszügeauf je 287,93 EUR festgesetzt. Anders als vom Verwaltungsgericht zugrundegelegt, besteht für den Sohn des Klägers ein Beihilfebemessungssatz von 80 %. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war daher entsprechend zu ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).
35 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
20 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), denn er hat keinen Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für das Andickungsmittel „Thick & Easy“ für seinen Sohn. Der Senat macht sich hierbei ausdrücklich die Gründe der angefochtenen Entscheidung zu Eigen und verweist auf diese (§ 130b Satz 2 VwGO). Ergänzend ist auszuführen:
21 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.7.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.2.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
22 
Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus (hierzu und zum folgenden grundlegend: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 19.1.2010 - 4 S 1816/07 -). Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 AMG kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.5.1996 - 2 C 5.95 - ZBR 1996, 314).
23 
Unter Arzneimitteln im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.7.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.5.2009 - 3 C 5.09 - NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 8.7.2004 - 11 ME 12/04 - NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 - Juris).
24 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.4.1993 - 3 B 92.3836 - ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.5.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 - DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 - ZBR 2006, 203).
25 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
26 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-387/99 - Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
27 
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Präparat „Thick & Easy“ kein Arzneimittel, sondern ein Lebens- oder Nahrungsergänzungsmittel. Es dient nicht Heilzwecken und es entfaltet auch keine therapeutische Wirkung im eigentlichen Sinne. Eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers findet nicht statt. Es enthält keinen Wirkstoff, der durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen soll, und führt auch zu keiner Veränderung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers oder zu einer nennenswerten Auswirkung auf den Stoffwechsel. Nach der bei den Beihilfeakten befindlichen Produktbeschreibung (vgl.http://www.prodiaet-server.de/site/produkt.php?show=FRE-014) besteht es aus modifizierter Maisstärke, Maltodextrin, also einem gewöhnlichen Nahrungsbestandteil. Diese Zusammensetzung - ohne jeden pharmazeutischen Wirkstoff - spricht eindeutig gegen den Arzneimittelcharakter des Präparats. Auch nach der Produktbeschreibung des Herstellers Fresenius wird es der Produktgruppe „Ergänzende Trinknahrungen/Zusatznahrungen“ und nicht etwa den Arzneimitteln zugeordnet. Es dient allein zum Andicken warmer und kalter Getränke, pürierter Gerichte sowie von Fresenius Kabi Trinknahrungen, damit diese von Personen, die an Schluckstörungen leiden, aufgenommen werden können. Lassen die Angaben des Herstellers jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten vermissen und enthält das Präparat ausschließlich einen gewöhnlichen Nahrungsbestandteil wie hier modifizierte Maisstärke, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn zudem keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnte. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
28 
Wie das Verwaltungsgericht ist daher auch der Senat der Auffassung, dass das Präparat „Thick & Easy eher mit einem diätischen Lebensmittel als mit einem Arzneimittel vergleichbar ist. Nach § 2 Abs. 2 LFGB, der auf Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verweist, sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu Lebensmitteln zählen auch diätetische Lebensmittel; dies sind nach § 1 Abs. 1 der Diätverordnung (vom 28.4.2005; BGBl. I S. 1161) Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind. Darunter fallen gemäß § 1 Abs. 4 a Diätverordnung auch diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten); dies sind Erzeugnisse, die auf besondere Weise verarbeitet oder formuliert und für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sind.
29 
Das Präparat Thick & Easy kann auch nicht als sonstiges Mittel unter die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BVO a.F. subsumiert werden („und dergleichen“). Wie schon das Verwaltungsgericht zu Recht dargelegt hat, soll mit der Formulierung „Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen“ nicht die Möglichkeit eröffnet werden, sämtliche Produkte mit irgendeiner therapeutischen Zwecksetzung für beihilfefähig zu erklären. Auch hiernach sind Produkte, die keinen Heilzwecken dienen und auch objektiv keine Funktionsarzneimittel sind, nicht beihilfefähig. Ebenfalls zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des Klägers das Mittel „Thick & Easy“ nicht die gleiche Funktion wie eine (beihilfefähige) enterale Ernährung erfüllt, die in bestimmten Fällen medizinisch notwendig sein kann.
30 
Schließlich lässt sich aus Art 7 Abs. 2 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNBehRÜbk) schon deshalb nichts zu Gunsten des Klägers ableiten, weil diese erst seit dem 26.3.2009 in Deutschland geltendes Recht ist (vgl. Kurzke-Maasmeier, SozArb 2010,2; Fuchs, DÄ 2009, A 2506).
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
32 
Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen würden, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).
33 
Beschluss vom 23. Februar 2010
34 
Der Streitwert wird gemäß § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 3 GKG unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszügeauf je 287,93 EUR festgesetzt. Anders als vom Verwaltungsgericht zugrundegelegt, besteht für den Sohn des Klägers ein Beihilfebemessungssatz von 80 %. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts war daher entsprechend zu ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG).
35 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für die Präparate „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ und „Medyn“.
Seine u.a. auch darauf gerichteten Anträge wurden mit Bescheiden des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und vom 14.12.2005 sowie Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006, mit Bescheiden vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 sowie Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 abgelehnt.
Auf seine bereits am 05.05.2006 erhobene Klage hin hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beklagten mit Urteil vom 09.05.2007 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 28,91 EUR nebst Prozesszinsen zu gewähren. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 wurden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die bezüglich der Bescheide vom 06.07.2005, vom 14.12.2005, vom 22.02.2006, vom 28.04.2006, vom 21.06.2006, vom 28.08.2006 sowie der Widerspruchsbescheide vom 12.04.2006 und vom 28.09.2006, soweit darin beantragte Beihilfeleistungen abgelehnt würden, zulässige Klage sei insoweit begründet, als dem Kläger in den Bescheiden vom 22.02.2006 und vom 28.08.2006 Beihilfeleistungen zu dem Präparat „Medyn“ abgelehnt worden seien; sie sei unbegründet im Hinblick auf die Ablehnung von Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein und Zeaxanthin Formula“. Die geltend gemachten Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ seien beihilfefähig. Zwar könne ein Vitaminpräparat wie „Medyn“, das im Wesentlichen die Vitamine B6, Folsäure und B12 enthalte, ein Mittel sein, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, indem es die Nahrung um für den Köper notwendige Vitamine ergänze. Jedoch sei „Medyn“ dem Kläger nicht maßgeblich zur Nahrungsergänzung (oder gar zum Ersatz für Nahrungsmittel) verschrieben worden. Ausweislich des vorgelegten Rezepts habe die den Kläger behandelnde Ärztin das Präparat „zur Vermeidung erhöhter Homocysteinwerte“ verschrieben. Es sei danach davon auszugehen, dass beim Kläger überhöhte Homocysteinwerte im Blut festgestellt worden seien. Bei der danach vorliegenden Indikation komme „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts zur Anwendung, ohne zugleich Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Nach der in die mündliche Verhandlung eingeführten Produktbeschreibung diene „Medyn“ zur Senkung erhöhter Homocysteinwerte bedingt durch Vitaminmangel. Die in „Medyn“ enthaltenen Vitamine sollten sonach nicht typische Nahrungsbestandteile - wie es Vitamine seien - ergänzen bzw. sogar ersetzen, sondern einen normabweichenden Zustand bekämpfen. Die DACH-Liga Homocystein, ein Zusammenschluss deutscher, österreichischer und schweizerischer Wissenschaftler, empfehle die Substitution von B-Vitaminen zur Senkung erhöhter Homocysteinspiegel, weil der Zusammenhang von erhöhten Homocysteinspiegeln mit einem gesteigerten Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen als gesichert gelte. Diene „Medyn“ nach der Zweckbestimmung des Herstellers und auch im vorliegenden Fall der Senkung erhöhter Homocysteinwerte, komme es danach - als ärztlich verordnetes Arzneimittel - „aus Anlass einer Krankheit“ zum Einsatz. Denn ein erhöhter Homocysteinspiegel stelle mit der dadurch gegebenen Risikosteigerung für kardiovaskuläre Erkrankungen einen regelwidrigen Zustand des Körpers dar, der der ärztlichen Behandlung bedürfe. An der Charakterisierung von „Medyn“ als Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften ändere es nichts, dass möglicherweise bei ansonsten gesunden Menschen eine spezifische Zufuhr der in „Medyn“ enthaltenen Vitamine durch eine besonders eingestellte Ernährung zu erreichen sei.
Zu einem anderen Ergebnis sei die Kammer hinsichtlich der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gekommen. Hier handle es sich nicht um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung. Zwar solle auch dieses Präparat nach dem Vorbringen des Klägers und der hierzu vorliegenden Verordnung zur Bekämpfung einer Krankheit, der Makuladegeneration, eingesetzt werden, einer Erkrankung, für die es gegenwärtig keine effektiven schulmedizinischen Behandlungsansätze gebe. Jedoch stehe der Einordnung als Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung hier schon die vom Hersteller des Präparats angegebene Zweckbestimmung des Mittels entgegen. Nach der dem Schriftsatz des Beklagten vom 26.06.2006 beigefügten englischsprachigen Produktbeschreibung handle es sich um ein Präparat, das neben den Bestandteilen Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten seien, auch verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) sowie weitere Bestandteile (z.B. Zink und Selen) enthalte. Nach der Produktbeschreibung diene das Mittel der Vorbeugung von Mangelzuständen und zur Erhaltung der Augengesundheit. Zwar sei auch das Risiko einer Makuladegeneration (AMD) erwähnt, jedoch bringe der Hersteller das genannte Mittel nicht als Arzneimittel, d.h. zu Heilzwecken, in den Handel. Nach seiner ausdrücklichen Kennzeichnung handele es sich vielmehr um ein „dietary supplement“, was am ehesten mit „Nahrungsergänzungsmittel“ zu übersetzen sei. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten seien, sei die Erhaltung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung werde aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. Die spezifische Zwecksetzung ändere nichts daran, dass es sich um in der natürlichen Nahrung enthaltene Stoffe handle, die dazu bestimmt seien, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Es handle sich eher um ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und sei sonach nicht als Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts einzustufen.
Hinsichtlich der Gewährung von Beihilfe für die genannten Präparate hat das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen, die der Kläger am 13.07.2007 und der Beklagte am 16.07.2007 eingelegt hat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und den Beklagten zu verpflichten, ihm Beihilfe zu den Aufwendungen für das Arzneimittel „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ nebst 5% Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit zu gewähren und die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005 und 14.12.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sowie die Bescheide vom 28.04.2006, vom 21.06.2006 und vom 28.08.2006 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt er vor, das Arzneimittel „Medyn“ sei ihm erstmals vor zwei Jahren verschrieben worden. Hierfür habe es zwei Gründe gegeben, von denen einer sogar auf dem Rezept vermerkt worden sei. Zum einen habe ein überhöhter Homocysteinspiegel vermieden und auf diese Weise das bei ihm bestehende Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko reduziert werden sollen, daneben seien bei ihm sämtliche Gelenke schwer angeschlagen. Dieser Umstand führe zu einem weit höheren Bedarf an Vitaminen der B-Gruppe als dies bei normalen gesunden Personen der Fall sei. Der gesamte Vortrag des Beklagten gehe schon deshalb ins Leere, weil mit Hilfe dieses Arzneimittels genau das geschehen solle, was der Beklagte zu vermissen scheine, nämlich die Bekämpfung eines besonders schwerwiegenden Krankheitszustands. Am 08.09.2003 sei bei ihm der Homocysteinspiegel zum ersten Mal ermittelt worden. Das Ergebnis sei 10,8 gewesen. Einige Zeit danach sei bei ihm mit der Medyn-Behandlung begonnen worden. Trotz der langjährigen Einnahme sei der am 15.04.2008 erstmals wieder getestete Wert nur auf 10,1 zurückgegangen. Etwa im August habe er sich dazu entschlossen, um möglicherweise dem Streit mit dem Beklagten ein Ende zu machen, eine Zeitlang auf die Einnahme von Medyn zu verzichten. Dies habe jedoch dazu geführt, dass am 31.10.2008 ein Wert von 14,2 festgestellt worden sei. Nach Wiederaufnahme der Medyneinnahme habe sich am 12.03.2009 immer noch ein viel zu hoher Wert von 13,8 ergeben. Bei Medyn handle es sich um ein zugelassenes Arzneimittel. Die Frage der medizinischen Indikation müsse allein und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt werden und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren. Wenn der behandelnde Arzt die Behandlung mit Medyn als indiziert angesehen habe, müsse dies schon deswegen respektiert werden, weil er dies aus therapeutischen Gründen für geboten gehalten habe, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, ihn nicht ordnungsgemäß behandelt zu haben. Das in einem Parallelverfahren vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. K. sei nicht verwertbar. Er beziehe sich auch auf ein Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009, auf ein Gutachten von Prof. Dr. B. über die Bedeutung des erhöhten Homocysteins im Blut, eine aktuelle Publikation von Prof. Dr. H. über die neue Bewertung des Nutzens einer Homocysteinsenkung mit B-Vitaminen mit dem Fazit, dass die Einnahme von B-Vitaminen in Präventionsstudien zu einer signifikanten Reduktion von Schlaganfällen geführt habe, einen englischsprachigen Artikel zur Supplementierung mit Folsäure, Vitamin B6 und B12 und einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Zeitschrift Perfusion 09/2007. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der drei Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere, und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten sei unbrauchbar.
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Es sei abwegig, „I Caps“ als Lebensmittel zu behandeln; es sei auch kein Nahrungsergänzungsmittel. „I Caps“ werde von ihm zu Heilungszwecken eingenommen und nicht zur Ernährung oder zum Genuss. Dieser Zweckbestimmung stehe nicht entgegen, dass „I Caps“ von der Produktbeschreibung her als apothekenpflichtiges Nahrungsergänzungsmittel angeboten werde. Maßgeblich für den Charakter eines Präparats als Arzneimittel sei nicht der Verwendungswille des Patienten oder des Produzenten, sondern die eindeutige medizinische Indikation des verordneten Gegenstandes. Schon deshalb scheide eine Anwendung der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NEM) auf die hier streitgegenständlichen Arzneimittel aus. § 1 NEM bestimme unter Nr. 1, dass ein Nahrungsergänzungsmittel dazu bestimmt sein müsse, die allgemeine Ernährung zu ergänzen. Dieser Zweck sei in den hier streitgegenständlichen Fällen nicht gegeben. Weiter fordere § 4 Abs. 1 NEM eine Kennzeichnung der Nahrungsergänzungsmittel mit „NEM“, was weder bei „I Caps“ noch bei „Medyn“ der Fall sei. Laut § 4 Abs. 2 Nr. 4 NEM müsse jedes Nahrungsergänzungsmittel den Hinweis enthalten, dass dieses kein Ersatz für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung sei. Auch dies sei hier nicht der Fall. Des Weiteren enthalte die Nahrungsergänzungsmittelverordnung in zwei Anlagen die Aufzählung sämtlicher Stoffe, die in Nahrungsergänzungsmitteln überhaupt nur enthalten sein dürften. In beiden Anlagen würden die Hauptbestandteile der „I Caps“, nämlich die Substanzen Lutein und Zeaxanthin, nicht genannt. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. LFGB sei es verboten, einem Lebensmittel den Anschein eines Arzneimittels zu geben. Nach § 12 LFGB sei bei Lebensmitteln jegliche krankheitsbezogene Werbung verboten, insbesondere schriftliche Angaben, die dazu anreizten, Krankheiten mit Lebensmitteln zu behandeln. Beide Hersteller würden sich durch das In-Verkehr-Bringen von „Medyn“ und „I Caps“ strafbar machen, wenn sie ein Lebensmittel zwecks Behandlung von Krankheiten in den Verkehr gebracht hätten. Diese Präparate seien auch nicht geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Im Übrigen sei es Aufgabe des Beklagten, darzulegen, welche Güter des täglichen Bedarfs von 100% der Bevölkerung täglich angewendet würden, die durch die hier streitgegenständlichen Arzneimittel zu ersetzen wären. Dies sei nicht geschehen. Im Übrigen sei durch Ernährungsmaßnahmen eine wirksame Einflussnahme auf die bestehenden Krankheiten nicht mehr möglich. Als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter habe er ohnehin keine Möglichkeit, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Mai 2007 - 17 K 1795/06 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
13 
Er macht geltend, der Kläger habe keinen Anspruch auf Beihilfe für „Medyn“. Das Verwaltungsgericht gehe fälschlicherweise vom Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte beim Kläger aus. Die Aussage der Ärztin, dass durch die Verordnung von „Medyn“ überhöhte Homocysteinwerte vermieden werden sollten, lasse gerade nicht den Schluss zu, dass bereits überhöhte Homocysteinwerte festgestellt worden seien. Zur Gesundheitsvorsorge seien jedoch nach dem allenfalls in Betracht kommenden § 10 Abs. 3 Nr. 3 BVO lediglich ambulante ärztliche Leistungen und nicht schriftlich verordnete Arzneimittel beihilfefähig. Auch bei Vorliegen überhöhter Homocysteinwerte bestehe keine Beihilfefähigkeit. Ein erhöhter Homocysteinwert sei keine Krankheit im Sinne der Beihilfevorschriften. „Medyn“ enthalte im Übrigen ausschließlich Inhaltsstoffe, die auch in der Nahrung enthalten seien, und falle als Nahrungsergänzungsmittel nicht unter den beihilferechtlichen Arzneimittelbegriff, sondern diene der Vermeidung von Nährstofflücken und sei damit ein Mittel, das geeignet sei, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Dies gelte auch für „I Caps“. Das Präparat sei nicht verschreibungspflichtig und werde auch nicht in der „Roten Liste“ geführt. Auch die Tatsache, dass das Erfordernis einer solchen „besonderen Ernährung“ krankheitsbedingt sein und dem Lebensmittel von daher „heilende“ Wirkung zukommen könne, ändere grundsätzlich nichts an seinem Lebensmittelcharakter. Den Nachweis, dass der Kläger an einem Vitaminmangel leide, der durch entsprechende Ernährung nicht behoben werden könne, habe er nicht erbracht. Selbst wenn es sich bei dem Mittel „I Caps“ um ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfeverordnung handeln würde, wäre das Mittel nicht beihilfefähig, da es ausweislich der Produktbeschreibung des Herstellers nicht der Behandlung einer Krankheit, sondern der Erhaltung der Augengesundheit diene. Somit diene das Mittel der Gesundheitsvorsorge und sei nach § 10 BVO nicht beihilfefähig. Für beide Präparate fehle es auch an der wissenschaftlichen Anerkennung und damit an der Notwendigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens von Prof. Dr. K. vom 20.07.2009 verwiesen.
15 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
36 
Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
16 
Die Berufungen der Beteiligten sind nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit sie auf die Gewährung von Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula“ gerichtet ist. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 06.07.2005, 14.12.2005, 28.04.2006, 21.06.2006 und 28.08.2006 sowie sein Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006 sind, soweit sie Beihilfe für dieses Präparat versagen, rechtmäßig.
17 
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat ihn zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger Beihilfe zu den Aufwendungen für das Präparat „Medyn“ zu gewähren. Ein dahingehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Die Bescheide des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 22.02.2006 und 28.08.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom 28.09.2006 sind, soweit sie sich auf dieses Präparat beziehen, ebenfalls rechtmäßig.
18 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 6 Abs. 1 Nr. 2 der auf der gesetzlichen Grundlage des § 101 LBG erlassenen Verordnung des Finanzministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung) vom 28.07.1995 (GBl. S. 561) in der zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden und deshalb hier noch anzuwendenden Fassung vom 17.02.2004 (GBl. S. 66; BVO a.F.). Danach sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen für von Ärzten, Zahnärzten oder Heilpraktikern nach Art und Umfang schriftlich verordnete Arzneimittel, Verbandmittel und dergleichen (Satz 1). Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen u.a. für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (Satz 2).
19 
(1). Unter Krankheit ist ein regelwidriger Zustand des Körpers oder des Geistes zu verstehen, der der ärztlichen Behandlung bedarf oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Als regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand anzusehen, der von der durch das Leitbild eines gesunden Menschen geprägten Norm abweicht, d.h. außerhalb der Bandbreite des Normalen liegt, oder bei welchem die Körperfunktionen außerhalb der Bandbreite des Normalen regelwidrig sind. Dabei ist der Begriff der Gesundheit mit dem Zustand gleichzusetzen, der dem Einzelnen die Ausübung körperlicher und geistiger Funktionen ermöglicht (BVerwG, Beschluss vom 04.11.2008 - 2 B 19.08 -, Juris; Senatsurteil vom 10.03.2005 - 4 S 2222/03 -, NVwZ-RR 2005, 490).
20 
(2). Die Beihilfevorschriften selbst (einschließlich der dazu ergangenen Hinweise) enthalten keine Definition des Begriffs „Arzneimittel", sondern setzen diesen voraus. Die Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) kann angesichts des ganz andersartigen Zwecks dieses Gesetzes, der dahin geht, für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln zu sorgen (vgl. § 1 AMG), nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht übertragen werden, das die Beteiligung des Dienstherrn an Kosten der Krankenbehandlung der Beamten und ihrer Angehörigen regelt. Die arzneimittelrechtliche Definition kann allerdings als Ausgangspunkt für die Bestimmung der im Beihilferecht verwendeten gleichlautenden Begriffe dienen (BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 5.95 -, ZBR 1996, 314).
21 
Unter „Arzneimitteln“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 BVO a.F. sind deshalb grundsätzlich Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG a.F.; vgl. auch § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG i.d.F. vom 17.07.2009, BGBl. I S. 1990). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs, zu denen auch Nahrungsergänzungsmittel zählen können (vgl. dazu und zu weiteren Abgrenzungen [Funktionsarzneimittel, Präsentationsarzneimittel]: BVerwG, Urteil vom 26.05.2009 - 3 C 5.09 -, NVwZ 2009, 1038). Dabei ergeben sich aus Abgrenzungskriterien wie Produktbezeichnung, Firmenname, Aufmachung, Darreichungsform und Vertriebsweg keine tragfähigen Anhaltspunkte für eine Einordnung als Arzneimittel. So ist bei Nahrungsergänzungsmitteln eine Annäherung des Erscheinungsbilds an Arzneimittel festzustellen; es ist üblich geworden, dass Nahrungsergänzungsmittel wie Arzneimittel in Tabletten-, Kapsel- oder Pulverform angeboten werden. Dementsprechend kann etwa ein Dosierungshinweis als solcher für die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel nicht ausschlaggebend sein. Auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel kann ein Bedürfnis nach einem Hinweis darauf bestehen, welche Mengen pro Tag sinnvollerweise eingenommen werden sollten. Ebenso ist der Vertrieb über Apotheken kein sicherer Anhaltspunkt für eine Zweckbestimmung als Arzneimittel. Nahrungsergänzungsmittel, die vielfach wie Arzneimittel verpackt werden, gehören nach § 25 Nr. 2 Apothekenbetriebsordnung zu den apothekenüblichen Waren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2004 - 11 ME 12/04 -, NVwZ-RR 2004, 840). Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann hingegen seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und etwa auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten (OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004 - 5 LB 15/03 -, Juris).
22 
Der Umstand, dass Präparate weder als Arzneimittel registriert noch in einer solchen Liste aufgeführt sind, rechtfertigt allerdings noch nicht die Annahme, dass ihnen der Arzneimittelcharakter fehlt. Denn nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften ist entscheidend nicht auf eine formelle Einordnung, sondern auf den materiellen Zweckcharakter bzw. darauf abzustellen, ob nach objektiven Maßstäben von dem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28.04.1993 - 3 B 92.3836 -, ZBR 1993, 347; OVG Lüneburg, Urteil vom 25.05.2004, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 315/97 -, DÖD 2000, 136; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 27.02.1998 - 2 A 13192/96.OVG - und vom 09.05.2005 - 2 A 10106/05 -, ZBR 2006, 203).
23 
Hinsichtlich des materiellen Zweckcharakters ist die - nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung bestehende - objektive (Zweck-)Bestimmung entscheidend, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen.
24 
Eine therapeutische Wirkung und damit die Einordnung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne kann auch dann in Betracht kommen, wenn durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. So können etwa Vitaminpräparate als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn einzustufen sein, wenn sie in starken Dosen zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-387/99 -, Juris; siehe auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
25 
(3). Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 BVO kommt es nicht darauf an, dass ein Mittel bei seiner konkreten Anwendung Güter des täglichen Bedarfs tatsächlich ersetzt, diese also überflüssig macht. Abgestellt wird vielmehr darauf, ob das Mittel zur Ersetzung geeignet ist. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die die objektive Zweckbestimmung des Mittels und dessen typischen Anwendungsbereich im Vergleich zu einem als ersetzbar in Betracht kommenden Gut des täglichen Lebens im Blick hat. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist grundsätzlich ohne Belang (Senatsbeschluss vom 21.08.2000 - 4 S 856/00 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.12.2008 - 6 A 4509/05 -, Juris). Allerdings soll diese Ausschlussklausel nach Sinn und Zweck nur solche Aufwendungen von der Beihilfefähigkeit ausnehmen, zu deren Bestreitung der Dienstherr dem Beamten, so wie dies bei den Aufwendungen für die tägliche Ernährung oder für die Körperpflege der Fall ist, eine amtsangemessene Besoldung oder Versorgung zur Verfügung stellt. Der krankheitsbedingte Sonderbedarf wird davon grundsätzlich nicht erfasst. Deshalb ist auch in den Blick zu nehmen, ob die diesbezüglichen Aufwendungen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann anfallen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.).
26 
(4). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F. sind Aufwendungen nur dann beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Nicht notwendig in diesem Sinne sind Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungen und Arzneimittel. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats sind eine Behandlungsmethode sowie verordnete Arzneimittel wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für eine Behandlung der Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden. Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode bzw. einem Arzneimittel von dritter Seite - also von anderen als dem/den Urheber(n) - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, müssen die Therapieform und die Medikamente zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Somit sind eine Behandlungsmethode und Arzneimittel dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801, und vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; Beschlüsse des Senats vom 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, IÖD 2003, 199, und vom 03.05.2002 - 4 S 512/02-, IÖD 2002, 179).
27 
Allerdings kann die Fürsorgepflicht dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Aufwendungen für wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden und Arzneimittel zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann, wobei die bloße Möglichkeit der wissenschaftlichen Anerkennung nicht ausreicht (BVerwG, Urteile vom 29.06.1995 und vom 18.06.1998, jeweils a.a.O.).
28 
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt hier Folgendes:
29 
1. Medyn
30 
Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Aufwendungen für dieses Präparat steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des § 6 Abs. 1 BVO a.F. handelt. Abgesehen davon ist eine Behandlung mit Medyn auch nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO a.F.
31 
Dabei erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt dargelegt hat, dass bei ihm ein erhöhter Homocysteinwert vorliegt. Der Kläger beruft sich auf eine Mitteilung der MVZ-Laborärzte Leinfelden vom 13.03.2009, in der es heißt: „Moderat erhöhter Homocysteinwert (13,8µmol). Ein signifikant erhöhter Homocysteinspiegel gilt als eigenständiger atherosklerotischer Risikofaktor. Nach Ergebnissen umfangreicher Studien ist das Mortalitätsrisiko bei Werten von 10-15µm um das 1,9-fache, 15 - 20 um das 2,8-fache, bei >20 um das 4,5-fache erhöht. Ggf. kombinierte Folsäure-, Vit.-B6-, Vit.-B12-Supplementierung und anschließende Spiegelkontrolle empfohlen.“ Der Messwert liegt über der von der DACH-Liga Homocystein genannten Normgrenze von 10,0µmol/l. Indes hat der Sachverständige Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 30.12.2008 im Verfahren 10 S 2314/08 - das in das vorliegende Verfahren eingeführt wurde - ausgeführt, dass bei dieser Normgrenze rund 50% der erwachsenen Bevölkerung an einer Hyperhomocysteinanämie leiden würden. Die AOK gebe in ihrem Newsletter eine Normgrenze von 15µmol/l an (von diesem Wert spricht im Übrigen auch der Hersteller in seinem Schreiben vom 02.03.2009). Der Wert des Klägers wäre damit im Normbereich. Doch bedarf dies keiner Vertiefung. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein erhöhter Homocysteinwert keinen krankhaften Befund dar, der der Behandlung bedarf. In sehr überzeugenden Studien, die von international anerkannten Experten durchgeführt worden seien, habe an insgesamt 10.000 Patienten kein günstiger Effekt einer präventiven medikamentösen Homocysteinbehandlung nachgewiesen werden können. Nach diesen Ergebnissen erscheine es zumindest unwahrscheinlich, dass es sich beim Homocystein um einen eigenständigen wesentlichen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handle. Durch eine Medikation mit Medyn könne das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte auch nicht signifikant gesenkt werden. Der Sachverständige führt abschließend aus: „In Anbetracht der negativen Studienergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass eine unterlassene Behandlung zu keinen negativen Folgen und Risiken führt. Im Einzelfall kann sogar eine schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden.“
32 
Die Ergebnisse dieses Gutachtens decken sich mit der von dem Beklagten vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts des Landkreises Karlsruhe vom 15.07.2008, in der es heißt: „Bis zur Veröffentlichung einer großen experimentellen Studie im Jahre 2006 (HOPE2 Studie, Heart Outcomes Prevention Evaluation s.u.) sah man ebenfalls in einem erhöhten Homocysteinspiegel einen Risikofaktor für eine Entwicklung einer Arteriosklerose. Homocystein ist ein schwefelhaltiges Intermediärprodukt im Stoffwechsel der essentiellen Aminosäure Methionin. Defizite der Vitamine Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 führen zu Konzentrationserhöhung von Homocystein….Bei der im Jahre 2000 begonnenen großangelegten HOPE2-Studie zeigte sich jedoch, dass bei kardiovaskulären Erkrankungen eine medikamentöse Therapie zur effektiven Senkung des Homocysteins (z.B. mit dem Präparat „Medyn“) kein therapeutischer Vorteil zu sehen war. Verglichen mit Placebo konnte das Vitaminpräparat das Risiko kardiovaskulärer Todesfälle oder Herzinfarkte nicht signifikant senken. Auch weitere randomisierte Studien konnten keinen positiven Effekt einer medikamentösen Therapie zur Senkung des Homocysteinspiegels dokumentieren. Der erhöhte Homocysteinspiegel bei Patienten kann ein Anzeichen für stärker wirksame Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie oder gestörte Nierenfunktion sein, die bereits zu einer Veränderung geführt haben. So ist weiter in Diskussion, dass ein erhöhter Homocysteinspiegel ein Marker für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist. Es gilt aber nicht mehr als ein kausaler Faktor für die Entstehung einer Arteriosklerose. Ein erhöhter Homocysteinspiegel ist nicht als Krankheit anzusehen.“
33 
Zu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachten und den von diesem vorgelegten Unterlagen hat der Sachverständige aufgrund des Beweisbeschlusses des Senats vom 01.07.2009 mit Gutachten vom 20.07.2009 Stellung genommen und ausgeführt, das Schreiben der Herstellerfirma (vom 02.03.2009) enthalte keine neuen Fakten. Subgruppenanalysen würden bei negativem Studienergebnis häufig durchgeführt. Daraus könne sich aber keine Indikation zu einer Therapie ableiten. Derartige Subgruppenanalysen sollten lediglich zur Formulierung neuer und präziserer Fragestellungen für neue Studien dienen. Im Rahmen der ISIS-2 Studie habe z.B. mittels Problemanalyse gezeigt werden können, dass Aspirin bei Patienten, die unter einem bestimmten Sternbild geboren worden seien, im Gegensatz zu allen anderen Erkrankten unwirksam sei. Kein Arzt werde aber die Medikation mit Aspirin zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt nach dem Sternbild vornehmen. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen seien nicht unkritisch zu unternehmen, insbesondere wenn große kontrollierte randomisierte Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten.
34 
Bei der Arbeit von Prof. B. handle es sich um eine sehr umfassende Übersicht, vornehmlich auch zur Frage der Zufuhr von Folsäure mit der Nahrung. Bezüglich der Supplementtherapie bei erhöhtem Homocysteinspiegel werde auf zahlreiche Arbeiten und Metaanalysen verwiesen, die ganz überwiegend vor der Veröffentlichung der aussagekräftigsten HOPE-2 Studie publiziert worden seien. Derartige Metaanalysen von zahlreichen kleineren Studien ergäben zwar in der Summe hohe Patientenzahlen, könnten aber doch leicht ein falsch positives Ergebnis vortäuschen, wie z.B. im Fall der Gabe von Glukose-Insulin zur Myokardinfarktbehandlung habe gezeigt werden können. Die Metaanalyse der kleinen Studien habe eine beeindruckende Reduktion der Infarkt-Mortalität ergeben, ein Ergebnis, das bei der Überprüfung durch eine sehr aussagekräftige große randomisierte und kontrollierte Studie nicht habe belegt werden können.
35 
In der Übersichtsarbeit von H. et. al. über die „Abnahme des Schlaganfallrisikos durch Folsäure“ werde wiederum festgestellt, dass Homocystein als ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen gelte. Auch die Ergebnisse von Metaanalysen müssten kritisch bewertet werden, da mehrere Fehlermöglichkeiten bestünden. Dies gelte insbesondere für den Fall, dass die größeren (NORVIT, VISP) oder großen (HOPE-2) randomisierten Studien ein negatives Ergebnis erbracht hätten. Idealerweise müssten für Metaanalyse die Studien eine identische Basis, eine gleiche Heterogenität und eine in etwa vergleichbare Power aufweisen. Ein besonders gravierendes Problem stelle der sog. „Publikationsbias“ dar, d.h. die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Ergebnissen im Vergleich zu negativen. Aus diesem Grunde sollten die Ergebnisse von Metaanalysen nur dann für allgemeinverbindliche Empfehlungen herangezogen werden, wenn sie durch die Resultate großer randomisierter, kontrollierter Studien gestützt seien. Diese Voraussetzung sei bei der Therapie erhöhter Homocysteinwerte nicht gegeben.
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Bei der (in englischer Sprache verfassten) Arbeit von T. u.a. handle es sich um einen Surrogat-Endpunkt, d.h. einen Endpunkt, der indirekt ein günstiges klinisches Ergebnis als möglich erscheinen lasse. Der harte, klinisch aussagefähige Endpunkt würde in Mortalität, Herzinfarkt- und Schlaganfallhäufigkeit bestehen. In die Studie seien insgesamt nur 50 Patienten - 25 in jede Grup- pe - eingeschlossen worden. Sie sei aufgrund der geringen Power und des Surrogat-Endpunkts zur Beantwortung der gutachterlichen Fragestellung ungeeignet und vermöge vor allem nicht die negativen Ergebnisse der großen randomisierten, kontrollierten Studien zu widerlegen.
37 
Der Sachverständige bekräftigt das Ergebnis seines Gutachtens vom 30.12.2008 und führt aus: „Prof. B. stellt in seinem sehr ausführlichen Gutachten nochmals die Studien zusammen, die eine Beziehung zwischen erhöhtem Homocysteinwert und kardiovaskulären Erkrankungen belegen. Dieser Zusammenhang ist wissenschaftlich gut belegt und war bereits im Vorgutachten ausführlich diskutiert worden. Einem erhöhten Homocysteinwert kommt zwar eine Bedeutung als „Risikofaktor“ für kardiovaskuläre Ereignisse, wie kardialer Tod, Myokardinfarkt und/oder Schlaganfall zu, der Begriff „Risikofaktor“ belegt aber keine kausale Beziehung zwischen dem Laborparameter und dem Risiko, da es sich auch um eine nicht kausale Assoziation handeln kann. Er erhöhter Homocysteinwert stellt also lediglich einen „Indikator“ für ein erhöhtes Risiko dar.“
38 
Der Senat schließt sich diesen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen an. Bedenken an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht. Dass der Sachverständige, der Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin II (Schwerpunkt Kardiologie) der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg war, emeritiert ist, weckt schon nicht im Ansatz Zweifel an seiner Sachkunde.
39 
Soweit der Kläger meint, dass sich die Frage der Kausalität nicht verallgemeinern lasse und auch die Zeitfrage (fast fünfjährige Dauermedikation) zu beachten sei, führt dies ebensowenig auf Bedenken gegen das Gutachten wie seine Behauptung, der Gutachter müsse einräumen, dass die durchgeführten Studien, auf die er sich berufe, sich auf absolut schwankendem Eise bewegten, weil wichtigste Ergebnisse nicht festgesellt worden, sondern völlig „außen vor“ geblieben seien. Denn dies ist nicht der Fall. Auch die Rüge des Klägers, wenn ein erhöhter Homocysteinspiegel entgegen der Auffassung zahlreicher Ärzte und Professoren keinen Krankheitswert haben solle, dann hätte vom Gutachter schon begründet werden müssen, weshalb dieser Wert bei so vielen Menschen so extrem zu schwanken vermöge und weshalb dies normal sein solle, vermag das Gutachten nicht zu erschüttern. Nichts anderes gilt für seine Behauptung, das (erste) Gutachten könne von vornherein schon deshalb nicht als seriös bezeichnet werden, weil der Verfasser unterlassen habe, mitzuteilen, um was es sich bei Homocystein handle, welche Funktion es im menschlichen Körper habe, wie es entstehe und wie es wieder abgebaut werde.
40 
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der Sachverständige, wie der Kläger meint, gegen neue Erkenntnisse absolut resistent wäre. Der Kläger macht geltend, er habe mit Schriftsatz vom 18.04.2009 auf einen Bericht über eine neue Metaanalyse zu den drei Studien VISP, NORVIT und HOPE aus der Fachzeitschrift Perfusion 9/07 hingewiesen, auf die sich der Sachverständige hauptsächlich beziehe. Dieser Bericht setze sich auch mit den Schwachpunkten der Studien auseinander und komme zu dem Ergebnis, dass die B-Vitaminbehandlung das Schlaganfallrisiko insgesamt um 18% verringere und dass das relative Risiko mit der Dauer der Behandlung abnehme. Hierauf gehe der Sachverständige mit keinem Wort ein. Dies ist falsch. Der Gutachter hat dazu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, die Metaanalyse in der Zeitschrift „Perfusion“ beruhe auf den Ergebnissen der Arbeit von H. et al. Eigene Berechnungen seien nicht durchgeführt worden, sondern die bereits bekannten Resultate (seien) erneut dargestellt worden. Insofern ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
41 
Der Sachverständige hat die Arbeit von H. et al - wie auch die übrigen vom Kläger vorgelegten Unterlagen - im Einzelnen gewürdigt und mit Blick auf die gegen die VISP-, NORVIT- und HOPE-2-Studien erhobenen Einwände dargelegt, man könne grundsätzlich bei allen Studien zusätzliche Kontrollen - wie z.B. Messung der Vitamin- und/oder Folsäurespiegel - fordern. Ein beliebtes Argument sei auch im Falle eines negativen Resultats eine zu geringe Power - d.h. zu wenige Patienten eingeschlossen - und eine zu kurze Beobachtungszeit. In die drei genannten Studien seien immerhin über 10.000 Patienten eingeschlossen worden, in der HOPE-2 Studie seien die Patienten über fünf Jahre erfasst worden. Dies sei einerseits eine genügend hohe Patientenzahl für eine stabile Aussage. Auch eine Beobachtungsdauer von fünf Jahren erscheine für valide Ergebnisse ausreichend. Wenn nach diesem Zeitraum bei über 5000 Patienten kein positives Resultat erzielt worden sei, so spreche dies gegen einen überzeugenden therapeutischen Effekt. Im Übrigen sei es zumindest problematisch, die günstige Wirkung einer Homocysteinsenkung nur auf den Parameter Schlaganfallreduktion zu reduzieren. In der sicher aussagekräftigsten HOPE-2 Studie habe sich nach fünf Jahren nicht einmal ein Trend für eine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität ergeben. Überraschend habe sich jedoch in dieser Studie eine Abnahme des Schlaganfallhäufigkeit um 25% gefunden. Aus diesem Grund hätten sich die nachfolgenden Metaanalysen isoliert auf den Parameter „Schlaganfallreduktion durch Folsäure- und Vitamintherapie“ konzentriert. In der Verumgruppe der HOPE-2 Studie, die mit Folsäure und Vitaminen behandelt worden sei, habe der Homocysteinwert signifikant gesenkt werden können, während er in der Placebogruppe leicht angestiegen sei. Trotz dieses scheinbar guten therapeutischen Erfolgs hätten in der behandelten Gruppe signifikant mehr Patienten wegen einer instabilen Angina pectoris - also einem akuten Koronarsyndrom - stationär aufgenommen und behandelt werden müssen als in der Placebogruppe. Eine derartige Metaanalyse ergebe keinen überzeugenden Beleg für eine Wirksamkeit des strittigen Therapieprinzips. Es sei zumindest auch sehr fragwürdig, ob ein einzelner günstiger Parameter (Schlaganfallreduktion) isoliert herausgegriffen werden dürfe, ungünstige Effekte (Zunahme akuter Koronarsyndrome) und unbeeinflusste kardiovaskuläre Mortalität aber unberücksichtigt blieben. In den Leitlinien der führenden internationalen kardiologischen Gesellschaften, so auch in denen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz-Kreislaufforschung, sei eine Erfassung des Homocysteinwertes nicht vorgesehen und eine Therapie werde nicht empfohlen.
42 
Danach ist eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts auch ersichtlich nicht notwendig im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 BVO.
43 
Die Angaben des Klägers zu der Entwicklung seines Homocysteinspiegels werden auf Seite 1 des Gutachtens vom 20.07.2009 wiedergegeben. Dass der Sachverständige weitere Patientendaten nicht erwähnt hat, ist unerheblich. Denn auch die vom Kläger nachvollziehbar geschilderten schwierigen Lebensumstände ändern nichts daran, dass es sich bei einem erhöhten Homocysteinwert nicht um eine Krankheit im Sinne des Beihilferechts handelt und eine Behandlung mit Medyn nicht indiziert ist.
44 
Darüber hinaus fehlt es auch an der erforderlichen wissenschaftlichen Anerkennung. Der Sachverständige stellt in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend dar, dass Medikamente wie „Medyn“ den Homocysteinwert senken können. Es habe allerdings bislang nicht belegt werden können, dass dies für die Patienten einen wissenschaftlich erwiesenen Nutzen bringe. Es handle sich um ein international nicht anerkanntes und als wirksam angesehenes präventives Verfahren. Entspricht dieses Therapiekonzept danach nicht dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, so besteht auch nicht die begründete Erwartung, dass „Medyn“ nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt wird. Der Sachverständige hat dargelegt, dass nicht damit zu rechnen sei, dass sich in den kommenden Jahren am derzeitigen Erkenntnisstand etwas entscheidend ändere. Da eine Behandlung eines erhöhten Homocysteinwerts weder geboten noch wissenschaftlich anerkannt ist, ist auch nicht entscheidend, dass es andere - medikamentöse - Möglichkeiten gibt, um präventiv kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen.
45 
Dem Umstand, dass die den Kläger behandelnde Ärztin in ihrer Bescheinigung vom 22.08.2007 darauf verweist, dass eine Dauermedikation mit Medyn auch zur Behandlung der schweren arthrotischen Veränderung an den Schulter-, Hüft- und Kniegelenken erforderlich sei, kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil dem Kläger dieses Medikament ausweislich der streitgegenständlichen Rezepte vom 31.01.2006 und 24.07.2006 (vgl. auch das Rezept vom 04.07.2005) „zur Vermeidung überhöhter Homocysteinwerte“ verordnet worden ist. Abgesehen davon ist Medyn für die Behandlung der Arthrose nicht zugelassen, wie sich aus dem vorgelegten Beipackzettel ergibt („Zur Senkung erhöhter Homocystein-Werte bedingt durch Vitaminmangel“); schließlich enthält selbst das vom Kläger vorgelegte Schreiben des Herstellers von Medyn vom 02.03.2009 keine Anhaltspunkte dafür, dass mit Medyn eine Arthrose wirksam behandelt werden kann.
46 
Soweit der Kläger meint, die Frage der medizinischen Indikation werde immer noch alleine und ausschließlich vom behandelnden Arzt beurteilt und nicht in einer Ex-Post-Betrachtung von einem Gutachter in einem gerichtlichen Verfahren, nimmt er nicht in den Blick, dass die Verordnung durch einen Arzt nur eine notwendige, aber keine allein hinreichende Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit ist (vgl. § 5 Abs. 1, § 6 Abs.1 BVO a.F.).
47 
Dem vom Kläger vorsorglich gestellten Beweisantrag, „ein unabhängiges weiteres Gutachten, d.h. ein Obergutachten einzuholen“, muss der Senat nicht nachkommen. Dem Senat liegen zwei Gutachten von Prof. Dr. K. vor, die in jeder Hinsicht tragfähig und überzeugend sind. Für die Einholung eines weiteren Gutachtens sieht der Senat daher keine Veranlassung (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO).
48 
Auch darüber hinaus hat der Senat - auch mit Blick auf die weiteren Beweisanregungen des Klägers im Berufungsverfahren - keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
49 
2. „I Caps Lutein and Zeaxanthin Formula (im Folgenden: I Caps)“
50 
Das Präparat „I Caps“ ist dem Kläger zur Behandlung einer Krankheit, der altersbedingten Makuladegeneration, verordnet worden. Dieses Präparat enthält neben den Carotinoiden Lutein und Zeaxanthin, die besonders in bestimmten Gemüsen enthalten sind, verschiedene Vitamine (darunter Vitamin A, E und C) und Mineralstoffe wie Zink und Selen. „I Caps“ ist indes kein Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.
51 
Nach den Angaben des Herstellers auf der vom Kläger vorgelegten Umverpackung handelt es sich bei „I Caps“ um ein „ocular dietary supplement“, also um ein diätetisches Nahrungsergänzungsmittel für die Augen. In diesem Sinne heißt es auf der Umverpackung auch „promotes healthy eyes“, also „fördert gesunde Augen“. Die spezifische Zwecksetzung der Nahrungsergänzung um Stoffe, die auch in der natürlichen Nahrung enthalten sind, ist danach die Förderung der Augengesundheit. Allein durch diese Zwecksetzung wird aber „I Caps“ noch nicht zu einem Arzneimittel im Sinne des Beihilferechts. „I Caps“ ist ausschließlich aus in der natürlichen Nahrung enthaltenen Stoffen zusammengesetzt, die (lediglich) dazu bestimmt sind, die normale Ernährung in spezifischer Weise zu ergänzen. Dementsprechend findet sich auf der Website des Herstellers (www.ICapsVitamins.com) zu dem dem Kläger verordneten Präparat auch der ausdrückliche Hinweis: „ICAPS ® Vitamins are not meant to diagnose, treat, cure or prevent any disease“ (ICaps Vitamine sind nicht dazu bestimmt, irgendeine Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln, zu heilen oder ihr vorzubeugen). Darauf hat auch bereits der Beklagte erstinstanzlich hingewiesen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend gemacht hat, die Unterlagen mögen in deutscher Sprache übermittelt werden, kann er damit nicht durchdringen, nachdem er selbst (lediglich) eine englischsprachige Umverpackung - und einen weiteren Artikel in englischer Sprache - vorgelegt hat. Schließt aber bereits der Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels derart eindeutig jedwede Bestimmung zur Behandlung von Krankheiten aus und enthält das Präparat ausschließlich Carotinoide, Vitamine und Mineralstoffe, kommt dem entscheidende Bedeutung zu, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene objektive Zweckbestimmung bestehen, dass das Präparat durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit dient. Dies gilt vor allem mit Blick darauf, dass nichts dafür erkennbar ist, dass das Präparat in einer so hohen Dosierung verordnet worden wäre, dass ihm medizinische Wirkung beizumessen wäre (vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dafür erbringen auch die vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nichts. Danach kommt eine Einstufung als Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn nicht in Betracht.
52 
Abgesehen davon handelt es sich bei „I Caps“ auch um ein Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Die objektive Zweckbestimmung von „I Caps“ und dessen typischer Anwendungsbereich ist die Nahrungsergänzung. Die diesbezüglichen Aufwendungen fallen dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung typischerweise bei jedermann an (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.1998, a.a.O.). Dies gilt unabhängig davon, dass der Kläger als Altenheimbewohner und Schwerbehinderter keine Möglichkeit hat, spezielle Ernährungsmaßnahmen durchzuführen.
53 
Deshalb bedarf keiner Vertiefung, dass nicht erkennbar ist, dass das Präparat zur Behandlung der Makuladegeneration wissenschaftlich allgemein anerkannt wäre. Ungeachtet von Hinweisen (vgl. etwa die Dissertation von Büttner, Der Einfluss von Lutein und Zeaxanthin auf die Altersabhängige Makuladegeneration, München 2008) auf eine positive Wirkung einer Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme ergibt sich aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten „Information zur Lutein- und Zeaxanthin-Einnahme von Pro Retina Deutschland e.V.“ (Stand 29.06.2009), dass die Datenlage hinsichtlich der präventiven und interventiven Eigenschaften der Carotinoide noch keine zwingenden Schlüsse zulässt und grundsätzlich die bisherigen Untersuchungen noch nicht ausreichen, ohne Einschränkung eine medikamentöse Lutein- und Zeaxanthineinnahme zu empfehlen.
54 
Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) beruft, die im Übrigen zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangen ist, bemerkt der Senat, dass bereits lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen im Sinne dieser Entscheidung hier nicht vorliegen.
55 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
56 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe der §§ 127 BRRG, 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
57 
Beschluss vom 19. Januar 2010
58 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gem. § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 146,69 EUR festgesetzt.
59 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.