Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 22. Jan. 2010 - 8 A 1369/09

bei uns veröffentlicht am22.01.2010

Tenor

Der Bescheid vom 2. Juni 2009 - Az.: S [...]/09 - und der Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 - Az.: S [...]/09 - werden aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte ist befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung eines Schmutzwasseranschlussbeitrages durch den Beklagten.

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Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks [...] (Flurstück [...] mit einer Größe von 604 m². Mit Schreiben vom 10. September 2007 hörte der Beklagte die Kläger zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen an, wonach voraussichtlich ein Beitrag von 3.904,32 € anfallen würde.

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Gestützt auf die Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes B-Stadt vom 7. Mai 2009 (im Folgenden: BSSW 2009) setzte der Beklagte den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser mit Bescheid vom 2. Juni 2009 auf 2.701,65,-- € fest. Dabei berücksichtigte er gemäß § 6 Abs. 2 d) BSSW 2009 eine Teilfläche von 581 m², einen Nutzungsfaktor von 1,5 sowie den Beitragssatz von 3,10 €/m².

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Die Kläger erhoben gegen diesen Bescheid am 10. Juni 2009 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 - zugestellt am 5. September 2009 - zurückwies. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Als Eigentümer treffe die Kläger eine Beitragspflicht nach den im Ausgangsbescheid genannten Bestimmungen des KAG M-V, da sie wegen des Anschlusses auch Vorteile hätten. Die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation genüge den rechtlichen Anforderungen. Die Globalkalkulation enthalte die differenziert ermittelten beitragsfähigen Aufwendungen des gesamten Herstellungszeitraums. Die Kalkulation habe allen Mitgliedern der Verbandsversammlung vorgelegen.

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Die Kläger haben am 30. September 2009 Klage erhoben und tragen ergänzend vor: Es sei ausdrücklich zu bezweifeln, dass der Verbandsversammlung bei der Beschlussfassung über die Satzung 2009 eine ordnungsgemäße Kalkulation des Beitragssatzes vorgelegen habe. Es sei den Unterlagen des Zweckverbandes B-Stadt nicht zu entnehmen, ob die Schmutzwasserbeseitigungsanlagen vom Wirkungsgrad nahezu identisch sind. Sie legen darüber hinaus im Einzelnen dar, dass und warum aus ihrer Sicht die Kalkulation des Beklagten unzutreffend sei.

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Die Kläger beantragen,

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den Beitragsbescheid des Beklagten - S [...]/09 - vom 2. Juni 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

10

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich der Kalkulationsunterlagen zur Schmutzwasserbeitragssatzung 2009 und der Kalkulationsunterlagen zur Schmutzwasserbeitragssatzung 2007 [...] verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom vom 2. Juni 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]).

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1. Den Bescheiden fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Zwar hat die Verbandsversammlung des Zweckverbandes B-Stadt die u. a. im Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/06 - aufgezeigten Mängel hinsichtlich der Bestimmung der Abgabenschuldner, des Entstehens der Beitragspflicht, des Beitragsmaßstabs und der Regelung zur Ablösevereinbarung durch die hier maßgebliche Schmutzwasserbeitragssatzung (BSSW 2009) vom 7. Mai 2009 beanstandungsfrei berichtigt. Dies führt aus nachfolgenden Gründen dennoch nicht zur Wirksamkeit der Satzung.

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2. Mit höherrangigem Recht unvereinbar und damit nichtig sind aber einige zentrale Regelungen zur Ermittlung und Bestimmung von Vollgeschossen in den Absätzen 4 und 5 des § 6 BSSW 2009.

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Diese lauten auszugsweise:

16

"(4) [...]

17

c) ist eine Geschosszahl des Gebäudes nach Abs. 5 nicht feststellbar, gilt ein Nutzungsfaktor von 1,0

18

[...]

19

(5) [...]

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e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenhöhe im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt. Bei Gebäuden, die vor dem 30. 04. 1994 entsprechend den Anforderungen bisherigen Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen nach [gemäß] Satz 1 nicht erreicht werden.

21

f) Ist die Zahl der Vollgeschosse wegen der Besonderheit des Bauwerkes nicht feststellbar, gilt als Zahl der Vollgeschosse die durch 2,6 geteilte Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird."

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a) Die Bestimmungen in § 6 Abs. 4 c) und Abs. 5 f) BSSW 2009 zur Bestimmung von Vollgeschossen widersprechen sich. Sie geben der Verwaltung des Zweckverbandes zwei unterschiedliche Handlungsanweisungen bei im wesentlichen gleichen Voraussetzungen. Können die Vollgeschosse nicht festgestellt werden, soll nämlich einerseits der Nutzungsfaktor 1,0 betragen, andererseits sich der Nutzungsfaktor nach der durch 2,6 zu teilenden Gebäudehöhe richten. Die Bestimmungen finden sich auch in keinem Spezialitätsverhältnis zueinander, da es unerheblich ist, weshalb bei dem betreffenden Gebäude keine Geschosse oder Vollgeschosse festzustellen sind. Dieser Widerspruch ist mit der Folge unauflösbar, dass diese Bestimmungen nichtig sind.

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b) Durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Regelung in § 6 Abs. 5 e) BSSW 2009. Die fehlende Festlegung einer bestimmten Geschosshöhe für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden sind, widerspricht nach Auffassung der Kammer dem Gleichheitsgrundsatz in Bezug auf die anders behandelten Bauten, die nach diesem Stichtag errichtet worden sind. Eine solche Unterscheidung kann im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks unter Berücksichtigung der vermittelten Vorteile nur dann als zulässig angesehen werden, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar sind. Dies ist aber in dieser Allgemeinheit nicht der Fall. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen können baurechtlich durchaus ebenfalls zu Wohnzwecken und selbst zu gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschosse gewertet werden. Damit werden aufgrund dieser weitgehenden Regelung Geschosse in Altbauten ohne hinreichenden sachlichen Grund weitergehend als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen. Zwar hat die Kammer bereits ähnliche Formulierungen in Beitragssatzungen als wirksam angesehen. Diese Regelungen unterscheiden sich jedoch von der des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2009 dadurch signifikant, dass sie zumindest einige Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit bei Dachschrägen und einer geringeren Geschosshöhe des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss enthalten, die die Ungleichbehandlung relativieren bzw. sachlich legitimieren.

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c) Da es sich bei den genannten Vorschriften um Regeln zur Definition und Feststellung der maßgebenden Vollgeschosse um zentrale Bestimmungen zur Ermittlung des Beitragsmaßstabs in § 6 BSSW 2009 handelt, führt die Nichtigkeit der genannten Vorschriften zur Nichtigkeit der gesamten Satzung.

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3. Die Zweifel der Kläger, dass der Zweckverband B-Stadt gemäß § 1 BSSW 2009 keine einheitliche zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage betreiben dürfe, weil die Anlagenteile zu unterschiedlich seien, haben sich nicht bestätigt. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass die verschiedenen Kläranlagen qualitativ im Wesentlichen vergleichbar sind.

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4. Entgegen der Ansicht der Kläger ist der in § 7 Abs. 1 BSSW festgesetzte Beitragssatz auch mit Blick auf die ihm zugrunde liegende Kalkulation aus dem Jahr 2009 nicht zu beanstanden. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte zunächst nachvollziehbar dargelegt, wie die Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Tabelle Kostenermittlung in den Spalten zur "Schmutzwasserentsorgung Zentral" aus der Anlagenbuchhaltung ermittelt und angepasst worden sind. Da die Werte aus der Anlagenbuchhaltung 2007 übernommen worden sind, manche Anlagenwerte aber erst (bis zu) drei Jahre nach Inbetriebnahme der Anlage in die Anlagenbuchhaltung mit entsprechend abgeschriebenen Beträgen eingestellt werden, mussten sie in der Spalte "Anlagen in Bau" entsprechend den Vorgaben des § 9 Abs. 2 KAG M-V angepasst werden, da nach dieser Bestimmung nur die Anschaffungs- und Herstellungskosten, nicht aber die abgeschriebenen Werte in der Kalkulation zu berücksichtigen sind. Zudem sind die Beträge der Spalten "Anlagen in Bau" bzw. "Invest(itions)-Planung" sowie die Zuarbeiten von Herrn G. und Frau D. und deren Tabellen angepasst und fortgeführt worden. Daraus und aus gelegentlichen Fehlern in der Kalkulation 2005 ergeben sich die von den Klägern monierten Abweichungen gegenüber der Kalkulation 2005. Abweichungen ergeben sich ferner daraus, dass einige Gemeinden zwischenzeitlich umgemeindet worden sind. Weitere scheinbare Differenzen ergeben sich aus dem Umstand, dass die Tabelle "Kostenermittlung" nach Gemeinden, während Tabellen aus der vorhergehenden Kalkulation nach Klärwerken sortiert sind.

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Die Kläranlage der Gemeinde J. ist kostenseitig in der Kalkulation nicht enthalten, da sie vom Netz genommen worden ist. Hinsichtlich der Kläranlage Neukloster sind die Kosten der Fäkalannahmestelle zutreffend herausgerechnet worden, wie Dipl. Ing. (FH) G. bereits in einem Vermerk zur vorhergehenden Kalkulation empfohlen hatte. Kosten der jeweiligen Gemeinden bei der Herstellung von Kanälen für die Niederschlagsbeseitigung brauchten schon deshalb nicht herausgerechnet zu werden, weil die Abwasserkanäle im Verbandsgebiet durchgehend im Trennsystem errichtet worden sind.

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Die Fördermittel des Landes Mecklenburg-Vorpommern für die Gemeinde J. in Höhe von ca. 2,1 Mio € für den Beitritt der Gemeinde zum Zweckverband sind in der Kalkulation lediglich mit 395.000,-- € berücksichtigt worden. Der Restbetrag von ca. 1,4 Mio €, der dem Zweckverband offenbar von der Gemeinde geschenkt worden ist, ist in die allgemeinen Haushaltsmittel eingeflossen. Dies ist nach Auffassung der Kammer rechtmäßig. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Fördermittel der Gemeinde zustanden und diese zum großen Teil ohne Zweckbindung gezahlt worden sind. Da der Vertrag zur Aufnahme der Gemeinde J. in den Zweckverband keinerlei Bestimmungen über die zweckgebundene Verwendung der der Gemeinde zugeflossenen Fördermittel durch den Zweckverband enthält, waren diese auch nicht notwendig in die Kalkulation einzustellen. Wenn der Zweckverband dies dennoch in Höhe der bereits genannten 395.000,-- € getan hat, weil insoweit ein konkreter Anlagenteil gleichsam mit Mitteln finanziert worden ist, die seitens der Gemeinde J. - ohne Zweckbindung - zugeflossen sind, ist diese beitragsmindernde Verfahrensweise nicht zu beanstanden, auch wenn sie nicht zwingend rechtlich geboten war.

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Die von der Klägerseite aufgezeigten Abweichungen in den Flächen zwischen den Kalkulationen 2005 und 2009 sind darin begründet, dass neuere Planungen erfasst worden sind, ältere Planungen, sich im Kalkulationszeitraum voraussichtlich nicht realisieren lassen, in der neuen Satzung die Tiefenbegrenzung weggefallen ist und sich durch Gemeindezusammenschlüsse Abweichungen in der Zuordnung von Gemeindegebieten gegeben hat. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, weshalb einzelne Grundstücke nicht mehr erfasst sind. Sie sind aus der Flächenerfassung herausgefallen, weil die darauf vorhandene Bebauung abgerissen worden ist und es sich künftig um Außenbereichsflächen im Sinne des § 35 BauBG handelt. Der Beklagte hatte Kommissionen bestehend aus den jeweiligen Bürgermeistern, Bauamtsmitarbeitern und Mitarbeitern des Zweckverbandes gebildet und anhand von Luftbildern und Katasterunterlagen die jeweiligen Grundstücke beitragsrechtlich bewertet. Dies war auch wegen der konkreten Ermittlung der Tiefenbegrenzung einzelner Grundstücke erforderlich

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Hinsichtlich des Beitritts der Gemeinde J. wird - ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankommt - darauf hingewiesen, dass der Zweckverband nicht gehindert wäre, Beiträge auch in den Fällen zu erheben, in denen Beiträge bereits an die Gemeinde gezahlt worden sind. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragszahlung bezieht sich nur auf eine bestimmte öffentliche Einrichtung (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 26. März 1992 - 2 L 167/91 -, KStZ 1992, 157 [159 r. Sp.]). Wechselt der Aufgabenträger, kommt diesem Grundsatz nur eingeschränkte Bedeutung zu. Das VG Halle hat dazu ausgeführt:

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"Bei einem Wechsel des Einrichtungsträgers kommt diesem Grundsatz daher nur eingeschränkte Bedeutung zu. Geht die Aufgabe der Abwasserbeseitigung von einer Gemeinde auf einen Zweckverband über, ist dieser grundsätzlich befugt, einen (weiteren) Herstellungsbeitrag zur Deckung des Aufwandes für seine öffentliche leitungsgebundene Einrichtung auch von den Eigentümern der im Gebiet der beigetretenen Gemeinde gelegenen Grundstücken zu erheben, selbst wenn diese bereits Beiträge für die öffentliche leitungsgebundene Einrichtung der Gemeinde gezahlt haben, da die öffentliche Einrichtung des Zweckverbandes mit der öffentlichen Einrichtung der Gemeinde nicht identisch ist. [...] Soweit der Zweckverband jedoch für die Übernahme der zur öffentlichen Einrichtung der Gemeinde gehörenden Anlagen ein Entgelt gezahlt hat und der von ihm erhobene Beitrag auch zur Deckung des insoweit entstandenen Aufwands dient, ist es geboten, zur Vermeidung einer Doppelbelastung den bereits von der Gemeinde zu einem Beitrag herangezogenen Grundstückseigentümern einen Nachlass zu gewähren, denn andernfalls würden diese mehrfach zur Finanzierung derselben Anlagen herangezogen. Das Verbot der Doppelbelastung folgt letztlich aus dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es bedarf hier keiner Vertiefung, in welcher Höhe ein derartiger Nachlass zu gewähren ist. Insbesondere kann hier offen bleiben, ob die von den Grundstückseigentümern an die Gemeinde gezahlten Beiträge in voller Höhe auf den nunmehr vom Zweckverband erhobenen Beitrag anzurechnen sind oder ob ein Nachlass nur gewährt werden muss, soweit der vom Zweckverband erhobene Beitrag zur Refinanzierung der von der Gemeinde entgeltlich übernommenen Anlagen dient, da nur insoweit eine 'Doppelfinanzierung' durch die Grundstückseigentümer zu besorgen ist. [...]"

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vgl. VG Halle, Beschl. v. 26. März 2008 - 4 B 521/07 - zit. nach juris Rn. 8; ferner BayVGH, Urteil vom 31. März 1992 - 23 B 89.1906 - KStZ 1994, 55 [56 f. mwN]; VG Ansbach, Beschluss vom 15. Februar 2007 - AN 1 S 06.02269 - zit. nach juris Rn. 49.

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5. Sog. Altanschließer können auch nicht beitragsrechtlich günstiger behandelt werden, als "Spätanschließer" (dazu nachfolgend a) und b)). Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes B-Stadt ist auch nicht endgültig verjährt oder verwirkt (c)). Dies ergibt sich aus Folgendem:

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a) Der in einer (rechtmäßigen) Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt- und neuangeschlossene Grundstücke würde nicht den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot verletzen, sondern wäre sogar geboten. In der hier maßgeblichen Satzung ist in § 7 ein einheitlicher Beitragssatz festgesetzt worden, der - soweit ersichtlich - gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetz (KAG 1993) an die Wasserversorgung angeschlossen waren, als auch die neuangeschlossenen Grundstücke gilt. Dies ist auch nach neuerlicher Prüfung nicht zu beanstanden und entspricht der sog. Altanschließer-Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (OVG M-V), der die Kammer folgt (vgl. Urt. v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 -). Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für "Altanschließer" als auch für neu angeschlossene Grundstücke (vgl. OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, zit. nach juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - zit. nach juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, NordÖR 1999, 302 zit. nach juris Rn. 16 ff.). Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48).

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b) Den Klägern kann auch nicht darin gefolgt werden, wenn sie sich in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf § 242 Abs. 9 des Baugesetzbuches (BauGB; früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) darauf berufen, dass die Erhebung von Beiträgen unzulässig ist, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen sei. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen (dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

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c) Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes B-Stadt ist auch nicht gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 169 ff. AO endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Diese Frist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

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aa) Allerdings sind im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes B-Stadt bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

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(1) Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung (vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 - aaO, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - zit. nach juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 [246 Fn. 43]), nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-) Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005 (vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V).

39

(2) Der in diesem Zusammenhang zitierten Rechtsprechung des OVG Brandenburg ist nicht zu folgen. Danach soll für den Beginn der Festsetzungsverjährung der Erlass der ersten Abgabensatzung unabhängig von deren Wirksamkeit maßgebend sein (vgl. zu der entsprechenden landesrechtlichen Bestimmung OVG Brandenburg, Urt. v. 8. Juni 2000 - 2 D 29/98 -, zit. nach juris, LS 1 und Rn. 49; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 - zit. nach juris LS 2 und Rn. 19 unter Aufgabe seiner gegenteiligen Rechtsprechung). Diese Auffassung ist mit dem kommunalen Abgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns unvereinbar, da durch eine nichtige Satzung die Beitragspflicht nicht entstehen kann (zutreffend Becker, KStZ 2001, 161 [164]; Becker/Schiebold, LKV 2001, 94 [95]). Zudem widerspricht eine solche Auslegung dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993. Danach entstand die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Die Satzung konnte einen späteren Zeitpunkt bestimmen. Die Regelungen hat der Gesetzgeber für das Anschlussbeitragsrecht für erforderlich gehalten, um das Entstehen der Beitragspflicht für leitungsgebundene Einrichtungen vorzuverlegen (vgl. LtDrs 1/113 S. 8 [Nr. 5 zu § 8]). Dies ist im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen auch sinnvoll, da - würde auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der gesamten Entwässerungseinrichtung abgestellt - dies das Entstehen der Beitragspflicht um Jahre verzögern könnte. Zudem hat (vgl. Landtagsdrucksache, aaO.) der Landesgesetzgeber eine Sonderregelung für die Anschlussbeiträge deshalb für erforderlich gehalten, weil eventuell Anschlussmöglichkeiten bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V gegeben und eine Beitrags- oder eine einmalige Anschlussgebührenpflicht nach altem (preußischen) Recht nicht entstanden war. Für diesen Fall sollte die Anschlusspflicht frühestens mit Inkrafttreten der ersten Satzung entstehen, die den Anschlussbeitrag nach neuem Recht regelt. (vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 29. Juli 1997 - 6 M 93/97 - zit. nach juris, Rn. 25). § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 diente daher in gewissem Umfang auch dem Schutz des kommunalen Aufgabenträgers (ebenso Becker, KStZ 2001, 161 [162 f.; unter Hinweis auf die in den neuen Bundesländern bestehenden Probleme bei der Gründung von Zweckverbänden] sowie Becker/Schiebold LKV 2001, 94 [95]). Entgegen der Meinung des OVG Brandenburg (aaO Rn. 48 mwN) stellte § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG 1993 auch keine Ausnahmeregelung dar, da das Inkrafttreten der Satzung neben der Anschließbarkeit des Grundstücks zwingend ist (vgl. auch Becker, KStZ 2001, 161 [163]; Becker/Schiebold, LKV 2001, 94 [95]). Das OVG Berlin-Brandenburg vertritt im Übrigen nunmehr ebenfalls die Auffassung, dass Beginn der Verjährungsfrist neben der Herstellung der Anschlussmöglichkeit an das Grundstück das Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12. Dezember 2007 - 8 B 44.06 - zit. nach juris, LS und Rn. 50). Eine solche Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. näher Steiner, LKV 2009, 254 [255 f.]).

40

bb) Eine endgültige Verjährung des Beitragsanspruches konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht eintreten, weil die Festsetzungsfrist nach den vorstehenden Ausführungen nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes B-Stadt waren sämtlich rechtsunwirksam:

41

(1) Die Beitrags- und Gebührenssatzung des Zweckverbandes B-Stadt vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt. Dabei handelt es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis B-Stadt, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden können. Denn nach § 5 Abs. 3 dem Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung - KV DDR) waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenzuschusses in Nr. 2.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellten, sondern pauschal (mit hier nicht interessierenden Modalitäten) einen Baukostenzuschuss von 2.000,-- DM festsetzten.

42

(2) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist aus den gleichen Gründen wie die Vorgängersatzung nichtig. Der pauschale Baukostenzuschusses von 3.000,-- DM stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

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(3) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 ist ebenfalls fehlerhaft im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

44

(4) Die am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Satzung vom 22. Dezember 1995 war gleichfalls nichtig. Zum einen bestanden materielle Fehler insoweit, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der GRZ von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies ist aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig. Zum anderen lag der Verbandsversammlung keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah (dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/01 - sowie Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 zur Kalkulation).

45

(5) Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch die Satzung von 18. Oktober 2000 gegen höherrangiges Recht verstoßen hat und damit nichtig war. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

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(6) Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Bei Satzungen ist die Verwerfungskompetenz der Gerichte nicht auf das abstrakte Normenkontrollverfahren beschränkt. Vielmehr können auch Verwaltungsgerichte bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide Satzungen im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht.

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(7) Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird (vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., zit. nach juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine "Vertrauensinvestition", die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a., BVerfGE 75, 246 ff., zit. nach juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

48

(8) Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt (zu den Voraussetzungen der Verwirkung vgl. Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je m. w. N. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. jetzt auch: OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN [n. v.]). Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

49

(9) Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den "Genuss" eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Mai 2005 - 4 A 1095/04 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 3.135,11 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich als Eigentümer des Grundstücks F.straße … (Gemarkung Güstrow, Flur …, Flurstück ...) in Güstrow gegen die Erhebung eines Anschlussbeitrages für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung in Höhe von 3.135,11 Euro durch den Beklagten. Die der Beitragserhebung zugrunde liegende Beitragssatzung bzw. die Beitragserhebung sei rechtswidrig.

2

Der nach Zustellung des angefochtenen klageabweisenden Urteils am 27. Juli 2005 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 26. August 2005 gestellte und mit am 27. September 2005 per Telefax auch beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

3

Unabhängig von der Frage der hinreichenden Darlegung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO liegt der zunächst zur Begründung angeführte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) jedenfalls in der Sache nicht vor.

4

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift - gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz - Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (OVG Greifswald, Beschluss vom 02.06.1998 - 1 O 23/98 -, NordÖR 1998, 306; Beschluss vom 05.08.1998 - 1 L 74/97 -, NVwZ-RR 1999, 476).

5

Gemessen an dem vorstehend erläuterten Maßstab ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gegeben.

6

Das zentrale Argument des Prozessbevollmächtigte des Klägers geht dahin, für sog. "altangeschlossene" Grundstücke wie das des Klägers, der bereits im Jahre 1941 einen "Anschlussbeitrag" gezahlt habe, dürfe nicht "nochmals", nunmehr gestützt auf § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. bzw. die entsprechende Anschlussbeitragssatzung der Stadt Güstrow ein Anschlussbeitrag erhoben werden, weil dies gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoße.

7

Mit der Problematik der sog. "altangeschlossenen" Grundstücke hat sich das Oberverwaltungsgericht und speziell auch der Senat bereits in der Vergangenheit auseinandergesetzt; an diese Rechtsprechung knüpft das angefochtene Urteil auf dessen zutreffende Erwägungen verwiesen wird (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), an. Die dagegen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Gründe greifen nicht durch. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 1 L 197/05 - (NordÖR 2006, 160) unter Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts im Übrigen nochmals bekräftigt, dass von den altangeschlossenen Grundstücken ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann, insbesondere auch wenn vor 1945 bereits Abgaben für einen Anschluss des Grundstücks an die Kanalisation entrichtet worden sind. Der Senat hat u.a. ausgeführt:

8

"1. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist geklärt, dass von den so genannten altangeschlossenen Grundstücken, zu denen auch das hier streitige Grundstück gehört, ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann.

9

Die beitragsrechtliche Frage, wie mit den Kosten einer bereits zu DDR-Zeiten entstandenen (Schmutzwasser-)Beseitigungsanlage umzugehen ist, ist zwar auch mehr als ein Jahrzehnt nach In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze der neuen Länder nach wie vor in der Diskussion (siehe z.B. Hentschke , LKV 2004, 447, für das Recht von Brandenburg; Aussprung , LKV 2005, 202, für Mecklenburg-Vorpommern; Abgeordneter Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984; Abgeordnete Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987; ferner die Landtagsdrucksachen im Verfahren zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes 4/1101, 4/1106, 4/1230 und 4/1307; schließlich die öffentliche Anhörung des federführenden Innenausschusses des Landtages vom 10. November 2004).

10

Die genannte Frage ist jetzt durch den Landesgesetzgeber inzident entschieden: Der Landesgesetzgeber hat sich - in Kenntnis der oben genannten Diskussion - nicht zu einer ausdrücklichen Änderung des Kommunalabgabengesetzes im Hinblick auf die Altanschließerproblematik entschlossen. Dies ergibt sich mittelbar auch aus den Stellungnahmen des Abgeordneten Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984 und der Abgeordneten Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987.

11

Auf der Grundlage der weiter geltenden Gesetzeslage ist die folgende zwischenzeitig gefestigte Rechtsprechung des OVG Greifswald entstanden, die daher nach wie vor aktuell ist:

12

Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar (vgl. z.B. OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83). Da die Abgaben erhebenden Behörden nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen geschaffen haben, darf und muss ein Herstellungsbeitrag erhoben werden. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist rechtlich (d.h. im beitragsrechtlichen Sinne), nicht aber tatsächlich zu verstehen (OVG Greifswald, Urteil vom 15. November 2000 - 4 K 8/99 -, LKV 2001, 516 = VwRR MO 2001, 175 = ZKF 2001, 160 = KStZ 2001, 174 = DÖV 2001, 610 = DVBl. 2001, 1376 = Überblick 2001, 249). Es ist daher rechtlich geboten, auch so genannte altangeschlossene Grundstücke mit Herstellungsbeiträgen zu belasten (OVG Greifswald, Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 12. Mai 2005 - l L 477/04 -; OVG Greifswald, Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -).

13

Im Urteil vom 30. 6. 2004 - 4 K 34/02 - (NJ 2004 S. 573 = LKV 2005 S. 76 = Überblick 2004 S. 623 = NordÖR 2004 S. 417 = BauR 2005 S. 150) hat das OVG Greifswald entschieden:

14

"Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. l GG nicht vereinbar.

15

Die an einen Mischwasserkanal altangeschlossenen Grundstückseigentümer werden im konkreten Fall ohne sachlichen Grund bevorteilt; sie haben nur einen Beitrag nach dem Beitragssatz I zu entrichten und können dafür sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser entsorgen. Schlechtergestellt werden demgegenüber die Fälle der Neuanschlüsse an einen Niederschlagswasserkanal. (Nur) hier entsteht zusätzlich auch ein Beitrag nach dem Beitragssatz II."

16

Ein Herstellungsbeitrag ist auch dann zu erheben, wenn der Betreiber der Abwasserbeseitigung eine Altanlage "übernommen" hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, LKV 2000, 161 = NordÖR 1999, 302 = VwRR MO 2000, 60 = KStZ 2000, 118 = DVBl. 1999, 1669 = Überblick 1999, 471).

17

Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA.

18

Die geltende Rechtslage, wonach auch die so genannten "altangeschlossenen" Grundstücke zu (Herstellungs-)Beiträgen heranzuziehen sind, erscheint keineswegs unbillig. Hier tut sich keine sog. "Gerechtigkeitslücke" auf. Beitragsfähig sind nämlich nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind. Damit geht der Einwand, der in zahlreichen Prozessen erhoben worden ist, die Anlage sei bereits zu DDR-Zeiten "schon einmal bezahlt worden", ins Leere. Die heute erhobenen Beiträge betreffen lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung. Dieser Gesichtspunkt geht in der (fach-)öffentlichen Diskussion zumeist unter. Er ist aber bei den Beratungen über das Kommunalabgabengesetz 2005 durchaus im Landtag auch in dieser zutreffenden Art und Weise erörtert worden (siehe den Redebeitrag der Abgeordneten Schulz , PDS, Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2987).

19

Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA (Stichtagsregelung). Nach § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA entsteht eine Beitragspflicht nicht für Investitionen, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes abgeschlossen wurden. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Differenzierung zwischen angeschlossenen und anzuschließenden Grundstücken verstoße - so führt das OVG Magdeburg (Urt. vom 4. 12. 2003 a.a.O.) aus - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber habe berücksichtigen dürfen, dass der Anschluss an eine Abwasserbeseitigungseinrichtung nach den faktischen Verhältnissen auch vor In-Kraft-Treten des KAG und der Kommunalverfassung dauerhaft gesichert gewesen sei. Der sachliche Grund für die vom Gesetzgeber mit § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA vorgesehene Differenzierung liege darin, dass sich der Gesetzgeber von der Annahme habe leiten lassen dürfen, dass die Anschlussmöglichkeit für die Grundstückseigentümer, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes an eine leitungsgebundene Einrichtung angeschlossen gewesen seien, jedenfalls faktisch dauerhaft gesichert gewesen sei, sodass den Grundstückseigentümern eine dem § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA der Sache nach gleichkommende Vorteilslage bereits vor dem In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes geboten worden sei. Damit habe der Gesetzgeber den faktischen Verhältnissen in der ehemaligen DDR Rechnung getragen.

20

Dieser Auffassung kann so nicht gefolgt werden. Sie läuft in der Sache darauf hinaus, dass die von den heute Abgaben erhebenden Körperschaften nach der Wende, aber vor In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze getätigten Investitionen allein auf die Neuanschlussnehmer umgelegt werden müssten. Hierin ist, wie oben ausgeführt, ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen. Vom OVG Magdeburg wird in der genannten Entscheidung, in der ausdrücklich auf die gegenteilige Ansicht des OVG Greifswald hingewiesen wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, a.a.O.), der rechtliche Gesichtspunkt, dass Beiträge nur die nach der Wende getätigten Investitionen refinanzieren sollen, nicht hinreichend in den Blick genommen. Außerdem sind in Sachsen-Anhalt dann die nicht über Herstellungsbeiträge zu deckenden Kosten über Verbesserungsbeiträge refinanzierbar ( Klausing in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 3/05, § 8 Rn. 1057b), was zu wirtschaftlich vergleichbaren Ergebnissen führt.

21

2. Ferner ist in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt, dass im Anschlussbeitragsrecht nach der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. die sachliche Beitragspflicht erst im Zeitpunkt hat entstehen können, zu dem eine wirksame Beitragssatzung erlassen worden ist. Der von der Klägerseite erhobene Verjährungseinwand schlägt daher fehl.

22

Die (auch) in Mecklenburg-Vorpommern anzutreffende gesetzliche Regelung, dass im Bereich der Anschlussbeiträge die (sachliche) Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten einer Satzung entsteht (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F., jetzt § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), wird in ständiger Rechtsprechung vom OVG Greifswald (so bereits Beschluss vom 8. April 1999 - 1 M 41/99 -, n.v.) dahin gehend verstanden, dass es sich hierbei um eine wirksame Satzung handeln muss. Dies entspricht auch der seit dem 31. März 2005 in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Gesetzeslage. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V spricht von der "ersten wirksamen Satzung".

23

Diese Ansicht (zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F.) wurde in der Rechtsprechung zunächst nahezu einheitlich vertreten. Erst nachdem das OVG Münster (Urt. vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, 535) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hergeleitet hat, dass auch eine nicht wirksame (d.h. ungültige, nichtige) Satzung für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht relevant ist, ist die Diskussion in Gang geraten. Das OVG Münster hat seine Auffassung damit begründet, der Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW erschöpfe sich darin, den Gemeinden eine ordnungsgemäße verwaltungstechnische Abwicklung der Vielzahl von Beitragsfällen zu ermöglichen, die mit dem In-Kraft-Treten des KAG NRW am 1. Januar 1970 (!) entstanden wären. Dieser Auffassung hat sich das OVG Frankfurt/Oder (Urt. vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, LKV 2001, 132 = VwRR MO 2000, 410) im Ergebnis angeschlossen. Da aus diesem Grunde die Gefahr einer Verjährung von Beitragsforderungen drohte, ist in Brandenburg der Landesgesetzgeber im Jahre 2003 tätig geworden und hat in § 8 Abs. 7 S. 2 BbgKAG klargestellt, dass die Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten der "rechtswirksamen" Satzung entsteht.

24

Das OVG Greifswald (zuletzt im Beschluss vom 3. Mai 2005 - 1 L 56/04 -; ferner im Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -; Beschluss vom 29. Juni 2004 - 1 L 288/04 -; Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschluss vom 2. Dezember 2003 - 1 M 72/03 -; auch Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; auch Becker , KStZ 2001, 181) ist der vom OVG Münster beziehungsweise OVG Frankfurt/Oder vertretenen Rechtsauffassung nachdrücklich entgegengetreten und hat an seiner ständigen Rechtsprechung zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F., wonach es für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auf das In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung ankommt, festgehalten. Zudem hat der Landesgesetzgeber durch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V eventuelle letzte Zweifel ausgeräumt.

25

Da es sich bei den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und auch der Abgabenordnung, soweit sie über § 12 Abs. 1 KAG (a. F. bzw. M-V) Anwendung findet, um Landesrecht handelt, ist es rechtlich nicht erheblich, dass für andere Landesrechte andere Oberverwaltungsgerichte eventuell eine andere Rechtsauffassung zu ähnlichen Rechtsfragen vertreten haben bzw. vertreten.

26

3. Soweit sich die Klägerseite in der Begründungsschrift auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs beruft, weil das Verwaltungsgericht ihr Vorbringen nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe, verleiht dies der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Der weitere Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist von Klägerseite nicht geltend gemacht worden. Im Übrigen liegt ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, auch in der Sache nicht vor.

27

a) Das von Klägerseite zitierte Kapitel des Einigungsvertrages (Kap. XIV Abschnitt II Zif. 11) ist dann auch in das Bundesrecht übernommen worden (heute § 242 Abs. 9 BauGB). Wie bereits dem von Klägerseite zitierten Wortlaut des Einigungsvertrages entnommen werden kann, bezieht sich diese Regelung ausschließlich auf Erschließungsbeiträge nach Bundesrecht (BauGB). Darum geht es im vorliegenden Fall indes nicht. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Erhebung eines Anschlussbeitrages nach Landesrecht.

28

b) Rechtlich nicht relevant ist, ob nach dem von Klägerseite zitierten Landesabgabengesetz vom 07. April 1934 seinerzeit hätten Abgaben welcher Art auch immer für einen Anschluss eines Grundstücks an eine Kanalisation erhoben werden können. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist nämlich ferner geklärt, dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sich nur auf die nach der Wende gegründeten Abgaben erhebenden Körperschaften bezieht. Das bedeutet, dass selbst in dem Falle, dass auf der Grundlage des Landesabgabengesetzes von 1934 eine einem Beitrag vergleichbare Entgeltabgabe entrichtet worden ist, das Grundstück nach der Wende zu einem Herstellungbeitrag nach dem KAG 1993 herangezogen werden kann. Der Einwand der Einmaligkeit der Beitragerhebung greift somit nicht durch. So führt auch das OVG Bautzen, Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 2 S 175/96 -, LKV 1997, 219, zu Recht aus:

29

"Gegen eine unter dem SächsKAG entstehende Beitragspflicht bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung dann keine Bedenken, wenn vor 1945 schon einmal ein Beitrag erhoben wurde oder hätte erhoben werden können. Der Mangel an Rechtskontinuität der Abgaben erhebenden Behörden hat zur Folge, dass vor 1945 entrichtete Beiträge keine Sperrwirkung unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung entfalten können. Eine erneute Beitragserhebung ist also ohne Berücksichtigung und Anrechnung der vor 1945 gezahlten 'Altbeiträge' zulässig."

..."

30

Insbesondere der Umstand, dass die heute vom Beklagten erhobenen Beiträge lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung betreffen, macht deutlich, dass sich die Problematik des Rückwirkungsverbotes gar nicht stellt und auch nicht von einer "nochmaligen" Beitragserhebung in dem Sinne, dass der Kläger für dieselbe Sache/Einrichtung im Rechtssinne ein zweites Mal zahlen müsste, ausgegangen werden kann.

31

Aus den vorstehenden Gründen bzw. wegen der in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts geklärten Rechtslage ergibt sich zugleich, dass die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) jedenfalls nicht vorliegen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52 Abs. 3, 47 GKG.

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

34

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

Anlässlich der Neubekanntmachung eines Flächennutzungsplans nach § 6 Absatz 6 sollen die in § 5 Absatz 4a bezeichneten Gebiete nach Maßgabe dieser Bestimmung nachrichtlich übernommen und vermerkt werden.

(1) Die Gemeinden erheben zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.

(2) Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind

1.
die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze;
2.
die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege, Wohnwege);
3.
Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Sammelstraßen sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind;
4.
Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind;
5.
Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, auch wenn sie nicht Bestandteil der Erschließungsanlagen sind.

(3) Der Erschließungsbeitrag kann für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen selbständig erhoben werden (Kostenspaltung).

(4) Das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind, bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für Anlagen zur Ableitung von Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Mai 2005 - 4 A 1095/04 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 3.135,11 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich als Eigentümer des Grundstücks F.straße … (Gemarkung Güstrow, Flur …, Flurstück ...) in Güstrow gegen die Erhebung eines Anschlussbeitrages für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung in Höhe von 3.135,11 Euro durch den Beklagten. Die der Beitragserhebung zugrunde liegende Beitragssatzung bzw. die Beitragserhebung sei rechtswidrig.

2

Der nach Zustellung des angefochtenen klageabweisenden Urteils am 27. Juli 2005 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 26. August 2005 gestellte und mit am 27. September 2005 per Telefax auch beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

3

Unabhängig von der Frage der hinreichenden Darlegung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO liegt der zunächst zur Begründung angeführte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) jedenfalls in der Sache nicht vor.

4

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift - gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz - Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (OVG Greifswald, Beschluss vom 02.06.1998 - 1 O 23/98 -, NordÖR 1998, 306; Beschluss vom 05.08.1998 - 1 L 74/97 -, NVwZ-RR 1999, 476).

5

Gemessen an dem vorstehend erläuterten Maßstab ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gegeben.

6

Das zentrale Argument des Prozessbevollmächtigte des Klägers geht dahin, für sog. "altangeschlossene" Grundstücke wie das des Klägers, der bereits im Jahre 1941 einen "Anschlussbeitrag" gezahlt habe, dürfe nicht "nochmals", nunmehr gestützt auf § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. bzw. die entsprechende Anschlussbeitragssatzung der Stadt Güstrow ein Anschlussbeitrag erhoben werden, weil dies gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoße.

7

Mit der Problematik der sog. "altangeschlossenen" Grundstücke hat sich das Oberverwaltungsgericht und speziell auch der Senat bereits in der Vergangenheit auseinandergesetzt; an diese Rechtsprechung knüpft das angefochtene Urteil auf dessen zutreffende Erwägungen verwiesen wird (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), an. Die dagegen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Gründe greifen nicht durch. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 1 L 197/05 - (NordÖR 2006, 160) unter Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts im Übrigen nochmals bekräftigt, dass von den altangeschlossenen Grundstücken ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann, insbesondere auch wenn vor 1945 bereits Abgaben für einen Anschluss des Grundstücks an die Kanalisation entrichtet worden sind. Der Senat hat u.a. ausgeführt:

8

"1. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist geklärt, dass von den so genannten altangeschlossenen Grundstücken, zu denen auch das hier streitige Grundstück gehört, ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann.

9

Die beitragsrechtliche Frage, wie mit den Kosten einer bereits zu DDR-Zeiten entstandenen (Schmutzwasser-)Beseitigungsanlage umzugehen ist, ist zwar auch mehr als ein Jahrzehnt nach In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze der neuen Länder nach wie vor in der Diskussion (siehe z.B. Hentschke , LKV 2004, 447, für das Recht von Brandenburg; Aussprung , LKV 2005, 202, für Mecklenburg-Vorpommern; Abgeordneter Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984; Abgeordnete Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987; ferner die Landtagsdrucksachen im Verfahren zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes 4/1101, 4/1106, 4/1230 und 4/1307; schließlich die öffentliche Anhörung des federführenden Innenausschusses des Landtages vom 10. November 2004).

10

Die genannte Frage ist jetzt durch den Landesgesetzgeber inzident entschieden: Der Landesgesetzgeber hat sich - in Kenntnis der oben genannten Diskussion - nicht zu einer ausdrücklichen Änderung des Kommunalabgabengesetzes im Hinblick auf die Altanschließerproblematik entschlossen. Dies ergibt sich mittelbar auch aus den Stellungnahmen des Abgeordneten Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984 und der Abgeordneten Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987.

11

Auf der Grundlage der weiter geltenden Gesetzeslage ist die folgende zwischenzeitig gefestigte Rechtsprechung des OVG Greifswald entstanden, die daher nach wie vor aktuell ist:

12

Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar (vgl. z.B. OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83). Da die Abgaben erhebenden Behörden nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen geschaffen haben, darf und muss ein Herstellungsbeitrag erhoben werden. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist rechtlich (d.h. im beitragsrechtlichen Sinne), nicht aber tatsächlich zu verstehen (OVG Greifswald, Urteil vom 15. November 2000 - 4 K 8/99 -, LKV 2001, 516 = VwRR MO 2001, 175 = ZKF 2001, 160 = KStZ 2001, 174 = DÖV 2001, 610 = DVBl. 2001, 1376 = Überblick 2001, 249). Es ist daher rechtlich geboten, auch so genannte altangeschlossene Grundstücke mit Herstellungsbeiträgen zu belasten (OVG Greifswald, Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 12. Mai 2005 - l L 477/04 -; OVG Greifswald, Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -).

13

Im Urteil vom 30. 6. 2004 - 4 K 34/02 - (NJ 2004 S. 573 = LKV 2005 S. 76 = Überblick 2004 S. 623 = NordÖR 2004 S. 417 = BauR 2005 S. 150) hat das OVG Greifswald entschieden:

14

"Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. l GG nicht vereinbar.

15

Die an einen Mischwasserkanal altangeschlossenen Grundstückseigentümer werden im konkreten Fall ohne sachlichen Grund bevorteilt; sie haben nur einen Beitrag nach dem Beitragssatz I zu entrichten und können dafür sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser entsorgen. Schlechtergestellt werden demgegenüber die Fälle der Neuanschlüsse an einen Niederschlagswasserkanal. (Nur) hier entsteht zusätzlich auch ein Beitrag nach dem Beitragssatz II."

16

Ein Herstellungsbeitrag ist auch dann zu erheben, wenn der Betreiber der Abwasserbeseitigung eine Altanlage "übernommen" hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, LKV 2000, 161 = NordÖR 1999, 302 = VwRR MO 2000, 60 = KStZ 2000, 118 = DVBl. 1999, 1669 = Überblick 1999, 471).

17

Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA.

18

Die geltende Rechtslage, wonach auch die so genannten "altangeschlossenen" Grundstücke zu (Herstellungs-)Beiträgen heranzuziehen sind, erscheint keineswegs unbillig. Hier tut sich keine sog. "Gerechtigkeitslücke" auf. Beitragsfähig sind nämlich nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind. Damit geht der Einwand, der in zahlreichen Prozessen erhoben worden ist, die Anlage sei bereits zu DDR-Zeiten "schon einmal bezahlt worden", ins Leere. Die heute erhobenen Beiträge betreffen lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung. Dieser Gesichtspunkt geht in der (fach-)öffentlichen Diskussion zumeist unter. Er ist aber bei den Beratungen über das Kommunalabgabengesetz 2005 durchaus im Landtag auch in dieser zutreffenden Art und Weise erörtert worden (siehe den Redebeitrag der Abgeordneten Schulz , PDS, Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2987).

19

Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA (Stichtagsregelung). Nach § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA entsteht eine Beitragspflicht nicht für Investitionen, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes abgeschlossen wurden. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Differenzierung zwischen angeschlossenen und anzuschließenden Grundstücken verstoße - so führt das OVG Magdeburg (Urt. vom 4. 12. 2003 a.a.O.) aus - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber habe berücksichtigen dürfen, dass der Anschluss an eine Abwasserbeseitigungseinrichtung nach den faktischen Verhältnissen auch vor In-Kraft-Treten des KAG und der Kommunalverfassung dauerhaft gesichert gewesen sei. Der sachliche Grund für die vom Gesetzgeber mit § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA vorgesehene Differenzierung liege darin, dass sich der Gesetzgeber von der Annahme habe leiten lassen dürfen, dass die Anschlussmöglichkeit für die Grundstückseigentümer, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes an eine leitungsgebundene Einrichtung angeschlossen gewesen seien, jedenfalls faktisch dauerhaft gesichert gewesen sei, sodass den Grundstückseigentümern eine dem § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA der Sache nach gleichkommende Vorteilslage bereits vor dem In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes geboten worden sei. Damit habe der Gesetzgeber den faktischen Verhältnissen in der ehemaligen DDR Rechnung getragen.

20

Dieser Auffassung kann so nicht gefolgt werden. Sie läuft in der Sache darauf hinaus, dass die von den heute Abgaben erhebenden Körperschaften nach der Wende, aber vor In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze getätigten Investitionen allein auf die Neuanschlussnehmer umgelegt werden müssten. Hierin ist, wie oben ausgeführt, ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen. Vom OVG Magdeburg wird in der genannten Entscheidung, in der ausdrücklich auf die gegenteilige Ansicht des OVG Greifswald hingewiesen wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, a.a.O.), der rechtliche Gesichtspunkt, dass Beiträge nur die nach der Wende getätigten Investitionen refinanzieren sollen, nicht hinreichend in den Blick genommen. Außerdem sind in Sachsen-Anhalt dann die nicht über Herstellungsbeiträge zu deckenden Kosten über Verbesserungsbeiträge refinanzierbar ( Klausing in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 3/05, § 8 Rn. 1057b), was zu wirtschaftlich vergleichbaren Ergebnissen führt.

21

2. Ferner ist in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt, dass im Anschlussbeitragsrecht nach der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. die sachliche Beitragspflicht erst im Zeitpunkt hat entstehen können, zu dem eine wirksame Beitragssatzung erlassen worden ist. Der von der Klägerseite erhobene Verjährungseinwand schlägt daher fehl.

22

Die (auch) in Mecklenburg-Vorpommern anzutreffende gesetzliche Regelung, dass im Bereich der Anschlussbeiträge die (sachliche) Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten einer Satzung entsteht (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F., jetzt § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), wird in ständiger Rechtsprechung vom OVG Greifswald (so bereits Beschluss vom 8. April 1999 - 1 M 41/99 -, n.v.) dahin gehend verstanden, dass es sich hierbei um eine wirksame Satzung handeln muss. Dies entspricht auch der seit dem 31. März 2005 in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Gesetzeslage. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V spricht von der "ersten wirksamen Satzung".

23

Diese Ansicht (zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F.) wurde in der Rechtsprechung zunächst nahezu einheitlich vertreten. Erst nachdem das OVG Münster (Urt. vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, 535) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hergeleitet hat, dass auch eine nicht wirksame (d.h. ungültige, nichtige) Satzung für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht relevant ist, ist die Diskussion in Gang geraten. Das OVG Münster hat seine Auffassung damit begründet, der Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW erschöpfe sich darin, den Gemeinden eine ordnungsgemäße verwaltungstechnische Abwicklung der Vielzahl von Beitragsfällen zu ermöglichen, die mit dem In-Kraft-Treten des KAG NRW am 1. Januar 1970 (!) entstanden wären. Dieser Auffassung hat sich das OVG Frankfurt/Oder (Urt. vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, LKV 2001, 132 = VwRR MO 2000, 410) im Ergebnis angeschlossen. Da aus diesem Grunde die Gefahr einer Verjährung von Beitragsforderungen drohte, ist in Brandenburg der Landesgesetzgeber im Jahre 2003 tätig geworden und hat in § 8 Abs. 7 S. 2 BbgKAG klargestellt, dass die Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten der "rechtswirksamen" Satzung entsteht.

24

Das OVG Greifswald (zuletzt im Beschluss vom 3. Mai 2005 - 1 L 56/04 -; ferner im Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -; Beschluss vom 29. Juni 2004 - 1 L 288/04 -; Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschluss vom 2. Dezember 2003 - 1 M 72/03 -; auch Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; auch Becker , KStZ 2001, 181) ist der vom OVG Münster beziehungsweise OVG Frankfurt/Oder vertretenen Rechtsauffassung nachdrücklich entgegengetreten und hat an seiner ständigen Rechtsprechung zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F., wonach es für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auf das In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung ankommt, festgehalten. Zudem hat der Landesgesetzgeber durch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V eventuelle letzte Zweifel ausgeräumt.

25

Da es sich bei den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und auch der Abgabenordnung, soweit sie über § 12 Abs. 1 KAG (a. F. bzw. M-V) Anwendung findet, um Landesrecht handelt, ist es rechtlich nicht erheblich, dass für andere Landesrechte andere Oberverwaltungsgerichte eventuell eine andere Rechtsauffassung zu ähnlichen Rechtsfragen vertreten haben bzw. vertreten.

26

3. Soweit sich die Klägerseite in der Begründungsschrift auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs beruft, weil das Verwaltungsgericht ihr Vorbringen nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe, verleiht dies der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Der weitere Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist von Klägerseite nicht geltend gemacht worden. Im Übrigen liegt ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, auch in der Sache nicht vor.

27

a) Das von Klägerseite zitierte Kapitel des Einigungsvertrages (Kap. XIV Abschnitt II Zif. 11) ist dann auch in das Bundesrecht übernommen worden (heute § 242 Abs. 9 BauGB). Wie bereits dem von Klägerseite zitierten Wortlaut des Einigungsvertrages entnommen werden kann, bezieht sich diese Regelung ausschließlich auf Erschließungsbeiträge nach Bundesrecht (BauGB). Darum geht es im vorliegenden Fall indes nicht. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Erhebung eines Anschlussbeitrages nach Landesrecht.

28

b) Rechtlich nicht relevant ist, ob nach dem von Klägerseite zitierten Landesabgabengesetz vom 07. April 1934 seinerzeit hätten Abgaben welcher Art auch immer für einen Anschluss eines Grundstücks an eine Kanalisation erhoben werden können. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist nämlich ferner geklärt, dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sich nur auf die nach der Wende gegründeten Abgaben erhebenden Körperschaften bezieht. Das bedeutet, dass selbst in dem Falle, dass auf der Grundlage des Landesabgabengesetzes von 1934 eine einem Beitrag vergleichbare Entgeltabgabe entrichtet worden ist, das Grundstück nach der Wende zu einem Herstellungbeitrag nach dem KAG 1993 herangezogen werden kann. Der Einwand der Einmaligkeit der Beitragerhebung greift somit nicht durch. So führt auch das OVG Bautzen, Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 2 S 175/96 -, LKV 1997, 219, zu Recht aus:

29

"Gegen eine unter dem SächsKAG entstehende Beitragspflicht bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung dann keine Bedenken, wenn vor 1945 schon einmal ein Beitrag erhoben wurde oder hätte erhoben werden können. Der Mangel an Rechtskontinuität der Abgaben erhebenden Behörden hat zur Folge, dass vor 1945 entrichtete Beiträge keine Sperrwirkung unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung entfalten können. Eine erneute Beitragserhebung ist also ohne Berücksichtigung und Anrechnung der vor 1945 gezahlten 'Altbeiträge' zulässig."

..."

30

Insbesondere der Umstand, dass die heute vom Beklagten erhobenen Beiträge lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung betreffen, macht deutlich, dass sich die Problematik des Rückwirkungsverbotes gar nicht stellt und auch nicht von einer "nochmaligen" Beitragserhebung in dem Sinne, dass der Kläger für dieselbe Sache/Einrichtung im Rechtssinne ein zweites Mal zahlen müsste, ausgegangen werden kann.

31

Aus den vorstehenden Gründen bzw. wegen der in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts geklärten Rechtslage ergibt sich zugleich, dass die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) jedenfalls nicht vorliegen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52 Abs. 3, 47 GKG.

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

34

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn

1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren,
4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.

(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist,
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat,
3.
wenn die Finanzbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
§ 130 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.

(4) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Kostengläubigers abzuwenden, wenn nicht der Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Nacherhebung eines Anschlussbeitrages für die Schmutzwasserbeseitigung.

2

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem zweigeschossigen Einfamilienhaus und einem Ferienhaus bebauten und 2.191 qm großen Grundstücks Gemarkung ##, Flur #, Flurstück ###. Es ist an die von der Gemeinde Zingst betriebene zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen. Mit Bescheid vom 28. Juni 1995 hatte der Beklagte den Kläger zu Anschlussbeiträgen in Höhe von 5.076,36 EUR (9.928,50 DM) herangezogen, mit Nachveranlagungsbescheid vom 15. Oktober 1999 zu weiteren 1.514,47 (2.962,05 DM). Der Berechnung des Beitrages gemäß Bescheid vom 28. Juni 1995 war eine Grundstücksfläche von 1.500 m² (x 4,65 DM = 6.975,00 DM) und eine Geschossfläche von 179 m² (x 16,50 DM = 2.953,50 DM) zugrunde gelegt worden. Der Nachveranlagungsbescheid vom 15. Oktober 1999 legte eine beitragspflichtige Grundstücksfläche von 2.137 m² zugrunde (2.191 abzüglich 54 m² Wasserfläche), von der die bereits veranlagte Fläche von 1.500 m² in Abzug gebracht wurde. Den Betrag von 5.076,36 EUR zahlte der Kläger. Ein gegen den Bescheid vom 15. Oktober 1999 anhängig gemachtes Klageverfahren (VG Greifswald, Az. 3 A 1288/01) ist nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt worden.

3

Mit dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 16. Juni 2003 zum Nachveranlagungsbescheid vom 15. Oktober 1999 setzte der Beklagte im Wege der Nacherhebung einen Anschlussbeitrag in Höhe von 12.263,10 EUR fest. Im Bescheid heißt es, die Differenz zwischen dem bereits gezahlten und dem neu festgesetzten Anschlussbeitrag betrage 7.186,74 .

4

Auf den unter dem 23. Juni 2003 dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers reduzierte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2004, zugestellt am 18. August 2004, den zu zahlenden Beitrag auf 3.656,80 EUR und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte u.a. aus, die bereits 1995 veranlagte Teilfläche von 1.500 m² habe wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht erneut veranlagt werden dürfen. Für die Restfläche von 637 m² errechne sich eine beitragspflichtige Fläche von 891,80 m² (erstes Vollgeschoss: 100 %, zweites Vollgeschoss: 40 % - § 4 Abs. 3 der Abwasserbeitragssatzung). Bei einem Beitragssatz von 4,10 EUR ergebe sich ein Nacherhebungsbeitrag von 3.656,38 EUR.

5

Dagegen hat der Kläger am 20. September 2004 (Montag) Klage erhoben.

6

Zu ihrer Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt,

7

seine Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Satzungsgrundlage. Die Abwasserbeitragssatzung des Beklagten vom 10. April 2003 sei bereits nicht ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden. Der "Zingster Strandbote", jedenfalls dessen Ausgabe vom April 2003, genüge wegen eines Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 und 4 KV-DVO a. F nicht den gesetzlichen Anforderungen für ein amtliches Bekanntmachungsblatt. Die Satzung sei auch materiell-rechtlich unwirksam. §4 Abs. 2 Buchst. d ABS verstoße gegen den Gleichheitssatz. Zudem halte § 3 Abs. 2 ABS einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, indem die Bestimmung ein Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff zugunsten des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffes auch dann zulasse, wenn die Anwendung des Buchgrundstücksbegriffes nicht zu gröblich unangemessenen Ergebnissen führen würde. Die Satzungsanwendung sei ebenfalls fehlerhaft. Eine Nacherhebung sei wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung unzulässig.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 16.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2004 aufzuheben.

10

Der Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Er hat vorgetragen,

13

die formell-rechtlichen Einwände gegen die Wirksamkeit der Abwasserbeitragssatzung seien unbegründet. Gleichwohl sei der "Zingster Strandbote" in seinem Erscheinungsbild geändert und die Abwasserbeitragssatzung im Februar 2005 vorsorglich erneut bekannt gemacht worden. § 4 Abs. 2 Buchst. d ABS verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es sei rechtlich zulässig, die Grenze der baulichen oder gewerblichen Nutzung bei der am weitesten entfernten Gebäudegrenze zu ziehen. Außerdem gebe es in der Gemeinde Zingst keine übergreifende, nicht-bauliche gewerbliche Nutzung und damit den vom Kläger angesprochenen Fall nicht. Auch § 3 Abs. 2 ABS sei nicht zu beanstanden. Die Regelung sei auch kein einziges Mal angewendet, sondern stets das Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne zugrundegelegt und herangezogen worden.

14

Mit dem angefochtenen Urteil vom 20. September 2006 - 3 A 2268/04 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der rechtmäßige Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Gemeinde Seeheilbad Zingst (Abwasserbeitragssatzung) vom 10. April 2003, bekanntgemacht durch Veröffentlichung im "Zingster Strandboten" vom 16. April 2003. Die Vorgängersatzungen vom 26. Juni 1993 und

15

24. Mai 1996 seien unwirksam und schieden deswegen als Rechtsgrundlage aus.

16

Die Abwasserbeitragssatzung vom 10. April 2003 sei rechtswirksam. Sie sei ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung der Gemeinde Ostseebad Zingst vom 07. Dezember 2001 erfolgten öffentliche Bekanntmachungen von Satzungen im amtlichen Bekanntmachungsorgan der Gemeinde, dem monatlich erscheinenden "Zingster Strandboten". Dieser genüge den Anforderungen des §6 Abs. 1 KV-DVO, insoweit werde auf den Beschluss der Kammer vom 11. Februar 2005 - 3 B 3820/04 - Bezug genommen. Darüber hinaus dürfte der klägerische Einwand wegen der Neubekanntmachung im "Zingster Strandboten" vom 18. Februar 2005 hinfällig geworden sein.

17

Die Satzung sei auch materiell-rechtlich wirksam und weise den erforderlichen Mindestinhalt auf.

18

Entgegen der Auffassung des Klägers sei insbesondere § 4 Abs. 2 Buchst. d ABS fehlerfrei. Die Bestimmung finde ihre Rechtfertigung darin, dass die in der Tiefenbegrenzung liegende Vermutung, wonach jenseits der Tiefengrenze der Außenbereich beginne, in Fällen sogenannter übergreifender baulicher bzw. gewerblicher Nutzung widerlegt sei und daher in diesen Fällen die beitragspflichtige Fläche durch die hintere Grenze der Nutzung begrenzt werde. Wenn der Kläger meine, dass die Regelung eine übergreifende gewerbliche Nutzung, die nicht zugleich bauliche Nutzung sei, nicht erfasse, berücksichtige er nicht, dass eine "nur gewerbliche" Nutzung, die nicht auch bauliche Nutzung sei, in Bezug auf die Schmutzwasserentsorgung kaum denkbar sei. Der Hinweis auf "zahlreiche" gewerbliche Grundstücksnutzungen, deren Grenze nicht durch eine bauliche Anlage gezogen werde, treffe nicht zu. Mit Blick auf den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit habe der Beklagte zudem unwidersprochen dargelegt, dass es jedenfalls im Gebiet der Gemeinde Zingst kein Grundstück gebe, das jenseits der Tiefenbegrenzungslinie "nur gewerblich" genutzt würde, ohne dass zugleich eine (übergreifende) Gebäudenutzung vorhanden wäre. Fehlerhaft und damit unwirksam sei allerdings § 3 Abs. 2 ABS, wenn die Gemeinde nach dieser Bestimmung ermächtigt werde, unter dort näher genannten Voraussetzungen im Einzelfall den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff anzuwenden. Der Fehler wirke sich aber auf die Rechtswirksamkeit der Satzung insgesamt nicht aus. An die Stelle der insoweit nichtigen Regelung trete der gesetzliche Grundstücksbegriff mit der Folge, dass die Satzung weiterhin zur Beitragserhebung geeignet sei. Der Satzungsfehler in § 3 Abs. 2 ABS habe sich auch nicht auf die Rechtmäßigkeit der Beitragskalkulation ausgewirkt. Der Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, dass die Regelung für die Berechnung der Beitragseinheiten in keinem einzigen Fall angewendet worden sei.

19

Auch die Satzungsanwendung sei nicht zu beanstanden. Rechtmäßig sei insbesondere die Nacherhebung des Beitrages. Ihr stehe der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. In diesem Zusammenhang gehe das Verwaltungsgericht von folgenden Grundsätzen - nach Maßgabe seines Beschlusses vom 27. Februar 2006 - 3 B 3023/05 - aus: Dem Beitragswesen immanent sei das Merkmal der Einmaligkeit. Der Grundsatz der Einmaligkeit schränke zugleich auch die Möglichkeit einer Nacherhebung ein. Jedoch schließe die grundsätzlich bestehende - auch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V fortgeltende - Verpflichtung, Beiträge nach Maßgabe der geltenden landes- und ortsrechtlichen Vorschriften zu erheben, die Verpflichtung ein, einen entstandenen Beitragsanspruch in vollem Umfang geltend zu machen. Sei ein Beitragspflichtiger - etwa weil die für sein Grundstück verteilungsrelevante Fläche ohne rechtfertigenden Grund (versehentlich) nur zum Teil berücksichtigt worden sei - oder seien alle Beitragspflichtigen - etwa weil ein Rechnungsposten bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes übersehen worden sei - zu niedrig veranlagt worden, sei die Gemeinde regelmäßig gehalten, bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung durch selbständige Bescheide entsprechende Nachforderungen zu erheben, um dadurch ihren Beitragsanspruch voll auszuschöpfen. Die Bestandskraft eines Heranziehungsbescheides, mit dem ein zu niedriger Beitrag verlangt worden sei, stehe einer Nacherhebung durch einen weiteren (selbständigen) Bescheid, mit dem der noch nicht ausgeschöpfte Teil eines entstandenen Beitragsanspruch gefordert werde, nicht entgegen. Insbesondere hinderten Vertrauensschutzgesichtspunkte eine Nacherhebung nicht. Denn der Betroffene müsse sich entgegenhalten lassen, dass die Gemeinde ihre Leistungen unter anderem auch zu seinen Gunsten erbracht habe und dass sie und die hinter ihr stehende Allgemeinheit die volle dafür nach dem Gesetz entstandene Gegenleistung fordern könnten, und zwar nicht nur im Interesse des Haushalts der Gemeinde, sondern auch im Interesse der Beitragsgerechtigkeit. Allerdings seien über die Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V die §§ 172 ff. AO über die nachträgliche Aufhebung und Änderung von bestandskräftigen Steuerbescheiden entsprechend anwendbar. Diese Vorschriften stünden aber einer Nachveranlagung nicht entgegen, weil durch den Nacherhebungsbescheid der (bestandskräftige) frühere Heranziehungsbescheid nicht im Sinne der genannten Vorschriften aufgehoben oder abgeändert, sondern lediglich der Beitragsanspruch ausgeschöpft werde. Die Gegenauffassung berücksichtige nicht genügend das den Entgeltabgaben zugrunde liegende Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Die §§ 172 ff. AO basierten auf einem vorrangigen Vertrauensschutz gegenüber bestandskräftigen Steuerbescheiden, wobei Steuern ohne Gegenleistung geschuldet würden. Bei Entgeltabgaben stehe demgegenüber die Zahlungspflicht in unmittelbarer Beziehung zu einer von der Allgemeinheit erbrachten Leistung. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, dass eine fehlerhafte Abgabenfestsetzung nicht innerhalb der Festsetzungsfrist auch zu Lasten des Abgabenschuldners behoben werden sollte. Dabei sei zu beachten, dass die Unabänderbarkeit fehlerhafter Bescheide, die Beiträge zu niedrig festgesetzt hätten, zu einem Defizit führen würde, das entweder durch Abgabenerhöhung von den übrigen Benutzern der Einrichtung oder vom Steuerzahler getragen werden müsste.

20

Gemessen an diesen Grundsätzen sei die in dem angefochtenen Bescheid erfolgte Nachveranlagung nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe lediglich den in den vorherigen Beitragsbescheiden unberücksichtigt gebliebenen Teilbetrag des Anschlussbeitrags festgesetzt. Hierzu sei er nach der Beitragssatzung und dem genannten Grundsatz, den entstandenen Beitragsanspruch in vollem Umfang geltend zu machen, auch verpflichtet gewesen. Im Übrigen komme es für die Frage, ob die Einmaligkeit der Beitragserhebung verletzt sei, auf den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht an. Das bedeute, eine Nacherhebung sei immer dann zulässig und geboten, wenn - wie vorliegend - der (niedrigere) Beitrag zunächst auf Grundlage einer Satzung errechnet und erhoben worden sei, die sich später als rechtsunwirksam erwiesen habe. Hier sei zu berücksichtigen, dass die sachliche Beitragspflicht erstmals mit Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung von 2003 entstanden sei. Offen bleiben könne, ob die Reduzierung des Nacherhebungsbetrages im Widerspruchsbescheid rechtmäßig gewesen sei. Denn dies verletze den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten. Schließlich sei die Beitragsforderung nicht in Folge Festsetzungsverjährung erloschen.

21

Das Urteil ist dem Kläger am 02. Oktober 2006 zugestellt worden. Auf den am 01. November 2006 eingegangenen und unter dem 04. Dezember 2006 (Montag) begründeten Antrag hin hat der Senat mit Beschluss vom 22. Oktober 2009, dem Kläger am 26. Oktober 2009 zugestellt, die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Unter dem 16. November 2009 hat der Kläger seine Berufung begründet.

22

Er hält die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dem angefochtenen Nacherhebungsbescheid stünde trotz Bestandskraft des ursprünglichen Heranziehungsbescheides §12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. den §§172 ff. AO nicht entgegen, für unzutreffend. Gegenstand der Kanalbaubeitragspflicht sei nach dem KAG M-V (a.F.) der auf die Eigentümer der bevorteilten Grundstücke umzulegende Aufwand für die - hier erstmalige - Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen der Gemeinde Zingst, wobei die Beiträge "nach den Vorteilen zu bemessen" seien. Die Vorteilsbemessung bzw. gleichheitsgerechte Verteilung des Aufwandes auf die Eigentümer der bevorteilten Grundstücke habe der Gesetzgeber den Kommunen überlassen. Anknüpfungspunkt für die gleichheitsgerechte Bemessung des Beitragssatzes für einen Kanalbaubeitrag könne richtigerweise nur die Größe bzw. Bebaubarkeit des bevorteilten Grundstücks selbst sein. Hieran habe sich die Gemeinde Zingst mit ihren Vorgängersatzungen vom 26. Juni 1993 und vom 24. Mai 1996 auch gehalten, selbst wenn diese Satzungen - wovon auch er ausgehe - im Ergebnis nichtig gewesen seien. Im vorliegenden Fall habe sich weder die Grundstücksfläche noch die Bebaubarkeit seines Grundstücks im Zuge der Nacherhebung verändert. Die Nacherhebung sei nichts anderem geschuldet gewesen als dem mehrfach geänderten Satzungsrecht der Gemeinde Zingst, nicht aber dem Umstand, dass sein Grundstück etwa "nur teilweise" von den Vorgängersatzungen berücksichtigt und veranlagt worden sei, sodass er "für" sein Grundstück mit dem Ursprungsbescheid hinsichtlich des Herstellungsaufwandes für die öffentlichen Abwasseranlagen der Gemeinde Zingst bereits "vollständig" und bestandskräftig veranlagt worden sei. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die §§ 172 ff. AO vorliegend deswegen nicht anwendbar seien, weil Steuern grundsätzlich ohne, Beiträge dagegen für eine Gegenleistung des Staates erhoben würden, möge allenfalls als Hinweis an den Gesetzgeber verstanden werden. Dieser habe nämlich auch mit § 12 Abs. 1 KAG M-V n. F. geregelt, dass auf Kommunalabgaben die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anwendbar seien, während eine ganze Anzahl von Bundesländern mit ihren Kommunalabgabengesetzen insoweit Einschränkungen gemacht hätten. Es bedürfe keiner richterlichen "Korrektur" des § 12 Abs. 1 KAG M-V im Sinne der Gesetze anderer Bundesländer. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern habe nämlich den Abgaben erhebenden Behörden durch vorbehaltlose Anordnung der entsprechenden Anwendung der Abgabenordnung genügend Instrumente an die Hand gegeben, im Zweifel genau die Probleme zugunsten der öffentlichen Haushalte zu lösen, die das Verwaltungsgericht wegen Satzungsfehlern - d. h. wegen Fehlern von Rechtsnormen - zulasten der Bürger lösen wolle. Denn eine Abgaben erhebende Behörde sei durch nichts daran gehindert (gewesen), wegen § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 164 AO einen Kanalbaubeitragsbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen. Dass die Behörden dies regelmäßig nicht tun würden, dürfe die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht dazu veranlassen, entgegen § 12 Abs. 1 KAG M-V die Abgabenordnung nur auf kommunale Steuern anzuwenden. Angesichts dessen, dass kommunale Steuern gegenüber Beiträgen und Gebühren nur einen verschwindend geringen Anteil ausmachten, wäre es nicht erklärlich, wenn der Gesetzgeber die §§172 ff. AO nur auf kommunale Steuern angewendet wissen wollte. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V sei nicht mehr zu fragen, ob auch auf Kanalbaubeiträge die §§ 172 AO ff. "entsprechend" anwendbar seien. Schließlich seien dem Gesetzgeber im Hinblick auf die Kommentierungen zum KAG a. F. die Konsequenzen für eine Nacherhebung bekannt gewesen, wenn er die Anwendung der §§ 172 ff. AO nicht bei Novellierung des KAG ausschließen würde. Er habe dennoch an der uneingeschränkten Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V festgehalten.

23

Er, der Kläger, halte außerdem die Abwasserbeitragssatzung der Gemeinde Zingst vom 10. April 2003 (ABS) auch in ihrer Fassung der 1. Änderungssatzung vom 25. April 2008 deshalb für nichtig, weil sie einen fehlerhaften Beitragsmaßstab aufweise. So regele § 4 Abs. 2 Buchst. e ABS den Fall einer gegenüber einer baulichen oder gewerblichen Nutzung eines Grundstücks "sonstigen" Nutzung, also eine solche, die gerade nicht baulich oder gewerblich sei. Es sei widersprüchlich, dass die Regelung für eine sonstige Nutzung zur Bestimmung der maßgeblichen Grundstücksfläche gleichwohl an eine anschließbare Baulichkeit und weitergehend gar an ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude anknüpfe. Zudem sei auch § 4 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 ABS rechtswidrig. Wegen der mit dieser Regelung erfolgenden "doppelten" Anwendung der Tiefenbegrenzung wäre ein 140 m tiefes Grundstück, welches in dieser Tiefe beidseits durch jeweils eine Straße erschlossen wäre, ohne sachlichen Grund beitragsfrei. Er halte schließlich daran fest, dass eine Beitragssatzung nur dann ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht werden könne, wenn die Hauptsatzung der Gemeinde in Bezug auf ihre Regelungen über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden sei.

24

Der Kläger beantragt,

25

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 20. September 2006 - 3 A 2268/04 - zu ändern und den Änderungsbescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2004 aufzuheben.

26

Der Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im Wesentlichen vor, der Grundsatz der Einmaligkeit stehe einer Nacherhebung nicht entgegen; dieser sei nicht gleichbedeutend mit einem Grundsatz der Einmaligkeit des Beitragsbescheides. Der Kläger gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass § 12 Abs. 1 KAG M-V die Anwendung der Abgabenordnung vorbehaltlos anordne. Denn die Abgabenordnung gelte nur "entsprechend". Die Aufnahme des Begriffs "entsprechend" berücksichtige die Unterschiede bei den Regelungsgegenständen der Abgabenordnung einerseits und des Kommunalabgabenrechts andererseits. Es sei jeweils zu prüfen, ob eine in der Abgabenordnung getroffene, sich auf Steuern beziehende Regelung dem Wesen etwa kommunaler Entgeltabgaben gerecht werde. Das den Entgeltabgaben zugrundeliegende Prinzip von Leistung und Gegenleistung verlange, dass eine - gleichgültig aus welchem Grunde - zu niedrig festgesetzte Abgabe innerhalb der Festsetzungsfrist bis zur richtigen Höhe nacherhoben werden müsse, um die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung herzustellen. Diesem Prinzip stünden die §§ 172 ff. AO von ihrem Sinn und Zweck her nicht unproblematisch, wenn nicht sogar unvereinbar gegenüber. Sie könnten daher im Bereich der Entgeltangaben keine strikte Anwendung finden. So habe das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bereits entschieden, dass die §§ 172 ff. AO auf Erschließungsbeiträge nicht anwendbar seien. Entsprechendes müsse für Anschlussbeiträge gelten. § 9 Abs. 1 KAG M-V verlange eine Ausschöpfung des Beitragsanspruchs. Jedenfalls habe er sein ihm in der Gesamtschau der Regelungen der §§ 172 ff. AO zustehendes Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Ein hinsichtlich der Beitragshöhe zu niedriger Bescheid sei im Übrigen ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt, der keine begünstigenden Elemente aufweise. Eine Begünstigung liege nur vor, soweit sie im Verwaltungsakt ausdrücklich ausgesprochen worden sei, wenn also die Behörde ausnahmsweise und verbindlich zum Ausdruck bringe, dass sie von einer Mehrforderung absehen wolle. Einen solchen Anschein habe er nicht erweckt. Auch das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes stehe einem Nachveranlagungsbescheid nicht entgegen. Der Beitragsschuldner müsse sich im Rahmen einer Interessenabwägung entgegenhalten lassen, dass der Beitrag ein Entgelt für eine Leistung der Gemeinde sei. Er könne nicht erwarten, diese zu Lasten der Allgemeinheit ohne volle Gegenleistung und kostengünstiger als andere zu erhalten. Erst durch die Nacherhebung sei eine "nach den Vorteilen zu bemessende" Veranlagung erfolgt. Der Beklagte verteidigt schließlich die Maßstabsregelungen des §4 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 und Buchst. e ABS.

29

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, die Gerichtsakte im Verfahren Az. 1 L 324/06 samt Beiakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

30

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Änderungsbescheid vom 16. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2004 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

31

Der angefochtene Bescheid findet seine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Gemeinde Seeheilbad Zingst (Abwasserbeitragssatzung - ABS) vom 10. April 2003; der Senat legt dabei in Übereinstimmung mit den Beteiligten und dem Verwaltungsgericht zugrunde, dass die Vorläufersatzungen nicht wirksam gewesen sind (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 09.04.2002 - 1 M 1/02 -, juris; VG Greifswald, Urt. v. 12.01.2005 - 3 A 2331/01 -). Die Satzung ist wirksam (1.) und die konkrete Rechtsanwendung nicht zu beanstanden (2.).

32

1. Die Wirksamkeit der Abwasserbeitragssatzung unterliegt weder unter dem Blickwinkel ihrer ordnungsgemäßen Bekanntmachung (a) noch hinsichtlich ihrer seitens des Klägers angegriffenen Maßstabsregelungen (b) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

33

a) Der Senat stimmt dem Verwaltungsgericht zunächst darin zu, dass die Abwasserbeitragssatzung - jedenfalls zwischenzeitlich - wirksam bekannt gemacht worden sei (§ 130b Satz 2 VwGO). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Bekanntmachung im "Zingster Strandboten" im April 2003 auch mit Blick darauf nicht zu beanstanden ist, dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a.F. das amtliche Bekanntmachungsblatt durch seine Bezeichnung auf seinen amtlichen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen muss. Denn insoweit sind - ohne dass dies den normunterworfenen Bürger überfordern würde - "Zingster Strandbote" und die konkrete Beilage, in der die Abwasserbeitragssatzung abgedruckt worden ist, im Zusammenhang zu betrachten. Schon die äußere Gestaltung der Beilage mit dem Aufdruck "Gemeinde Seeheilbad Zingst", dem darunter befindlichen Gemeindewappen, das sich - worauf das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - auch auf dem "Zingster Strandboten" findet, und der Auflistung der verschiedenen Satzungen, die im Inhalt zu finden sind, lässt keinen Zweifel am amtlichen Charakter des Bekanntmachungsblattes und hinsichtlich des herausgebenden Trägers der öffentlichen Verwaltung zu (vgl. auch das Impressum der Beilage, in dem die Gemeindeverwaltung Zingst als Herausgeber bezeichnet ist). Zudem ist die Bekanntmachung jedenfalls im Februar 2005 wirksam nachgeholt worden. Soweit der Kläger - nachdem er den rechtlichen Gesichtspunkt der Bekanntmachung zunächst zweitinstanzlich nicht mehr thematisiert hatte - in seinem Schriftsatz vom 07. Dezember 2009 vorgetragen hat, er halte daran fest, dass eine Beitragssatzung nur dann ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht werden könne, wenn die Hauptsatzung der Gemeinde in Bezug auf ihre Regelungen über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen selbst ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden sei, handelt es sich lediglich um eine rechtliche Feststellung. Der Kläger trägt damit schon selbst nicht ausdrücklich vor, dass die Bekanntmachung der Hauptsatzung fehlerhaft gewesen sein könnte. Jedenfalls ist dieses Vorbringen dermaßen unspezifiziert, dass der Senat keine Veranlassung gesehen hat, hier gleichsam "ins Blaue" weitere Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen. Schließlich spricht mit Blick auf das vorliegende Exemplar der Hauptsatzung, das als Beilage zum "Zingster Strandboten" im Dezember 2001 erschienen ist, unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen nichts für einen Bekanntmachungsfehler.

34

b) Die in der Abwasserbeitragssatzung enthaltenen, vom Kläger angegriffenen maßstäblichen Regelungen sind wirksam.

35

Soweit der Kläger rügt, die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 2 Buchst. e ABS sei mit Blick auf die Bestimmungen, die Grundstücke mit baulicher bzw. möglicher baulicher Nutzung erfassten, widersprüchlich und damit gleichheitswidrig, dringt er damit nicht durch.

36

Nach § 4 Abs. 2 Buchst. e Satz 1 ABS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die im B-Plan eine sonstige Nutzung (z.B. als Sportplatz, Grünfläche, Friedhof) festgesetzt ist oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden, die Grundfläche der an die Anlage zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung anschließbaren Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2, höchstens jedoch die tatsächliche Grundstücksgröße. In den nachfolgenden Sätzen schließen sich Regelungen zur Zuordnung der so ermittelten Abgeltungsfläche an.

37

Diese Vorschrift regele - so meint der Kläger - den Fall einer gegenüber einer baulichen oder gewerblichen Nutzung eines Grundstücks "sonstigen" Nutzung, also nur eine solche, die gerade nicht baulich oder gewerblich sei. Es sei daher ein Widerspruch in sich, dass die Regelung für eine sonstige Nutzung in diesem Sinne zur Bestimmung der maßgeblichen Grundstücksfläche gleichwohl an eine anschließbare Baulichkeit und sodann weitergehend gar an ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude anknüpfe.

38

Dieses Vorbringen geht fehl. Das Merkmal der "sonstigen" Nutzung will nicht besagen, dass mit der Satzungsregelung nur Grundstücke ohne jede Bebauung/Bebauungsmöglichkeit erfasst werden sollen, sondern will - so das zutreffende Vorbringen des Beklagten - Grundstücke mit bestimmten "sonstigen" (= untergeordneten baulichen) Nutzungen wie Sportplätze durch einen Artabschlag erfassen und begünstigen, ohne dass damit auf den entsprechenden Flächen angeschlossene oder anschließbare Baulichkeiten ausgeschlossen würden. Eine solche Regelung, die den atypisch niedrigen Vorteil solcher Flächen berücksichtigen will, begegnet keinen Bedenken und liegt im ortsgesetzgeberischen Ermessen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2004 - 1 L 58/02 -, juris).

39

Auch die Rüge, die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 ABS stelle als "doppelte" Anwendung der Tiefenbegrenzung eine sachwidrige Privilegierung dar, führt nicht zum Erfolg der Berufung. Gemäß § 4 Abs. 2 Buchst. c ABS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein B-Plan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der Straßengrenze der dem Innenbereich zugewandten Straße und einer im Abstand von siebzig Meter dazu verlaufenden Parallelen (Satz 1). Liegt das Grundstück an mehreren Straßen, so ist die Tiefenbegrenzung von jeder einer Straßenseite zugewandten Grundstücksseite anzusetzen (Satz 2).

40

Der Kläger meint, wegen der in Satz 2 der Regelung aus seiner Sicht vorgesehenen "doppelten" Anwendung der Tiefenbegrenzung wäre ein 140 m tiefes Grundstück, welches beidseits durch eine Straße erschlossen ist, beitragsfrei. Wie der Beklagte zutreffend ausführt, ist jedoch das Gegenteil der Fall, die Gesamtfläche wäre in diesem Fall beitragspflichtig. Die von jeweils einer Straße aus gesehen der Beitragspflicht unterliegende Fläche mit einer Tiefe von siebzig Metern geht der Freistellung derselben Fläche durch die Tiefenbegrenzung ausgehend von der anderen Straße vor.

41

2. Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid vorgenommene Beitragsnacherhebung, mit der der Kläger zusätzlich zu dem durch Anschlussbeitragsbescheid vom 28. Juni 1995 ursprünglich festgesetzten und bezahlten Beitrag von 5.076,36 EUR (9.928,50 DM) nochmals zu einem Betrag 3.656,38 EUR herangezogen wird, ist rechtmäßig.

42

Eine solche Nacherhebung ist unter den vorliegenden Sachverhaltsgegebenheiten, insbesondere der Unwirksamkeit der Vorgängersatzungen, grundsätzlich zulässig und auch in der konkreten Rechtsanwendung ohne Rechtsfehler durchgeführt worden.

43

Der Beklagte ist nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes M-V und auf der Grundlage der Abwasserbeitragssatzung grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass er einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpft, soweit dies noch nicht durch eine erste Beitragserhebung erfolgt ist. Einer solchen Nacherhebung stehen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragerhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des Erstheranziehungsbescheides und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ebenso wenig entgegen wie die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V und die darin enthaltene Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung.

44

Eine Nacherhebung ist zwar weder ausdrücklich Gegenstand der der Beitragserhebung zugrunde liegenden Abwasserbeitragssatzung noch finden sich insoweit Bestimmungen im Kommunalabgabengesetz M-V, die ausdrücklich die Möglichkeit einer Nacherhebung in Fällen der vorliegenden Art vorsehen. Auch ist die Beitragserhebung im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen insoweit nicht bundesrechtlich determiniert und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 103.98 -, juris; Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 102.98 -, juris; Urt. v. 26.01.1996 - 8 C 14.94 -, NVwZ-RR 1996, 465; Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938; Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163; vgl. auch Beschl. v. 19.05.1999 - 8 B 61.99 -, NVwZ 1999, 1218; Beschl. v. 05.03.1997 - 8 B 37.97 -, Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 86; Beschl. v. 12.08.1991 - 8 B 108.91 -; Urt. v. 07.07.1989 - 8 C 86.87 -, BVerwGE 82, 215 - jeweils zitiert nach juris; vgl. auch OVG Greifswald, Beschl. v. 19.11.2007 - 1 L 1/07 -, juris) zur Verpflichtung der Kommunen, einen entstandenen Erschließungsbeitragsanspruch ggfs. auch im Wege der Nacherhebung auszuschöpfen, nicht unmittelbar einschlägig. Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Nacherhebung ist eine solche des irrevisiblen Landesrechts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 103.98 -, juris; Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 102.98 -, juris).

45

Wie im Erschließungsbeitragsrecht ergibt sich jedoch aus den landesrechtlichen Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes M-V grundsätzlich auch im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen das Recht und die Verpflichtung der beitragserhebenden Körperschaft, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpft, soweit dies etwa auf der Basis einer früheren unwirksamen Satzung noch nicht durch eine erste Beitragserhebung erfolgt ist.

46

Die rechtliche Zulässigkeit der Nacherhebung und die Pflicht zur Ausschöpfung der kommunalen Beitragsanspruchs lässt sich - so zutreffend das Verwaltungsgericht - zunächst grundsätzlich § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (wie schon der Vorläuferbestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG a. F.) entnehmen.

47

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sollen zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser oder Wärme oder zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung Anschlussbeiträge erhoben werden. Nur in atypischen Situationen kann von dieser "Soll"-Bestimmung abgewichen werden (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris). Beiträge sind dabei Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes insbesondere für die Herstellung öffentlicher Einrichtungen dienen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V). Sie werden nach näheren gesetzlichen Maßgaben als Gegenleistung dafür erhoben, dass den Beitragspflichtigen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme Vorteile geboten werden (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V). Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich die grundsätzliche Vorstellung des Landesgesetzgebers, dass die Herstellungskosten einer öffentlichen Einrichtung - ggfs. bis zur Höhe eines in rechtmäßiger Ausübung ortsgesetzgeberischen Ermessens festgesetzten bzw. mit der Beitragserhebung zu erzielenden Kostendeckungsgrades - vollständig als Gegenleistung für die Verschaffung der Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Ver- oder Entsorgungseinrichtung durch Beiträge gedeckt werden sollen. Daraus folgt, dass grundsätzlich im Falle einer bei erstmaliger Heranziehung unterbliebenen Ausschöpfung des Beitragsanspruchs für die beitragserhebende Körperschaft die Möglichkeit bestehen muss, eine solche Ausschöpfung - zeitlich limitiert bis zur Grenze der Festsetzungsverjährung - durch eine Nacherhebung zu erreichen. Dies galt erst recht nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V a.F. Diese Vorschrift regelte noch strenger als § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, dass Beiträge "zu erheben sind".

48

Dieser Annahme steht zunächst - anders als der Kläger meint - nicht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entgegen, der insbesondere nach Maßgabe der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern auch im Abgabenrecht des Landes Mecklenburg Vorpommern Geltung beansprucht.

49

Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung besagt zum einen, dass die sachliche Beitragspflicht (abstrakte Beitragsschuld) für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung zu Lasten eines Grundstücks nur einmal entsteht. Ist sie entstanden, kann sie nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen. Zum anderen schließt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung das Verbot der Doppelbelastung in dem Sinne ein, dass ein Grundstück für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung - hinsichtlich desselben Aufwands - grundsätzlich nur einmal zu einem Beitrag herangezogen werden darf (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris; Beschl. v. 08.07.2004 - 1 M 170/04 -, juris; Beschl. v. 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, NordÖR 2004, 262; OVG Berlin/Brandenburg, Urt. v. 06.06.2007 - 9 A 77.05 -, LKV 2008, 377; OVG Weimar, Beschl. v. 03.05.2007 - 4 EO 101/07 -, juris; VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 05.11.1992 - 2 S 152/90 -; Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -; Beschl. v. 19.07.1990 - 2 S 412/90 -: jeweils juris; VG Potsdam, Urt. v. 18.09.2008 - 9 K 1128/05 -, juris; VG Bayreuth, Urt. v. 07.07.2004 - B 4 K 04.578 -, juris; vgl. auch VGH Kassel, Beschl. v. 12.04.2005 - 5 TG 116/05 -, NVwZ-RR 2006, 143 - zitiert nach juris). Die Einmaligkeit der Leistung des Kanalanschlussbeitrags folgt aus dem Wesen des Beitrags, der an einen bestimmten Zustand ("Möglichkeit der Inanspruchnahme") anknüpft und der den bei Verwirklichung des Zustands gebotenen wirtschaftlichen Vorteil insgesamt abgelten soll. Der Grundstückseigentümer erbringt die "Gegenleistung" für den ihm durch die Anschlussmöglichkeit gebotenen wirtschaftlichen Vorteil, der der Natur der Sache nach mit der Anschlussmöglichkeit entsteht und auch in der Zukunft in der Regel nicht verändert wird. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung ist auch Folge des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Vertrauensschutzgedankens (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -, juris; vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris).

50

Nach Maßgabe von § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V (vgl. auch § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. und die dazu ergangenen Rspr. des OVG Greifswald, etwa Beschl. v. 21.07.2006 - 1 M 60/06 -, juris) entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung geht das Landesrecht davon aus, dass der beitragsrelevante Vorteil mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bereits vollständig ausgebildet ist und die Erhebung des Beitrags in voller Höhe rechtfertigt. Auch die Höhe des Beitrags, mit dem das bevorteilte Grundstück zu den Herstellungskosten herangezogen wird, steht auf der Grundlage der - wirksamen - Beitragssatzung zu diesem Zeitpunkt endgültig fest. Der Beitrag ruht - in Höhe der sachlichen Beitragspflicht - als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 6 KAG M-V). Daraus folgt, dass - vorbehaltlich der Regelung des § 9 Abs. 7 KAG M-V - jedenfalls Nacherhebungstatbestände in einer Beitragssatzung, die eine zusätzliche Beitragspflicht für dasselbe Grundstück daran knüpfen, dass sich nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - was eine rechtswirksame Satzung voraussetzt - die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück verändert haben, grundsätzlich unzulässig sind (vgl. ebenso zur Rechtslage in Thüringen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, LKV 2009, 35 - zitiert nach juris).

51

Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung bedeutet danach zusammengefasst, dass die sachliche Beitragspflicht nur einmal und endgültig in der Höhe des nach Maßgabe der wirksamen Satzung abzugeltenden Vorteils entsteht und dass der entsprechende Aufwand durch einen einmaligen Beitrag in dieser Höhe gedeckt wird. Daraus kann aber noch nicht geschlossen werden, dass ein ergangener Beitragsbescheid in keinem Fall durch einen weiteren Bescheid ergänzt oder ersetzt werden dürfte. Dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entspricht keineswegs ein ebenso strikter - so plastisch das Thüringische OVG - Grundsatz der Einmaligkeit des Beitragsbescheids. Der Umstand, dass erst der Beitragsbescheid das Beitragsschuldverhältnis für den Beitragsschuldner konkretisiert (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V) und mit der Festsetzung des Beitrags die Grundlage für die Zahlungsaufforderung in bestimmter Höhe schafft, vermag nicht zu begründen, dass die Einmaligkeit und Endgültigkeit, die für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht gilt, auch für den Beitragsbescheid gelten solle (vgl. zum Ganzen ebenso OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, a.a.O.). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat für das Erschließungsbeitragsrecht - insoweit auf das Anschlussbeitragsrecht übertragbar - angenommen, dass sich die Rechtswidrigkeit eines Nacherhebungsbescheids nicht mit einem aus dem materiellen Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragspflicht herzuleitenden Verbot einer Doppelveranlagung begründen lasse, da jedenfalls sicher sei, dass sich ein solches Verbot allenfalls auf eine zweite Veranlagung zu ein und demselben Beitragsbetrag beziehen könnte, nicht aber auf eine Nacherhebung im hier in Rede stehenden Sinne, die lediglich einen noch nicht ausgeschöpften bzw. nicht bescheidmäßig festgesetzten Teil des Beitragsanspruchs einfordert (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938 - zitiert nach juris).

52

Somit ist die Frage, ob und inwieweit der Beitragsschuldner sich auf die Endgültigkeit eines ihm gegenüber ergangenen Beitragsbescheides verlassen darf, nicht schon mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung beantwortet. Denn dieser Grundsatz lässt das Recht und die Pflicht des Einrichtungsträgers zur vollständigen Erhebung des Beitrags in Höhe der - wirksam - entstandenen sachlichen Beitragspflicht unberührt. Wenn der Einrichtungsträger in einem ersten Beitragsbescheid den Beitrag - wie hier - etwa auf der Basis einer im Nachhinein als unwirksam erkannten Beitragssatzung fehlerhaft in einer Höhe festgesetzt hat, die die später tatsächlich entstandene sachliche Beitragspflicht der Höhe nach nicht ausschöpft, hat er grundsätzlich das Recht und darüber hinaus eine Pflicht zur Nachforderung (vgl. auch OVG Magdeburg, Beschl. v. 16.11.2006 - 4 L 191/06 -, LKV 2008, 139; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Juli 2009, § 8 Rn 26 ff.). Nur wenn der Beitragsbescheid die sachliche Beitragspflicht bereits voll ausgeschöpft hat, steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und das daraus folgende Verbot der Doppelbelastung im Ergebnis auch jedem weiteren Nachforderungsbescheid oder einer Ersetzung durch einen Bescheid mit höherer Beitragsforderung für die gleiche Maßnahme entgegen. Wenn der Erstbescheid dagegen die - einmalig und endgültig entstandene - sachliche Beitragspflicht in der Höhe noch nicht ausgeschöpft hat, führt dieser Erstbescheid regelmäßig auch nicht zur Beendigung des Beitragsschuldverhältnisses. Denn das Beitragsschuldverhältnis entsteht entsprechend § 38 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V mit der Verwirklichung des Beitragstatbestandes und erlischt nicht mit einer bestandskräftigen Beitragsfestsetzung, sondern entsprechend § 47 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V insbesondere durch Zahlung, Aufrechnung, Erlass oder Verjährung (vgl. zum Ganzen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, a.a.O.).

53

Die streitgegenständliche Nacherhebung wird auch nicht mit Blick auf eine Bestandskraft des Anschlussbeitragsbescheids vom 28. Juni 1995 ausgeschlossen. Die Frage, ob der Eintritt der Bestandskraft des Anschlussbeitragsbescheids vom 28. Juni 1995 das durch das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht begründete Beitragsschuldverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger beendet hat, ist nach dem einschlägigen materiellen Recht zu beantworten (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938 - zitiert nach juris; VGH München, Beschl. v. 23.04.2009 - 22 ZB 07.819 -, juris), hier also nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes. Diesen liegt - wie ausgeführt - die Vorstellung zugrunde, dass die der Abgaben erhebenden Körperschaft zustehenden Beitragsansprüche grundsätzlich in vollem Umfang bzw. dem Betrag nach voll auszuschöpfen sind.

54

Das landesrechtliche Gebot der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs schließt nicht nur die Auffassung aus, die Bestandskraft eines den entstandenen Beitragsanspruch nicht voll ausschöpfenden Heranziehungsbescheids könne zur Beendigung eines Beitragsschuldverhältnisses führen, sondern zwingt überdies zu der Annahme, dass ein solches Schuldverhältnis unabhängig vom Erlass eines Heranziehungsbescheids und dessen Bestandskraft erst in dem Zeitpunkt endet, in dem - aus welchen Gründen immer - der Beitragsanspruch selbst erlischt. Diese Betrachtungsweise liegt auch der vom Gesetzgeber in § 7 Abs. 6 KAG M-V (§ 8 Abs. 11 KAG a.F.) getroffenen Regelung zur dinglichen Sicherung des Beitragsanspruchs durch das Institut der öffentlichen Last zugrunde. Die dingliche Sicherung einer Beitragsforderung beginnt mit ihrem Entstehen, d.h. mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, und sie endet unabhängig vom Erlass eines Heranziehungsbescheids und dem Eintritt von dessen Bestandskraft erst mit dem Erlöschen der sachlichen Beitragspflicht (vgl. zum Ganzen entsprechend zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163; Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938 - jeweils zitiert nach juris). § 7 Abs. 6 KAG M-V geht damit ebenfalls von der Pflicht zur Ausschöpfung des Beitragsanspruchs aus: Es erschiene widersinnig, auf der einen Seite eine öffentliche Last im vollen Umfang der sachlich entstandenen Beitragspflicht anzunehmen, auf der anderen Seite aber der Abgaben erhebenden Körperschaft im Falle einer erstmalig zu niedrigen Beitragsfestsetzung im hier erörterten Sinne zu verwehren, den Beitragsanspruch in entsprechender Höhe zu realisieren. Wollte man diesen Standpunkt einnehmen, hätte dies zur Folge, dass die öffentliche Last zwar fortbestünde, soweit der Beitragsanspruch nicht befriedigt oder anderweitig erloschen ist, für die Behörde jedoch keinerlei Möglichkeit mehr bestünde, den durch die öffentliche Last auch insoweit gesicherten Beitragsanspruch durchzusetzen.

55

Vor diesem Hintergrund enthält die Beitragsfestsetzung in bestimmter Höhe regelmäßig auch keine - begünstigende - verbindliche Regelung dahingehend, dass eine spätere Nacherhebung ausgeschlossen sein soll. Ein Beitragsbescheid ist nach seinem Tenor grundsätzlich ausschließlich belastender Verwaltungsakt und enthält keine begünstigende Regelung des Inhalts, "mehr" werde von dem jeweiligen Beitragsschuldner nicht verlangt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163; vgl. auch Beschl. v. 19.05.1999 - 8 B 61.99 -, NVwZ 1999, 1218 - jeweils zitiert nach juris). Wenn der Regelungsgehalt des Erstbescheids somit in der Regel nicht einer späteren vollständigen Ausschöpfung der entstandenen Beitragspflicht entgegensteht, bedarf es auch nicht zwingend einer Aufhebung des Erstbescheids. Vielmehr kann ein neuer Bescheid den Erstbescheid ergänzen und den Differenzbetrag zwischen ursprünglicher Festsetzung und tatsächlich entstandener Beitragspflicht festsetzen. Lediglich klarstellende Bedeutung hätte dann eine Mitteilung der mit beiden Bescheiden insgesamt festgesetzten Beitragshöhe (vgl. zum Ganzen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, a.a.O.). Diesen grundsätzlichen Erwägungen entsprechend enthält der Anschlussbeitragsbescheid vom 28. Juni 1995 keine verbindliche Regelung dahingehend, dass eine spätere Nacherhebung ausgeschlossen sein soll.

56

Auch das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 und 28 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes rechtfertigt nicht die Annahme, mit Rücksicht auf den bestandskräftig gewordenen Anschlussbeitragsbescheid vom 28. Juni 1995 sei der angefochtene Änderungs- bzw. Nacherhebungsbescheid wegen eines Verstoßes gegen dieses Gebot rechtswidrig. Zwar ist ein Bescheid, mit dem ein entstandener Beitragsanspruch nicht voll ausgeschöpft, d.h. mit dem ein zu niedriger Beitrag verlangt wird, ein nach seinem Tenor ausschließlich belastender Verwaltungsakt. Auch ein solcher Bescheid kann allerdings ein geeigneter Gegenstand für ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen sein. Ein solches Vertrauen setzt jedoch außer einer adäquaten Vertrauensbetätigung des Betroffenen und der Schutzwürdigkeit dieser Vertrauensbetätigung voraus, dass im Zuge der bei Vorliegen dieser Voraussetzungen gebotenen Abwägung die Interessen des Betroffenen die der Allgemeinheit überwiegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163 - zitiert nach juris). An alledem fehlt es hier. Insoweit kann auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum öffentlichen Interesse an der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs verwiesen werden. Da sich die Abwasserbeitragssatzung vom 10. April 2003 ausweislich ihres § 10 keine Rückwirkung beigemessen hat und sie dies auch nicht musste, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorliegend der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist - insoweit kommt es auf das materielle Recht an, hier § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bzw. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. mit der Regelung zur sachlichen Beitragspflicht -, stellen sich keine weiteren Fragen im Zusammenhang mit dem früher in § 2 Abs. 5 Satz 4 KAG a.F. normierten einfachgesetzlichen Schlechterstellungsverbot.

57

Schließlich ergibt sich auch aus der in § 12 Abs. 1 KAG M-V enthaltenen Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung nicht, dass eine Nacherhebung allgemein oder im konkreten Fall des Klägers nicht in Betracht käme. Gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V sind auf Kommunalabgaben die Vorschriften der Abgabenordnung in der jeweiligen Fassung entsprechend anzuwenden, soweit nicht dieses Gesetz oder andere Gesetze besondere Vorschriften enthalten.

58

Die Vorschriften der Abgabenordnung, die vorliegend von Bedeutung sein könnten, finden sich vor allem in den Bestimmungen der §§ 172 ff. AO, die eine erhöhte Bestandskraft von Steuerbescheiden zum Gegenstand haben, indem sie die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden einschränkenden Voraussetzungen unterwerfen. Der Verweis des § 12 Abs. 1 KAG M-V führt zu der Frage, ob auch Anschlussbeitragsbescheiden eine dermaßen erhöhte Bestandskraft innewohnt. Diese Frage ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.

59

Nach Maßgabe des Vorstehenden greift hinsichtlich der Nacherhebung von Anschlussbeiträgen bereits der Vorbehalt der "besonderen Vorschriften nach diesem Gesetz" gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V: Wie ausgeführt enthält dieses Gesetz im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen das "besondere" Gebot der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs, das keinen einschränkenden Voraussetzungen unterliegt. Die Anwendung der §§ 172 ff. AO würde in zahlreichen Fällen dazu führen, dass die Ausschöpfung des Anschlussbeitragsanspruchs nicht möglich wäre, und infolgedessen dem entsprechenden gesetzlichen Ziel zuwider laufen. Damit ist bereits grundsätzlich eine entsprechende Anwendung der §§ 172 ff. AO im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen ausgeschlossen, soweit sie einer Ausschöpfung des Beitragsanspruchs entgegensteht; eine solche Anwendung im Bereich andersartiger Abgaben bleibt davon unberührt. Dabei kann dahin stehen, ob dem Kläger darin gefolgt werden kann, wenn er vorträgt, die Erhebung von Steuern durch die Kommunen mache im Vergleich mit dem Aufkommen aus Gebühren und Beiträgen nur einen geringen Teil der kommunalen Abgaben aus. Denn jedenfalls bliebe für die Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V auf die Abgabenordnung hinsichtlich der Erhebung kommunaler Steuern grundsätzlich insbesondere auch ein Anwendungsbereich für die §§ 172 ff. AO.

60

Darüber hinaus folgt der Senat dem Wortlautargument des Verwaltungsgerichts, demzufolge die Ausschöpfung des Beitragsanspruchs den früheren Beitragsbescheid nicht "ändern" oder "aufheben" (vgl. § 172 AO), sondern ergänzen will. Auch vorliegend soll der zwar hinsichtlich seiner Begründung fehlerhafte, aber bezüglich des festgesetzten Betrages zu niedrige und damit jedenfalls - weil nicht belastend - der Höhe nach nicht zu beanstandende Erstheranziehungsbescheid unverändert bleiben. Nach dem Inhalt von Nachveranlagungsbescheid und streitgegenständlichem Änderungsbescheid ist auch vorliegend nicht ersichtlich, dass der bestandskräftige Bescheid vom 28. Juni 1995 geändert oder aufgehoben werden sollte.

61

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen "passen" die §§ 172 ff. AO in ihrem ausdifferenzierten Regelungsgehalt und ihrem Wortlaut nach jedenfalls für die Nacherhebung von Anschlussbeiträgen im hier in Rede stehenden Sinne offensichtlich nicht ohne weiteres. Dies gilt umso mehr, als die Fälle der vorliegenden Art dadurch geprägt sind, dass die Erstheranziehung deshalb zu niedrig ausgefallen ist, weil ihr eine fehlerhafte bzw. im Nachhinein als unwirksam erkannte Satzung bzw. Rechtsgrundlage zugrundelag und die sachliche Beitragspflicht in der "richtigen" Höhe gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V erst mit der ersten wirksamen Satzung entstanden ist. Diese Situation und Rechtslage sowie die daraus resultierende Interessenlage haben die §§ 172 ff. AO erkennbar nicht vor Augen; zudem hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf das dem Beitragsrecht im Unterschied zur Steuererhebung zugrunde liegende Prinzip von Leistung und Gegenleistung verwiesen, das ebenfalls die unterschiedliche Interessenlage in den beiden Gebieten der Abgabenerhebung erhellt. Da es nach Auffassung des Senats an hinreichend schlüssigen rechtlichen Konstruktionen zu einer Transformation des Regelungssystems der §§ 172 ff. AO für die Beitragsnacherhebung im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen fehlt, spricht auch dies grundsätzlich gegen eine Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO in diesem Bereich.

62

Insoweit führt auch der Hinweis des Klägers auf § 164 AO (i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V) und die mit dieser Vorschrift eröffnete Möglichkeit, einen Steuerbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung stellen zu können, nicht weiter. Dieses Vorbringen lässt bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 Satz 1 AO unberücksichtigt. Steuern können nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass es einer Begründung bedarf. Ein Anschlussbeitragsbescheid ergeht jedoch grundsätzlich nach abschließender Prüfung des Abgabenfalles in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, so dass die einzige Voraussetzung für die Beifügung eines Vorbehalts regelmäßig nicht erfüllt ist. Die Abgaben erhebende Behörde darf nicht trotz abschließender Prüfung eine Vorbehaltsfestsetzung vornehmen, nur um den Abgabenfall offen zu halten (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl., § 164 Rn. 13). § 164 AO dient der Beschleunigung des Veranlagungsverfahrens. Der Vorbehalt ermöglicht im Interesse des Fiskus eine rasche Steuererhebung ohne Notwendigkeit zur sofortigen und abschließenden Prüfung, andererseits wird der Steuerfall im Interesse sowohl des Staates als auch des Steuerpflichtigen offen gehalten (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl., § 164 Rn. 1). Diese Vorschrift ist jedoch nicht dafür gedacht, eine Beitragserhebung generell wegen des bloßen Verdachts oder der theoretischen Möglichkeit, die als Rechtsgrundlage herangezogene Satzung könnte unwirksam sein, einem Nachprüfungsvorbehalt zu unterwerfen. Eine solche Möglichkeit eröffnet auch § 165 AO im Übrigen in der Regel nicht, da die vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ungewisse Tatsachen voraussetzt und die steuerrechtliche Würdigung von Tatsachen selbst hiervon nicht erfasst wird. Diese rechtfertigt vielmehr nur unter den Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 Satz 2 AO eine vorläufige Festsetzung, die jedoch im Bereich der kommunalen Beitragserhebung regelmäßig nicht vorliegen werden.

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Im Sinne der vorstehenden Erwägungen hat der Senat in seinem Beschluss vom 19. November 2007 - 1 L 1/07 - (juris) ausgeführt, der Gesetzgeber in M-V habe keine "vorbehaltlose Anordnung der entsprechenden Anwendung der AO" getroffen. Zum einen liege schon in dem Begriff der "entsprechenden" Anwendung eine Einschränkung; diese erfordere bei jeder Einzelnorm der Abgabenordnung die Prüfung ihrer Zielsetzung und der Vergleichbarkeit der Anwendungsbereiche (siehe auch Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 12 Anm. 1.2). Daher könne allein aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern im Unterschied zu einigen anderen Bundesländern nicht bestimmte Regelungen der Abgabenordnung ausdrücklich für unanwendbar erklärt hat, nicht umgekehrt geschlossen werden, sie seien grundsätzlich anwendbar.

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Der Senat hat zudem bereits in seinem Beschluss vom 28. November 2005 - 1 M 140/05 - (juris) darauf hingewiesen, dass klärungsbedürftig sei, wie die "entsprechend" anzuwendenden Vorschriften der §§ 172 und 173 AO ihrem Sinn und Zweck nach vom bundesrechtlichen Steuerrecht auf das Kommunale Abgabenrecht (und hier speziell auf das Beitragsrecht) zu übertragen sein können. Insbesondere § 172 Abs. 1 AO sei erkennbar auf bundesrechtliche Steuern zugeschnitten. Eine Unterscheidung zwischen Verbrauchssteuern (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 AO) und anderen Steuern (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 AO) sei dem kommunalen Abgabenrecht fremd. Daher seien auch die einzelnen, gleichfalls speziell auf das bundesrechtliche Steuerrecht zugeschnittenen Tatbestände des § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht ohne Weiteres auf das Kommunale Abgabenrecht "1 zu 1" zu übertragen. Der Senat hat deshalb dort in Erwägung gezogen, aus einer Gesamtschau der Regelungen des § 172 Abs. 1 AO im Bereich des Kommunalen Abgabenrechts eine im Ermessen der Abgaben erhebenden Behörde stehende Kompetenz zu bejahen, Abgabenbescheide zu ändern, ebenso wie dies bundesrechtlich für die Verbrauchssteuern geregelt ist. Nimmt man die Regelung des § 173 Abs. 1 AO hinzu, die eine Aufhebungs- oder Änderungspflicht normiert, spräche auch einiges dafür, den Sachverhalt der zunächst unerkannt fehlerhaften Rechtsgrundlage, der zu einer zu niedrigen Steuerfestsetzung geführt hat, "entsprechend" (§ 12 Abs. 1 KAG M-V) dem nachträglichen Bekanntwerden neuer Tatsachen gleichzustellen, die zu höheren Steuern führen. Bei - unabhängig von den obigen Ausführungen - unterstellter Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO wäre nach Auffassung des Senats mit Blick auf die erörterte Ausschöpfungspflicht und die "Regelungspole" der §§ 172 und 173 AO aufgrund der durch § 12 Abs. 1 KAG M-V angeordneten "entsprechenden" Anwendung der §§ 172 ff. AO jedenfalls von einer Regelverpflichtung zur Nacherhebung im Sinne einer "Soll"-Bestimmung auszugehen. Dafür spricht auch nachhaltig der schon angesprochene Aspekt, dass der Beitragsanspruch mit Entstehung der sachlichen Beitragspflicht in der zu diesem Zeitpunkt in Anwendung einer wirksamen Satzung errechneten Höhe als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht. Es wäre - wie gesagt - nicht folgerichtig sondern widersprüchlich, würde man einerseits eine öffentliche Last in entsprechender Höhe annehmen, der beitragserhebenden Kommune andererseits aber unter Rückgriff auf die §§ 172 ff. AO die Geltendmachung des Beitragsanspruchs in dieser Höhe erschweren oder gar verwehren. Bejahte man eine grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO mit einem Regelungsgehalt in diesem Sinne, gelangte man folglich regelmäßig und auch vorliegend nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Zulässigkeit der Nacherhebung.

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Schließlich kann für die Annahme der grundsätzlichen Ausschöpfungspflicht im Anschlussbeitragsrecht nach Maßgabe des Landesrechts die Erwägung angeführt werden, dass dem Gesetzgeber die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Nacherhebungs- und Ausschöpfungspflicht im Erschließungsbeitragsrecht bekannt war.

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Angesichts der insoweit für den Bereich etwa des Anschlussbeitragsrechts geringen Regelungsdichte des § 12 Abs. 1 KAG M-V und der erläuterten, nicht von der Hand zu weisenden Auslegungsschwierigkeiten bei einer "entsprechenden" Anwendung der §§ 172 ff. AO erscheint die Annahme ausgeschlossen, der Gesetzgeber habe für das Anschlussbeitragsrecht gegenüber dem Erschließungsrecht bewusst Abweichendes regeln wollen. Dies gilt erst recht, nimmt man die insoweit identische Interessenlage in den Blick: Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht - was in vollem Umfang auch für den Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen gilt - ausgeführt, ein Kläger müsse sich im Rahmen einer Interessenabwägung jedenfalls durchgreifend entgegenhalten lassen, dass der Einrichtungsträger seine Leistung u.a. auch zugunsten des Klägers erbracht habe und dass er und die hinter ihm stehende Allgemeinheit die volle dafür nach dem Gesetz entstandene Gegenleistung fordern können, und zwar nicht nur im Interesse des Haushalts des Einrichtungsträgers, sondern auch im Interesse der Beitragsgerechtigkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163 - zitiert nach juris). Demgegenüber tritt der vom Kläger angeführte Umstand, dass dem Gesetzgeber im Hinblick auf Kommentierungen zum Kommunalabgabengesetz a. F. die Konsequenzen für eine Nacherhebung bekannt gewesen sein müssten, wenn er die Anwendung der §§ 172 ff. AO nicht im Zuge der Novellierung des KAG ausschließe, zurück.

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Die Rechtsanwendung des Beklagten im Übrigen führt nicht zum Erfolg der Berufung. Soweit die Reduzierung des Nacherhebungsbetrages durch den Widerspruchsbescheid mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen rechtlichen Bedenken unterliegt, wäre der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit der Widerspruchsbescheid in seinem Tenor zu Ziffer 1. einen Betrag von 3.656,80 EUR statt wie in der Begründung zutreffend errechnet von 3.656,38 EUR angibt, handelt es sich offensichtlich um ein Versehen. Der Tenor ist entsprechend korrigierend auszulegen.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.