Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 11. Jan. 2017 - 2 B 2/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0111.2B2.17.0A
11.01.2017

Tenor

Die Anträge werden abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Errichtung eines Einfamilienhauses durch die Beigeladenen.

2

Er ist Eigentümer des Grundstücks A-Str. 30 in … A-Stadt (Flst. a), das östlich an das Grundstück A-Str. 28 (Flst. b) angrenzt.

3

Das Grundstück des Antragstellers ist bis zu einer Bebauungstiefe von ca. 21 m mit einem Einfamilienhaus bebaut. Auf dem westlich angrenzenden bislang noch ungeteilten Grundstück befanden sich bisher ein Einfamilienhaus mit einer Bebauungstiefe von ca. 28 m sowie in der südöstlichen Ecke eine Doppelgarage, deren Zufahrt entlang der Westgrenze des Grundstücks des Antragstellers verlief.

4

Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 30.04.1985 in Kraft getretenen Bebauungsplans Nr. 2 „Ellerburg“, der für die beiden Grundstücke neben der Ausweisung als Reines Wohngebiet iSv § 3 BauNVO folgende Festsetzungen enthält:

5

Während für das Grundstück des Antragsstellers eine maximal 2-geschossige Einzelhausbebauung mit einer „GFZ“ von 0,3 bei 15 - 50° Dachneigung festgesetzt ist, ist für das Grundstück der Beigeladenen eine maximal eingeschossige Einzelhausbebauung mit einer „GRZ“ von 0,15 bei 15 - 50° Dachneigung festgesetzt. Die überbaubare Grundstücksfläche ist durch Baugrenzen festgelegt, wobei die hintere Baugrenze in einer Entfernung von 35 m zur A-Straße verläuft und die vordere eine Entfernung zur A-Straße von 8,50 m aufweist, sodass ein Baufenster mit einer Nordsüdausdehnung von 26,50 m festgesetzt worden ist.

6

In der Begründung zum Bebauungsplan unter „5. Städtebauliche Festsetzungen“ auf Seite 7 heißt es u.a.:

7

„Bei der relativ großzügig festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche, die eine Bebauungstiefe bis zu durchschnittlich 30 m ermöglicht, musste zur Vermeidung von Bebauungsmöglichkeiten in der zweiten Bauzeile - mit Ausnahme der Hausgruppe Ecke B-Straße/A-Straße - festgesetzt werden, dass nur Einzelhäuser zulässig sind.“

8

Am 15.03.2016 erteilte der Beklagte für die Bebauung des Grundstücks A-Str. 28 (Flst. b) mit 2 Wohnhäusern einen positiven Bauvorbescheid und stellte die Erteilung einer Befreiung von der festgesetzten Grundflächenzahl von 0,15 hinsichtlich einer Überschreitung um 10 % in Aussicht. Dem Bauvorbescheid lag eine Planung zugrunde, die die Teilung des Grundstücks in einen nördlichen Teil 1 mit 455 m² und einen südlichen Teil 2 mit 600 m² sowie die Errichtung von einem Einzelhaus auf einer Grundfläche von 72,91 m² (und damit einer Überschreitung der GRZ von 0,15, die 68,25 m² ergäbe) im Teil 1 und von einem Einzelhaus mit einer Grundfläche von 90 m² (was einer GRZ von 0,15 entspricht) im Teil 2 vorsah.

9

Gegen diesen Bauvorbescheid legte der Antragsteller am 23.03.2016 Widerspruch ein, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2016 (dem Antragsteller am 27.07.2016 zugestellt) zurückwies, wogegen der Antragsteller am 29.08.2016 im Verfahren 2 A 180/16 Klage erhob, über die noch nicht entscheiden worden ist.

10

Am 26.04.2016 teilte der Beklagte den Beigeladenen mit, dass der von ihnen gem. § 68 LBO angezeigte Neubau eines Einfamilienhauses mit Carport auf dem Teil 2 des Grundstücks A-Str. 28 (Flst. b) die Voraussetzungen der Genehmigungsfreistellung erfülle. Das Bestandsgebäude soll nach den Bauvorlagen abgebrochen werden, was inzwischen auch geschehen ist. Das angezeigte Vorhaben soll als eingeschossiges, im Abstand von 3,86 m bis 4,88 m zum Grundstück des Antragstellers giebelständiges Einzelhaus mit einer Wohnung und mit einem 35°-geneigten Satteldach, einer Firsthöhe von 7,83 m und einer Grundfläche von 90 m² (9 x 10 m) errichtet werden. Davon östlich ist ein Carport mit einer Grundfläche von 4 x 8 m geplant.

11

Zugunsten des Teilstücks 2 soll auf dem Teilstück 1 des Grundstücks A-Straße ein Geh-, Fahr- und Leitungsrecht für eine ca. 3 m breite Zufahrt entlang der Ostgrenze des Grundstücks als Baulast eingetragen werden.

12

Am 04.08.2016 begannen die Beigeladenen mit den Bauarbeiten für die Errichtung des streitbefangenen Vorhabens. Das Bauvorhaben der Beigeladenen ist hinsichtlich der Außenwände im Rohbau und Teilen des Daches inzwischen fertig gestellt.

13

Für die im Bauvorbescheid vom 15.03.2016 für den Teil 1 des Grundstücks A-Str. 28 (Flst. b) geplante Bebauung liegt bislang keine Bauanzeige vor.

14

Am 05.08.2016 suchte der Antragsteller im Verfahren 2 B 71/16 um einstweiligen Rechtsschutz nach. Zur Begründung trug er im Wesentlichen unter Berufung auf ein Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 28.10.1993 (- 1 L 119/92 -) vor, das Vorhaben verstoße gegen das durch Auslegung des Bebauungsplans zu ermittelnde Verbot, in zweiter Reihe zu bauen. Es verletzte ihn in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten als Eigentümer des Nachbargrundstücks, da es als Bebauung in zweiter Reihe dem Gebietscharakter des Baugebiets widerspreche. Es werde von den beiden Bauvorhaben auf dem Grundstück A-Straße 28 eine das Gebot der Rücksichtnahme verletzende abriegelnde und erdrückende Wirkung ausgehen. Hinzu komme, dass das Vorhaben bereits mangels erforderlicher Baugenehmigung formell baurechtswidrig errichtet werde. Seine Messung des Abstandes der bereits vorhandenen Sohle des Vorhabens bis zum südlichen Ende des Grundstücks lasse vermuten, dass das Vorhaben gegenüber dem angezeigten Standort um ca. 1,45 m nach Süden verschoben errichtet werde und dadurch eine Bebauungstiefe von ca. 36,45 m statt der angezeigten und durch die Baugrenze festgesetzten 35 m aufweisen werde. Daher würden die Voraussetzungen für eine Genehmigungsfreistellung nicht eingehalten.

15

Mit Beschluss der Kammer vom 15.08.2016 im Verfahren 2 B 71/16 wurde der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO zu verpflichten, einen Baustopp hinsichtlich des Neubaus eines Einfamilienhauses mit Carport auf dem Grundstück A-Straße 28a, A-Stadt, Gemarkung A-Stadt, Flur 4, Flurstück b gegenüber den Beigeladenen zu erlassen, mit folgender Begründung abgelehnt:

16

„Das vorläufige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.

17

Der dahingehend auszulegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Antragsgegner aufzugeben, die Bauarbeiten zur Ausführung des Bauvorhabens der Beigeladenen durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Bauordnungsverfügung einzustellen, ist zwar zulässig, denn im Genehmigungsfreistellungsverfahren nach § 68 LBO, in dem eine Baugenehmigung nicht erteilt worden ist, kann mangels Vorliegens eines angreifbaren Verwaltungsakts vorläufiger Rechtsschutz vom Nachbarn nicht gemäß §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO, sondern nur im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erlangt werden.

18

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte und sowohl ein Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung) als auch ein Anordnungsanspruch (der materiellrechtliche Anspruch auf die begehrte Regelung) hinreichend glaubhaft gemacht worden sind (§ 123 Abs. 3 VwGO iVm §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier nicht vollständig erfüllt.

19

Dem Antragsteller steht im Hinblick auf die Verwirklichung des freigestellten Bauvorhabens der Beigeladenen zwar wegen der bereits begonnenen Bauarbeiten ein Anordnungsgrund zur Seite. Dagegen liegt ein Anordnungsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten im Sinne des § 59 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 LBO nicht vor.

20

Ein solcher Anspruch auf Tätigwerden des Antragsgegners bestünde nicht bereits, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 59 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3 LBO vorliegen, sondern es ist vielmehr darüber hinaus erforderlich, dass der Nachbar in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt ist. Maßgebend ist, ob das Bauvorhaben gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen. Ein Verstoß gegen Rechtsnormen, die zumindest auch dem Schutz des um Rechtsschutz suchenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, ist bereits tatbestandliche Voraussetzung für einen Anspruch des Nachbarn auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens der Bauaufsichtsbehörde bei der Entscheidung darüber, ob sie gegen einen rechtswidrigen Zustand - etwa durch Erlass einer Beseitigungsanordnung - einschreiten soll. Erst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, entsteht für den Nachbarn ein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein mögliches bauaufsichtliches Einschreiten. Eine sog. „Ermessensreduzierung auf Null“, bei der sich dieses Ermessen dahingehend verdichtet, dass sich nur ein Einschreiten als rechtmäßige Entscheidung erweist, liegt erst dann vor, wenn geschützte Nachbarrechte in besonders gravierender Weise beeinträchtigt werden (OVG Schleswig, Beschl. v. 05.09.2008, - 1 LA 53/08 -; Beschl. v. 6.01.2015, - 1 LA 60/14 -).

21

Vorliegend fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Rechtsverstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts.

22

Insbesondere stellt die vom Antragsteller behauptete Abweichung von der im Genehmigungsfreistellungsverfahren angezeigten Bebauungstiefe und damit von der festgesetzten Bebauungstiefe eine solche Rechtsverletzung nicht dar. Zwar wären - unterstellt, diese Abweichung liege tatsächlich vor - die Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 Nr. 2 LBO nicht erfüllt und deshalb eine Baugenehmigung oder zumindest eine Befreiung von der hinteren Baugrenze objektiv-rechtlich erforderlich. Die bloße formelle Rechtswidrigkeit begründet aber noch keinen nachbarrechtlichen Abwehranspruch.

23

Materiell-rechtlich sind keine Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften festzustellen.

24

Die bauplanungsrechtliche Beurteilungsgrundlage ergibt sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 2 „Ellerburg“.

25

Jedenfalls gegen Festsetzungen dieses Bebauungsplans, denen ein nachbarschützender Charakter zukommt, wird durch das Vorhaben der Beigeladenen nicht verstoßen.

26

Das baufreigestellte Vorhaben der Beigeladenen hält dem Inhalt der Bauanzeige nach die Festsetzungen des Bebauungsplans ausdrücklich ein.

27

Soweit sich der Antragsgegner darauf beruft, wie in dem von ihm angeführten Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 28.10.1993 (- 1 L 119/92 -) sei hier der Bebauungsplan dahingehend auszulegen, dass die Errichtung des Vorhabens in zweiter Reihe erkennbar dem Willen des Satzungsgebers widerspreche und dadurch der nachbarschützende Gebietscharakter verletzt werde, wird diese Auffassung von der Kammer bereits nicht geteilt.

28

Allerdings kann es dahinstehen, ob hier überhaupt eine solche, die vorhandenen Festsetzungen, die gerade eine Bebauung in zweiter Reihe nicht ausschließen, ergänzende Auslegung des Bebauungsplans allein aufgrund der Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplans gerechtfertigt ist. Selbst wenn man dem Bebauungsplan durch Auslegung einen solchen Inhalt zumessen wollte, ergibt sich weder aus dem Inhalt des Bebauungsplans einschließlich seiner Begründung noch aus den maßgeblichen Grundsätzen der Rechtsprechung zum sog. - nachbarschützenden - Gebietserhaltungsanspruch, dass durch das Vorhaben wegen seines Standortes nachbarschützende Vorschriften verletzt werden. Dies gilt selbst dann, wenn man in dem Vorhaben schon eine Bebauung in „zweiter Reihe“ sehen wollte, obwohl eine Bebauung der „ersten Reihe“ zwar mittelfristig geplant, aber derzeit noch nicht vorhanden ist.

29

Es ist nämlich der Begründung zum Bebauungsplan nicht zu entnehmen, dass das dort auf Seite 7 unten benannte Ziel, „Bebauungsmöglichkeiten in der zweiten Bauzeile zu vermeiden“, im Interesse der jeweiligen Grundstücksnachbarn erfolgte. Auch aus der von dem Antragsteller angeführten Entscheidung im Verfahren 1 L 119/92 lässt nicht etwa ein entsprechender Grundsatz herleiten. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich: < Der zusätzliche Wohnbaukörper widerspricht, unabhängig von der Frage, ob er gegenüber der Bebauung auf den Nachbargrundstücken rücksichtslos ist und insoweit gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verstoßen würde, nach der Lage der Eigenart des Baugebiets.>

30

Soweit der Antragsteller mit seiner Argumentation darauf abzielt, die Grundsätze für die Annahme eines Gebietserhaltungsanspruch seien auch auf die Bewahrung der Art der das Gebiet prägenden Bebauung auszudehnen, weist die Kammer darauf hin, dass sie einen solchen Gebietsbewahrungsanspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines konkreten Baugebiets (sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruch) - hier als Gebiet ohne zweite Baureiche -, abgeleitet aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, grundsätzlich nicht anerkennt (vgl. Beschl. v. 17.12.2012, - 2 B 88/12 -; Beschl. v. 06.09.2013, - 2 B 30/13 -; Beschl. v. 29.01.2014, - 2 B 6/14 -; Beschl. v. 24.02.2014, - 2 B 12/14 -; Beschl. v. 8.12.2014, - 2 B 85/14 -; Beschl. v. 08.06.2015 - 2 B 7/15 -; Beschl. 18.04.2016, - 2 B 25/16; ebenso 8. Kammer VG Schleswig, Beschl. v. 18.12.2014, - 8 B 37/14; Beschl. v. 30.06.2015, 8 B 18/15 -; im Ergebnis OVG Schleswig, Beschl. v. 20.07.2015, - 1 MB 16/15 -; so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 28.5.2014, - 1 ME 47/14 -).

31

§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO besitzt eine andere Aufgabe als das Rechtsprinzip der Gebietsverträglichkeit. Dieser Norm ist vielmehr eine einzelfallbezogene „Feinabstimmung“ zugewiesen, während der Sicherung der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets die Regelungen der §§ 2 bis 14 BauNVO dienen. Dem auf Individualschutz ausgelegten Rechtsschutzsystem des Verwaltungsprozesses entspricht es daher, dass ohne die Verletzung individualisierbarer Nachbarrechte ein Abwehranspruch gegen als nicht wünschenswert oder nach dem Dafürhalten des Nachbarn als städtebaulich nicht gelungen empfundene Baumaßnahmen nicht geltend gemacht werden kann (so auch HessVGH, Beschl. v. 31.10.2012, - 3 B 1876/12 -).

32

Hier ist zudem zu berücksichtigen, dass der Satzungsgeber bei Aufstellung des Bebauungsplans bewusst eine Baugrenze festgesetzt hat, die auf dem Vorhabengrundstück eine - vom Vorhaben der Beigeladenen seinem angezeigten Inhalt nach eingehaltene - Bebauungstiefe von ca. 35 m zulässt. Der Satzungsgeber hat es - sehenden Auges - versäumt, seinen Planungswillen, keine sog. zweite Baureihe zuzulassen, durch geeignete Festsetzungen abzusichern. Durch die Festsetzung, nur Einzelhäuser statt auch Doppelhäuser oder Hausgruppen zuzulassen, ist dieses Ziel nicht erreichbar, wie die vorliegende Konstellation zeigt. Hätte der Satzungsgeber eine von ihm unerwünschte Bebauung in zweiter Reihe verhindern wollen, hätte er die Baugrenze nicht so weit hinten festsetzen dürfen. Diese bewusste Festsetzung nunmehr durch Auslegung des Bebauungsplans in der von dem Antragsteller geforderten Weise zu ändern, erscheint der Kammer vor diesem Hintergrund nicht möglich.

33

Aber selbst wenn die Baugrenze weiter straßenseitig belegen oder - wie zuletzt vom Antragsteller behauptet - tatsächlich überschritten sein sollte, ist zu berücksichtigen, dass nach der ständigen Spruchpraxis der Kammer Baugrenzen grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung zukommt. Bei den Kriterien des Maßes der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubaren Grundstücksfläche handelt es sich um solche, die nur bei Feststellung eines entsprechenden ausdrücklichen planerischen Willens des Satzungsgebers Drittschutz vermitteln können (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012, - 1 MB 38/12 -; (VG Schleswig, Beschl. v. 19.04.2016, - 2 B 33/16 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 24.06.14, - 1 MB 8/14 -, Beschl. v. 22.04.2015, - 1 MB 9/15 -).

34

Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung sind nämlich mit Abweichungen über die Art der baulichen Nutzung nicht vergleichbar. Sie lassen in der Regel den Gebietscharakter unberührt und haben nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke. Zum Schutze der Nachbarn ist daher das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Ein darüber hinausgehender, von einer realen Beeinträchtigung unabhängiger Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche kann dagegen dem Bundesrecht nicht entnommen werden (BVerwG, Beschluss v. 23.06.1995, - 4 B 52/95 -).

35

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Nachbar eine unter Verstoß gegen eine nicht nachbarschützende Festsetzung eines Bebauungsplans erteilte Baugenehmigung, selbst wenn die Baugenehmigungsbehörde eine an sich erforderliche Befreiung überhaupt nicht erteilt hat, nur wegen einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots erfolgreich anfechten (BVerwG, Urt. v. 6.10.1989, - 4 C 14.87 -; BVerwG, Beschl. v. 8.07.1998, - 4 B 64/98 -).

36

Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot lässt sich auch aus anderen Gründen nicht herleiten.

37

Insoweit ist klarzustellen, dass in diesem Verfahren zunächst nur die Auswirkungen des Vorhabens der Beigeladenen, gegen das sich der Antragsteller wendet, zu beurteilen sind und nicht etwa die Auswirkungen einer erst durch ein weiteres Bauvorhaben im vorderen Teil des Grundstücks möglicherweise noch entstehenden Bebauung.

38

Rücksichtslos ist das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen nicht hinsichtlich seiner Ausmaße. Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, dass nachbarliche Belange in unzumutbarer Weise beeinträchtigt sein können, wenn ein Nachbaranwesen durch die Ausmaße eines Bauvorhabens geradezu „erdrückt“, „eingemauert“ oder „abgeriegelt“ würde. Dies wird insbesondere dann angenommen, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden Gebäudes“ aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles derart übermächtig sind, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch überwiegend wie eine von dem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird, oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d.h. dort das Gefühl des Eingemauertseins oder der Gefängnishofsituation hervorruft (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.1981 - 4 C 1.78 -, sog. „Hochhaus-Fall“ - 12-geschossiges Hochhaus neben 2-geschossiger Bebauung -; OVG Münster, Urt. v. 09.08.2006, - 8 A 32726/05 -). Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass das Vorhaben die bislang vorhandene Situation lediglich verändert oder dem Nachbarn unbequem ist, reicht nicht aus. Die in den gewählten Ausdrücken bzw. Bildern („Gefängnishofsituation“, „Eingemauertsein“, „Erdrücken“, „Erschlagen“, „Luft zum Atmen nehmen“) liegende „Dramatik“ ist danach vielmehr ernst zu nehmen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.01.2007, - 1 ME 80/07 - und v. 13.01.2010, - 1 ME 237/09 -; s.a. Beschlüsse der Kammer v. 21.02.2011 -, 2 B 8/11 -, v. 02.02.2012 - 2 B 1/12 -, v. 28.06.2012, - 2 B 30/12 - und v. 08.12.2014 - 2 B 85/14 -). Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorhaben der Beigeladenen offenkundig nicht.

39

Mit seiner (First-)Höhe von 7,83 m bleibt das Vorhaben deutlich sichtbar hinter der Firsthöhe des um einen Dachgeschossausbau erhöhten Hauptgebäudes des Antragstellers zurück. Nach den mit der Bauanzeige eingereichten Bauvorlagen ist das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht, bei dessen Beachtung ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot jedenfalls im Hinblick auf die durch die Abstandsflächenregelung geschützten Nachbarbelange (Belichtung, Belüftung und Besonnung) grundsätzlich ausgeschlossen ist, korrekt umgesetzt worden. Der angesichts einer Wandhöhe von 4,68 m (die Giebelwand des Dachgeschosses bleibt wegen der Dachneigung von unter 45° - nämlich 35° - gem. § 6 Abs. 4 Nr. 1 LBO bei der Berechnung der Wandhöhe außer Betracht) erforderliche Mindestabstand von drei Metern wird bei Grenzabständen von 3,86 m - 4,88 m deutlich gewahrt.

40

Im Übrigen bleibt zu berücksichtigen, dass bereits der bisher auf dem Grundstück vorhandene Bestand nicht nur weit im rückwärtigen Bereich lag, sondern mit der Zufahrt zu der in der äußersten südlichen Grundstücksecke belegenen Doppelgarage auch eine Vorbelastung durch deren Zufahrt aufwies. Von einem - in der Rechtsprechung als problematisch eingestuften - erstmaligen Eindringen in einen rückwärtigen, ruhigen Gartenbereich des Antragstellers kann daher bereits keine Rede sein.

41

Zudem zeigt bereits ein Vergleich der grundsätzlich nach den Festsetzungen des Bebauungsplans selbst bei einem angenommenen Verbot einer Bebauung in „zweiter Reihe“ zulässigen Bebauung, dass sowohl das hier angegriffene Vorhaben als auch die möglicherweise durch eine spätere Errichtung des Vorderhauses entstehende (Gesamt-) Bebauung auf dem ursprünglichen Grundstück A-Straße 28 in seinen Wirkungen noch hinter dem zurückbleibt, was der Bebauungsplan auch unter Beachtung eines Verbots einer zweiten Baureihe zuließe.

42

Es wäre nämlich auch bei ungeteiltem Grundstück ein Einzelhaus zulässig, dass bis zur südlichen Baugrenze reichen und insgesamt eine überbaute Grundstücksfläche von 158,25 m² (Beachtung der GRZ von 0,15 bei einer Grundstücksgröße von 1.055 m²) umfassen würde. Dadurch könnte im Einklang mit den Festsetzungen des Bebauungsplans (der eine überbaubare Fläche mit einer Nordsüdausdehnung von 26,50 m auf dem Grundstück ausweist) ein zwischen 16 m (bei 10 m Hausbreite) und 20 m (bei 8 m Hausbreite) langes Haus parallel zur Grenze des Grundstücks des Antragstellers entstehen, statt der bislang geplanten Ausmaße zweier Gebäude mit Längen von 7 m und 9 m, also insgesamt „nur“ 16 m.

43

Mangels Anspruch des Antragstellers auf das begehrte Einschreiten des Antragsgegners gegen das Vorhaben der Beigeladenen war der Antrag daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.“

44

Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller am 29.08.2016 Beschwerde (4 MB 40/16) ein.

45

Mit Schreiben vom 16.09.2016 stellte der Antragsteller bei dem Antragsgegner einen Antrag auf Erlass einer Baueinstellung gegenüber den Beigeladenen mit der Begründung, dass Vorhaben werde abweichend von dem im Baufreistellungsverfahren angezeigten Lageplan mindestens um 1,50 über die hintere Baugrenze errichtet.

46

Im Rahmen des daraufhin von dem Antragsgegner eingeleiteten bauordnungsrechtlichen Verfahrens erklärten die Beigeladenen mit Schreiben vom 20.09.2016, dass alle Bautätigkeiten eingestellt worden seien, bis über einen Befreiungsantrag entschieden worden sei.

47

Daraufhin erklärten die Beteiligten das Verfahren 4 MB 40/16 übereinstimmend für erledigt.

48

Mit Beschluss vom 2.11.2016 stellte das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht das Verfahren ein und legte die Kosten des Verfahrens einschließlich der für erstattungsfähig erklärten Kosten der Beigeladenen dem Antragsteller mit folgender Begründung auf:

49

„Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Zur Klarstellung ist zugleich auszusprechen, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15.08.2016 unwirksam ist (vgl. § 173 VwGO iVm § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

50

Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Es entspricht hier billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen, denn der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Baustilllegungsverfügung) gerichtete Antrag wäre voraussichtlich auch im Beschwerdeverfahren erfolglos geblieben, wenn die Erledigung nicht eingetreten wäre. Nach summarischer Prüfung spricht alles dafür, dass die weitere Fortführung des Vorhabens die Rechte des Antragstellers nicht verletzt hätte.

51

Ein kleiner Teil des ins Werk gesetzten Vorhabens überschreitet zwar die im Bebauungsplan festgesetzte rückwärtige Baugrenze. Dies ist auch der Grund für die zwischenzeitlich erfolgte Baueinstellung und die Erledigung des Rechtsstreits. Die Überschreitung der Baugrenze stellt aber nur einen Verstoß gegen objektives Recht dar. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Festsetzung von Baugrenzen in der Regel - so auch hier - nicht nachbarschützend ist. Der Antragsteller greift dies mit der Beschwerdebegründung auch nicht an. Die mit der Beschwerde erhobenen weiteren Rügen des Antragstellers überzeugen nicht: Seine grundsätzlichen Bedenken gegen den Standort des Vorhabens im rückwärtigen Grundstücksbereich (auch soweit die rückwärtige Baugrenze nicht überschritten wird) teilt der Senat nicht. Angesichts der Tiefe des durch den Bebauungsplan festgesetzten Baufensters ist es im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass die Beigeladenen ihr Wohnhaus dort errichten wollen. Diese Gestaltungsmöglichkeit wird ihnen durch die großzügig festgesetzten Baugrenzen ausdrücklich eingeräumt. Verstöße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme hat das Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung verneint. Ob die vom Antragsteller befürchtete Errichtung eines weiteren Gebäudes im vorderen Bereich des Baugrundstücks zulässig ist, wie der (vom Antragsteller angefochtene) Bauvorbescheid vom 15. März 2016 es vorsieht, ist hier nicht entscheidungserheblich. Durch die Errichtung des streitigen Vorhabens werden diesbezüglich keine vollendeten Tatsachen geschaffen.“

52

Am 14.12.2016 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, eine Überprüfung des streitbefangenen Vorhabens mittels einer Vermessung durch einen Vermessungsingenieur habe ergeben, dass das Gebäude exakt in den Abmessungen der Genehmigungsfreistellung unmittelbar an der hinteren südlichen Baugrenze errichtet werde. Das Vorhaben sei daher auch in der tatsächliche Bauausführung materiell zulässig. Nachbarschützende Vorschriften würden nicht verletzt.

53

Am 10.01.2017 hat der Antragsteller daraufhin erneut um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und beantragt nunmehr,

54

1) den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung den Beigeladenden aufzugeben, die Bauarbeiten zur Ausführung des Wohnbauvorhabens der Beigeladenen auf dem Grundstück A-Str. 28 in A-Stadt vorläufig einzustellen,

55

sowie

56

2) den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung den Beigeladenden aufzugeben, das auf dem vorbezeichneten Grundstück bereits teilweise errichtete Wohnhaus zu beseitigen.

57

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes, des Vorbringens des Antragstellers wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge zum Verfahren 2 A 180/16 Bezug genommen.

II.

58

Das vorläufige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers bleibt ohne Erfolg.

59

Der Antrag zu 1) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Antragsgegner aufzugeben, die Bauarbeiten zur Ausführung des Bauvorhabens der Beigeladenen durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Bauordnungsverfügung einzustellen, ist zwar zulässig, denn im Genehmigungsfreistellungsverfahren nach § 68 LBO, in dem eine Baugenehmigung nicht erteilt worden ist, kann mangels Vorliegens eines angreifbaren Verwaltungsakts vorläufiger Rechtsschutz vom Nachbarn nicht gemäß §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO, sondern nur im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erlangt werden.

60

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte und sowohl ein Anordnungsgrund (die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung) als auch ein Anordnungsanspruch (der materiellrechtliche Anspruch auf die begehrte Regelung) hinreichend glaubhaft gemacht worden sind (§ 123 Abs. 3 VwGO iVm §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier nicht vollständig erfüllt.

61

Dem Antragsteller steht im Hinblick auf die Verwirklichung des freigestellten Bauvorhabens der Beigeladenen zwar wegen der bereits begonnenen Bauarbeiten ein Anordnungsgrund zur Seite. Dagegen liegt ein Anordnungsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten im Sinne des § 59 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 LBO nicht vor.

62

Ein solcher Anspruch auf Tätigwerden des Antragsgegners bestünde nicht bereits, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 59 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3 LBO vorliegen, sondern es ist vielmehr darüber hinaus erforderlich, dass der Nachbar in subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten verletzt ist. Maßgebend ist, ob das Bauvorhaben gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des um Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn dienen. Ein Verstoß gegen Rechtsnormen, die zumindest auch dem Schutz des um Rechtsschutz suchenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, ist bereits tatbestandliche Voraussetzung für einen Anspruch des Nachbarn auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens der Bauaufsichtsbehörde bei der Entscheidung darüber, ob sie gegen einen rechtswidrigen Zustand - etwa durch Erlass einer Beseitigungsanordnung - einschreiten soll. Erst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, entsteht für den Nachbarn ein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein mögliches bauaufsichtliches Einschreiten. Eine sog. „Ermessensreduzierung auf Null“, bei der sich dieses Ermessen dahingehend verdichtet, dass sich nur ein Einschreiten als rechtmäßige Entscheidung erweist, liegt erst dann vor, wenn geschützte Nachbarrechte in besonders gravierender Weise beeinträchtigt werden (OVG Schleswig, Beschl. v. 05.09.2008, - 1 LA 53/08 -; Beschl. v. 6.01.2015, - 1 LA 60/14 -).

63

Vorliegend fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Rechtsverstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts.

64

Die Kammer hält auch unter Berücksichtigung des Vortrages des Antragstellers in diesem Verfahren an seiner im Beschluss vom 15.08.2016 im Verfahren 2 B 71/16 vertretenen Auffassung, dass das Vorhaben den Antragsteller nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, die auch vom Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 2.11.2016 im Beschwerdeverfahren 4 MB 40/16 ausdrücklich geteilt worden ist, fest und nimmt zur Begründung auf die oben unter I. dargestellten Ausführung der Gründe II des Beschlusses vom 15.08.2016 zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

65

Klarstellend wird allerdings darauf hingewiesen, dass, soweit die Kammer im Beschluss vom 15.08.2016 irrtümlich ausgeführt hat, „die Giebelwand des Dachgeschosses bleibt wegen der Dachneigung von unter 45° - nämlich 35° - gem. § 6 Abs. 4 Nr. 1 LBO bei der Berechnung der Wandhöhe außer Betracht“, selbstverständlich seit der LBO-Novelle 2009 gem. § 6 Abs. 4 Nr. 1 LBO auch die Giebelfläche mit einer Neigung angrenzender Dachflächen von unter 45° bei der Berechnung wie eine Wandfläche zu berücksichtigen ist (vgl. Domning/Möller/Suttkus, Rn 65 f. Kommentar zur LBO-SH).

66

Aber auch unter Anrechnung der Giebelfläche und damit einer Wandhöhe von 7,83 m wird vom streitbefangenen Vorhaben der erforderliche Mindestabstand von 0,4 H (= 3,13 m) bei Grenzabständen von 3,86 m - 4,88 m deutlich gewahrt.

67

Unabhängig davon, ob der Antrag zu 2) wegen der damit verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache überhaupt zulässig ist, kann auch dieser schon deshalb keinen Erfolg haben, weil das Vorhaben entgegen der Auffassung des Antragstellers aus den vorgenannten Gründen keine nachbarschützenden Vorschriften verletzt.

68

Mangels Anspruch des Antragstellers auf das begehrte Einschreiten des Antragsgegners gegen das Vorhaben der Beigeladenen war der Antrag daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.

69

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG. Dabei hat die Kammer das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers mit 15.000,00 € für das Hauptsacheverfahren in Ansatz gebracht. Für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren ergab sich wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung eine Halbierung dieses Wertes.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

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(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

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(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

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(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen. (3) Ausnahmsweise können zugelassen werden 1. Läden und nicht störende Handwerksbe

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Tenor Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichter - vom 22.04.2008 wird abgelehnt. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Die außergerichtl

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(1) Reine Wohngebiete dienen dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dienen, sowie kleine Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(4) Zu den nach Absatz 2 sowie den §§ 2, 4 bis 7 zulässigen Wohngebäuden gehören auch solche, die ganz oder teilweise der Betreuung und Pflege ihrer Bewohner dienen.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichter - vom 22.04.2008 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf

15.000,-- Euro

festgesetzt.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag bleibt erfolglos, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2

1) Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); jedenfalls rechtfertigen die dargelegten Gründe (§ 124 a Abs. 4 S. 4 VwGO) solche Zweifel nicht. Nach Aktenlage spricht vielmehr alles dafür, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu recht abgewiesen hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte gegen die Beigeladene die begehrte Nutzungsuntersagung mit Zwangsgeldandrohung erlässt. Diese Maßnahme steht gemäß §§ 86 Abs. 1 S. 3 LBO, 228 ff LVwG im Ermessen der Behörde. Einzelne Überschreitungen der Baugenehmigung braucht der Beklagte danach keineswegs unter Androhung eines Zwangsgeldes zu verbieten. Eine Verpflichtung hierzu besteht nur ausnahmsweise bei einer sogenannten Ermessensreduzierung zu Gunsten der Klägerin. Eine solche Ermessensreduzierung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Nachbarrechte der Klägerin in besonders gravierender Weise beeinträchtigt werden. Dies gilt auch für Rechte der Klägerin, die auf den Nebenbestimmungen der Baugenehmigung in Verbindung mit der zivilrechtlichen Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beruhen. Die Auffassung der Klägerin, dass eine Verletzung dieser Rechte regelmäßig ein ordnungsbehördliches Einschreiten erfordere, teilt der Senat nicht. Auch insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze nach §§ 86 Abs. 1 S. 3 LBO, 228 ff LVwG. Besonders gravierende Verstöße sind hier nicht erkennbar. Dies hat das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt, ausgeführt (zur Beurteilungsgrundlage des Verwaltungsgerichts und dem Erfordernis, weitere Beweise zu erheben vgl. unten zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 3 Nr. 5 VwGO). Auf die Frage, ob – wie das Verwaltungsgericht meint – unzulässige Reifenwechsel an Lkws auf dem Vorplatz noch weniger störend empfunden werden, wenn die Lärmschutzwand vollständig repariert wird, kommt es nicht an, denn dieser Gesichtspunkt war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Es hat auf diesen Gesichtspunkt nur ergänzend abgestellt. Unabhängig davon überzeugt der Hinweis der Klägerin, dass der Montagelärm vom Grundstück der Beigeladenen nach einer Reparatur der Lärmschutzwand sogar noch stärker empfunden werde als im Zeitpunkt der Ortsbesichtigung, nicht. Ihre in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, die Öffnung der Lärmschutzwand sei zur Straße ausgerichtet, widerspricht den Feststellungen des Verwaltungsgerichts. In der in Gegenwart der Klägerin und ihrem Rechtsanwalt aufgenommenen Niederschrift über die Beweisaufnahme und die mündliche Verhandlung vom 22. April 2008 heißt es, dass „an der Lärmschutzwand zur Seite der Firma Helm in ein … Stück der Lärmschutzwand“ fehle.

3

2. Es liegt auch kein erheblicher Verfahrensfehler vor. Das Verwaltungsgericht war insbesondere nicht verpflichtet, weitere Beweise zu erheben. Es hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt und die mit Schriftsatz der Klägerin vom 29. Januar 2008 vorgelegten Dokumente und Fotos gewürdigt. Weitere Beweise zu erheben, insbesondere eine Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen war nicht erforderlich, weil vereinzelte Verstöße gegen die Baugenehmigung unstreitig sind und mit den Beweisanträgen kein substantiierter Sachverhalt unter Beweis gestellt wurde, aus dem eine Ermessensreduzierung zu Gunsten der Klägerin abgeleitet werden könnte. Auch die Klägerin hat sich von einer Zeugenvernehmung offenbar keine weiteren entscheidungserheblichen Erkenntnisse versprochen; anderenfalls hätte es nahegelegen, in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag zu stellen.

4

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

5

Der Senat hält es für billig, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil diese keinen Sachantrag gestellt und sich somit nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

6

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

7

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

8

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichterin - vom 30.09.2014 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf

15.000,00 Euro

festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen einen Wintergartenanbau des Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage mit Urteil vom 30.09.2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Anbau unterschreite zwar den vorgeschriebenen Abstand, doch sei das Ermessen der Beklagten nicht auf ein Einschreiten reduziert, da die Unterschreitung mit 8 cm eine kaum spürbare Bagatelle sei. Zudem liege eine unzulässige Rechtsausübung iSd § 242 BGB vor, da die Klägerin einen 1,8 m hohen und 40 m langen Flechtzaun errichtet habe, der den Eindruck einer geschlossenen Wand erzeuge und in den Abstandsflächen wegen gebäudegleicher Wirkungen unzulässig sei.

2

Ihren Antrag auf Zulassung der Berufung stützt die Klägerin auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 5 VwGO.

II.

3

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

4

1. Die von der Klägerin dargelegten Gründe lösen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des klagabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts aus.

5

1.1 Die Klägerin geht in ihrem Zulassungsantrag von dem - im erstinstanzlichen Ortstermin durch Messung ermittelten - Abstand zwischen der Wintergarten-Außenwand und dem (grenzständig errichteten) Holz-Flechtzaun von 2,92 m aus, mithin von einer Unterschreitung des nach § 6 Abs. 5 S. 1 LBO gebotenen Abstands um 8 cm; sie meint nur, es sei - zusätzlich - eine Breite von 20 cm im Bereich des Fundaments zu berücksichtigen. Das überzeugt nicht: Nach den von der Klägerin im erstinstanzlichen Termin überreichten Fotos ist das Fundament unterhalb der Grasnarbe nur (undeutlich) zu erkennen; es tritt in keiner Weise nach außen hervor. Ansatzpunkte für eine andere Beurteilung werden im Zulassungsantrag nicht dargelegt. Bei einer Unterschreitung des einzuhaltenden Abstands um 8 cm ist - wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat - das Ermessen der Beklagten zum bauaufsichtlichen Einschreiten - sicher - nicht auf Null reduziert. Aus welchen Gründen dies im Hinblick auf die Breite des unter der Grasnarbe liegenden Fundaments anders sein soll, wird im Zulassungsantrag nicht dargelegt; Gründe dafür sind auch nicht ersichtlich.

6

1.2 Soweit die Klägerin die These angreift, sie könne sich nach Treu und Glauben auf einen Verstoß des Beigeladenen gegen § 6 Abs. 5 S. 1 LBO nicht mehr berufen, nachdem ihr Flechtzaun zu Lasten des Beigeladenen in vergleichbarer Weise gegen das Abstandsflächenrecht verstoße (S. 14 f. des Urt.-Abdr.), wird dadurch die erstinstanzliche Klagabweisung schon deshalb nicht in Frage gestellt, weil diese allein und selbständig tragend von den zu 1.1 behandelten Erwägungen gestützt wird.

7

Anzumerken bleibt, dass der 1,8 m bzw. 1,5 m hohe Flechtzaun dazu führt, dass die - geringfügige - Abstandsunterschreitung vom Grundstück der Klägerin aus praktisch nicht mehr wahrnehmbar ist, was - zusätzlich - gegen eine Reduzierung des Einschreitensermessens auf Null spricht. Auf die - von der Beklagten verneinte (Schriftsatz vom 05.01.2014) - Frage, ob der 40 m lange Flechtzaun von der unter dem 23.04.1993 erteilten Genehmigung für einen 32 m langen Flechtzaun gedeckt ist, kommt es entscheidungserheblich nicht an.

8

2. Die Frage, ob ein Einschreitensanspruch unabhängig von tatsächlichen Beeinträchtigungen bzw. ab welchem Maß (der Abstandsunterschreitung) besteht, rechtfertigt keine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

9

In der Rechtsprechung - auch - des Senats ist geklärt, dass eine Reduzierung des Einschreitensermessens erst bei mehr als lediglich geringfügigen Verstößen gegen nachbarschützende Baurechtsbestimmungen in Betracht kommt (vgl. zuletzt Beschl. des Senats vom 12.12.2014, 1 LA 57/14, n. v.; vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 13.12.1991, 3 S 2358/91, VBlBW 1992, 148).Die Ermessensentscheidung hat sich an der betroffenen Nachbarrechtsverletzung im Einzelfall zu orientieren. Maßgebend sind insoweit die Zahl und die Art der Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften sowie das konkrete Ausmaß der davon ausgehenden Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück (Urt. des Senats v. 19.04.2012, 1 LB 4/12, NordÖR 2013, 345 [bei Juris Rn. 26]; vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 16.02.2012, 1 LB 19/10, BeckRS 2012, 48458, bei juris Tn. 39 m.w.N.). Bei unzumutbaren Beeinträchtigungen wäre die Behörde „in aller Regel zum Einschreiten gegen illegale bauliche Anlagen oder Nutzungen verpflichtet, es sei denn, es stünden ihr sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite“ (VGH Mannheim, Beschl. v. 13.12.1991, 3 S 2358/91, VBlBW 1992, 148). Im vorliegenden Fall kann schon - im Ansatz - nicht von unzumutbaren Beeinträchtigungen des Grundstücks der Klägerin oder dessen baulicher Nutzung gesprochen werden.

10

3. Der gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend gemachte Verfahrensfehler rechtfertigt ebenfalls keine Berufungszulassung.

11

Selbst wenn es zutreffen sollte, dass das Verwaltungsgericht - trotz Erörterung der Abstandsproblematik und gerichtlicher „Vermessung“ des Abstandes in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung - nicht auf einen durch die Errichtung des 1,80 m hohen Flechtzauns der Klägerin bewirkten Abstandsverstoß hingewiesen haben sollte, läge darin kein Gehörsverstoß. Das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten schon in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Anders ist es nur, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit dem bzw. mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.06.2012, 5 B 5.12, [Juris Rn. 12]). Das war hier nicht der Fall, zumal dem von der Klägerin geltend gemachten Einschreitensanspruch schon von der Beklagten ein auf § 242 BGB gestützter Einwand entgegengesetzt worden war (S. 4 des Bescheides vom 23.04.2012). Dieser war zwar auf Verwirkung gestützt, deren Vorliegen das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 13 u. des Abdr.) hat dahin stehen lassen, doch konnte die Klägerin damit rechnen, dass ihr Begehren auch im Hinblick auf andere, für Abstandskonflikte typische Fallgruppen einer Treuwidrigkeit - wie hier der unzulässigen Rechtsausübung - überprüft werden würde.

12

Unabhängig davon würde die geltend gemachte Gehörsverletzung die erstinstanzliche Entscheidung nur „partiell“ betreffen, weil sie allein die (oben 1.2 behandelte) These betrifft, die Klägerin habe in vergleichbarer Weise wie der Beigeladene gegen das Abstandsflächenrecht verstoßen. Ist das angefochtene Urteil - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt (kumulative Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs das Gesamtergebnis des Verfahrens betrifft. Die Klagabweisung wird - wie ausgeführt - schon durch die (oben 1.1 behandelte) Ablehnung eines Einschreitensanspruchs der Klägerin gestützt, so dass das erstinstanzliche Urteil auf der geltend gemachten Gehörsverletzung - auch wenn sie vorläge - nicht beruhen kann. Ein Hinweis des Verwaltungsgerichts in dem von der Klägerin für richtig erachteten Sinne hätte sich auf das Ergebnis der Entscheidung nicht auswirken können, da die Klagabweisung daneben - tragend - auf die Verneinung eines Einschreitensanspruchs gestützt werden konnte.

13

4. Weitere Zulassungsgründe sind nicht dargelegt worden. Der Zulassungsantrag war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist damit rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

14

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil er sich nicht am Zulassungsverfahren beteiligt hat.

15

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 4.2.2013 – 5 L 36/13 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnung im Erdgeschoss des Anwesens C-Straße in B-Stadt. Sie wendet sich gegen den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit acht Wohneinheiten auf der in südöstlicher Richtung benachbarten, bisher baufreien Parzelle Nr. 44/8 in Flur 20 der Gemarkung St. Arnual. Diese ist 24 m breit und weist ein von der Straße her abfallendes Gelände auf. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „W.“ der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1980, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein reines Wohngebiet festsetzt (§ 3 BauNVO 1990).

Nachdem die Bauarbeiten erstmals im Mai 2011 unter Verweis auf das Fehlen einer erforderlichen Genehmigung eingestellt worden waren,(vgl. dazu den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.5.2011 – 20100827 –, betreffend die Errichtung von Stützmauern und Geländeaufschüttungen im rückwärtigen Grundstücksbereich) beantragte die Beigeladene im September 2011 bei der Antragsgegnerin die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren für das Vorhaben „Neubau Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ sowie Abweichungen von verschiedenen Festsetzungen des Bebauungsplans. Nach den beigefügten Plänen vom 14.9.2011 sollten jeweils zwei Wohnungen im Unter-, Erd- und Obergeschoss sowie in einem darauf aufgesetzten Staffelgeschoss ausgeführt werden. Mit einem „Zulassungsbescheid“ vom 9.11.2011 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die begehrten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans, und zwar im Einzelnen wegen einer Überschreitung der Zahl der Vollgeschosse „um ein Vollgeschoss (Untergeschoss)“, der festgesetzten Geschossflächenzahl, wegen Überschreitung der „hinteren Baugrenze mit den Balkonen“ und wegen Abweichungen von der Bauweise in Form einer „Überschreitung der maximalen Gebäudebreite sowie der im Bebauungsplan vorgeschriebenen Dachform.

Die Antragstellerin erhob Widerspruch gegen diesen „Zulassungsbescheid“ und beantragte beim Verwaltungsgericht, die Antragsgegnerin zur Einstellung der zwischenzeitlich wieder aufgenommenen Arbeiten an dem Vorhaben zu verpflichten. Nachdem das Verwaltungsgericht die Beteiligten im Januar 2012 darauf hingewiesen hatte, dass die vom Grundstück der Antragstellerin aus gesehen „hinter den Garagengebäuden aufstehenden Wandabschnitte“ nicht die notwendigen Abstandsflächen einhielten, hat die Beigeladene Veränderungen des Bauvorhabens in den Plänen vorgenommen. Durch Zulassungsbescheid vom 2.2.2012 wurden ihr bezüglich derselben Festsetzungen des Bebauungsplans erneut Befreiungen für das geänderte Vorhaben erteilt. Auch diesen Bescheid hat die Antragstellerin angefochten und geltend gemacht, das Vorhaben halte in mehrfacher Hinsicht die Abstandsflächen nicht ein und widerspreche „trotz aller Ausnahmegenehmigungen“ den Festsetzungen des Bebauungsplans. Die „riesige Baumasse“ des Neubaus entziehe ihrer Wohnung Licht und Luft in einem nach den Maßstäben des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme nicht akzeptablen Maß.

Im Februar 2012 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die Zulassungsbescheide vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012 angeordnet und gleichzeitig die Antragsgegnerin verpflichtet, die Bauarbeiten sofort vollziehbar einzustellen.(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.2012 – 5 L 1918/11 –) In der Begründung ist unter anderem ausgeführt, eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch das im Bau befindliche Vorhaben sei überwiegend wahrscheinlich. Zwar seien die erteilten Befreiungen bei isolierter Betrachtung nicht geeignet, eine Verletzung von Nachbarrechten zu begründen. Sie führten aber in ihrer Kumulierung zur Zulässigkeit eines die Planvorgaben deutlich überschreitenden, mehr als doppelt so großen Bauvorhabens, das aller Voraussicht nach eine erdrückende Wirkung auf die plankonform bebauten Nachbargrundstücke haben werde. Daraufhin verfügte die Antragsgegnerin im Februar 2012 erneut die sofortige Einstellung der Bauarbeiten.(vgl. den Bescheid vom 22.2.2012 – 20120077 –)

Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobenen Beschwerden sowohl der Beigeladenen als auch der Antragsgegnerin wurden vom Senat, nachdem die Beigeladene im Februar 2012 auf die Rechte aus dem Zulassungsbescheid vom 9.11.2011 verzichtet hatte, im Mai 2012 zurückgewiesen.(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 48/12 –, SKZ 2012, 172, Leitsatz Nr. 24) In der Begründung heißt es, es spreche viel dafür, dass die nach dem Nachbarschutz vermittelnden § 7 Abs. 1 LBO 2004 vor den Außenwänden des Gebäudes freizuhaltenden Abstandsflächen an der dem Grundstück der Antragsgegnerin zugekehrten Seite des Bauvorhabens nicht vollständig auf dem Baugrundstück lägen, was ihr gegebenenfalls einen Anspruch auf Erlass einer Baueinstellungsanordnung nach § 81 LBO 2004 vermitteln würde. Die von der Beigeladenen im Rahmen des Genehmigungsfreistellungsverfahrens (§§ 63 LBO 2004, 1 Abs. 2 BauVorlVO 2011) im Februar 2012 eingereichten geänderten Bauvorlagen legten, was die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften angehe, eine Unterschreitung der Grenzabstandserfordernisse nahe. In dem Fall stünde dann auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots im Raum.

Anschließend forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene mehrfach zur Stellung eines Bauantrags nach § 65 LBO 2004 auf. Die Beigeladene lehnte das ab, legte stattdessen im Juli 2012 zahlreiche Berechnungen zu den Abstandsflächen sowie einen Nachweis über die einweisungsgemäße Ausführung des Vorhabens vor und beantragte, die Bauarbeiten daraufhin wieder freizugeben und vor Ort festzustellen, dass die bereits realisierten Teile des Gebäudes die gesetzlich notwendigen Abstände zur Grenze des Nachbargrundstücks einhielten. Im August 2012 beantragte die Beigeladene unter Hinweis auf diese Unterlagen beim Verwaltungsgericht, dessen Entscheidung vom Februar 2012 abzuändern und das auf Baueinstellung gerichtete Anordnungsbegehren wie auch den Aussetzungsantrag der Antragstellerin hinsichtlich der „Zulassungsbescheide“ vom November 2011 und vom Februar 2012 zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat beide Anträge im September 2012 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, im Vergleich zum „Zulassungsbescheid“ vom 2.2.2012 handele es sich um ein anderes Bauvorhaben. Die bloße Vorlage neuer Abstandsflächenpläne und des Einmessungsplans beinhalte keine „Änderung der Tatsachengrundlage“ im Verhältnis zu dem abgeschlossenen Eilverfahren.

Das Verfahren betreffend die dagegen seitens der Beigeladenen erhobene Beschwerde haben die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt,(vgl. den Einstellungsbeschluss des OVG des Saarlandes vom 4.1.2013 – 2 B 310/12 –) nachdem die Antragsgegnerin ihr auf einen im Verlaufe dieses Verfahrens gestellten Bauantrag im November 2012 eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Neubau einer Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ und gleichzeitig erneut mehrere Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans „W.“ erteilt hatte.(vgl. den Bauschein der Antragsgegnerin vom 19.11.2012 und den Abweichungsbescheid (§ 68 LBO, „Zulassungsbescheid“) vom selben Tag, Az. jeweils – 20120763 –) Die von der Antragsgegnerin zugelassenen Abweichungen betreffen Überschreitungen der Zahl der zulässigen Vollgeschosse (II) um ein Vollgeschoss im Untergeschoss, der hinteren Baugrenze mit Balkonen, der maximal zulässigen Geschossflächenzahl (0,7) durch die insoweit anrechenbaren Aufenthaltsräume im Staffelgeschoss, die Änderung der zulässigen Dachform sowie der Bauweise hinsichtlich der zugelassenen Breite des Gebäudes. Zur Begründung heißt es im Bauschein, die Abweichungen würden erlaubt, da sie „unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar“ seien, weil sie „im Bebauungsplangebiet mehrfach auffindbar“ seien.

Die Antragstellerin hat im Dezember 2012 auch gegen diese beiden Bescheide Widerspruch erhoben und Anfang Januar 2013 beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur neuerlichen Einstellung der Bauarbeiten beantragt. Nachdem das Verwaltungsgericht einem Vorabentscheidungsersuchen der sich ebenfalls gegen das Vorhaben der Beigeladenen wendenden linken Nachbarn entsprochen hatte,(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 7.1.2013 – 5 L 15/13 – und den die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Zwischenregelung zurückweisenden Beschluss des OVG des Saarlandes vom 18.1.2013 – 2 B 7/13 –) ordnete die Antragsgegnerin unter Hinweis hierauf erneut die sofortige Einstellung der Arbeiten an.(vgl. dazu den Bescheid vom 9.1.2013 – 20120763 –)

Zur Begründung ihrer Anträge hat die Antragstellerin unter anderem ausgeführt, der Zulassungsbescheid und die Baugenehmigung seien eklatant rechtswidrig und verletzten sie in subjektiven Rechten. Die Entscheidungen litten an evidenten Fehlern, die bereits die Annahme ihrer Nichtigkeit rechtfertigten. Hinsichtlich der erteilten zahlreichen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans lasse die nichtssagende Begründung, die bereits in den vorangegangenen Verfahren sowohl vom Verwaltungs- als auch vom Oberverwaltungsgericht als nicht tragfähig bezeichnet worden sei, nach wie vor keine Auseinandersetzung mit Hinsichtlich den hier offensichtlich nicht erfüllten gesetzlichen Anforderungen erkennen. Die Antragsgegnerin sehe es offensichtlich lediglich als ihre Aufgabe an, das streitgegenständliche Vorhaben, das sie sich inzwischen angesichts ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung vollkommen unverständlich „zu Eigen gemacht“ habe, „nachbarschaftsfest“ zu machen. Das inzwischen teilrealisierte Bauvorhaben solle „um jeden Preis legalisiert“ werden. Die Einhaltung des Bebauungsplans, die die Antragsgegnerin von anderen Bauherren in der Umgebung, insbesondere den sich im Parallelverfahren ebenfalls gegen das Vorhaben wendenden linken Nachbarn, verlangt habe, sei auch der Beigeladenen zumutbar gewesen. Darin liege eine Ungleichbehandlung „hart an der Grenze zu behördlicher Willkür“. Nach den Befreiungen dürfe die Beigeladene doppelt so viele Geschosse bauen wie andere Bauherren und die zulässige Geschossfläche um 499,69 qm, die rückwärtige Baugrenze um 33,71 qm und die zulässige Breite um 1/5 überschreiten. Belichtung, Besonnung und Belüftung ihres – der Antragstellerin – Anwesens würden massiv beeinträchtigt. Der von der Beigeladenen geplante „riesige Klotz“ mit einer Baumasse von 3.630 cbm werde die eigene Wohnung erheblich überragen. Auf das Untergeschoss würden 3 Geschosse aufgesetzt, die nach den Plänen ca. 9 m hoch seien. Auf den Garagen sei ein 7 m hoher Baukörper geplant. In 3 m Abstand zu ihrer Grenze werde ein 11 m hohes und 20 m tiefes Bauvorhaben errichtet, so dass sie keinerlei direkte Sonneneinstrahlung mehr haben werde. Ihr nach Osten gelegener Balkon werde höchstens noch 2 Stunden pro Tag Sonne haben und damit wertlos werden. Auch hier sei der Einmauerungseffekt offensichtlich. Daran zeige sich die Nachbarrechte verletzende Wirkung der Befreiungen in ihrer Kumulation. Schutzwürdige „Belange an rechtswidrigem Bauen“ könne die Beigeladene nicht geltend machen. Auch das genehmigte Staffelgeschoss sei ein Vollgeschoss, da es mehr als 2/3 der Bruttogrundfläche des ersten Obergeschosses aufweise. Dafür sei keine Befreiung erteilt worden. Ferner müsse nach Nr. 1.4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans die Oberkante des Erdgeschossfußbodens bei – wie hier - talseitiger Bebauung bezogen auf die Gebäudemitte auf dem Niveau des höchsten Straßenpunktes liegen. Nach den genehmigten Ansichtsplänen liege der Punkt bei dem Vorhaben 27 cm höher. Das streitgegenständliche Bauvorhaben verstoße auch gegen die nachbarschützenden Vorschriften über die Abstandsflächen. Für alle ihrem Grundstück zugekehrten 9 Abstandsflächen seien eine falsche Geländeoberfläche und damit durchweg fehlerhafte Wandhöhen zugrunde gelegt worden. Das Vermessungs- und Geoinformationsamt habe im November 2011 die Geländeoberfläche vermessen und dabei „zwei mögliche Geländeoberflächen festgelegt“, die auch aus der rechten Seitenansicht zum einen als gepunktete Linie als „aus Kataster 3D Erfassung rekonstruiertes ehemaliges natürliches Gelände“ und zum anderen als „Gelände an rechter Grenze – grün“ ersichtlich seien. Letzteres habe sich die Beigeladene für ihre Berechnung „ausgesucht“. Maßgeblich sei indes das ehemalige natürliche Gelände vor von der Beigeladenen vorgenommenen Aufschüttungen. Lege man dieses zugrunde, werde nahezu keine der ihrem Grundstück zugewandten Abstandsflächen auf dem Baugrundstück eingehalten. Unklarheiten und Widersprüche gingen zu Lasten der Bauherrin. Darüber hinaus sei die Berechnung wohl ab Rohbau erfolgt, ohne die darauf aufzutragende Wärmedämmung sowie den Verputz zu berücksichtigen. Danach werde etwa die Tiefe der mit 3,04 m angegebenen Abstandsfläche A 4 nur noch 2,87 m betragen und damit den Mindestabstand von 3 m unterschreiten. Soweit die Beigeladene auf die von ihr veranlasste und zum Gegenstand des Abänderungsverfahrens gemachte Einmessung des teilrealisierten Bauwerks durch Dipl.-Ing We. im Juli 2012 verweise, die einen Grenzabstand von 3,12 m ergeben habe, so habe sich diese auf die Rohbauwand bezogen. Berücksichtige man die nun von der Beigeladenen angeführte Wärmedämmschicht von 14 cm, werde nicht einmal der Mindestabstand eingehalten. Vor dem Hintergrund reiche ein bloßes Nachmessen in den Plänen nicht. Für den Abschnitt der Wand zwischen den Abstandsflächen A 4 und A 10 fehle jede Berechnung. Die mittlere Höhe dieser Wand gemessen ab dem ehemaligen natürlichen Gelände bis zum Dach „ohne den kaschierenden Rücksprung“ betrage 11,05 m. Das ergebe einen notwendigen Abstand zur Grenze von 4,42 m beziehungsweise – bei Einbeziehung einer noch aufzubringenden Dämmung von 15 cm – sogar von 4,57 m, wohingegen in den Plänen lediglich 3,99 m bemaßt seien. Das Zurückversetzen der oberen Wand im vorderen Bereich des Vorhabens hinter der Garage „um ca. 16 ?? 119 ?? cm“ sei lediglich eine Umgehung des Abstandsflächenerfordernisses, ähnlich einer kaschierenden Aufschüttung. Eine bloß 16 cm zurückspringende Wand sei nicht als „Abschluss der Wand“ anzusehen. Bei einer so geringen Staffelung handele es sich abstandsflächenrechtlich um eine Fläche bis zum Dach. Das Zurücktreten einer insgesamt 11 m hohen Mauer um 16 cm in einer Höhe von 8,50 m „tue der erdrückenden Wirkung keinen Abbruch“. Es bleibe eine „klotzartig“ aufragende massive Wand. Bei der Abstandsfläche A 4.2 sei in den Plänen ein „Puffer“ von 4 cm (4,144 m zu 4,18 cm) markiert. Nach eigenen Berechnungen der Antragsgegnerin betrage allerdings die mittlere Wandhöhe 10,47 m, so dass ein Grenzabstand von 4,188 m, aufgerundet 4,19 m notwendig wäre. Angegeben werde hier aber nur ein Abstand von 4,18 m. Berücksichtige man die nach Angaben der Beigeladenen auf der Rohbauwand aufzubringende Wärmedämmung mit einer Stärke von 7,85 cm, sei sogar ein Abstand von 4,26 m erforderlich. Messe man richtigerweise ab dem ehemaligen natürlichen Gelände, so ergäben sich eine Wandhöhe von 10,70 m und ein erforderlicher Grenzabstand von 4,28 m beziehungsweise – mit Dämmung – von 4,36 m. Die Berechnung der Abstandsfläche A 10.1 berücksichtige einen Rücksprung der Wand von 4 cm, der ebenfalls nicht als Wandabschluss gesehen werden könne. Hier zeige sich die Absicht, durch die Zurückversetzung von Mauern um „geradezu lächerlich geringe Maße“ die Nichteinhaltung des Abstandsflächenerfordernisses zu kaschieren. Das Zurückversetzen der oberen Wand in diesem Bereich sei offensichtlich „rein manipulativ“. Die so gering gestaffelte, insgesamt 9,80 m hohe Wand sei bei einem Zurücktreten um 4 cm in 5,70 m Höhe als eine Fläche bis zum Ende des einzubeziehenden und ausweislich des Verkaufsprospekts der Beigeladenen massiven, zudem etwa 20 cm in die Abstandsfläche hineinragenden Geländers um den Balkon anzusehen. Nach den Berechnungen der Antragsgegnerin führe die Berücksichtigung des Balkons dazu, dass ein Teil der Abstandsfläche auf ihrem – der Antragstellerin – Grundstück liege. Es bleibe „eine massive Wand“ mit einer Höhe von 9,80 m. Der erforderliche Grenzabstand betrage daher hier 3,92 m, wohingegen die Wand nur 3,46 m und das Geländer sogar nur 3,20 m von der Grenze entfernt sei. Zudem solle eine Wärmedämmung von 11 cm aufgebracht werden, so dass die Wand nur einen Abstand von 3,35 m zur Grenze aufweisen werde. Ohne das Geländer ergäben sich eine Wandhöhe von 8,90 m bzw. 8,60 m und ein Grenzabstandserfordernis von 3,52 m bzw. 3,44 m, wohingegen die fertige Wand unter Zugrundelegung der rohbaubezogenen Vermessung der Beigeladenen nur 3,43 m von der Grenze entfernt sei. Die Berechnung der Abstandsfläche A 10 sei „irrelevant“. Da der Versatz von 4 cm nicht zu berücksichtigen sei, sei die gesamte Wandhöhe in Ansatz zu bringen. Auch bei der Abstandsfläche A 9.1 seien fehlerhaft weder die Balkonumrandung noch die Dämmung einbezogen worden. Der bei der mittleren Wandhöhe von 10,80 m erforderliche Grenzabstand von 4,32 werde nach den Angaben in den Plänen (3,99 m) nicht einmal von den Rohbauwänden eingehalten, ganz zu schweigen von der Dämmung von insgesamt 15 cm.

Die Antragsgegnerin hat dem – in Bezug auf die Abstandsflächen – entgegen gehalten, es seien weder zwei „Varianten“ von Geländeoberflächen festgelegt worden, noch gebe es insoweit nach den Plänen eine „Auswahlmöglichkeit“. Die Geländeoberfläche sei von ihrem Vermessungsamt an drei Stellen, und zwar an der rechten und an der linken Grenze sowie in der Grundstücksmitte ermittelt worden. Das Geländemittelprofil sei in den Architektenplänen mit einer blau gestrichelten Linie dargestellt und als „aus Kataster 3D Erfassung rekonstruiertes ehemaliges natürliches Gelände mit einprojeziertem Geländemittelprofil – blau“. Das natürliche Gelände an der jeweiligen Grenze sei mit einer dunkel grünen Linie dargestellt und als „Gelände an der linken Grenze – grün“ beziehungsweise als „Gelände an der rechten Grenze – grün“ bezeichnet. In den gesonderten Abstandsflächenplänen sei immer die natürliche Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze dargestellt. Die vom Architekten angegebenen Geländeprofile seien mit den Plänen des Vermessungsamts abgeglichen worden. Die Abstandsflächenberechnung setze grundsätzlich an der Außenkante des obersten Belages der Außenwände an. Der gesamte konstruktive Aufbau der Außenwand sei berücksichtigt worden. Diese lägen auf dem Baugrundstück. Das gelte auch für den Grenzabstand bei der Abstandsfläche A 4 (3,04 m), wo die Außenwand in Keller und Erdgeschoss einschließlich des 14 cm dicken Vollwärmeschutzes als 38 cm dicke Wand dargestellt sei. Die Abstandsfläche für den Abschnitt zwischen der Garage (A 4) und der Abstandsfläche A 10 sei unter A 4.2 und A 4.3 berechnet worden. Die notwendigen Grenzabstände seien bezogen auf die zugrunde zu legende Wandhöhe von 10,36 m korrekt berechnet und eingehalten. Woher die Antragstellerin eine Höhe von 11,05 m nehme, sei nicht nachvollziehbar. Die Außenwand an oberster Stelle im Staffelgeschoss, von der die Abstandsfläche A 4.2 ausgeworfen werde, sei als Holzständerwand konstruiert. Die Wärmedämmung befinde sich in den Ausfachungen der Holzständer. Ein zusätzliches Aufbringen eines Vollwärmeschutzes sei an dieser Stelle nicht mehr notwendig. Auch hier versuche die Antragstellerin zu erreichen, dass die Vorsprünge und Versatze in dem Baukörper als unzulässig betrachtet würden. Die an diversen Stellen sowohl in der Horizontalen als auch in der Vertikalen vorgesehenen Versprünge im Baukörper, die sich an einigen Stellen positiv auf die Abstandsflächen auswirkten, bildeten „offenbar einen Teil des Entwurfskonzeptes“. Die Umwehrung der Balkonanlage sei nicht massiv dargestellt. Es „scheine“ sich um eine „leichte Stahlumwehrung mit darin liegenden Glasplatten zu handeln“. Davon gehe keine gebäudegleiche Wirkung aus. Die Umwehrung sei licht- und luftdurchlässig und daher in die Wandhöhe nicht einzubeziehen. Auch in dem Bereich seien die Abstandsflächen vor der Außenwand inklusive aller zu beachtenden konstruktiven Schichten ausgewiesen. Die Abstandsfläche A 10 liege daher vollständig auf dem eigenen Grundstück. Auch bei der Abstandsfläche A 9.1 sei die Dämmung einbezogen worden und die Abstandsfläche ab der Außenkante vermaßt worden. Die entsprechende Wand sei im Grundriss mit einer Stärke von 38 cm dargestellt, wobei das Wärmedämmverbundsystem eine Stärke von 14 cm aufweise. Auch die erteilten Befreiungen begründeten keine Nachbarrechtsverletzung der Antragstellerin. Es handele sich insoweit insgesamt um nicht nachbarschützende Festsetzungen des Bebauungsplans. Aus der „Kumulierung“ ergebe sich kein Verstoß gegen das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme. Eine „erdrückende Wirkung“ trotz Einhaltung der Abstandsflächen sei sehr unwahrscheinlich.

Auch die Beigeladene hat darauf verwiesen, dass die erteilten Befreiungen allein daraufhin zu untersuchen seien, ob sie mit wehrfähigen Rechten der Antragstellerin zu vereinbaren seien. Das sei der Fall und eine Verletzung von Nachbarrechten sei auch nicht aus einer Gesamtbetrachtung abzuleiten. Bei Einhaltung der Abstandsflächen lasse sich nur in ganz besonderen Ausnahmekonstellationen eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens gegenüber den Nachbarn herleiten. Die Abstandsflächen seien hier eingehalten. Die Berechnungen basierten auf dem digitalen Geländemodell des Landesamts für Kataster-, Vermessungs- und Kartenwesen. Die unter A 4 ausgewiesene Tiefe von 3,04 m beziehe sich nicht – wie die Antragstellerin behaupte – auf den Roh-, sondern auf den „fertigen Zustand“. Die von ihr vermisste Abstandsflächenberechnung für den Wandabschnitt hinter der Garage finde sich unter A 4.2 und A 4.3. Die dort maßgebliche Wandhöhe betrage 7,485 m; somit sei der Mindestabstand von 3 m ausreichend. Bezüglich der Abstandsfläche A 4.2 sei die im Mittel gemessene Wandhöhe in diesem Abschnitt anzusetzen. Bei der „Holzfachwerkwand“ liege die Dämmebene in der Wand selbst und nicht davor. Der ausgewiesene Abstand vom 4,18 m sei daher nicht zu beanstanden. Die ausgewiesene Wandhöhe betrage 10,355 m, der einzuhaltende Grenzabstand von mithin 4,142 m sei bei einem Abstand von 4,18 m gewahrt. Hinsichtlich der Abstandsfläche A 10.1 bemängele die Antragstellerin angesichts der Vorgabe in § 7 Abs. 4 Satz 5 LBO für die Abstandsflächenberechnung bei gestaffelten Wänden zu Unrecht die Berücksichtigung des Rückversprungs der Wand um 4 cm. Im Übrigen betrage der erforderliche Grenzabstand auch ohne die Berücksichtigung des Versprungs 3,47 m und sei daher bei ausgewiesenen 3,49 m beachtet. Die Balkonumrandung sei in die Wandhöhe nicht einzubeziehen. Es handele sich dabei um eine leichte licht- und luftdurchlässige Konstruktion aus Edelstahl mit dünnen Füllstäben. Bei den Berechnungen der Abstandsflächen A 10, A 10.1 und A 10.2 sei der Vollwärmeschutz berücksichtigt worden.

Das Verwaltungsgericht hat den Begehren der Antragstellerin im Februar 2013 entsprochen, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung und den Zulassungsbescheid jeweils vom November 2012 angeordnet und die Antragsgegnerin zum Erlass einer Baueinstellungsanordnung verpflichtet. In den Gründen heißt es unter anderem, es bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Baugenehmigung einschließlich des Zulassungsbescheids die Antragstellerin in ihren Nachbarrechten verletze. Ob das unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten der Fall sei, lasse sich nicht abschließend beurteilen. Es spreche aber einiges dafür, dass das Bauvorhaben im Verhältnis zu ihrem Grundstück die erforderlichen Abstandsflächen nicht einhalte. Die Antragstellerin gehe allerdings zu Unrecht davon aus, dass das Vermessungsamt der Antragsgegnerin für diese Berechnungen zwei mögliche Geländeoberflächen festgelegt habe. Ermittelt worden sei nach den überzeugenden Erläuterungen der Antragsgegnerin – soweit hier von Bedeutung – das natürliche Gelände an der rechten Grenze. Maßgebend für die Bestimmung der Wandhöhe sei aber nicht dieses Geländeniveau, weil die Außenwände des Vorhabens bis zu 4,18 m von der Grenze entfernt stünden. Ob die in den genehmigten Plänen den Abstandsflächenberechnungen zugrunde gelegte Höhenlage den zutreffenden unteren Punkt für die Ermittlung der Wandhöhe bilde, könne die Kammer nicht abschließend beurteilen. In den Ansichtszeichnungen sei vom Gelände an der Grundstücksgrenze die Rede. Ausweislich der Höhenprofile solle allerdings für die Berechnung der Wandhöhe von Profilen (Schnitten) ausgegangen worden sein, die sich auf der linken Grundstücksseite 3,005 m und auf der rechten Seite 3,129 m von den Grenzen entfernt befänden. Beide Ausgangspunkte dürften indes nicht dem natürlichen Gelände im Verständnis des § 2 Abs. 7 LBO entsprechen, weil die kritischsten Wandabschnitte im Staffelgeschoss auf der linken Seite 4,42 m und auf der rechten Seite 4,18 m von den Grenzen entfernt seien. Ausgehend von einem Höhenunterschied von der rechten zur linken Grundstücksgrenze von 1,08 m auf 24 m Grundstücksbreite betrage das durchschnittliche Absinken des Niveaus der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin (108 : 24 =) 4,5 cm pro laufendem Meter. Da sich die rechte Außenwand des Staffelgeschosses vermaßt 4,18 m von der Grenze entfernt befinde, dürfte das Gelände dort jedenfalls im Schnitt (4,18 x 4,5 cm =) 18,81 cm tiefer als an der Grundstücksgrenze liegen und einem um (18,81 cm x 0,4 =) 7,524 cm größeren Grenzabstand erfordern, der erkennbar nicht vorhanden sei. Selbst ausgehend von einem 3,129 m von der Grenze entfernt liegenden Schnitt wäre die Wand im Staffelgeschoss noch mehr als einen Meter entfernt und benötigte – ausgehend von einer linearen Höhenlinie – einen um 2 cm größeren Grenzabstand. Die zur Baugenehmigung gehörenden Bauvorlagen stellten – anders als die früheren Pläne – nicht mehr auf den Rohbau ab, sondern auf den Endausbau. Sowohl die Baupläne als auch die genehmigten Anlagen dazu ließen keinen Zweifel, dass die Außenwände des genehmigten Gebäudes mit Ausnahme des Staffelgeschosses insgesamt 38 cm dick seien und aus 24 cm Mauerwerk sowie 14 cm Dämmung einschließlich Außenputz bestünden und dass sich die Dämmung der Außenwände im Staffelgeschoss im Holzständerwerk befinde. Allerdings seien entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen die Umwehrungen der Balkone voraussichtlich zu der Wandhöhe hinzuzurechnen. Die von der Antragsgegnerin angesprochenen Konstruktionsmerkmale der Umwehrungen lege die Baugenehmigung gerade nicht fest. Dasselbe gelte für die Beschreibung der Beigeladenen. In beiden Seitenansichten „verschwänden“ – anders als in der Gartenansicht – die unteren Teile der bodentiefen Fenster im Staffelgeschoss hinter diesen 12 m breiten und 0,80 m hohen Umwehrungen. Diese würden daher unter abstandsflächenrechtlichen Aspekten als „Bestandteil der Gebäudeaußenwand wahrgenommen“ und seien somit als eine Erhöhung derselben zu werten, die aller Voraussicht nach zu einer Unterschreitung der dann notwendigen Abstandsfläche führe. Was das Bauplanungsrecht angehe, bleibe die Kammer ungeachtet der seitens des Senats dagegen in den Beschwerdeentscheidungen(vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 10.5.2012 – 2 B 48/12 und 2 B 49/12 –) erhobenen Bedenken bei ihrer in den Beschlüssen vom Februar 2012(vgl. VG des Saarlandes, Beschlüsse vom 14.2.2012 – 5 L 1918/11 und 5 L 1919/11 –) geäußerten Auffassung, dass das genehmigte Bauvorhaben in der Summierung aller durch die Dispense ermöglichten Ausweitungen mit dem sich aus dem § 15 BauNVO ergebenden Rücksichtnahmegebot nicht zu vereinbaren sei. Die Absolutheit der vom Senat dabei hervorgehobenen, im Grundsatz zutreffenden Sichtweise, dass bei Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften in aller Regel bis auf ganz besondere Ausnahmekonstellationen kein Raum für die Annahme einer Rücksichtslosigkeit sei, führe dazu, dass es bei Einhaltung der Grenzabstände per se keinen einstweiligen Rechtsschutz mehr wegen der Ausmaße des Baukörpers geben könne, egal in welchem Umfang im Einzelfall ausdrücklich oder stillschweigend rechtswidrige Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt wurden und damit Baukörper entstünden, die im Verhältnis zu den plankonform errichteten Nachbargebäuden erdrückend wirkten. Vorliegend handele es sich um einen „eklatant atypischen Fall“, in dem das Ergebnis der vielen Befreiungen von planerischen Festsetzungen trotz Einhaltung der in den genehmigten Plänen dargestellten und berechneten Abstandsflächen zu einem Baukörper mit erdrückender Wirkung auf die Nachbargrundstücke führe. Erweise sich der Ausgang der Widerspruchsverfahren der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung und den Zulassungsbescheid somit als Erfolg versprechend, sei dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben und mit Blick auf von daher im Raum stehende Einschreitensansprüche der Antragstellerin die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einstellung der Bauarbeiten anzuordnen.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4.2.2013 – 5 L 36/13 – ist unbegründet.

A.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der nach § 212a Abs. 1 BauGB entfallenden aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die der Beigeladenen erteilteBaugenehmigung vom 19.11.2012 (1.) beziehungsweise gegen den darin in Bezug genommenen, aber selbständig ergangenen Befreiungsbescheid („Zulassungsbescheid“) vom selben Tag (2.) nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens zu Recht entsprochen.

Bei Aussetzungsbegehren von Dritten, hier einer privaten Nachbarin, nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen eine Baugenehmigung ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht ihres in der Hauptsache anhängigen Rechtsbehelfs. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage der Antragstellerin unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts durch die angefochtene Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.8.1998 – 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der Umstand, dass eine Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften verstößt und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit den Vorrang einzuräumen; ständige Rechtsprechung, zuletzt etwa Beschlüsse vom 15.5.2013 – 2 B 51/13 –, m.w.N.)

1. Die Anordnung der kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB) ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Baugenehmigung kommt insoweit nur in Betracht, wenn die überschlägige Rechtskontrolle zumindest gewichtige Zweifel an der rechtlichen Unbedenklichkeit der angefochtenen Genehmigung mit Blick auf die Position des jeweiligen Rechtsbehelfsführers ergibt.(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 7.2.2012 – 2 B 422/11 –, SKZ 2012, 65 ff., dort zur Drittanfechtung durch eine Gemeinde) Die abgesehen von den Fällen offensichtlicher Nachbarrechtswidrigkeit der Genehmigung hierbei zumindest zu fordernde überwiegende Wahrscheinlichkeit einer der Antragstellerin subjektive Abwehrrechte gegen das genehmigte Vorhaben vermittelnden eigenen Rechtsverletzung hat das Verwaltungsgericht im konkreten Fall bezogen auf die Baugenehmigung, der in Anwendung der §§ 65, 73 LBO 2004 eine umfassende öffentlich-rechtliche Überprüfung des Vorhabens zugrunde liegt, im Ergebnis zu Recht angenommen. Das den gerichtlichen Prüfungsumfang im Rechtsmittelverfahren begrenzende Beschwerdevorbringen der Beigeladenen gebietet keine abweichende Beurteilung des Aussetzungsbegehrens und damit insoweit keine Änderung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

a. Der formelle Einwand der Antragstellerin, dass für das genehmigte Staffelgeschoss keine (weitere) Befreiung hinsichtlich der Überschreitung der in dem ausweislich der Baugenehmigung am 26.4.1980 in Rechtkraft erwachsenen Bebauungsplan „W.“ festgesetzten maximal zulässigen Anzahl der Vollgeschosse erteilt worden sei,(vgl. in dem Zusammenhang den gesonderten Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.10.2010 – 20100817 –, mit dem der Beigeladenen insoweit eine Abweichung für eine damals geplante Variante eines Staffelgeschosses erteilt worden war) obwohl dieses mehr als 2/3 der Bruttogrundfläche des darunter liegenden ersten Obergeschosses aufweise und daher als Vollgeschoss anzurechnen sei,(vgl. hierzu auch die von demselben Ansatz ausgehende Berechnung in den Bauvorlagen, die im Ergebnis zur Unterschreitung des 2/3 Maßes gelangt, Blatt 30 der Bauakte) rechtfertigt nicht die Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung vom 19.11.2012. Zwar spricht nach den für die Vollgeschosseigenschaft beziehungsweise die diesbezügliche Anrechnung eines oberirdischen Geschosses im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans maßgeblichen §§ 18 BauNVO 1977,(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 27.9.1994 – 2 R 46/93 –, SKZ 1995, 113, Leitsatz Nr. 17, wonach im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der die Zahl der zulässigen Vollgeschosse festsetzt, für die Bestimmung der Vollgeschosse und der auf ihre Zahl anzurechnenden Geschosse gemäß den statischen Verweisungen in den §§ 18 BauNVO 1962, 1968, 1977, 20 Abs. 1 BauNVO 1990 auf die landesrechtliche Vorschrift über den bauordnungsrechtlichen Vollgeschossbegriff abzustellen ist, die im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses gegolten hat) 2 Abs. 5 LBO 1974(vgl. die bis 1.5.1980 maßgebende Bekanntmachung der Neufassung der Bauordnung für das Saarland (Landesbauordnung – LBO) vom 27.12.1974, Amtsblatt 1975, 85, 88) im Ergebnis viel für eine Anrechenbarkeit des damals allerdings noch nicht – wie heute – einer besonderen Regelung unterworfenen „Staffelgeschosses“ mit gegenüber dem darunter befindlichen Geschoss zurückgesetzten Außenwänden.(vgl. dazu – aktuell – den nach § 20 Abs. 1 BauNVO 1990 auch planungsrechtlich maßgeblichen § 2 Abs. 5 LBO 2004, der – wie die Vorläuferfassung in § 2 Abs. 5 LBO 1996 die von der Antragstellerin angestellte Relationsbetrachtung nach Grundflächen, allerdings mit einem insoweit maßgeblichen Faktor 0,75 (3/4), enthält) Das bloße Nichtvorliegen einer insoweit gegebenenfalls zusätzlich erforderlichen (weiteren) Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von der Festsetzung über die Geschosszahl würde indes für sich genommen – ebenso wie ein Fehlen einer Baugenehmigung oder eine unzutreffende verfahrensrechtliche Behandlung eines Bauvorhabens durch die Behörde am Maßstab der §§ 60 ff. LBO 2004 – noch keine Verletzung subjektiver Nachbarrechte der Antragstellerin bewirken. Abwehrrechte gegen ein genehmigtes Bauvorhaben können sich vielmehr nur aus solchen Vorschriften ergeben, die materielle Anforderungen an dieses Vorhaben enthalten und zudem nachbarschützend sind.(vgl. hierzu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 95 ff.; dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 2.9.2010 – 2 B 215/10 –, BRS 76 Nr. 98 = BauR 2011, 983, dort zur Abgrenzung von baurechtlicher und immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage) Unter dem letztgenannten Aspekt gibt es nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin beziehungsweise ihr Stadtrat als das für den Erlass der Satzung über den Bebauungsplan zuständige Organ (§§ 10 Abs. 1 BauGB, 35 Nr. 12 KSVG) dieser die Gebäudehöhe mitbestimmenden Festsetzung in dem zumindest im Eilrechtsschutzverfahren mangels evidenter Gültigkeitsbedenken maßgeblichen Bebauungsplan „W.“, jedenfalls was die Antragstellerin als seitliche Nachbarin anbelangt, ausnahmsweise eine nachbarschützende Wirkung beigemessen hat.

b. Auch nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens ist jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich nachbarliche Abwehrrechte der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung vom 19.11.2012 für den „Neubau einer Stadtresidenz als Mehrfamilienwohnhaus“ unter dem im Rahmen des „Vollgenehmigungsverfahrens“ (§§ 65, 73 LBO 2004) umfassend zum Prüfungs- und damit Entscheidungsprogramm der Antragsgegnerin gehörenden anerkannt nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften über die vor den Außenwänden von Gebäuden (grundsätzlich) auf dem Baugrundstück freizuhaltendenAbstandsflächen beziehungsweise aus der Nichteinhaltung der hieraus resultierenden Abstandserfordernisse bezogen auf die Grenze des eigenen Grundstücks (Parzelle Nr. 44/7) ergeben (§ 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 LBO 2004).

Mit Blick auf den Vortrag der Antragstellerin ist allerdings zunächst festzuhalten, dass Gegenstand der Beurteilung am Maßstab des § 7 LBO 2004 im Zusammenhang mit einem nachbarlichen Aussetzungsbegehren bezüglich einer Baugenehmigung allein das in dieser beziehungsweise in den deren Inhalt konkretisierenden, mit Genehmigungsvermerken der Antragsgegnerin versehenen Planzeichnungen und sonstigen Bauvorlagen dargestellte Bauvorhaben ist. Abweichungen davon bei der Bauausführung, gegebenenfalls etwa die im Beschwerdeverfahren seitens der Antragstellerin unter Verweis auf eine ihrerseits veranlasste fachkundige Vermessung des realisierten Bestands (Rohbau bis Erdgeschoss) eingewandten Abweichungen hinsichtlich der Bauhöhe des Gebäudes über Gelände,(vgl. dazu die in Anlage zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 7.5.2013 (A 20) übersandte Gegenüberstellung  von „Isthöhe“ und (genehmigter) „Sollhöhe“ vom 21.3.2013 und den als Anlage zum Schriftsatz vom 28.5.2013 (A 24) vorgelegten Lageplan vom 19.2.2013, jeweils erstellt von dem öffentlich bestellten Vermesser Dipl.-Ing. Kurt Engler) die von der Beigeladenen in ihrem letzten Schriftsatz vom 10.6.2013 unter Verweis auf eine Erklärung des Dipl.-Ing. We. vom 29.5.2013 wiederum bestritten wurden, erlangen für diese Beurteilung der Erfolgsaussichten des Anfechtungsbegehrens in der Hauptsache und daher auch für das Aussetzungsbegehren der Antragstellerin keine Bedeutung. Das gilt ganz allgemein selbst in den Fällen, in denen die Pläne beispielsweise von den „wahren“ Grenzverläufen oder von den sonstigen tatsächlichen Verhältnissen her, insbesondere was die vorhandenen und in dem Zusammenhang rechtlich maßgeblichen Geländeverhältnisse angeht, abweichende Darstellungen enthalten. Auch eine „falsche“ Darstellung bestimmt gegebenenfalls (allein) den Genehmigungsinhalt. In solchen Fällen trägt – weil eine unkorrekte Darstellung in den Plänen (Bauvorlagen) nicht zu Lasten des sich gegen ein Vorhaben wendenden Nachbarn gehen kann – allerdings der Bauerlaubnisnehmer im Ergebnis das Risiko einer Realisierbarkeit des Vorhabens in der von ihm in den Bauvorlagen dargestellten Ausgestaltung, etwa wenn sich das Bauwerk aufgrund der abweichenden Verhältnisse auf dem Baugrundstück nicht nachbarrechtskonform ausführen lässt. Enthalten die zur Baugenehmigung gehörenden Bauvorlagen eine von den tatsächlichen Geländeverhältnissen auf dem Baugrundstück wesentlich abweichende Darstellung, so begründet das von daher zum einen keine Verletzung von Nachbarrechten durch die angefochtene Genehmigung, deren Inhalt den Beurteilungsgegenstand im Anfechtungsstreit bildet.(vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 –, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40) Zum anderen steht aber eine solche Baugenehmigung, von der die Bauherrin oder der Bauherr rechtlich im Ergebnis keinen Gebrauch gemacht hat beziehungsweise nach den faktischen Gegebenheiten des Baugrundstücks vielleicht sogar (von vorneherein) gar keinen Gebrauch machen konnte, späteren Einschreitensansprüchen der betroffenen Nachbarn auf Erlass und Durchsetzung einer Beseitigungsanordnung (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) für ein abweichend von der Genehmigung ins Werk gesetztes Gebäude zur Ausräumung dadurch bewirkter etwaiger Nachbarrechtsverstöße grundsätzlich nicht entgegen. Dies steht im konkreten Fall hinsichtlich der teilrealisierten unteren Geschosse, die mit der Genehmigung offenbar nachträglich so legalisiert werden sollen, nach dem Vorbringen der Antragstellerin durchaus im Raum, muss aber hier nicht vertieft werden, solange nicht feststeht, dass die bereits realisierten Teile des Bauwerks, sofern sie bei einer genehmigungskonformen Ausführung nicht verwendbar sein sollten, nicht – gegebenenfalls im Wege Rückbaus – entsprechend geändert werden könnten und damit einer Realisierung des genehmigten Vorhabens nicht dauerhaft beziehungsweise nicht in diesem Sinne „ausräumbar“ entgegenstehen.

Vor dem Hintergrund ist davon ferner auszugehen, dass in Fällen, in denen – wie hier – die Einhaltung dieser Anforderungen auf der Grundlage entsprechender vom Bauantragsteller eingereichter rechnerischer und zeichnerischer Nachweise für die Abstandsflächen einer präventiven Prüfung in einem Baugenehmigungsverfahren durch eine sach- und fachkundige Bauaufsichtsbehörde, hier die Antragsgegnerin, unterzogen worden ist, „gewichtige Zweifel“ an der rechtlichen Unbedenklichkeit der Genehmigung unter diesem Aspekt in einem vom betroffenen Grenznachbarn betriebenen Eilrechtsschutzverfahren nur angenommen werden können, wenn die dabei allein mögliche überschlägige Überprüfung offensichtliche oder sich gewissermaßen aufdrängende Mängel zum Nachteil dieses Nachbarn erkennen lässt.

Die Beigeladene hat zwar im Baugenehmigungsverfahren von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Genehmigungsentscheidung akzeptierte Abstandsflächennachweise vorgelegt, die rechnerisch nach den zeichnerischen Vorgaben des Entwurfsverfassers nachvollzogen werden können. Diese sind allerdings von ihrem Inhalt her insgesamt nicht geeignet, die von der Antragstellerin erhobenen Bedenken hinsichtlich der Wahrung der Grenzabstandserfordernisse im Verhältnis zu ihr auszuräumen.

Was die – mit den Worten der Beigeladenen – „festgelegte“ Geländeoberfläche(vgl. etwa zu den dabei eingeengten Entscheidungsspielräumen der Bauaufsichtsbehörden OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.10.2003 – 1 W 34/03 und 1 W 35/03 –, SKZ 2004, 85, Leitsatz Nr. 40, Urteil vom 27.9.1994 – 2 R 46/93 –, SKZ 1995, 113 Leitsatz Nr. 20, wonach die Befugnis zur Festlegung einer vom natürlichen Geländeverlauf abweichenden Geländeoberfläche nicht dazu missbraucht werden darf, Verstöße gegen Bauvorschriften, die an die Höhe von Gebäudeteilen über der Geländeoberfläche anknüpfen (zum Beispiel die Abstandsflächenbestimmungen oder die planerische Begrenzung der Vollgeschoßzahl), zu "kaschieren" oder auszuräumen, ebenso Beschluss vom 17.9.1979 – II W 1.2047/79 –, BRS 35 Nr. 99, zu den Möglichkeiten bauaufsichtsbehördlicher „Festlegungen“ von Geländeoberflächen OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1997 – 2 R 30/96 –, BRS 59 Nr. 121 = BauR 1998, 314, wonach es nicht zu beanstanden ist, dass die Behörde die Geländeoberfläche als unteren Bezugspunkt für die Ermittlung der Wandhöhe einer Grenzgarage abweichend vom natürlichen Gelände gestaltend festlegt, wenn der ursprüngliche natürliche Geländeverlauf aufgrund von Veränderungen, die im Zuge einer vor mehr als 25 Jahren ausgeführten Bebauung vorgenommen wurden, nicht mehr in Erscheinung tritt und er sich auch aus den Geländeverhältnissen in der Umgebung nicht mehr zuverlässig ableiten lässt) als unteren Bezugspunkt der Berechnung angeht, ist für die rechtliche Überprüfung der Baugenehmigung davon auszugehen, dass diesen Berechnungen entsprechend den Vorgaben des § 7 Abs. 4 LBO 2004 die vermessungstechnisch ermittelte beziehungsweise angesichts auf dem Gelände vorgenommener Geländeveränderungen rekonstruierte (ehemalige) zur Rückseite hin abfallende „natürliche“ Geländeoberfläche (§ 2 Abs. 7 LBO 2004) zugrunde liegt, und zwar – wie in der Beschwerde vorgetragen – in dem maßgeblichen Bereich der Außenwände des genehmigten Gebäudes. Abzustellen ist nach § 7 Abs. 4 LBO 2004 allgemein entgegen der anderslautenden Formulierung im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 2.5.2013, wo auf die „natürliche Geländeoberfläche an der Grundstücksgrenze“ verwiesen wird, auf die Schnittlinie zwischen dem maßgeblichen Gelände und der Gebäudeaußenwand, nicht auf das Geländeniveau an der Grenze zum Nachbargrundstück. Dass dies im Grundsatz – die Richtigkeit der Übernahme in die Pläne unterstellt – bei den Nachweisen der Beigeladenen Berücksichtigung gefunden hat, ergibt sich aus den von ihr im erstinstanzlichen Verfahren übersandten Geländeschnitten „2“ und „4“ des Landesamts für Kataster-, Karten- und Vermessungswesen (LKVK), die ausweislich des beigefügten erläuternden digitalen Geländemodells die Schnittachsen von der Straße zur rückwärtigen Grenze des Baugrundstücks auf der Ebene der Gebäudeaußenseiten darstellten, wobei der Geländeschnitt „4“ die dem Grundstück der Antragstellerin zugewandte – von der Straße aus gesehen – rechte Außenwand betrifft. Ob und welche Bedeutung der – aus welchem Grund auch immer – in den Ansichtsplänen beigefügten, tiefer liegenden und mit blauen Punkten dargestellten Linie beizumessen ist, kann demgegenüber dahinstehen. Maßgebend bleibt hier nach dem Gesagten die Schnittlinie zwischen Gelände und Außenwand wie sie der Genehmigung zugrunde gelegt wurde. Ob diese von der Beigeladenen – in dem Sinne – für ihre zeichnerischen Nachweise „gewählte“ Geländeoberfläche die nach § 7 Abs. 4 LBO 2004 „richtige“ Linie ist, spielt nach dem Gesagten hier keine Rolle. Die „Richtigkeit“ der Darstellung in den Bauvorlagen fällt vielmehr auch insoweit in den erwähnten Verantwortungs- und damit auch in den Risikobereich der Beigeladenen als Bauherrin.

Die für die subjektive Rechtsstellung der Antragstellerin im Hinblick auf die Abstandsflächen (§ 7 LBO 2004) relevanten Berechnungen sind in den Bauvorlagen unter den Bezeichnungen A 4, A 4.2, A 4.3, A 4.4, A 9.1, A 9.2, A 10, A 10.1 und A 10.2 erfolgt. Genehmigungsinhalt sind nach diesen Zeichnungen generell von der Beigeladenen im Rahmen der Bauausführung einzuhaltende Abstände zwischen dem jeweils äußersten Punkt des jeweiligen Wandabschnitts einschließlich auf das Mauerwerk aufzubringender Schichten insbesondere zur Dämmung beziehungsweise Isolierung und der Grenze zur Parzelle der Antragstellerin (Nr. 44/7). Bereits in dem Zusammenhang weist die Antragstellerin zwar mit Recht darauf hin, dass die Bauvorlagen insgesamt nicht ganz auflösbare Widersprüche enthalten. So wird zum einen in der mit Genehmigungsstempel der Antragsgegnerin vom 19.11.2012 versehenen Baubeschreibung vom 25.10.2012 angegeben, dass die Außenwände des Gebäudes im Staffelgeschoss als „Holzständerwand“ (Mauerstärke 24 cm, vgl. Position 8c), ansonsten aber in den anderen Geschossen in Massivbauweise jeweils mit einer Stärke von 38 cm ausgeführt werden sollen, die sich aus einem gemauerten Teil (24 cm) und zusätzlich aufzubringendem Wärmeschutz (14 cm) zusammensetzt (vgl. Position 8.6, „Gesamtkonstruktion der Außenwände“). Zum anderen sind aber – nach wie vor – in den mit Genehmigungsstempeln versehenen und den Inhalt der Baugenehmigung mit bestimmenden Grundrisszeichnungen bei den Außenwänden mehrfach ganz unterschiedliche Stärken dargestellt, die dann der Antragstellerin Veranlassung gegeben haben, entsprechende „Zurechnungen“ vorzunehmen beziehungsweise die Differenzen bei den vor diesen Wänden jeweils freigehaltenen Abstandsflächen „in Abzug“ zu bringen. Beim Vergleich der Darstellungen der Wandstärken in den Grundrisszeichnungen mit den Fassadenschnitten in den Abstandsflächennachweisen ist allerdings festzustellen, dass auch dort für verschiedene Wandabschnitte unterhalb des Staffelgeschosses unterschiedliche Aufbaubeschreibungen zugrunde gelegt wurden. So geht beispielsweise die Berechnung des Grenzabstands für die im mittleren Gebäudeabschnitt hervortretende Außenwand auf den Ebenen des Erdgeschosses (A 10.1) und des Obergeschosses (A 10) nicht von – bezogen auf die reine Mauerstärke – 24er, sondern nur von 15er Wänden („d=15“) aus, die nach der Beschreibung des Aufbaus neben einem Kalksandsteinmauerwerk (15 cm) zusätzlich eine Stärke von 11 cm bestehend aus Dünnbettmauermörtel (1 cm), Polyurethan-Hartschaum zur Dämmung (8 cm), einer „ruhenden Luftschicht“ (1 cm, Wärmestrom) und einem Gipsputz (1 cm) haben sollen. Diese Wände sind übrigens in den Grundrissen einerseits mit „27“ im Erd- und mit 23 im Obergeschoss vermaßt worden, wohl um eine „Staffelung“ zu erreichen. Angesichts der in den Abstandsflächennachweisen – insoweit maßgebend – für die Genehmigung vorgenommenen Relation zwischen der Grenze und dem äußersten Punkt der Wand, muss dem aber ebenso wenig weiter nachgegangen werden wie der Frage nach der Stimmigkeit hinsichtlich der generellen Kennzeichnung Stärke der tragenden Außenwände in der Baubeschreibung vom 23.10.2012 (24 + 14 = 38 cm).

Auch das betrifft indes, jedenfalls was die Frage der Einhaltung der nachbarschützenden Abstandsflächenregelungen anbelangt, die bereits angesprochene Frage der Ausführbarkeit des Vorhabens entsprechend der Genehmigung. Wenn man dementsprechend – mit der Beigeladenen – für die Ermittlung der erforderlichen Tiefen der Abstandsflächen allein von den entsprechenden Nachweisen ausgeht, und die dabei für die einzelnen, dem Grundstück der Antragstellerin zugekehrten Wandabschnitte hinsichtlich des Aufbaus der Wände und des jeweiligen Abstands ihres äußersten Punktes zur Grundstücksgrenze die Fassadenschnitte in den Einzelplänen „Detailfassaden Abstandsfläche“ zugrunde legt, ergeben sich nach dem Genehmigungsinhalt zumindest nicht ohne weiteres ausräumbare Bedenken, ob das damit zugelassene Mehrfamilienhaus („Stadtresidenz“) den Anforderungen des saarländischen Abstandsflächenrechts genügt.

Das folgt bereits daraus, dass die Höhe der nach den genehmigten Ansichten auf die Außenkante des Gebäudes reichenden und diese sogar geringfügig überschreitenden seitlichen Umwehrung der Dachterrasse auf der Ebene des Staffelgeschosses bei der Ermittlung der Wandhöhe zur Berechnung der Abstandsflächen A 10 und A 10.1 im Sinne des § 7 Abs. 4 LBO 2004 nicht berücksichtigt worden ist. Der insoweit mitbetroffene, im mittleren Bereich des Hauses seitlich hervortretende Gebäudeteil ist für die Ermittlung seiner Wandhöhe zum einen einheitlich und zum anderen einschließlich der genannten Umwehrungen zu betrachten. Das aus den Fassadenschnitten zu den Abstandsflächennachweisen A 10.1 für den unteren Wandteil in Erdgeschoss und Teile des Untergeschosses und A 10 betreffend die Außenwand im Obergeschoss letztlich nur aufgrund abweichender Angaben für den Abstand zur Grenze erkennbar werdende Zurücktreten um letztlich wenige Zentimeter (3,49 m – 3,46 m) rechtfertigt keine getrennte Betrachtung unterschiedlicher Wandabschnitte nach der Vorgabe des § 7 Abs. 4 Satz 5 LBO 2004 für „gestaffelte“ Wände. Diese Vorschrift ist abgesehen von Staffelungen in der Höhe nur anwendbar auf Außenwände, deren Wandteile sich durch Vor- oder Rücksprünge deutlich unterscheiden, nicht indes auf – sofern überhaupt wahrnehmbar – derart „feingliedrig“ in der Horizontalen „gestufte“ Wände.(vgl. hierzu etwa Gädtke/Czepun/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage 2011, § 6 Rn 203 mit zeichnerischer Erläuterung) Die Außenwand im Obergeschoss setzt anders als die in dem Bereich deutlich zurückversetzte Wand im Staffelgeschoss bei natürlicher Betrachtungsweise die darunter liegende Außenwand des Erdgeschosses in allenfalls geringfügig modifizierter Form nach oben fort. Vor dem Hintergrund ergibt sich für die aufgrund der Hängigkeit des Geländes zu berechnende „mittlere“, das heißt gemittelte Wandhöhe nach der sog. „Eckpunktbetrachtung“ ein Wert von <(5,89 m + 1,92 m =) 7,81 m + (5,89 m + 3,52 m =) 9,41 m> : 2 = 8,61 m und eine erforderliche Abstandsflächentiefe von (x 0,4) 3,444 m. Diese wäre nach den Abstandsflächenplänen bei Abständen von 3,46 m (unten) beziehungsweise 3,49 m (1. OG) knapp eingehalten. Zusätzlich ist indes über die gesamte Breite die Höhe der nach dem § 38 Abs. 4 Nr. 1 LBO 2004 in den Plänen dargestellten notwendigen seitlichen Umwehrung der Dachterrasse von mindestens 0,90 m anzusetzen. Diese Umwehrung ist jedenfalls nach den Plänen „geschlossen“. Ob – wie die Beigeladene mit der Beschwerde vorträgt, „in Wahrheit“ oder als mögliche Modifikation des Vorhabens eine offene oder offenere Konstruktion in Form eines „lichten“ Edelstahlgeländers vorgesehen ist oder nicht, ist schon wegen der eingangs erwähnten alleinigen Maßgeblichkeit des Genehmigungsinhalts für diese Beurteilung nicht von Bedeutung. Im Übrigen spricht nach der überzeugenden Rechtsprechung des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichts zu der Berücksichtigung derartiger Umwehrungen bei der Bestimmung des oberen Bezugspunktes bei der Ermittlung der Wandhöhe sehr vieles, wenn nicht alles dafür, dass die Herstellungsart der Absturzsicherung (Umwehrung) sowie deren „Transparenz“ im Einzelfall hierfür ohne Belang ist. Sinn und Zweck des Abstandflächenrechts sprechen gegen eine derartige Differenzierung. Neben der Gewährleistung einer ausreichenden Belichtung, Besonnung und Belüftung soll die Abstandsfläche insbesondere den Wohnfrieden im Verhältnis unter den Nachbarn schützen und einen ausreichenden Sozialabstand sichern. Insoweit sind – wie im Übrigen auch bei der Gestaltung der Fassaden von Außenwänden – das Material und damit die Transparenz der Balkonumwehrung irrelevant. Im Gegenteil kann sogar bei einer durchsichtigen Umwehrung der Wohnfrieden eher in Frage gestellt sein.(vgl. hierzu etwa OVG Münster, Urteil vom 12.9.2006 – 10 A 2980/05 –, BRS 70 Nr. 128, Beschlüsse vom 1.6.2007 – 7 A 3852/06 –, BRS 71 Nr. 127 und vom 12.2.2009 – 10 A 3416/07 –, juris) Daraus ergibt sich für die gesamte Wand einheitlich bis zur Oberkante der Terrassenumwehrung auf der Ebene des Staffelgeschosses eine mittlere Wandhöhe von (8,61 m + 0,90 m =) 9,51 m und ein unstreitig in allen Teilen beziehungsweise Geschossen bis zum Obergeschoss nicht gewahrtes Grenzabstandserfordernis von (x 0,4 m) 3,804 m. Bereits aus diesem Grund bestehen erhebliche Bedenken gegen die Einhaltung der durch den § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO geforderten Abstandsfläche im Verhältnis zur Grundstücksgrenze der Antragstellerin. Auf die von der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren vorgelegten modifizierten Pläne, die ein „Abkippen“ der Umwehrung zum Gebäude hin vorsehen, muss hierbei nicht eingegangen werden. Sie sind unstreitig nicht Bestandteil der Baugenehmigung. Legt man die entsprechende „Neufassung“ des Nachweises für die Abstandsfläche A 10 zugrunde, so ist dort übrigens für die Oberkante des abgewinkelten Geländers auch nur ein Abstand zur Grenze von 3,785 m dargestellt und der Fuß der Umwehrung greift danach nach wie vor über die Kante der Außenmauer im Obergeschoss hinaus.(vgl. in dem Zusammenhang Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VII Rn 53, wonach die Abstandspflicht sich auf vorbehaltlich der Privilegierung für „untergeordnete Bauteile“ in § 7 Abs. 6 LBO 2004 grundsätzlich auf alle Teile eines Gebäudes bezieht)

Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für die Berechnung der Abstandsfläche A 9.1 betreffend die der Antragstellerin zugekehrte Außenwand des rückseitigen Teils des Gebäudes. Rechnet man die Höhe der auch in dem Bereich in den Plänen enthaltenen Umwehrung (0,90 m) zu der in Anwendung der Mittelungsregel darunter in Ansatz zu bringenden Wandhöhe von 9,625 m ergibt sich ein bei aus den Plänen ersichtlichen Abstand zur Grenze von 3,99 m ebenfalls nicht eingehaltenes seitliches Abstandserfordernis für diesen Wandabschnitt zum Grundstück der Antragstellerin von (10,525 m x 0,4 =) 4,21 m.

Ohne dass es daher im Ergebnis entscheidend darauf ankäme, sieht sich der Senat mit Blick auf die inzwischen Jahre währenden rechtlichen Auseinandersetzungen um das konkrete Bauvorhaben aus Anlass des Vorbringens der Beteiligten und der Begründung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vorliegend veranlasst auf Folgendes hinzuweisen:

Da die Baugenehmigung bezüglich der Freihaltung der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004), wie gesagt, Abstände der jeweils „fertigen Wand“ zur Grenze vorschreibt, muss im Zusammenhang mit deren Anfechtung beziehungsweise dem auf diesen Verwaltungsakt gerichteten Aussetzungsantrag auf die seitens der Antragstellerin hinsichtlich der berechneten Abstandsfläche A 4 erforderlichen Mindesttiefe von 3 m seitlich der ihrem Grundstück zugewandten Garage mit Flachdach eingewandten Reduzierungen durch „zusätzliche“ Maßnahmen wie Wärmeschutz und Verputz vor der Außenwand nicht eingegangen werden. Bei der in dem Wandabschnitt angegebenen Wandhöhe von lediglich 4,86 m ist der Mindestabstand nach § 7 Abs. 5 Satz 3 LBO 2004 von 3 m ausreichend, aber auch erforderlich. Ausgewiesen ist in den Plänen ein Abstand von 3,04 m. Nach einer durch den Dipl.-Ing. We. im Februar 2012 durchgeführten örtlichen Überprüfung (§ 78 Abs. 6 Satz 1 LBO 2004) ist der Wandabschnitt auf seiner gesamten Tiefe (6,02 m) mit einem durchgehenden seitlichen Grenzabstand von – wohl bezogen auf die Rohbauwand – 3,12 m ausgeführt worden. Insoweit ist zudem kein Wärmeschutz vorgesehen beziehungsweise nachgewiesen, da sich dieser Teil des Gebäudes (Garagen) nach den Bauvorlagen, speziell den Angaben in den Nachweisen zur Abstandsfläche A 4 (Fassadenschnitt mit Beschreibung), nicht innerhalb der „thermischen Hülle“ befindet.

Hinsichtlich der entgegen den Ausführungen der Antragstellerin in der Antragsschrift berücksichtigten Wandabschnitte zwischen der Garage und der für den mittleren Gebäudeabschnitt ausgewiesenen Abstandsfläche A 10, wäre für den unteren Bereich bis zum Dach des Obergeschosses, der in einem seitlichen Grenzabstand von 3,99 m genehmigt wurde, bei isolierter Betrachtung ausweislich der Berechnungen zur Abstandsfläche A 4.3 von der Einhaltung des Grenzabstands auszugehen. Da das auch dann zu gelten hätte, wenn man die in für diesen Abschnitt in den Plänen für den hintersten Punkt angegebene maximale Wandhöhe von (5,89 m + 1,92 m =) 7,81 m zugrunde legt (7,81 m x 0,4 = 3,124 m), bestehen insoweit keine durchgreifenden Bedenken gegen die von der Antragsgegnerin im Genehmigungsverfahren akzeptierten Berechnungen der Beigeladenen. Als wesentlich problematischer erscheint dagegen die unter A 4.2 vorgenommene Berechnung der Abstandsfläche für den darüber liegenden Bereich der rechten Außenwand des Staffelgeschosses. Hierfür haben die Beigeladene beziehungsweise ihr Entwurfsverfasser eine Wandhöhe von aus der rechten Seitenansicht übernommenen 8,66 m zuzüglich der unterhalb der Bezugshöhe des Einfahrtsniveaus zu realisierenden –1,70 m, also in der Summe 10,36 m angesetzt, was rechnerisch eine erforderliche Abstandsflächentiefe (Grenzabstand) von (10,36 m x 0,4 =) 4,144 m ergibt. Dabei wurde – das zeigt die beigefügte Ansichtszeichnung – offensichtlich die in der Mitte dieses Wandabschnitts nach den vorgenannten Maßen „gemessene“ Wandhöhe zugrunde gelegt. Die in der „Mitte“ des betrachteten Wandabschnitts gemessene Wandhöhe ist allerdings in der Regel nicht, beziehungsweise nur bei gleichmäßig ansteigendem oder fallendem Gelände die bei geneigten Geländeoberflächen nach § 7 Abs. 4 Satz 4 LBO maßgebende „im Mittel gemessene“ Wandhöhe. Legt man die zumindest bei relativ gleichmäßig geneigten Geländeoberflächen (hier auf einer Tiefe von 5,25 m etwa 0,22 m) tolerable Eckpunktmethode(vgl. den Möglichkeiten für die Ermittlung der „mittleren Wandhöhe“ bei geneigtem Gelände  allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 44) zugrunde, ergibt sich nach den vermaßten Plänen eine „mittlere“ Wandhöhe in diesem Abschnitt von (8,66 m + 1,70 m =)10,36 m + (8,66 m + 1,92 m =) 10,58 m = 20,94 m : 2 = 10,47 m. Daraus folgt ein Abstandflächenerfordernis (Tiefe) von (10,47 m x 0,4 =) 4,188 m, das, da das geltende Abstandsflächenrecht grundsätzlich keine Rundungsmöglichkeiten mehr vorsieht,(vgl. zu den nach der früheren Fassung der LBO eröffneten Abrundungsmöglichkeiten § 6 Abs. 5 Satz 3 LBO 1996) zwar im Tausendstelbereich (8 mm) über dem nach der Genehmigung einzuhaltenden Abstand von 4,18 m zur Grenze der Antragstellerin liegt. Da die alternative, bei größeren Geländeversprüngen gebotene, generell exaktere Möglichkeit zur Berechnung „gemittelter Wandhöhen“ über die sog. „Flächenbetrachtung“ hier wegen des erst im hinteren Teil des Abschnitts auf einer vergleichsweise geringeren Tiefe stärker auf das Niveau von –1,92 m abfallenden Geländes in jeden Fall zu einem – wenn auch geringfügig – aus Sicht der Beigeladenen günstigeren Ergebnis führt, bestünde aus Sicht des Senats aber deswegen noch keine Veranlassung, die in den Plänen angestellte Berechnung der Tiefe der Abstandsfläche A 4.2 zum Anlass zu nehmen, die Vollziehbarkeit der Baugenehmigung auszusetzen. Als zusätzlich problematisch erscheint jedoch auch bei diesem Teil des Gebäudes, ob die nach dem „Fassadenschnitt“ vorgesehene Zurücksetzung der Vorderseite des (ganzen) Staffelgeschosses gegenüber der Außenwand des Obergeschosses um (4,18 m – 3,99 m =) 19 cm mit einem zusätzlich vor die Außenwand in Richtung zum Grundstück der Antragstellerin hin auskragenden Flachdach bei natürlicher Betrachtungsweise nach den zuvor genannten Kriterien noch als eine die abstandsflächenrechtliche Aufspaltung der Wand im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 5 LBO rechtfertigende Staffelung angesehen werden kann. Wäre das, wofür vieles spricht, zu verneinen, hätte das zur Folge, dass die von der Beigeladenen in den Abstandsflächenberechnungen A 4.3 und A 4.2 betrachtete Wand einheitlich zu beurteilen wäre, mit der Folge dass auch im unteren Teil, das heißt bezogen auf das Erd- und das Obergeschoss einheitlich der aus der (dann) mittleren Gesamthöhe zu errechnende Grenzabstand von 4,188 m einzuhalten wäre.

2. Die Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit war zur Klarstellung auf den in der Baugenehmigung inhaltlich in Bezug genommenen, gleichwohl selbständig erteilten Befreiungsbescheid („Zulassungsbescheid“) der Antragsgegnerin vom 19.11.2012 zu erstrecken, obwohl diese Verwaltungsentscheidung für sich genommen keinen – mit Blick auf die Befugnis zur Ausführung des Vorhabens – eigenständigen vollziehbaren Inhalt aufweist.27(vgl. zur Anwendbarkeit des § 212a Abs. 1 BauGB zumindest auf selbständige Befreiungsbescheide von Gemeinden nach § 68 Abs. 3 LBO 2004 OVG des Saarlandes, Beschluss vom 5.7.2007 – 2 B 144/07 –, BRS 71 Nr. 173) Das gilt ungeachtet der Frage, ob durch die insoweit einschlägigen bauplanungsrechtlichen Anforderungen beziehungsweise deren Nichtbeachtung selbständig subjektive Abwehrrechte der Antragstellerin verletzt werden oder nicht. Der Befreiungsbescheid bezieht sich auf ein bestimmtes Bauvorhaben, hier das den Gegenstand der unter demselben Datum erteilten Baugenehmigung bildende Mehrfamilienhaus („Stadtresidenz“). Liegen nach dem zuvor Gesagten unter verschiedenen Aspekten zumindest ernst zu nehmende Anhaltspunkte für eine Verletzung der Grenzabstandsvorschriften (§ 7 LBO 2004) vor, so steht eine auch bei Befreiungen (§ 31 Abs. 2 BauGB) von nicht nachbarschützenden Festsetzungen in Bebauungsplänen in Betracht zu ziehende Verletzung des Gebots der nachbarlichen Rücksichtnahme im Raum.(vgl. hierzu allgemein bereits OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 48/12 –)

3. Zusammengefasst muss daher von der angesichts der Wertungsvorgabe des Bundesgesetzgebers in dem § 212a Abs. 1 BauGB für die Aussetzung einer Baugenehmigung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs des Nachbarrechtsbehelfs in der Hauptsache beziehungsweise von „ernstlichen Zweifeln“ an der nachbarrechtlichen Unbedenklichkeit der Baugenehmigung vom 19.11.2012 und des gleichzeitig (selbständig) erteilten Befreiungsbescheids ausgegangen werden.

4. Im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss – wie bereits in seiner Aussetzungsentscheidung vom Februar 2012(vgl. VG des Saarlandes, Beschluss vom 14.2.2012 – 5 L 1918/11 –) zu den inzwischen infolge Verzichts erledigten „Zulassungsbescheiden“ vom 9.11.2011 und vom 2.2.2012 – ferner unter Wiedergabe seiner damaligen Erwägungen davon ausgegangen ist, dass (auch) der inhaltsgleiche „Zulassungsbescheid“ bereits aufgrund einer hier gebotenen kumulierenden Betrachtung der zahlreichen Befreiungen von den jeweils für sich betrachtet nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans „W.“, beziehungsweise wegen der insoweit eröffneten Möglichkeiten zur „Vergrößerung“ des Vorhabens im Vergleich zu den nach den städtebaulichen Vorgaben der Antragsgegnerin im Bebauungsplan (auch) unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten mit dem Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme (§ 15 BauNVO) nicht zu vereinbaren sei, ist auf die diesbezüglich schon im Beschluss des Senats vom Mai 2012(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 48/12 –) geäußerten grundsätzlichen Bedenken zu verweisen.

Das gilt für die jetzt streitige, eigentlich nur inhaltlich „wiederholende“ Befreiungsentscheidung vom 19.11.2012 in gleicher Weise. Dass es sich nach Maßgabe der Festsetzungen ihres eigenen Bebauungsplans „W.“, wie bereits im genannten Beschluss des Senats ausgeführt, um ein in mehrfacher Hinsicht objektiv rechtswidriges Bauvorhaben handelt, das von der Antragsgegnerin durch mehrere – was die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB und vor allem die Nichtbetätigung des ihr dadurch (ohnehin nur) bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eingeräumten Ermessens anbelangt – nicht einmal den rechtlichen Mindestanforderungen des § 31 Abs. 2 BauGB genügende „Dispense“ legalisiert wurde, wird zwischenzeitlich wohl sogar von der Antragsgegnerin so gesehen. Das lässt sich dem von der Antragstellerin vorgelegten Antwortschreiben der Obersten Bauaufsichtsbehörde vom Mai 2013(vgl. das Schreiben Ministeriums für Inneres und Sport vom 17.5.2013 – F/3 – 14.3-88/13 BN –) auf ihre „Beschwerde über die Befreiungspraxis“ der Antragsgegnerin entnehmen. Dort heißt es, die um eine Stellungnahme zu der Eingabe gebetene „Untere Bauaufsichtsbehörde“ der Antragsgegnerin habe eingeräumt, dass die von ihr erteilten Befreiungen „nicht rechtsfehlerfrei“ seien und gleichzeitig „versichert“, dass sie die gesetzlichen Grenzen für die Ermessensausübung bei der Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB „künftig einhalten“ werde. Letzteres betrifft nicht den vorliegenden Fall, in dem offenbar weder von Seiten der Antragsgegnerin noch von Seiten der Aufsichtsbehörde weiterer Handlungsbedarf gesehen wird.

Dem von daher ohne weiteres nachvollziehbaren „Unverständnis“ der Antragstellerin beziehungsweise dem verständlichen und vom Senat durchaus geteilten „Unbehagen“ des Verwaltungsgerichts lässt sich allerdings auf der Grundlage des in Deutschland strikt an das Erfordernis der subjektiven Rechtsverletzung anknüpfenden Systems des öffentlich-rechtlichen Baunachbarschutzes wohl kaum auf diese Weise Rechnung tragen. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts zur Begründung einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch ein unter Ausnutzung von der Behörde rechtswidrig erteilter weitgehender Befreiungen von zahlreichen – nach gegenwärtigem Erkenntnisstand – „per se“ nicht nachbarschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans zugelassenes Bauvorhaben aus der Perspektive des Eigentümers eines – unter entsprechenden Vorgaben derselben Behörde – plankonform bebauten benachbarten Grundstücks vernachlässigt, dass es bei der Frage der Rücksichtslosigkeit wegen „räumlicher“ Wirkungen eines Bauwerks um faktische Auswirkungen desselben geht, die letztlich auch unabhängig von konkreten planerischen Festsetzungen die Zumutbarkeitsschwelle für den Nachbarn überschreiten müssen. Ansonsten – und darauf läuft die Sichtweise des Verwaltungsgerichts im Ergebnis hinaus – würde den im konkreten Fall dispensierten städtebaulich-planerischen Vorgaben des Bebauungsplans auf diesem Umweg letztlich doch eine nachbarschützende Wirkung beigemessen, die ihnen – im konkreten Fall bisher unstreitig – nach dem Bebauungsplan nicht zukommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen Festsetzungen betreffend das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO), der Bauweise (§ 22 BauNVO)(vgl. insoweit indes zur besonderen Festsetzung „Doppelhaus“ i. S. von § 22 Abs. 2 BauNVO BVerwG, Urteil vom 24.2.2000 – 4 C 12.98 –, BRS 63 Nr. 185) und der überbaubaren Grundstücksfläche (§ 23 BauNVO) – vorbehaltlich eines hier nicht ersichtlichen abweichenden Festsetzungswillens der Gemeinde aber anders als bei der Baugebietsausweisung hinsichtlich der zulässigen Art der baulichen Nutzung gerade kein generelles rechtliches Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümerinnen und Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet.(vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 23.6.1995 – 4 B 52.95 –, BRS 57 Nr. 209, zu einer vom Nachbarn angefochtenen Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern, bei denen – ebenfalls – die Festsetzungen über die zulässige Geschosszahl, die Begrenzung der Geschossflächenzahl und auch die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche nicht eingehalten worden waren) Von daher unterliegt die Bewertung des Verwaltungsgerichts, obgleich in der Sache nachvollziehbar, im Ergebnis nach wie vor zumindest nicht unerheblichen Bedenken.

Darüber hinaus bleibt nochmals festzuhalten, dass – die Richtigkeit des Vorbringens der Antragstellerin unterstellt, dass die linken Nachbarn des Baugrundstücks an sämtlichen im Falle der Beigeladenen dispensierten Festsetzungen des Bebauungsplans „festgehalten“ wurden – das Verhalten der Antragsgegnerin im konkreten Fall unabhängig von der auszuschließenden Vermittelbarkeit gegenüber den sich entsprechend den planerischen Vorgaben (wohlgemerkt:) der Antragsgegnerin (selbst) im Bebauungsplan „W.“ bauenden Bürgerinnen und Bürgern – mit einer an rechtsstaatlichen Maßstäben orientierten behördlichen Praxis schwer zu vereinbaren sein dürfte. Das gilt insbesondere angesichts der von der Antragstellerin angesprochenen Tatsache, dass die offensichtliche objektive Rechtswidrigkeit des von der Antragsgegnerin in welcher verfahrensrechtlichen Form auch immer – zugelassenen Bauvorhabens in den bisher zu dem Fall ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Senats seit Anfang 2012 unmissverständlich angesprochen worden ist. Das anschließende Verhalten der Antragsgegnerin mag man als schwer nachvollziehbar, einseitig, „ungerecht“ oder dergleichen ansehen. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass ihr in dem Bereich ein im Rahmen von Nachbarrechtsbehelfen mangels subjektiver Rechtsverletzung nicht justiziabler Entscheidungsspielraum „jenseits“ der gesetzlichen Vorgabe des § 57 Abs. 2 LBO 2004 verbleibt. Dass der Antragsgegnerin bei ihren Befreiungsentscheidungen deren Rechtswidrigkeit nach dem Ergebnis der vorausgegangenen gerichtlichen Auseinandersetzungen um das Bauvorhaben seit dem Jahre 2011 bekannt gewesen sein dürfte, führt entgegen der Ansicht der Antragstellerin allerdings nicht bereits zur Nichtigkeit des Befreiungsbescheids vom 19.11.2012 im Sinne von § 44 Abs. 1 SVwVfG.

B.

Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin auch zu Recht – antragsgemäß – verpflichtet, die Bauarbeiten auf der Grundlage von § 81 LBO 2004 (erneut) sofort vollziehbar einzustellen.

Insoweit mag der Beigeladenen zwar Recht zu geben sein, dass Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz gerichtet auf bauordnungsrechtliches Einschreiten gegen ein im sog. „Vollgenehmigungsverfahren“ nach einer umfassenden Prüfung zugelassenes Bauvorhaben (§§ 65, 73 LBO 2004) auf der Grundlage der Vorschriften für die Verwaltungsakte mit Doppelwirkung in dem § 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 VwGO und wegen der auch insoweit geltenden Subsidiaritätsklausel des § 123 Abs. 5 VwGO nicht im einstweiligen Anordnungsverfahren zu behandeln sind. Da dabei allerdings – soweit hier von Bedeutung – vergleichbare Maßstäbe für den Erfolg derartiger Begehren gelten, muss diesem eher theoretischen Streit nicht weiter nachgegangen werden.

Hinsichtlich des geplanten Mehrfamilienhauses der Beigeladenen liegen nach der Aussetzung der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004 für den Erlass einer Baueinstellungsanordnung vor. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand spricht – wie ausgeführt – viel dafür, dass die nach § 7 Abs. 1 LBO 2004 vor den Außenwänden des Gebäudes einzuhaltenden und hinsichtlich ihrer Tiefe nach den Vorgaben des § 7 Abs. 4 und 5 LBO 2004 zu ermittelnden Abstandsflächen an der dem Grundstück der Antragstellerin zugekehrten Seite des Bauvorhabens nicht vollständig auf dem Baugrundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) liegen werden. Die Nichtbeachtung dieser anerkannt nachbarschützenden landesrechtlichen Vorschriften würde der Antragstellerin als direkter Grundstücksnachbarin während der Bauphase grundsätzlich ungeachtet des der Behörde in § 81 Abs. 1 LBO 2004 eingeräumten Ermessens und unabhängig von einer tatsächlichen Betroffenheit einen subjektiven Anspruch auf Tätigwerden der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, hier der Antragsgegnerin, vermitteln. Dass die Beigeladene inzwischen offenbar erneut eine abweichende Ausführung des Vorhabens in Erwägung zieht, um die Bedenken hinsichtlich der Umwehrungen der Terrasse auf dem Dach des Obergeschosses auszuräumen, steht dem nicht entgegen. Diese Variation des insgesamt genehmigungsbedürftigen Vorhabens wurde von der Beigeladenen bisher ersichtlich nicht im Wege einer Tektur in das Verfahren eingeführt, wobei die Frage einer – hier ohnehin nicht ersichtlichen – Verfahrensfreistellung der Änderung (§ 61 Abs. 1 LBO 2004) und deren Berücksichtigung bereits im vorliegenden Verfahren auch mit Blick auf den § 81 LBO 2004 keiner Vertiefung bedarf. Die Baueinstellung soll gerade auch die Beachtung bauaufsichtlicher Zulassungserfordernisse sicherstellen. Insoweit hätte es der Beigeladenen oblegen, die von ihr wohl in Erwägung gezogenen baulichen Änderungen zunächst einer Überprüfung durch die Antragsgegnerin, die nach eigenem Vortrag im Beschwerdeverfahren inzwischen übrigens selbst von einer Relevanz der Umwehrung in der genehmigten Form bei der Bestimmung der Wandhöhe nach § 7 Abs. 4 LBO 2004 ausgeht, in einem ergänzenden Baugenehmigungsverfahren zuzuführen. Schon das ist jedenfalls nach Aktenlage nicht geschehen. Hinsichtlich der voraussichtlichen abstandsflächenrechtlichen Irrelevanz dieser Veränderung kann auf das oben Gesagte verwiesen werden.

Von daher muss hier nicht vertieft werden, inwieweit es, da es für die Beurteilung von Einschreitensansprüchen der Antragstellerin im Falle einer abweichenden Ausführung in auf den geschaffenen Baubestand ankommt, nach der Teilrealisierung des nach Angaben der Antragstellerin beziehungsweise eines von ihr beauftragten Vermessungsingenieurs abweichend von der Genehmigung errichteten Bauwerks gerechtfertigt wäre, das Baueinstellungsgebot unabhängig vom Anfechtungsstreit „fortzuschreiben“, um eine Schaffung „vollendeter Tatsachen“ durch Fertigstellung eines jedenfalls in der Ausführung nachbarrechtswidrigen Bauwerks unter Verwendung dieser vorhandenen Abschnitte des Rohbaus bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren zu verhindern, zumal die in den Abstandsflächenberechnungen ermittelten seitlichen Abstände zu der Grenze der Parzelle Nr. 44/7 an verschiedenen Stellen „zentimetergenau“ in die Grundrisszeichnungen übernommen worden sind, bei den Wandstärken aber – wie gesehen – zumindest Raum für Interpretationen mit Blick auf die allgemeine Vorgabe für tragende Außenwände in der Baubeschreibung besteht.

Eine unter Ausnutzung der Vollziehbarkeit einer Baugenehmigung (§ 212a Abs. 1 BauGB) erfolgende Bauausführung fällt generell, und zwar über das zuvor Gesagte hinaus auch bei genehmigungskonformer Ausführung des Vorhabens, etwa wenn schon in der Genehmigung enthaltene, aber vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht erkannte Nachbarrechtsverstöße vorliegen, in den Bereich des „Bauens auf eigenes Risiko“, für den der Bundesgesetzgeber den Nachbarn auf eine Durchsetzung etwaiger Abwehransprüche nach einem Obsiegen in der Hauptsache mit gegebenenfalls gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen für die Bauherrinnen und Bauherren verwiesen hat. Aus dieser verfahrensrechtlichen Vorgabe lassen sich keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der materiellen Abwehrposition des sich gegen ein Bauvorhaben wendenden Nachbarn ableiten. An diesen Anforderungen wird sich gegebenenfalls das Bauwerk nach Fertigstellung „messen“ lassen müssen. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Einschreiten gegenüber der Beigeladenen oder Rechtsnachfolgern zur Ausräumung etwaiger im Hauptsacheverfahren festgestellter Nachbarrechtsverstöße richtete sich im Übrigen, auch das sei bereits in dem Zusammenhang zur Klarstellung ergänzend angemerkt, wegen des Verbots des Erlasses so genannter Baugebote im Rahmen des repressiven Bauordnungsrechts auf den Erlass einer Beseitigungsanordnung (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) für das Mehrfamilienhaus (insgesamt).(vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 17.6.2010 – 2 A 425/08 –, BRS 76 Nr. 196) Schließlich bleibt, wie bereits im Beschluss des Senats vom Mai 2012(vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.5.2012 – 2 B 48/12 –, SKZ 2012, 172, Leitsatz Nr. 24) ausgeführt, festzuhalten, dass das 2004 im materiellen Abstandsflächenrecht aus energiepolitischen Erwägungen heraus verankerte Privileg für abstandsflächenrechtlich relevante „nachträgliche“ Außenwandverkleidungen in dem § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LBO 2004 für die hier zur Rede stehende Neubaumaßnahme nicht „nachträglich“ in Anspruch genommen werden kann.

Auch eine bei unterstellter Einhaltung der abstandsflächenrechtlichen Vorgaben – vorbehaltlich sonstiger Erkenntnisse – erfolgende Zurückweisung des Aussetzungsantrags (§ 80a VwGO) gegen die Baugenehmigung und des Anordnungsbegehrens (§ 123 Abs. 1 VwGO) der Antragstellerin, würde daher nichts daran ändern, dass die Realisierung des Bauvorhabens, speziell was die in Ausübung der Gestaltungsfreiheit der Beigeladenen als Bauherrin von ihr selbst eng gezogenen „Spielräume“ hinsichtlich der seitlichen Grenzabstände anbelangt, mit Blick auf die Grundentscheidung des Bundesgesetzgebers in § 212a Abs. 1 BauGB hier als besonders riskante Variante des „Bauens auf eigenes Risiko“ in einer genehmigungskonformen Ausnutzung der (bisher nur) vorläufigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache unter Einhaltung insbesondere der Grenzabstandserfordernisse anzusehen ist. Bezogen auf die tatsächliche Ausführung wird allerdings am fertig gestellten Bauwerk durch Vermessung die Feststellung der tatsächlich eingehaltenen Abstände zur Grundstücksgrenze der Antragstellerin mit Blick auf den strikt nachbarschützenden Charakter der Abstandsflächenvorschriften sicher gegenüber den derzeitigen Erkenntnismöglichkeiten deutlich vereinfacht werden.

Demnach war die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu bestätigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 1 211,42 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

1. Der 1960 geborene Kläger war bis zu seiner Zurruhesetzung mit Ablauf des 30. Juni 2012 als Feuerwehrbeamter in der Berufsfeuerwehr der Beklagten tätig, zuletzt im Range eines Brandmeisters. Beim Brand eines Mehrfamilienwohnhauses am 3. Februar 2008 war der Kläger als Maschinist an einer der Drehleitern eingesetzt. Außerdem half er, ein sog. Sprungpolster unmittelbar vor das brennende Haus zu tragen. Bei dem Brandereignis kamen mehrere Menschen zu Tode oder wurden verletzt, weil sie - offenbar in Panik - beim Sprung aus dem Haus das Sprungpolster verfehlten bzw. in das (noch) nicht einsatzbereite Sprungpolster sprangen.

3

Nach dem Brandereignis leistete der Kläger zunächst weiterhin Dienst. Seit August 2008 war er nach einer im Dienst erlittenen Handverletzung dienstunfähig erkrankt. Im März 2009 erkannte die Beklagte eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als Dienstunfallschaden an. Über einen inzwischen erfolgten Widerruf dieses Anerkennungsbescheides ist noch nicht bestandskräftig entschieden.

4

Mit Wirkung ab Dezember 2011 stellte die Beklagte die Zahlung der Zulage für den Dienst zu ungünstigen Zeiten ein, weil die Weitergewährung einen Dienstunfall voraussetze, bei dem für den Beamten eine besondere Lebensgefahr bestanden habe (vgl. § 4a Abs. 1 EZulV, § 37 Abs. 1 BeamtVG). Dies sei bei dem erwähnten Brandereignis nicht der Fall gewesen. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat - nach Durchführung einer Beweisaufnahme -zur Begründung im Wesentlichen darauf abgehoben, der Kläger habe sich bei dem Brandereignis nicht einer besonderen Lebensgefahr i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ausgesetzt, als er mitgeholfen habe, das Sprungpolster vor das brennende Haus zu ziehen; vielmehr habe er sich danach sofort wieder an seinen relativ sicheren Platz an der Drehleiter begeben.

6

2. Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

7

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob sich ein Beamter i.S.d. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr nur dann aussetzt, wenn er sich in diese Lebensgefahr begibt und sodann in dieser gefährlichen Lage verbleibt, oder ob das Tatbestandsmerkmal des Sichaussetzens auch dann erfüllt ist, wenn sich der Beamte sodann aus der Gefahrenzone entfernt.

8

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Dies ist nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage bereits vorliegender bundesgerichtlicher Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 13. Dezember 2013 - BVerwG 2 B 79.13 - NVwZ-RR 2014, 397 Rn. 7).

9

Hiernach wirft die Beschwerde keine neue grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, sondern wendet sich gegen die den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindende Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Einzelfall.

10

Im Übrigen sind die maßstäblichen Voraussetzungen eines sog. qualifizierten Dienstunfalls i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 2 C 51.11 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 4 Rn. 10 ff. m.w.N.). Hiernach erfordert § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zunächst in objektiver Hinsicht eine Diensthandlung, mit der für den Beamten typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden ist. Die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts setzt damit eine Dienstverrichtung voraus, die bei typischem Verlauf das Risiko entsprechender Verletzungen in sich birgt, sodass deren Eintritt als Realisierung der gesteigerten Gefährdungslage und nicht als Verwirklichung eines allgemeinen Berufsrisikos erscheint (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 2 C 17.98 - Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 2 S. 2). Ob die Diensthandlung für das Leben des Beamten eine solche Gefahr begründet hat, erfordert eine wertende Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls (Urteil vom 12. April 1978 - BVerwG 6 C 59.76 - Buchholz 232 § 141a BBG Nr. 4 S. 4 und Beschluss vom 30. August 1993 - BVerwG 2 B 67.93 - juris Rn. 6). Weiter ist für die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls erforderlich, dass der Beamte sich der Gefährdung seines Lebens bewusst ist; dieses Bewusstsein folgt in aller Regel bereits aus der Kenntnis der die Gefahr begründenden objektiven Umstände (Urteil vom 13. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 13 ff.).

11

Diese Rechtsgrundsätze liegen dem Berufungsurteil zugrunde, wie die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Oberverwaltungsgericht belegt.

12

3. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die Revision auch nicht wegen der von der Beschwerde behaupteten Divergenz zuzulassen ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

13

Eine Divergenz in diesem Sinne setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt hierfür nicht (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f. = NJW 1997, 3328 und vom 9. April 2014 - BVerwG 2 B 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 3).

14

Ein solcher prinzipieller Auffassungsunterschied zu dem von der Beschwerde angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2012 (a.a.O. Rn. 10) ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Würdigung der Umstände des konkreten Streitfalls darauf abgestellt, dass sich der Kläger bei dem Brand vom 3. Februar 2008 keiner besonderen Gefahr i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG „ausgesetzt" habe, weil er sich nach dem Aufstellen des Sprungpolsters an seinen Einsatzort an der Drehleiter begeben und von dort das Geschehen beobachtet habe. Darin unterscheide sich der Fall des Klägers von dem seines Kollegen, der versucht habe, unter Einsatz seines Lebens das Sprungpolster funktionsfähig zu machen. Dieser Einzelfallwürdigung kann - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht die Aussage des Oberverwaltungsgerichts entnommen werden, dass die eingangs dargestellten Rechtsgrundsätze um ein einschränkendes Kriterium zu ergänzen seien, nämlich dass der Betroffene sich nicht wieder aus dem Gefahrenbereich entfernen dürfe. Vielmehr ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die gesteigerte Gefährdungslage i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG mehr als nur einen kurzen, nach Lage der Dinge nicht ins Gewicht fallenden Moment bestanden haben muss.

15

4. Eine Zulassung der Revision wegen des von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangels einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2, § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 138 Nr. 3 VwGO) scheidet ebenfalls aus.

16

Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass es beabsichtige, das Vorliegen eines qualifizierten Dienstunfalls deshalb zu verneinen, weil es an einer mit dem Einsatz an dem Sprungpolster verbundenen objektiven Lebensgefahr fehle. Dieser Aspekt habe zuvor im gesamten Verfahren keine Rolle gespielt. Da ein solcher Hinweis weder vor noch in der mündlichen Verhandlung erfolgt sei, liege ein Gehörsverstoß in Gestalt einer Überraschungsentscheidung vor. Dieser Vorwurf ist unberechtigt.

17

Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung folgt aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör auch in der Ausprägung, die er in § 86 Abs. 3 und § 104 Abs. 1 VwGO gefunden hat, keine Pflicht des Gerichts zur umfassenden Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte. Insbesondere muss das Gericht die Beteiligten nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 13. Mai 1976 - BVerwG 2 C 26.74 - Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1 Orientierungssatz 6 und S. 16; Beschluss vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 S. 2 m.w.N.). Etwas anders gilt allerdings dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf Anforderungen an den Sachvortrag oder auf sonstige rechtliche Gesichtspunkte stützen will, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nicht zu rechnen brauchte (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.>).

18

Hieran gemessen liegt eine gehörsverletzende Überraschungsentscheidung nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat - wie schon zuvor das Verwaltungsgericht - im Rahmen einer Beweisaufnahme zwei Feuerwehrbeamte als Zeugen zum Ablauf des Feuerwehreinsatzes vom 3. Februar 2008 angehört und zudem (weitere) Sachverständigengutachten zur Frage des Bestehens einer besonderen Lebensgefahr eingeholt, die von den Gutachtern in der mündlichen Verhandlung erläutert wurden. Auch die Frage der kurzen Verweildauer des Klägers am Sprungpolster wurde in der Beweisaufnahme thematisiert (vgl. Sitzungsprotokoll S. 12: „Auch wenn sich der Kläger <...> nur kurze Zeit an dem Sprungpolster aufgehalten haben sollte <...>"). Damit mussten der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter damit rechnen, dass die sich aus dieser Beweisaufnahme ergebenden Einzelheiten des Feuerwehreinsatzes und dessen Schilderung durch den Kläger im Rahmen seiner medizinischen Exploration für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidungserheblich sein würden. Zu welchem Ergebnis diese Beweisaufnahme führen und welche Umstände dabei für das Oberverwaltungsgericht letztlich entscheidend sein würden, war naturgemäß nicht absehbar. Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten, vor der maßgeblichen Schlussberatung seine vorläufige Beweiswürdigung vorab den Beteiligten mitzuteilen.

19

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. September 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

Die Klägerin ist beamtete Lehrerin im Dienst des Landes Schleswig-Holstein. An einem Tag im Juni 2010 nahm sie während ihrer Unterrichtszeit an einem Streik teil, zu dem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft aufgerufen hatte. Zielrichtung des Streiks war insbesondere die Bekämpfung der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und der Verlängerung der Arbeitszeit für Lehrkräfte. Wegen der Teilnahme an diesem Streik erhielt die Klägerin einen disziplinarischen Verweis. Ihre dagegen erhobene Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung unter Bezugnahme auf die ausführlich zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 23 ff.) darauf abgestellt, dass Beamte derzeit nicht berechtigt seien, sich an kollektiven Kampfmaßnahmen zu beteiligen oder diese zu unterstützen.

3

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 2. Februar 2011 - 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507).

4

Auch wenn in der Entscheidung eines obersten Fachgerichts bereits alle wesentlichen Aspekte einer Rechtsfrage gewürdigt worden sind, muss es einem Beschwerdeführer - schon im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde - unbenommen bleiben, in seinem Verfahren eine Überprüfung dieser Würdigung zu begehren, wenn er dafür vernünftige und gewichtige Gründe anführen kann. Das gilt besonders, wenn es sich um eine verfassungsrechtliche Frage handelt, die umstritten geblieben ist und über die auch das Bundesverfassungsgericht noch nicht abschließend entschieden hat (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 1994 - 1 BvR 1022/88 - BVerfGE 91, 93 <106>). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dann, wenn die betreffende Rechtsfrage bereits durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt ist, eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - nur - zulässig, wenn neue Gesichtspunkte vorgebracht werden (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 2. August 1960 - 7 B 54.60 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 2 S. 2 und vom 25. November 1992 - 6 B 27.92 - Buchholz 421.0 Nr. 306 S. 224).

5

Die hier als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage:

„Kann Art. 33 Abs. 5 GG durch Gerichte unter Berücksichtigung der sich aus Art. 11 EMRK ergebenden Grundsätze dahingehend ausgelegt werden, dass Beamten ein Recht auf kollektive Kampfmaßnahmen zuzubilligen ist?"

rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, denn sie ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.

6

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Februar 2014 (2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117) ausgeführt, dass einerseits das umfassende Streikverbot für Beamte als hergebrachter Grundsatz nach Art. 33 Abs. 5 GG Geltung beansprucht (Rn. 23 ff.), andererseits dieses Streikverbot für außerhalb des genuin hoheitlichen Bereichs tätige Beamte mit der Koalitionsfreiheit des Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unvereinbar ist (Rn. 34 ff.), der Gesetzgeber verpflichtet ist, einen konventionskonformen Zustand herzustellen (Rn. 52 ff.), und bis zu einer Auflösung der Kollisionslage durch den dazu allein berufenen Gesetzgeber das statusbezogene beamtenrechtliche Streikverbot nach wie vor geltendes Recht ist (Rn. 56 ff.).

7

In dem erwähnten Urteil ist im Einzelnen dargelegt, dass Art. 33 Abs. 5 GG als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums ein umfassendes Streikverbot für alle Beamten enthält, das aufgrund seiner inhaltlichen Bestimmtheit unmittelbar gilt und deshalb auch ohne ausdrückliche einfach-gesetzliche Verbotsregelungen beachtet werden muss. Die verfassungs- und völkerrechtliche Verpflichtung, die Vorgaben des Art. 11 EMRK zur Koalitionsfreiheit der Angehörigen des öffentlichen Dienstes in die deutsche Rechtsordnung zu integrieren, kann nicht durch eine konventionskonforme Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG oder im Wege richterlicher Rechtsfortbildung erfüllt werden; denn die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gelten mit demjenigen Inhalt, der sich im traditionsbildenden Zeitraum herausgebildet hat. Dieser Traditionsbestand darf nicht im Wege der Auslegung geändert werden. Vielmehr kann allein der Gesetzgeber den Geltungsanspruch eines hergebrachten Grundsatzes in Wahrnehmung seines Auftrags zur Regelung und Fortentwicklung des Beamtenrechts in Grenzen einschränken. Es ist Aufgabe des Bundesgesetzgebers, einen Ausgleich zwischen den inhaltlich unvereinbaren Anforderungen des Art. 33 Abs. 5 GG und des Art. 11 EMRK herzustellen. Solange dies nicht geschehen ist, beansprucht das beamtenrechtliche Streikverbot nach Art. 33 Abs. 5 GG weiterhin Geltung (Rn. 23, 32, 57) und ist disziplinarisch zu ahnendes Recht (Rn. 74 des zitierten Urteils).

8

Die Beschwerde hält diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für falsch, hat aber keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die sie in Frage stellen könnten. Sie stellt darauf ab, dass sich das Streikverbot für Beamte nicht ausdrücklich aus dem Grundgesetz ergebe, sondern richterrechtlich entwickelt worden sei; eine durch Richterrecht geschaffene Rechtslage könne und müsse ebenfalls durch Richterrecht - nämlich durch konventionskonforme Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG - abgeändert werden, ohne dass es hierfür einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. Damit negiert sie die Ausführungen des Senats, wonach das Streikverbot für Beamte ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und gerade keine richterrechtliche Rechtsschöpfung ist. Somit entfällt auch die Grundlage für die Schlussfolgerung der Beschwerde, dass die durch Richterrecht geschaffene Rechtslage auch durch Richterrecht abgeändert werden könne. Vielmehr ist allein der Gesetzgeber befugt, den Geltungsanspruch eines hergebrachten Grundsatzes in Wahrnehmung seines Auftrags zur Regelung und Fortentwicklung des Beamtenrechts einzuschränken. Der Durchführung eines Revisionsverfahrens zur - erneuten - Klärung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage bedarf es nicht. Dies gilt unabhängig davon, dass vor dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 27. Februar 2014 (a.a.O.) anhängig ist.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 Abs. 1 BDG, § 41 Abs. 1 LDG S-H. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgelegt werden, weil die Höhe der Gerichtsgebühren nach der Anlage zu § 78 BDG betragsgenau festgelegt ist (§ 78 Satz 1 BDG, § 41 Abs. 1 LDG S-H).

Gründe

1

1. Der 1981 geborene Kläger ist Kriminalobermeister (Besoldungsgruppe A 8) im Dienst des beklagten Landes und im Bayerischen Landeskriminalamt tätig. Im Jahr 2011 erhielt er eine dienstliche Beurteilung über einen dreijährigen Beurteilungszeitraum. Bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung wurden Richtwerte zugrunde gelegt. Vergleichsgruppe hierfür war die aus 26 Personen bestehende Gruppe der Beamten der Besoldungsgruppe A 8 der Fachlaufbahn "Polizei und Verfassungsschutz" im Bayerischen Landeskriminalamt. Diese Vergleichsgruppe hält der Kläger für zu klein und u.a. deshalb die über ihn erstellte dienstliche Beurteilung für rechtsfehlerhaft.

2

Widerspruch und Klage auf Neubeurteilung sind ebenso erfolglos geblieben wie die Berufung des Klägers. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Vergleichsgruppe für groß genug gehalten, um das Gesamtbild der Eignung und Leistung der Kriminalobermeister des Bayerischen Landeskriminalamts abzubilden. Sie lasse einen Vergleich der einzelnen Mitglieder der Gruppe und die Bildung einer Rangfolge nach der Notenskala zu.

3

2. Die Rechtssache hat nicht die von der Beschwerde zugemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9 m.w.N.).

5

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob

"bei einer Vorgabe von Richtwerten für die Gesamturteile von dienstlichen Beurteilungen eine Vergleichsgruppe von 26 Beamten groß genug ist, dass darin genügend Personen vorhanden sind, in denen die unterschiedlichen Leistungs- und Eignungsstufen repräsentiert sein können und die Vergleichsgruppe daher mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist".

6

Soweit diese Frage in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortbar ist, ist sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt. Im Übrigen ist sie eine Frage der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall.

7

Die Festlegung von Richtwerten ist rechtlich zulässig. Dadurch werden die Beurteiler nicht etwa angehalten, die Note unter Heranziehung sachwidriger Erwägungen zu bilden. Die Richtwerte bestimmen vielmehr das anteilige Verhältnis der betreffenden Noten in dem jeweiligen Verwaltungsbereich. Mittels der so vorweg bestimmten Häufigkeit verdeutlicht und konkretisiert der Dienstherr den Aussagegehalt der in der Regel in Beurteilungsrichtlinien bezeichneten und dort nur kurz umschriebenen Noten. Die Richtwerte verdeutlichen dem beurteilenden Vorgesetzten den vom Dienstherrn gewollten Maßstab. Die Berechtigung des Dienstherrn, den Aussagegehalt der Noten in dieser Weise zu konkretisieren und zu verdeutlichen, ist Teil seiner Befugnis, die Notenskala und die Maßstäbe, nach denen die Noten vergeben werden, überhaupt festzulegen (BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <360> m.w.N.).

8

Allerdings muss bei der Verwendung von Richtwerten die Vergleichsgruppe, auf die sie sich beziehen, rechtsfehlerfrei gebildet werden. Richtwerte können ihre Verdeutlichungsfunktion gegenüber dem einzelnen Beurteiler nur entfalten, wenn sie auf eine für ihn noch überschaubare Gruppe bezogen sind. Der Beurteiler muss die dienstlichen Leistungen aller Mitglieder der Gruppe kennen, um diejenigen Beamten der Gruppe benennen zu können, die der von dem Richtwert erfassten Notenstufe zuzuordnen sind (BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <361>).

9

Dabei muss die für den einzelnen Beurteiler überschaubare Gruppe hinreichend groß und hinreichend homogen sein. Eine hinreichende Gruppengröße ist erforderlich, damit genügend Personen vorhanden sind, in denen die unterschiedlichen Leistungs- und Eignungsstufen repräsentiert sein können. Die Bezugsgruppe muss in dem Sinne homogen zusammengesetzt sein, dass für alle Gruppenmitglieder im Wesentlichen dieselben Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachliche Leistung gelten. Nur dann können diese Beurteilungskriterien bei den einzelnen Beamten miteinander verglichen und in eine bestimmte Rangfolge nach der Notenskala gebracht werden (BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 - 2 C 34.04 - BVerwGE 124, 356 <361> und Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 1 WB 51.10 - BVerwGE 141, 113 Rn. 44).

10

Wie groß eine Vergleichsgruppe sein muss, um die Annahme zu rechtfertigen, dass in ihr die unterschiedlichen Leistungs- und Eignungsstufen repräsentiert sind, lässt sich nicht allgemein, sondern nur für den konkreten Fall beantworten. Einfluss auf die erforderliche Mindestgröße der Vergleichsgruppe hat insbesondere das Beurteilungssystem. So liegt es nahe, dass bei kleinen Richtwerten (z.B. 5 %) die Vergleichsgruppe größer sein muss als bei großen Richtwerten (z.B. 40 %). Auch wird bei größerer Differenzierung der Notenskala (z.B. neun Notenstufen) die Vergleichsgruppe ggf. größer sein müssen als bei geringerer Differenzierung (z.B. vier Notenstufen). Dementsprechend kann eine allgemeingültige Mindestzahl für die Größe der Vergleichsgruppe bei der Verwendung von Richtwerten nicht benannt werden. Die erforderliche Mindestgröße der Vergleichsgruppe ist vielmehr von den Gegebenheiten des konkreten Falles abhängig.

11

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

3. Der Streitwert wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine auf zwei Gebäude aufgeteilte Wohnanlage im Reihenhausstil mit insgesamt neun Wohneinheiten auf dem Grundstück xxx in A-Stadt (Flurstücke 50/7 und 50/8, Flur 2, Gemarkung A-Stadt). Die Wohnanlage besteht aus den Häusern A (4 WE) und B (5 WE), die jeweils mit einem Satteldach errichtet werden. Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks A-Straße, welches sich auf der anderen Seite der Straße xxx befindet und dem streitbefangenen Grundstück gegenüberliegt. Die Belegenheit der streitbefangenen Gebäude und Grundstücke ergibt sich aus folgenden Lageplänen (vgl. Beiakte A Bl. 4 und 5):

Abbildung

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2

Der Antragsgegner hat den Widerspruch des Antragstellers gegen die Baugenehmigung (vom 19.09.2014) mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2014 zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller am 09.12.2014 Klage erhoben (8 A 163/14) und am gleichen Tag einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung gestellt (Antrag zu 1). Des Weiteren beantragt der Antragsteller wörtlich, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Baustelle auf dem Grundstück xxx in A-Stadt stillzulegen (Antrag zu 2).

3

I. Der Antrag zu 1) ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Var. i.V.m. § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen anordnen, in denen die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO entfällt. Das ist hier der Fall, da dem Widerspruch und der Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt. Da es sich vorliegend um einen Fall der sog. Drittanfechtung handelt, ergibt sich die Anwendbarkeit von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO aus dem Verweis in § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO.

4

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die hier erforderliche gerichtliche Entscheidung gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 i.V.m § 80 a Abs. 3 S. 2 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung, in deren Rahmen das Interesse des beigeladenen Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung gegen das Interesse des Antragstellers daran, von der Vollziehung der Baugenehmigung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, abzuwägen ist. Im Rahmen dieser Abwägung sind auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit der streitigen Baugenehmigung in die Abwägung einzustellen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens gemäß § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung haben und der Gesetzgeber damit dem Interesse des Bauherrn an der Verwirklichung des Vorhabens den Vorrang eingeräumt hat. Weiter ist zu berücksichtigen, dass in baurechtlichen Nachbarstreitigkeiten ein Rechtsbehelf nur erfolgreich ist, wenn eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte festgestellt werden kann. Es ist also nicht maßgeblich, ob die angefochtene Baugenehmigung insgesamt objektiv rechtmäßig ist. Diese ist vielmehr allein daraufhin zu untersuchen, ob sie gegen Vorschriften verstößt, die dem Schutz des Rechtsschutz suchenden Nachbarn dienen. Der Nachbar kann sich in diesem Zusammenhang nur auf solche Interessen berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig ansieht. Demnach liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage oder eines Widerspruchs gegen eine einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung dann vor, wenn auf Seiten des Antragstellers geltend gemacht werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ihre geschützte Nachbarposition durch den Bau und die Nutzung des genehmigten Vorhabens unerträglich oder in einem nicht wieder gutzumachenden Maße beeinträchtigt bzw. gefährdet wird.

5

Nach diesem Maßstab überwiegt hier das Interesse des Beigeladenen, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort, also ohne den Ausgang des Hauptverfahrens abwarten zu müssen, ausnutzen zu können. Bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage lässt sich nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die angefochtene Baugenehmigung Nachbarrechte des Antragstellers verletzt.

6

Dabei ist allerdings ein Verstoß der auf der Grundlage des § 69 LBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 LBO bereits nicht Prüfungsgegenstand des vorliegenden Verfahrens hinsichtlich des Antrags zu 1). Denn in einem solchen Verfahren wird - außer bei Sonderbauten - die Vereinbarkeit der Vorhaben mit den Vorschriften der Landesbauordnung und den Vorschriften aufgrund der Landesbauordnung nicht geprüft; lediglich die §§ 65 Abs. 4, 68 und 70 LBO bleiben unberührt (vgl. auch OVG Schleswig, Urt. v. 21.11.2013 - 1 LB 6/13 - n.v.). Ob das streitgegenständliche Vorhaben, wie vom Antragsteller vorgetragen, gegen die Vorgaben zu notwendigen Stellplätzen nach § 50 Abs. 1 LBO verstößt, ist daher für diesen Antrag nicht entscheidungserheblich.

7

Aber auch ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des insoweit allein maßgeblichen Bauplanungsrechts einschließlich des Gebots der Rücksichtnahme ist nicht auszumachen.

8

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf einen sog. Gebietserhaltungs- oder Gebietsbewahrungsanspruch berufen. Dieser Anspruch wird durch die Zulassung eines mit der Gebietsart unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch eine „Verfremdung“ des Gebiets eingeleitet und damit das nachbarliche Austauschverhältnis gestört wird, das auf dem Gedanken beruht, dass sich jeder Grundstückseigentümer davor schützen können muss, dass er über die durch die Festsetzung einer Gebietsart normierte oder aus einer wie hier faktisch vorhandenen Gebietsart (§ 34 Abs. 2 BauGB) eines allgemeinen oder gar reinen Wohngebietes sich ergebenden Beschränkung seiner Baufreiheit hinaus durch eine nicht zulässige Nutzung eines anderen Grundstückseigentümers nochmals zusätzlich belastet wird (vgl. BVerwG, Urt. 16.09.1993 - 4 C 28.91 -; Urt. v. 23.08.1996 - 4C 13.94 -; OVG Schleswig, Beschl. v. 07.06.1999 - 1 M 119/98 -; jeweils zitiert nach juris). Ein solches seiner Art nach gebietsunverträgliches Vorhaben liegt mit dem genehmigten Wohnbauvorhaben jedoch offenkundig nicht vor. Es kann insofern mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob die Eigenart der näheren Umgebung des streitgegenständlichen Grundstücks einem reinen Wohngebiet im Sinne von § 3 BauNVO oder einem allgemeinen Wohngebiet gem. § 4 BauNVO entspricht.

9

Als Nutzungsart kennt die Baunutzungsverordnung nur das „Wohnen“ als solches, ohne dahingehend zu differenzieren, ob diese Nutzung in freistehenden Einfamilien-, Doppel-, Reihen- oder Mehrfamilienhäusern erfolgt. Die Errichtung von Mehrfamilienhäusern kann daher auch nicht von benachbarten Grundstückseigentümern mit der Begründung abgewehrt werden, eine derartige Nutzung passe nicht in ihr Wohngebiet. Auch der Umstand, dass das genehmigte Vorhaben des Beigeladenen etwa von der Grundfläche und der Firsthöhe größer ausfallen wird, als das auf dem Grundstück des Antragstellers befindliche Gebäude, begründet keinen Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch (vgl. OVG Schleswig, Beschl. vom 15.01.2013 - 1 MB 46/12 -, Beschluss vom 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -).

10

Ein darüber hinausgehender Gebietsprägungserhaltungsanspruch des Inhalts, dass dieser unabhängig von der Art der Nutzung des geplanten Bauvorhabens einen Abwehranspruch vermittelt, weil das Vorhaben einem für das Baugebiet charakteristischen harmonischen Erscheinungsbild, etwa im Sinne einer vorrangigen Bebauung mit Einzel- oder Doppelhäusern mit geringer Grundflächenzahl oder einer park- oder villenartigen Bebauung usw., nicht entspricht, ist nicht anzuerkennen (vgl. z.B. VG Schleswig, Beschl. v. 17.12.2012 - 2 B 88/12 -, v. 29.01.2014 - 2 B 6/14 - und vom 24.02.2014 - 2 B 12/14 -; so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 28.5.2014, - 1 ME 47/14 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 24.102013 - 1 LA 67/13). Daher kommt es für das vorliegende Verfahren nicht darauf an, ob durch das geplante Bauvorhaben aus Sicht des Antragstellers das Erscheinungsbild der näheren Umgebung, das nach seinen Angaben durch eine Einzelhausbebauung mit ausschließlich „typischen" freistehenden Einfamilienhäusern geprägt ist, beeinträchtigt wird. Dieses Erscheinungsbild der näheren Umgebung des Bauvorhabens resultiert allein aus Kriterien, die das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche betreffen. Bei diesen Kriterien handelt es sich aber nach allgemeiner Auffassung der Verwaltungsgerichte um solche, die nur im überplanten Gebiet und auch nur dann bei Feststellung eines entsprechenden ausdrücklichen planerischen Willens der Gemeinde Drittschutz vermitteln können (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -). Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung sind nämlich mit Abweichungen über die Art der baulichen Nutzung nicht vergleichbar. Sie lassen in der Regel den Gebietscharakter unberührt und haben nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke. Zum Schutz der Nachbarn ist daher das in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Ein darüber hinausgehender, von einer realen Beeinträchtigung unabhängiger Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung kann dagegen dem Bundesrecht nicht entnommen werden (BVerwG, Beschl. v. 23.06.1995 - 4 B 52/95 - juris). Im unbeplanten Innenbereich - wie hier - gilt nichts anderes; insbesondere geht hier der Nachbarschutz nicht weiter als in Plangebieten. Bei Abweichungen vom „einfügsamen" Maß der Nutzung, wie dies von dem Antragsteller hinsichtlich der Dimensionierung, der absoluten Höhe und der Standorte der genehmigten Baukörper gerügt wird, bietet - allein - das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichenden Schutz (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012, - 1 MB 38/12 -). Insofern bedarf es im vorliegenden Fall insbesondere keiner Prüfung, ob das genehmigte Vorhaben tatsächlich - wie der Antragsteller meint - über den in der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen hinsichtlich der vorgenannten Maß-Kriterien und des Kriteriums des überbaubaren Grundstücksfläche hinausgeht und sich deshalb im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB nicht einfügen würde.

11

Nach den vorangehenden Ausführungen ist es nicht erforderlich, umfangreich zu prüfen, ob sich das Vorhaben des Beigeladenen gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Diese Vorschrift ist nämlich nicht stets und generell drittschützend. Drittschutz kommt dieser Vorschrift nur dann zu, wenn das in dieser Vorschrift verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das Bestandteil des Merkmals des Sich-Einfügens nach § 34 BauGB ist, verletzt wird. Das Rücksichtnahmegebot ist allerdings keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B 128/98 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 17.01.2012 - 1 MB 33/11 -). Das Gebot der Rücksichtnahme in seiner subjektiv-rechtlichen Ausprägung ist nur dann verletzt, wenn die Bebauung sich in einer Gesamtschau als den Nachbarn gegenüber unzumutbar erweist. Wann dies der Fall ist, kann nur aufgrund einer Abwägung im Einzelfall zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage des Einzelfalls zuzumuten ist, beurteilt werden (grundlegend: BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - 4 C 22/75 - BVerwGE 52, 122).

12

Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten des Antragstellers wegen der Dimensionierung oder der Lage des Bauvorhabens liegt nicht vor. Wie bereits erörtert, braucht nicht entschieden zu werden, ob sich das Vorhaben des Beigeladenen, wie der Antragsteller meint, nach dem Maß der baulichen Nutzung insbesondere im Hinblick auf die Höhe des Baukörpers oder wegen der Lage der Baukörper nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Denn allein dadurch würde der Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, weil die möglicherweise dann vom Bauvorhaben des Beigeladenen nicht eingehaltenen Erfordernisse zum Maß der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche grundsätzlich nur der städtebaulichen Ordnung, nicht aber auch dem Schutz des Nachbarn dienen (BVerwG, Urt. v. 28.04.2004 - 4 C 10/03 - juris; Beschl. v. 23.06.1995 - 4 B 52/95 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -, Beschl. v. 25.04.2014 - 1 MB 32/13; Beschl. 30.04.2009 - 1 MB 1/09 -).

13

Etwas anderes gilt nur dann, wenn etwa gegen die Erfordernisse zum Maß der baulichen Nutzung in so grober Weise verstoßen wird, dass dadurch das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 05.12.2013 - 4 C 5/12 - juris; OVG Schleswig, Beschl. v. 11.11.2010 - 1 MB 16/10 - und Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12). Eine Bebauung ist jedenfalls dann rücksichtlos, wenn sie eine „erdrückende" oder „abriegelnde" Wirkung. Eine solche Wirkung zulasten des Antragstellerstellers geht von dem Vorhaben nicht aus.

14

Das Vorhaben wird nicht grenzständig errichtet, sondern nach Aktenlage vollständig unter Einhaltung der nach § 6 LBO einzuhaltenden Abstandsflächen. Nach den Planunterlagen ist, soweit ersichtlich, auch wenn dies nicht Gegenstand des Genehmigungsverfahrens war, das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht unstreitig korrekt umgesetzt worden. Das Einhalten der landesrechtlichen Regelungen über die erforderlichen Abstandsflächen (§ 6 LBO) spricht regelmäßig gegen eine „erdrückende" oder „abriegelnde" Wirkung eines Bauvorhabens und für die Beachtung der durch die Abstandsflächenregelung geschützten Nachbarbelange (Besonnung, Belichtung, Belüftung) (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.01.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879; OVG Schleswig, Beschl. v. 04.12.2003 - 1 MB 35/03). Darüber hinaus könnte sich der Antragsteller auch nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen die nach § 6 LBO einzuhalten Abstandsflächen berufen, da sein Grundstück nicht unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzt.

15

Zwar kann es Fälle geben, in denen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot auch dann verletzt ist, wenn die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, a.a.O.). Somit ist in jedem Fall, also auch wenn die Vorgaben von § 34 Abs. 1 BauGB eingehalten sind, eine die konkreten Verhältnisse vor Ort berücksichtigende Bewertung des nachbarlichen Austauschverhältnisses erforderlich. Eine solche Wirkung kommt nach der Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Ein solcher Fall wird allerdings in der Rechtsprechung nur in den seltenen Fällen einer wirklich bedrängenden oder erdrückenden Wirkung eines Bauvorhabens zu sehen sein, die - absehbar - zu gravierenden, allein durch die Abstandsflächenwahrung nicht zu bewältigenden Nutzungskonflikten führen (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 11.10.2010 - 1 MB 16/10 - und Beschl. v. 25.10.2012 - 1 MB 38/12).

16

Diese Voraussetzungen werden insbesondere dann angenommen, wenn die baulichen Dimensionen des „erdrückenden" Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles derart übermächtig sind, dass das „erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird oder das Bauvorhaben das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d.h. dort das Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „gefängnishofähnliche Situation“ hervorruft. Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden. Dass das Vorhaben die bislang vorhandene Situation lediglich verändert oder dem Nachbarn unbequem ist, reicht nicht aus. Die in den gewählten Ausdrücken bzw. Bilder liegende Dramatik ist danach ernst zu nehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.03.1981 - 4 C 1/78 - juris, sog. „Hochhaus-Fall“; OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.01.2007 - 1 ME 80/07 - und v. 13.01.2010 - 1 ME 237/09 - jeweils nach juris; VG Schleswig, Beschl. v. 12.03.2014 - 8 B 4/14 und v. 11.04.2014 - 8 B 9/14 -). Ein solcher Fall wird nur in seltenen Fällen einer „wirklich“ bedrängenden oder erdrückenden Wirkung eines Bauvorhabens zu sehen sein, nämlich wenn gravierende und nicht zu bewältigende Nutzungskonflikte entstehen (OVG Schleswig, Beschl. vom 25.10.2012 - 1 MB 38/12 -).

17

Nach diesen Grundsätzen lässt sich die beschriebene „schwerwiegende“ Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht feststellen. Einer solchen Verletzung steht bereits entgegen, dass sich das von dem Antragsteller bewohnte Einfamilienhaus auf der anderen Seite der Straße xxx befindet. Nach den unwidersprochenen Angaben des Antragsgegners in dem Widerspruchsbescheid vom 10.11.2014 hat das vordere der beiden Wohngebäude (Haus A, Gebäudelänge 14,74 m) eine Entfernung von 15 m zu dem Wohnhaus des Antragstellers bzw. bis zu dessen Grundstücksgrenze. Die beiden Wohngebäude weisen eine Firsthöhe von 9,50 m auf. Das aus Richtung des Antragstellers hinter Haus A liegende Haus B hat eine Gebäudelänge von 20,31 m. Eine erdrückende Wirkung durch die Häuser A und B zulasten des Antragstellers liegt bereits wegen der Entfernung zu seinem Grundstück und wegen der Ausmaße der beiden Gebäude offensichtlich nicht vor. Das Entstehen von unzumutbaren Beeinträchtigungen durch eine abriegelnde oder erdrückende ist nicht ansatzweise ersichtlich.

18

Eine durch das Bauvorhaben möglicherweise entstehende Verschattung des Grundstücks des Antragstellers hätte dieser wegen der Einhaltung der Abstandsflächen nach § 6 LBO ebenfalls hinzunehmen. Zudem ist bereits zweifelhaft, ob es wegen der Entfernung zwischen dem Grundstücks des Antragstellers zu dem Haus und wegen dessen Höhe überhaupt zu einer signifikanten Verschattung kommen kann.

19

Der Antragsteller kann sich auch nicht auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen des von ihm geltend gemachten Verstoßes gegen die Vorgaben für notwendige Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück nach § 50 Abs. 1 LBO und wegen der Zunahme des Fahrzeugverkehrs berufen.

20

Wie bereits ausgeführt, kann sich der Antragsteller vorliegend nicht unmittelbar auf einen etwaigen Verstoß gegen § 50 Abs. 1 LBO berufen, da dieser im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht Prüfungsgegenstand ist. Zudem dienen die Vorschriften nach § 50 LBO über die Verpflichtung zur Herstellung notwendiger Stellplätze und Garagen grundsätzlich dem öffentlichen Interesse. Sie sollen verhindern, dass der öffentliche Verkehrsraum über den Gemeingebrauch hinaus durch das Abstellen von Fahrzeugen belastet und dadurch die öffentliche Sicherheit gefährdet wird (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 10.01.2008- 3 S 2773/07 - juris, m.w.N.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.03.1997 - 1 M 6589/96 - juris, m.w.N.; Domning/Möller/Suttkus, Kommentar zur LBO, 3. Aufl. 14. EL 2012, § 50 Rn 122). Im Einzelfall kann die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze jedoch gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, wenn der Mangel an Stellplätzen zu Beeinträchtigungen führt, die den Nachbarinnen und Nachbarn - auch unter Berücksichtigung einer Vorbelastung ihrer Grundstücke - bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind (vgl. VGH Kassel, Beschl. vom 12.05.2003 - 9 TG 2037/02 -, BRS 66 Nr. 190; OVG Bremen, Beschl. vom 18.10.2002 - 1 B 315/02 -, BauR 2003, 509; OVG Münster, Urt. v. 10.07.1998 - 11 A 7238/95 - BauR 1999, 237; OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.03.1997 - 1 M 6589/96 - BauR 1997, 983; Domning/Möller/Bebensee, a.a.O., § 50 Rn 123 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

21

Eine nachbarrechtlich relevante Störung durch das etwaige Fehlen notwendiger Stellplätze kann hier aber nicht festgestellt werden. Nach Auffassung der Kammer liegt jedenfalls kein offensichtlicher Verstoß gegen die Vorgaben der Stellplatzpflicht nach § 50 Abs. 1 Satz 2 LBO vor. Danach richtet sich insbesondere die Anzahl notwendigen Stellplätze nach Art und Anzahl der vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge und Fahrräder der ständigen Benutzerinnen und ständigen Benutzer und der Besucherinnen und Besucher der Anlagen. Es ist nicht offensichtlich, dass die für das Vorhaben vorgesehenen 10 Stellplätze nicht den Anforderungen des § 50 Abs. 1 Satz 2 LBO entsprechen. Der Antragsgegner ist bei der Berechnung der notwendigen Stellplätze von den Vorgaben des sog. Stellplatzerlasses ausgegangen, woraus sich ein Stellplatzbedarf von 0,7 - 1 pro Wohneinheit ergibt und hat demzufolge die vorgesehenen 10 Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück für ausreichend befunden. Unabhängig von der Frage, ob der Stellplatzerlass (noch) als Anhaltspunkt zur Berechnung der notwendigen Stellplätze im Sinne des § 50 Abs. 1 LBO herangezogen werden kann, bietet er jedoch aufgrund der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens gebotenen summarischen Prüfung und mangels anderer aktueller Regelungen einen greifbaren Anhaltspunkt für die Bestimmung der Anzahl der notwendigen Stellplätze.

22

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass durch eine möglicherweise zu niedrig festgesetzte Zahl an notwendigen Stellplätzen unzumutbare Beeinträchtigungen für den Antragsteller entstehen werden. Insofern trägt dieser vor, dass pro Wohneinheit 1,5 Stellplätze und damit insgesamt 15 Stellplätze für das Wohnvorhaben notwendig seien. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei der Straße xxx lediglich um eine schmale (ca. 2,30 m) Straße handele und dass dort keine öffentlichen Verkehrsflächen für Stellplätze vorgehalten würden. Der Antragsteller befürchtet, dass durch die zu erwartende Zunahme des Verkehrs seine Nachbarinteressen beeinträchtigt würden. Der ebenfalls schmale Fußweg entlang der Straße müsste als Abstellfläche benutzt werden und es sei zu vermuten, dass er infolge parkender Fahrzeuge nicht mehr ungehindert von seinem Grundstück ausfahren könne.

23

Auf einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann sich der Nachbar etwa dann berufen, wenn der (etwaige) Stellplatzmangel geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung seines eigenen Grundstücks zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung liegt - jedenfalls solange der freie Zugang zum Grundstück möglich ist - allerdings nicht schon darin, dass die angrenzenden Straßen durch Fahrzeuge von Nutzern der baulichen Anlage zum Parken in Anspruch genommen werden und dem Nachbarn nur noch mit den daraus folgenden Einschränkungen zur Verfügung stehen. Das dem Nachbarn durch das Eigentum vermittelte Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung seines Grundstücks begründet kein Recht auf bevorzugte Nutzung des angrenzenden öffentlichen Straßenraums (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.03.1998 - 1 B 33/98 - GewArch 1998, 254 f.). Probleme, die sich aus der Verteilung knappen öffentlichen Straßenraums auf verschiedene Verkehrsteilnehmer ergeben, sind mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu regeln. Als rücksichtslos kann der Verzicht auf die notwendigen Stellplätze auch dann gerügt werden, wenn der durch ihn bewirkte parkende Verkehr und Parksuchverkehr den Nachbarn in der Wohnnutzung seines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt. Dies setzt i.d.R. entsprechende Immissionen, insbesondere Lärm- und Abgaseinwirkungen, voraus (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 18.10.2002, a.a.O.).

24

Allein die bislang geäußerte Befürchtung des Antragstellers, dass Anwohner oder Besucher durch das verbotswidrige Abstellen ihrer Fahrzeuge ihm das Befahren seines Grundstücks erschweren könnten, genügt nicht für die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung und für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Nach Ansicht der Kammer besteht jedenfalls auch keine offensichtliche Diskrepanz zwischen dem hier möglicherweise höheren Bedarf an Stellplätzen und den vorgesehenen 10 Stellplätzen. Die von dem Antragsteller dargelegte Differenz liegt bei lediglich fünf Stellplätzen. Es drängt sich daher nicht auf, dass der Stellplatzbedarf für das Vorhaben wesentlich höher ist als die vorgesehenen Stellplätze und dadurch die Verkehrssituation in der Nähe des Vorhabens zwangsläufig in einer Art und Weise „überstrapaziert“ würde, mit der Folge, dass für die Nachbarn unzumutbare Zustände entstehen könnten.

25

Des Weiteren ist zu beachten, dass auch für den Fall, dass sich die Stellplatzberechnung nachträglich als unzureichend erweisen sollte, auch nachträglich Anordnungen zur Schaffung weiterer Stellplätze erfolgen können. § 50 Abs. 3 Satz 1 LBO bestimmt, dass auch für bestehende bauliche Anlagen und sonstige Anlagen im Einzelfall die Herstellung von Stellplätzen oder Garagen sowie Abstellanlagen für Fahrräder gefordert werden kann, wenn dies im Hinblick auf die Art und Anzahl der Kraftfahrzeuge und der Fahrräder der ständigen Benutzerinnen und ständigen Benutzer und der Besucherinnen und Besucher der Anlage aus Gründen der Sicherheit des Verkehrs geboten ist.

26

Es spricht nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung schließlich auch nicht ansatzweise etwas dafür, dass von dem Bauvorhaben des Beigeladenen Belästigungen oder Störungen auf das Grundstück des Antragstellers ausgehen könnten, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar wären (§15 Abs. 1 S. 2 BauNVO). Dass mit dem Hinzutreten weiterer Wohneinheiten in einem Baugebiet eine Steigerung des Verkehrsaufkommens verbunden ist, liegt auf der Hand.

27

Die sich bei einer Erhöhung des bisherigen Bestandes an Wohneinheiten im Quartier prognostisch ergebende Zunahme an Fahrzeugbewegungen wird den Antragsteller auch nicht unzumutbar belasten. Die durch eine derartige Erweiterung eines Wohngebietes verursachten Verkehrsimmissionen sind von den bisherigen Bewohnern, die ihrerseits ebenfalls Verkehrsimmissionen verursachen, ohne weiteres hinzunehmen. Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil auf dem Vorhabengrundstück nunmehr neun zusätzliche Wohneinheiten geschaffen werden und im Vergleich zu dem bisherigen Bestand in dem betreffenden Gebiet, welches durch eine Einfamilienhaus-Bebauung geprägt ist, eine erhöhte Dichte hinsichtlich der Wohnnutzung entsteht. Das Hinzutreten von neun Wohneinheiten und die damit verbundene Zunahme des Verkehrsaufkommens und der damit einhergehenden Emissionen halten sich jedenfalls noch in dem Rahmen, was von dem Antragsteller und den anderen Nachbarn in der Nähe des Vorhabens hingenommen werden muss.

28

Der Antragsteller kann auch nicht geltend machen, das Bauvorhaben beeinträchtige den optischen Charakter der bebauten Siedlung. Denn das Ortsbild nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB vermittelt keinen Drittschutz (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.07.2012 - 1 B 158/12 - juris; Beschl. v. 13.11.1997 - 4 B 195/97 - NVwZ-RR 1998, 540; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Kommentar, 114. EL 2014, § 34 Rn. 141), sondern besteht ausschließlich im öffentlichen Interesse. Der Antragsteller hat weder einen Anspruch auf Erhalt oder Beibehaltung des Siedlungscharakters als „Einfamilienhaussiedlung“ im historischen oder derzeit bestehenden Zustand noch einen Anspruch auf Bebauung oder Nutzung des Nachbargrundstücks wie sein eigenes Grundstück.

29

Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass mit der Errichtung der beiden Gebäude (Haus A und Haus B) und den vorgesehenen neun Wohneinheiten eine Verdichtung der Wohnnutzung in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks erfolgt, da die anderen Grundstücke lediglich mit Einfamilienhäusern bebaut sind. Die Anzahl der Wohnungen in einem Gebäude (Wohngebäude) ist kein Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob sich Vorhaben im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB einfügt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.04.1989 - 4 B 72/89 - juris; Urt. v. 13.06.1980 - 4 C 98/77 - juris).

30

II. Der Antrag zu 2), den Antragsgegner zu verpflichten, die Baustelle auf dem streitgegenständlichen Grundstück stilllegen zu lassen, ist jedenfalls unbegründet. Es handelt sich in der Sache um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO, der auf eine Verpflichtung des Antragsgegners auf Erlass einer Stilllegungsverfügung gem. § 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 LBO gerichtet ist.

31

Es kann dahinstehen, ob es vorliegend für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §123 Abs. 1 VwGO bereits an dem notwendigen Rechtschutzbedürfnis fehlt und der Antrag bereits deshalb unzulässig ist. Das Rechtsschutzbedürfnis ist grundsätzlich dann zu verneinen, wenn der den Antrag stellende Bürger sich nicht zuvor an die zuständige Verwaltungsbehörde gewandt hat. Wenn allerdings nach Lage der Dinge nicht damit gerechnet werden kann, dass die Behörde dem Anliegen des Antragstellers entsprechen wird und während des deshalb voraussichtlich erfolglosen Verwaltungsverfahrens bereits eine Rechtsbeeinträchtigung zu befürchten ist, dann ist ausnahmsweise das Rechtschutzbedürfnis für die sofortige Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegeben (vgl. Kuhla, in: Posser/Wolff, Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand 01.10.2014, § 123 Rn 37a m.w.N.).

32

Der bereits im Verwaltungsverfahren durch seinen Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller hat bei dem Antragsgegner bislang keinen Antrag auf ein bauordnungsrechtliches Einschreiten mit dem Ziel der Stilllegung der Baustelle gestellt. Allerdings hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers gegen die Baugenehmigung umfassend abgelehnt und dort auch die objektive Rechtmäßigkeit des Vorhabens in bauplanungs- und bauordnungsrechtlicher Hinsicht bejaht. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsgegner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch einen Antrag auf bauordnungsrechtliches Einschreiten abgelehnt hätte.

33

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

34

Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten setzt voraus, dass der Anspruchsinhaber in geschützten Nachbarrechten verletzt ist und das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde derart reduziert ist, so dass nur noch ein Einschreiten in der beantragten Art und Weise ermessensgerecht ist. Schließlich darf ein solcher Anspruch nicht verwirkt sein. Als Anspruchsgrundlage für das von dem Antragsteller begehrte Einschreiten des Antragsgegners in seiner Funktion als untere Bauaufsichtsbehörde kommt allein § 59 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBO in Verbindung mit den nachbarschützenden Bestimmungen des Bauordnungsrechts und in Verbindung mit drittschützenden Regelungen des Bauplanungsrechts einschließlich des grundsätzlich als drittschützend qualifizierten Gebots der Rücksichtnahme (§15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) in Betracht. Danach können die Bauaufsichtsbehörden können nach Absatz 1 Satz 2 insbesondere die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden.

35

Wie bereits erörtert, verstößt das streitgegenständliche Vorhaben nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Im Gegensatz zum Prüfungsmaßstab bei der Anfechtung einer im gem. § 69 LBO vereinfachten Baugenehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung, sind bei der Geltendmachung eines Anspruchs auf bauordnungsrechtliches Einschreiten auch die Vorschriften der LBO zu prüfen. Eine Verletzung von drittschützenden Vorschriften der LBO liegt jedoch nicht vor.

36

Der Antragsteller kann sich insoweit nicht auf einen etwaigen Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften nach § 6 LBO berufen, da er nicht angrenzender Nachbar des Vorhabens ist und somit nicht in den Schutzbereich von § 6 LBO fällt. Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen die Vorschriften des § 6 LBO auch ersichtlich nicht vor.

37

Der Antragsteller kann sich allenfalls wegen etwaiger Störungen durch die genehmigten Stellplätze auf dem Baugrundstück selbst auf die nachbarschützende Regelung in § 50 Abs. 9 LBO berufen, wonach Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden müssen, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung durch Lärm oder Gerüche nicht über das zumutbare Maß hinaus stört. Für die Frage, welches Ausmaß an Störungen im Einzelfall noch zumutbar ist, muss zunächst die sich aus der baulichen Struktur der Umgebung ergebende Immissions-Grundbelastung berücksichtigt werden. Daher ist die Toleranzschwelle in einem belebten Innenstadtbereich höher als in einem ruhigen Einfamilienhausgebiet. Weiterhin ist zu beachten, dass die durch notwendige Stellplätze ausgelösten Immissionen grundsätzlich hinzunehmen und nur unter besonderen Umständen unzumutbar sind (BVerwG, Urt. v. 07.12.2006 - 4 C 11/05 - juris). Daraus folgt, dass der Antragsteller die „gebietstypischen“ Immissionen hinnehmen muss. Eine Ausnahmesituation, die dennoch zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führen kann, ist dann möglich, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch die vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück erschließenden Straße oder durch massiven Parksuchverkehr erheblich verschlechtert und die Gesamtbelastung bei Abwägung aller Belange unzumutbar ist (OVG Münster, Urt. v. 15.05.2013 - 2 A 3009/11 - juris).

38

Solche (Ausnahme-) Umstände sind - wie bereits erörtert - hier jedoch nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat auch nicht in diesem hinreichend vorgetragen, dass er durch die Anordnung und Ausführung der Stellplätze hinsichtlich der von dem Fahrzeugverkehr ausgehenden Immissionen über das zumutbare Maß hinaus belastet wird. Eine erhebliche Verschlechterung der Gesamtbelastung durch die Zunahme des Anwohner- und Besucherverkehrs in dem relevanten Bereich des Wohngebietes ist für die Kammer nicht ersichtlich.

39

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeit für erstattungsfähig erklärt worden, weil er einen eigenen Sachantrag gestellt hat und damit auch das Risiko einer Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen ist. Der Antrag des Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen vom 18.12.2014, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen, ist im Zusammenhang mit seinem Schriftsatz vom 17.12.2014, mit dem er eine Verletzung von Nachbarrechten des Antragstellers abstreitet, insgesamt als Antrag auf Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auszulegen und umfasst auch die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung.

40

III. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 S. 2, 63 Abs. 2 GKG. Der Streitwert von 15.000,-- € für das Hauptsacheverfahren (15.000,-- € bei einer Nachbarklage, mit der die Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses geltend gemacht wird) ist für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer - vom 07.09.2012 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf

7.500,00 Euro

festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsteller wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 23.02.2012 zur Errichtung von drei Wohnhäusern (mit Tiefgarage). Ihr Grundstück wie auch das Baugrundstück liegen in einem Bereich, der nach Maßgabe eines sog. „Durchführungsplans“ bebaut worden war. Jener Plan wird als unwirksam angesehen.

2

Den Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 07.09.2012 abgelehnt, da sich das Bauvorhaben der Beigeladenen einfüge und das - allein maßgebliche - „Haus 1“ das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletze. Die Abstandsflächen würden eingehalten und seien für „Haus 1“ auch hinsichtlich der maßgeblichen Geländeoberfläche zutreffend ermittelt worden. Auch eine erdrückende Wirkung oder unzumutbare Verkehrsbelastungen infolge des Bauvorhabens seien nicht festzustellen.

3

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Zur Begründung wird angeführt, auch das „Haus 2“ sei zu berücksichtigen. Dieses werde hinter der - nachbarschützenden - hinteren Baugrenze errichtet. Die maßgebliche Geländeoberfläche für „Haus 1“ und „Haus 2“ sei fehlerhaft ermittelt worden. Dem gesamten Vorhaben komme aufgrund seiner Höhe und Massivität eine erdrückende Wirkung zu. Durch die großflächigen Fenster und Balkone bestünden Einsichtsmöglichkeiten in den Gartenbereich. Das Verkehrsaufkommen in der … werde zunehmen.

II.

4

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 07.09.2012 ist unbegründet. Die dargelegten Beschwerdegründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

5

1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Antragsteller nur die Einhaltung solcher Bauvorschriften beanspruchen können, die zumindest auch ihrem (nachbarlichen) Schutz dienen.

6

Dazu gehören nicht verfahrensrechtliche Fragen (etwa zur Zulässigkeit eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens, zu evtl. „Mängeln“ der Bauvorlagen oder zur evtl. Abweichung von dem Vorbescheid vom 01.04.2011).

7

Ebenso ist die planungsrechtliche Frage des „Einfügens“ des Bauvorhabens i. S. d. § 34 BauGB - als solche - für die Rechte der Antragsteller nicht ergiebig. Selbst wenn die - erstinstanzlich vorgetragene - Annahme der Antragsteller zuträfe, dass sich die „Wohnblocks“ der Beigeladenen nach dem nach außen sichtbaren Maß (insbes. der Traufhöhe oder der Geschosszahl) nicht „einfügen“ bzw. den Rahmen des Zulässigen überschreiten, würde ein darin liegender (objektiv-)rechtlicher Verstoß gegen das Bauplanungsrecht keine Verletzung nachbarlicher Belange der Antragsteller begründen (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 20.03.2012, 3 S 223/12, BauR 2012, 1147 [Ls.]).

8

2. Die Annahme der Antragsteller, das Vorhaben der Beigeladenen überschreite eine - nachbarschützende - „faktische hintere Baugrenze“, könnte ausgehend von der „Baureihe“ an der …, der auch das Haus der Antragsteller zuzurechnen ist, auf „Haus 1“ und auf „Haus 2“ des Vorhabens der Beigeladenen zutreffen. Allerdings ist vorliegend - eine vom „planerischen Willen“ der Stadt getragene, nicht nur der allgemeinen städtebaulichen Ordnung, sondern (gerade) dem Nachbarschutz dienende - „Baugrenze“ nicht festzustellen. Dabei mag unberücksichtigt bleiben, dass der „Durchführungsplan Nr. 37“, der historisch Grundlage der Bebauung an der … war, mangels Beschlussfassung durch die Ratsversammlung unwirksam ist. Auch wenn sich - diesem Plan folgend - eine „Perlenschnur“ von Baukörpern entlang der Straße gebildet hat, folgt daraus noch kein tragfähiger Ansatz für einen (beabsichtigten) Nachbarschutz gegen eine rückwärtig in die „Tiefe“ gehende Bebauung. Ein solcher Ansatzpunkt lässt sich auch der von den Antragstellern zitierten Rechtsprechung nicht entnehmen. Eine „regelmäßige“ nachbarschützende Wirkung ist nur für seitliche Baugrenzen an derselben Grundstücksseite anerkannt worden, die „dem Schutz des Eigentümers angrenzender Grundstücke“ dienen (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 11.02.1993, 5 S 2313/92, BRS 55 Nr. 71 [bei Juris Tn. 17]). Für vordere oder hintere Baugrenzen gilt dies nicht; hier „lassen sich Fälle denken, in denen die Gemeinde den Nachbarschutz begründet“ (und beabsichtigt; vgl. Bielenberg, in: Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Komm., Stand Apr. 2012, § 23 BauNVO Rn. 59 a. E.); als „Regel“ lässt sich für eine hintere Baugrenze indes keine nachbarschützende Wirkung feststellen (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 2008, § 23 Rn. 6 m. w. N.). Die frühere, am „Durchführungsplan Nr. 37“ orientierte Genehmigungspraxis in der … mag belegen, dass eine reihenförmige Bebauung städtebaulich gewollt war, daraus ist aber nicht abzuleiten, dass eine in die „Tiefe“ reichende Bebauung zum Schutz der Nachbarn unterbleiben sollte.

9

3. Eine Nachbarrechtsverletzung mit der Folge eines Erfolgs des Antrags nach § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO und der vorliegenden Beschwerde könnte sich nur aus einer Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme ergeben. Eine solche hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint.

10

Eine Rücksichtslosigkeit meinen die Antragsteller aus der festgesetzten Geländeoberfläche (GOF), den Abstandsflächen, dem übergroßen Staffelgeschoss und der - insgesamt - „erdrückenden“ und „abriegelnden“ Wirkung des Vorhabens der Beigeladenen ableiten zu können. Keiner dieser Gesichtspunkte greift durch.

11

3.1 Eine ausdrückliche (ermessensgesteuerte) „Festsetzung“ der GOF ist nicht erfolgt; insoweit weisen die Antragsteller zutreffend auf die diesbezüglichen erstinstanzlichen Ausführungen der Antragsgegnerin hin (S. 14 der Beschwerdebegründung mit Anlagen Bf 6 und Bf 7). Der rechtlichen Beurteilung ist damit die aus den genehmigten Bauvorlagen ersichtliche Geländeoberfläche zugrunde zu legen. Diese ist - als solche - für die Rechtsposition der Antragsteller irrelevant. Sie wird erst bedeutsam im Zusammenhang mit der Beurteilung der (Voll-)Geschosszahl und der einzuhaltenden Abstandsflächen (dazu unten 3.2).

12

Die (Voll-)Geschoßzahl betrifft das „Maß“ des „Einfügens“ i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB. Auch wenn unterstellt wird, dass eine das Einfügsame übersteigende Zahl von (Voll-)Geschossen genehmigt worden ist, geht - allein - davon keine Verletzung der nachbarlichen Rechte der Antragsteller aus (s. o. 1.) Die Zahl der (Voll-)Geschosse betrifft das Maß der baulichen Nutzung; diesbezügliche planerische Festsetzungen vermitteln ohne ausdrücklichen planerischen Willen der Gemeinde keinen Drittschutz (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.10.1995, 4 B 215.95, NVwZ 1996, 888). Im unbeplanten Innenbereich - wie hier - gilt nichts anderes; insbesondere geht hier der Nachbarschutz nicht weiter als in Plangebieten. Bei Abweichungen vom „einfügsamen“ Maß der Nutzung bietet das drittschützende Rücksichtnahmegebot ausreichenden Schutz (VGH Kassel, Beschl. v. 25.08.2008, 4 B 1320/08, NVwZ-RR 2009, 99).

13

3.2 Die Abstandsflächen knüpfen gem. § 6 Abs. 4 S. 2 LBO an die „festgelegte Geländeoberfläche“ an. Ein Abwehrrecht der Antragsteller könnte sich insofern nur ergeben, wenn - ausgehend von einer - rechtlich zutreffend festgelegten - Geländeoberfläche eine Unterschreitung der nach § 6 Abs. 5 LBO erforderlichen Abstandsflächen vorläge. Derartiges haben die Antragsteller - ausdrücklich - nicht dargelegt. Es ergibt sich auch nicht, wenn die von den Antragstellern für richtig gehaltenen Geländeoberflächen zugrundegelegt werden.

14

Nach den Bauvorlagen (Lage- und Höhenplan, Bl. 33 BA A) ist zwischen den Hauswänden von „Haus 1“ und „Haus 2“ und der Grenze zum Grundstück der Antragsteller ein Abstand von 3 m vorgesehen.

15

3.2.1 Wird die Wandhöhe (H) - zunächst - nur nach dem Gebäudeteil bis zu dem sog. Staffelgeschoss bemessen, ergibt sich folgendes:

16

Die Wandhöhe (H) von „Haus 1“ beträgt 6 m, wenn eine Geländeoberfläche von 24,10 m über NN (bis Terrassenboden Staffelgeschoss; s. „Haus 1“, Ansicht von Osten; Bl. 47 BA A) zugrunde gelegt wird; 0,4 H ergäbe danach 2,4 m. - Für „Haus 2“ (Ansicht von Westen und Osten; Bl. 49 BA A) ergibt sich bei einer Geländeoberfläche von 25,10 m über NN eine Wandhöhe (H) von 5 m (bis Terrassenboden Staffelgeschoss); 0,4 H ergäbe danach 2,0 m.

17

Würde - abweichend hiervon - die Wandhöhe ab der Geländeoberflächen-Höhe angesetzt, die die Antragsteller für richtig halten (also statt 24,10 m für „Haus 1“ 23,75 m [Bl. 5 der Beschwerdebegründung] bzw. für „Haus 2“ 24,36 m [Bl. 16 a.a.O.] oder - gar - nur 23,00 m), ergäbe sich

18

- für „Haus 1“ eine „korrigierte“ Wandhöhe von ([24,10 m - 23,75 m =] 0,35 m + 6 m =) 6,35 m; der Abstand müsste dann (6,35 m x 0,4 =) 2,54 m betragen;

19

- für „Haus 2“ eine „korrigierte“ Wandhöhe von ([25,10 m - 24,36 m =] 0,74 m + 5 m =) 5,74 m; der Abstand müsste dann (5,74 m x 0,4 =) 2,30 m betragen. Ausgehend von 23,00 m Geländehöhe ergäbe sich ein Abstand von ([{25,10 m - 23,00 m} + 5 m] x 0,4 =) 2,84 m.

20

Beide Abstände lägen immer noch - deutlich - im Bereich des nach § 6 Abs. 5 S. 1 LBO Zulässigen. Eine Nachbarrechtsverletzung wegen Abstandsflächenunterschreitung ist damit nicht festzustellen.

21

3.2.2 Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn das sog. Staffelgeschoss in die Ermittlung der Abstandsfläche einbezogen wird. Dabei geht der Senat „zu Gunsten“ der Antragsteller davon aus, dass es sich dabei um keinen „Dachaufbau“ i. S. d. § 6 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 b LBO handelt, dessen Höhe nur zu einem Viertel abstandsflächenwirksam wäre. Bei „vollem“ Ansatz der dem sog. Staffelgeschoss zuzurechnenden Wandhöhe (3 m; vgl. Schnittzeichnungen für „Haus 1“ und „Haus 2“, Bl. 44, 45 BA A) ergibt sich eine Gesamt-Wandhöhe für „Haus 1“ von (6 m + 3m =) 9 m und für „Haus 2“ von (5 m + 3 m =) 8 m; der Abstand müsste demnach (9 m bzw. 8 m x 0,4) für „Haus 1“ bei 3,60 m und für „Haus 2“ bei 3,20 m liegen. Geht man von der Geländeoberfläche aus, die die Antragsteller für richtig halten, ergibt sich für „Haus 1“ eine Abstandsfläche von ([6,35 m + 3 m] x 0,4 =) 3,74 m und für „Haus 2“ von ([5,74 m + 3 m] x 0,4 =) 3,496 m bzw. - ausgehend von 23,00 m Geländehöhe - von 4,04 m.

22

Diese Werte liegen - zwar - oberhalb der Mindestvorgabe von 3 m gem. § 6 Abs. 5 S. 1 LBO. Allerdings ist hier die „zurückspringende“ Außenwand des sog. Staffelgeschosses zu berücksichtigen. Die Abstandsfläche, die - zusätzlich - durch dessen Höhe veranlasst wird, ist von der Außenwand des sog. Staffelgeschosses aus zu bestimmen (vgl. Domning/Möller/Suttkus, LBO, Komm. (Stand 2011), § 2 Rn. 74 [mit „Anlage 20“]). Diese Außenwand liegt - wie die Schnittzeichnungen belegen - ca. 2 m hinter der Außenwand des darunter liegenden Baukörpers. Die unter Einbeziehung des sog. Staffelgeschosses ermittelten Abstandsflächen „beginnen“ m. a. W. erst an der diesem Geschoss zuzuordnenden Außenwand. Daraus folgt, dass dem „unten“ einzuhaltenden und eingehaltenen (s. o. 3.2.1) Abstand von 3 m der „Rücksprung“ des sog. Staffelgeschosses von ca. 2 m hinzuzurechnen ist, so dass - insgesamt - 5 m Abstand zur Verfügung stehen. Sämtliche oben unter Einbeziehung des sog. Staffelgeschosses errechneten Abstandswerte unterschreiten diese Anforderung, so dass auch auch bei dieser Betrachtung keine Abstandsflächenunterschreitung ergibt.

23

3.3 Soweit die Antragsteller die Baugenehmigung angreifen, weil der als Staffelgeschoss bezeichnete Bereich seiner Größe wegen als Vollgeschoss einzustufen sei (vgl. § 2 Abs. 7 LBO), betrifft auch dies das Maß der baulichen Nutzung. Nachbarschutz kann damit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht beansprucht werden (s. o. 3.1).

24

3.4 Eine „erdrückende Wirkung“ des Vorhabens der Beigeladenen versuchen die Antragsteller aus der Länge der Baukörper („Haus 1“: 30 m, „Haus 2“: 22 m), aus ihrer „thronenden“ Höhenlage und -entwicklung (u. a. Traufhöhe) und dem von der Nordfassade ausgehenden „Eindruck der Viergeschossigkeit“ abzuleiten. Auch diese Einwände verfangen nicht.

25

Das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme wird in der Regel nicht verletzt, wenn ein Bauvorhaben - wie hier (s. o. 3.2) - den bauordnungsrechtlich geforderten Grenzabstand einhält (Urt. des Senats v. 20.01.2005, 1 LB 23/04, NordÖR 2005, 314). Eine Ausnahme gilt nur für - seltene - Fälle einer „bedrängenden“ oder (gar) „erdrückenden“ Wirkung eines Bauvorhabens oder in Fällen, die – absehbar – zu gravierenden, allein durch die Abstandsflächenwahrung nicht zu bewältigenden Nutzungskonflikten führen (Beschl. des Senats v. 11.11.2010, 1 MB 16/10, NordÖR 2011, 87). Im vorliegenden Fall besteht dafür kein tragfähiger Ansatzpunkt.

26

Eine erdrückende Wirkung im genannten Sinn ist schon im Hinblick auf die - auch nach Realisierung des Bauvorhabens fortbestehende - aufgelockerte Bebauung im Bereich … / … nicht anzunehmen. Die Höhenentwicklung der Baukörper (insbesondere von „Haus 1“ und „Haus 2“) wirkt sich überwiegend - optisch - auf den Ausblick aus dem Garten der Antragsteller aus; aus dem Wohnhaus können die Gebäude nur „schräg versetzt“ wahrgenommen werden. Eine Beeinträchtigung durch Schattenwurf machen die Antragsteller nicht geltend; sie wäre i. ü. auch - unabhängig von der Festlegung der Geländeoberfläche - lagebedingt hinzunehmen. Die Kritik an der „klotzigen“ Bauweise und dem von der Nordfassade ausgehenden „Eindruck der Viergeschossigkeit“ mag dem ästhetischen Empfinden der Antragsteller entspringen; ein substantieller Ansatzpunkt für eine erdrückende Wirkung ist daraus nicht zu gewinnen, zumal die Nordseite des Bauvorhabens vom Grundstück der Antragsteller abgewandt ist. Der Hinweis auf die Länge der (nur aus dem Gartenbereich des Grundstücks der Antragsteller komplett sichtbaren) Bauvorhaben des Beigeladenen übergeht, dass zwischen „Haus 1“ und „Haus 2“ eine 10,5 m breiter Abstand bleibt, so dass bei sachgerechter Betrachtung weder der Eindruck eines „Eingemauertseins“ noch derjenige einer „Riegelwirkung“ entstehen kann. Was die Antragsteller als „thronende“ Wirkung beschreiben, ist Folge der Topographie und des - Nachbarrechte nicht verletzenden - Maßes der genehmigten Bebauung. Anzumerken ist, dass die unmittelbare Nähe zu der - das Baugebiet prägenden - Pauluskirche mit ihrem dominanten neugotischen Turm die Wertung eines „thronenden“ Effekts der vom Beigeladenen geplanten Häuser als fernliegend erscheinen lässt.

27

Soweit die Höhenentwicklung von „Haus 1“ und „Haus 2“ auf das Grundstück der Antragsteller Einblickmöglichkeiten eröffnet, wäre - zunächst - zu fragen, ob diese nicht auch schon von der Altbebauung aus bestanden. Abgesehen davon sind solche Einblickmöglichkeiten in innerstädtischen Wohnlagen - wie hier - grundsätzlich ebenso hinzunehmen wie es der Fall ist, wenn Nachbarn über den Gartenzaun gucken. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier – die abstandsrechtlichen Vorschriften beachtet worden sind (Beschl. des Senats v. 24.11.2011, 1 LA 65/11, NordÖR 2012, 92, m. w. N.). Die Antragsteller können sich i. ü. durch Anpflanzungen oder Abschirmungen gegen unerwünschte Einblicke schützen.

28

4. Die Annahme der Antragsteller, die vorgesehene Anbindung der Tiefgarage an die … verletze § 50 Abs. 9 LBO und werde die Lärmsituation „erheblich verschlechtern“, ist unsubstantiiert. Selbst wenn alle 28 Stellplätze von der … aus angefahren würden (wovon die Antragsteller selbst nicht ausgehen), entstünde nur Anliegerverkehr. Ansatzpunkte dafür, dass eine (unterstellte) Lärmzunahme für die übrigen (mehr als) 20 Wohngrundstücke in der … unverträglich wären, sind weder dargetan noch ersichtlich; anzumerken ist, dass die Orientierungswerte für ein Wohngebiet (vgl. Ziff. 1.1 der DIN 18005) weit unterschritten sein dürften.

29

5. Eine Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen lässt sich - schließlich - auch nicht aus einer „Kumulation objektivrechtlicher Verstöße“ (S. 31 f. der Beschwerdebegründung) ableiten. Die Mehrzahl der von den Antragstellern aufgeführten Verstöße betreffen die Bauvorlagen (Ungenauigkeiten; fehlende Markierungen, Schraffuren, Nutzungs-, Höhenangaben, Maße bzw. Berechnungen; Geländergestaltung); soweit die Genehmigung in Bezug auf die südseitigen Balkone beanstandet wird, wird nicht dargelegt, aus welchem Grund es insofern einer Ausnahme oder Befreiung bedurft hätte.

30

Materiell-rechtliche Verstöße gegen das Baurecht werden dem Beschwerdevorbringen der Antragsteller zufolge - in den o. g. Planungsrechtsverstößen gesehen (s. o. II.1, 2).

31

Ob der Ansatz einer „Kumulation objektivrechtlicher Verstöße“ rechtlich überhaupt tragfähig ist, um - vorliegend - Nachbarrechtsschutz zu begründen, ist zweifelhaft. Die von den Antragstellern (dafür) angeführte Entscheidung des VGH Mannheim (Beschl. v. 08.11.2007, 3 S 1923/09, NVwZ-RR 2008, 159) hat die Schwelle rücksichtsloser Betroffenheit des Nachbarn „bei Nachteilen von etwas geringerer Intensität“ für den - speziellen - Fall einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB angenommen, wenn das beanstandete Vorhaben mit den Regelfestsetzungen des Bebauungsplans nicht übereinstimmt. Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar. Das Vorhaben der Beigeladenen liegt im unbeplanten Innenbereich; eine planungsrechtlich „definierte“ Vertrauensgrundlage, wie sie im Fall eines (befreiungsbedürftigen) Bebauungsplans vorliegt, fehlt also.

32

Unabhängig davon kann von einer objektiv-rechtlichen Baurechtswidrigkeit des Vorhabens der Beigeladenen nicht ausgegangen werden. Das Vorhaben ist seiner „Art“ nach - unstreitig - in dem unbeplanten Baugebiet zulässig. Zum „Maß“ mag unterstellt werden, dass es den Rahmen der Umgebungsbebauung überschreitet. Daraus ergäbe sich aber nicht zwangsläufig dessen fehlende Einfügsamkeit; nach § 34 Abs. 1 BauGB ist es nicht schlechthin ausgeschlossen, etwas zu verwirklichen, was es in der Umgebung bisher nicht gibt. Eine Überschreitung des Rahmens der Umgebungsbebauung ist - auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung - zulässig, wenn das Vorhaben keine bodenrechtlich beachtlichen Spannungen begründet oder schon vorhandene nicht erhöht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.05.1978, 4 C 9.77, BVerwGE 55, 369; Urt. v. 17.06.1993, 4 C 17.91, ZfBR 1994, 37; Beschl. v. 23.05.1986, 4 B 83.86, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 113). Ansatzpunkte für eine solche - bewältigungsbedürftige - Sachlage lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen. Die Wohnbauvorhaben der Beigeladenen können in dem umgebenden Wohngebiet, in dem sich vereinzelt auch andere) größere Objekte befinden, noch hingenommen werden.

33

Selbst wenn man dies anders sähe, wären die die Antragsteller durch das „Maß“ der vorgesehen baulichen Nutzung allenfalls in dem Maße (zusätzlich) betroffen, als die Neubebauung von der Altbebauung abweicht. Insoweit sind die Antragsteller nicht schutzwürdig, denn sie hätten selbst bei einer Beibehaltung der Altbebauung mit Nutzungsänderungen rechnen müssen.

34

6. Die Beschwerde ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren sind nicht erstattungsfähig, weil sie sich daran nicht beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

35

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG.

36

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig- Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 17. März 2014 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 12. Juli 2013 zum Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem Grundstück … (Flurstücke …, …, …, …, … der Flur …). Sie sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks … (Flurstück … Flur …), auf dem - durch Baugenehmigung vom 17. Oktober 2013 - ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet werden soll.

2

Die beiden Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 76 der Antragsgegnerin, der ein Sondergebiet für den Fremdenverkehr und sonstiges Wohnen, das vorwiegend der Unterbringung von Anlagen und Einrichtungen des touristischen Gewerbes und von sonstigen Wohnungen dienen soll, festsetzt:

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3

In dem Verfahren zum Bauantrag der Beigeladenen sind die Antragsteller nicht beteiligt worden. Der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 12. Juli 2013 ist als Anlage Nr. 11 ein (grün gestempelter) „Lageplan mit B-Plan Festsetzungen 1: 500“ beigefügt, in dem die im Bebauungsplan festgesetzten Baulinien gem. § 23 Abs. 2 BauNVO als rote Linien und die Baugrenzen gem. § 23 Abs. 3 BauNVO als blaue Linien dargestellt sind:

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4

Unter „Auflagen“ - Ziff. 5. - heißt es in der Baugenehmigung:

5

„Über die Einhaltung der Grundrissflächen ... ist ein amtlicher Nachweis in Form eines Absteckprotokolls ... zu führen (§ 73 Abs. 2 LBO). Dieser Nachweis ist der Bauaufsichtsbehörde mit der Baubeginnsanzeige, spätestens bei Baubeginn vorzulegen (§ 73 Abs. 6 und § 78 Abs. 1 LBO).“

6

Die Beigeladene zeigte den Baubeginn zum 29.07.2013 an. Der sog. „Absteckungsriss“ wurde am 25.07.2013 vorgelegt; anschließend begannen - zunächst - die Erdarbeiten.

7

Die Antragsteller kamen nach Genehmigung ihres Vorhabens und dessen Vermessung im November 2013 zu der Schlussfolgerung, das Bauvorhaben der Beigeladenen sei auf deren Grundstück „falsch positioniert“. Nachdem diesbezügliche Gespräche mit der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ergebnislos geblieben waren, erhoben sie am 19. Dezember 2013 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung Widerspruch und beantragten „vorsorglich“ für den Fall, dass die Beigeladene abweichend von der Baugenehmigung baut, die sofort vollziehbare Anordnung der Einstellung der Bauarbeiten durch die Antragsgegnerin. Der Widerspruch und der Antrag sind bislang nicht beschieden worden.

8

Den Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. März 2014 abgelehnt und zur Begründung i. w. ausgeführt, der Widerspruch der Antragsteller werde voraussichtlich erfolglos bleiben, da ihre Abwehrrechte gegen die Baugenehmigung vom 12. Juli 2013 verwirkt seien. Eine „Gesamtschau“ der zeitlichen Abläufe belege, dass die Geltendmachung von Einwänden gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen erst ab Mitte November 2013 bzw. durch den Widerspruch vom 19. Dezember 2013 treuwidrig sei, da die Bauabsicht bereits ab Ende Juli 2013 mit Beginn der Auskofferung des Baugrundes bekannt gewesen sei. Überdies seien den Antragstellern Mitte August 2013 „diverse Unterlagen zur Planung an der gemeinsamen Grundstücksgrenze“ zur Verfügung gestellt worden. Weitere Informationen hätten die Antragsteller einholen können, was nicht geschehen sei. Mit einem Widerspruch erst im Dezember hätten die Beigeladenen nicht mehr rechnen müssen.

9

Gegen den am 20. März 2014 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 31.März 2014 Beschwerde eingelegt; die Beschwerdebegründung ist am 11. April 2014 eingegangen. Die Antragsteller sind der Ansicht, ihr Abwehrrecht sei nicht verwirkt; weder sei ihnen eine Verzögerung der erhobenen Rügen vorwerfbar noch habe die Beigeladene im Vertrauen auf ausbleibende Rügen mit ihrem Bau begonnen bzw. diesen fortgesetzt. Der Beginn der Erdarbeiten lasse keinen Rückschluss auf die Lage des Gebäudes zu. Nach dem Bebauungsplan habe die gesamte Bebauung von Anfang an einen „grundstücksübergreifenden Baukörper mit einer Kubatur aus einem Guss“ erreichen wollen; maßgebliche Bezugspunkte seien die Ecken der Bestandsgebäude auf dem Grundstück …; (auch) die hintere Baugrenze für das vierte Obergeschoss habe mit der Baugrenze betreffend die zweigeschossige Bauweise auf ihrem Grundstück „fluchten“ sollen.

10

ie Antragsgegnerin erwidert, die im Bebauungsplan festgesetzten Baulinien und - grenzen seien richtig in die Bauvorlagen übernommen worden. Eine Ungenauigkeit in „Strichstärke“ bestehe bzgl. der rückwärtigen Baugrenze nur zwischen dem dritten und dem vierten Obergeschoss. Weder die Baugenehmigung noch die Bauausführung weiche hinsichtlich der Baulinien bzw. Baugrenzen von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 76 ab. Das Vorhaben der Beigeladenen sei formell und materiell nicht zu beanstanden.

11

Die Beigeladene ist der Ansicht, die Antragsteller hätten ihre Rechte verwirkt. Zudem entfalle nach Fertigstellung der äußeren Gebäudehülle das Rechtsschutzbedürfnis. Das genehmigte Bauvorhaben liege i. ü. innerhalb der Baugrenzen und Baulinien.

12

Der Senat hat durch Beschluss vom 04. April 2014 den Antrag der Antragsteller auf einstweilige Untersagung der weiteren Bauausführung im Wege eines sog. „Hängebeschlusses“ abgelehnt.

II.

13

Die fristgerecht erhobene und begründete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Ihrer Zulässigkeit steht - entgegen der Ansicht der Beigeladenen - nicht entgegen, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen während des Beschwerdeverfahrens (bzg. der äußeren „Gebäudehülle“) fertig gestellt und mit dem Innenausbau begonnen worden ist (unten 1.). Ob die Antragsteller - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ihre Abwehrrechte gegen die Baugenehmigung vom 12. Juli 2013 verwirkt haben, erscheint zweifelhaft (unten 2.). Dem Erfolg der Beschwerde steht entgegen, dass nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage für den Widerspruch gegen die genannte Baugenehmigung keine Erfolgsaussichten bestehen (unten 3.). Ob die tatsächliche Bauausführung von der Baugenehmigung vom 12. Juli 2013 abweicht, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung (unten 4.).

14

1. Dem Begehren der Antragsteller würde das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn sie auch im Erfolgsfalle ihre Rechtsstellung nicht mehr verbessern könnten. Das ist auch im Beschwerdeverfahren zu prüfen, wenn - wie hier - eine Baugenehmigung im Wege des § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO suspendiert werden soll, die im Wesentlichen bereits „ausgenutzt“ worden ist.

15

In der Regel ist nach Fertigstellung der baulichen Anlage das mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage verbundene Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, nicht mehr zu erreichen (vgl. VGH München, Beschl. v. 08.04.2014, 9 CS 13.2007, Juris [Rn. 17], OVG Magdeburg, Beschl. v. 04.06.2013, 2 M 34/13, Juris; OVG Hamburg, Beschl. v. 21.10.2009, 2 Bs 152/09, Juris, VGH Mannheim, Beschl. v. 12.01.2005, 8 S 2720/04, BRS 69 Nr. 183). Allerdings kann trotz Rohbau-Fertigstellung das Rechtsschutzbedürfnis des Nachbarn für eine Suspendierung der Baugenehmigung fortbestehen, wenn eine Rechtsverletzung (auch) durch die bauliche Nutzung geltend gemacht wird oder eine weitere Verfestigung des - möglicherweise - nachbarrechtswidrigen Zustandes durch die Fertigstellung des Gebäudes insgesamt (einschließlich des Innenausbaus) verhindert werden soll. Im vorliegenden Fall hat der Senat bereits in seinem („Hänge“-)Beschluss vom 04. April 2014 ausgeführt, dass die Bauausführung im vierten Obergeschoss („Laubengang“ vor der rückwärtigen Baugrenze) mit dem Risiko eines evtl. späteren (teilweisen) Rückbaus erfolgt; (zumindest) insoweit kann die Fortführung des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens für die Antragsteller von Nutzen sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass im Falle einer (endgültig) obsiegenden Entscheidung zu Gunsten der Antragsteller die (teilweise) Beseitigung einer noch unfertigen „Gebäudehülle“ erfahrungsgemäß leichter und schneller zu erreichen ist als die eines fertig gestellten Bauwerks. Soll ein Objekt - wie hier - teilweise vermietet werden, wäre eine Beseitigungsverfügung nur nach dessen vorheriger Räumung möglich. Unter diesen Umständen ist von einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auszugehen (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 17.10.2000, 10 B 1053/00, BRS 63 Nr. 198 [bei Juris Rn. 5], OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.09.2013, 2 S 60.13, Juris [Rn. 5]).

16

2. Das Recht der Antragsteller auf „Abwehr“ des Bauvorhabens der Beigeladenen unterliegt - im Grundsatz - der Verwirkung. Die rechtlichen Maßstäbe dazu sind im erstinstanzlichen Beschluss i. W. zutreffend zusammengefasst worden (S. 3 u. - 5 o. des Beschl.-Abdr.). Die Verwirkung ist deutlich vor Ablauf eines Jahres möglich (Urt. des Senats v. 26.03.1997, 1 L 322/97, Juris; vgl. auch Beschl. des Senats vom 11.08.2003, 1 LA 137/02, NordÖR 2004, 244); sie kann schon eintreten, wenn der Berechtigte sein Abwehrrecht „deutlich länger als einen Monat“ nicht ausgeübt hat (BVerwG, Urt. v. 16.05.1991, 4 C 4.89, NVwZ 1991, 1182 [bei Juris Tn. 22]).

17

Im vorliegenden Fall spricht Überwiegendes gegen eine Verwirkung der Abwehrrechte der Antragsteller. Voraussetzung für eine solche Verwirkung ist stets, dass die Betroffenen - zumutbar - erkennen können, dass und in welcher Hinsicht ein nachbarliches Bauvorhaben ihre Rechte beeinträchtigen kann. Das war - hinsichtlich der geltend gemachten „falschen Positionierung“ des Bauwerks und der Abweichung von Baugrenzen und Baulinien weder bei Beginn der Erdarbeiten (Ende Juli 2013) noch im Zusammenhang mit der Übergabe von Unterlagen zum „technischen“ Anschluss von Bauteilen der Fall. Die Antragsteller konnten - allein - daraus noch keinen Rückschluss auf die (genaue) Position des genehmigten Baukörpers auf oder hinter den Baulinien/- grenzen ableiten.

18

Eine Verwirkung wäre bei dieser Sachlage allenfalls daraus abzuleiten, dass die Antragsteller den Baubeginn bzw. die Aushändigung technischer Unterlagen nicht sogleich zum Anlass genommen haben, sich über den (genauen) Inhalt der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zu informieren. Eine solche „Erkundigungslast“ des Nachbarn kann etwa dann bestehen, wenn sich eine Beeinträchtigung seines Grundstücks und ein möglicher Eingriff in seine Rechtspositionen anhand des sichtbaren Baugeschehens aufdrängt oder diese zumindest wahrscheinlich ist. Eine Obliegenheit des Nachbarn zur Geltendmachung von Abwehrrechten besteht auch nach vollständiger Kenntnis aller maßgeblichen Umstände erst nach Ablauf einer Überlegungs- und Handlungsfrist, die in jedem Fall ausgeschöpft werden darf (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 14.05.2012, 10 S 2693/09, BauR 2012, 1637 [bei Juris Rn. 40]; BVerwG, Urt. v. 16.05.1991, a.a.O., Rn. 22). Im vorliegenden Fall hatten die Antragsteller allein wegen der begonnenen Erdarbeiten der Beigeladenen noch keinen Anlass zu einer genaueren Erkundigung über die (genehmigte) Lage des künftigen Bauwerks. Sie sind erst im Anschluss an die ihr Bauvorhaben veranlasste Vermessung aktiv geworden, indem sie die Beigeladene und die Antragstellerin darauf angesprochen haben. Der Umstand, dass sie erst nach Erfolglosigkeit dieser Bemühungen förmlich Widerspruch eingelegt haben, vermag eine Verwirkung ihres Abwehrrechtes nicht zu begründen, denn sie haben bereits zuvor klar zu erkennen gegeben, dass sie mit der „falschen Positionierung“ des Bauwerks der Beigeladenen nicht einverstanden sind.

19

3. Der Widerspruch der Antragsteller gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 12. Juli 2007 könnte nur Erfolg haben, wenn nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts verletzt worden wären. Das ist nicht der Fall.

20

3.1 Dem Vorbringen der Antragsteller ist schon nicht mit der gebotenen Klarheit zu entnehmen, worin eine von der Baugenehmigung ausgehende Nachbarrechtsverletzung liegen soll. Sie führen zwar aus, dass der „in der Errichtung befindliche“ Baukörper der Beigeladenen den Grenzabstand nicht einhalte, gegen § 23 BauNVO verstoße und unter Missachtung des Baufensters auf dem Baugrundstück „falsch positioniert“ sei. Diese Beanstandungen nehmen aber keinerlei Bezug auf den Inhalt der (im Widerspruchsverfahren angefochtenen) Baugenehmigung, wie er dem Genehmigungsbescheid und den diesem beigefügten genehmigten („grün gestempelten“) Bauvorlagen zu entnehmen ist.

21

Die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung kann nicht mit Erfolg angegriffen werden, indem auf eine - möglicherweise - von der Genehmigung abweichende tatsächliche Bauausführung hingewiesen wird. Maßgeblich ist vielmehr - allein - der Genehmigungsinhalt, m. a. W. die Frage, ob das Bauvorhaben in seiner genehmigten Gestalt und Nutzung nachbarschützende Vorschriften beachtet. Ein Widerspruch gegen die Baugenehmigung - und damit auch ein Antrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung - kann nicht darauf gestützt werden, dass die Bauausführung von der Genehmigung abweicht. Eine genehmigungsabweichende Bauausführung wäre durch die erteilte Baugenehmigung, um deren sofortige Vollziehbarkeit es geht, nicht gedeckt (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 12.01.2005, a.a.O., Rn. 4).

22

3.2 Der Baugenehmigung vom 12. Juli 2013 sind - unabhängig davon – keine Ansatzpunkte zu entnehmen, die eine - daran anknüpfende - Verletzung der Nachbarrechte der Antragsteller zu begründen vermögen.

23

3.2.1 Soweit das Bauvorhaben der Beigeladenen von den Festsetzungen des Bebauungsplans abweicht (Turm an der Ecke zur …, vertikale Zäsuren, Balkone, Arkaden, rückwärtige Treppenhäuser), betrifft dies Bauteile, die keine Relevanz für die Nachbarrechte der Antragsteller haben. Die Abweichungen sind i. Ü. durch den Vorbescheid der Antragsgegnerin vom 18.12.2012 (als „Befreiungen/Abweichungen“) genehmigt worden.

24

3.2.2 Hinsichtlich des im sog. „Staffelgeschoss“ vorgesehenen (sog.) offenen „Laubenganges“ fällt auf, dass dieser vor der rückwärtigen Baugrenze genehmigt worden ist. Ob darin eine materiell-rechtswidrige Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze liegt, kann offen bleiben, wenn die hintere Baugrenze nicht aus Gründen des Nachbarschutzes, sondern aus allgemein-städtebaulichen Gründen festgesetzt worden ist.

25

Im Regelfall begründet die Festsetzung einer hinteren Baugrenze im Bebauungsplan keine Schutzrechte der Nachbarn, wenn aus der Planbegründung kein gegenteiliger Wille deutlich wird (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 2008, § 23 Rn. 6; Blechschmidt in: Ernst/Zinkahn u. a., BauGB (Stand 2013), § 23 BauNVO Rn. 56 m. w. N.). Vorliegend führt die Begründung des Bebauungsplans Nr. 76 für die Festsetzung des „zurückversetzten“ Staffelgeschosses städtebauliche Ziele an (Ziff. 4.2). Nachbarliche Belange werden nicht angesprochen. Eine Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze im Bereich des Staffelgeschosses kann damit keine nachbarlichen Rechte der Antragsteller verletzen. Eine andere Beurteilung käme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der planerischen Festsetzung der Baugrenze eine besondere „Befriedungsfunktion“ - etwa in Bezug auf die Lichtzufuhr oder die Belüftung - zuzuerkennen wäre (vgl. Blechschmidt, a.a.O., Rn. 59). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.

26

3.2.3 Die Baugenehmigung gibt das Vorhaben der Beigeladenen im Übrigen - plankonform - frei. Die (bereits) auf der Ebene des Bebauungsplans Nr. 76 der Antragsgegnerin gem. § 1 Abs. 7 BauGB erfolgte Abwägung ist damit in die Baugenehmigung überführt worden; für eine weitere, die nachbarlichen Belange der Antragsteller betreffende (Konflikt-)Prüfung bleibt insoweit kein Raum mehr (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.12.1984, 4 B 278.84, NVwZ 1985, 652 [Rn. 2]; Beschl. v. 11.07.1983, 4 B 123.83, Juris Rn. 15).

27

Die im Bebauungsplan festgesetzten Baulinien und Baugrenzen sind korrekt in die genehmigten Bauvorlagen übernommen worden. Sowohl die Antragsgegnerin als auch die Beigeladene haben dies bestätigt (Schriftsätze vom 04.04.2014 und vom 07.04.2014 mit Anlage Bgl. 2); für den Senat ergeben sich keine Zweifel daran, dass dies richtig ist. Die Baugenehmigung und die (insbesondere) in Anlage Nr. 11 - „Lageplan mit B-Plan Festsetzungen 1 : 500“ - dargestellten Baulinien und -grenzen sind im Zweifel so auszulegen, dass sie mit den im Bebauungsplan festgesetzten Baulinien- und -grenzen übereinstimmen.

28

Eine „Ungenauigkeit“ bezüglich der Baugrenze zwischen dem dritten und dem vierten Obergeschoss resultiert - so die Antragsgegnerin - aus der „Strichstärke“ in der Planzeichnung des Bebauungsplans; bei einem Plan-Maßstab von 1:500 und einer Strichstärke von 1 mm ergibt sich daraus ein Unterschied von max. 50 cm. Die genehmigten Bauvorlagen - insbesondere der „Lageplan“ in Anlage Nr. 11 zur Baugenehmigung - weisen den gleichen Maßstab und eine geringfügig schmalere Strichstärke bzgl. der Baugrenzen zwischen dem dritten und dem vierten Obergeschoss auf. Ansatzpunkte dafür, dass insoweit eine Nachbarrechtsverletzung der Antragsteller begründet wird, bestehen nicht.

29

Soweit die Antragsteller aus dem Planaufstellungsverfahren entnimmt, dass die „maßgeblichen Bezugspunkte der überbaubaren Grundstücksfläche an der westlichen Plangrenze ... die Ecken der Bestandsgebäude auf dem Grundstück …“ (genauer: am sog. „Trafogebäude“) lägen und daraus abzuleiten versucht, dass das Baufenster „bei der Baugenehmigung nicht eingehalten“ werde (Schriftsatz vom 11.04.2014, S. 9 [mit Anlagen Ast 11-14]), ist dies anhand der genehmigten Bauvorlagen - Anlage Nr. 11 zur Baugenehmigung - nicht zu verifizieren. Das sog. „Trafohäuschen“ ist in der genannten Bauvorlage nicht dargestellt. Die Lage der vorderen (seeseitigen) Baugrenzen und -linien treffen in der Bauvorlage in etwa an derselben Stelle auf das (Bestands-)Gebäude …, wie es in der Planzeichnung des Bebauungsplans festgesetzt worden ist.

30

4. Soweit die von den Antragstellern erhobenen Rügen auf eine von der Baugenehmigung vom 12. Juli 2013 abweichende tatsächliche Bauausführung hinweisen, wäre dies ggf. außerhalb des vorliegenden Verfahrens von der Antragsgegnerin im Wege der Bauüberwachung - unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots - zu korrigieren (s. o. 3.1).

31

Die von den Antragstellern am bereits errichteten Mauerwerk gemessenen „Versprünge“ von 64 cm seeseitig und von 74 cm landseitig (Schriftsatz vom 16.04.2014 mit Fotos) sind nach Darstellung der Antragsgegnerin durch den Bau der Antragsteller entstanden. Ob dies zutrifft, oder ob die - im einzelnen von der Antragsgegnerin ggf. noch zu überprüfenden - „Versprünge“ durch bauliche Abweichungen von den im Bebauungsplan festgesetzten und - damit konform - in der Baugenehmigung genehmigten Baulinien und - grenzen auf Seiten der Beigeladenen entstanden sind, ist für die vorliegend zu treffende Entscheidung unerheblich. Hinzuweisen ist darauf, dass die Antragsteller - zusammen mit ihrem Widerspruch gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 12. Juli 2013 - bei der Antragsgegnerin hilfsweise auch den Erlass „geeignete[r] Anordnungen ... zur Herstellung und Sicherung baurechtmäßiger Zustände“ sowie deren Überwachung und evtl. zwangsweise Durchsetzung beantragt haben (Widerspruchsschreiben vom 19.12.2013, S. 5). Über diesen Antrag hat die Antragsgegnerin bislang nicht entschieden. Im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens kann dieser Entscheidung nicht vorgegriffen werden.

32

Entsprechendes gilt auch für die Frage einer Überschreitung der Baugrenze im Bereich des sog. „Laubengangs“, die die Antragsteller mit 1,79 m angeben.

33

5. Ob die Antragsteller der aufgezeigten Problematik eines baulichen „Versatzes“ durch eine geringfügige „Verschiebung“ ihres Baus nach Nord-Osten abhelfen könnten und ob die Antragsgegnerin dies genehmigen könnte, bedarf vorliegend ebenfalls keiner Entscheidung. Lediglich angemerkt sei, dass eine infolge der „Verschiebung“ - nach Lage der Dinge - der Blick auf die freie Ostsee nur sehr geringfügig eingeengt werden würde, was von den Eigentümern des Grundstücks … hinzunehmen wäre. Der „freie“ Meeresblick war auch bisher rechtlich nicht besonders geschützt, insbesondere durch Bebauung behindert (vgl. Urt. des Senats v. 22.11.2007, 1 KN 11/06, NordÖR 2008, 344 [bei Juris Rn. 41]).

34

6. Die Beschwerde ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

35

Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären; denn diese hat einen Antrag gestellt und sich damit am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

36

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Gründe

1

Die Beschwerde der Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO und § 70 SächsDG an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Das Berufungsurteil beruht auf einem von der Beklagten geltend gemachten Verstoß gegen die aus § 3 SächsDG und § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO folgende Pflicht zur Angabe der Gründe im Urteil, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Damit hat das Oberverwaltungsgericht zugleich, wie von der Beklagten gerügt, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 3 SächsDG und § 108 Abs. 2 VwGO).

2

Die Beklagte steht als Justizobersekretärin im Dienst des Klägers. Sie wird beim Finanzgericht als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle verwendet. Im Jahr 2008 wurde die Beklagte wegen Diebstahls in Tatmehrheit mit Computerbetrug verurteilt. Sie hatte an ihrer Arbeitsstätte einer Kollegin die EC-Karte entwendet und mit dieser unter Angabe der ausgespähten Geheimnummer vom Konto der Kollegin 1 000 € abgehoben. Gegenstand der Disziplinarklage ist zum einen dieser durch einen Strafbefehl geahndete Sachverhalt und zum anderen der Umstand, dass die Beklagte im unmittelbaren Anschluss an die erste erfolgreiche Abhebung auf dieselbe Art versucht hatte, weitere 1 000 € vom Konto der Kollegin abzubuchen. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.

3

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 70 SächsDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

5

Als Frage von grundsätzlicher Bedeutung nennt die Beklagte zunächst:

Liegt bei objektiv feststehendem intakten Betriebsklima und nicht nachhaltig vergiftetem Betriebsfrieden in der Dienststelle noch ein typisierter Fall des Kollegendiebstahls vor, bei dem im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig, d.h. im Sinne eines Indizienschlusses, die Entfernung aus dem Dienst die angemessene disziplinarrechtliche Sanktion ist oder handelt es sich bei feststehender nicht eingetretener nachhaltiger Störung des Arbeitsfriedens in der Dienststelle um einen typisierten Fall des "minder schweren" Kollegendiebstahls, für den eine Entfernung aus dem Dienst - anders als im typischen Fall - nicht indiziert ist?

6

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht, weil sie sich - soweit sie über den Einzelfall hinausgehende Aspekte überhaupt aufweist - an Hand der gesetzlichen Regelung und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten lässt.

7

Hat das Gericht im Einzelfall ein Dienstvergehen festgestellt, richtet sich die Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SächsDG nach der Schwere des Dienstvergehens; das Persönlichkeitsbild des Beamten ist ebenso angemessen zu berücksichtigen wie das Ausmaß der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Den Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe hat der Senat in seiner Rechtsprechung näher bestimmt (Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>, vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3, vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 und vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - ZBR 2011, 414, Rn. 29 ).

8

Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 SächsDG richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 SächsDG aufgeführten Maßnahme zugeordnet werden. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens. Hiervon ausgehend lassen sich, anknüpfend an die Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts, Fallgruppen von Dienstvergehen bestimmen, denen aufgrund ihrer Schwere jeweils eine der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahmen im Sinne einer Regeleinstufung zuzuordnen ist.

9

Nach der Rechtsprechung des Senats gelten diese Grundsätze auch für die disziplinarische Ahndung eines im Dienst zum Nachteil eines Kollegen begangenen Diebstahls ("Kollegendiebstahl"; Urteile vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 43.07 - juris Rn. 19 § 65 bdg nr. 2> und vom 29. Mai 2008 juris Rn. 21 m.w.N.). Hinsichtlich der Schwere ist ein solcher Diebstahl nach der ständigen Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts im Grundsatz der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar. Denn auch hier gilt, dass sich der Dienstherr auf die Ehrlichkeit seiner Bediensteten verlassen können muss. Ein Diebstahl zum Nachteil eines Kollegen vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise (Urteile vom 9. August 1995 - BVerwG 1 D 7.95 - juris Rn. 18 und vom 29. September 1998 - BVerwG 1 D 82.97 - juris Rn. 11). Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die Beträge - wie hier einschließlich des Versuchs mit insgesamt 2 000 € - die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen.

10

Ausgehend vom dargelegten Bedeutungsgehalt des Begriffs der Schwere des Dienstvergehens sind  - unter Umständen - entlastende Umstände des konkreten Einzelfalles auf der Ebene der Zuordnung einer Disziplinarmaßnahme nach § 13 Abs. 1 Satz 2 SächsDG nicht von Bedeutung. Die durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmte Zuordnung einer Maßnahme hat lediglich Indizwirkung. Diese Wirkung entfällt, wenn sich im Einzelfall aufgrund des Persönlichkeitsbildes des Beamten Entlastungsgründe von solchem Gewicht ergeben, dass die prognostische Gesamtwürdigung den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauensverhältnis noch nicht vollständig zerstört (Urteile vom 29. Mai 2008 juris Rn. 21 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11 jeweils Rn. 18, stRspr). Denn nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 SächsDG hat das Disziplinargericht für die von ihm zu treffende Bemessungsentscheidung die genannten Kriterien mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Gesamtabwägung einzustellen. Nach dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die gegen den Beamten ausgesprochene Maßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalles in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens stehen, die maßgebend auch vom Verschulden das Beamten abhängt.

11

Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar.

12

Auch die beiden weiteren von der Beklagten aufgeworfenen Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht.

Sind die subjektiven Vertrauensbekundungen von Kollegen des Beamten und des Opfers im Rahmen der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme beim Kollegendiebstahl ein objektiver Umstand, der zumindest dann, wenn sich daraus ergibt, dass das Betriebsklima und der Arbeitsfrieden trotz des Kollegendiebstahls in der Dienststelle nicht nachhaltig vergiftet bzw. gestört ist, die Unverhältnismäßigkeit der Regelmaßnahme Entfernung aus dem Dienst (gegen)indiziert?

Kann der endgültige Vertrauensverlust seitens des Dienstherrn bei der Anwendung des § 13 Abs. 2 Satz 1 SächsDG auch dann angenommen werden, wenn ein Beamter objektiv das Vertrauen derjenigen Dienststelle genießt, bei der er derzeit tätig ist? Ist mithin als Maßstab für die Feststellung des endgültigen Vertrauensverlustes des Dienstherrn oder der Allgemeinheit die Gesamtheit der hypothetisch möglichen Einsatzorte beim Dienstherrn heranzuziehen oder genügt vielmehr zur Widerlegung des endgültigen Vertrauensverlustes der Beweis, dass im Rahmen des unmittelbaren Dienstumfeldes des Beamten jener das volle Vertrauen der Angehörigen dieser Dienststelle - einschließlich ihres Leiters - genießt?

13

Diese Fragen lassen sich ebenfalls an Hand des Wortlauts des Gesetzes und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens dahingehend beantworten, dass es nicht auf die Umstände bei der derzeitigen Dienststelle des Beamten ankommt.

14

§ 61 Abs. 2 Satz 2 SächsDG überträgt dem Gericht die Befugnis zur Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Im Falle der Berufung ist das Oberverwaltungsgericht nicht auf die Überprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts beschränkt, sondern trifft eine eigenständige Zumessungsentscheidung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 SächsDG).

15

Der Bezugspunkt für diese Zumessungsentscheidung ist im Gesetz vorgegeben. Nach § 13 Abs. 1 Satz 4 SächsDG kommt es auf die Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit an, nicht auf die Verhältnisse bei der konkreten Dienststelle. Hat der Beamte dieses Vertrauen durch ein schweres Dienstvergehen endgültig verloren, so ist er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen (§ 13 Abs. 2 Satz 1 SächsDG).

16

Die prognostische Frage nach dem Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG) betrifft die Erwartung, dass sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit künftig wieder so verhält, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich erwartet wird. Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter (vgl. dazu Urteil des Disziplinarsenats vom 20. Januar 2004 - BVerwG 1 D 33.02 - BVerwGE 120, 33 <53 f.>), daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung, z.B. als Polizei- oder Zollbeamter, und auf dessen konkret ausgeübte Funktion, z.B. als Vorgesetzter. Ob und gegebenenfalls inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern schon aus Gründen der Gleichbehandlung der Beamten (Art. 3 Abs. 1 GG) die Frage, inwieweit der Dienstherr oder die Allgemeinheit bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten be- und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird (Urteile vom 20. Oktober 2005, a.a.O. S. 260 und vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - juris Rn. 78 § 77 bbg 2009 nr. 1>). Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde.

17

Die Prüfung, ob der betreffende Beamte im Beamtenverhältnis verbleiben darf, hat sich auf sein Amt als Ganzes und nicht nur auf einen begrenzten Tätigkeitsbereich (Amt im funktionellen Sinne) zu beziehen. Denn das Disziplinargericht kann einer Behörde nicht eine eingeschränkte Verwendung eines disziplinarisch in Erscheinung getretenen Beamten vorschreiben (Urteil vom 22. Mai 1996 - BVerwG 1 D 72.95 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 6 S. 17 m.w.N.).

18

2. Begründet ist jedoch die Verfahrensrüge des Verstoßes gegen die aus § 3 SächsDG und § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO folgende Pflicht zur Angabe der für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe im Urteil und des Verstoßes gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 3 SächsDG und § 108 Abs. 2 VwGO).

19

Der Anspruch der Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, deren Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Davon ist zwar grundsätzlich auszugehen; dies setzt aber voraus, dass die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen jedenfalls in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (BVerfG, Beschlüsse vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <146>, vom 10. Mai 1990 - 2 BvR 1236/89 - InfAuslR 1990, 280 <281>, vom 29. Januar 1991 - 2 BvR 513/90 - InfAuslR 1991, 179 <180>, vom 14. Januar 1992 - 2 BvR 472/91 - InfAuslR 1992, 222 <225> und vom 13. November 1992 - 1 BvR 708/92 - NJW 1993, 1461). Dementsprechend verlangt die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, dass in den Urteilsgründen die tatsächlichen Umstände und rechtlichen Erwägungen wiedergegeben werden, die das Gericht bestimmt haben, die Voraussetzungen für seine Entscheidung als erfüllt anzusehen. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Gericht den ermittelten Tatsachenstoff wertend gesichtet und in welchen konkreten Bezug es ihn zu den angewandten Rechtsnormen gesetzt hat (Urteil vom 18. Februar 1981 - BVerwG 6 C 159.80 - BVerwGE 61, 365 <368>). Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, jedes rechtliche Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden. Art. 103 Abs. 1 GG ist aber dann verletzt, wenn sich im Einzelfall eindeutig ergibt, dass ein Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen des Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, nicht nachgekommen ist (Beschluss vom 26. Mai 1999 - BVerwG 6 B 65.98 - NVwZ-RR 1999, 745). Nach diesen Grundsätzen liegt der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil auch beruhen kann.

20

Diesen Anforderungen ist das Oberverwaltungsgericht nicht hinreichend gerecht geworden. Es ist zwar im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass die in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats zu den Zugriffsdelikten entwickelten Milderungsgründe nicht als abschließender Kanon der allein beachtlichen Entlastungsgründe anzusehen sind (Urteil vom 29. Mai 2008 juris Rn. 23 m.w.N. ). Eine Zumessungsentscheidung nach § 13 SächsDG, die vor dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bestand haben soll, setzt voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 260 f. und vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 20 f.). Dementsprechend sind entlastende Umstände auch dann beachtlich und in die Gesamtabwägung einzustellen, wenn sie die Voraussetzungen eines anerkannten Milderungsgrundes nicht erfüllen. Das Tatsachengericht hat zu entscheiden, ob die bemessungsrelevanten mildernden Umstände in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines anerkannten Milderungsgrundes kompensieren können. Dabei bieten die anerkannten Milderungsgründe Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Delikt aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Handlungen und der Begehung von "Begleitdelikten" und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt (Urteile vom 3. Mai 2007 juris Rn. 23 und vom 29. Mai 2008 juris Rn. 23 ).

21

Bei der konkreten Zuweisung der Disziplinarmaßnahme hat sich das Oberverwaltungsgericht jedoch mit dem Vorbringen der Beklagten zu sonstigen Milderungsgründen nicht hinreichend beschäftigt. Im Anschluss an die Erörterung, ob anerkannte Milderungsgründe vorliegen, hat es sich nur kurz mit der Motivation der Beklagten für das schwere Dienstvergehen befasst und diese als nicht aufklärbar bezeichnet. Im Übrigen beschränken sich die Ausführungen auf die Bewertung der Vertrauensbekundungen von 22 Beschäftigten des Finanzgerichts. Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei der Würdigung sämtlicher Gesichtspunkte aber nicht mit dem von der Beklagten in der Berufungsbegründung herausgehobenen - und auch im Tatbestand wiedergegebenen - Umstand befasst, dass sie auch noch nach Aufdeckung ihres Dienstvergehens im August 2007 mit einer kurzen Unterbrechung bis zur Berufungsverhandlung auf ihrem bisherigen Dienstposten in der Geschäftsstelle des Gerichts verwendet worden ist. Dies beruhte darauf, dass der Dienstherr nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom Dezember 2008 keine erneute Ermessensentscheidung nach § 38 SächsDG getroffen hat. Auch die Vertrauensbekundung der Geschädigten, die mit der Beklagten weiterhin in einem gemeinsamen Dienstzimmer zusammengearbeitet hat, hätte besonders erörtert werden müssen. Ihre Bedeutung mag über die derjenigen Stellungnahmen hinausgehen, die sonstige Mitarbeiter der derzeitigen Dienststelle der Beklagten abgegeben haben. Unabhängig von der Frage, ob diesen Umständen nach der Rechtsprechung des Senats rechtliche Relevanz zukommt, sind sie im Vorbringen der Beklagten von zentraler Bedeutung und hätten deshalb erkennbar und nachvollziehbar im Urteil gewürdigt werden müssen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Die Klage kann ohne Einwilligung des Beklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

(2) Die Zurücknahme der Klage und, soweit sie zur Wirksamkeit der Zurücknahme erforderlich ist, auch die Einwilligung des Beklagten sind dem Gericht gegenüber zu erklären. Die Zurücknahme der Klage erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes. Der Schriftsatz ist dem Beklagten zuzustellen, wenn seine Einwilligung zur Wirksamkeit der Zurücknahme der Klage erforderlich ist. Widerspricht der Beklagte der Zurücknahme der Klage nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes, so gilt seine Einwilligung als erteilt, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) Wird die Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden anzusehen; ein bereits ergangenes, noch nicht rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos, ohne dass es seiner ausdrücklichen Aufhebung bedarf. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie dem Beklagten aus einem anderen Grund aufzuerlegen sind. Ist der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen und wird die Klage daraufhin zurückgenommen, so bestimmt sich die Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

(4) Das Gericht entscheidet auf Antrag über die nach Absatz 3 eintretenden Wirkungen durch Beschluss. Ist einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden, hat das Gericht über die Kosten von Amts wegen zu entscheiden.

(5) Gegen den Beschluss findet die sofortige Beschwerde statt, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag übersteigt. Die Beschwerde ist unzulässig, wenn gegen die Entscheidung über den Festsetzungsantrag (§ 104) ein Rechtsmittel nicht mehr zulässig ist.

(6) Wird die Klage von neuem angestellt, so kann der Beklagte die Einlassung verweigern, bis die Kosten erstattet sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichter - vom 22.04.2008 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf

15.000,-- Euro

festgesetzt.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag bleibt erfolglos, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2

1) Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); jedenfalls rechtfertigen die dargelegten Gründe (§ 124 a Abs. 4 S. 4 VwGO) solche Zweifel nicht. Nach Aktenlage spricht vielmehr alles dafür, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu recht abgewiesen hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte gegen die Beigeladene die begehrte Nutzungsuntersagung mit Zwangsgeldandrohung erlässt. Diese Maßnahme steht gemäß §§ 86 Abs. 1 S. 3 LBO, 228 ff LVwG im Ermessen der Behörde. Einzelne Überschreitungen der Baugenehmigung braucht der Beklagte danach keineswegs unter Androhung eines Zwangsgeldes zu verbieten. Eine Verpflichtung hierzu besteht nur ausnahmsweise bei einer sogenannten Ermessensreduzierung zu Gunsten der Klägerin. Eine solche Ermessensreduzierung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Nachbarrechte der Klägerin in besonders gravierender Weise beeinträchtigt werden. Dies gilt auch für Rechte der Klägerin, die auf den Nebenbestimmungen der Baugenehmigung in Verbindung mit der zivilrechtlichen Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beruhen. Die Auffassung der Klägerin, dass eine Verletzung dieser Rechte regelmäßig ein ordnungsbehördliches Einschreiten erfordere, teilt der Senat nicht. Auch insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze nach §§ 86 Abs. 1 S. 3 LBO, 228 ff LVwG. Besonders gravierende Verstöße sind hier nicht erkennbar. Dies hat das Verwaltungsgericht mit zutreffenden Gründen, auf die der Senat Bezug nimmt, ausgeführt (zur Beurteilungsgrundlage des Verwaltungsgerichts und dem Erfordernis, weitere Beweise zu erheben vgl. unten zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 3 Nr. 5 VwGO). Auf die Frage, ob – wie das Verwaltungsgericht meint – unzulässige Reifenwechsel an Lkws auf dem Vorplatz noch weniger störend empfunden werden, wenn die Lärmschutzwand vollständig repariert wird, kommt es nicht an, denn dieser Gesichtspunkt war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Es hat auf diesen Gesichtspunkt nur ergänzend abgestellt. Unabhängig davon überzeugt der Hinweis der Klägerin, dass der Montagelärm vom Grundstück der Beigeladenen nach einer Reparatur der Lärmschutzwand sogar noch stärker empfunden werde als im Zeitpunkt der Ortsbesichtigung, nicht. Ihre in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, die Öffnung der Lärmschutzwand sei zur Straße ausgerichtet, widerspricht den Feststellungen des Verwaltungsgerichts. In der in Gegenwart der Klägerin und ihrem Rechtsanwalt aufgenommenen Niederschrift über die Beweisaufnahme und die mündliche Verhandlung vom 22. April 2008 heißt es, dass „an der Lärmschutzwand zur Seite der Firma Helm in ein … Stück der Lärmschutzwand“ fehle.

3

2. Es liegt auch kein erheblicher Verfahrensfehler vor. Das Verwaltungsgericht war insbesondere nicht verpflichtet, weitere Beweise zu erheben. Es hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt und die mit Schriftsatz der Klägerin vom 29. Januar 2008 vorgelegten Dokumente und Fotos gewürdigt. Weitere Beweise zu erheben, insbesondere eine Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen war nicht erforderlich, weil vereinzelte Verstöße gegen die Baugenehmigung unstreitig sind und mit den Beweisanträgen kein substantiierter Sachverhalt unter Beweis gestellt wurde, aus dem eine Ermessensreduzierung zu Gunsten der Klägerin abgeleitet werden könnte. Auch die Klägerin hat sich von einer Zeugenvernehmung offenbar keine weiteren entscheidungserheblichen Erkenntnisse versprochen; anderenfalls hätte es nahegelegen, in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag zu stellen.

4

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

5

Der Senat hält es für billig, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil diese keinen Sachantrag gestellt und sich somit nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

6

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

7

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

8

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichterin - vom 30.09.2014 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf

15.000,00 Euro

festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen einen Wintergartenanbau des Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage mit Urteil vom 30.09.2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Anbau unterschreite zwar den vorgeschriebenen Abstand, doch sei das Ermessen der Beklagten nicht auf ein Einschreiten reduziert, da die Unterschreitung mit 8 cm eine kaum spürbare Bagatelle sei. Zudem liege eine unzulässige Rechtsausübung iSd § 242 BGB vor, da die Klägerin einen 1,8 m hohen und 40 m langen Flechtzaun errichtet habe, der den Eindruck einer geschlossenen Wand erzeuge und in den Abstandsflächen wegen gebäudegleicher Wirkungen unzulässig sei.

2

Ihren Antrag auf Zulassung der Berufung stützt die Klägerin auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 5 VwGO.

II.

3

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

4

1. Die von der Klägerin dargelegten Gründe lösen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des klagabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts aus.

5

1.1 Die Klägerin geht in ihrem Zulassungsantrag von dem - im erstinstanzlichen Ortstermin durch Messung ermittelten - Abstand zwischen der Wintergarten-Außenwand und dem (grenzständig errichteten) Holz-Flechtzaun von 2,92 m aus, mithin von einer Unterschreitung des nach § 6 Abs. 5 S. 1 LBO gebotenen Abstands um 8 cm; sie meint nur, es sei - zusätzlich - eine Breite von 20 cm im Bereich des Fundaments zu berücksichtigen. Das überzeugt nicht: Nach den von der Klägerin im erstinstanzlichen Termin überreichten Fotos ist das Fundament unterhalb der Grasnarbe nur (undeutlich) zu erkennen; es tritt in keiner Weise nach außen hervor. Ansatzpunkte für eine andere Beurteilung werden im Zulassungsantrag nicht dargelegt. Bei einer Unterschreitung des einzuhaltenden Abstands um 8 cm ist - wie das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt hat - das Ermessen der Beklagten zum bauaufsichtlichen Einschreiten - sicher - nicht auf Null reduziert. Aus welchen Gründen dies im Hinblick auf die Breite des unter der Grasnarbe liegenden Fundaments anders sein soll, wird im Zulassungsantrag nicht dargelegt; Gründe dafür sind auch nicht ersichtlich.

6

1.2 Soweit die Klägerin die These angreift, sie könne sich nach Treu und Glauben auf einen Verstoß des Beigeladenen gegen § 6 Abs. 5 S. 1 LBO nicht mehr berufen, nachdem ihr Flechtzaun zu Lasten des Beigeladenen in vergleichbarer Weise gegen das Abstandsflächenrecht verstoße (S. 14 f. des Urt.-Abdr.), wird dadurch die erstinstanzliche Klagabweisung schon deshalb nicht in Frage gestellt, weil diese allein und selbständig tragend von den zu 1.1 behandelten Erwägungen gestützt wird.

7

Anzumerken bleibt, dass der 1,8 m bzw. 1,5 m hohe Flechtzaun dazu führt, dass die - geringfügige - Abstandsunterschreitung vom Grundstück der Klägerin aus praktisch nicht mehr wahrnehmbar ist, was - zusätzlich - gegen eine Reduzierung des Einschreitensermessens auf Null spricht. Auf die - von der Beklagten verneinte (Schriftsatz vom 05.01.2014) - Frage, ob der 40 m lange Flechtzaun von der unter dem 23.04.1993 erteilten Genehmigung für einen 32 m langen Flechtzaun gedeckt ist, kommt es entscheidungserheblich nicht an.

8

2. Die Frage, ob ein Einschreitensanspruch unabhängig von tatsächlichen Beeinträchtigungen bzw. ab welchem Maß (der Abstandsunterschreitung) besteht, rechtfertigt keine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

9

In der Rechtsprechung - auch - des Senats ist geklärt, dass eine Reduzierung des Einschreitensermessens erst bei mehr als lediglich geringfügigen Verstößen gegen nachbarschützende Baurechtsbestimmungen in Betracht kommt (vgl. zuletzt Beschl. des Senats vom 12.12.2014, 1 LA 57/14, n. v.; vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 13.12.1991, 3 S 2358/91, VBlBW 1992, 148).Die Ermessensentscheidung hat sich an der betroffenen Nachbarrechtsverletzung im Einzelfall zu orientieren. Maßgebend sind insoweit die Zahl und die Art der Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften sowie das konkrete Ausmaß der davon ausgehenden Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück (Urt. des Senats v. 19.04.2012, 1 LB 4/12, NordÖR 2013, 345 [bei Juris Rn. 26]; vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 16.02.2012, 1 LB 19/10, BeckRS 2012, 48458, bei juris Tn. 39 m.w.N.). Bei unzumutbaren Beeinträchtigungen wäre die Behörde „in aller Regel zum Einschreiten gegen illegale bauliche Anlagen oder Nutzungen verpflichtet, es sei denn, es stünden ihr sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite“ (VGH Mannheim, Beschl. v. 13.12.1991, 3 S 2358/91, VBlBW 1992, 148). Im vorliegenden Fall kann schon - im Ansatz - nicht von unzumutbaren Beeinträchtigungen des Grundstücks der Klägerin oder dessen baulicher Nutzung gesprochen werden.

10

3. Der gem. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend gemachte Verfahrensfehler rechtfertigt ebenfalls keine Berufungszulassung.

11

Selbst wenn es zutreffen sollte, dass das Verwaltungsgericht - trotz Erörterung der Abstandsproblematik und gerichtlicher „Vermessung“ des Abstandes in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung - nicht auf einen durch die Errichtung des 1,80 m hohen Flechtzauns der Klägerin bewirkten Abstandsverstoß hingewiesen haben sollte, läge darin kein Gehörsverstoß. Das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten schon in der mündlichen Verhandlung auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offenzulegen, wie es seine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Anders ist es nur, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit dem bzw. mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.06.2012, 5 B 5.12, [Juris Rn. 12]). Das war hier nicht der Fall, zumal dem von der Klägerin geltend gemachten Einschreitensanspruch schon von der Beklagten ein auf § 242 BGB gestützter Einwand entgegengesetzt worden war (S. 4 des Bescheides vom 23.04.2012). Dieser war zwar auf Verwirkung gestützt, deren Vorliegen das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 13 u. des Abdr.) hat dahin stehen lassen, doch konnte die Klägerin damit rechnen, dass ihr Begehren auch im Hinblick auf andere, für Abstandskonflikte typische Fallgruppen einer Treuwidrigkeit - wie hier der unzulässigen Rechtsausübung - überprüft werden würde.

12

Unabhängig davon würde die geltend gemachte Gehörsverletzung die erstinstanzliche Entscheidung nur „partiell“ betreffen, weil sie allein die (oben 1.2 behandelte) These betrifft, die Klägerin habe in vergleichbarer Weise wie der Beigeladene gegen das Abstandsflächenrecht verstoßen. Ist das angefochtene Urteil - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt (kumulative Mehrfachbegründung), kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs das Gesamtergebnis des Verfahrens betrifft. Die Klagabweisung wird - wie ausgeführt - schon durch die (oben 1.1 behandelte) Ablehnung eines Einschreitensanspruchs der Klägerin gestützt, so dass das erstinstanzliche Urteil auf der geltend gemachten Gehörsverletzung - auch wenn sie vorläge - nicht beruhen kann. Ein Hinweis des Verwaltungsgerichts in dem von der Klägerin für richtig erachteten Sinne hätte sich auf das Ergebnis der Entscheidung nicht auswirken können, da die Klagabweisung daneben - tragend - auf die Verneinung eines Einschreitensanspruchs gestützt werden konnte.

13

4. Weitere Zulassungsgründe sind nicht dargelegt worden. Der Zulassungsantrag war deshalb mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist damit rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

14

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil er sich nicht am Zulassungsverfahren beteiligt hat.

15

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.