Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. März 2017 - 11 A 302/15

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0301.11A302.15.0A
bei uns veröffentlicht am01.03.2017

Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2015 verpflichtet, über den Beihilfeantrag des Klägers vom 03.07.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Beihilfen für den Aufenthalt des Klägers in einer Demenzwohngruppe im Monat Juni 2015.

2

Der am …1953 geborene Kläger ist verheiratet und hat gemeinsam mit seiner Ehefrau, zugleich gesetzlichen Vertreterin, die Kinder xxx und xxx. Er ist als Versorgungsempfänger beihilfeberechtigt mit einem Beihilfebemessungssatz von 70 Prozent. Bis zu seiner krankheitsbedingten vorzeitigen Pensionierung 2009 stand er, zuletzt als Personalleiter, im Dienst des Beklagten. Im Jahr 2006 fielen bei dem Kläger deutliche Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen auf. Es erfolgte zunächst die Diagnose eines Burn-out-Syndroms. Da trotz Rehabilitation keine Besserung der Hirnleistung eintrat, erfolgte 2009 die vorzeitige Pensionierung. Eine Untersuchung im Zentrum für integrative Psychiatrie im Universitätsklinikum B-Stadt ergab den dringenden Verdacht eines Morbus Alzheimer mit frühem Beginn. Seit Mai 2015 liegt bei dem Kläger ausweislich des Gutachtens des „Medizinischen Dienstes der Privaten (MEDICPROOF)“ vom 30.06.2015 eine Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I und eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz vor.

3

Der Kläger erhält Versorgungsbezüge der Besoldungsordnung A 13 Stufe 12 mit einem Abschlag aufgrund der vorzeitigen Pensionierung von 10,8 Prozent. Über weitere Einkünfte verfügt er nicht. Im Juni 2015 erhielt er Nettoversorgungsbezüge – einschließlich des kindbezogenen Anteils am Familienzuschlag von 106,95 EUR – in Höhe von 2.918,72 EUR sowie Kindergeld für seine Tochter xxx in Höhe von 184,00 EUR.

4

Die Ehefrau des Klägers war seit der Geburt des ersten Kindes nicht mehr berufstätig. Ein Versuch zur Rückkehr in die Berufstätigkeit nach Beendigung der Grundschulzeit der Kinder gelang nicht. Sie widmete sich der Kindererziehung sowie der Pflege ihrer Mutter und ihrer Tante. Von August 2015 bis Dezember 2016 übte die Ehefrau des Klägers einen Minijob aus, mit einem Nettoerwerbseinkommen in Höhe von monatlich 300,00 EUR. Im Januar 2017 musste sie diesen aufgrund von Rückproblemen aufgeben und ist seither arbeitssuchend.

5

Dem Kläger entstehen für seine private Kranken- und Pflegeversicherung Kosten in Höhe von monatlich 211,67 EUR. Ferner hat er einen monatlichen Bedarf von 120,00 EUR als Taschengeld für Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sowie Kosten in Höhe von 60,00 EUR für die Versorgung seines Hundes. Die Ehefrau des Klägers beziffert ihre eigenen monatlichen Wohnkosten mit 500,00 EUR, die Kosten für den eigenen Lebensunterhalt mit 700,00 EUR. Darüber hinaus entstehen ihr Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 233,15 EUR. Gegenüber dem Sohn xxx, der bis voraussichtlich 2017 Elektrotechnik studieren wird, bestanden Unterhaltsverpflichtungen von Juni 2015 bis September 2015 in Höhe von monatlich 186,55 EUR. Der Tochter xxx, die nach Ausbildungsabschluss und Zeiten der Arbeitslosigkeit ein Fernstudium absolvierte, wurde von Juni 2015 bis Juli 2016 das durch den Kläger bezogene Kindergeld monatlich vollständig weitergeleitet. Sie verfügte über Erwerbseinkommen in Höhe von monatlich 300,00 EUR.

6

Seit dem 01.06.2015 lebt der Kläger, nachdem er zuvor gegenüber seiner Ehefrau aggressiv geworden war, in der Seniorengemeinschaft xxx GmbH (sogenannten Demenzwohngruppe) in xxx. Diese verfügt über keine Zulassung als Pflegeeinrichtung im Sinne von § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). In dem mit der Einrichtung geschlossenen Alltagsgestaltungsvertrag heißt es auszugsweise:

7

„[…] Die Einrichtung hält keine Pflegeleistungen durch ständige Anwesenheit von Pflegekräften vor. Der Mieter hat jedoch das Wahlrecht, den kooperierenden ambulanten Pflegedienst der Einrichtung mit der Erbringung von Pflegeleistungen zu beauftragen. Der Leistungsnehmer ist nicht verpflichtet, Pflegeleistungen durch den kooperierenden Pflegedienst der Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Er ist vielmehr in der Wahl des jeweiligen Dienstleistungsunternehmens frei.

8

§ 6 Die Leistungen der Grund- und Behandlungspflege sind nicht Gegenstand dieses Vertrages.

9

§ 7 Das monatliche Entgelt für die Leistungen dieses Vertrages beträgt derzeit für den Leistungsnehmer 1.483,00 EUR. Darin enthalten sind die Alltagsbegleitung, die Leistungen der Verpflegung und in Teilen die Leistung der Hauswirtschaft. Das monatliche Entgelt für wahlfreie Zusatzleistungen beträgt für die Reinigung der persönlichen Räume 68,00 EUR und für die Reinigung der persönlichen Wäsche 70,00 EUR.“

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Ausweislich des abgeschlossenen Mietvertrages entstehen zudem Gesamtmietkosten in Höhe von 500,00 EUR monatlich.

11

Die Aufgaben der ambulanten Pflege werden durch den ambulanten Pflegedienst der Diakonie wahrgenommen, mit der ein gesonderter Pflegevertrag abgeschlossen wurde. Diese Kosten werden jeweils anteilig durch die private Pflegeversicherung und den Beklagten getragen und sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

12

Mit Schreiben vom 18.06.2015 erhielt der Kläger für die Unterbringung in der Demenzwohngruppe eine Kostenaufstellung für den Monat Juni 2015, die sich zusammensetzte, aus einer Forderung in Höhe von 1.483,00 EUR aus dem Alltagsgestaltungsvertrag, in Höhe von 500,00 EUR aus dem Mietvertrag sowie weiterer 1.000,00 EUR als Mietsicherheit, verbunden mit der Aufforderung, den Gesamtbetrag in Höhe von 2.983,00 EUR zu überweisen.

13

Mit Schreiben vom 03.07.2015 beantragte der Kläger die Übernahme dieser Kosten, mit Ausnahme der Mietsicherheit, in Höhe von insgesamt 1.983,00 EUR. Die Kosten für die Wohn-Pflege-Gemeinschaft seien nicht geringer, als bei einer stationären Unterbringung. Die Lebensqualität sei aber erheblich höher. Das Pflegegeld und die Pflegesachleistungen würden entsprechen der Pflegestufe gesondert von dem Pflegedienst der Diakonie als ambulante Leistungen in Rechnung gestellt. Aus der Pflegeversicherung sei ein Wohngruppenzuschlag beantragt worden, der aber nur 205,00 EUR im Monat betrage. Er beantrage eine Einzelfallentscheidung.

14

Der Beklagte leitete den Antrag an das Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein weiter. Dieses führte mit Schreiben vom 20.07.2015 aus, dass die Voraussetzungen für eine Einzelfallentscheidung nicht vorlägen. Aus dem Wortlaut von § 17 Absatz 2 Beihilfeverordnung (BhVO) sei ersichtlich, dass es sich um eine Ausnahmeregelung handele, deren Anwendung auf wenige, besonders gelagerte Tatbestände beschränkt werden müsse. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, da im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen – Pflegestufe I mit Demenz – keine gravierenden Besonderheiten bestünden. Die Höhe der monatlichen Kosten allein genüge hierfür nicht. Hinzu komme, dass es sich zum Großteil um allgemeine Lebenshaltungskosten handele, die jedermann zu tragen habe. Die Unterbringung führe auch nicht zu einer finanziellen Notlage. Im Januar 2015 habe der Auszahlungsbetrag für die Versorgung 3.063,27 EUR betragen. Selbst wenn dies so wäre, müssten zunächst anderweitige Möglichkeiten für eine kostengünstigere Unterbringung gesucht werden.

15

Mit Bescheid vom 19.08.2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung gab er die Ausführungen aus dem Schreiben des Finanzministeriums wieder und führte ergänzend aus, die Ehefrau des Klägers erhalte monatlich 689,00 EUR Pflegegeld, zusätzliche Betreuungsleistungen in Höhe von 208,00 EUR sowie einen Wohngruppenzuschlag in Höhe von 205,00 EUR. Hinzu kämen Pflegesachleistungen, die entsprechend der Pflegestufe gesondert von der Diakonie in Rechnung gestellt würden.

16

Seinen Widerspruch vom 25.08.2015 begründete der Kläger damit, dass der Ausgangsbescheid von falschen Voraussetzungen ausgehe. Pflegegeld könne nur geltend gemacht werden, wenn er zu Hause gepflegt werde. In der Wohngemeinschaft rechne der ambulante Pflegedienst die Pflege- und Betreuungsleistungen ab. Ein Umzug in ein Pflegeheim stelle eine unzumutbare Härte dar. Zudem bestehe entgegen der Annahme im Ausgangsbescheid eine Notlage, da seine Ehefrau den Lebensunterhalt aus Rücklagen finanziere. Zudem resultiere ein Großteil der Kosten nicht aus allgemeinen Lebenshaltungskosten, sondern aus personalintensiver Alltagsbetreuung und hauswirtschaftlicher Versorgung. Auch liege infolge der Mietkosten eine doppelte Mietbelastung vor.

17

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.09.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die beihilferechtlichen Erstattungen seien in Anlehnung an die Entscheidung der Pflegekasse erfolgt. Eine Ausnahmegenehmigung sei durch das Finanzministerium nicht ausgesprochen worden. Infolge des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes könne seit dem 01.01.2015 ein Zuschlag für ambulante Wohngruppen nach § 38 a SGB XI bezogen werden. Die beihilferechtlichen Grundlagen seien in Anlehnung an die Erweiterung der Ansprüche entsprechend angepasst worden. Hierdurch solle gewährleistet werden, dass Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen könnten. Zudem solle die Selbständigkeit der Betroffenen gewahrt und gefördert werden. Ziel und Wesensinhalt der Bezuschussung der Wohngruppen und der Aufnahme der eingeschränkten Alltagskompetenz sei in erster Linie aber die Personengruppe der demenziell Erkrankten, die noch nicht den Grad der Pflegestufe I erreichten. Die Wohngruppe des Klägers begründe sich daher konzeptionell am Leitgedanken der Alltagsbegleitung. Ausdrücklich ausgeschlossen seien pflegerische Leistungen. Dies führe zu der durch den Kläger dargelegten doppelten Haushaltsführung. Hintergrund sei aber, dass es mittlerweile Einrichtungen gebe, die auf Bedürfnisse der an Demenz erkrankten Menschen speziell ausgerichtet seien.

18

Der Kläger hat am 21.09.2015 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Er habe durch Abschluss einer privaten Pflegeversicherung eine angemessene Eigenvorsorge getroffen, die aber für die streitgegenständlichen Unterbringungskosten nicht aufkomme. Die Versorgung sei mit derjenigen in einem vollstationären Pflegeheim mit dem Schwerpunkt der Versorgung demenzkranker Menschen vergleichbar. Es handele sich nicht um ein betreutes Wohnen oder eine teilstationäre Einrichtung, sondern um eine neuartige Unterbringungsform im Sinne von § 8 Selbstbestimmungsstärkungsgesetz. Bei Erlass des Selbstbestimmungsstärkungsgesetzes sei es ausdrückliches Anliegen des Gesetzgebers gewesen, besondere Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen zu gewährleisten und diese neuen Formen von Einrichtungen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit zu schützen und zu fördern. Dies sei bei der Auslegung von § 12c BhVO zu berücksichtigen. Zu Unrecht habe der Beklagte bislang allein auf § 12a BhVO abgestellt. Auch der Hinweis auf das Pflege-Neuausrichtungsgesetz gehe daher fehl. Zwar sei es grundsätzlich zutreffend, dass auch eine Unterbringung in einer ambulanten Wohngruppe oder in einer stationären Pflegeeinrichtung mit demenziellem Schwerpunkt in Betracht komme. Eine solche würde für ihn aber keine Verbesserung bedeuten. Es sei weder sachgerecht noch zumutbar oder vom Gesetzgeber gewollt, dass ein solcher Wechsel erfolge. Entscheidend sei allein, dass eine möglichst hinreichende und menschenwürdige Versorgung erreicht werde. Die Aufnahme in die Demenzwohngemeinschaft xxx habe die psychische wie physische Situation des Klägers deutlich stabilisiert und verbessert. Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.01.2012 – 2 C 24.10 folge, dass ein Anspruch auf Erhöhung des Beihilfesatzes für die Erstattung der Aufwendungen für eine stationäre Pflegeeinrichtung bestehe, wenn ansonsten ein amtsangemessener Lebensunterhalt nicht gewährleistet sei. Das in der Beihilfeverordnung verankerte Ermessen sei dann auf Null reduziert. Die in Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz (GG) verankerte Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhaltes erstrecke sich auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründeten. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen für eine Einzelfallentscheidung in einem besonders begründeten Fall im Sinne von § 17 Absatz 2 BhVO vor, weil für Demenzerkrankte mit der Pflegestufe I nur ein sehr eingeschränktes Angebot einer bedarfsgerechten pflegerischen Versorgung außerhalb der eigenen Häuslichkeit in einer ständigen Einrichtung gegeben sei. Ohne Kostenerstattung sei er zum Umzug gezwungen. Zudem ergäben sich besondere Fürsorgegründe aus seinen Einkommensverhältnissen. Er sei seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet. Der Ehefrau sei eine Rückkehr in das Erwerbsleben nicht zumutbar. Hinzu komme, dass er bereits in verhältnismäßig jungem Alter an Demenz erkrankt sei. Für diese Altersgruppe sei es typisch, dass einerseits noch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den eigenen Kindern bestünden, andererseits aber auch eine Verantwortung für die eigenen Eltern. In den stationären Pflegeeinrichtungen gebe es kein passendes Angebot für jüngere Demenzkranke. Die jetzige Unterbringung biete ihm die Möglichkeit, auf dem Freigelände mit seinem Hund spazieren zu gehen sowie individuelle Beschäftigungs- und Betreuungsmöglichkeiten. Schließlich habe die Demenzerkrankung die gesamte Familie schwer getroffen und die Lebensplanung zerstört. Artikel 19 der UN-Behindertenkonvention garantiere Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Die Konvention stehe etwa dem Versuch von Sozialhilfeträgern entgegen, Menschen mit hohem Assistenzbedarf gegen ihren Willen in ein stationäres Pflegeheim abzuschieben, um Kosten zu sparen.

19

Der Kläger beantragt,

20

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2015 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe gemäß seinem Antrag vom 03.07.3015 zu bewilligen.

21

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

23

Den Antrag des Klägers vom 05.11.2015, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens zu verpflichten, an den Kläger für die Dauer des Aufenthaltes in der Demenzwohngruppe xxx 1.983,00 EUR monatlich an Beihilfe für Kosten der Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten zu zahlen, hat die Kammer mit Beschluss vom 08.03.2016 abgelehnt (Az. 11 B 37/15). Die Beschwerde hiergegen hat das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.05.2016 zurückgewiesen (Az. 2 MB 6/16).

24

In dem Verfahren 11 B 37/15 hat der Beklagte ergänzend zu der in Bezug genommenen Begründung des Widerspruchsbescheides ausgeführt, dass die beihilferechtlichen Erstattungen in Anlehnung an die Entscheidung der Pflegekasse erfolgt seien. Da Kombinationsleistungen in Form von Pflegesachleistungen und des Pflegegeldes in Anspruch genommen worden seien, sei hier der Bereich der häuslichen Pflege beihilferechtlich berührt. Aufwendungen für Unterkunft, Verpflegung und Investition würden hingegen nur im Bereich der stationären Pflege übernommen. Bei dem Kläger liege aber der Sache nach eine stationäre Unterbringung mit ambulanter Pflege vor, die nicht in dem gewünschten Umfang erstattungsfähig sei. Das in Bezug genommene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stelle allein sicher, dass die pflegerischen Leistungen gedeckt würden. Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulanten Wohngruppen würden nach geltender Gesetzeslage pauschal erbracht. Diese Förderung in Höhe von 205,00 EUR erhalte der Kläger bereits. Dem Bestreben der Landesregierung, Demenzkranken ein Leben in Würde zu ermöglichen, werde seit dem 01.01.2015 verstärkt Rechnung getragen. In der Situation des Klägers bestehe die Möglichkeit einer häuslichen Betreuung mit ambulanter Pflegeunterstützung und die Unterbringung in einer ambulanten Wohngruppe oder aber die Unterbringung in einer stationären Pflegeeinrichtung mit demselben Ziel. Die finanzielle Hauptlast bei der Unterbringungsform des Klägers sei die Alltagsgestaltung, auf welche ein Kostenanteil von 1.100,00 EUR entfalle. Diese sei nicht durch die Kosten der Unterkunft, Verpflegung und Investition gedeckt, sodass die Argumentation des Klägers, die diesbezügliche Erstattung müsse analog der stationären Unterbringung erfolgen, nicht verfange. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn reiche nicht so weit, dass jede Unterbringungsform unterstützt werden könne.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Streitgegenstand sind Beihilfen für die im Juni 2015 entstandenen Kosten der Unterbringung in der Demenzwohngruppe in Höhe von 1.483,00 EUR aus dem Alltagsgestaltungsvertrag und 500,00 EUR aus dem Mietvertrag, wie sie sich aus der Rechnung vom 18.06.2015 ergeben, nicht dagegen die grundsätzliche Beihilfefähigkeit der insoweit zukünftig entstehenden Aufwendungen (so wohl VG Würzburg, Urteil vom 25. März 2013 – W 1 K 12.815, Rn. 23 – Juris), denn einem solchen Antrag fehlt angesichts der Regelung in § 5 Absatz 2 Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen an Beamtinnen und Beamte in Schleswig-Holstein (Beihilfeverordnung – BhVO) in der Fassung vom 04.04.2011 (GVOBl. Schleswig-Holstein Seite 122) das Rechtsschutzbedürfnis. Danach wird eine Beihilfe nur für Aufwendungen gewährt, die durch Belege nachgewiesen sind, soweit nichts anderes bestimmt ist. An einer anderen Bestimmung im Sinne dieser Regelung fehlt es, denn eine mit § 51 Absatz 2 Satz 4 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV) vergleichbare Regelung enthält die BhVO nicht. Hiermit korrespondiert die Regelung in § 12 Absatz 6 BhVO, wonach die Beihilfe ab Beginn des Monats der erstmaligen Antragstellung gewährt wird. Diese Formulierung zeigt, dass eine fortlaufende Antragstellung erforderlich ist, denn die Verwendung des Wortes „erstmalig“ wäre entbehrlich, wenn es lediglich einer Antragstellung bedürfen würde (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14.06.2016 – 14 ZB 14.1508, Rn. 13 – Juris).

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Die zulässige Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet, weil der Beklagte zu Unrecht die Annahme eines besonders begründeten Falles im Sinne von § 17 Absatz 2 BhVO verneint hat. Nach Maßgabe der nachstehenden Erwägungen ist der Beklagte daher verpflichtet, den Kläger neu zu bescheiden, § 113 Absatz 5 Satz 2, § 114 VwGO.

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Gemäß § 80 Absatz 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz (LBG) vom 26.03.2009 (GVOBl. Schleswig-Holstein Seite 93, berichtigt Seite 261) erhalten Versorgungsempfänger in Pflegefällen eine Beihilfe nach Maßgabe der BhVO. In der BhVO sind für die verschiedenen Arten der Pflege beihilfefähige Höchstbeträge, gestaffelt nach der Pflegestufe, entsprechend dem SGB XI vorgesehen. Daran anknüpfend hat der Kläger entsprechend § 80 Absatz 7 Satz 2 Nummer 2 LBG, § 6 Absatz 1 Nummer 2 BhVO einen Anspruch (§ 1 Absatz 1 Satz 1 BhVO) auf Gewährung von Beihilfe mit einem Bemessungssatz von 70 Prozent, was vorliegend einem Anteil von 1.388,10 EUR entspricht.

29

Zwar steht dem Kläger über die erhaltenen und hier nicht streitigen Beihilfeleistungen hinaus kein unmittelbarer Anspruch aus den Regelungen der BhVO zu. Insbesondere fehlt es für die Heranziehung von § 12 c BhVO an der unstreitig nicht vorhandenen Zulassung der Demenzwohngruppe als Pflegeeinrichtung im Sinne von § 72 SGB XI. Für die klägerische Auffassung, wonach § 12 c BhVO analog anzuwenden sein müsse, weil die Versorgung mit derjenigen in einem vollstationären Pflegeheim mit dem Schwerpunkt der Versorgung demenzkranker Menschen vergleichbar sei, finden sich keine Anhaltspunkte. Aus dem Verweis auf die Regelung im Pflegeversicherungsrecht wird deutlich, dass der Verordnungsgeber das in § 72 SGB XI beschriebene Verfahren zur Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit stationärer Pflegeleistungen machen wollte. An einer Erweiterung des Tatbestandes, wie er sich etwa in § 39 Absatz 1 Satz 1 BBhV findet, wonach „vergleichbaren Pflegeeinrichtung“ einzubeziehen sind, fehlt es.

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Dennoch hat der Kläger, auch wenn damit kein Rechtsanspruch auf die Feststellung der Beihilfefähigkeit einhergeht, einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages gemäß § 17 Absatz 2 BhVO, der Ausdruck der verfassungsrechtlich verbürgten Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist. Danach kann die für das Beihilferecht zuständige oberste Landesbehörde – gemäß Absatz 3 für die Beihilfeberechtigten der Kreise die oberste Dienstbehörde – in besonders begründeten Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung zulassen.

31

Zwar gilt insoweit der Grundsatz, dass es den Gerichten nicht zusteht, die Vorschrift des § 45 BeamtStG für eine Argumentation in Anspruch zu nehmen, die im Ergebnis darauf abzielt, im Einzelfall (vermeintliche) „Härten“ zu beseitigen, die sich aus dem (notwendig) pauschalierenden und typisierenden Charakter der in der Rechtsverordnung enthaltenen Regelungen zwingend (und bindend) ergeben, wenn der Verordnungsgeber für einen Teilkomplex der dem Dienstherrn nach § 45 Beamtenstatusgesetz gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten obliegenden Fürsorge eine abschließende Spezialregelung – dieses hat der schleswig-holsteinische Verordnungsgeber durch den Erlass der Beihilfeverordnung getan – trifft. Allerdings bleiben von diesem Grundsatz unberührt Härteregelungen, die sich – namentlich in Richtung auf eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes – in der Rechtsverordnung selbst finden (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl., § 10 Rn. 4, mit Rechtsprechungsnachweis). Als Härteregelung im letztgenannten Sinne ist die Vorschrift des § 17 Absatz 2 BhVO anzusehen. Dieser Vorschrift liegt der in der bisherigen Rechtsprechung entwickelte Gedanke zugrunde, dass ungeachtet des abschließenden Charakters der Beihilfevorschriften (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.06.1999 – 2 C 29.98, Rn. 21 – Juris) im Ausnahmefall die verfassungsrechtlich verbürgte Fürsorgepflicht unmittelbar Grundlage eines Beihilfeanspruchs sein kann, wenn anderenfalls der Beamtin oder dem Beamten eine auch unter Berücksichtigung des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften nicht mehr zumutbare Belastung abverlangt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.06.1985 – 6 C 24.84, Rn. 20 – Juris) und die Ablehnung der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.6.1999 – 2 C 29.98, Rn. 22; Urteil vom 13.12.2012 – 5 C 3.12, Rn. 21 – Juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.05.2014 – 2 LB 9/13, Rn. 25 – Juris). Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen Ausnahmefalls ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass den Anforderungen des durch Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz gewährleisteten Alimentationsgrundsatzes Rechnung getragen wird. Die Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen besonderen Bedarf begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.2012 – 2 C 24.10, Rn. 15; Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.05.2016 – 2 MB 6/16, Rn. 7 – Juris). Dabei ist die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (BVerwG, Urteil vom 26.03.2015 – 5 C 8/14, Rn. 36; Urteil vom 06.11.2009 - 2 C 60.08, Rn. 19; Urteil vom 10.10.2013 – 5 C 32.12, Rn. 22 – Juris). Die Verpflichtung des Dienstherrn zur amtsangemessenen Alimentation beschränkt sich nicht nur auf den Beamten selbst. Anerkanntermaßen hat der Dienstherr dafür Sorge zu tragen, dass jeder Beamte auch seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Familie erfüllen kann. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass zur Beamtenfamilie Ehegatten und die Gemeinschaft eines Beamten mit seinen Kindern zählt (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 08.11.2007 – 2 BvR 2334/06, Rn. 25 – Juris). Mit diesen Maßstäben zumindest im Ergebnis übereinstimmend sehen die zu § 17 ergangenen Durchführungsbestimmungen (§ 1 Absatz 3 BhVO) vor, dass eine solche Entscheidung getroffen werden kann, wenn dies aus medizinischen oder besonderen Fürsorgegründen erforderlich erscheint.

32

Gemessen an diesen Grundsätzen ist im Rahmen der gebotenen Gesamtbewertung (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 25.03.2013 – W 1 K 12.815, Rn. 24 – Juris) von einem besonders begründeten Ausnahmefall auszugehen, da der Kläger infolge des sich aus der Struktur der BhVO ergebenden Leistungsausschlusses mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann. Die Annahme des Tatbestandes eines solchen Ausnahmefalls scheidet auch nicht bereits deshalb aus, weil sich der Kläger auf eine andere Unterbringungsform verweisen lassen muss.

33

Im streitgegenständlichen Monat Juni 2015 verfügte der Kläger über Nettoversorgungsbezüge (zu deren Maßgeblichkeit für die Amtsangemessenheit der Alimentation vgl. BVerfGE 44, 249, 266; 81, 363, 376; 99, 300, 3121; 107, 218, 237; 114, 258, 286; 11, 330, 350) in Höhe von 2.918,72 EUR sowie eine Kindergeldzahlung in Höhe von 184,00 EUR für das Kind Anne. In die Gesamtalimentation sind zudem die hier nicht streitigen Beihilfen des Beklagten und Leistungen der Pflegeversicherung für die Pflegesachleistungen einzubeziehen. Dem standen im Juni 2015 folgende Kosten des Klägers und seiner Familie im oben beschriebenen Sinne gegenüber:

34

Kosten des Klägers

                 
        

1.100,00 EUR

Alltagsgestaltungsvertrag

        

 245,00 EUR

Verpflegungskosten

        

 500,00 EUR

Unterkunftskosten

        

 68,00 EUR

Zimmerreinigungskosten

        

 70,00 EUR

Wäschereinigungskosten

        

 211,67 EUR

Private Kranken- und Pflegeversicherung

        

 120,00 EUR

Taschengeld

        

 60,00 EUR

Hundeversorgung

        

2.374,67 EUR

        

Kosten der Ehefrau

                 
        

 233,15 EUR

Private Kranken- und Pflegeversicherung

        

 500,00 EUR

Wohnkosten

        

 700,00 EUR

Lebensunterhalt

        

1.433,15 EUR

        

Kosten der Kinder

                 
        

184,00 EUR

Unterhalt Tochter xxx

        

186,55 EUR

Unterhalt Sohn xxx

        

370,55 EUR

        

Gesamt

4.178,37

        

35

Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, dass der Kläger im Juni 2015 mit erheblichen finanziellen Kosten belastet blieb, die er durch die Regelalimentation nicht bewältigen konnte. Vor Abzug der hier streitigen Pflegekosten in Höhe von 1.983,00 EUR verblieben von seiner Regelalimentation einschließlich des Kindergeldes 907,35 EUR. Dabei ist nicht ersichtlich, dass von dem Kläger geltend gemachte Kostenpositionen von Vornherein unberücksichtigt bleiben müssten. Insbesondere ist das geltend gemachte Taschengeld zur Deckung seines persönlichen Bedarfs, der durch die abgerechneten Heimkosten nicht umfasst war (z. B. Hygienebedarf, Friseur, Bekleidung) in Höhe der hier veranschlagten 120,00 EUR als angemessen anzusehen. Dass die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern nicht bestanden haben, ist von dem Beklagten nicht geltend gemacht worden und auch unter Heranziehung der §§ 1601, 1610 Bürgerliches Gesetzbuch nicht ersichtlich. Insbesondere ist der Sohn Fabian insoweit der Obliegenheit nachgekommen, erreichbare BAföG-Leistungen zu beantragen. Die Höhe des gewährten Unterhalts von zunächst 186,55 EUR und später 227,21 EUR ist nicht zu beanstanden (vgl. auch Bescheid über Ausbildungsförderung, Bl. 31 d. Gerichtsakte 11 A 302/15, der einen Gesamtbedarf von 670,00 EUR zugrunde legt).

36

Dahinstehen kann auch, ob von der Ehefrau des Klägers grundsätzlich verlangt werden musste, sich um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen, denn jedenfalls in dem unmittelbar auf die zuvor durch sie über einen langen Zeitraum durchgeführte häusliche Pflege folgenden Monat konnte dies nicht verlangt werden. Der Umzug in die Demenzwohngruppe erfolgte aufgrund der aufgetretenen Aggressivität des Klägers und war nicht planbar. Angesichts der Dauer der Nichterwerbstätigkeit und des Alters der Ehefrau des Klägers dürften die Anforderungen diesbezüglich ohnehin nicht überspannt werden, zumal ab August 2015 ein Minijob ausgeübt wurde.

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Von den verbleibenden 907,35 EUR konnte der Kläger die anfallenden Kosten für die Unterbringung in der Demenzwohngruppe in Höhe von 1.983,00 EUR offensichtlich nicht bewältigen. Keiner abschließenden Klärung bedurfte vor diesem Hintergrund die – im Übrigen durch den Beklagten nicht in Abrede gestellte – Angemessenheit der von der Ehefrau des Klägers geltend gemachten Kosten. Denn selbst bei Heranziehung des im Juni 2015 geltenden Regelsatzes für einen alleinstehenden Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Höhe von 399,00 EUR sowie den als Mindestkosten in der Wohngeldtabelle gemäß § 12 Absatz 1 Wohngeldgesetz vorgesehenen 434,00 EUR für einen Haushalt in A-Stadt (Mietenstufe IV) mit einem Mitglied verblieben ungedeckte Pflegekosten in Höhe von über 708,65 EUR. Es ist auch nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass der Kläger im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Kosten Eigenvorsorge hätte betreiben können, welche über den Abschluss seiner privaten Pflegeversicherung bei der Allianz Private Krankenversicherungs-AG hinausgeht (zum Erfordernis der zumutbare Eigenvorsorge vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.08.2013 – 1 A 1481/10, Rn. 81 – Juris).

38

Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung war zudem ausschlaggebend, dass der Kläger als in verhältnismäßig jungem Alter an Demenz erkrankter Pflegebedürftiger das Bedürfnis hat, nicht ausschließlich mit pflegebedürftigen alten Menschen mit rein geriatrischen Problemen zusammenzuleben, sondern bei der Tagesgestaltung auch mit jüngeren Menschen und vergleichbar schweren Lebensschicksalen zusammenzutreffen. Die Erwägungen des Finanzministeriums, der Kläger unterscheide sich nicht von der Gruppe der Demenzkranken mit Pflegestufe I, greifen an dieser Stelle ersichtlich zu kurz. Bei dem Kläger traten bereits mit 53 Jahren deutliche Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen auf, die im Alter von 56 Jahren zu seiner vorzeitigen Pensionierung führten. Damit unterscheidet sich der Kläger von der Masse der Demenzerkrankten mit Pflegestufe I. In dem Informationsblatt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. „Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen“ (Juni 2016) heißt es insoweit auszugsweise: „Im mittleren Lebensalter sind Demenzen vergleichsweise selten. Weniger als 2% der Erkrankungen entfallen auf ein Alter von unter 65 Jahren. Internationale Schätzungen deuten auf eine Prävalenzrate von 0,1 % in der Altersgruppe von 45 bis 64 Jahren hin. In Deutschland sind demnach ca. 20.000 Personen von früh beginnenden Demenzen betroffen“ (aaO., Seite 2). Mit dem verhältnismäßig jungen Alter des Klägers bei Krankheitsbeginn korrespondieren zudem Besonderheiten hinsichtlich seiner leidensgerechten Unterbringung. Stationäre Pflegeeinrichtungen richten sich zumeist an einen deutlich älteren Adressatenkreis. Spezifische Angebote für jüngere Demenzkranke werden dort nach unwidersprochener Darlegung des Klägers nicht vorgehalten. Dieser Umstand resultiert aus der statistischen Verteilung der Altersgruppen Pflegebedürftiger. Ausweislich der Pflegestatistik 2015 (Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung – Deutschlandergebnisse – 2015, Statistisches Bundesamt vom 16.01.2017) liegt die Pflegequote der Bevölkerungsgruppe der 15 bis 60-jährigen (insgesamt 48.792.324 Menschen) bei 0,6 Prozent, während sie bei der Altersgruppe der 70-75-jährigen bei 5,4 Prozent, der 75-80-jährigen bei 9,9%, der 80-85-jährigen bei 21,1 Prozent, den 85-90-jährigen bei 39,7 Prozent und den über 90-jährigen bei 66,1 Prozent liegt. Nach den Darlegungen des Klägers ist für ihn die Möglichkeit von Bewegung und sinnvoller Beschäftigung besonders wichtig. Diesen Bedürfnissen wird die Demenzwohngruppe gerecht. Ausweislich des Internetauftritts der Einrichtung (http://www.swg-koppelsberg.de/) setzt das Konzept dieser Wohngemeinschaft für an Demenz erkrankte Menschen neue Schwerpunkte. Zusätzlich zu der pflegenden Versorgung wird besonderer Wert auf die individuelle Betreuung und Beschäftigung gelegt und die Einbindung in Alltagstätigkeiten gefördert, wobei die Bewohner nach individuellem Werdegang den ihnen vertrauten Tätigkeiten nachgehen können und – soweit möglich – ihren Alltag selbst bestimmen. Die Außenanlagen und ein besonderes Konzept mit naturnahen Aktivitäten, einschließlich Nutztierhaltung bieten gerade jungen Demenzerkrankten ein breites Betätigungsfeld. Der Kläger verfügt über die Möglichkeit, sich mit seinem Hund auf dem Außengelände zu bewegen. Die Einrichtung bietet zudem den Aufbau einer Tagesstruktur an und motiviert die Demenzkranken am Leben in der Wohngemeinschaft teilzunehmen.

39

Die Gesamtbetrachtung gebietet schließlich die Einbeziehung der Aussage des Hausarztes des Klägers, dass sich dessen psychische und körperliche Situation deutlich stabilisiert und verbessert hat. Die Versorgungs- und Lebenssituation ist nach seinen Darlegungen in dieser Unterbringung hervorragend und eine Verlegung in ein Pflegeheim nicht sinnvoll. Die Prognose sei bei dieser Versorgung deutlich günstiger (Bl. 77 d. Gerichtsakte 11 B 37/15).

40

Bestätigt wird die Atypik der bei dem Kläger vorliegenden Konstellation letztlich dadurch, dass der Umstand der frühzeitigen Erkrankung dazu führte, dass er einerseits zu einem deutlich vorzeitigen Pensionseintritt, der mit Versorgungseinbußen von 10,8 Prozent einherging, gezwungen war. Gleichzeitig wurden damit die Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge zeitlich wie auch der Höhe nach eingeschränkt. Andererseits bestanden zu diesem Zeitpunkt noch Unterhaltspflichten gegenüber seinen Kindern.

41

Zu keinem anderen Ergebnis führen zumindest auf Tatbestandsebene die von dem Beklagten vorgebrachten Bedenken, die aus der Struktur der Beihilfeverordnung resultieren. Weder § 8 Absatz 1 BhVO noch die im Grundsatz vorgesehene Trennung zwischen § 12 a BhVO einerseits und § 12 c BhVO andererseits stehen der Annahme eines besonders begründeten Ausnahmefalls entgegen. Hierfür sprechen sowohl der Wortlaut als auch die normsystematische Stellung von § 17 Absatz 2 BhVO, die eine Ausnahme von sämtlichen Bestimmungen der Beihilfeverordnung ermöglichen. Der Verordnungsgeber hat damit die Möglichkeit geschaffen, auch von der im Grundsatz gegebenen Struktur der Trennung von Leistungen im Bereich der häuslichen Pflege einerseits und der stationären Pflege andererseits im Anwendungsbereich der Beihilfeverordnung eine Ausnahme zuzulassen, auch wenn es zutreffen mag, dass diese Systematik sich im Ausgangspunkt an der Struktur des SGB XI orientiert. Letztlich zwingt aber weder die Ermächtigungsgrundlage noch anderweitiges höherrangiges Recht dazu, bestimmte Regelungen der BhVO bereits vom Tatbestand des § 17 Absatz 2 BhVO auszunehmen. Im Gegenteil ist angesichts der strukturellen Unterschiede der Sicherungssysteme "gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung" und "private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe", die sich etwa in der verfassungsrechtlichen Verankerung, der Finanzierung, der Leistungsvoraussetzungen, des Leistungsspektrums und der Leistungsformen niederschlagen, eine schematische Orientierung am SGB XI nicht von Vornherein zwingend, auch nicht unter Heranziehung von Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz.

42

Ist danach von dem Vorliegen eines besonderen Ausnahmefalls auszugehen, hat auf Rechtsfolgenseite der Verordnungsgeber der zuständigen Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 05.082014 – 11 A 7/14, Rn. 37 – Juris; Urteil vom 02.07.2007 – 11 A 17/07 – nicht veröffentlicht). Die insoweit für die Entscheidung notwendigen Umstände sind von dem Beklagten bislang nicht in den Blick genommen worden. Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null liegen nicht vor. Aus dem Leitsatz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.01.2012 (2 C 24/10) folgt insoweit nichts anderes. Diese Entscheidung betrifft § 12 Absatz 5 der Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfenverordnung NRW), wonach der Beihilfebemessungssatz in besonderen Ausnahmefällen erhöht werden kann. Diese Erwägungen sind auf das weit gefasste normative Prüfprogramm von § 17 Absatz 2 BhVO, mit dem Ausnahmen von sämtlichen Bestimmungen der BhVO zugelassen werden, nicht übertragbar.

43

Von dem eingeräumten Entschließungs- und Auswahlermessen hat die zuständige Behörde bislang keinen Gebrauch gemacht, da sie mit dem Negieren eines besonders begründeten Ausnahmefalls bereits zu Unrecht den Tatbestand von § 17 Absatz 2 BhVO verneint hat. In der Folge ist von einem Ermessensausfall auszugehen (Decker in Beck‘scher Online-Kommentar VwGO, Posser / Wolf, 40. Edition, § 114 Rn. 17 - Beck-online). Damit war es dem Beklagten auch verwehrt, Ermessenserwägungen im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO zu ergänzen.

44

Bei der Neubescheidung des Klägers wird der Beklagte zu berücksichtigen haben, dass es Ziel von § 17 Absatz 2 BhVO ist, der verfassungsrechtlich verbürgten Fürsorgepflicht zu genügen. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Stärkung von Selbstbestimmung und Schutz von Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung (Selbstbestimmungsstärkungsgesetz - SbStG) Pflegegesetzbuch Schleswig-Holstein – Zweites Buch vom 17.07.2009 die Rechte von volljährigen Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung auf Sicherung einer Qualität des Wohnens, der Pflege und der Betreuung, die dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entspricht, verwirklichen wollen (§ 1 Satz 1 Nummer 3 SbStG) und ausdrücklich klargestellt, dass bei der Ausübung von Ermessen zu beachten ist, dass diese Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, § 1 Satz 2 SbStG. Darüber hinaus muss die Ermessensausübung der dargestellten besonderen Situation des Klägers gerecht werden, wie auch dem Umstand, dass sich die psychische und körperliche Situation seit seiner Unterbringung in der Demenzwohngruppe deutlich stabilisiert und verbessert hat, dass eine Verlegung in ein Pflegeheim unter diesem Gesichtspunkt ungünstig sein dürfte und welche Kosten hiermit verbunden wären.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Bundesgesetz über individuelle Förderung der Ausbildung


Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1601 Unterhaltsverpflichtete


Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1610 Maß des Unterhalts


(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt). (2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf,

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 72 Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag


(1) Die Pflegekassen dürfen ambulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtungen). In dem Versorgungsvertrag sind Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pfle

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 45 Fürsorge


Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlich

Bundesbeihilfeverordnung - BBhV | § 39 Vollstationäre Pflege


(1) Aufwendungen für vollstationäre Pflege in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 Absatz 1 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder in einer vergleichbaren Pflegeeinrichtung sind beihilfefähig, wenn häusliche oder teilstation

Bundesbeihilfeverordnung - BBhV | § 51 Bewilligungsverfahren


(1) Über die Notwendigkeit und die wirtschaftliche Angemessenheit von Aufwendungen nach § 6 entscheidet die Festsetzungsstelle. Die beihilfeberechtigte Person ist zur Mitwirkung verpflichtet. § 60 Absatz 1 Satz 1, die §§ 62 und 65 bis 67 des Ersten B

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2016 - 14 ZB 14.1508

bei uns veröffentlicht am 14.06.2016

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 6.233,50 Euro festgesetzt.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. März 2017 - 11 A 302/15

bei uns veröffentlicht am 01.03.2017

Tenor Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2015 verpflichtet, über den Beihilfeantrag des Klägers vom 03.07.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut z

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 19. Mai 2016 - 2 MB 6/16

bei uns veröffentlicht am 19.05.2016

Tenor Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 08.03.2016 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Wert des Streitgegenstandes wird f

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 26. März 2015 - 5 C 8/14

bei uns veröffentlicht am 26.03.2015

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten auf der Grundlage des Berliner Beihilferechts über die Beihilfefähigkeit eines Medizinprodukts.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 05. Aug. 2014 - 11 A 7/14

bei uns veröffentlicht am 05.08.2014

Tenor Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Gewährung von Beihilfe. 2 Der im … 1927 geborene Kläger stand als P

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 08. Mai 2014 - 2 LB 9/13

bei uns veröffentlicht am 08.05.2014

Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer, Einzelrichter - vom 12. Dezember 2012 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens;

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 14. Aug. 2013 - 1 A 1481/10

bei uns veröffentlicht am 14.08.2013

Tenor Das Verfahren wird insoweit eingestellt, als der Kläger und die Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nämlich hinsichtlich der erfolgten Nachgewährung eines Beihilfebetrages in Höhe von 204,42 Euro. Das Urteil d
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 08. Sept. 2017 - 11 B 33/17

bei uns veröffentlicht am 08.09.2017

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 8.623,80 EUR festgesetzt. Gründe 1 Der Antrag, 2 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftig

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. März 2017 - 11 A 302/15

bei uns veröffentlicht am 01.03.2017

Tenor Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2015 verpflichtet, über den Beihilfeantrag des Klägers vom 03.07.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut z

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Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 08.03.2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf  23.796,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 08.03.2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

2

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nacheile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der zu sichernde bzw. zu regelnde Anspruch und auch der Grund der Anordnung sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO glaubhaft zu machen.

3

Ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, kann offen bleiben, jedenfalls hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend einen Anordnungsanspruch verneint.

4

In Fällen - wie dem vorliegenden -, in denen es um die Wahrung der Würde des Menschen geht, verlangt Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. In einer solchen Konstellation sind die Gerichte, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Interessenabwägung, sondern an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Dabei müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen und haben eine Verletzung der Menschenwürde zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG Kammerbeschl. v. 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 -, m.w.N., zitiert nach Juris). Daraus folgt, dass eine einstweilige Anordnung in entsprechenden Konstellationen zu erlassen wäre, wenn sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache jedenfalls als offen darstellten. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

5

Denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Bewilligung von weiteren Leistungen nach der BhVO SH hat. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass weitergehende Leistungen nach der BhVO SH in Höhe von 1.983,00 Euro monatlich für die Unterbringung des Antragstellers in einer Wohn-Pflege-Gemeinschaft allenfalls auf Grundlage einer Einzelfallentscheidung nach § 17 Abs. 2 BhVO SH in Betracht kämen. Davon geht auch der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift aus. Er macht geltend, es liege ein „besonders begründeter Fall“ im Sinne dieser Vorschrift vor, der die Zulassung einer Ausnahme von den Bestimmungen der BhVO SH rechtfertige. Ohne einen stattgebenden Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wäre er gezwungen, seinen Platz in der Seniorenwohngemeinschaft ... aufzugeben und in eine den besonderen Anforderungen an sein Krankheitsbild (Demenzerkrankung) nicht gerecht werdende und eine schlechtere Versorgung bietende vollstationäre Pflegeeinrichtung umziehen zu müssen.

6

Gemäß § 17 Abs. 2 BhVO kann die für das Beihilferecht zuständige oberste Landesbehörde (gemäß Abs. 3 für die Beihilfeberechtigten der Gemeinden, Kreise etc. die oberste Dienstbehörde) in besonders begründeten Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung zulassen. Eine entsprechende Ausnahme hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2015 unter Hinweis auf ein ablehnendes Schreiben des Finanzministeriums vom 20.07.2015 versagt.

7

Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen Ausnahmefalls ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass den Anforderungen des durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsgrundsatzes Rechnung getragen wird; die Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen (vgl. BVerwG Urt. v. 24.01.2012 - 2 C 24.10 -, Juris Rn. 14 f. zu § 12 Abs. 5 Buchst. c BVO NRW). Hier kann ein solcher Ausnahmefall, der zudem zur Sicherung der Existenz des Antragstellers den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderte, schon deshalb nicht angenommen werden, weil die finanzielle Situation des Antragstellers nicht hinreichend bekannt ist.

8

In seiner Beschwerdeschrift gibt der Antragsteller dazu lediglich an, die besondere Notwendigkeit einer positiven Einzelfallentscheidung sei aufgrund seiner Einkommensverhältnisse und seiner zu berücksichtigenden Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau gegeben; nicht nur seine Ehegattin müsse von ihm versorgt werden, sondern er sei auch seinen beiden Kindern unterhaltsverpflichtet. Soweit der Antragsteller zudem auf sein gesamtes Vorbringen im erstinstanzlichen Eilrechtsschutz- und Klageverfahren Bezug nimmt, genügt dies einer Darlegung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 146 Rn. 41). Selbst wenn man den Vortrag des Klägers aus der Antragsschrift vom 04.11.2015 berücksichtigte, hat er diesen nicht glaubhaft gemacht im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO. Auch fehlt es an Angaben dazu, warum es der derzeit nicht berufstätigen Ehefrau des Antragstellers nicht zuzumuten sein soll, selbst für ihren Unterhalt aufzukommen. Gleiches gilt hinsichtlich der zurzeit studierenden Kinder im Hinblick auf ihren eigenen Unterhalt.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

10

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


(1) Über die Notwendigkeit und die wirtschaftliche Angemessenheit von Aufwendungen nach § 6 entscheidet die Festsetzungsstelle. Die beihilfeberechtigte Person ist zur Mitwirkung verpflichtet. § 60 Absatz 1 Satz 1, die §§ 62 und 65 bis 67 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch sind entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsstelle kann auf eigene Kosten ein Sachverständigengutachten einholen. Ist für die Erstellung des Gutachtens die Mitwirkung der oder des Betroffenen nicht erforderlich, sind die nötigen Gesundheitsdaten vor der Übermittlung so zu pseudonymisieren, dass die Gutachterin oder der Gutachter einen Personenbezug nicht herstellen kann.

(2) In Pflegefällen hat die Festsetzungsstelle im Regelfall das Gutachten zugrunde zu legen, das für die private oder soziale Pflegeversicherung zum Vorliegen dauernder Pflegebedürftigkeit sowie zu Art und notwendigem Umfang der Pflege erstellt worden ist. Ist die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person nicht in der privaten oder sozialen Pflegeversicherung versichert, lässt die Festsetzungsstelle ein entsprechendes Gutachten erstellen. Satz 2 gilt entsprechend bei Personen, die nach § 3 beihilfeberechtigt oder bei einer nach § 3 beihilfeberechtigten Person berücksichtigungsfähig sind, wenn für diese kein Gutachten für die private oder soziale Pflegeversicherung erstellt worden ist. Auf Antrag kann die Festsetzungsstelle Beihilfe für Aufwendungen in Pflegefällen (§§ 37 bis 39) bis zu zwölf Monate regelmäßig wiederkehrend leisten, wenn die beihilfeberechtigte Person sich in dem Antrag verpflichtet,

1.
der Festsetzungsstelle jede Änderung der Angaben im Beihilfeantrag unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen und
2.
den Beihilfeanspruch übersteigende Zahlungen zu erstatten.

(3) Die Beihilfe wird auf schriftlichen oder elektronischen Antrag der beihilfeberechtigten Person bei der Festsetzungsstelle gewährt. Die dem Antrag zugrunde liegenden Belege sind der Festsetzungsstelle als Zweitschrift oder in Kopie mit dem Antrag oder gesondert vorzulegen. Bei Aufwendungen nach § 26 sind zusätzlich die Entlassungsanzeige und die Wahlleistungsvereinbarung vorzulegen, die nach § 16 Satz 2 der Bundespflegesatzverordnung oder nach § 17 des Krankenhausentgeltgesetzes vor Erbringung der Wahlleistungen abgeschlossen worden sind. Bei Aufwendungen nach § 26a gilt Satz 3 entsprechend. Liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass eingereichte Belege gefälscht oder verfälscht sind, kann die Festsetzungsstelle mit Einwilligung der beihilfeberechtigten Person bei dem Urheber des Beleges Auskunft über die Echtheit einholen. Wird die Einwilligung verweigert, ist die Beihilfe zu den betreffenden Aufwendungen abzulehnen. Auf Rezepten muss die Pharmazentralnummer des verordneten Arzneimittels angegeben sein, es sei denn, sie ist wegen des Kaufes im Ausland nicht erforderlich. Sofern die Festsetzungsstelle dies zulässt, können auch die Belege elektronisch übermittelt werden. Die Festsetzungsstelle kann einen unterschriebenen Beihilfeantrag in Papierform verlangen.

(4) Die Belege über Aufwendungen im Ausland müssen grundsätzlich den im Inland geltenden Anforderungen entsprechen. Kann die beihilfeberechtigte Person die für den Kostenvergleich notwendigen Angaben nicht beibringen, hat die Festsetzungsstelle die Angemessenheit der Aufwendungen festzustellen. Auf Anforderung muss mindestens für eine Bescheinigung des Krankheitsbildes und der erbrachten Leistungen eine Übersetzung vorgelegt werden.

(5) Der Bescheid über die Bewilligung oder die Ablehnung der beantragten Beihilfe (Beihilfebescheid) wird von der Festsetzungsstelle schriftlich oder elektronisch erlassen. Soweit Belege zur Prüfung des Anspruchs auf Abschläge für Arzneimittel benötigt werden, können sie einbehalten werden. Soweit die Festsetzungsstelle elektronische Dokumente zur Abbildung von Belegen herstellt, werden diese einbehalten. Spätestens sechs Monate nach Unanfechtbarkeit des Beihilfebescheides oder nach dem Zeitpunkt, zu dem die Belege für Prüfungen einer der Rabattgewährung nach § 3 des Gesetzes über Rabatte für Arzneimittel nicht mehr benötigt werden, sind sie zu vernichten und elektronische Abbildungen spurenlos zu löschen.

(6) Der Beihilfebescheid kann vollständig durch automatisierte Einrichtungen erlassen werden, sofern kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch einen Amtsträger zu bearbeiten.

(7) Zur Vermeidung unbilliger Härten kann die Festsetzungsstelle nach vorheriger Anhörung der beihilfeberechtigten Person zulassen, dass berücksichtigungsfähige Personen oder deren gesetzliche Vertreterinnen oder Vertreter ohne Zustimmung der beihilfeberechtigten Person die Beihilfe selbst beantragen.

(8) Beihilfe wird nur gewährt, wenn die mit dem Antrag geltend gemachten Aufwendungen insgesamt mehr als 200 Euro betragen. Die Festsetzungsstelle kann bei drohender Verjährung oder zur Vermeidung anderer unbilliger Härten Ausnahmen zulassen.

(9) Die Festsetzungsstelle kann auf Antrag der beihilfeberechtigten Person Abschlagszahlungen leisten.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 6.233,50 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die ausdrücklich geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt jedenfalls nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B. v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 64 m. w. N.).

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage der Klägerin auf Gewährung von Pauschalbeihilfe für häusliche Pflege im Zeitraum 1. Januar 2010 bis einschließlich 31. Januar 2011 in Höhe von 6.233,50 Euro (70 v. H. von 8.905 Euro) mit der Begründung abgewiesen, der dem Grunde nach bestehende Anspruch der Klägerin auf Gewährung der begehrten Pauschalbeihilfe scheitere daran, dass die Antragsfrist nach § 48 Abs. 7 Satz 1 BayBhV nicht gewahrt worden sei. Nach dieser Vorschrift könne Beihilfe nur gewährt werden, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt werde. Bei Beihilfen wie der hier in Rede stehenden Pauschalbeihilfe für häusliche Pflege nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BayBhV sei für den Fristbeginn gemäß § 48 Abs. 7 Satz 2 BayBhV der letzte Tag des Monats maßgebend, in dem die Pflege erbracht wurde. Die Fristberechnung richte sich nach § 187 Abs. 1 i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB. Der Beklagte habe daher zu Recht die im Februar 2012 beantragte Pauschalbeihilfe für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis einschließlich 31. Januar 2011 wegen Fristablaufs abgelehnt. § 48 Abs. 7 Satz 2 BayBhV zeige, dass die Antragsfrist auch für die in Rede stehenden Pauschalbeihilfen gelte. Auch bei dieser Leistung könnten sich Unterbrechungszeiten, Änderungen in Bestand und Höhe ergeben. Der Umstand, dass bei den Leistungen der privaten Pflegeversicherung eine andere Handhabung im Sinne einer automatisch laufenden monatlichen Zahlung erfolge, ändere hieran angesichts der Unterschiede zwischen dem privaten Versicherungssystem und dem öffentlich-rechtlichen Beihilfesystem nichts. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne ebenfalls nicht gewährt werden, da die Voraussetzungen des Art. 32 BayVwVfG nicht vorlägen. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass der Vertreter der Klägerin durch deren Betreuung durchgehend nicht in der Lage gewesen sei, bis zum Ablauf der Jahresfrist einen Beihilfeantrag zu stellen.

Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts werden durch das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren - mit dem sie sich im Wesentlichen gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts wendet, ihr Vertreter habe die verspätete Beantragung der Beihilfe verschuldet - nicht ernstlich in Frage gestellt. Es werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfen.

Mit ihrer Rüge, das Verwaltungsgericht setze sich nicht mit ihrer Argumentation auseinander, sie bzw. ihr Vertreter sei auf die Antragsfrist nicht hingewiesen worden, so dass insoweit keine schuldhafte Unkenntnis vorliege, hat die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat sich sehr wohl mit dieser Argumentation der Klägerin auseinandergesetzt und darauf hingewiesen, es könne dahinstehen, ob der Beklagte die Klägerin konkret auf die Bedeutung der Jahresfrist hingewiesen habe, da der Beamte verpflichtet sei, sich selbst in geeigneter Weise zuverlässig über die geltenden Anforderungen zu informieren (vgl. UA S. 7). Diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist zutreffend. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U. v. 30.1.1997 - 2 C 10.96 - BVerwGE 104, 55; VGH BW, U. v. 3.12.2013 - 4 S 221/13 - VBlBW 2015, 162 Rn. 24), worauf das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht hingewiesen hat (vgl. UA S. 7), dass sich eine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, seine Beamten über alle für sie einschlägigen Vorschriften zu belehren, nicht aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht ableiten lässt. Die Informationsobliegenheiten des Beamten gelten in gleichem Maße für den Vertreter oder den Betreuer desjenigen Beamten, der seinen Informationspflichten aufgrund einer Erkrankung nicht mehr selbst nachkommen kann. Ihn trifft ebenso wie den Beamten die Pflicht, sich entsprechend rechtskundig zu machen (BayVGH, B. v. 15.9.2010 - 14 ZB 10.1096 - juris Rn. 7 m. w. N.).

Soweit die Klägerin dem entgegen hält, entsprechende Informationen des Dienstherrn müssten jedenfalls richtig und vollständig sein, was gegenständlich nicht der Fall gewesen sei, kann sie ebenfalls nicht durchdringen. Insbesondere die von ihr in diesem Zusammenhang angeführten Ausführungen der Erläuterung Nr. 2405 im Beihilfebescheid vom 15. Januar 2010, es werde „darauf hingewiesen, dass eine Änderung der Pflegestufe der Beihilfestelle mitzuteilen“ sei, sowie der weitere Hinweis, es werde „eine Pauschalbeihilfe in Höhe von monatlich 675,00 € (ab 1. Januar 2010 685,00 €) gewährt“, sind nicht falsch, unvollständig oder irreführend. Mit seiner Erläuterung Nr. 2405 hat der Beklagte objektiv erkennbar nicht allgemein zum Bezug von Pflegegeld informiert, sondern aufgrund ihrer Antragstellung erstmalig in einem Beihilfebescheid an die Klägerin festgestellt, dass bei ihr (1.) nach der schriftlichen Leistungszusage der Pflegeversicherung eine Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe III vorliegt, (2.) eine Pauschalbeihilfe in Höhe von monatlich 675 Euro gewährt wird, (3.) die Pauschalbeihilfe ab 1. Januar 2010 685,00 Euro beträgt und (4.) Änderungen der Pflegestufe der Beihilfestelle mitzuteilen sind. Weitergehende verfahrensrechtliche Informationen zur Gewährung einer Pauschalbeihilfe wie Antragsmodalitäten und eventuelle Ausschlussfristen sind der Erläuterung Nr. 2405 nicht zu entnehmen und waren aus der Sicht des Beklagten auch entbehrlich. Denn allgemeine Hinweise zur Gewährung einer monatlichen Pauschalbeihilfe bei häuslicher Pflege einschließlich verfahrensrechtlicher Informationen hatte der Vertreter der Klägerin bereits dem - zeitlich dem Beihilfebescheid vorangegangenen - Schreiben des Beklagten vom 5. Januar 2010 entnehmen können. Unter besonderer Hervorhebung ist dort vermerkt, dass die Pauschalbeihilfe „frühestens nach Ablauf des jeweiligen Kalendermonats mit einem formgerechten Beihilfeantrag unter Beifügung eines formlosen Nachweises der Pflegeperson über die erbrachte Pflege geltend gemacht werden“ könne. Der besondere Hinweis auf eine Beantragung „nach Ablauf des jeweiligen Kalendermonats“ wäre entbehrlich gewesen, wenn eine einmalige Antragstellung für den Bezug der Pauschalbeihilfe ausreichend gewesen wäre. Durch diese Formulierung wird deutlich, dass die Gewährung einer Pauschalbeihilfe für häusliche Pflege dem üblichen Beihilfeverfahren folgt: Entstehen der Aufwendungen, Antragstellung, Beihilfegewährung für zurückliegende Zeiträume. Auch die weiteren Ausführungen im Schreiben des Beklagten vom 5. Januar 2010, auf Antrag könne „für die Dauer von jeweils bis zu sechs Monaten monatlich ein Abschlag gezahlt werden“, wären überflüssig, wenn die Pauschalbeihilfe für häusliche Pflege lediglich einmal zu beantragen wäre. Hiervon musste auch die Klägerin ausgehen, die als langjährige Beihilfeberechtigte nicht über grundlegende Prinzipien der Beihilfebeantragung aufzuklären war. Auch ihr Vertreter, auf dessen Verschulden es vorliegend maßgeblich ankommt (vgl. Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, der auf die als Ausschlussfrist ausgestaltete Antragsfrist nach Art. 48 Abs. 7 Satz 1 BayBhV anwendbar ist, vgl. BayVGH, B. v. 15.9.2010 - 14 ZB 10.1096 - juris Rn. 6 m. w. N.), konnte daher weder aus den unter Nr. 2405 des Beihilfebescheids vom 15. Januar 2010 angeführten Erläuterungen noch aus dem Inhalt des Schreibens vom 5. Januar 2010 folgern, dass der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 9. Januar 2010 Pauschalbeihilfe nicht nur für die Monate August bis einschließlich Dezember 2009, sondern darüber hinaus für die Monate ab Januar 2010 bewilligt und gezahlt werden würde. Dass dem nicht so ist, hätte dem Vertreter der Klägerin auch anhand der Kontobewegungen auffallen müssen. Ungeachtet dessen ist selbst dann, wenn man von der Mehrdeutigkeit der Erläuterung Nr. 2405 bzw. des Informationsschreibens vom 5. Januar 2010 ausgehen würde, von einem Verschulden i. S. v. Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG auszugehen, wenn der Beihilfeberechtigte oder dessen Vertreter bei möglicherweise missverständlicher Auskunft der Beihilfestelle in Bezug auf etwaige Ausschlussfristen - wie vorliegend - nicht rückfragt bzw. er sich nicht weiter informiert, sondern sich auf seine eigene Auslegung der Auskunft verlässt (BayVGH, B. v. 15.9.2010 a. a. O. Rn. 7).

Auch ihr Verweis auf die Ausführungen auf Seite 19 der Informationsschrift „Das bayerische Beihilferecht“ des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen ist nicht durchgreifend. Denn die Klägerin lässt unberücksichtigt, dass auch der dortige Hinweis „Zusammen mit einem Abdruck der Einstufung können Sie dann Beihilfeleistungen beantragen.“ im Gesamtzusammenhang der Informationsschrift gewertet werden muss. Denn die Broschüre enthält ab Seite 10 eine eigene Rubrik „Antragstellung“ mit einem Unterpunkt „3. Antragsfrist“, in dem darauf hingewiesen wird, dass Beihilfe nur gewährt wird, „wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen …. beantragt wird“. Ihr Hinweis auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. März 2003 - 3 BV 02.791 - (ZBR 2004, 210) verfängt ebenfalls nicht. Die Klägerin hat in ihrer Begründung lediglich unklare, widersprüchliche Hinweise des Beklagten gerügt. Nicht dargelegt hat sie hingegen, welche widersprüchlichen bzw. unklaren Aussagen in den Beihilfevorschriften bzw. den diesbezüglichen Vollzugsbestimmungen enthalten sein könnten.

Nicht zutreffend ist zudem der weitere Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht äußere sich nicht zu ihrer Argumentation, sie bzw. ihr Vertreter habe sich bei der Antragstellung gegenüber dem Beklagten am Verfahren der Krankenkasse orientiert: Dort sei lediglich ein einziger Antrag erforderlich gewesen; seither werde das Pflegegeld monatlich gezahlt. Auch mit diesem Einwand hat sich das Verwaltungsgericht auseinandergesetzt (vgl. UA S. 6) und zutreffend auf die (Wesens-)Unterschiede zwischen dem privaten (Pflege-)Versicherungssystem und dem öffentlich-rechtlichen Beihilfesystem hingewiesen. Da es nicht nur im Bereich der Pflege Leistungs- und Verfahrensunterschiede zwischen den beiden Systemen gibt, konnte die Klägerin als langjährige Beihilfeberechtigte bzw. ihr Vertreter gerade im Hinblick auf die Ausführungen im Schreiben des Beklagten vom 5. Januar 2010 nicht davon ausgehen, dass die Abwicklung der Leistungen in beiden Systemen gleich erfolgen würde. Er hätte daher die weiteren Antragsmodalitäten beim Beklagten erfragen müssen. Unterlässt er dies, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, man habe von ihm als juristischem Laien entsprechende Kenntnisse nicht erwarten können. Mangelnde Rechtskenntnis entschuldigt eine Fristversäumnis grundsätzlich nicht, ebenso wenig wie ein verschuldeter Rechtsirrtum. Zwar kann ein Rechtsirrtum im Einzelfall unverschuldet sein (z. B. durch falsche Auskunft der Behörde). Dies setzt aber voraus, dass es dem Betroffenen weder möglich noch zumutbar war, sich in der ihm verbleibenden Zeit fachgerecht beraten zu lassen. Es kommt entscheidend darauf an, ob dem Betroffenen nach den gesamten Umständen des Falles ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er die Frist versäumt hat bzw. nicht alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, damit das Hindernis baldmöglichst wegfällt (BayVGH. B. v. 15.9.2010 - 14 ZB 10.1096 - juris Rn. 6 m. w. N.). Die Klägerin hat zwar auch im Zulassungsverfahren auf die großen Belastungen hingewiesen, denen ihr Vertreter durch ihre Pflege ausgesetzt war und ist. Sie hat damit jedoch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht in Zweifel gezogen, es sei nicht erkennbar, dass ihr Vertreter durchgehend nicht in der Lage gewesen sei, einen Beihilfeantrag zu stellen. Zudem hat sie nicht dargelegt, dass er alle ihm zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, sich zu informieren. Wenn sich die Klägerin nun mit Schreiben vom 7. November 2014 erstmalig im Zulassungsverfahren darauf beruft, ihr Vertreter habe im Frühjahr 2011 eine für ihn nicht nachvollziehbare Nachzahlung seines Arbeitgebers erhalten, diese als Zahlung der Pauschalbeihilfe gewertet, daraufhin nach dem 15. Januar 2010 beim Landesamt angerufen und dort die Auskunft erhalten, die Zahlungen der Pauschalbeihilfe erfolgten jährlich, ist dieses Vorbringen nicht nur im Hinblick auf ihren Einwand widersprüchlich, ihr Vertreter sei davon ausgegangen, die Gewährung der Pauschalbeihilfe durch den Beklagten erfolge wie die Zahlung durch die private Pflegeversicherung monatlich. Die Ausführungen der Klägerin dürften zudem als Wiedereinsetzungsgrund unbeachtlich sein, weil sie außerhalb der Zweiwochenfrist des Art. 32 Abs. 2 BayVwVfG geltend gemacht wurden. Im Übrigen wäre ihr Vorbringen auch im Zulassungsverfahren als verspätet nicht zu berücksichtigen. Zwar können Zulassungsgründe nach Ablauf der Frist des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO noch ergänzt werden, soweit der konkrete, zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt wurde. Werden - wie hier - nach Ablauf der Frist neue, selbstständige Zulassungsgründe - und seien es auch nur weitere als die bereits dargelegten Gründe für ernstliche Zweifel - vorgetragen, kann darauf der Zulassungsantrag nicht gestützt werden. Dies gilt auch für einen verspäteten neuen Sachvortrag einschließlich diesbezüglicher Beweismittel (vgl. BayVGH, B. v. 18.2.2014 - 14 ZB 11.452 - juris Rn. 9).

II. Ungeachtet dessen, ob besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise geltend gemacht worden sind, liegen diese nicht vor.

Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei stets die Qualität, nicht die Quantität (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27).

Soweit die Klägerin rechtliche Schwierigkeiten damit begründet, ihr Vertreter habe sich bei der Beantragung der Pauschalbeihilfe am „Krankenfürsorgesystem der Krankenkassen“ orientiert und sei davon ausgegangen, dass eine einmalige Antragstellung ausreiche, um die Pauschalbeihilfe fortlaufend ohne weitere Antragstellung zu erhalten, vermag der Senat besondere rechtliche Schwierigkeiten schon aus den unter Nr. I genannten Gründen nicht zu erkennen. Insbesondere ihre Schlussfolgerung ist unzutreffend, es sei lediglich erforderlich, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung formal nachgewiesen würden, weil es sich bei der streitgegenständlichen Pauschalbeihilfe um eine fortlaufend zu zahlende Leistung handele, deren Höhe jeden Monat vorhersehbar sei bzw. gleich ausfalle. Gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind bei dauernder Pflegebedürftigkeit Aufwendungen für die notwendige Pflege neben anderen nach §§ 8 bis 30, 41 und 44 BayBhV beihilfefähigen Aufwendungen beihilfefähig. Soweit die für häusliche Pflege durch anderweitige geeignete Personen vorliegend maßgebliche Regelung des § 32 Abs. 2 Satz 1 BayBhV von einer „Pauschalbeihilfe“ spricht, bezieht sich dies ausschließlich auf deren Höhe. Unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erhält die Klägerin nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BayBhV pauschal ein monatliches Pflegegeld entsprechend der bei ihr vorliegenden Pflegestufe III. Die Pauschalbeihilfe wird jedoch nicht - wie die Klägerin sinngemäß meint - unabhängig vom Vorliegen der beihilferechtlichen Voraussetzungen gewährt. Die Zahlung der Pauschalbeihilfe hängt auch nach Einstufung in die entsprechende Pflegestufe nach § 15 SGB XI von der Erbringung häuslicher Pflegeleistungen ab (vgl. § 32 Abs. 2 Satz 2 BayBhV). Dementsprechend hat der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Januar 2010 unter Hinweis auf Nr. 5 der Verwaltungsvorschriften zu § 32 Abs. 2 BayBhV darüber informiert, dass die Pauschalbeihilfe entsprechend zu mindern ist, wenn die Pflege nicht für den gesamten Kalendermonat erfolgt. So ist die Pauschalbeihilfe beispielsweise für Zeiten zu kürzen, in denen sich die Klägerin im Krankenhaus befindet. Aus der Verwendung der Formulierung „Pauschalbeihilfe“ in § 32 Abs. 2 Satz 1 BayBhV kann daher nicht der Schluss gezogen werden, eine monatliche Antragstellung sei nicht erforderlich, weil diese ab erster Antragstellung automatisch geleistet werde.

Nicht durchdringen kann die Klägerin auch mit ihrem Einwand, die Beihilfevorschriften sähen eine monatliche Antragstellung nicht ausdrücklich vor. Die Besonderheiten des Festsetzungsverfahrens bei pflegebedingten Aufwendungen sind in § 40 BayBhV geregelt. Nach dessen Satz 4 wird die Beihilfe ab Beginn des Monats der erstmaligen Antragstellung gewährt, frühestens ab dem Zeitpunkt, von dem an die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Die Formulierung „erstmalig“ zeigt, dass eine fortlaufende Antragstellung erforderlich ist. Denn die Verwendung des Wortes „erstmalig“ wäre entbehrlich, wenn es lediglich einer Antragstellung bedürfen würde. Dass die verfahrensrechtlichen Regelungen des § 48 BayBhV ergänzend auch bei der Gewährung von Beihilfen für Aufwendungen bei dauernder Pflegebedürftigkeit zur Anwendung kommen, folgt aus § 48 Abs. 7 BayBhV, der in seinem Satz 2 ausdrücklich Beihilfen nach § 32 Abs. 2 Satz 2 BayBhV erwähnt. Auch die Möglichkeit, bei dauernder Pflegebedürftigkeit gemäß § 48 Abs. 5 BayBhV auf Antrag Abschlagszahlungen zu erhalten, macht nur Sinn, wenn es einer fortlaufenden Antragstellung bedarf. Auch dann wird das der beihilferechtlichen Leistungsgewährung zugrundliegende Prinzip - Entstehung der Aufwendungen, Antragstellung, Beihilfegewährung - nicht durchbrochen, da die Pauschalbeihilfe auch dann in regelmäßigen Zeitabständen - unter Berücksichtigung möglicher (Pflege-)Unterbrechungszeiten - endgültig festzusetzen ist (vgl. den entsprechenden Hinweis des Beklagten im Schreiben vom 5.1.2010).

III. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wurde bereits nicht dargelegt.

Um eine solche zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Rechtsfrage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt; Darlegungen zu offensichtlichen Punkten sind dabei entbehrlich (Happ, a. a. O., § 124a Rn. 72 m. w. N.; BayVGH, B. v. 17.9.2014 - 5 ZB 13.1366 - juris Rn. 7). Diesen Anforderungen genügt das - rechtzeitige - Zulassungsvorbringen nicht. Die Klägerin formuliert schon keine Rechtsfrage.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwertfestsetzung: § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Die Pflegekassen dürfen ambulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtungen). In dem Versorgungsvertrag sind Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistungen (§ 84 Abs. 4) festzulegen, die von der Pflegeeinrichtung während der Dauer des Vertrages für die Versicherten zu erbringen sind (Versorgungsauftrag).

(2) Der Versorgungsvertrag wird zwischen dem Träger der Pflegeeinrichtung oder einer vertretungsberechtigten Vereinigung gleicher Träger und den Landesverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe im Land abgeschlossen, soweit nicht nach Landesrecht der örtliche Träger für die Pflegeeinrichtung zuständig ist; für mehrere oder alle selbständig wirtschaftenden Einrichtungen (§ 71 Abs. 1 und 2) einschließlich für einzelne, eingestreute Pflegeplätze eines Pflegeeinrichtungsträgers, die vor Ort organisatorisch miteinander verbunden sind, kann, insbesondere zur Sicherstellung einer quartiersnahen Unterstützung zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen, ein einheitlicher Versorgungsvertrag (Gesamtversorgungsvertrag) geschlossen werden. Er ist für die Pflegeeinrichtung und für alle Pflegekassen im Inland unmittelbar verbindlich. Bei Betreuungsdiensten nach § 71 Absatz 1a sind bereits vorliegende Vereinbarungen aus der Durchführung des Modellvorhabens zur Erprobung von Leistungen der häuslichen Betreuung durch Betreuungsdienste zu beachten.

(3) Versorgungsverträge dürfen nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die

1.
den Anforderungen des § 71 genügen,
2.
die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten und die Vorgaben des Absatzes 3a oder Absatzes 3b erfüllen,
3.
sich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 113 einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln,
4.
sich verpflichten, die ordnungsgemäße Durchführung von Qualitätsprüfungen zu ermöglichen,
5.
sich verpflichten, an dem Verfahren zur Übermittlung von Daten nach § 35 Absatz 6 des Infektionsschutzgesetzes teilzunehmen, sofern es sich bei ihnen um stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Absatz 2 handelt;
ein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung diese Voraussetzungen erfüllt. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Pflegeeinrichtungen sollen die Versorgungsverträge vorrangig mit freigemeinnützigen und privaten Trägern abgeschlossen werden. Bei ambulanten Pflegediensten ist in den Versorgungsverträgen der Einzugsbereich festzulegen, in dem die Leistungen ressourcenschonend und effizient zu erbringen sind.

(3a) Ab dem 1. September 2022 dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, Gehälter zahlen, die in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart ist, an die die jeweiligen Pflegeeinrichtungen gebunden sind.

(3b) Mit Pflegeeinrichtungen, die nicht an Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, gebunden sind, dürfen Versorgungsverträge ab dem 1. September 2022 nur abgeschlossen werden, wenn diese Pflegeeinrichtungen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung für Pflegebedürftige erbringen, eine Entlohnung zahlen, die

1.
die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet, dessen räumlicher, zeitlicher, fachlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist,
2.
die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet, dessen fachlicher Geltungsbereich mindestens eine andere Pflegeeinrichtung in der Region erfasst, in der die Pflegeeinrichtung betrieben wird, und dessen zeitlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist,
3.
die Höhe der Entlohnung von Nummer 1 oder Nummer 2 entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht unterschreitet oder
4.
hinsichtlich der Entlohnungsbestandteile nach Satz 2 Nummer 1 bis 5, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der in § 82c Absatz 2 Satz 4 genannten Qualifikationsgruppen jeweils im Durchschnitt gezahlt werden, die Höhe der jeweiligen regional üblichen Entlohnungsniveaus nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 und hinsichtlich der pflegetypischen Zuschläge nach Satz 2 Nummer 6, die den in Satz 1 genannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Durchschnitt gezahlt werden, die Höhe der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3, jeweils in der nach § 82c Absatz 5 veröffentlichten Höhe, nicht unterschreitet.
Zur Entlohnung im Sinne dieses Gesetzes zählen
1.
der Grundlohn,
2.
regelmäßige Jahressonderzahlungen,
3.
vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers,
4.
pflegetypische Zulagen,
5.
der Lohn für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sowie
6.
pflegetypische Zuschläge.
Pflegetypische Zuschläge im Sinne von Satz 2 Nummer 6 sind Nachtzuschläge, Sonntagszuschläge und Feiertagszuschläge. Diese sind von den Pflegeeinrichtungen im Fall von Satz 1 Nummer 4 unter den folgenden Voraussetzungen zu zahlen:
1.
Nachtzuschläge für eine Tätigkeit in der Nacht, mindestens im Zeitraum zwischen 23 und 6 Uhr,
2.
Sonntagszuschläge für eine Tätigkeit an Sonntagen im Zeitraum zwischen 0 und 24 Uhr,
3.
Feiertagszuschläge für eine Tätigkeit an gesetzlichen Feiertagen im Zeitraum zwischen 0 und 24 Uhr.
Die in Satz 1 genannten Pflegeeinrichtungen haben die Entlohnung im Sinne von Satz 1, soweit mit ihr die Voraussetzungen nach dieser Vorschrift erfüllt werden, in Geld zu zahlen. Tritt im Fall von Satz 1 Nummer 1 bis 3 eine Änderung im Hinblick auf die in dem jeweiligen Tarifvertrag oder in den jeweiligen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarte Entlohnung ein, haben die in Satz 1 genannten Pflegeeinrichtungen die erforderlichen Anpassungen der von ihnen gezahlten Entlohnung spätestens innerhalb von zwei Monaten vorzunehmen, nachdem die jeweilige Änderung nach § 82c Absatz 5 veröffentlicht wurde. Erhöhen sich im Fall von Satz 1 Nummer 4 die nach § 82c Absatz 5 veröffentlichten regional üblichen Entlohnungsniveaus nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 oder die nach § 82c Absatz 5 veröffentlichten regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3, haben die Pflegeeinrichtungen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung für Pflegebedürftige erbringen, die höhere Entlohnung im Zeitraum ab dem 1. Dezember 2022 spätestens ab dem 1. Februar 2023, nach dem 1. Februar 2023 jeweils spätestens ab dem 1. Januar des Jahres, das auf die Veröffentlichung der Werte nach § 82c Absatz 5 folgt, zu zahlen. Zur Erfüllung der Vorgaben von Satz 1 Nummer 4 sind im Zeitraum vom 1. September 2022 bis zum 31. Januar 2023 die aufgrund der Mitteilung nach Absatz 3e in der am 20. Juli 2021 geltenden Fassung und auf der Grundlage von § 82c Absatz 5 in der am 20. Juli 2021 geltenden Fassung veröffentlichten regional üblichen Entgeltniveaus in drei Qualifikationsgruppen und pflegetypischen Zuschläge nach den Sätzen 3 und Satz 4 maßgebend.

(3c) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt in Richtlinien, erstmals bis zum Ablauf des 30. September 2021, das Nähere insbesondere zu den Verfahrens- und Prüfgrundsätzen für die Einhaltung der Vorgaben der Absätze 3a und 3b sowie zu den nach Absatz 3e Satz 1 Nummer 2 erforderlichen Angaben fest. In den Richtlinien ist auch festzulegen, welche Folgen eintreten, wenn eine Pflegeeinrichtung ihre Mitteilungspflicht nach Absatz 3d Satz 2 oder Absatz 3e nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt. Die in den Richtlinien vorgesehenen Folgen müssen verhältnismäßig sein und im Einzelfall durch den jeweiligen Landesverband der Pflegekassen gegenüber der Pflegeeinrichtung verhältnismäßig angewendet werden. Bei der Festlegung hat der Spitzenverband Bund der Pflegekassen die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe zu beteiligen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales genehmigt. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben. Die Richtlinien sind für die Pflegekassen und ihre Verbände sowie für die Pflegeeinrichtungen verbindlich.

(3d) Pflegeeinrichtungen haben den Landesverbänden der Pflegekassen zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Absatzes 3a oder des Absatzes 3b mitzuteilen,

1.
an welchen Tarifvertrag oder an welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sie gebunden sind,
2.
welcher Tarifvertrag oder welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen in den Fällen des Absatzes 3b Satz 1 Nummer 1 bis 3 für sie maßgebend ist oder sind oder
3.
ob im Fall des Absatzes 3b Satz 1 Nummer 4 die veröffentlichte Höhe der regional üblichen Entlohnungsniveaus nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 und die veröffentlichte Höhe der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 für sie maßgebend sind.
Im Jahr 2022 sind alle Pflegeeinrichtungen verpflichtet, den Landesverbänden der Pflegekassen die in Satz 1 in der am 20. Juli 2021 geltenden Fassung genannten Angaben spätestens bis zum Ablauf des 28. Februar 2022 mitzuteilen. Die Mitteilung nach Satz 2 gilt, sofern die Pflegeeinrichtung dem nicht widerspricht, als Antrag auf entsprechende Anpassung des Versorgungsvertrags mit Wirkung zum 1. September 2022.

(3e) Pflegeeinrichtungen, die im Sinne von Absatz 3a an Tarifverträge oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind, haben dem jeweiligen Landesverband der Pflegekassen bis zum Ablauf des 31. August jeden Jahres Folgendes mitzuteilen:

1.
an welchen Tarifvertrag oder an welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sie gebunden sind,
2.
Angaben über die sich aus diesen Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ergebende am 1. August des Jahres gezahlte Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, soweit diese Angaben zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach den Absätzen 3a und 3b oder zur Ermittlung des oder der regional üblichen Entlohnungsniveaus sowie der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 erforderlich sind.
Der Mitteilung ist die jeweils am 1. August des Jahres geltende durchgeschriebene Fassung des mitgeteilten Tarifvertrags oder der mitgeteilten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen beizufügen. Tritt nach der Mitteilung nach Satz 1 eine Änderung im Hinblick auf die Wirksamkeit oder den Inhalt des mitgeteilten Tarifvertrags oder der mitgeteilten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ein, haben die in Satz 1 genannten Pflegeeinrichtungen dem jeweiligen Landesverband der Pflegekassen diese Änderung unverzüglich mitzuteilen und dem jeweiligen Landesverband der Pflegekassen unverzüglich die aktuelle, durchgeschriebene Fassung des geänderten Tarifvertrags oder der geänderten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu übermitteln.

(3f) Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 die Wirkungen der Regelungen der Absätze 3a und 3b und des § 82c.

(3g) Versorgungsverträge, die mit Pflegeeinrichtungen vor dem 1. September 2022 abgeschlossen wurden, sind spätestens bis zum Ablauf des 31. August 2022 mit Wirkung ab dem 1. September 2022 an die Vorgaben des Absatzes 3a oder des Absatzes 3b anzupassen.

(4) Mit Abschluß des Versorgungsvertrages wird die Pflegeeinrichtung für die Dauer des Vertrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten zugelassen. Die zugelassene Pflegeeinrichtung ist im Rahmen ihres Versorgungsauftrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten verpflichtet; dazu gehört bei ambulanten Pflegediensten auch die Durchführung von Beratungseinsätzen nach § 37 Absatz 3 auf Anforderung des Pflegebedürftigen. Die Pflegekassen sind verpflichtet, die Leistungen der Pflegeeinrichtung nach Maßgabe des Achten Kapitels zu vergüten.

(5) (aufgehoben)

(1) Aufwendungen für vollstationäre Pflege in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 Absatz 1 Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder in einer vergleichbaren Pflegeeinrichtung sind beihilfefähig, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Einzelfalls nicht in Betracht kommt. Beihilfefähig sind:

1.
pflegebedingte Aufwendungen einschließlich der Aufwendungen für Betreuung und
2.
Aufwendungen für medizinische Behandlungspflege, sofern hierzu nicht nach § 27 Beihilfe gewährt wird.
§ 43 Absatz 2 und 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(2) Rechnet die Pflegeeinrichtung monatlich ab, so sind auf besonderen Antrag Aufwendungen für Pflegeleistungen, die über die nach Absatz 1 beihilfefähigen Aufwendungen hinausgehen, sowie für Verpflegung und Unterkunft einschließlich der Investitionskosten beihilfefähig, sofern von den durchschnittlichen monatlichen nach Absatz 3 maßgeblichen Einnahmen höchstens ein Betrag in Höhe der Summe der folgenden monatlichen Beträge verbleibt:

1.
8 Prozent des Grundgehalts der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 13 für jede beihilfeberechtigte und jede berücksichtigungsfähige Person sowie für jede Ehegattin oder jeden Ehegatten oder für jede Lebenspartnerin oder jeden Lebenspartner, für die oder den ein Anspruch nach Absatz 1 oder nach § 43 Absatz 1, 2 und 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
2.
30 Prozent des Grundgehalts der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 13 für eine beihilfeberechtigte Person sowie für eine Ehegattin oder einen Ehegatten oder für eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner, für die oder den kein Anspruch nach Absatz 1 oder nach § 43 Absatz 1, 2 und 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
3.
3 Prozent des Grundgehalts der Stufe 8 der Besoldungsgruppe A 13 für jedes berücksichtigungsfähige Kind, für das kein Anspruch auf Beihilfe nach Absatz 1 oder nach § 43 Absatz 1, 2 und 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht, und
4.
3 Prozent des Grundgehalts der letzten Besoldungsgruppe für die beihilfeberechtigte Person.
Satz 1 gilt bei anderen Abrechnungszeiträumen entsprechend. Hat eine beihilfeberechtigte oder eine berücksichtigungsfähige Person Anspruch auf Zuschuss zu den Unterkunfts-, Investitions- und Verpflegungskosten nach landesrechtlichen Vorschriften, sind die Aufwendungen nach Satz 1 in Höhe des tatsächlich gezahlten Zuschusses zu mindern.

(3) Maßgeblich sind die im Kalenderjahr vor der Antragstellung erzielten Einnahmen. Einnahmen sind:

1.
die Bruttobezüge nach § 1 Absatz 2 Nummer 1 und 3 und Absatz 3 des Bundesbesoldungsgesetzes, die nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften verbleiben, und der Altersteilzeitzuschlag; unberücksichtigt bleibt der kinderbezogene Familienzuschlag,
2.
die Bruttobezüge nach § 2 des Beamtenversorgungsgesetzes, die nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften verbleiben; unberücksichtigt bleiben das Sterbegeld nach § 18 des Beamtenversorgungsgesetzes, der Unterschiedsbetrag nach § 50 Absatz 1 Satz 2 des Beamtenversorgungsgesetzes, sofern der beihilfeberechtigten Person nicht nach § 57 des Beamtenversorgungsgesetzes geringere Versorgungsbezüge zustehen, sowie der Unfallausgleich nach § 35 des Beamtenversorgungsgesetzes und die Unfallentschädigung nach § 43 des Beamtenversorgungsgesetzes,
3.
der Zahlbetrag der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und aus einer zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung der beihilfeberechtigten Person, der Ehegattin oder des Ehegatten oder der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners; maßgeblich ist der Betrag, der sich vor Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und ohne Berücksichtigung des Beitragszuschusses ergibt; eine Leistung für Kindererziehung nach § 294 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberücksichtigt,
4.
der unter § 2 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes fallende Gesamtbetrag der Einkünfte der Ehegattin oder des Ehegatten oder der Lebenspartnerin oder des Lebenspartners; unberücksichtigt bleibt der Anteil einer gesetzlichen Rente, der der Besteuerung unterliegt.
Die Einnahmen sind jährlich nachzuweisen. Macht die beihilfeberechtigte Person glaubhaft, dass die aktuellen Einnahmen voraussichtlich wesentlich geringer sind als die im Kalenderjahr vor der Antragstellung erzielten durchschnittlichen monatlichen Einnahmen, sind die Einnahmen im jeweiligen Pflegemonat zugrunde zu legen. Hat die beihilfeberechtigte Person keine Einnahmen nach Satz 1 aus dem Kalenderjahr vor Antragstellung, werden die voraussichtlichen Einnahmen im jeweiligen Pflegemonat zugrunde gelegt. Befinden sich verheiratete oder in einer Lebenspartnerschaft lebende Personen in vollstationärer Pflege und verstirbt die beihilfeberechtigte Person, sind die aktuellen Einnahmen im jeweiligen Pflegemonat zugrunde zu legen, bis die Voraussetzungen nach Satz 4 nicht mehr vorliegen.

(4) Beihilfefähig sind Aufwendungen für zusätzliche Betreuung und Aktivierung entsprechend § 43b des Elften Buches Sozialgesetzbuch, die über die nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit notwendige Versorgung hinausgeht.

(5) Beihilfefähig sind Aufwendungen entsprechend § 87a Absatz 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch, wenn

1.
die pflegebedürftige beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person nach der Durchführung aktivierender oder rehabilitativer Maßnahmen in einen niedrigeren Pflegegrad zurückgestuft wurde oder
2.
festgestellt wurde, dass die zuvor pflegebedürftige beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person nicht mehr pflegebedürftig im Sinne der §§ 14 und 15 des Elften Buches Sozialgesetzbuch ist.

(6) Absatz 2 gilt nicht für Zusatzleistungen nach § 88 des Elften Buches Sozialgesetzbuch.

Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer, Einzelrichter - vom 12. Dezember 2012 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer weiteren Beihilfe.

2

Die Klägerin ist als Versorgungsempfängerin beihilfeberechtigt. Mit Antrag vom 17. Mai 2010 begehrte sie bei der Versorgungsausgleichskasse der Kommunalverbände in Schleswig-Holstein - Beihilfekasse - unter anderem die Gewährung einer Beihilfe zu den sich aus der Rechnung der Psychologischen Psychotherapeutin Frau ..., ..., vom 11. Mai 2010 ergebenden Aufwendungen in Höhe von insgesamt 1.263,67 Euro.

3

Mit Bescheid vom 20. Mai 2010 erkannte die Beihilfekasse - mit Ausnahme der Aufwendungen entsprechend der Gebührenziffer 808 GOÄ „Bericht an den Gutachter“ in Höhe von 53,62 Euro - sämtliche Posten dieser Rechnung und somit auch die gemäß Gebührenziffer 85 GOÄ „Schriftliche gutachterliche Äußerung mit großem Aufwand“ in Höhe von insgesamt 201,09 Euro sowie die gemäß Gebührenziffer 95 GOÄ „Schreibgebühr“ in Höhe von insgesamt 48,24 Euro entstandenen Aufwendungen als beihilfefähig an und setzte die der Klägerin insoweit zustehende Beihilfe in Anwendung des Bemessungssatzes von 70 vom Hundert auf 847,04 Euro fest.

4

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Aufwendungen entsprechend den Gebührenziffern 85 und 95 GOÄ seien ihr nicht lediglich in Höhe des Bemessungssatzes von 70 vom Hundert, sondern in vollem Umfang zu erstatten. Denn hierbei handele es sich um Kosten, die ausschließlich dadurch entstanden seien, dass ihre Psychotherapeutin im Rahmen des „Voranerkennungsverfahrens“ einen „Bericht für den Gutachter“ zu erstellen gehabt habe.

5

Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2012 unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass es für ihr Begehren auf vollständige Übernahme der genannten Kosten keine Rechtsgrundlage gebe. Ferner habe der Rechnungsbetrag entsprechend Gebührenziffer 808 GOÄ in Höhe von 53,62 Euro beihilferechtlich nicht berücksichtigt werden können, weil die genannte Gebührenziffer nicht neben der Gebührenziffer 85 berechenbar sei.

6

Die Klägerin hat am 23. Mai 2012 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und zur Begründung ihrer Klage geltend gemacht, ihr Anspruch auf vollständige Kostenübernahme hinsichtlich der Aufwendungen zu den Gebührenziffern 85 und 95 GOÄ ergebe sich aus der allgemeinen Fürsorgepflicht sowie der Alimentationspflicht des Dienstherrn. Hilfsweise sei die Vorschrift des § 670 BGB in Verbindung mit der allgemeinen Fürsorgepflicht als Anspruchsgrundlage analog heranzuziehen.

7

Die Klägerin hat beantragt,

8

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 20. Mai 2010 und 25. April 2012 zu verpflichten, ihr hinsichtlich der Gebührenziffern 85 und 95 GOÄ aus der Rechnung der Psychologischen Psychotherapeutin ... vom 11. Mai 2010 eine weitere Beihilfe in Höhe von 74,80 Euro zu gewähren.

9

Der Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung hat er sich auf den Inhalt seines Widerspruchsbescheides bezogen.

12

Mit Urteil vom 12. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht, Einzelrichter, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 25. Mai 2010 sowie des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe von 74,80 Euro zu gewähren. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

13

Auf Antrag des Beklagten hat der Senat die Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 4. April 2013 zugelassen.

14

Der Beklagte macht zur Begründung der Berufung weiterhin geltend, für das Begehren der Klägerin gebe es keine Rechtsgrundlage.

15

Der Beklagte beantragt,

16

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer, Einzelrichter - vom 12. Dezember 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und wiederholt im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag.

20

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten - diese haben dem Senat vorgelegen - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

22

Die Klage ist unbegründet.

23

Der Bescheid vom 20. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2012 ist - soweit von der Klägerin angefochten - rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die vollen Kosten für die von ihr im Zusammenhang mit den Gebührenziffern 85 und 95 GOÄ geltend gemachten Aufwendungen übernimmt und ihr somit Kosten in Höhe von zusätzlich 74,80 Euro erstattet.

24

Ein solcher Anspruch lässt sich nicht aus den Regelungen der Beihilfeverordnung - BhVO - herleiten. Denn zu den beihilfefähigen Aufwendungen werden Beihilfen lediglich in Höhe des jeweils maßgeblichen Bemessungssatzes geleistet (vgl. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 BhVO). Bei den Aufwendungen, die der Klägerin dadurch entstanden sind, dass die sie behandelnde Psychotherapeutin ihr Gebühren entsprechend den Gebührenziffern 85 und 95 GOÄ für den im Rahmen des „Voranerkennungsverfahrens“ erstellten „Bericht für den Gutachter“ in Rechnung gestellt hat (vgl. Nr. 3.1 der Anlage1 zu § 9 Abs. 1 Nr. 1 BhVO und Hinweis Nr. 6.1.1 zu § 9 Abs.1 Nr.1 BhVO), handelt es sich um beihilfefähige Aufwendungen. Das ergibt sich im Wege des Umkehrschlusses aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 - letzter Satz - BhVO, wonach Aufwendungen für Begutachtungen, die weder im Rahmen einer Behandlung noch „bei der Durchführung dieser Vorschriften“ erbracht werden, nicht beihilfefähig sind. Für die in Frage stehenden Aufwendungen der Klägerin hat der Beklagte der Klägerin eine Beihilfe entsprechend ihrem individuellen Bemessungssatz in Höhe von 70 vom Hundert geleistet. Eine volle und somit über den jeweiligen Bemessungssatz hinausgehende Übernahme der Kosten für beihilfefähige Aufwendungen sehen die Vorschriften der Beihilfeverordnung hingegen - wie bereits festgestellt - nicht vor. Etwas anderes gilt auch nicht für die der Klägerin durch die Erstellung des „Berichts an den Gutachter“ entstandenen beihilfefähigen Aufwendungen. Die Ansicht der Klägerin und des Verwaltungsgerichts, das „Voranerkennungsverfahren“ sei in kostenmäßiger Hinsicht einheitlich mit der Folge zu betrachten, dass nicht nur die Kosten für das im Rahmen des „Voranerkennungsverfahrens“ abschließend zu erstellende vertrauensärztliche Gutachten in vollem Umfang von der Feststellungsstelle zu tragen seien (vgl. Hinweise Nr. 6.1 und 6.4 zu § 9 Abs. 1 Nr. 1 BhVO), sondern eine volle Kostenübernahme auch hinsichtlich der Aufwendungen für den „Bericht an den Gutachter“ geboten sei, findet jedenfalls in der Beihilfeverordnung keine Rechtsgrundlage.

25

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf volle Kostenübernahme ergibt sich auch nicht aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die ohnehin keine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen im Krankheitsfall verlangt (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - juris Rdnr. 18). Trifft der Verordnungsgeber für einen Teilkomplex der dem Dienstherrn nach § 45 BeamtStG gegenüber seinen Beamtinnen und Beamten obliegenden Fürsorge eine abschließende Spezialregelung - dieses hat der schleswig-holsteinische Verordnungsgeber durch den Erlass der Beihilfeverordnung getan -, so steht es den Gerichten nicht zu, die Vorschrift des § 45 BeamtStG für eine Argumentation in Anspruch zu nehmen, die im Ergebnis darauf abzielt, im Einzelfall (vermeintliche) „Härten“ zu beseitigen, die sich aus dem (notwendig) pauschalierenden und typisierenden Charakter der in der Rechtsverordnung enthaltenen Regelungen zwingend (und bindend) ergeben. Von diesem Grundsatz unberührt bleiben allerdings Härteregelungen, die sich - namentlich in Richtung auf eine Erhöhung des Beihilfebemessungssatzes - in der Rechtsverordnung selbst finden (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl., § 10 Rdnr. 4, mit Rechtsprechungsnachweis). Als Härteregelung im letztgenannten Sinne ist die Vorschrift des § 17 Abs. 2 BhVO anzusehen, wonach die für das Beihilferecht zuständige oberste Landesbehörde in besonders begründeten Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen der Beihilfeverordnung zulassen kann. Dieser Vorschrift liegt der in der bisherigen Rechtsprechung entwickelte Gedanke zugrunde, dass ungeachtet des abschließenden Charakters der Beihilfevorschriften (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 10.6.1999 - 2 C 29.98 -, juris Rdnr. 21) im Ausnahmefall die verfassungsrechtlich verbürgte Fürsorgepflicht unmittelbar Grundlage eines Beihilfeanspruchs sein kann, wenn anderenfalls der Beamtin oder dem Beamten eine auch unter Berücksichtigung des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften nicht mehr zumutbare Belastung abverlangt würde (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.6.1985 - 6 C 24.84 -, E 71, 342, 353) und die Ablehnung der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.6.1999 - 2 C 29.98 -, juris Rdnr. 22, u. v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - juris Rdnr. 21). Ein unmittelbarer Rückgriff auf die sich aus § 45 BeamtStG ergebende Fürsorgepflicht scheidet hiernach im Falle der Klägerin bereits deshalb aus, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die der Klägerin nicht erstatteten Aufwendungen in Höhe von lediglich 74,80 Euro für sie eine unzumutbare Belastung darstellen und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn wegen der Nichterstattung dieser Aufwendungen in ihrem Wesenskern verletzt sein könnte. Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass der von der Psychotherapeutin erstellte „Bericht“ nicht zuletzt auch dem Interesse der Klägerin auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der durch die verhaltenstherapeutische Behandlung entstandenen Aufwendungen gedient hat.

26

Ferner kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg auf den Alimentationsgrundsatz berufen. Denn bei der Beihilfe im Krankheitsfall handelt es sich nicht um eine Alimentationsleistung, sondern um eine fürsorgebedingte Hilfeleistung (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 15.4.2014 - 2 LA 3/14 - mit Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 3.7.2003 - 2 C 36.02 -, juris Rdnr. 23).

27

Zudem kommt eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 670 BGB wegen der spezifischen Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses und somit der dem Dienstherrn obliegenden Fürsorgepflicht als Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht in Betracht.

28

Schließlich sind sonstige Rechtsgrundlagen für das Begehren der Klägerin von ihr nicht benannt worden und auch im Übrigen nicht erkennbar.

29

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

30

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.


Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer - vom 08.03.2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf  23.796,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 08.03.2016 ist unbegründet. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, die allein Gegenstand der Prüfung durch den Senat sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), stellen das Ergebnis des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage.

2

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nacheile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der zu sichernde bzw. zu regelnde Anspruch und auch der Grund der Anordnung sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 ZPO glaubhaft zu machen.

3

Ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, kann offen bleiben, jedenfalls hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend einen Anordnungsanspruch verneint.

4

In Fällen - wie dem vorliegenden -, in denen es um die Wahrung der Würde des Menschen geht, verlangt Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. In einer solchen Konstellation sind die Gerichte, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Interessenabwägung, sondern an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Dabei müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen und haben eine Verletzung der Menschenwürde zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG Kammerbeschl. v. 25.02.2009 - 1 BvR 120/09 -, m.w.N., zitiert nach Juris). Daraus folgt, dass eine einstweilige Anordnung in entsprechenden Konstellationen zu erlassen wäre, wenn sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache jedenfalls als offen darstellten. Das ist hier jedoch nicht der Fall.

5

Denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass er einen Anspruch auf Bewilligung von weiteren Leistungen nach der BhVO SH hat. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass weitergehende Leistungen nach der BhVO SH in Höhe von 1.983,00 Euro monatlich für die Unterbringung des Antragstellers in einer Wohn-Pflege-Gemeinschaft allenfalls auf Grundlage einer Einzelfallentscheidung nach § 17 Abs. 2 BhVO SH in Betracht kämen. Davon geht auch der Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift aus. Er macht geltend, es liege ein „besonders begründeter Fall“ im Sinne dieser Vorschrift vor, der die Zulassung einer Ausnahme von den Bestimmungen der BhVO SH rechtfertige. Ohne einen stattgebenden Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wäre er gezwungen, seinen Platz in der Seniorenwohngemeinschaft ... aufzugeben und in eine den besonderen Anforderungen an sein Krankheitsbild (Demenzerkrankung) nicht gerecht werdende und eine schlechtere Versorgung bietende vollstationäre Pflegeeinrichtung umziehen zu müssen.

6

Gemäß § 17 Abs. 2 BhVO kann die für das Beihilferecht zuständige oberste Landesbehörde (gemäß Abs. 3 für die Beihilfeberechtigten der Gemeinden, Kreise etc. die oberste Dienstbehörde) in besonders begründeten Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung zulassen. Eine entsprechende Ausnahme hat der Antragsgegner durch Bescheid vom 19.08.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.09.2015 unter Hinweis auf ein ablehnendes Schreiben des Finanzministeriums vom 20.07.2015 versagt.

7

Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen Ausnahmefalls ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass den Anforderungen des durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsgrundsatzes Rechnung getragen wird; die Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen (vgl. BVerwG Urt. v. 24.01.2012 - 2 C 24.10 -, Juris Rn. 14 f. zu § 12 Abs. 5 Buchst. c BVO NRW). Hier kann ein solcher Ausnahmefall, der zudem zur Sicherung der Existenz des Antragstellers den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderte, schon deshalb nicht angenommen werden, weil die finanzielle Situation des Antragstellers nicht hinreichend bekannt ist.

8

In seiner Beschwerdeschrift gibt der Antragsteller dazu lediglich an, die besondere Notwendigkeit einer positiven Einzelfallentscheidung sei aufgrund seiner Einkommensverhältnisse und seiner zu berücksichtigenden Unterhaltspflicht gegenüber seiner Ehefrau gegeben; nicht nur seine Ehegattin müsse von ihm versorgt werden, sondern er sei auch seinen beiden Kindern unterhaltsverpflichtet. Soweit der Antragsteller zudem auf sein gesamtes Vorbringen im erstinstanzlichen Eilrechtsschutz- und Klageverfahren Bezug nimmt, genügt dies einer Darlegung im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 21. Aufl. 2015, § 146 Rn. 41). Selbst wenn man den Vortrag des Klägers aus der Antragsschrift vom 04.11.2015 berücksichtigte, hat er diesen nicht glaubhaft gemacht im Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO. Auch fehlt es an Angaben dazu, warum es der derzeit nicht berufstätigen Ehefrau des Antragstellers nicht zuzumuten sein soll, selbst für ihren Unterhalt aufzukommen. Gleiches gilt hinsichtlich der zurzeit studierenden Kinder im Hinblick auf ihren eigenen Unterhalt.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

10

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten auf der Grundlage des Berliner Beihilferechts über die Beihilfefähigkeit eines Medizinprodukts.

2

Der Kläger steht als Beamter im Dienst des beklagten Landes und erhält als solcher grundsätzlich für 50 Prozent seiner krankheitsbedingten Aufwendungen Beihilfe. Sein Arzt verordnete ihm zur Behandlung eines Knorpelschadens am Knie fünf "HYA Ject Fertigspritzen" (mit dem Wirkstoff Hyaluronsäure). Diese erwarb der Kläger am 26. April 2010 für einen Betrag von 225,13 €. Im Mai 2010 beantragte er unter anderem hierfür die Gewährung von Beihilfe.

3

Der Beklagte lehnte eine Beihilfeleistung mit der Begründung ab, es handele sich bei den im Streit stehenden Fertigspritzen nicht um ein beihilfefähiges Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften. Der hiergegen vom Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Es hat den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe 112,57 € zu gewähren.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Aufwendungen für das streitgegenständliche Hyaluronsäurepräparat seien beihilfefähig. Rechtsgrundlage seien die Regelungen über die Beihilfefähigkeit von Arzneimitteln, § 76 des Landesbeamtengesetzes - LBG BE - i.V.m. § 22 Satz 1 der Berliner Beihilfeverordnung - LBhVO BE -. Die dynamische Verweisung in § 22 Satz 2 LBhVO BE auf § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V, wonach nur bestimmte Medizinprodukte beihilfefähig seien, zu denen Hyaluronsäurepräparate nicht zählten, sei verfassungswidrig und nichtig. Die Verweisungsnorm verstoße gegen den Gesetzesvorbehalt. Der Gesetzgeber habe selbst die Einzelheiten zum Leistungssystem zu bestimmen, das den Berechtigten Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bieten solle. Daher begegne eine dynamische Verweisung auf die im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Leistungseinschränkungen bei Arzneimitteln durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zudem sei § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V nicht hinreichend bestimmt, da die Norm die erforderlichen Festlegungen dem dort genannten Gemeinsamen Bundesausschuss überantworte. Erst recht begegne die über § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V vermittelte Übertragung der Entscheidungskompetenz auf den Gemeinsamen Bundesausschuss im Wege der dynamischen Verweisung verfassungsrechtlichen Bedenken. So liege es aufgrund der grundlegenden Strukturunterschiede zwischen beamtenrechtlicher Beihilfe und der gesetzlichen Krankenversicherung nahe, die Tatbestände beihilferechtlicher Leistungsausschlüsse normativ festzulegen, anstatt ihre nähere Bestimmung einem Gremium zu überlassen, in dem der Dienstherr nicht vertreten sei und das seine Entscheidungen nach Maßgabe des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung unter Berücksichtigung der Interessen der Versichertengemeinschaft treffe. Der Beihilfeausschluss für bestimmte Medizinprodukte sei außerdem wegen eines Verstoßes gegen die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht nichtig, weil es an einer Ausnahmeregelung fehle, die besondere Härten abmildere. Insbesondere enthalte § 7 Satz 2 LBhVO BE keine hinreichend bestimmte Härtefallregelung.

5

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 22 Satz 2 LBhVO BE. Die Norm sei entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts mit dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt vereinbar.

6

Der Kläger verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf der Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 Beamtenstatusgesetz - BeamtStG -). Das Oberverwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Regelung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Medizinprodukte (§ 22 Satz 2 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen vom 8. September 2009 in der rückwirkend zum 1. Januar 2010 in Kraft getretenen Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der LBhVO BE vom 8. Mai 2012 ) wegen Verstoßes gegen den Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, das Bestimmtheitsgebot und den verfassungsrechtlichen Fürsorgegrundsatz nichtig sei.

8

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfen verlangt werden, soweit nicht eine später ergangene Regelung - wie hier - Rückwirkung für vergangene Zeiträume entfaltet (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. April 2014 - 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9 m.w.N.). Anwendbar ist deshalb - ausgehend von der Maßgeblichkeit des Datums des Kaufs der Fertigspritzen - die LBhVO BE in der soeben bezeichneten Fassung. Danach ist die Beihilfefähigkeit für die im Streit stehenden Fertigspritzen nach der speziellen Regelung des § 22 Satz 2 LBhVO BE für Medizinprodukte wirksam ausgeschlossen, so dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist. Diese Vorschrift enthält eine Sonderregelung für Medizinprodukte, die hier einschlägig ist (1.) und gegen deren Wirksamkeit keine durchgreifenden Bedenken bestehen (2.). Ein Beihilfeanspruch ergibt sich für den Kläger auch nicht aus Härtefallgesichtspunkten (3.).

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1. Auf Grund ihrer rein physikalischen Wirkungsweise bei Gelenkerkrankungen sind hyaluronsäurehaltige Mittel, wie die hier streitigen Fertigspritzen, als Medizinprodukte im Sinne von § 3 Nr. 1 des Gesetzes über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz - MPG - vom 2. August 1994 , zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften vom 14. Juni 2007 ) und nicht als Arzneimittel im Sinne des § 2 des Arzneimittelgesetzes in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2009 ) anzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. September 2013 - 5 C 33.12 - BVerwGE 148, 1 Rn. 22 m.w.N.).

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Das Oberverwaltungsgericht geht im Ergebnis zutreffend davon aus, dass Aufwendungen für Medizinprodukte grundsätzlich nur dann gemäß § 22 Satz 2 LBhVO BE i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477) - hier anwendbar in der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung der Änderung durch Gesetz vom 16. Mai 2008 (BGBl. I S. 842, 847) - beihilfefähig sind, wenn sie in der Anlage V zu den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V (Arzneimittel-Richtlinie - AM-RL -) aufgeführt sind (a). Weil dazu die hier im Streit stehenden Fertigspritzen nicht gehören, ist die Beihilfefähigkeit der für sie erbrachten Aufwendungen ausgeschlossen (b).

11

a) Die Regelung des § 22 Satz 2 LBhVO BE geht - was auch zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht - als spezielle Regelung über die Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten in ihrem Anwendungsbereich sowohl der Bestimmung über Arzneimittel (§ 22 Satz 1 LBhVO BE) als auch der allgemeinen Regelung des § 6 Abs. 1 LBhVO BE vor. § 22 Satz 2 LBhVO BE verweist nämlich seinerseits auf eine entsprechende Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V, der eine Sonderregelung für Medizinprodukte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung enthält. Danach hat der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder 2 MPG zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009 (BAnz Nr. 49a S. 1 AM-RL) sind Medizinprodukte generell von der Versorgung mit Arzneimitteln ausgeschlossen. § 27 Abs. 1 Satz 2 AM-RL nimmt von diesem Grundsatz nur solche Medizinprodukte aus, die in medizinisch notwendigen Fällen ausnahmsweise nach den Bestimmungen dieser Richtlinie in die Arzneimittelversorgung einbezogen sind. Welche Medizinprodukte das sind, ist gemäß § 27 Abs. 8 Satz 1 AM-RL abschließend in einer Übersicht als Anlage V zur Arzneimittel-Richtlinie aufgeführt.

12

§ 22 Satz 2 LBhVO BE enthält damit, wie das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausführt, eine doppelte dynamische Verweisung. Die Norm verweist auf einer ersten Stufe zunächst unmittelbar auf die sozialversicherungsrechtliche Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V. Weil diese eine weitere Verweisung enthält, verweist damit auch § 22 Satz 2 LBhVO BE - gewissermaßen auf einer zweiten Stufe - mittelbar auf die Festlegungen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V (Arzneimittel-Richtlinie), die § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V seinerseits in Bezug nimmt. Die Verweisung ist insofern umfassend zu verstehen. § 22 Satz 2 LBhVO BE verweist auf dieser zweiten Stufe nicht nur auf die in der Arzneimittel-Richtlinie festgelegten abstrakten Grundsätze über die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten in den §§ 27 bis 29 AM-RL, sondern darüber hinaus auch auf die von dem Gemeinsamen Bundesausschuss in dem dafür vorgesehenen Verfahren konkret als verordnungsfähig anerkannten Medizinprodukte, die gemäß § 27 Abs. 8 Satz 1 AM-RL in der Anlage V zur Arzneimittel-Richtlinie abschließend aufgeführt sind.

13

Dafür spricht bereits in gewichtiger Weise, dass der Wortlaut des § 22 Satz 2 LBhVO BE eine Begrenzung der Verweisung allein auf die abstrakten Maßstäbe der Arzneimittel-Richtlinie nicht vorsieht, sondern die gesamte Regelung über die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten (§§ 27 - 29 AM-RL) über § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfassend in Bezug genommen worden ist. Für die Bezugnahme auch auf die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses spricht zudem der Sinn und Zweck der Verweisung auf § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V. Dieser besteht darin, bei der Versorgung mit Arzneimitteln und Medizinprodukten einen weitgehenden Gleichklang mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung herzustellen, den Sachverstand eines sachkundigen Gremiums, das seine Entscheidungen über die medizinische Notwendigkeit einzelner Medizinprodukte in einem die betroffenen Kreise einbeziehenden Verfahren trifft, zu nutzen und die von diesem Gremium nach wissenschaftlichen Standards vorgenommene Präzisierung des Leistungsumfangs in das Beihilferecht zu inkorporieren (vgl. Abg-Drs. 16/2631, VO-Nr. 16/190, S. 93 zu § 7 LBhVO BE, die der Begründung des wortgleichen § 7 der Bundesbeihilfeverordnung entspricht).

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Dieser Auslegung steht eine systematische Betrachtung durch Heranziehung des § 7 Satz 2 LBhVO BE nicht entgegen. Zwar hat sich nach dieser Bestimmung die Rechtsanwendung bei Verweisungen auf Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, die ihrerseits auf Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses verweisen oder Bezug nehmen, unter Berücksichtigung des Fürsorgegrundsatzes nach § 45 BeamtStG an den in diesen Normen oder Entscheidungen niedergelegten "Grundsätzen" zu orientieren. Obwohl der Wortlaut des § 7 Satz 2 LBhVO BE nicht eindeutig ist, soll diese Bestimmung nach ihrer Zielsetzung aber nicht die umfassende Verweisung in § 22 Satz 2 SGB V einschränken. Nach der Begründung des Landesverordnungsgebers stellt sie vielmehr eine "Auslegungsregel" für die (umfassend) einbezogenen Normen dar, die die verfassungsrechtliche Problematik dynamischer Kettenverweisungen auf Rechtsnormen anderer Normgeber auffangen und gewährleisten soll, dass dem Dienstherrn und der Festsetzungsstelle die letzte Befugnis zur Entscheidung über die Beihilfefähigkeit bestimmter Aufwendungen nicht aus der Hand genommen wird (Abg-Drs. 16/2631, VO-Nr. 16/190, S. 92). Dies spricht dafür, das Wort "Grundsätze" nicht als Verweisungsbegrenzung (allein) auf abstrakte Maßstäbe, sondern als Bezugnahme auf das gesamte jeweils in Rede stehende Regelwerk des Gemeinsamen Bundesausschusses zu verstehen, hier also auf die gesamte Regelung über die Verordnungsfähigkeit von Medizinprodukten (§§ 27 - 29 AM-RL). Dazu gehört auch und insbesondere die konkrete Regelung in § 27 Abs. 8 AM-RL, wonach die verordnungsfähigen Medizinprodukte abschließend in einer Übersicht als Anlage V dieser Richtlinie aufgeführt sind.

15

b) Gemessen daran sind die Aufwendungen für die im Streit stehenden Fertigspritzen nicht beihilfefähig. Hierfür kommt es - wie oben dargelegt - gemäß § 22 Satz 2 LBhVO BE i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB V maßgeblich darauf an, ob dieses Medizinprodukt gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 AM-RL ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen wurde, indem es gemäß § 27 Abs. 8 AM-RL in der insofern abschließenden Übersicht in der Anlage V aufgeführt ist. Hyaluronsäurehaltige Mittel wie die hier streitigen Fertigspritzen finden sich in dieser Übersicht nicht.

16

2. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts hat der Verordnungsgeber die Beihilfefähigkeit von in der Anlage V zur Arzneimittel-Richtlinie genannten Medizinprodukten mit § 22 Satz 2 LBhVO BE wirksam ausgeschlossen.

17

a) § 22 Satz 2 LBhVO BE genügt den Anforderungen des Grundsatzes vom Vorbehalt des Gesetzes.

18

Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) ergibt und jedenfalls aufgrund des Homogenitätsgebots (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) auch für die Landesgesetzgebung verbindlich ist, verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden normativen Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der parlamentarische Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern oder dem Verwaltungsvollzug überlassen. Wann danach eine Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber erforderlich ist, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 42 jeweils Rn. 12 m.w.N.).

19

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt der Vorbehalt des Gesetzes auch für das Beihilferecht. Der parlamentarische Gesetzgeber hat in der Bandbreite seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten das Leistungssystem zu bestimmen, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet. Ferner muss der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung für wesentliche Einschränkungen des Beihilfestandards übernehmen. Ansonsten könnte die Exekutive das durch die Besoldungs- und Versorgungsgesetze festgelegte Alimentationsniveau durch Streichungen und Kürzungen von Beihilfeleistungen eigenmächtig absenken. Auch wenn das gegenwärtig praktizierte Mischsystem aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzenden Beihilfen nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört und deshalb nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet wird, ist jedenfalls die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen eine Unterstützung in Form von Beihilfen gänzlich zu versagen ist, grundsätzlicher Natur und daher vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst zu treffen (BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 2013 - 5 C 29.12 - BVerwGE 148, 116 Rn. 14 und vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 Rn. 13 m.w.N.). Dagegen sind die Anforderungen des Gesetzesvorbehalts geringer, wenn es um die Konkretisierung von Beihilfebeschränkungen durch den Verordnungsgeber geht, die - wie die Begrenzung der Beihilfe für Medizinprodukte - bereits im bisherigen Beihilferecht angelegt waren (vgl. zum Übergangsrecht BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 5 C 29.12 - BVerwGE 148, 116 Rn. 28). Gleiches gilt, wenn es sich um eine Sachmaterie bzw. Leistungsgruppe innerhalb des Beihilferechts handelt - was auf die Leistungen für Medizinprodukte ebenfalls zutrifft -, deren Bedeutung für die Beihilfeberechtigten insgesamt kein besonders hoher Stellenwert beizumessen ist.

20

Vor diesem Hintergrund ist die durch § 22 Satz 2 LBhVO BE normierte Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Medizinprodukten auf den Standard, der in der gesetzlichen Krankenversicherung gilt, mit dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes vereinbar. Diese Verordnungsregelung beruht auf einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage (aa) und ist - gemessen an den vorgenannten Maßstäben - mit den spezifischen Anforderungen des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips an dynamische Verweisungen auf Regelungen Dritter noch vereinbar (bb).

21

aa) Der Notwendigkeit einer von ihm zu verantwortenden Entscheidung kann der Gesetzgeber grundsätzlich auch dadurch Rechnung tragen, dass er die Verwaltung ermächtigt, den Beihilfeausschluss durch Landesverordnung zu regeln. Hierfür ist erforderlich, dass das Landesgesetz eine gemessen an dem auch von dem Landesgesetzgeber zu beachtenden Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend konkrete Verordnungsermächtigung enthält, die den betreffenden Leistungsausschluss inhaltlich deckt (BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 - 5 C 1.12 - BVerwGE 143, 363 Rn. 15 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 13. September 2005 - 2 BvF 2/03 - BVerfGE 114, 196 <238>).

22

Diesen Anforderungen genügt § 76 Abs. 11 des Landesbeamtengesetzes Berlin - LBG BE - in der Fassung vom 19. März 2009 (GVBl. S. 70), der die Verwaltung ermächtigt, durch Rechtsverordnung in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch den völligen oder teilweisen Ausschluss von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln von der Beihilfegewährung zu regeln. Weil der Arzneimittelbegriff in § 76 Abs. 11 LBG BE weit zu verstehen ist und auch Medizinprodukte erfasst, hat der Gesetzgeber die Verwaltung in hinreichend bestimmter Weise ermächtigt, durch Rechtsverordnung auch den völligen oder teilweisen Ausschluss von Medizinprodukten von der Beihilfegewährung (bzw. deren ausnahmsweise Beihilfefähigkeit) zu normieren. Diese Ermächtigung erstreckt sich ausdrücklich darauf, auch auf begrenzende Regelungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zu verweisen. Hierfür spricht überdies der Zweck der gesetzlichen Verordnungsermächtigung, den Beamten umfassenden Schutz im Krankheitsfalle in einem der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbaren Ausmaß zu gewähren.

23

bb) Auch die dynamische Verweisung des § 22 Satz 2 LBhVO BE auf § 31 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V und die davon in Bezug genommene, von dem Gemeinsamen Bundesausschuss zu erlassende Arzneimittel-Richtlinie genügt, da § 7 LBhVO BE in diese Betrachtung einzubeziehen ist, noch den spezifischen Anforderungen des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips, die im Rahmen des Vorbehalts des Gesetzes an eine dynamische Verweisung auf Regelungen Dritter zu stellen sind.

24

(1) Zwar kann es verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen, wenn die Entscheidungskompetenz über die Anerkennung der Beihilfefähigkeit von (Medizin-)Produkten auf den nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen gebildeten Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen wird. Solche können sich insbesondere im Hinblick auf die Systemunterschiede zwischen beamtenrechtlicher Beihilfe und der gesetzlichen Krankenversicherung ergeben, die den Gesetzgeber verpflichten könnten, die nähere Bestimmung etwaiger Leistungsausschlüsse selbst zu treffen und sie nicht weiterhin vollständig einem Gremium wie etwa dem Gemeinsamen Bundesausschuss zu überlassen, in dem der Dienstherr nicht vertreten ist und der seine Entscheidungen nicht am Maßstab der verfassungsrechtlich gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn, sondern als Selbstverwaltungsorgan verschiedener als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierter Versichertengemeinschaften zur Wahrung ihrer Interessen zu treffen hat (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2008 - 2 C 24.07 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 S. 4, vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - juris Rn. 24 sowie vom 12. September 2013 - 5 C 33.12 - BVerwGE 148, 1<9>).

25

(2) Allerdings sind dynamische Verweisungen der vorgenannten Art nicht von vornherein unzulässig. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass ein Normgeber nicht nur auf eigene, sondern auch auf Regelungen anderer Normgeber verweisen darf. Auch die Verweisung auf Regelwerke, die von nichtstaatlichen Normungsgremien geschaffen wurden, ist nicht generell ausgeschlossen, solange für den Rechtsunterworfenen klar erkennbar ist, welche Vorschriften für ihn im Einzelnen gelten sollen (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 - BVerwGE 147, 100 Rn. 39). Dies darf hingegen nicht in einer Weise geschehen, die dazu führt, dass der Bürger schrankenlos einer Normsetzungsgewalt ausgeliefert ist, die ihm gegenüber weder staatlich noch mitgliedschaftlich legitimiert ist. Das widerspräche sowohl dem Rechtsstaatsprinzip, wonach Einschränkungen der Freiheit des Bürgers, soweit sie überhaupt zulässig sind, nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen dürfen, als auch dem Demokratieprinzip, wonach die Ordnung eines nach dem Grundgesetz staatlicher Regelung offenstehenden Lebensbereichs auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss. Nur soweit der Inhalt der von einem Privaten erlassenen Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht, genügt die verweisende Norm den Anforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip ergeben. Für die Beantwortung der Frage, ob diese einer dynamischen Verweisung von Verfassung wegen gezogenen rechtlichen Grenzen eingehalten wurden, kommt es neben dem Sachbereich und der damit verbundenen Grundrechtsrelevanz wesentlich auf den Umfang der Verweisung an (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 - BVerwGE 147, 100 Rn. 42 f. unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 1988 - 2 BvL 26/84 - BVerfGE 78, 32 und Urteil vom 14. Juni 1983 - 2 BvR 488/80 - BVerfGE 64, 208). Dynamische Verweisungen sind daher grundsätzlich zulässig, wenn der Verweisungsumfang "eng bemessen" ist. Bei einer engen Bandbreite der zur Überprüfung stehenden Verweisung kann davon ausgegangen werden, dass der verweisende Verordnungsgeber die in Bezug genommenen Regelungen im Blick behält, so dass er auf den vorgegebenen Rahmen sprengende oder von ihm nicht gewünschte Änderungen umgehend reagieren kann (BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 - BVerwGE 147, 100 Rn. 44). Den vorgenannten Anforderungen wird die dynamische Verweisung in § 22 Satz 2 LBhVO BE noch gerecht.

26

(a) Dem rechtsstaatlichen Publizitätserfordernis wird bei gesetzlichen Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch durch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt und beim Erlass der Arzneimittel-Richtlinien durch deren Veröffentlichung im Bundesanzeiger und im Internet gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2, § 94 Abs. 2 SGB V Rechnung getragen.

27

(b) Der im Hinblick auf das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip gebotenen Beschränkung des Umfangs der Verweisung kann durch eine Begrenzung der in Bezug genommenen Normen, also quantitativ, aber auch qualitativ in der Weise Rechnung getragen werden, dass der Normgeber die Bindung an die in Bezug genommene Norm begrenzt und der Verwaltung für deren Anwendung eigene Regeln und Handlungsspielräume vorgibt bzw. einräumt. Eine solche qualitative Begrenzung der Verweisungen auf Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch hat der Verordnungsgeber in § 7 LBhVO BE vorgenommen, der Einschränkungen enthält, die der Dienstherr bei der Anwendung der in Bezug genommenen Normen zu beachten hat.

28

Das gilt zum einen für § 7 Satz 1 LBhVO BE, der die Beihilfefähigkeit von Leistungen, die an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch angelehnt sind, davon abhängig macht, dass für diese nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Angemessenheit nachgewiesen sind, sie zweckmäßig sind und keine andere, angemessene Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Damit werden Grundsätze über die Verordnungsfähigkeit aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung eigenständig und modifiziert in das Beihilferecht inkorporiert mit der Folge, dass Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sich gegebenenfalls nicht ohne Weiteres auf das Beihilferecht auswirken können. Damit ist die Dynamik der Verweisungen insoweit zumindest partiell durchbrochen.

29

Eine gewichtige qualitative Einschränkung des Umfangs der Verweisungen auf die Arzneimittel-Richtlinie enthält zum anderen § 7 Satz 2 LBhVO BE, der anordnet, dass sich die Rechtsanwendung bei Verweisungen auf Richtlinien und Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses unter Berücksichtigung des Fürsorgegrundsatzes nach § 45 BeamtStG nur an den in diesen Normen oder Entscheidungen niedergelegten Grundsätzen zu orientieren hat. Auch wenn der Wortlaut keineswegs eindeutig ist, lässt sich der Regelung mit Blick auf ihren Sinn und Zweck, dem Dienstherrn und der Festsetzungsstelle die "letztendliche Befugnis" zur Entscheidung über die Beihilfefähigkeit in Bindung an den Fürsorgegrundsatz zu erhalten und so die Verfassungsmäßigkeit der dynamischen Verweisung zu gewährleisten (vgl. Abg-Drs. 16/2631, VO-Nr. 16/190 S. 92), jedenfalls entnehmen, dass die in Bezug genommen Normen nur grundsätzlich gelten und bei ihrer Anwendung der in Art. 33 Abs. 5 GG begründete Fürsorgegrundsatz zu berücksichtigen ist.

30

Die qualitative Beschränkung der Verweisung in § 22 Satz 2 LBhVO BE auf das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch und die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch § 7 Satz 2 LBhVO BE genügt trotz ihrer Unbestimmtheit noch den Anforderungen, die an eine dynamische Verweisung auf Normen Dritter zu stellen sind. Die Regelung eröffnet dem Dienstherrn einen eigenen Abwägungs- und Entscheidungsspielraum unter Berücksichtigung beamtenrechtlicher Grundsätze und gewährleistet, dass Beihilfe für Aufwendungen für Medizinprodukte jedenfalls dann geleistet wird, wenn dies nach dem verfassungsrechtlichen Fürsorgegrundsatz geboten ist. Umgekehrt ist der Eingriff in den bisherigen Beihilfestandard, der mit dem grundsätzlichen Ausschluss und der ausnahmsweisen Einbeziehung von Medizinprodukten in die Beihilfefähigkeit durch § 22 Satz 2 LBhVO BE verbunden ist, von geringer Intensität und entspricht der Sache nach mehr einer Konkretisierung des bereits gewährten Leistungsumfangs.

31

Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn verlangt zudem keine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen in Krankheitsfällen, so dass der Normgeber die Erstattung von Kosten für Medizinprodukte grundsätzlich ausschließen kann, solange eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet ist und der Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschritten wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 S. 6 m.w.N.).

32

b) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verstößt der teilweise Ausschluss von Aufwendungen für Medizinprodukte in § 22 Satz 2 LBhVO BE auch nicht wegen des Fehlens einer eindeutigen abstrakt-generellen Härtefallregelung gegen den Fürsorgegrundsatz aus Art. 33 Abs. 5 GG.

33

Zwar trifft es im Ansatz zu, wenn das Oberverwaltungsgericht davon ausgeht, dass der Dienstherr die Gewährung von Beihilfe nicht ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Folgen für den Beamten ausgestalten darf, sondern unter der Geltung des gegenwärtigen Mischsystems aus Beihilfe und darauf abgestimmter privater Eigenvorsorge im Blick behalten muss, dass der pauschale Ausschluss bestimmter Gruppen von Arzneimitteln von der Beihilfegewährung in Einzelfällen, z.B. bei chronischen Erkrankungen, die finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen erheblich übersteigen kann. Für derartige Fälle muss der Dienstherr normative Vorkehrungen treffen, damit nicht erhebliche Aufwendungen verbleiben, die im Hinblick auf die Höhe der Alimentation nicht mehr zumutbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - juris Rn. 19 f.).

34

aa) Selbst wenn sich, wie das Oberverwaltungsgericht annimmt, aus diesem Grundsatz eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Schaffung einer eindeutigen abstrakt-generellen Härtefallregelung ergäbe, erscheint bereits fraglich, ob deren Fehlen zur Unwirksamkeit oder Unanwendbarkeit des grundsätzlichen Leistungsausschlusses für Medizinprodukte führen würde. Das Fehlen einer Härtefallregelung würde die Erfüllung der Fürsorgepflicht gegenüber der großen Mehrzahl der Beamten nicht in Frage stellen (BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 16 und 21), so dass es dann gegebenenfalls für eine Übergangszeit ausreichend sein dürfte, aus anderen Bestimmungen der Landesbeihilfeverordnung oder, falls sich dort ein normativer Anknüpfungspunkt nicht finden sollte, unmittelbar aus der Fürsorgepflicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung einen gesonderten Erstattungsanspruch für konkrete Härtefälle abzuleiten (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2008 - 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234 und vom 5. Mai 2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 25). Dies kann hier jedoch dahingestellt bleiben.

35

bb) Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts enthält jedenfalls § 7 Satz 2 LBhVO BE eine hinreichend bestimmte Härtefallregelung, soweit dieser vorgibt, dass bei der Anwendung der in Bezug genommenen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Fürsorgegrundsatz gemäß § 45 BeamtStG zu berücksichtigen ist und dadurch die Möglichkeit verfassungsrechtlich gebotener Abweichungen von den Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses eröffnet (Abg-Drs. 16/2631, VO-Nr. 16/190 S. 93).

36

§ 7 Satz 2 LBhVO BE greift damit zum einen den Grundsatz auf, dass ungeachtet des abschließenden Charakters der Beihilfevorschriften im Ausnahmefall die verfassungsrechtlich verbürgte Fürsorgepflicht unmittelbar Grundlage eines Erstattungsanspruchs sein kann, wenn andernfalls dem Beamten eine auch unter Berücksichtigung des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften nicht mehr zumutbare Belastung abverlangt würde und die Ablehnung der Beihilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt. Gegen die Bestimmtheit dieser Regelung bestehen im Hinblick auf die Konkretisierung der Fürsorgepflicht in der verwaltungsgerichtlichen und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung keine Bedenken. Danach gebietet die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht etwa die Erstattung von Aufwendungen, wenn der absehbare Erfolg der Maßnahme, für die eine Beihilfe beantragt wurde, von existenzieller Bedeutung für den Betroffenen ist, oder die Maßnahme notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 5 B 44.12 - juris Rn. 8 m.w.N.; Urteil vom 13. Dezember 2012 - 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 Rn. 20; vgl. auch Urteil vom 24. Februar 2011 - 2 C 40.09 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 22 Rn. 20). Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ist wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn außerdem verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (BVerwG, Urteile vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - juris Rn. 19 f. und vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 184, 106 Rn. 26).

37

Zum anderen erschöpft sich § 7 Satz 2 LBhVO BE, weil er ansonsten weitgehend leer laufen würde, nicht allein in der Bezugnahme auf den Fürsorgegrundsatz, sondern ermöglicht einen Härtefallausgleich auch in Fällen, in denen der Kernbereich der Fürsorgepflicht nicht betroffen ist. Es genügt dementsprechend, wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, bei denen es sich aufdrängt, dass der Fürsorgegrundsatz zur ausnahmsweisen Anerkennung der Beihilfefähigkeit - hier der Einbeziehung eines Medizinprodukts - führt.

38

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die beantragte Beihilfe aus der Härtefallregelung des § 7 Satz 2 LBhVO BE.

39

Danach kann zwar die Gewährung einer Beihilfe auch für nicht beihilfefähige, aber notwendige und der Höhe nach angemessene Aufwendungen im Einzelfall geboten sein, wenn deren wirtschaftliche Folgen die finanziellen Möglichkeiten des Beamten so erheblich übersteigen, dass der Wesenskern der Fürsorgepflicht verletzt ist. Dies ist der Fall, wenn die Nichterstattung der Aufwendungen zu Belastungen für den Beamten führt, die sich im Hinblick auf die Höhe seiner Alimentation für ihn als unzumutbar darstellen und insbesondere geeignet sind, den amtsangemessenen Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie zu gefährden (BVerwG, Urteile vom 6. November 2009 - 2 C 60.08 - juris Rn. 19 f. und vom 10. Oktober 2013 - 5 C 32.12 - BVerwGE 148, 106 Rn. 26). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Weder aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts noch aus dem Sachvortrag des Klägers ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten für die Fertigspritzen den Kläger finanziell übermäßig belasten könnten. Auch sonstige Umstände, bei deren Vorliegen es sich aufdrängen müsste, dass der Fürsorgegrundsatz zur ausnahmsweisen Anerkennung der Beihilfefähigkeit - hier der Einbeziehung des im Streit stehenden Medizinprodukts - führt, sind weder festgestellt noch sonst ersichtlich.

40

4. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

Tenor

Das Verfahren wird insoweit eingestellt, als der Kläger und die Beklagte den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, nämlich hinsichtlich der erfolgten Nachgewährung eines Beihilfebetrages in Höhe von 204,42 Euro. Das Urteil des VG Minden vom 18. Mai 2010 – 10 K 606/09 – ist insoweit einschließlich der darauf bezogenen Kostenentscheidung wirkungslos.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Beihilfebescheide der Wehrbereichsverwaltung T.   vom 1. August 2008, 26. August 2008, 22. September 2008, 28. Oktober 2008, 26. November 2008 und 19. Dezember 2008 sowie des Widerspruchsbescheides der Wehrbereichsverwaltung T.   vom 3. Februar 2009 – soweit diese Bescheide entgegenstehen – verpflichtet, für die verstorbene Frau N.      F.         X.          für den Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis einschließlich 31. Dezember 2008 eine weitere Beihilfe in Höhe von 1.650,90 Euro zu bewilligen und diese an die Beigeladene zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der (im Berufungsverfahren entstandenen) außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Gewährung von Beihilfe.

2

Der im … 1927 geborene Kläger stand als Professor im Dienst des Landes Schleswig-Holstein und erhält als Ruhestandsbeamter Versorgungsbezüge.

3

Mit Schreiben vom 08. März 2013 und dem beigefügten Formularantrag beantragte er die Gewährung einer Beihilfe für einen sogenannten „Ambulanzflug“ von Fuerteventura nach A-Stadt.

4

Dem war - zusammengefasst - folgendes vorausgegangen:

5

Am 20.02.2012 begab sich der Kläger wegen heftiger abdomineller Beschwerden in eine am Ferienort Costa Calma betriebene Arztpraxis. Der dortige Arzt wies den Kläger wegen der umfangreichen kardialen Vorerkrankungen sofort in das Krankenhaus in Puerto del Rosario ein. Dort verschlechterte sich der Zustand des Klägers. Trotz deutlicher Hinweise und dringlicher Bitten wäre er sich über mehrere Tage weitgehend sich selbst überlassen geblieben, bis sich zusätzlich Bluthusten und Luftnot eingestellt hätten. Unter Aufbietung letzter Kräfte hätte er sein Schicksal selbst in die Hand genommen, sich aus dem Krankenhaus entlassen und sich durch den eigenorganisierten Rettungsflug nach Deutschland (UKSH A-Stadt) begeben. Der ihn dort behandelnde Direktor der medizinischen Klinik II, Prof. Dr. ..., bestätigte dazu folgendes:

6

„Zusammenfassend kann bestätigt werden, dass der Krankenrücktransport von Fuerteventura nach Deutschland am 26.02.2012 medizinisch absolut notwendig und vital indiziert war, nachdem auf Fuerteventura bei komplexer Vorgeschichte eine akute Erkrankung in unzureichender Weise behandelt werden konnte.“

7

Die Med ..., die nach Leistung der Vorauskasse in Höhe von 34.000,-- € den arztbegleitenden Ambulanzflug sowie den Weitertransport per KTW ins Universitätsklinikum A-Stadt durchgeführt hatte, erstellte dazu unter dem 5. März 2012 ihre Rechnung und fügte das Intensivtransport-Protokoll bei.

8

Am 08.03.2012 zeigte der von dem Kläger dazu beauftragte Sohn, Herr ..., der ... Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit, bei welcher für den Kläger eine Auslandsreise-Krankenversicherung bestand, den Vorgang an und erbat Erstattung der verauslagten Gesamtkosten in Höhe von 35.603,-- €. Diese lehnte unter Bezugnahme auf ein Schreiben vom 10.05.2012 mit weiterem Schreiben vom 26.02.2013 Zahlungen für den vom Kläger selbst organisierten Rückflug mit dem Lear-Jet am 26.02.2012 ab und begründete dies abschließend u. a. damit, dass es sich nicht um einen „medizinisch notwendigen Rücktransport im Sinne der vertraglichen Vereinbarung“ gehandelt habe.

9

Daraufhin beantragte der Kläger persönlich mit Anschreiben vom 08. März 2013 und Beifügung eines Formularantrages Gewährung von Beihilfe für den Ambulanzflug.

10

Mit Bescheid vom 14.03.2013 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Beihilfe ab und führte zur Begründung aus, dass Beihilfeanträge innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der ersten Ausstellung einer Rechnung bei der Festsetzungsstelle eingehen müssten; nach Ablauf der Frist erlösche der Anspruch und die Aufwendungen könnten daher nicht berücksichtigt werden, § 5 Abs. 3 BhVO.

11

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er im Wesentlichen anführte, dass die Jahresfrist bei Eingang des Antrages bei dem Beklagten am 11.03.2013 noch nicht abgelaufen wäre. Die auf Sonntag, 05. März 2012 datierte Rechnung der Med ..., hätte ihn als Empfänger erst am 12.03.2012 (einem Montag) erreicht, so dass die Frist bei Eingang des Antrags am 11.03.2013 noch nicht abgelaufen wäre. Ihm könne auch nicht vorgehalten werden, dass es sich um eine nicht beihilfefähige Rückbeförderung wegen Erkrankung anlässlich privater Reisen in eine wohnortnahes Krankenhaus handele, § 9 Abs. 1 Nr. 9 a BhVO. In Anbetracht der tatsächlichen Umstände wäre der Ambulanzflug als „Rettungsfahrt“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 9 b BhVO einzustufen.

12

Zugleich mit dem Widerspruch beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

13

Letzteres lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20.12.2013 ab und führte ergänzend aus, dass bei Eingang der Rechnung mit Beihilfeantrag vom 08.03.2013 am 11.03.2013 die Jahresfrist abgelaufen wäre und der Beihilfebescheid vom 14.03.2013 zu Recht ergangen wäre.

14

Der diesem Bescheid beigefügten Rechtsmittelbelehrung folgend erhob der Kläger mit Schreiben vom 08. Januar 2014 Widerspruch. Zugleich hat er mit Schreiben vom gleichen Datum Klage beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht erhoben.

15

In Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus dem Vorverfahren trägt der Kläger zur Begründung im Wesentlichen folgendes vor:

16

Am Montag, dem 12.03.2012 habe der Sohn des Klägers, der bevollmächtigt war, ihn in allen Angelegenheiten zu vertreten, die im Zusammenhang mit der Erkrankung anfallen würden, die Rechnung der Med ... über 34.000,-- € erhalten. Dies sei das maßgebliche Datum, auf das abzustellen sei, so dass die Frist bei Eingang des Beihilfeantrages am 11.03.2013 noch nicht abgelaufen wäre.

17

Zudem wären die Aufwendungen in Fällen dieser Art von Rettungsfahrten (Ambulanzflug) nach § 9 Abs. 1 Nr. 9 b BhVO ohne weitere Voraussetzungen beihilfefähig. Der vorsorglich gestellte Wiedereinsetzungsantrag sei begründet, weil sich der Kläger hinsichtlich der Frist für die Antragstellung in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden habe. Wegen der bei der ... Krankenversicherung a. G. bestehenden Auslandsreisekranken-versicherung sei er davon ausgegangen, dass in diesem Fall mit Auslandsberührung ein Beihilfeantrag erst subsidiär und nach abschließender Regulierung durch die private Versicherung gestellt werden könne. Soweit diese private Versicherung im Vorfeld des verwaltungsrechtlichen Verfahrens ihre Eintrittspflicht abgelehnt habe, gehe sie mit ihrer Begründung an den Tatsachen vollständig vorbei. Zudem wäre es allein durch die dortige, überlange Bearbeitungszeit von annähernd einem Jahr zu der späten Antragstellung im Beihilfeverfahren gekommen.

18

Schließlich sei es unter Beachtung des verfassungsrechtlich garantieren Fürsorgeprinzips des Dienstherrn angezeigt, in Anbetracht der gegebenen Härtefallsituation gemäß § 17 BhVO eine Ausnahme zuzulassen, da der hohe finanzielle Aufwand für den Rettungsflug unter den gegebenen Umständen geboten gewesen sei. Die besondere Belastungssituation sei durch den lebensbedrohlichen Erkrankungszustand, das hohe Alter des Klägers, die unmittelbar bevorstehende Gefahr, aufgrund schwindender Kräfte handlungsunfähig zu werden sowie die Hilflosigkeit, wenn nicht gar Gleichgültigkeit, mit der am ausländischen Urlaubsort auf die Situation reagiert worden sei, gekennzeichnet.

19

Der Kläger beantragt,

20

den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 14.03.2013, 20.12.2013 und 27.02.2014 zu verpflichten, auf die Rechnung der Med... vom 05.03.2012 in noch offener Höhe von 14.000,-- Beihilfe nach dem Bemessungssatz von 70 vom Hundert zu gewähren.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

23

Er nimmt Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 17.02.2014 und hebt hervor, dass die Ausschlussfrist des § 5 Abs. 3 BhVO den Beihilfeanspruch des Klägers zum Erlöschen gebracht habe. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 90 LVwG lägen nicht vor.

24

Im Übrigen habe es das Finanzministerium als dafür zuständige oberste Dienstbehörde mit Erlass vom 06. Februar 2014 abgelehnt, in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles eine Ausnahme im Sinne von § 17 Abs. 2 BhVO hinsichtlich der Jahresfrist bei der Einreichung des Beihilfeantrages wie auch hinsichtlich der geltend gemachten Rückflugkosten zu machen.

25

Mit den in Anspruch genommenen Krankenversicherern ist kurz vor dem Verhandlungstermin - nach Klagandrohung - eine vergleichsweise Regelung erzielt worden, nach welcher jede der beiden in Anspruch genommenen Versicherer jeweils 10.000,-- € leistet, so dass sich im Zuge des Klagverfahrens bei Antragstellung der noch offene Anspruch des Klägers auf 9.800 € (70 v. H. von 14.000,-- €) reduziert hat.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf ihre Schriftsätze sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die - soweit erforderlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

27

Mit Beschluss vom 09. April 2014 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

28

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

29

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für die hier geltend gemachten Aufwendungen für den Ambulanzflug.

30

Der Anspruch des Klägers ist gemäß § 5 Abs. 3 BhVO erloschen. Nach dieser Vorschrift wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn der Beihilfeberechtigte innerhalb einer Ausschlussfrist von einem Jahr nach Entstehen der Aufwendungen oder Ausstellung der Rechnung bei der Festsetzungsstelle dies schriftlich beantragt hat. Die hier seitens des Klägers vorgelegte Rechnung für den Ambulanzflug stammt vom 05.03.2012, wo hingegen der Beihilfeantrag nebst Rechnung erst am 11.03.2013 bei dem Beklagten eingegangen ist. Somit hat der Kläger die gemäß § 5 Abs. 3 BhVO maßgebliche Frist nicht eingehalten, ganz abgesehen davon, dass die in der Rechnung beschriebene Leistung bereits am 26.02.2012 erbracht worden war.

31

Der Beklagte hebt zu Recht hervor, dass es sich bei dieser Frist um eine gesetzliche Ausschlussfrist handelt, bei deren Versäumung weder eine Fristverlängerung noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann. Die Frist führt zum Verlust des materiellen Beihilfeanspruches. Ihre Wirkung beschränkt sich nicht darauf, dass der Beihilfeberechtigte nunmehr seinen nach materiellem Beihilferecht bestehenden Anspruch nicht mehr geltend machen kann, sondern der Anspruch wird als solcher vernichtet.

32

Die Ausschlussfrist ist entgegen der Ansicht des Klägers auch in Ansehung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Beihilferechts mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere unterliegt die Ausschlussfrist grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums von Art. 33 Abs. 5 GG erfasst ist. Kommt der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht durch Zahlung von Beihilfen nach, die die aus der Alimentation zu bestreitende Eigenvorsorge ergänzt, so muss er gewährleisten, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann. Dies hat zur Folge, dass das Beihilfeverfahren in einer Weise ausgestaltet sein muss, dass der Beamte in einer ihm zumutbaren Weise seinen Anspruch auf Beihilfe gegenüber seinem Dienstherrn geltend machen bzw. durchsetzen kann. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn muss sich verfahrensrechtlich so auswirken, dass den Beamten keine unzumutbaren Handlungen auferlegt werden, um seinen Beihilfeanspruch zu realisieren.

33

Grundsätzlich unterliegen danach die von den Beihilfeberechtigten geforderten Verfahrenshandlungen keinen Bedenken. Das gilt zum Einen im Hinblick auf die Dauer der Frist, innerhalb der der Beamte seinen Beihilfeantrag stellen kann. Soweit er binnen eines Jahres die Beihilfeunterlagen mit einem entsprechenden Antrag bei der zuständigen Beihilfestelle einzureichen hat, erscheint dieser Zeitraum, beginnend mit dem Zeitpunkt der Rechnungsstellung, hinreichend lang bemessen, um einen Antrag einzureichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit der Antragstellung gemeinhin kaum tatsächliche Schwierigkeiten verbunden sein dürften, da von Beihilfeberechtigten im Wesentlichen die Antragstellung - wie hier - unter Nutzung eines Formblattes und die Einreichung bei der Festsetzungsstelle verlangt wird. Letztlich wird es gerade bei höheren Aufwendungen für Heilbehandlungen im eigenen Interesse des Beihilfeberechtigten sein, diese zeitnah zum Eintritt der eigenen Zahlungsverpflichtung erstattet zu bekommen, so dass auch vor diesem Hintergrund die Jahresfrist hinreichend lang erscheint.

34

Allerdings können in Ausgestaltung der Antragsfrist des § 5 Abs. 3 BhVO bei einer Versäumung dieser Frist für den Beamten Härten eintreten, die nur so lange hinnehmbar sind, als die in der Rechtsprechung entwickelten Fallkonstellationen beachtet werden, in denen die Ausschlussfrist ausnahmsweise nicht gilt. Die von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen lassen sich nicht allgemeingültig bestimmen, sondern nur im Einklang mit dem Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirkt. Wegen der außergewöhnlichen Bedeutung der Beihilfevorschriften für den Beamten und wegen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn für den Beamten, die auch beinhaltet, den Beamten vor unzumutbaren Belastungen zu schützen, gegen die er sich nicht absichern kann, wird in den von der Rechtsprechung anerkannten Fallkonstellationen bzw. unter den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen ausnahmsweise von der Einhaltung der Ausschlussfrist abzusehen sein.

35

So ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben es ausschließen kann, dass sich eine Behörde auf die Versäumung einer Ausschlussfrist beruft, wenn sie durch eigenes Fehlverhalten dazu beigetragen hat, dass der Antragsteller die Frist nicht gewahrt hat. Eine derartige Fallgestaltung liegt hier allerdings nicht vor. Für ein Fehlverhalten der Festsetzungsstelle ist nichts erkennbar.

36

Weiterhin wird eine Ausnahme von den Rechtsfolgen der Versäumung einer Ausschlussfrist ausnahmsweise in solchen Fällen angenommen, in denen das Fristversäumnis durch höhere Gewalt verursacht wurde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06. Juli 2010 - 8 B 51.07 -; Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 27.03 -; Hess. VGH, Urteil vom 30. Mai 2012, - 6 A 523/11 -). Der Begriff der höheren Gewalt wird dabei grundsätzlich enger als der Begriff „ohne Verschulden“ in § 60 Abs. 1 VwGO verstanden. Er erfasst allerdings nicht nur solche Ereignisse, die menschlicher Steuerung völlig entzogen sind. Der Begriff wird vielmehr in Anlehnung an den Begriff der „unabwendbaren Zufälle“ des § 233 ZPO a. F. ausgelegt. Danach ist unter höherer Gewalt ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des Einzelfalles vernünftigerweise von den Betroffenen unter der Anlegung subjektiver Maßstäbe zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht hat abgewendet werden können. Diese Voraussetzungen liegen ersichtlich nicht vor. Denn weder der Kläger in Person noch der von ihm - zunächst - bevollmächtigte Sohn waren gehindert, nach Erhalt der Rechnung unter Ausnutzung einer noch verbleibenden Frist von nahezu einem Jahr sich mit der für die Festsetzung der Beihilfe zuständigen Stelle des Beklagten zumindest ins Benehmen zu setzen. Soweit der Kläger dem gegenüber vortragen lässt, dass er hinsichtlich dieser Vorgehensweise einem „Rechtsirrtum“ unterlegen sei und von der Subsidiarität der Beihilfe ausgegangen sei, kann dies schon deshalb nicht entscheidungserheblich sein, weil nichts dafür dargetan ist, aus welchen Gründen sich sein von ihm bevollmächtigter Sohn gehindert gesehen haben will, nicht nur die Korrespondenz mit der ... Krankenversicherung zu führen, sondern nicht auch zugleich gegenüber der Beihilfestelle tätig werden zu können.

37

Soweit der Beklagte mit Blick auf die vom Kläger begehrte Ausnahmeregelung im Sinne des § 17 Abs. 2 BhVO auf den ihn bindenden Erlass des Finanzministeriums vom 06. Februar 2014 verweist, bleibt anzumerken, dass die ablehnende Entscheidung des Finanzministeriums nicht an Ermessensfehlern leidet. So wäre die Einhaltung der Jahresfrist sowohl durch den Kläger selbst als auch durch den von ihm bevollmächtigten Sohn möglich gewesen. Die Geltendmachung des Anspruchs bei der Reiseversicherung stand dem nicht entgegen und bei Unklarheiten hätte eine telefonische oder schriftliche Nachfrage bei dem Beklagten genügt, um Klarheit zu erhalten. Selbst wenn von der Einhaltung der Antragsfrist hätte abgesehen werden können, würde eine beihilferechtliche Erstattung der geltend gemachten Aufwendungen für den Rückflug daran scheitern, dass nach § 9 Abs. 1 Nr. 9 a BhVO eine Rückbeförderung wegen Krankheit anlässlich privater Reisen in ein vorhandenes Krankenhaus nicht beihilfefähig ist. Zudem waren die Ansprüche gegen die bestehende Reiseversicherung nicht abschließend geklärt. Diese Erwägungen (Bl. 35 und 36 der Beiakte A) lassen erkennen, dass das Finanzministerium in Ausschöpfung des erkennbaren Sachverhaltes eine (vertretbare) Ermessensentscheidung getroffen hat.

38

Soweit der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 17.02.2014 auf Seite 4 (Bl. 39 Rückseite der Gerichtsakte) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 90 LVwG nicht gewährt hat, wird gemäß § 117 Abs. 3 VwGO auf die zutreffenden Erwägungen Bezug genommen.

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

40

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 709 ZPO.

 

41

Beschluss

42

Der Wert des Streitgegenstandes wird für den Zeitpunkt der Klagerhebung auf 23.800,-- € festgesetzt und reduziert sich für die streitige Entscheidung auf 9.800,-- €.


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.