Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 19. Dez. 2018 - 1 B 123/18

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2018:1219.1B123.18.00
bei uns veröffentlicht am19.12.2018

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt

Gründe

1

Der am 29.10.2018 bei Gericht gestellte Antrag,

2

die Bereitstellung der in § 150 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG aufgeführten die neue Feldeinteilung nachweisende Karte zur Einsichtnahme bei der Gemeinde Owschlag einstweilen anzuordnen,

3

hat keinen Erfolg.

4

Der Antrag ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

5

Soweit die Antragstellerin die Einsichtnahme in die die neue Feldeinteilung nachweisende Karte im Sinne von § 150 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FlurbG für das Flurstück xxx, Flur xxxx der Gemarkung xxx sowie der Flurstücke xxx und xxx der Flur xxx Gemarkung xxx begehrt, ist der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die Antragstellerin kann keine rechtliche oder tatsächliche Besserstellung erreichen. Die Antragstellerin stützt ihren diesbezüglichen Anspruch auf § 150 Abs. 2 FlurbG. Danach kann jeder Beteiligte und jeder, der ein berechtigtes Interesse darlegt, die in § 150 Abs. 1 FlurbG aufgeführten Unterlagen einsehen. Dieser Anspruch richtet sich grundsätzlich gegen die aktenführende Behörde und kann auch noch nach Abschluss des Flurbereinigungsverfahrens geltend gemacht werden. Einsicht in die Unterlagen kann aber nur die Behörde gewähren, die die Unterlagen aufbewahrt. Der Anspruch auf Einsichtnahme kann nur realisiert werden, wenn die Unterlagen der in Anspruch genommenen Behörde vorliegen (Schwantag/Winterter, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2008, § 150 Rn. 2).

6

Der Antragsgegner hat den geltend gemachten Anspruch bereits im Verwaltungsverfahren erfüllt, soweit ihm das zur Einsicht begehrte Kartenmaterial vorliegt. So hat er mit Schreiben vom 18.04.2017 mitgeteilt, die Antragstellerin könne die bei ihm vorhandene Flurkarte zur Flurbereinigung A-Stadt, Maßstab 1:5000 während der allgemeinen Öffnungszeiten in der Verwaltungsstelle Ascheffel, einsehen (Bl. 4. d. Beiakte). Mit weiterem Schreiben vom 06.04.2018 übersandte er ihr sogar eine Abschrift dieser Karte (Bl. 20 d. Beiakte). Weitere Karten liegen bei dem Antragsgegner nicht vor. Dieser hat die Antragstellerin insoweit auf das Landesarchiv verwiesen (Bl. 26 d. Beiakte).

7

Im Übrigen, das heißt, soweit die Antragstellerin, wie sich aus dem Schriftsatz vom 24.10.2018 ergibt, begehrt, eine Zusicherung zu erteilen, dass die Karte bereitgehalten werde beziehungsweise, dass die bezeichnete Karte tatsächlich die von ihr bezeichneten Flurstücke betreffe, ist der der Antrag jedenfalls unbegründet.

8

Gemäß § 123 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VwGO, § 920 ZPO kann das Gericht auch schon vor Klagerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. In jedem Fall sind gemäß § 123 VwGO i.V.m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) und das geforderte Recht (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Voraussetzung für das Vorliegen eines Anordnungsanspruches in diesem Sinne ist es, dass überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen, das heißt eine in der Hauptsache erhobene Klage oder sonstiger Rechtsbehelf müsste zulässig und zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begründet sein. Voraussetzung für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist grundsätzlich, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.

9

Gemessen an diesen Vorgaben liegt eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor. Mit dem Antrag, der Antragsgegnerin aufzugeben, eine entsprechende Zusicherung zu erteilen, begehrt die Antragstellerin keine vorläufige Maßnahme, sondern eine Vorwegnahme der in einem künftigen Hauptsacheverfahren erstrebten Entscheidung. Einem solchen Antrag ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise stattzugeben, nämlich dann, wenn das Abwarten in der Hauptsache für die Antragsteller unzumutbar wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1999 – 11 VR 8/98 –, Rn. 5, juris). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.

10

Die Antragstellerin hat auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Eine spezialgesetzliche Rechtsgrundlage für die begehrte Zusicherung ist nicht ersichtlich. Ob und wann Ansprüche auf Erteilung von Zusicherungen bestehen, lässt sich auch § 108a LVwG nicht entnehmen, der sich auf die Normierung des Schriftformerfordernisses beschränkt. Die Entscheidung steht deshalb im Ermessen der Behörde, soweit das Fachrecht nichts anderes bestimmt. Anerkannt ist jedoch das Bestehen eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, wenn eine Zusicherung beantragt wird (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 38 Rn. 110-114a).

11

Ein Anordnungsanspruch liegt bereits deshalb nicht vor, weil Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Liegt dem geltend gemachten materiellen Anspruch eine Ermessensvorschrift zu Grunde, kann eine einstweilige Anordnung ohne weiteres bei einer Ermessensreduzierung auf Null erlassen werden. Nach noch h. M. bedarf es dieser Ermessensreduzierung aber auch, um die einstweilige Anordnung treffen zu können. Dies basiert auf der Annahme, dass im Eilverfahren nicht zugesprochen werden darf, was im Hauptsacheverfahren nicht erreichbar ist; außerdem wird anderenfalls die Hauptsacheentscheidung unzulässigerweise vorweggenommen (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Schoch VwGO § 123 Rn. 158, beck-online m.w.Nw.). Ein Anspruch kann aufgrund des in dieser Norm eingeräumten Ermessens nur bestehen, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, also aufgrund der konkreten Umstände des Falles nur eine einzige bestimmte Entscheidung in Betracht kommt (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 08. September 2017 – 11 B 33/17 –, Rn. 8, juris m. Verweis auf Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.04.2017 – 2 MB 3/17, Beschlussabdruck S. 3).

12

Unabhängig davon ist auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden. Es ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen, weshalb die Antragstellerin nicht die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens abwarten kann, um den geltend gemachten Anspruch durchzusetzen. Sie begründet die Eilbedürftigkeit allein mit dem Erfordernis „wesentliche Nachteile abzuwenden“. Es gebe Grund zu der Annahme dass die im Zuge der Flurbereinigung festgelegten Grenzen unrichtig in das Liegenschaftskataster übernommen worden seien. Die Folge sei ein Eigentumsverlust. Die zur Einsicht beantragte Karte weise die neue Feldeinteilung nach. Es wird aber weder ersichtlich, dass und durch wen der Antragstellerin der konkrete Verlust von Eigentumspositionen droht und aufgrund welcher unmittelbar bevorstehender Maßnahmen. Im Verwaltungsverfahren verfolgte die Antragstellerin ihr Begehren bereits seit März 2017, ohne dass es trotz dieser langen Verfahrensdauer offenbar zu konkreten Beeinträchtigungen ihres Eigentums gekommen ist. Jedenfalls ist dies nicht glaubhaft gemacht worden.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

14

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 935 Einstweilige Verfügung bezüglich Streitgegenstand


Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 936 Anwendung der Arrestvorschriften


Auf die Anordnung einstweiliger Verfügungen und das weitere Verfahren sind die Vorschriften über die Anordnung von Arresten und über das Arrestverfahren entsprechend anzuwenden, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enth

Flurbereinigungsgesetz - FlurbG | § 150


(1) Der Gemeinde oder ihrer Aufsichtsbehörde sind zur Aufbewahrung zu übersenden: 1. eine Ausfertigung der die neue Feldeinteilung nachweisenden Karte;2. ein Verzeichnis der neuen Grundstücke und der gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen mit Ka

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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 08. Sept. 2017 - 11 B 33/17

bei uns veröffentlicht am 08.09.2017

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 8.623,80 EUR festgesetzt. Gründe 1 Der Antrag, 2 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftig

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(1) Der Gemeinde oder ihrer Aufsichtsbehörde sind zur Aufbewahrung zu übersenden:

1.
eine Ausfertigung der die neue Feldeinteilung nachweisenden Karte;
2.
ein Verzeichnis der neuen Grundstücke und der gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen mit Kartenbezeichnung und Größe;
3.
eine Zusammenstellung der Bestimmungen des Flurbereinigungsplanes, die dauernd von allgemeiner Bedeutung und nicht in das Grundbuch oder in andere öffentliche Bücher übernommen sind;
4.
eine Abschrift der Schlußfeststellung.
Erstreckt sich das Flurbereinigungsgebiet auf mehrere Gemeinden, so bestimmt die Flurbereinigungsbehörde die Gemeinde.

(2) Jeder Beteiligte und jeder, der ein berechtigtes Interesse darlegt, kann die in Absatz 1 aufgeführten Unterlagen einsehen.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

Auf die Anordnung einstweiliger Verfügungen und das weitere Verfahren sind die Vorschriften über die Anordnung von Arresten und über das Arrestverfahren entsprechend anzuwenden, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 8.623,80 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag,

2

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verurteilen, an den Antragsteller monatlich 718,65 EUR zu zahlen,

3

ist, verstanden als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung, gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – zulässig aber unbegründet.

4

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 VwGO, § 920 Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. In jedem Fall sind gemäß § 123 VwGO i.V.m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund) und das geforderte Recht (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen. Zudem darf kein Fall einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache gegeben sein.

5

In Fällen – wie dem vorliegenden –, in denen es um die Wahrung der Würde des Menschen geht, verlangt Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. In einer solchen Konstellation sind die Gerichte, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Interessenabwägung, sondern an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren, gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Dabei müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen und haben eine Verletzung der Menschenwürde zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG, Kammerbeschluss vom 25.02.2009 – 1 BvR 120/09 m.w.N. – zitiert nach Juris). Daraus folgt, dass eine einstweilige Anordnung in entsprechenden Konstellationen zu erlassen wäre, wenn sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache jedenfalls als offen darstellten (Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.05.2016 – 2 MB 6/16, Rn. 4 – juris).

6

Das ist jedoch nicht der Fall. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten weitergehenden Beihilfeanspruch des Antragstellers kommt allein § 17 Abs. 2 Landesverordnung über die Gewährung von Beihilfen an Beamtinnen und Beamte in Schleswig Holstein (Beihilfeverordnung – BhVO) in Betracht, dessen Tatbestandsvoraussetzungen – im Unterschied zu dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren 11 A 302/15 – nunmehr bejaht worden sind. Ein unmittelbarer Anspruch aus den Regelungen der Beihilfeverordnung steht dem Antragsteller nicht zu (Urteil der Kammer vom 01.03.2017 – 11 A 302/15, Rn. 29 – juris). Gem. § 17 Abs. 2 BhVO kann die für das Beihilferecht zuständige oberste Landesbehörde – gemäß Absatz 3 für die Beihilfeberechtigten der Kreise die oberste Dienstbehörde – in besonders begründeten Fällen Ausnahmen von den Bestimmungen dieser Verordnung zulassen.

7

Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonderen Ausnahmefalls ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass den Anforderungen des durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Alimentationsgrundsatzes Rechnung getragen wird; die Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts erstreckt sich auch auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen.

8

Ein Anordnungsanspruch liegt bereits deshalb nicht vor, weil Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Liegt dem geltend gemachten materiellen Anspruch eine Ermessensvorschrift zu Grunde, kann eine einstweilige Anordnung ohne weiteres bei einer Ermessensreduzierung auf Null erlassen werden. Nach noch h. M. bedarf es dieser Ermessensreduzierung aber auch, um die einstweilige Anordnung treffen zu können. Dies basiert auf der Annahme, dass im Eilverfahren nicht zugesprochen werden darf, was im Hauptsacheverfahren nicht erreichbar ist; außerdem wird anderenfalls die Hauptsacheentscheidung unzulässigerweise vorweggenommen (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Schoch VwGO § 123 Rn. 158, beck-online m.w.Nw.). Ein Anspruch kann aufgrund des in dieser Norm eingeräumten Ermessens nur bestehen, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, also aufgrund der konkreten Umstände des Falles nur eine einzige bestimmte Entscheidung in Betracht kommt (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 06.04.2017 – 2 MB 3/17, Beschlussabdruck S. 3; Beschluss der Kammer vom 30.01.2017 – 11 B 2/17, Beschlussabdruck S. 4).

9

Es liegen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass – in der Hauptsache – die monatliche Zahlung in der beantragten Höhe von 718,65 EUR die allein ermessensfehlerfreie Entscheidung des Antragsgegners wäre. Wie der Dienstherr dem Fürsorgeprinzip Rechnung trägt, ist ihm im Rahmen der Ermessenausübung selbst überlassen. Von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt sind dabei eine Vielzahl möglicher Erwägungen, u.a. die entsprechende Heranziehung von § 12 c Abs. 2 BhVO in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null ergeben sich auch nicht aus dem Leitsatz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.01.2012 (2 C 24/10). Diese Entscheidung betrifft § 12 Abs. 5 der Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfenverordnung NRW), wonach der Beihilfebemessungssatz in besonderen Ausnahmefällen erhöht werden kann. Diese Erwägungen sind auf das weit gefasste normative Prüfprogramm von § 17 Abs. 2 BhVO, mit dem Ausnahmen von sämtlichen Bestimmungen der BhVO zugelassen werden, nicht übertragbar (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 01.03.2017 – 11 A 302/15, Rn. 42 – juris). Auch aus der Entscheidung der Kammer vom 01.03.2017 (Az.: 11 A 302/15) ergibt sich nichts anderes. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass daraus eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Höhe folgt. Denn der vom Antragsteller begehrte Betrag in Höhe von 718,65 EUR setzt sich zusammen, aus den Leistungen gem. § 12 Abs. 1 Wohngeldgesetz und den Regelbedarfsleistungen nach § 20 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Diese Beträge hat die Kammer im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 17 Abs. 2 BhVO herangezogen.

10

Mangels Ermessensreduzierung auf Null kommt es auch nicht darauf an, dass vorliegend die unzuständige Behörde das Ermessen ausgeübt hat. Im Rahmen des noch nicht abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens wird zu beachten sein, dass gemäß § 17 Abs. 3 BhVO für Beihilfeberechtigte der Kreise in den Fällen des Absatzes 2 an die Stelle der obersten Landesbehörde die oberste Dienstbehörde tritt. Dies ist gem. § 51 Abs. 1 Satz 3 KrO die Landrätin oder der Landrat. Gem. § 2 Abs. 6 Satz 2 Gesetz über die Versorgungsausgleichskasse der Kommunalverbände in Schleswig-Holstein trifft die Versorgungsausgleichskasse im Namen des Mitglieds die notwendigen Entscheidungen und vertritt das Mitglied in Rechtsstreitigkeiten.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 3 GKG i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 BhVO, wonach die errechnete Beihilfe je Kalenderjahr, in dem die Aufwendungen entstanden sind (§ 8 Abs. 1), um die darin im Folgenden geregelten Selbstbehalte gekürzt wird. Der in dieser Vorschrift genannte Jahreszeitraum gibt auch den Maßstab für die hier anzunehmende Härteregelung des § 17 Abs. 2 BhVO vor.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.