Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 25. Okt. 2017 - 1 B 189/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:1025.1B189.17.00
bei uns veröffentlicht am25.10.2017

Tenor

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist nicht zulässig.

2

Eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gegen die dem Beigeladenen erteilte Waldumwandlungsgenehmigung vom 1. August 2016 kommt gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift gelten die Vorschriften über die einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1-3 VwGO nicht für die Fälle der §§ 80 und 80 a VwGO, also insbesondere nicht für die Anfechtung von Verwaltungsakten, soweit es um die vorläufige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts geht. Denn gegen den gegenüber dem Beigeladenen erlassenen Bescheid vom 1. August 2016 wäre allenfalls ein Widerspruch nach § 80 Abs. 1 VwGO die richtige Rechtsschutzform und sollte sich die Behörde weigern, eine aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 1 VwGO anzuerkennen, käme ein gerichtlicher Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs analog § 80 Abs. 5 VwGO in Betracht.

3

Der Antragsteller hat allerdings selbst gar nicht vorgetragen, dass er für die Gemeinde E-Stadt Widerspruch bei dem Antragsgegner gegen die Waldumwandlungsgenehmigung vom 1. August 2016 eingelegt hat. Nach §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO ist für das gerichtliche Verständnis eines Antrags allerdings das inhaltliche Klage- bzw. Antragsbegehren maßgeblich und nicht zwangsläufig allein der formulierte Antrag, auch wenn letzterer regelmäßig ein erhebliches Moment zur Bestimmung des Begehrens ist. Nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes als Auslegungshilfe ist im Zweifel zugunsten des Rechtsschutzsuchenden anzunehmen, dass er den in der Sache in Betracht kommenden Rechtsbehelf einlegen wollte, wobei Voraussetzung ist, dass dies dem erkennbaren Rechtsschutzziel entspricht und die entsprechende Auslegung vom Rechtsschutzsuchenden nicht bewusst ausgeschlossen wurde (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2001 – 8 C 17/01 –, BVerwGE 115, 302-312, Rn. 40).

4

Selbst wenn die Kammer danach davon ausgeht, dass ein Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 1. August 2016 gestellt werden sollte und unterstellt wird, dass ein Widerspruch bei dem Antragsgegner erhoben worden ist, wäre ein so verstandener Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid vom 1. August 2016 – unabhängig von der Frage, ob ein Widerspruch für die Gemeinde über ein Jahr nach Erlass des Bescheides vom 1. August 2016, über den seinerzeit in der Lokalpresse ausführlich berichtet wurde, überhaupt noch zulässig wäre – bereits aus dem Grunde unzulässig, da es der Gemeinde E-Stadt, für die der Antragsteller handelt, insoweit an einer Antragsbefugnis mangelt.

5

Einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs kann ebenso wie einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs nur stellen, wer antragsbefugt ist. Der Antragsteller erstrebt die Aufhebung der gegenüber dem Beigeladenen erteilten Waldumwandlungsgenehmigung. Im Verfahren der Hauptsache wäre demnach eine Anfechtungsklage statthaft, für die die Regelungen der Klagebefugnis in § 42 Abs. 2 VwGO, wonach die Klage nur zulässig ist, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein, gelten. Nach § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO zielen Klage- und Antragsverfahren auf die Geltendmachung von Individualrechtsschutz. Eilrechtsschutz kann nur beanspruchen, wer im Verfahren der Hauptsache klagebefugt wäre. Dies ist bei der Gemeinde E-Stadt, für die der Antragsteller handelt, nicht der Fall.

6

Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass für die rechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs die Anwendung von Rechtsvorschriften in Betracht kommt, die zumindest auch dem Schutz der Interessen von Personen in der rechtlichen Situation, in der sich der Antragsteller befindet, zu dienen bestimmt sind und zumindest die konkrete Möglichkeit besteht, dass angesichts der zur Begründung vorgetragenen oder sonst in Betracht kommenden Tatsachen Rechte des Antragstellers verletzt werden. Eine Gemeinde ist im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht befugt, als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger, wie Lärmschutzinteressen oder den Schutz vor visuellen Beeinträchtigungen, geltend zu machen oder die Unvereinbarkeit des Vorhabens mit den Belangen von Natur und Landschaft gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies gilt auch für eine einem Dritten erteilte Waldumwandlungsgenehmigung. Ein Klagerecht und damit Antragsrecht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren steht ihr nur im Hinblick auf ihre eigenen Rechte und schutzwürdigen Belange zu. Die gemeindliche Planungshoheit vermittelt nach ständiger Rechtsprechung eine wehrfähige Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen und Maßnahmen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört oder wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen erheblich beeinträchtigt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 9 VR 6.03 - juris Rn. 17 und Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 – 9 A 8/15 –, Rn. 14, juris). Abwehransprüche können der Gemeinde aus dem in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallenden so genannten Selbstgestaltungsrecht dann erwachsen, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2012 – 9 A 35/10 –, Rn. 36, juris). Die Planungshoheit umfasst damit das Recht der Gemeinde, das örtliche Gepräge und die örtlichen Strukturen jedenfalls im Kern selbst zu bestimmen und grundlegende Veränderungen insoweit abzulehnen. Sie schützt die Gemeinde vor planerischen Maßnahmen, die die bestehenden Planungen oder hinreichend konkreten planerische Vorstellungen derselben nachhaltig beeinträchtigen oder unabhängig davon jedenfalls unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art für die klagende Gemeinde haben (Urteil der Kammer vom 04. Juli 2017 – 1 A 6/16 –, Rn. 63, juris).

7

Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass durch die beabsichtigte Waldumwandlung nachhaltig bestimmte Planungen der Gemeinde gestört werden oder dass wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung dadurch entzogen würden. Es ist auch weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die nur etwa 2 ha der Gemeindefläche betreffende Maßnahme der Waldumwandlung nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken könnte; dazu ist der betroffene Bereich erheblich zu klein. Es ist auch nicht erkennbar, dass die für eine Waldumwandlung maßgebende Vorschrift des § 9 Landeswaldgesetz (LWaldG) im vorliegenden Zusammenhang andere subjektive Rechte für die Gemeinde begründen könnte. Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 LWaldG ist die Umwandlungsgenehmigung zu versagen, wenn die Erhaltung des Waldes im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Dies zeigt, dass durch eine Waldumwandlungsgenehmigung in aller Regel nicht Rechte Dritter berührt werden, etwas anderes könnte möglicherweise bei einer Gefährdung benachbarten Waldes (§ 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 LWaldG) gelten. Die neue Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 3 LWaldG, wonach die Umwandlung von Wald zur Errichtung von Windenergieanlagen mit einer Höhe von mehr als 10 m unzulässig ist, betont dasöffentliche Interesse an der Walderhaltung gegenüber einem Interesse an der Errichtung von Windenergieanlagen, begründet jedoch keine subjektiven Rechte Dritter oder der Gemeinde.

8

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist auch im Übrigen unzulässig. Der Antragsteller hat wörtlich im einstweiligen Anordnungsverfahren die Aufhebung des Bescheides vom 1. August 2017 (gemeint ist der 1. August 2016) in Gestalt des Widerspruchsbescheides beantragt. Es gibt jedoch gegenüber dem Bescheid vom 1. August 2016 keinen gegenüber dem Beigeladenen erlassenen Widerspruchsbescheid. Der erlassenen Widerspruchsbescheid betrifft ein anderes Verwaltungsverfahren, nämlich ein Verfahren auf Rücknahme der Waldumwandlungsgenehmigung nach § 116 LVwG. Soweit der Antragsteller insoweit eine Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erstreben sollte, die Waldumwandlungsgenehmigung in vollem Umfang zurückzunehmen, wäre dieser Antrag ebenfalls unzulässig. Die Zulässigkeit eines entsprechenden gerichtlichen Antrages setzt grundsätzlich einen vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme der von der Behörde geforderten Handlung, hier eines Verwaltungsakts, voraus, da es wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit der Sache zu befassen (BVerwG, Urteil vom 31. August 1995 – 5 C 11.94 – BVerwGE 99, 158,160 und vom 28. November 2007 – 6 C 42/06 – BVerwGE 130, 39, 46). Liegt kein gegenüber der Behörde gestellter Antrag vor, so fehlt es an einer Sachurteilsvoraussetzung; dies gilt sowohl für das Klageverfahren als auch für das vorläufige Rechtsschutzverfahren. Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass er zuvor bei dem Antragsgegner einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Im Übrigen mangelt es jedoch auch im einstweiligen Anordnungsverfahren an der erforderlichen Antragsbefugnis, da die Gemeinde nicht geltend machen kann, durch eine unterlassene (vollständige) Rücknahme der Waldumwandlungsgenehmigung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht hat aus Gründen der Billigkeit davon abgesehen, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da der Antrag wegen der besonderen Eilbedürftigkeit ohne Anhörung des Beigeladenen abgelehnt worden ist und er deshalb keinen eigenen Antrag stellen und damit auch das Risiko einer Kostenpflicht nach § 154 Abs. 3 VwGO nicht eingehen konnte.

10

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 2, 52 Abs. 2 GKG.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 122


(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 28


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

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Tatbestand 1 Die Klägerin ist eine Gemeinde mit ca. 1 700 Einwohnern im Süden von Glückstadt. Sie wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Dezember 2014

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) §§ 88, 108 Abs. 1 Satz 1, §§ 118, 119 und 120 gelten entsprechend für Beschlüsse.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Gemeinde mit ca. 1 700 Einwohnern im Süden von Glückstadt. Sie wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 30. Dezember 2014 für den Neubau der A 20 Nord-West-Umfahrung Hamburg im Abschnitt von der Landesgrenze Niedersachsen/Schleswig-Holstein bis B 431.

2

Der planfestgestellte Abschnitt ist Teil der in acht Streckenabschnitte gegliederten "Nord-West-Umfahrung Hamburg", die im Osten beim Autobahnkreuz Lübeck an das fertiggestellte Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 10 (Neubau der Ostseeautobahn zwischen Lübeck und Stettin) anknüpft und im achten Streckenabschnitt zwischen Glückstadt und Drochtersen die Elbe mit einem insgesamt 5,671 km langen Tunnelbauwerk unterqueren soll. Für die Planfeststellung wurde der achte Streckenabschnitt an der Grenze zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein in der Mitte der Elbe in zwei selbständige Planfeststellungsverfahren aufgeteilt. Sämtliche Abschnitte der Nord-West-Umfahrung Hamburg sind im Bedarfsplan in der Stufe des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen. Darüber hinaus sind sie Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V).

3

Das planfestgestellte Vorhaben weist eine Gesamtlänge von 3,99 km auf. Die Länge des in der Mitte der Elbe beginnenden Tunnelabschnitts beträgt ca. 1,8 km. In Fahrtrichtung Drochtersen weist die Nordrampe (Weströhre) über ca. 1 330 m eine Längsneigung von knapp 4 % auf. Das Tunnelportal liegt südlich von Glückstadt und östlich der Ortslage Kollmar in etwa 400 m Entfernung vom Elbdeich. Die Trasse quert im weiteren Verlauf die Langenhalsener Wettern mit einer 4,5 m hohen und 34,5 m weiten Brücke und endet in Dammlage in der Nähe der Bundesstraße 431, ohne jedoch an diese anzubinden. Die Trassenwahl folgt der Linienbestimmung des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 28. Juli 2005. Östlich der Trasse liegt das FFH-Gebiet "DE 2222-321 Wetternsystem in der Kollmarer Marsch". Der Mindestabstand der Trasse zu diesem aus Gewässer- und Grabensystemen in der Elbmarsch bestehenden Schutzgebiet beträgt ca. 500 m. Schutzziel der Gebietsausweisung ist die in Anhang II der FFH-Richtlinie aufgeführte Fischart "Schlammpeitzger". Westlich des ausgewiesenen FFH-Gebietes schneidet die Trasse das dort gelegene Erweiterungsgebiet A (P 2222-322), welches vom Beklagten vorsorglich einer Verträglichkeitsprüfung unterzogen worden ist. Der gesamte schleswig-holsteinische Abschnitt der Elbe von der Mündung bis zur Unterelbe bei Wedel ist Teil des FFH-Gebietes "DE 2323-392 Schleswig-Holsteinisches Elbästuar". Im Bereich des Vorhabens liegt der Teilraum 2 des Schutzgebietes "Elbe mit Deichvorland und Inseln" mit zwei nicht prioritären Lebensraumtypen sowie einer Reihe geschützter Fischarten. Etwa 500 m vom Tunnelportal entfernt befindet sich außendeichs das Vogelschutzgebiet "DE 2323-401 Unterelbe bis Wedel".

4

Die Linie für den streitgegenständlichen Abschnitt wurde unter der Bezeichnung "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)" bestimmt. Für diesen Abschnitt fand eine großräumige Variantenprüfung zur Linienfindung statt. Die Unterlagen (Untersuchung zur Linienfindung von Oktober 2002) wurden vom 6. Januar 2003 bis 6. Februar 2003 öffentlich ausgelegt. Ab Oktober 2004 wurde das Linienbestimmungsverfahren mit dem zunächst separat davon geführten Linienbestimmungsverfahren für den Raum Bad Segeberg gemeinsam fortgeführt. Im November 2004 stellten die Länder Schleswig-Holstein und Niedersachsen beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen unter Vorlage eines gemeinsamen Erläuterungsberichts den formellen Antrag nach § 16 FStrG auf Bestimmung der Linie für die "A 20, Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt A 26 (Niedersachsen) bis Weede, östlich Bad Segeberg (Schleswig-Holstein)". Der Antrag, der letztlich zur Linienbestimmung führte, umfasste eine Strecke mit einer Gesamtlänge von ca. 95 km.

5

Die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein schlossen im Oktober 2005 eine Verwaltungsvereinbarung über die Elbquerung einschließlich Elbtunnel. Darin werden die Zuständigkeiten und die Kostenverteilung für die Planung geregelt. Gemäß § 2 Abs. 5 Satz 2 der Vereinbarung wird die Planfeststellung separat in Eigenverantwortung der beiden Länder durchgeführt.

6

Die vom Vorhabenträger zur Planfeststellung eingereichten Unterlagen lagen nach vorangegangener ortsüblicher Bekanntmachung in der Zeit vom 25. Mai 2009 bis zum 25. Juni 2009 in den Amtsverwaltungen Horst-Herzhorn, Wilstermarsch und Krempermarsch aus. Nach Durchführung des Anhörungsverfahrens wurde der Plan im Dezember 2012 und im September 2014 geändert. Die Änderungsunterlagen der ersten Planänderung lagen erneut in den vorgenannten Verwaltungen sowie zusätzlich in Glückstadt und Elmshorn, diejenigen der zweiten Änderung nur zusätzlich in Glückstadt aus.

7

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2014 stellte der Beklagte den Plan für den Neubau der A 20 Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt von der Landesgrenze Niedersachsen/Schleswig-Holstein bis B 431 fest. Im Laufe der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Plan durch mehrere Protokollerklärungen geändert. In der geänderten Fassung darf das Vorhaben erst verwirklicht werden, "wenn für den südwestlichen anschließenden Abschnitt auf niedersächsischem Gebiet und einen sich daran anschließenden Abschnitt, der die Anbindung an das Straßennetz sicherstellt", sowie für den in nordöstlicher Richtung auf schleswig-holsteinischem Gebiet anschließenden Planungsabschnitt 7 (A 20 - Abschnitt B 431 bis A 23) vollziehbare Planfeststellungsbeschlüsse vorliegen und gegen deren Vollziehbarkeit keine Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestellt oder entsprechende Anträge im gerichtlichen Verfahren zurückgewiesen worden sind. Hinsichtlich der Tunnelsicherheit enthält der Planfeststellungsbeschluss zahlreiche Nebenbestimmungen, die in einer Reihe von Punkten in der mündlichen Verhandlung ergänzt und präzisiert wurden. Der Beklagte hat außerdem durch eine Planänderung die Zahl der befahrbaren Querschläge zwischen den Tunnelröhren erhöht. Die Verkehrsfreigabe darf nur erfolgen, wenn die Umsetzung der zur Erreichung des Sicherheitsniveaus erforderlichen Maßnahmen gegenüber der Planfeststellungsbehörde nachgewiesen worden ist; es ist vom Vorhabenträger mitzuteilen, ob sich neue Erkenntnisse zur Erforderlichkeit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage ergeben haben und gegebenenfalls eine solche Anlage nachzurüsten. Hinsichtlich des FFH-Gebietes "DE 2222-321 Wetternsystem in der Kollmarer Marsch" einschließlich der Erweiterungskulisse "P 2222-322" und des FFH-Gebietes "DE 2323-392 Schleswig-Holsteinisches Elbästuar" sowie des Vogelschutzgebietes "DE 2323-401 Unterelbe bis Wedel" verneint der Planfeststellungsbeschluss erhebliche Beeinträchtigungen. In Bezug auf den Artenschutz kommt er zu dem Ergebnis, dass durch die vorgesehenen Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen sowie die vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen keine Verbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklicht und keine Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderlich werden. Im Laufe des Gerichtsverfahrens hat der Beklagte einen Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Bewirtschaftungszielen nach §§ 27, 44 und 47 WHG vorgelegt. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass durch das Vorhaben keine Verschlechterungen des ökologischen Potentials und des hydromorphologischen sowie des chemischen Zustandes der Elbe zu erwarten seien und das Vorhaben auch dem Verbesserungsgebot sowie dem Trendumkehrgebot nicht entgegenstehe.

8

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage. Sie macht im Wesentlichen geltend, durch die Trasse würden wesentliche Teile des Gemeindegebietes ihrem planerischen Zugriff entzogen und das Gemeindegebiet werde vollständig entwertet. Wegen der erheblichen Lärm- und Erschütterungsbelastungen insbesondere durch den Abtransport der Erdmassen hätten für die mehrjährige Bauphase Schutzregelungen im Planfeststellungsbeschluss getroffen werden müssen. Die Aufgaben des abwehrenden Brandschutzes, die durch den Tunnelbau auf sie zukämen, könne sie nicht sicherstellen. Es sei unzulässig, der Gemeinde, die keinen Antrag auf Errichtung einer Werkfeuerwehr stellen und keinen finanziellen Ersatz beim Vorhabenträger verlangen könne, die Verantwortung für die Tunnelsicherheit zu übertragen. Die freiwilligen Feuerwehrkräfte seien personell nicht erweiterbar und mit der Tunnelrettung überfordert. Die Verweigerung einer finanziellen Zuwendung durch den Vorhabenträger für die zukünftigen Unterhaltslasten der Baustraßen sei rechtswidrig. Die neuen Wirtschaftswege BWV-Nr. 15 und BWV-Nr. 27 seien mit 6 m Breite für den gemeindlichen Bedarf überdimensioniert, während bei der Bemessung der Breite anderer Wege nicht berücksichtigt worden sei, dass nach den einschlägigen Förderprogrammen eine Mindestbreite von 3,5 m einzuhalten sei.

9

Im Übrigen macht sich die Klägerin das Vorbringen des Klägers in dem Verfahren 9 A 9.15 zu eigen. Dieser hält den Planfeststellungsbeschluss noch aus folgenden weiteren Gründen für rechtswidrig:

"Die Abgrenzung des Auslegungsgebietes und die Auslegungsbekanntmachung seien fehlerhaft und die ausgelegten Unterlagen unvollständig gewesen. Hinsichtlich des während des Prozesses erstellten wasserrechtlichen Fachbeitrags fehle es an der erforderlichen Öffentlichkeitsbeteiligung. Es sei unzulässig, das einheitliche Vorhaben 'Elbquerung' in zwei Tunnelabschnitte aufzuteilen und die Umweltverträglichkeitsprüfung auf den schleswig-holsteinischen Tunnelteil zu begrenzen. Die zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein geschlossene Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit bei der Planung der Elbquerung habe gegen die Landesverfassung und das Landesverwaltungsgesetz verstoßen. Die Linienbestimmungsunterlagen seien unvollständig bekannt gemacht worden und die Variantenauswahl sei in diesem Verfahren fehlerhaft gewesen. Für das Vorhaben fehle es an der Planrechtfertigung, insbesondere seien weder die vorgesehene Privatfinanzierung des Tunnels noch eine klassische Finanzierung durch den Bund gesichert. Die Sicherheit des Tunnelbauwerks entspreche nicht den Vorgaben der EU-Tunnelsicherheitsrichtlinie, die ihrerseits nicht ordnungsgemäß in das deutsche Recht umgesetzt worden sei. Die erforderliche Risikoanalyse hinsichtlich der Brandsicherheit sei nicht methodengerecht durchgeführt und es sei zu Unrecht von der Anordnung einer Tunnelfeuerwehr und einer automatischen Brandbekämpfungsanlage abgesehen worden. In naturschutzrechtlicher Hinsicht sei im Bereich des Tunnelportals ein faktisches Vogelschutzgebiet mit der Leitart Nonnengans nicht berücksichtigt worden. Die Abgrenzung des FFH-Gebietes 'Wetternsystem in der Kollmarer Marsch' sei räumlich falsch und bezüglich der geschützten Arten unzureichend. Das vom Beklagten eingeholte Fledermausgutachten habe wegen unzureichender Erfassungsmethoden das relevante Fledermausspektrum nicht richtig erfassen können und ein unzulängliches Schutzkonzept entwickelt. Der im gerichtlichen Verfahren nachgereichte Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie hätte Bestandteil der Umweltverträglichkeitsprüfung sein müssen und weise sowohl in methodischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Datenquellen Fehler auf."

10

Die Klägerin beantragt,

1. den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau der A 20 (Nord-West-Umfahrung Hamburg, Abschnitt von der Landesgrenze Niedersachsen/Schleswig-Holstein bis B 431) vom 30. Dezember 2014 in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung vom 11. bis 13. April 2016 erklärten Ergänzungen aufzuheben,

2. hilfsweise,

a) den Planfeststellungsbeschluss um die Auflage zu ergänzen, dass die Bau(massen)transporte ausschließlich über die Trasse der A 20, Abschnitt B 431 - A 23 durchgeführt werden, wobei zugleich die aufschiebende Bedingung aufzunehmen ist, dass mit dem Bau im vorliegenden Abschnitt erst dann begonnen werden darf, wenn der Abschnitt A 20, B 431 - A 23, so weit hergestellt ist, dass der Bau(massen)transport, insbesondere des Tunnelaushubs, über diese Route erfolgen kann, oder per Schiff über die Elbe durchzuführen sind;

b) den Planfeststellungsbeschluss um die Auflage zu ergänzen, dass das Tunnelbauwerk mit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage (ABBA) auszurüsten ist,

c) den Planfeststellungsbeschluss um die Auflage zu ergänzen, dass eine von einer für die Erfüllung der Aufgaben nach § 6 Abs. 1 Brandschutzgesetz hinreichenden Anzahl von hauptamtlichen Kräften mit der erforderlichen Ausrüstung durchgehend besetzte Feuerwehr-Tunnelwache einzurichten ist, wobei zugleich anzuordnen ist, dass die Klägerin hierfür von Kosten freizuhalten ist,

3. ebenso hilfsweise,

den Planfeststellungsbeschluss insoweit zu ändern, als dieser die Übertragung des Eigentums an dem und die Unterhaltungslast für das Bauwerk BW 15 der Klägerin auferlegt.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte hält die Klägerin nur im Hinblick auf ihr durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG geschütztes Selbstverwaltungsrecht für klagebefugt und tritt dem Vorbringen im Einzelnen entgegen.

Entscheidungsgründe

13

A. Die Klage ist zulässig.

14

Eine Gemeinde ist im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht befugt, als Sachwalterin von Rechten Dritter bzw. des Gemeinwohls Belange ihrer Bürger, wie Lärmschutzinteressen oder den Schutz vor visuellen Beeinträchtigungen, geltend zu machen oder die Unvereinbarkeit des Vorhabens mit den Belangen von Natur und Landschaft gerichtlich überprüfen zu lassen. Das Klagerecht steht ihr aber im Hinblick auf ihre eigenen Rechte und schutzwürdigen Belange zu. Die gemeindliche Planungshoheit vermittelt nach ständiger Rechtsprechung eine wehrfähige, in die Abwägung nach § 17 Satz 2 FStrG einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört oder wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen - bspw. die Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Feuerwehr - erheblich beeinträchtigt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 9 VR 6.03 - juris Rn. 17 und Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 9.12 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 19).

15

Gemessen hieran erscheint es nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass der Klägerin die Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgabe, eine leistungsfähige Feuerwehr zu unterhalten (§ 2 des schleswig-holsteinischen Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistungen der Feuerwehren vom 10. Februar 1996 ), durch den Tunnel wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2013 - 9 A 13.12 - juris Rn. 14).

16

B. Die Klage ist nicht begründet.

17

1. Der Planfeststellungsbeschluss ist auf der Grundlage zweier Untersuchungen zur Bewertung der Möglichkeiten und Grenzen eines Feuerwehreinsatzes im Tunnelbauwerk durch das Gutachterbüro D. vom 8. Juni 2009 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Übertragung der Rettung und Brandbekämpfung auf die umliegenden Freiwilligen Feuerwehren mit der entsprechenden technischen Ausstattung sowie mit Ausbildung und Training für Tunnelbrände möglich sei. Für Schleswig-Holstein geht der Planfeststellungsbeschluss (S. 241) davon aus, dass hauptamtliche Kräfte für den Ersteinsatz vorgesehen werden. Die Organisation und Durchführung des abwehrenden Brandschutzes obliege dem Land, das zusammen mit den betroffenen Kreisen und Gemeinden ein entsprechendes Sicherheitskonzept zu erarbeiten und den Brandschutz sicherzustellen habe.

18

In seiner am 12. April 2016 in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebenen Erklärung hat das Land Schleswig-Holstein nicht nur (deklaratorisch) seine gesetzlich ohnehin bestehende Verpflichtung nach dem schleswig-holsteinischen Brandschutzgesetz zur Unterstützung der Klägerin und des Kreises S. bekräftigt, sondern sich darüber hinaus ausdrücklich verpflichtet, hauptamtliche Wachabteilungen für die Elbquerung zu schaffen und hierfür finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Auch wenn damit noch nicht über die Höhe der finanziellen Mittel, die das Land zur Verfügung stellen wird, entschieden ist, steht durch diese Erklärung fest, dass hauptamtliche Wachabteilungen der Feuerwehren mit der hierfür erforderlichen finanziellen Hilfe des Landes eingerichtet werden. Durch die Ergänzung der Nebenbestimmung 2.1.2.4 um eine Ziffer 5, durch die die Verkehrsfreigabe von der Vorlage eines die Sicherstellung des abwehrenden Brandschutzes belegenden Sicherheitskonzepts abhängig gemacht wird, wird die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtung vor der Inbetriebnahme des Tunnelbauwerks gewährleistet. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob auch ohne derartige Erklärungen die Planfeststellungsbehörde im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses von der Sicherstellung des abwehrenden Brandschutzes für das Tunnelbauwerk durch die Freiwilligen Feuerwehren der Klägerin und des Kreises S. ausgehen durfte und ob der Klägerin hierdurch die Erfüllung der ihr nach § 2 BrSchG SH obliegenden Selbstverwaltungsaufgabe, den örtlichen Brandschutz zu gewährleisten, wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht worden wäre. Denn durch die abgegebenen Erklärungen ist der von der Klägerin geltend gemachten Forderung nach Errichtung einer mit hauptamtlichen Feuerwehrkräften besetzten "Tunnelwache" und finanzieller Unterstützung in der Sache Rechnung getragen worden. Ein darüber hinaus gehender Anspruch, dies durch eine an den Vorhabenträger gerichtete Auflage zu regeln, steht der Klägerin ebenso wenig zu wie der Anspruch, von allem Mehraufwand freigestellt zu werden, der ihr durch den Planfeststellungsbeschluss bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß § 2 BrSchG SH entsteht. Finanziellen Mehrbelastungen, die durch eine neu errichtete Straße verursacht werden, ist allenfalls im Rahmen des Finanzausgleichs, nicht jedoch im Rahmen der Planfeststellung Rechnung zu tragen.

19

2. Ohne Erfolg bleibt auch der auf die Errichtung einer automatischen Brandbekämpfungsanlage gerichtete Hilfsantrag der Klägerin. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen von der Rügebefugnis der Klägerin umfasst ist. Die Planfeststellungsbehörde hat abwägungsfehlerfrei von der Anordnung einer solchen Anlage abgesehen. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tag in dem Verfahren 9 A 9.15 ausgeführt:

"Weder die Tunnelrichtlinie noch die im Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses geltende RABT 2006 schreiben den Einsatz einer automatischen Brandbekämpfungsanlage vor. Beide Regelwerke verwenden den Begriff nicht. Auch der Entwurf der für 2016 geplanten Neufassung der RABT sieht die automatische (stationäre) Brandbekämpfungsanlage nicht als Regelausstattung eines Tunnels vor, sondern nur in Ausnahmefällen als eine Option, wenn durch eine Verstärkung der zwingend vorgeschriebenen Ausstattungsmerkmale keine ausreichende Sicherheit erreicht wird oder diese Maßnahmen wirtschaftlich nicht vertretbar sind. Der Beklagte war daher nicht verpflichtet, eine automatische Brandbekämpfungsanlage vorzusehen, sondern hatte über den Einsatz einer solchen Anlage im Rahmen der auf der Grundlage der Risikoanalyse vorzunehmenden Prüfung, ob zur Gewährleistung der Sicherheit des Tunnels zusätzliche Maßnahmen oder weitere Ausrüstungen notwendig sind, zu entscheiden. Diese Entscheidung hält einer Überprüfung stand.

In den Untersuchungen durch das Gutachterbüro D. vom 8. Juni 2009 wird zwar eine automatische Brandbekämpfungsanlage als wirksame Alternative zu einer Werkfeuerwehr vorgeschlagen. Die im Mai 2010 erstellte zusätzliche Untersuchung zur Wirksamkeit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage (Zusatzbericht zur Risikoanalyse) kommt aber bezogen auf den darin allein untersuchten Personenschutz zu dem Ergebnis, dass eine solche Anlage zusätzlich zur Rauchabsaugung zwar das Sicherheitsniveau beider Röhren über das der Mindestanforderungen der RABT 2006 hebe. Hinsichtlich der Selbstrettungsmöglichkeiten sei durch das zusätzliche Aktivieren einer automatischen Brandbekämpfungsanlage im Vergleich zur reinen Rauchabsaugung nur eine geringfügige Verbesserung zu erwarten, weshalb wegen der mit deren Installation verbundenen hohen Zusatzkosten einer verkürzten Detektionszeit der Vorzug zu geben sei.

Gestützt hierauf lehnt der Planfeststellungsbeschluss die automatische Brandbekämpfungsanlage ab. Der Baulastträger sei nicht verpflichtet, den bestmöglichen oder optimalen Standard zu gewährleisten. Das gelte auch dann, wenn dieser Standard die Arbeit der Feuerwehren erleichtere. Gleichzeitig hat der Planfeststellungsbeschluss dem Vorhabenträger in der Nebenbestimmung 2.1.2.4 unter Ziffer 2 jedoch aufgegeben, vor Inbetriebnahme des Tunnels den Stand der Technik darauf zu prüfen, ob sich abweichende Erkenntnisse zur Erforderlichkeit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage ergeben haben; gegebenenfalls ist der Vorhabenträger auf seine Kosten zur Nachrüstung verpflichtet.

Die mündliche Verhandlung hat diese Entscheidung der Planfeststellungsbehörde als vertretbar bestätigt.

Der Gutachter des Beklagten, Bal., hat den Einbau einer automatischen Brandbekämpfungsanlage für einen 100 % wirksamen Bautenschutz als sinnvoll bezeichnet und einer solchen Anlage auch für die Selbstrettung einen positiven Wert beigemessen, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass es diesbezüglich auch negative Auswirkungen gebe. So werde die zunächst stabile Schichtung des Rauchs zerstört, wodurch die Selbstrettung behindert werde. Es sei noch nicht hinreichend erforscht, welche Auswirkungen ein Schaum- oder Wasserregen auf das Rettungsverhalten der Betroffenen und die Sichtverhältnisse habe. Durch das Versprühen von Schaum oder Wasser bestehe jedenfalls die Gefahr, dass Autofahrer nicht mehr aus ihrem Fahrzeug ausstiegen. Im Einwirkungsbereich einer automatischen Brandbekämpfungsanlage werde man als Fußgänger 'klatschnass'. Hinzu komme, dass die automatische Brandbekämpfungsanlage nicht sofort einsatzbereit sei. Es müsse erst der notwendige Wasservorrat und Wasserdruck an der Einsatzstelle aufgebaut werden, weshalb die Anlage erst ca. zwei Minuten nach der Detektion des Brandes wirksam werde und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die Selbstrettung im kritischen Bereich abgeschlossen sei. Für mobilitätseingeschränkte Personen könne die automatische Brandbekämpfungsanlage neben Vorteilen auch Nachteile mit sich bringen, eine genaue Abschätzung sei schwer möglich. In der Selbstrettungsphase könne und müsse man auch auf die allgemeine und strafbewehrte Hilfspflicht der anderen Verkehrsteilnehmer bauen.

Diese Ausführungen sind durch den Gutachter Bas. nicht grundsätzlich in Frage gestellt worden. Der Gutachter hat die hohe Wirksamkeit der Anlage betont und kritisiert, dass die Kostenwirksamkeit der automatischen Brandbekämpfungsanlage wegen der Nichtberücksichtigung der Korrekturfaktoren bei der Berechnung der Initialereignisse nicht zutreffend bewertet worden sei. Bei richtiger Berechnung wäre man für die Oströhre statt auf ein Kostenwirksamkeitsverhältnis von 1,3 in die Nähe von 1,0 oder darunter und auch für die Weströhre zu einem niedrigeren Wert als 4,2 gekommen. Dies hätte Anlass für eine vertiefte Prüfung gegeben. Dem ist der Gutachter des Beklagten überzeugend mit dem Hinweis entgegengetreten, angesichts der sehr viel höheren Kostenwirksamkeit der planfestgestellten Maßnahmen sei es unerheblich, ob man für eine automatische Brandbekämpfungsanlage auf eine Kostenwirksamkeitsrelation von 1,3 oder 1,0 oder 0,9 komme. Dann jedenfalls lägen die Werte ganz erheblich über den Werten, die durch die planfestgestellten Maßnahmen erreicht würden.

Der Einbau einer automatischen Brandbekämpfungsanlage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Bautenschutzes erforderlich. Zwar wird unter diesem Gesichtspunkt die Installation einer automatischen Brandbekämpfungsanlage in den erwähnten Berichten der D. empfohlen. In der mündlichen Verhandlung wurde vom Gutachter Bal. allerdings überzeugend erklärt, dass die Annahme einer Vollbrandphase von 55 Minuten auch bei großen Bränden dem tatsächlichen Brandgeschehen entspreche und bei der Verwendung der vorgesehenen Brandschutzplatten gemäß den Anforderungen der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten (ZTV-ING) Teil 5 - Tunnelbau - der Tunnel diese verlängerte Vollbrandphase relativ unbeschadet überstehe. Tunnel würden auch sehr viel längere Brandereignisse überstehen, wie ein Großbrand im Gotthardtunnel gezeigt habe, bei dem die Feuerwehr erst zwei bis drei Tage nach Brandausbruch in den Tunnel gelangt sei. Der Kritik, die erhöhten baulichen Anforderungen an den Brandschutz des Tunnelbauwerks seien nicht planfestgestellt, hat der Beklagte durch einen Blaueintrag in die Bauwerksunterlagen ausgeräumt.

Der Beklagte hat schließlich dadurch, dass er den Vorhabenträger verpflichtet hat, vor der Inbetriebnahme des Tunnels zu prüfen, ob eine automatische Brandbekämpfungsanlage mittlerweile dem Stand der Technik entspricht, und gegebenenfalls eine solche Anlage nachzurüsten, sichergestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss an die neuesten technischen Entwicklungen und Erkenntnisse über die Wirksamkeit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage für den Personen- und Bauwerksschutz angepasst wird. Das auf eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Auflage zur Ausrüstung des Tunnels mit einer automatischen Brandbekämpfungsanlage gerichtete Verpflichtungsbegehren musste daher ohne Erfolg bleiben."

20

3. Auch sonst verletzt der angefochtene Planfeststellungsbeschluss die Klägerin nicht in ihrer Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG).

21

a) Die Übertragung der Unterhaltslast für die planfestgestellten Bauwerke BWV-Nr. 15, 32 und 27 auf die Klägerin ist nicht zu beanstanden. Dem Planfeststellungsbeschluss zufolge (S. 332) dient der 1 245 m lange Wirtschaftsweg (BWV-Nr. 15) von der Gemeindestraße Deichreihe zur Betriebsstraße entlang der Langenhalsener Wettern und der Trasse hauptsächlich der Anbindung der abgeschnittenen Flurstücke nordwestlich der Trasse und darüber hinaus als rückwärtige Betriebs- und Unterhaltungszufahrt sowie als Rettungsweg. Die Verbreiterung der Straße Deichreihe (BWV-Nr. 32) dient dem Anschluss dieses Weges an das Straßennetz. Die Funktion des Wirtschaftsweges bestreitet die Klägerin nicht. Damit gehört der Weg weder als ausdrücklich benannter Teil noch aufgrund eines ausschließlichen und untrennbaren Funktionszusammenhangs mit der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gemäß § 1 Abs. 4 FStrG zur Bundesfernstraße und unterfällt damit nicht nach § 5 Abs. 1, § 3 FStrG der Straßenbaulast des Bundes. Er ist entgegen der Ansicht der Klägerin mit 6 m auch nicht zu breit gebaut; dieser Breite bedarf es, um einen Begegnungsverkehr von Rettungsfahrzeugen bzw. von Rettungsfahrzeugen und landwirtschaftlichem Verkehr zu ermöglichen. Für eine "geteilte" Baulast dergestalt, dass der Vorhabenträger die "rettungswegbedingten" Mehrkosten der zukünftigen Unterhaltung tragen muss, besteht hingegen keine gesetzliche Grundlage. Mehrbelastungen ist vielmehr im Rahmen des Finanzausgleichs, nicht jedoch im Rahmen der Abwägung und Planfeststellung Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1994 - 4 B 11.94 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 102 für die Abstufung einer Landesstraße zu einer Gemeindestraße). Soweit der Weg ausschließlich als Betriebsstraße (BWV-Nr. 11) weitergeführt wird, geht dies allein zu Lasten des Bundes. Der 410 m lange Wirtschaftsweg westlich der A 20 (BWV-Nr. 27) dient ausschließlich den anliegenden Flurstücken als Zufahrt. Soweit die Klägerin rügt, dieser und weitere Wege hätten 3,5 m breit ausgebaut werden müssen, um ihr eine Teilnahme am Förderprogramm zur Förderung der Modernisierung ländlicher Wege zu ermöglichen, ist zum einen schon nicht erkennbar und nicht dargelegt, dass das Förderprogramm auch die Unterhaltung von dritter Seite modernisierter Wege umfasst; zum anderen hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen, dass die Gemeinde es abgelehnt habe, sich an den Mehrkosten für breitere Wege zu beteiligen.

22

b) Dass die geplante Trasse konkrete und verfestigte Planungsabsichten der Klägerin stören könnte, ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Die Trasse unterquert mit dem Tunnelbauwerk den Hauptsiedlungsbereich der Klägerin. Die offene Strecke verläuft im Außenbereich auf rein landwirtschaftlich genutzten Flächen, für die keine konkreten Planungsabsichten erkennbar sind.

23

c) Auch das gemeindliche Selbstgestaltungsrecht, das vor Maßnahmen schützt, die das Ortsbild entscheidend prägen und nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2012 - 9 A 35.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 225 Rn. 36 m.w.N.), ist offensichtlich nicht verletzt. Die Durchschneidung des Gemeindegebietes ist durch die Untertunnelung des Steindeichs und den Verlauf der offenen Strecke auf den außerhalb der Ortslagen liegenden landwirtschaftlichen Flächen von vergleichsweise geringem Gewicht. Soweit die Klägerin Lärm, Erschütterungen und Wertminderungen durch das Vorhaben und die Bauphase rügt, macht sie Interessen und Belange ihrer Gemeindemitglieder geltend, nicht aber eigene Selbstverwaltungsrechte. Abgesehen davon ist der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung der in der mündlichen Verhandlung erklärten Änderungen insoweit nicht zu beanstanden. Auf die Urteile vom heutigen Tag in den Verfahren 9 A 9.15 und 9 A 14.15 wird verwiesen.

24

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Aufhebung einer naturschutzrechtlich motivierten Sperrung eines innerhalb ihres Gemeindegebiets verlaufenden Weges.

2

Die Klägerin ist eine dem Amt xxx angehörende Gemeinde im Kreis Nordfriesland.

3

Teilweise auf gemeindlichem Gebiet belegen – der übrige Teil befindet sich auf dem Gebiet der Stadt xxx - ist das Naturschutzgebiet (NSG) „...“. Dieses wurde im Jahr 1993 durch die Landesverordnung über das Naturschutzgebiet „...“ vom 16.12.1993 (GVOBl. 1994, 55; im Folgenden: LVO „...“) unter Schutz gestellt.

4

Die gesamte Fläche des Naturschutzgebiets - rund 260 Hektar - steht im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein und ist geprägt von Feuchtgrünlandflächen sowie einem schmalen Wattstreifen im Übergangsbereich zur östlich verlaufenden Eider.

5

Die Grünflächen des in Gänze umzäunten NSG werden in weiten Teilen zur extensiven Rinderhaltung, unter anderem durch die Haltung von Bullen, durch private Pächter genutzt.

6

Eine entsprechende Umstellung von Schafs- auf Rinderhaltung erfolgte etwa ab dem Jahr 2012 und dient der Umsetzung eines naturschutzfachlichen Konzepts des Landesamts für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) (Beiakte A, Bl. 38). Jenes Konzept beinhaltet auch eine starke Reduzierung von Zäunen innerhalb des NSG, sodass die dort gehaltenen Tiere sich dort weitgehend frei bewegen können.

7

Parallel zum anliegenden Eiderdeich verläuft von Nord- nach Südwesten eine Betonspurbahn durch das gesamte NSG. Diese dient vorrangig der Versorgung und dem Transport von Tieren durch die Pächter und ist nicht durch Widmungsakt gemäß § 6 Abs. 1 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Schleswig-Holstein (StrWG SH, in der Fassung vom 01.09.2015, GVOBl. S. 322) als öffentlicher Weg ausgewiesen.

8

Das NSG kann über Gattertore zu Beginn und am Ende der besagten Betonspurbahn betreten werden. In der Vergangenheit wurde der Weg auch von Spaziergängern genutzt. Zumindest seit dem Jahr 2013 werden die Tore jedoch aus Sicherheitsgründen im Hinblick auf die Bullenhaltung überwiegend verschlossen gehalten. Schilder an beiden Toren weisen seither sinngemäß darauf hin, dass es sich um einen Privatweg handele, dessen Betreten auf eigene Gefahr erfolge. Alternativ zur Betonspurbahn ist seit dem Sommer 2014 die parallel verlaufende Krone des Eiderdeiches über Hecktore für Fußgänger und Radfahrer gefahrlos nutzbar. Es handelt sich hierbei um einen unbefestigten Weg.

9

Mit Schreiben vom 24.6.2014 beantragte das LLUR beim Beklagten den Erlass einer allgemeinverbindlichen Anordnung gemäß § 6 Abs. 3 LVO „...“, durch welche das Betreten und Befahren der durch das NSG verlaufenden Betonspurbahn untersagt werden sollte.

10

Zur Begründung trug das Landesamt vor, das NSG „...“ sei ein überregional bedeutsames Brut-, Rast- und Nahrungsgebiet für Wiesen-, Watt- und Wasservögel sowie in zunehmendem Maße auch Nahrungshabitat für durchziehende und rastende nordische Nonnengänse. Insbesondere seit dem Jahr 2000 hätten die Wiesenvogelarten - besonders betroffen seien die Uferschnepfe, der Kiebitz, Rotschenkel und Austernfischer - auch in dem in Rede stehenden NSG einen Bestandsrückgang von über 50 Prozent erfahren. Dies sei vor allem auf den Verlust und die Verschlechterung von Brut- und Nahrungshabitaten zurückzuführen.

11

Die nordischen Gänse fänden im NSG ungestörte Nahrungsplätze jenseits der intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen vor. Zu beobachten sei jedoch auch, dass die ebenfalls rastenden Nonnengänse das NSG nur dann bis an den Deich zur Nahrungssuche aufsuchten, wenn der parallel zum Deich verlaufende Weg nicht von Fußgängern oder Radfahrern frequentiert werde. Insgesamt belaufe sich die gesamte Fläche, die für Rastgänse durch Beruhigung des Areals nutzbar gemacht werden könne, auf mindestens 20 Hektar. Durch die Einschränkung der Wegnutzung seit dem Jahr 2013 sei es in dem zwischen Betonspurbahn und Eider gelegenen Bereich bereits zu einer Beruhigung der Flächen gekommen, deren positiver Effekt mittlerweile erkennbar sei:

12

Erstmals seit langem seien im Jahr 2014 wieder erfolgreiche Kampfläuferbruten zu beobachten gewesen.

13

Sofern die Betonspurbahn für Fußgänger und Radfahrer zugänglich bliebe, behindere sie die Schutzbemühungen des Landes zugunsten der teilweise sehr störungsempfindlichen und vom Aussterben bedrohten Wiesenvogelarten (Uferschnepfe, Kampfläufer etc.), da die Tiere derartige Störquellen weiträumig mieden. Dies könne dazu führen, dass das gesamte NSG als Brutgebiet für die genannten Arten unattraktiv und als solches gar nicht oder nur mit einer geringeren Zahl von Revierpaaren angenommen würde.

14

Unter Gesichtspunkten des Arten- und Biotopschutzes sei es dringend erforderlich, in den landeseigenen Schutzgebieten alle Optimierungsmöglichkeiten auszuschöpfen, wozu im vorliegenden Fall aus den oben genannten Gründen auch die Reduzierung von Störungen durch Besucher zähle. Ferner unterstütze die Maßnahme auch die Erreichung der Ziele des EU-LIFE-Projekts „Limosa“ zum Schutz gefährdeter Wiesenvogelarten.

15

Im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen werde eine Sperrung zumindest während der Rastzeit der Nonnengänse, der Brut- und Aufzuchtzeit der Wiesenvögel der Beweidung durch Rinder für zwingend geboten gehalten.

16

Durch die Errichtung von Klapptoren auf der Deichkrone im Sommer 2014 sei für Erholungssuchende und Naturinteressierte bereits eine adäquate Ausweichmöglichkeit zur Betonspurbahn geschaffen worden. Die Möglichkeit, gemäß § 31 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes zum Schutz der Natur (LNatSchG, in der Fassung vom 13.07.2011, GVOBl. S. 225) mit Genehmigung der Gemeinde YYY den Weg zum Schutz der Erholungssuchenden – hier: Gefahr für Leib und Leben der Wegbenutzer durch weidende Bullen - die Sperrung der Betonspurbahn zu beantragen, behalte man sich ebenfalls vor.

17

Mit Schreiben vom 4.7.2014 (Beiakten B, Bl. 4-7) erhielten der Landesbetrieb Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz, der Deich- und Hauptsiedelverband (DHSV) Eiderstedt, die untere Wasserbehörde sowie die Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Bedenken wurden seitens der drei Erstgenannten nicht geäußert.

18

Mit Schreiben vom 24.11.2014 erklärte sich die Klägerin unter Bezugnahme auf die zwischen den Beteiligten im Vorfelde geführten Einigungsgespräche u.a. am 18.6.2013 sowie am 14.5.2014 vor dem Hintergrund, dass künftig die Krone des an das NSG grenzenden Deiches von Fußgänger und möglichst auch von Radfahrern genutzt werden könne, mit einer zeitlich befristeten Sperrung der Betonspurbahn einverstanden. Für Radfahrer müssten aber noch Befestigungsmaßnahmen auf der Deichkrone getroffen werden.

19

Mit Bescheid vom 29.5.2015, in Abschrift bei der Klägerin eingegangen am 2.6.2015, untersagte der Beklagte das Betreten und Befahren der in Rede stehenden Betonspurbahn auf der Grundlage von § 6 Abs. 2 LVO „...“, § 23 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (BNatSchG, in der Fassung vom 6.6.2013 (BGBl. I S. 1482) sowie § 13 LNatSchG und fügte dem Bescheid u.a. die Nebenbestimmung bei, dass die Einschränkung der Betretung des Schutzgebietes zunächst für einen Zeitraum von fünf Jahren ab Zustellung des Bescheides ausgesprochen werde. In diesem Zeitraum sei die Entwicklung und die Bedeutung der Sperrung für den Schutzzweck des Gebietes zu beobachten und zu dokumentieren.

20

Zur Begründung führte der Beklagte weitgehend die Gründe des LLUR aus dem Antragsschreiben vom 24.6.2014 an.

21

Mit Schreiben vom 30.6.2015 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.5.2015 ein. Zur Begründung führte sie an, es handele sich bei der gesperrten Betonspurbahn um einen öffentlichen Weg. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der in Rede stehende Weg in den 50er- und 60er-Jahren zwei Fähren bzw. eine Fähre bedient habe. Der Betrieb sei erst im Jahr 1971 eingestellt worden, sodass mit Inkrafttreten des StrWG SH 1962 trotz Fehlen eines Widmungsaktes ein öffentlicher Weg vorgelegen habe.

22

Die Verluste, die der Wiesenvogelbestand im ... zu verzeichnen habe, seien auf Managementfehler im Rahmen der Betreuung des Gebiets und der damit verbundenen Zunahme an Prädatoren zu erklären.

23

Im Übrigen sei die Umstellung von einer Schafsbeweidung auf eine Beweidung mit Galloway-Rindern der eigentliche Grund für die Sperrung. Die Sperrung erschwere erheblich die in der LVO „...“ vorgesehen Nutzung des NSG, insbesondere das Boßeln. Eine Sperrung von fünf Jahren, wobei zu befürchten sei, dass diese aufgrund der Rinderbeweidung weitaus länger ausfallen werde, werde deshalb von der Klägerin nicht toleriert.

24

Mit Schreiben vom 25.8.2015 wies der Beklagte die Klägerin auf seine Absicht, den Widerspruch zurückzuweisen, hin. Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Widerspruchs, da die Klägerin nicht Eigentümerin des in Rede stehenden Weges sei. Darüber hinaus sei der Bescheid vom 29.5.2015 in Abstimmung mit der Klägerin ergangen, insbesondere habe sie sich mit einer zeitlich befristeten Sperrung einverstanden erklärt. Es sei dem Vorbringen der Gemeinde nicht mit der nötigen Deutlichkeit zu entnehmen gewesen, dass sie ihr Einverständnis nur unter der Voraussetzung erklären wolle, dass ein befestigter Weg auf der Deichkrone errichtet werde. Eine Befestigung, etwa durch Bitumen, sei aus Gründen der Deichsicherheit nicht genehmigungsfähig.

25

Die Sperrung von fünf Jahren sei auch nicht zu lang; vielmehr sei dieser Zeitraum erforderlich, um die durch die Sperrung hervorgerufenen Veränderungen im NSG verlässlich beurteilen zu können.

26

Der Widerspruch sei auch unbegründet. Diesbezüglich werde auf die ausführlich dargelegten Argumente für die Sperrung aus dem Bescheid vom 29.5.2015 hingewiesen. Der Vortrag der Klägerin, der Bestandsrückgang der Wiesenvögel sei auf Managementfehler zurückzuführen, sei unsubstantiiert, zumal die faktische Wegsperrung in der Vergangenheit, wie bereits dargelegt, einen positiven Effekt gehabt habe.

27

Die durch das NSG verlaufende Betonspurbahn sei erst nach 1980 errichtet worden. Dafür, dass es sich bei dem vormals unbefestigten Weg in den 50er- und 60er-Jahren um einen nicht unerheblich dem öffentlichen Verkehr dienenden Weg gehandelt haben solle, sei bisher kein Nachweis erbracht worden. Jedenfalls handele es sich auch nach Auffassung der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde nicht um einen öffentlichen Weg im Sinne des StrWG SH.

28

Entgegen der Auffassung der Klägerin werde der Boßelsport durch die Sperrung nicht er-heblich eingeschränkt, da er gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 der LVO „...“ im Zeitraum vom 1. Dezember bis zum 31. März eines jeden Jahres zwischen dem Landesschutzdeich und dem parallel zum Deich verlaufenden Weg gestattet sei. Darüber hinaus hätten die Vertreter der ortsansässigen Boßler-Verbände bereits im Jahr 2002 erklärt, auf das Boßeln im ... künftig zu verzichten. Der Sport sei in dem Naturschutzgebiet ohnehin aufgrund der Vernässung der Flächen sowie der typischen Vegetation praktisch nicht mehr durchführbar.

29

Im Weiteren trug die Klägerin hierzu ergänzend vor, zwar sei das Land Eigentümer des in Rede stehenden NSG, da dieses jedoch auf der Gemarkung der Gemeinde YYY läge, sei damit das grundgesetzlich geschützte Planungsrecht aus Art. 28 GG betroffen. Sie habe auch lediglich einer jahreszeitlichen Sperrung zugestimmt und dies auch nur unter der Voraussetzung der Errichtung eines befestigten Weges auf der Deichkrone. Die Wiesenvogelpopulation habe sich mittlerweile hinter den Deich verlagert. Indem die UNB der Gemeinde untersagt habe, die betroffene Fläche von drei Hektar insgesamt dem Schutz der Wiesenvögel zu widmen, werde ein Rückzugsort für Prädatoren aufrechterhalten, was aus naturschutzfachlicher Sicht kontraproduktiv sei.

30

Auch sei die Umstellung auf eine Beweidung mit Rindern ohne Beteiligung der Klägerin erfolgt. Im Protokoll vom 20.6.2013 sei unter Punkt 5) weiter ausdrücklich von einer erforderlichen Wegbefestigung die Rede gewesen, was nun aber abgelehnt werde.

31

Dass die vom Beklagten angeführte Erholung insbesondere der Kiebitz- und Uferschnepfenbestände unmittelbar mit der Sperrung der Betonspurbahn zusammenhänge, sei nicht nachvollziehbar, da dies in anderen Bereichen der Gemeinde ebenfalls zu beobachten sei; Zeugen könnten insoweit benannt werden.

32

Für die Eigenschaft der Betonspurbahn als öffentlicher Weg spreche neben den bisherigen Argumenten auch, dass dieser auf Radwanderkarte des CCV Konzept Center Verlag GmbH als Radweg ausgewiesen sei. Ferner könne die Existenz der in Rede stehenden Fährverbindungen durch Zeitzeugen belegt werden.

33

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.12.2015 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte er seine Ausführungen aus den bisherigen Schriftsätzen unter anfänglicher Bezugnahme auf §§ 6 Abs. 3, 4 Abs. 1 Nr. 18 der LVO „...“.

34

Insbesondere legte er ausführlich dar, weshalb es sich nach seiner Auffassung nicht um einen öffentlichen Weg handele. Im Ergebnis sei demnach zweierlei maßgeblich: Zum einen wäre ein unbefestigter Weg im Bereich der jetzigen Betonspurbahn aufgrund der Bodenverhältnisse und des Vorlandcharakters mit Überflutungen und Hochwasserereignissen vor Errichtung des Eidersperrwerks im Jahre 1973 allenfalls temporär befahrbar gewesen und hätte schon deshalb keinen öffentlichen Wegecharakter entfalten können. Zum anderen basiere der heutige Transport- und Wirtschaftsweg – die Betonspurbahn - auf Planungen des damaligen Amtes für Land- und Wasserwirtschaft (ALW) Husum aus den 1970ern zur landwirtschaftlichen Erschließung des ...es. Nach einem Vermerk des Landwirtschaftsministeriums vom 28.7.1978 habe das damals zuständige Landwirtschaftsministerium nach Rücksprache mit dem Landesamt für Naturschutz und Landschaftspflege dem – im Jahr 1980 schließlich verwirklichten - Bau des in Rede stehenden Wirtschaftsweges nur unter der Voraussetzung zugestimmt, dass die Benutzung des Weges dem Eigentümer und den Nutzungsberechtigten vorbehalten bleibe.

35

Die Klägerin sei nicht dazu berufen, die naturschutzrechtlich Bewertung von Fachbehörden durch ihre eigene zu ersetzen und nach ständiger Rechtsprechung auch nicht berechtigt, sich mittels Widerspruch und Klage als Kontrolleur der zur Wahrung öffentlicher Interessen jeweils berufenen staatlichen Behörden zu betätigen. Der Schutz der Natur und Landschaft sei aber ein öffentliches Interesse und unterfiele daher nicht dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde. Sofern also entweder - wie hier - der Allgemeinheit oder Privatpersonen wehrfähige Rechte zukämen, könne die Klägerin selbst dann keine wehrfähigen Rechte geltend machen, wenn ein Schaden drohe.

36

Mit Schriftsatz vom 12.1.2016 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie mit Schriftsatz vom 20.6.2016 ihren Vortrag aus dem Widerspruchsschreiben und den zugehörigen Stellungnahmen.

37

Mit Beschluss vom 13.01.2016 ist das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume gemäß § 65 Abs.1 VwGO beigeladen worden.

38

Die Klägerin beantragt,

39

den Bescheid vom 25.5.2015 und den Widerspruchsbescheid vom 8.12.2015 aufzuheben,

40

festzustellen, dass der in Rede stehende Weg nur gemäß § 31 LNatSchG als höherrangiges Recht mit Genehmigung der Gemeinde hätte gesperrt werden dürfen und nicht auf Grundlage des § 6 Abs. 3 der Landesverordnung über das Naturschutzgebiet... vom 16.12.1993 (GOVBl. SH 1994 S. 143).

41

Der Beklagte beantragt,

42

die Klage abzuweisen.

43

Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen.

44

Der Beigeladene hat keinen Sachantrag gestellt.

45

Er trägt vor, es komme vorliegend nicht auf die seitens der Klägerin aufgeworfenen Fragen an, ob und inwieweit Verkehr auf der Deichkrone gestattet sei und ob die Beweidung des ... ordnungsgemäß und sinnvollerweise erfolge. Maßgebend sei allein, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Sperrung der Betonspurbahn vorlägen.

46

Dies sei im Ergebnis der Fall; diesbezüglich werde auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten verwiesen. Entgegen der Annahme der Klägerin sei § 6 Abs. 3 LVO „...“ nicht subsidiär gegenüber § 31 LNatSchG. Die §§ 30, 31 LNatSchG fänden hier keine Anwendung, sie bezögen sich auf die frei betretbare Landschaft, § 59 BNatSchG. Für Naturschutzgebiete gelte jedoch vorrangig § 13 Abs. 3 LNatSchG, der auf § 23 Abs. 2 S.2 BNatSchG Bezug nehme. § 23 BNatSchG wiederum sei lex specialis gegenüber dem allgemeinen Betretensrechts aus § 59 BNatSchG.

47

Vor diesem Hintergrund sei die LVO „...“ unter Beteiligung der Klägerin erlassen worden und im konkreten Fall § 6 Abs. 3 der LVO grundsätzlich anwendbar.

48

Hinsichtlich der Erforderlichkeit der Sperrung wiederholt der Beigeladene im Wesentlichen den Vortrag des Beklagten. Die Sperrung solle insbesondere die verbliebenen Restpopulationen schützen. Es werde bezweifelt, dass sich Kiebitz- und Uferschnepfenbestände in der Gemeinde YYY deutlich erhöht hätten. Abgesehen davon, dass es auf etwaige Managementfehler vorliegend nicht ankomme, würden auch diese bestritten. Die Sperrdauer sei auch angemessen. Da es dem Beigeladenen und dem Beklagten nicht nur auf die Rastzeit der nordischen Gänse (Mitte September bis Mitte Mai) ankomme, sondern auch auf Brut- und Aufzuchtzeiten der Wiesenvögel (Anfang März bis Ende Juli) sowie die Zeit der Beweidung ankam, sei eine ganzjährige Sperrung angezeigt gewesen.

49

Soweit sich die Klägerin darauf berufe, der streitgegenständliche Weg sei bereits vor Einführung des StrWG SH am 1.10.1962 vorhanden und auch öffentlicher Weg gewesen und deshalb angesichts der Übergangsregelung des § 57 Abs. 3 StrWG SH auch heute als öffentlicher Weg anzusehen, so treffe dies nicht zu. Der historische Weg habe ausweislich des entsprechenden Kartenmaterials einen gänzlich anderen Verlauf gehabt, sodass auch eine Widmung gemäß § 6 Abs. 5 StrWG SH nicht in Betracht komme. Demnach komme es auf eine eigenständige öffentliche Widmung der Betonspurbahn als öffentlicher Weg an, die hier aber nicht stattgefunden habe. Insbesondere stelle die Darstellung als Radweg in der Karte eines privaten Dritten keinen öffentlich-rechtlichen Widmungsakt dar.

50

Die Sachakten des Beigeladenen (Beiakten A), des Beklagten (Beiakte B) und der Klägerin bzw. des Amtes Eiderstedt (Beiakten C) liegen dem Gericht vor und sind Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

51

Die Klage ist bereits unzulässig. Für die hier mit dem Klagantrag zu 1) erhobenen statthafte Dritt-Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO fehlt es der Klägerin bereits an der nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis.

52

Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage nur zulässig, wenn ein Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen eigenen Rechten verletzt zu sein.

53

Eine Klagebefugnis kann grundsätzlich auch aus dem Umstand erwachsen, dass ein Kläger – wie im vorliegenden Fall die Klägerin - die Möglichkeit darlegt, durch einen Verwaltungsakt, dessen Adressat ein Dritter ist, in seinen Rechten verletzt zu sein.

54

Eine Klagebefugnis ist nach einhelliger Auffassung aber nur dann anzunehmen, wenn eine Verletzung der Rechte eines Klägers durch einen Verwaltungsakt jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise unmöglich erscheint, wie es der Fall wäre, wenn die vom Kläger behaupteten Rechte entweder gar nicht bestünden oder ihm jedenfalls im konkreten Einzelfall eindeutig nicht zustünden. Eine bloße Behauptung der rechtlichen Betroffenheit genügt gerade nicht (BVerwG, Urt. v. 24.06.2004 - 4 C 11.03 -, NVwZ 2004, 1229)

55

Im vorliegenden Fall kommt eine Verletzung klägerischer Rechte jedoch nicht in Betracht.

56

Als juristische Person des öffentlichen Rechts kann die Klägerin ihre Klagebefugnis nicht auf die Verletzung von Grundrechten stützen. Ferner ist es ihr verwehrt, subjektive Rechte Dritter, insbesondere die ihrer Einwohner, ihrer Beamten oder der Benutzer ihrer Einrichtungen auf dem Klageweg geltend zu machen. Wehrfähige Rechte kommen einer Gemeinde auch dann nicht zu, wenn der Allgemeinheit oder einzelnen Privatpersonen ein Schaden droht, da diese ihre Rechte selbst geltend zu machen haben (BVerwG, Beschl. v. 9.2.1996, Az.: 11 VR 45/95).

57

Soweit die Klägerin eine Rechtsverletzung auf bloße Verstöße gegen naturschutzrechtliche Vorschriften stützt, genügt dies nicht für die Annahme einer Klagebefugnis.

58

Beim Schutz von Natur und Umwelt handelt es sich – wie seitens des Beklagten auch vorgetragen - nicht um einen speziell der Gemeinde zugeordneten Belang, sondern vielmehr um ein allgemeines öffentliches Interesse. Der Gemeinde kommt auch nicht die Funktion einer Aufsichtsinstanz im Hinblick auf die entsprechenden Fachbehörden zu, kraft derer sie das Recht hätte, jedweden Verstoß gegen naturschutzrechtliche Vorschriften zu rügen.

59

Da es sich bei der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG aber anerkanntermaßen um ein Recht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO handelt, ist hier im Hinblick auf die Klagebefugnis darüber zu befinden, ob die Möglichkeit besteht, dass der Bescheid des Beklagten vom 29.5.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.12.2015 die Klägerin in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletzt, eine Verletzung jedenfalls nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder möglichen Betrachtungsweise ausgeschlossen ist. Dies ist im Ergebnis jedoch der Fall.

60

Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG, ist ein subjektives Recht i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Urt. v. 14. 2. 1969 - IV C 215/65, VerwRspr 1969, 877).

61

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistet den Gemeinden gegenüber dem Bund und den Ländern das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Es besteht insoweit eine „Allzuständigkeit“ sowie die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich. Gesetzliche Beschränkungen der Selbstverwaltung sind mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 vereinbar, wenn und soweit deren Kernbereich unangetastet bleibt. (vgl. BVerfG, Urt. v. 20. 3. 1952 - 1 BvR 267/51, NJW 1952, 577; BVerfG, Beschl. v. 17. 1. 1967 - 2 BvL 28/63, NJW 1967, 1075)

62

Der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG ist dann berührt, wenn durch die Maßnahme des überörtlichen Verwaltungsträgers die Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinde erheblich erschwert werden (BVerwG, Urteil vom 10.12.2008 - 9 A 19.08, BeckRS 2009, 31229; Beschluss vom 4.8.2008 - 9 VR 12.08 -, NVwZ 2008, 1237). Begrifflich erfasst sind vom Kernbereich dieser Selbstverwaltungsgarantie insbesondere die gemeindlichen Hoheitsrechte der Planungs-, Finanz-, Personal- und Organisationshoheit.

63

Die Planungshoheit umfasst auch das Recht der Gemeinde, das örtliche Gepräge und die örtlichen Strukturen jedenfalls im Kern selbst zu bestimmen und grundlegende Veränderungen insoweit abzulehnen. Sie schützt die Gemeinde vor planerische Maßnahmen, die die bestehenden Planungen oder hinreichend konkreten planerische Vorstellungen derselben nachhaltig beeinträchtigen (BVerwG, Urt. v. 11.5.1984, Az.: 4 C 83/80) oder unabhängig davon jedenfalls unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art (BVerwG, Urt. 9.2.2005, Az.: 9 A 62/03) für die klagende Gemeinde haben. Ein entsprechendes schutzwürdiges Interesse besteht hier jedoch nicht. Bauplanerische Maßnahmen oder Vorstellungen der Klägerin bezogen auf das hier streitige Naturschutzgebiet „...“ können insoweit nicht in Rede stehen, da diese gemeindliche Fläche durch die Unterschutzstellung einer solchen Planung entzogen ist.

64

Zur Selbstverwaltung zählt auch die Planungshoheit über die Nutzung öffentlicher Straßen (BayVGH, Urteil vom 13. 8. 2001 - 11 B 98.1058, NZV 2002, 147).

65

Bei dem streitgegenständlichen Weg handelt es sich jedoch offenkundig nicht um eine öffentlichen Weg.

66

Voraussetzung für einen öffentlichen Weg ist gemäß § 2 Abs. 1 Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein (StrWG) idF vom 25.03.2003, dass der Weg gewidmet ist. Eine Widmung nach Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes liegt unstreitig nicht vor. Dies steht jedoch der Annahme der Öffentlichkeit des Weges nicht entgegen. Gemäß § 57 Abs. 3 StrWG sind alle Straßen, die nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen, öffentliche Straßen im Sinne dieses Gesetzes. Eine Widmung vor Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes hat ebenfalls unstreitig nicht stattgefunden.

67

Gemäß § 57 Abs. 3 Satz 2 StrWG gelten Straßen und Wege als öffentliche Straßen, soweit sie bei Inkrafttreten dieses Gesetzes neben ihrer Erschließungsfunktion für die anliegenden Grundstücke einem nicht unerheblichen öffentlichen Verkehr gedient haben, es sei denn, dass sie nachweislich bei Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besessen haben. Eines Rückgriffs auf das allgemeine Rechtsinstitut der „unvordenklichen Verjährung“ bedarf es seit dem 31.10.2003 mit Einführung der widerlegbaren Vermutung in § 57 Abs. 3 Satz 2 StrWG nicht mehr (vgl. Essling/Meeder, Schl.H.A 8/2004, 205, 207). Die Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 Satz 2 StrWG liegen jedoch nicht vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn neben der Erschließungsfunktion des fraglichen Weges eine nicht unerhebliche Nutzung durch die Öffentlichkeit hinzugekommen wäre. Daran fehlt es hier.

68

Im Vergleich zur preußischen Landesaufnahme von 1878/80 und der aktuellen topographischen Karte sieht man eine Verschiebung des Weges um ca. 50 m nach Osten.

69

Die Verlegung des Weges erfolgte aufgrund der Errichtung des Eidersperrwerkes. Dieses wurde im Jahr 1973 eingeweiht.

70

Soweit eine Nutzung durch einen etwaigen Fährverkehr bestand, bezog sich dieser auf den alten, 50m westlich verlaufenden Weg.

71

Des Weiteren wurde der heutige Weg als Transport- und Wirtschaftsweg, basierend auf den Planungen des damaligen Amtes für Land- und Wasserwirtschaft Husum geplant. Er sollte der Vorlandbewirtschaftung dienen und dieses durch extensive landwirtschaftliche Nutzung erschließen. Dies geschah jedoch unter der Voraussetzung, dass die Benutzung des Erschließungsweges dem Eigentümer und den Nutzungsberechtigten vorbehalten war.

72

Hieraus erwuchs indes keine erhebliche Nutzung durch die Öffentlichkeit, die zu der Vermutung des § 57 Abs. 3 S. 2 StrWG führt.

73

Nachweise eines nicht unerheblichen öffentlichen Verkehrs sind somit nicht ersichtlich.

74

Eine Klagebefugnis hinsichtlich der Drittanfechtung ergibt sich auch nicht aus einem eventuellen Genehmigungserfordernis der Wegesperrung durch die Klägerin gemäß § 31 des Gesetzes zum Schutz der Natur – Landesnaturschutzgesetz vom 24.02.2010 (LNatSchG).

75

Danach können Wege, die gemäß § 30 LNatSchG benutzt werden dürfen, mit Genehmigung der Gemeinde befristet gesperrt werden, soweit der Schutz der Erholungssuchenden oder der Natur oder schutzwürdige Interessen der Eigentümerinnen oder Eigentümer oder sonstiger Nutzungsberechtigten dies erfordern.

76

Nach der zum Kapitel 7 (Erholung in Natur und Landschaft) gehörenden Vorschrift des § 59 Abs. 1 BNatSchG ist das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zwecke der Erholung allen gestattet (allgemeiner Grundsatz). Dieser Grundsatz findet indes in § 23 Abs.2 S.2 BNatSchG bereits eine bundesgesetzliche Einschränkung, wonach Naturschutzgebiete der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden können,soweit es der Schutzzweck erlaubt.

77

Nach § 59 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG kann das Landesrecht ebenfalls das Betreten aus wichtigen Gründen, insbesondere aus solchen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Feldschutzes und der land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung zum Schutze der Erholungssuchenden, zur Vermeidung erheblicher Schäden oder zur Wahrung anderer schutzwürdiger Interessen des Grundstücksbesitzers einschränken.

78

Dies ist durch den Landesgesetzgeber mit der Vorschrift des § 30 Abs.2 S.4 LNatSchG geschehen. Danach richtet sich das Betreten von Naturschutzgebieten und anderen geschützten Flächen nach den jeweiligen Schutzverordnungen und Anordnungen.

79

Damit beruht die hier verfügte Wegesperrung auf der ausschließlichen Rechtsgrundlage des § 6 Abs.3 der LVO „...“ i.V.m. § 13 Abs.1 LNatSchG; eine Anwendbarkeit des § 31 Abs.1 S.1 LNatSchG ist vorliegend nicht gegeben.

80

Selbst wenn indes eine Klagebefugnis der Klägerin anzunehmen wäre, erweist sich die Klage darüber hinaus auch als unbegründet. Es bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Ein von der Klägerin allein rügefähiger unzulässiger Eingriff in den Kernbereich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts liegt nicht vor. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Angesichts der umfassend dargelegten und von der Klägerin nicht substantiiert in Frage gestellten naturschutzfachlichen Gründe für die verfügte Wegesperrung überwiegt diese etwaige Belange der Klägerin und erweist sich geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.

81

Der Klagantrag zu 2. ist bereits unzulässig.

82

Ein allgemeines Rechtsschutzinteresse für eine solche Klage liegt nur dann vor, wenn sich die begehrte Feststellung auf einen Gegenstand bezieht, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Für eine (Zwischen)Feststellungsklage ist daher kein Raum, wenn mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt sind (BVerwG, Urteil vom 12.01.2012, Az. 7 C 5/11, juris, Rn. 12). Dies ist hier mit Blick auf die obigen Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 31 LNatSchG und dem Fehlen eines Genehmigungserfordernisses der Fall.

83

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO.

84

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 I VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.