Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 07. Sept. 2016 - RO 11 K 16.31351
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern zu 1) und 2) die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen. Der Bescheid vom 24.6.2016 wird in Nr. 2 aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen wird die Klage hinsichtlich des Klägers zu 3) abgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens der Kläger zu 1) und 2) zu tragen. Der Kläger zu 3) hat die Kosten seines Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
die Beklagte zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen und den Bescheid vom 24.6.2016 in Nr. 2 insoweit aufzuheben, als er dieser Verpflichtung entgegensteht.
die Klage abzuweisen.
Gründe
I.
-
1.dem Staat,
-
2.Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder
-
3.nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
„Ist der Asylsuchende unverfolgt ausgereist, liegt eine Verfolgungsgefahr und damit eine begründete Furcht vor Verfolgung vor, wenn ihm bei verständiger, nämlich objektiver, Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei ist eine ‚qualifizierende‘ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Antragstellers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer ‚quantitativen‘ oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50% Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden ‚zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts‘ die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr ‚beachtlich‘ ist. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50% für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die ‚reale Möglichkeit‘ (real risk) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert
II.
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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Der Ausländer muss selbst die Tatsachen vortragen, die seine Furcht vor Verfolgung oder die Gefahr eines ihm drohenden ernsthaften Schadens begründen, und die erforderlichen Angaben machen. Zu den erforderlichen Angaben gehören auch solche über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder im Bundesgebiet ein Verfahren mit dem Ziel der Anerkennung als ausländischer Flüchtling, auf Zuerkennung internationalen Schutzes im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 oder ein Asylverfahren eingeleitet oder durchgeführt ist.
(2) Der Ausländer hat alle sonstigen Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen.
(3) Ein späteres Vorbringen des Ausländers kann unberücksichtigt bleiben, wenn andernfalls die Entscheidung des Bundesamtes verzögert würde. Der Ausländer ist hierauf und auf § 36 Absatz 4 Satz 3 hinzuweisen.
(4) Bei einem Ausländer, der verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, soll die Anhörung in zeitlichem Zusammenhang mit der Asylantragstellung erfolgen. Einer besonderen Ladung des Ausländers und seines Bevollmächtigten bedarf es nicht. Entsprechendes gilt, wenn dem Ausländer bei oder innerhalb einer Woche nach der Antragstellung der Termin für die Anhörung mitgeteilt wird. Kann die Anhörung nicht an demselben Tag stattfinden, sind der Ausländer und sein Bevollmächtigter von dem Anhörungstermin unverzüglich zu verständigen.
(5) Bei einem Ausländer, der nicht verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, kann von der persönlichen Anhörung abgesehen werden, wenn der Ausländer einer Ladung zur Anhörung ohne genügende Entschuldigung nicht folgt. In diesem Falle ist dem Ausländer Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme innerhalb eines Monats zu geben.
(6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen, teilnehmen. Der Ausländer kann sich bei der Anhörung von einem Bevollmächtigten oder Beistand im Sinne des § 14 des Verwaltungsverfahrensgesetzes begleiten lassen. Das Bundesamt kann die Anhörung auch dann durchführen, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand trotz einer mit angemessener Frist erfolgten Ladung nicht an ihr teilnimmt. Satz 4 gilt nicht, wenn der Bevollmächtigte oder Beistand seine Nichtteilnahme vor Beginn der Anhörung genügend entschuldigt. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten.
(7) Die Anhörung kann in geeigneten Fällen ausnahmsweise im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen.
(8) Über die Anhörung ist eine Niederschrift aufzunehmen, die die wesentlichen Angaben des Ausländers enthält. Dem Ausländer ist eine Kopie der Niederschrift auszuhändigen oder mit der Entscheidung des Bundesamtes zuzustellen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Tenor
I.
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Nr. 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
Gründe
(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.
(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.
(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.
Tatbestand
- 1
Der 1979 in A./Syrien geborene Kläger ist nach eigenen Angaben syrischer Staatsangehöriger, muslimischen Glaubens und kurdischer Volkszugehörigkeit. Nach seinen Schilderungen reiste er am 30. November 2010 aus der Türkei kommend auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.
- 2
Am 14. Januar 2011 wurde der Kläger vom Bundesamt zu seinem Asylbegehren angehört. Zur Begründung gab er an: Er sei ungefähr von 2001 bis 2007 inhaftiert gewesen. Aufgrund einer Bürgschaft sei er freigelassen worden. Er sei Sympathisant der Kurdischen Volksunion gewesen. Im Rahmen der Vorbereitung des Newroz-Festes am 21. März 2010 habe man sich versammelt. Daraus sei eine Demonstration entstanden. Irgendwann habe man begonnen, Leute zu verhaften. Er sei geflüchtet und habe sich bei seinem Cousin versteckt. Er habe dann erfahren, dass sein Bruder verhaftet worden sei. Es sei ihm klar geworden, dass dies erfolgt sei, weil man in Wirklichkeit seiner habhaft werden wollte. Er habe sich sechs Monate bei seinem Cousin versteckt und dann seine Ausreise organisieren lassen.
- 3
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 23. März 2011 ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen eines Monats nach Rechtskraft der Entscheidung zu verlassen, anderenfalls würde er nach Syrien abgeschoben. Der Kläger könnte auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger könnte kein Asyl beanspruchen, weil davon auszugehen sei, dass er auf dem Landweg über einen sicheren Drittstaat eingereist sei. Der Kläger hätte ein individuelles Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft gemacht. Auch die illegale Ausreise bzw. die Asylantragstellung im Ausland führe nicht zu einer politischen Verfolgung. Mangels einer politischen Verfolgung könne er daher nicht die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen. Auch Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.
- 4
Am 5. April 2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben. Zur Begründung berief er sich auf die aktuelle politische Situation in Syrien. Ferner sei bei ihm im Jahr 2011 eine kryptogene Epilepsie und der Verdacht auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung festgestellt worden.
- 5
Der Kläger hat beantragt,
- 6
unter Aufhebung des Bescheides vom 23. März 2011 festzustellen, dass für ihn die Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
- 7
Die Beklagte hat beantragt,
- 8
die Klage abzuweisen.
- 9
Mit Gerichtsbescheid vom 23. April 2012 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 23. März 2011 verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG für den Kläger vorliegen.
- 10
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend, dass das Verwaltungsgericht für seine tragende Argumentation hinsichtlich der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft keine Referenzfälle benannt habe. Sie hat sich im Verlauf des Berufungsverfahrens verpflichtet festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG im Hinblick auf den Kläger vorliegt.
- 11
Die Beklagte beantragt,
- 12
die Klage unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 23. April 2012 abzuweisen.
- 13
Der Kläger beantragt,
- 14
die Berufung zurückzuweisen.
- 15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Vorbringen der Beteiligten sowie auf den Verwaltungsvorgang der Beklagten und auf die vom Senat in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 16
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einen Anspruch auf die Feststellung, dass in seiner Person die Voraussetzungen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG vorliegen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
- 17
Maßgeblich für die Beurteilung, ob dem Kläger der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sind § 3 Abs. 1 und 4 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.11.2011, BGBl. I S. 2258) sowie § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162, zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.06.2012, BGBl. I S. 1224).
- 18
Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung dieses Abkommens ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
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Nach § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, Art. 4 Abs. 4 und Art. 7 bis 10 derRichtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie, nachfolgend QRL) des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden. Wie nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist auch unionsrechtlich eine Verfolgungshandlung für die Flüchtlingsanerkennung nur dann von Bedeutung, wenn sie an einen der in Art. 10 QRL genannten Verfolgungsgründe anknüpft (Art. 9 Abs. 3 QRL). Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Antragsteller in einer Angelegenheit, die die in Art. 6 QRL genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Antragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist (Art. 10 Abs. 1 lit. e QRL). Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe reicht es aus, wenn diese Merkmale dem Antragsteller von seinem Verfolger lediglich zugeschrieben werden (Art. 10 Abs. 2 QRL). Die Qualifikationsrichtlinie hat sich insofern an dem aus dem angloamerikanischen Rechtsraum bekannten Auslegungsprinzip der „imputed political opinion“ orientiert, wonach es ausreicht, dass ein Verfolger seine Maßnahmen deshalb gegen den Antragsteller richtet, weil er davon ausgeht, dass dieser eine abweichende politische Überzeugung vertritt (vgl. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, § 15 Rdnr. 26; Nachweise aus der Rechtsprechung bei UNHCR, „Auslegung von Artikel 1 des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“, 2001, Fußnote 54 zu Rdnr. 25). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylgrundrecht des Art. 16a GG kann eine politische Verfolgung dann vorliegen, wenn staatliche Maßnahmen gegen - an sich unpolitische - Personen ergriffen werden, weil sie dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet werden, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist. Dienen diese Maßnahmen der Ausforschung der Verhältnisse des Dritten, so kann ihnen die Asylerheblichkeit nicht von vornherein mit dem Argument abgesprochen werden, sie seien nicht gegen die politische Überzeugung des Betroffenen gerichtet (BVerfG, Beschl. v. 28.01.1993 - 2 BvR 1803/92 -, juris).
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Als Verfolgung im Sinne des Art. 1 A GFK gelten nach Art. 9 Abs. 1 QRL Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (lit. a) oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter lit. a) beschriebenen Weise betroffen ist (lit. b).
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Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird, Art. 4 Abs. 4 QRL. Art. 4 Abs. 4 QRL ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht. Die Qualifikationsrichtlinie modifiziert diese - asylrechtliche - Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4. Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab bleibt unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 QRL erlitten hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 5.09 -, NVwZ 2011, 51; EuGH, Urteil v. 02.03.2010 - Rs. C-175/08 u.a. - Abdulla -, NVwZ 2010, 505). Der in dem Tatbestandsmerkmal „... tatsächlich Gefahr liefe ...“ des Art. 2 lit. e QRL enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“; vgl. EGMR, Urt. v. 28.02.2008 - Nr. 37201/06 -, NVwZ 2008, 1330); dies entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010, a. a. O).Art. 4 Abs. 4 QRL privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urt. v. 02.03.2010, a. a. O.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010, a. a. O.).
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Nach der Überzeugung des Senates ist der Kläger nicht im oben dargestellten Sinne vorverfolgt aus Syrien ausgereist. Der die Flüchtlingsanerkennung Begehrende hat aufgrund seiner Mitwirkungspflicht seine Gründe für eine politische Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - bei verständiger Würdigung die drohende Verfolgung ergibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.03.1987 - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701). Daher hat sich das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit - und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit - des vom Schutzsuchenden behaupteten Sachverhalts zu verschaffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.04.1985 - 9 C 109.84 -, NVwZ 1985, 658). Für diese Überzeugungsbildung ist wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich ein Schutzsuchender bezüglich der Vorgänge in seinem Heimatland regelmäßig befindet, nicht die volle Beweiserhebung notwendig, sondern die Glaubhaftmachung ausreichend.
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Der Kläger hat keine Vorverfolgung glaubhaft gemacht, da er unter Berücksichtigung und Würdigung seines gesamten Vorbringens bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt und dem erkennenden Senat keinen zusammenhängenden, in sich schlüssigen, im Wesentlichen widerspruchsfrei geschilderten Sachverhalt vorgetragen hat. Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt als wesentliches fluchtauslösendes Motiv die Verhaftung seines Bruders geschildert, aus der er den Schluss gezogen haben will, dass der syrische Staat auch seiner Person habhaft werden wolle. Diesen Umstand hat der Kläger bei der Anhörung in der mündlichen Verhandlung zu den Gründen seiner Ausreise nicht mehr erwähnt. Vielmehr hat er nunmehr bei seiner Anhörung vor dem Senat als maßgeblich ausgeführt, dass er aufgrund des Umstandes, dass er bei der anlässlich des Newroz-Festes durchgeführten Versammlung fotografiert worden sei, sich zur Ausreise entschlossen habe. Die Leute, die dort festgenommen worden seien, seien auch nach Jahren nicht mehr zurückgekehrt. Er habe befürchtet, dass ihm Gleiches widerfahre. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt hatte er eine mögliche Gefährdung wegen der Fertigung von Bildaufnahmen der Demonstration nicht erwähnt.
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Unabhängig von einer Vorverfolgung muss aufgrund der aktuellen Situation in Syrien jedoch davon ausgegangen werden, dass der Kläger aus beachtlichen Nachfluchtgründen von Verfolgung im vorgenannten Sinne bedroht ist. Der Kläger ist wegen seiner illegalen Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und seinem mehrjährigen Aufenthalt im Ausland von einer Verfolgung bedroht, wobei hinsichtlich der Personen, die die genannten Merkmale erfüllen, von einer drohenden „Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit“ auszugehen ist. Der Senat geht davon aus, dass diese Handlungen ungeachtet einer oppositionellen Haltung des Einzelnen bei Vorliegen der zuvor genannten Kriterien vom syrischen Staat generell und unterschiedslos als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst werden und der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Anknüpfung an seine tatsächliche oder jedenfalls vermutete politische Überzeugung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hat.
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Die Vielfalt möglicher Verfolgungsgefährdungen verbietet es, die Zugehörigkeit zu einer gefährdeten Gruppe unberücksichtigt zu lassen, weil die Gefährdung unterhalb der Schwelle der Gruppenverfolgung liegt. Denn die Gefahr politischer Verfolgung, die sich für jemanden daraus ergibt, dass Dritte wegen eines Merkmals verfolgt werden, das auch er aufweist, kann von verschiedener Art sein: Der Verfolger kann von individuellen Merkmalen gänzlich absehen, seine Verfolgung vielmehr ausschließlich gegen die durch das gemeinsame Merkmal gekennzeichnete Gruppe als solche und damit grundsätzlich gegen alle Gruppenmitglieder betreiben. Dann handelt es sich um eine in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 -, NVwZ 2009, 1237 m. w. N.) als Gruppenverfolgung bezeichnetes Verfolgungsgeschehen. Das Merkmal, das seinen Träger als Angehörigen einer missliebigen Gruppe ausweist, kann für den Verfolger aber auch nur ein Element in seinem Feindbild darstellen, das die Verfolgung erst bei Hinzutreten weiterer Umstände auslöst. Das vom Verfolgungsstaat zum Anlass für eine Verfolgung genommene Merkmal ist dann ein mehr oder minder deutlich im Vordergrund stehender, die Verfolgungsbetroffenheit des Opfers mitprägender Umstand, der für sich allein noch nicht die Annahme politischer Verfolgung jedes einzelnen Merkmalsträgers rechtfertigt, wohl aber bestimmter unter ihnen, etwa solcher, die durch weitere Besonderheiten in den Augen des Verfolgerstaates zusätzlich belastet sind. Löst die Zugehörigkeit zum Kreis der Vertreter einer bestimmten politischen Richtung, wie hier, nicht bei jedem Gruppenangehörigen unterschiedslos und ungeachtet sonstiger individueller Besonderheiten, sondern nur nach Maßgabe weiterer individueller Eigentümlichkeiten die Verfolgung des Einzelnen aus, so kann hiernach eine „Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit“ vorliegen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.02.1996 - 9 B 14.96 -, DVBl 1996, 623 m. w. N.).
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Die Verfolgungsgefahr ist auch nicht unbeachtlich, weil sie (auch) auf dem eigenen Nachfluchtverhalten des Klägers beruht. Nach § 28 Abs. 1a AsylVfG kann eine Bedrohung nach § 60 Abs. 1 AufenthG auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist. Art. 5 Abs. 2 QRL, der mit § 28 Abs. 1a AsylVfG in deutsches Recht umgesetzt wird, besagt, dass die begründete Furcht vor Verfolgung oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, auf Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Herkunftslandes beruhen kann, insbesondere wenn die Aktivitäten, auf die er sich stützt, nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind. Für subjektive Nachfluchttatbestände, die bereits während eines Erstverfahrens verwirklicht worden sind, greift damit keine Einschränkung. Für die Flüchtlingsanerkennung müssen diese - anders als bei der Asylanerkennung gemäß § 28 Abs. 1 AsylVfG - nicht einmal auf einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen. Erst in dem (erfolglosen) Abschluss eines Erstverfahrens liegt eine entscheidende zeitliche Zäsur; für nach diesem Zeitpunkt selbst geschaffene Nachfluchtgründe wird ein Missbrauch der Inanspruchnahme des Flüchtlingsschutzes in der Regel vermutet (BVerwG, Urt. v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 -, NVwZ 2009, 730).
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Die dem Senat vorliegenden und ausgewerteten Erkenntnisse rechtfertigen den Schluss, dass für den Kläger aufgrund des Nachfluchtgeschehens mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nach Syrien besteht. Dieser Schluss rechtfertigt sich aus mehreren Gründen, nämlich der Behandlung von Personen, die bis zum Erlass des generellen Abschiebungstopps im April 2011 aus der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Staaten nach Syrien abgeschoben wurden, die umfassende Beobachtung von syrischen Staatsangehörigen im Ausland durch die verschiedenen syrischen Geheimdienste, die Eskalation der innenpolitischen Situation in Syrien seit März 2011 sowie dem Umgang der syrischen Behörden in Syrien insbesondere seit Beginn des Jahres 2012 mit Personen, die aus Sicht der syrischen Behörden verdächtig sind, die Opposition zu unterstützen.
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Amnesty international (vgl. zum Nachfolgenden: Bericht „Menschenrechtskrise in Syrien erfordert Abschiebungsstopp und Aussetzung des Deutsch-Syrischen Rückübernahmeabkommens“ vom 14. März 2012) und der kurdische Informationsdienst KURDWATCH haben eine Reihe von Fällen dokumentiert, in denen seit 2009 abgelehnte syrische Asylbewerber nach ihrer Abschiebung (aus Deutschland und anderen europäischen Staaten) festgenommen und ohne Kontakt zur Außenwelt unter erheblicher Foltergefahr von den Geheimdiensten inhaftiert wurden.
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Der syrische Kurde Berzani Karro wurde im Juni 2009 von den zypriotischen Behörden nach Syrien abgeschoben. Er hatte im Jahr 2006 in Zypern einen Asylantrag gestellt, der abgelehnt wurde. Berzani Karro wurde bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in Damaskus festgenommen und vier Monate ohne Kontakt zur Außenwelt von den Geheimdiensten inhaftiert und offenbar misshandelt und gefoltert. Nach den Erkenntnissen von amnesty international war Karro bereits Anfang 2005 als Jugendlicher für zweieinhalb Monate u.a. in der Haftanstalt der „Palästinensischen Abteilung“ beim Militärischen Geheimdienst in Haft. Im März 2010 wurde Berzani Karro von einem Militärgericht zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt. Er wurde der „versuchten Abspaltung von syrischem Territorium und dessen Angliederung an einen anderen Staat“ für schuldig befunden.
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Ein weiterer Fall ist der am 1. September 2009 von deutschen Behörden nach Syrien abgeschobene abgelehnte kurdische Asylbewerber Khalid Kandschu. Zwei Wochen nach seiner Rückkehr wurde er bei der Vorsprache beim Geheimdienst festgenommen und drei Wochen lang ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert, verhört und eigenen Angaben zufolge gefoltert und misshandelt. Im Rahmen seiner Verhöre wurden ihm auch Angaben aus seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgehalten (KURDWATCH, Meldung vom 29.08.2010). Gegen Kandschu wurde Anklage wegen „Verbreitung falscher Informationen im Ausland“ gemäß § 287 des syrischen Strafgesetzbuches vor dem Militärgericht erhoben. Anfang 2010 wurde Kandschu vorläufig aus der Haft entlassen. Das Verfahren gegen ihn vor dem Militärgericht wurde fortgesetzt. Er wurde in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von vier Monaten sowie einer geringfügigen Geldbuße verurteilt. Im Juli 2010 konnte Kandschu wieder in die Bundesrepublik einreisen und wurde als Asylberechtigter anerkannt.
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Amnesty international hat ferner den Fall des syrischen Kurden Abd al-Karim Hussein dokumentiert, der im August 2010 aus Norwegen abgeschoben wurde. Er wurde bei seiner Ankunft auf dem Flughafen Damaskus festgenommen. Abd al-Karim Hussein ist stellvertretender Direktor des Vereins syrischer Kurden in Norwegen, einer Nichtregierungsorganisation, die auf die Situation der kurdischen Minderheit in Syrien aufmerksam macht. Der an Diabetes erkrankte Hussein war zwei Wochen ohne Kontakt zur Außenwelt beim Geheimdienst in Damaskus inhaftiert. Berichten zufolge soll er bei der Haftentlassung aufgefordert worden sein, sich beim Geheimdienst in Aleppo zu melden, was ihn zur Flucht aus Syrien veranlasst hat.
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Nach einem weiteren von KURDWATCH dokumentierten Fall hatte die Ausländerbehörde Essen am 27. Juli 2010 eine sechsköpfige Familie nach Damaskus abschieben lassen. Hamza Hasan und Khalid Hasan wurden bei der Ankunft am Flughafen Damaskus von syrischen Sicherheitskräften festgenommen. Von den Abgeschobenen sind drei - Hamza, Mariam und Imad Hasan - in Deutschland geboren. Ihre Eltern hatten in Deutschland Asyl beantragt und dabei eine falsche Identität angegeben. Ursprünglich hatten sie behauptet, aus dem Libanon zu stammen und erst später ihre syrische Staatsangehörigkeit offenbart. Anscheinend wurden Hamza und Khalid Hasan festgenommen, da sie in Deutschland straffällig geworden waren. Unklar blieb, wer die syrischen Sicherheitskräfte über ihre Straffälligkeit informiert hat. Am 24. August 2010 wurde Hamza Hasan aus der Haft in Damaskus entlassen worden. Hasans Aussagen zufolge wurde er an drei unterschiedlichen Orten festgehalten - von welchen Sicherheitsorganen war für den in der Bundesrepublik geborenen Kurden nicht ersichtlich. Begründet wurde seine Festnahme damit, dass er in Deutschland wegen Diebstahls verurteilt worden sei und diese Strafe noch in Syrien ableisten müsse. Tatsächlich, so Hasan, sei die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden. Darüber hinaus sei ihm, ebenfalls unter Verweis auf seine aus Deutschland stammenden Akten, zu Unrecht Drogenabhängigkeit vorgeworfen worden (KURDWATCH, Meldung vom 7. September 2010).
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Nach seiner Abschiebung aus Dänemark wurde der staatenlose Kurde Amir Muhammad Dschan Ato am 15. November 2010 auf dem Flughafen Damaskus verhaftet. Ato war in Dänemark politisch aktiv (KURDWATCH, Meldung vom 21. November 2010).
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Mitglieder des Direktorats für politische Sicherheit in Syrien hatten am 4. Dezember 2010 Dschuan Yusuf Muhammad vorgeladen und festgenommen. Nach seiner Abschiebung aus Zypern im Juni 2010 hatte er am Flughafen Damaskus seinen Pass abgeben müssen. Es folgten mehrere Verhöre durch verschiedene Geheimdienste. In Zypern hatte Muhammad gemeinsam mit anderen kurdischen Flüchtlingen gegen seine Abschiebung demonstriert und an einem mehrtätigen Hungerstreik teilgenommen (KURDWATCH, Meldung vom 17.12.2010)
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Die Ausländerbehörde Hildesheim hatte am 1. Februar 2011 die registrierten Staatenlosen Badr Naso und seinen Sohn Anwar Naso nach Syrien abschieben lassen. Badr und Anwar Naso wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft in Damaskus festgenommen und der Auswanderungs- und Passbehörde überstellt. Anwar Naso wurde vorgeworfen, unrichtige Angaben zu seinem Alter gemacht zu haben. Er wurde bei der Auswanderungs- und Passbehörde festgehalten, wo er auf eine Identitätsbescheinigung aus Al-Hassake warten musste. Sein Vater wurde zunächst dem Direktorat für politische Sicherheit vorgeführt und dort verhört. Badr Naso wurde am 13. Februar 2011, sein Sohn am 3. März 2011 freigelassen (KURDWATCH, Meldungen vom 13.02.2011, 26.02.2011 und 15.03.2011).
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Am 8. Februar 2011 wurde Annas Abdullah von Dänemark über Wien nach Syrien abgeschoben. Obgleich Dänemark zuvor die Rücknahme Abdullahs zugesichert worden war, erhielt er am Flughafen Damaskus die Information, er könne nicht einreisen, da es sich bei ihm nicht um einen syrischen Staatsangehörigen handele. Entweder, er verlasse das Land oder er werde inhaftiert, bis seine Identität geklärt sei. Die drei dänischen Beamten, die Abdullah begleiteten, hielten daraufhin Rücksprache mit der dänischen Botschaft und erhielten die Anweisung, noch am selben Tag mit Abdullah nach Kopenhagen zurückzufliegen. In diesem Moment wurde Abdullah von einem Geheimdienstmitarbeiter erkannt, der einen Beitrag des kurdischen Senders Roj-TV gesehen hatte, in dem der Kurde im September 2010 als Sprecher von Hungerstreikenden aufgetreten war. Der Geheimdienstmitarbeiter nahm Abdullah mit in sein Büro und warf ihm vor, im Ausland falsche Informationen über Syrien verbreitet zu haben. Abdullah leugnete dies und behauptete, es handele sich bei ihm um eine andere Person, es sei doch gerade festgestellt worden, dass er kein syrischer Staatangehöriger sei. Daraufhin, so Abdullah gegenüber KURDWATCH, sei er von dem Geheimdienstmitarbeiter massiv mit Kabeln auf den Rücken geschlagen und gezwungen worden, ein Papier zu unterschreiben, dass er nicht wieder nach Syrien einreisen werde. Schließlich wurde er entlassen und flog noch am selben Tag mit den dänischen Beamten nach Kopenhagen zurück. In Dänemark angekommen informierte Abdullah die dänische Polizei über die erlittene Folter, die durch entsprechende Spuren auf seinem Rücken belegt sind (KURDWATCH, Meldung vom 29.03.2011).
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Nach seiner Abschiebung nach Syrien wurde am 13. April 2011 Khalid Hamid Hamid am Flughafen Damaskus festgenommen. Er war am 12. April 2011 in Lebach festgenommen worden, als er bei der dortigen Ausländerbehörde seine Duldung verlängern lassen wollte. Hamid hatte im Jahr 2002 einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Am 20. April 2011 wurde er in Damaskus aus der Haft entlassen. Nach seiner Abschiebung aus Deutschland war er eine Woche lang im Gefängnis der Fara Filastin, einer Abteilung des Militärischen Nachrichtendienstes, festgehalten worden. Dort war er zu seinen exilpolitischen Aktivitäten und zu in Deutschland lebenden Syrern verhört und dabei mit einer als „al kursi al almani“ („deutscher Stuhl“) bezeichneten Methode gefoltert worden, bei der das Opfer auf einem beweglichen Stuhl fixiert wird, der die Wirbelsäule nach hinten biegt (KURDWATCH, Meldungen vom 14.04.2011 und 28.04.2011).
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Ein weiteres gefahrbegründendes Moment besteht in dem Umstand, dass syrische Geheimdienste mit ihren Verbindungen zur syrischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland über ein Agentennetz verfügen, mit dem die im Ausland lebenden Syrerinnen und Syrer flächendeckend überwacht werden. Seit Beginn des „arabischen Frühlings“ hat sich nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes die Aktivität des syrischen Geheimdienstes in der Bundesrepublik Deutschland intensiviert. In der syrischen Botschaft in Berlin, die auch als Legalresidentur für Spionageaktivitäten fungiere, seien hauptamtlich abgetarnte Nachrichtendienstler beschäftigt, die ein Agentennetz in Deutschland führen. Bei der Anwerbung von neuen Agenten würden auch Repressalien angewandt. In Syrien lebende Angehörige könnten dabei auch als Druckmittel missbraucht werden (Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Verfassungsschutz des Abgeordnetenhauses von Berlin vom 15. Februar 2012 zum Thema „Aktivitäten des syrischen Geheimdienstes in Berlin“, Seite 4 f.). Anfang Februar 2012 hat die Bundesregierung vier syrische Diplomaten ausgewiesen, die ihm Verdacht stehen, an Einschüchterungsversuchen gegen Oppositionelle beteiligt gewesen zu sein. Ebenfalls Anfang Februar 2012 sind ein Deutsch-Libanese und ein syrischer Staatsangehöriger unter dem Verdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit (§ 99 StGB) für die Arabische Republik Syrien aufgrund vom Bundesgerichtshof erlassener Haftbefehle in Untersuchungshaft genommen worden. Die beiden sollen intensiv an der Ausforschung Oppositioneller beteiligt gewesen sein. Bei Demonstrationen hätten sie Teilnehmer fotografiert sowie Bilder und andere Informationen nach Damaskus weitergeleitet (vgl. Zeit Online vom 09.02.2012: „Deutschland weist vier syrische Diplomaten aus“; Tagesspiegel vom 09.02.2012: „Mutmaßliche Spione forschten Syrer in Berlin aus“; Zeit Online vom 10.02.2012: „Worauf die Syrer in Deutschland hoffen“; FAZ vom 11.02.2012: „Assad sieht dich - Syrische Spione in Berlin“ und Abgeordnetenhaus Berlin,“; zur fortdauernden Beobachtung der syrischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland: Dradio.de, Transkript eines Radioberichts vom 05.06.2012: „Warten im Niemandsland - Die syrische Opposition im Exil“). Hieran anschließend hat unter anderem das Innenministerium des Landes Sachsen-Anhalt mit Erlass vom 16. Februar 2012 die Ausländerbehörden aufgefordert, keinen Kontakt mehr mit syrischen Stellen zwecks Feststellung der Identität bzw. der Staatsangehörigkeit bei aus Syrien stammenden Ausländern aufzunehmen.
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Diese Einschätzung deutscher amtlicher Stellen über die umfassende Überwachung von im Ausland lebenden syrischen Staatsangehörigen durch im Ausland operierende syrische Geheimdienste deckt sich mit den Erkenntnissen von amnesty international. Im Ausland lebende Syrer werden systematisch von Angehörigen der syrischen Auslandsvertretungen oder anderen Personen im Auftrag der syrischen Regierung überwacht und eingeschüchtert. In einigen Fällen von im Ausland politisch aktiven Syrern wurden auch die in Syrien lebenden Familienangehörigen unter Druck gesetzt (vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 17.02.2012, S. 10).
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In einem Bericht von Anfang Oktober 2011 hat amnesty international exemplarisch 30 Fälle in acht Ländern - darunter auch Deutschland - dokumentiert („The long reach of the Mukhabaraat - violence and harassment against Syrians abroad and their relatives back home“), welche eine umfassende und systematische Überwachung der im Ausland lebenden Syrer belegen. Bereits objektiv vergleichsweise geringfügige Anlässe lösen Maßnahmen der syrischen staatlichen Stellen aus, welche sich auch gegen Familienangehörige in Syrien richten.
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So rief die in Chile lebende Syrerin Naima Darwish am 25. Februar 2011 auf ihrer Facebook-Seite zu einer Protestveranstaltung vor der syrischen Botschaft in Santiago auf. Nur zwei Stunden später erreichten sie Anrufe von Freunden, welche sie darüber unterrichteten, dass die syrische Botschaft versuche, ihre Telefonnummer in Erfahrung zu bringen. Zwei Tage nach dem Aufruf erhielt sie einen Anruf eines Botschaftsangehörigen, welcher sie aufforderte, in die Botschaft zu kommen. Nach dem dies durch Darwish abgelehnt wurde, fand ein Treffen außerhalb der Botschaft statt. Auf diesem Treffen wurde sie beleidigt und ihr damit gedroht, dass sie nicht mehr nach Syrien zurückkehren könne, wenn sie die oppositionellen Tätigkeiten fortsetze.
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Ferner wurde der Bruder des in Spanien lebenden Syrers Imad Mouhalhel, Aladdin, im Juli 2011 für vier Tage in Syrien inhaftiert. Nachdem Aladdin Mouhalhel offenbar gefoltert worden war, wurden ihm Fotos und Videos von Protesten vor der syrischen Botschaft in Spanien gezeigt und er wurde aufgefordert, seinen Bruder Imad unter den Teilnehmern der Demonstration zu identifizieren. Am 29. August 2011 wurde Aladdin erneut verhaftet und offenbar gezwungen, seinen Bruder Imad anzurufen und ihn aufzufordern, nicht mehr an den Protesten teilzunehmen. Imad und seine Familie haben seitdem kein Lebenszeichen von Aladdin erhalten.
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Malek Jandali, ein 38-jähriger Komponist und Pianist, war im Juli 2011 bei einer reformorientierten Versammlung vor dem Weißen Haus in Washington aufgetreten. Wenige Tage später wurden seine 66-jährige Mutter und sein 73 Jahre alter Vater in ihrem Haus in Homs von Sicherheitskräften angegriffen. Malek Jandali berichtete amnesty international, dass seine Eltern geschlagen und ins Badezimmer eingesperrt wurden, während ihre Wohnung von Agenten durchsucht und geplündert wurde. Man sagte ihnen, dies sei die Strafe dafür, dass sich ihr Sohn über die syrische Regierung lustig gemacht habe. Nach diesem Vorfall flüchteten seine Eltern aus Syrien.
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Einige Familien in Syrien wurden offenbar auch dazu gezwungen, ihre im Ausland lebenden Familienangehörigen öffentlich zu verleugnen. So wurde der Bruder der in Deutschland lebenden Sondos Sulaiman, die im Juni 2011 in einem Video bei YouTube zum Widerstand gegen den syrischen Präsidenten aufrief, im syrischen Staatsfernsehen gezeigt, wie er ihr Video denunzierte und sich abfällig über seine Schwester äußerte. Sondos Sulaiman ist davon überzeugt, dass ihr Bruder zu diesem Fernseh-Auftritt gezwungen wurde. Ihr war es seitdem nicht möglich, Kontakt zu ihrer Familie aufzunehmen, um herauszufinden, was mit ihnen, insbesondere mit ihrem Bruder, passiert ist.
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Ein weiteres gefahrbegründendes Element liegt in der innenpolitischen Eskalation der Lage in Syrien seit dem Frühjahr 2011. Ganz allgemein können die Ereignisse des „Arabischen Frühlings“ in anderen Ländern der Region als Anlass für die Demonstrationen in Syrien genannt werden (zur nachfolgend dargestellten Entwicklung in Syrien von Januar 2011 bis Januar 2012: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, „Syrien“, Januar 2012).
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Am 17. März 2011 kam es erstmals zu schweren Zusammenstößen in der südsyrischen Stadt Daraa. Die Sicherheitskräfte gingen z. T. gewaltsam (mit scharfer Munition und Tränengas) gegen die Demonstrierenden vor und töteten dabei in Daraa mehrere Demonstranten. Die Demonstranten hatten u. a. ein Ende des Ausnahmezustandes, mehr Freiheiten, die Entlassung politischer Gefangener und eine Bekämpfung der Korruption gefordert. Tausende demonstrierten auch an den Folgetagen. Die Unruhen verbreiteten sich, auch aufgrund der gewaltsamen Reaktion des Regimes auf die Demonstrationen, in der Folgezeit landesweit (u. a. in Damaskus, Homs, Aleppo, Deir al-Zor, Banjas und anderen Städten), wobei die Stadt Daraa zunächst zum Brennpunkt der Unruhen wurde. Die Regierung reagierte auf die Demonstrationen auf der einen Seite mit brutaler Gewalt, versuchte auf der anderen Seite aber auch konziliante Töne anzuschlagen. Am 20. März 2011 wurden z. B. 15 inhaftierte Kinder freigelassen. Präsident Assad entließ auch den Gouverneur der Provinz Daraa wegen „krasser Fehler beim Umgang mit Protesten in der Region“. In der Folgezeit breiteten sich die Demonstrationen im ganzen Land aus (im Süden, in Damaskus, in der Hafenstadt Latakia, Tafas und in Homs), wobei es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten kam, bei denen es Tote und Verletzte gab. Die Protestbewegung, die sich auch mit Hilfe des Internetnetzwerkes Facebook organisierte, forderte u. a. demokratische Reformen, Aufhebung des Ausnahmezustandes, Achtung der Menschenrechte und freie Meinungsäußerung. Zahlreiche Verhaftungen wurden durchgeführt. Als Reaktion auf die landesweiten Unruhen wurden z. T. Reformen versprochen und das Kabinett des Ministerpräsidenten Naji Otri trat am 29. März 2011 zurück. Am 3. April 2011 beauftragte Präsident Assad den bisherigen Agrarminister, Adel Safar, mit der Bildung einer neuen Regierung. Um den Kurden in der gespannten Situation entgegen zu kommen, entschied Präsident Assad am 7. April 2011 mit Dekret 49/2011, dass die im Ausländerregister der Provinz Hassake eingetragenen Ausländer (ajanib) die Staatsbürgerschaft Syriens erhalten. Am 19. April 2011 beschloss die syrische Regierung die Aufhebung der seit 1963 geltenden Notstandsgesetze. Auch das Staatssicherheitsgericht wurde abgeschafft und ein Gesetz beschlossen, das friedliche Demonstrationen erlaubt.
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Trotz dieser Zugeständnisse gingen die Demonstrationen jedoch weiter und weiteten sich u. a. auch auf die Provinz Idlib und auf den kurdisch geprägten Nordosten aus. Den Druck auf die Opposition in Syrien lockerte die Führung in Damaskus nicht. Auch das gewaltsame Vorgehen des Regimes und seine Repressionsmaßnahmen hielten an. Im April 2011 verschärfte die syrische Regierung mit einem großen Militäreinsatz erneut ihr Vorgehen gegen Regimegegner.
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Armeeeinheiten stürmten am 25. April 2011 Daraa, wobei Artillerie und Scharfschützen beteiligt waren. Elektrizität und alle Kommunikationsmöglichkeiten in der Stadt wurden unterbrochen, die Bewegungsfreiheit dadurch eingeschränkt, dass Heckenschützen das Feuer auf jeden eröffneten, der versuchte sein Haus zu verlassen. Auch im Mai 2011 gingen die Proteste weiter, obwohl die größeren Städte und Protesthochburgen Banjas, Daraa und Homs abgeriegelt, Moscheen besetzt und zentrale Plätze abgesperrt worden waren. Die Armee weitete ihre Operationen entlang der Küstenlinie aus, Truppen zogen sich außer in den bereits genannten Städten z. B. auch in Hama oder in kleineren Dörfern zusammen. Kontrollstellen wurden eingerichtet, Strom, Wasser und Telefonleitungen wurden immer wieder abgeschaltet. Auch Mobiltelefone, Festnetz und Internet wurden sporadisch blockiert. Nachdem zunächst hauptsächlich am Freitagabend protestiert worden war, wurden die Demonstrationen auch auf andere Tage nach Sonnenuntergang verlegt. Mitte Mai 2011 kreisten schwer bewaffnete Sicherheitskräfte die Kleinstadt Tell Kalakh in der Nähe der libanesischen Grenze ein. Aus Angst versuchten viele Menschen in Richtung Libanon zu fliehen, darunter Familien, wobei sie von syrischen Kräften beschossen und zum Teil tödlich getroffen wurden. Ende Mai 2011 trat nach einem Erlass Assads eine Generalamnestie für alle politischen Gefangenen in Kraft, darunter auch für Angehörige der Muslimbruderschaft. Auch im Juni 2011 hielten die Unruhen und ihre gewaltsame Bekämpfung an. Während der ersten drei Monate der Proteste sollen mehr als 1.300 Personen getötet und ca. 10.000 - 12.000 verhaftet worden sein.
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Mitte Juni 2011 führte die syrische Armee Razzien in den grenznahen Dörfern durch und begann mit der Abriegelung von grenznahen Gebieten, um das Absetzen weiterer Flüchtlinge in die Türkei zu verhindern.
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In seiner dritten Rede an die Nation während der Krise schlug Präsident Assad am 20. Juni 2011 einen „nationalen Dialog“ vor und versprach Änderungen der Verfassung, ein neues Wahl- und Mehrparteiengesetz sowie Schritte gegen die Korruption. Die Aktivisten lehnten einen Dialog „mit Mördern“ ab, die Unruhen in Homs, Hama und Latakia, aber auch in den Vororten von Damaskus gingen weiter. An der Universität in Aleppo wurden mehr als 200 Studenten festgenommen. Angehörige des militärischen Geheimdienstes kontrollierten die Straßen. Der syrische Präsident setzte im Juni 2011 auch eine Generalamnestie in Kraft, die für alle vor dem 20. Juni begangenen Straftaten gelten sollte, so die amtliche syrische Nachrichtenagentur Sana. Streitkräfte des syrischen Regimes rückten am 23. Juni 2011 in Khirbet al-Jouz ein und weiter in Richtung der syrischen Grenzdörfer vor. Soldaten und Angehörige der Schabihha-Miliz sollen mit Namenslisten durch das Dorf gegangen und Häuser von Anti-Regime-Aktivisten zerstört haben. Als Anführer der Schabihha-Milizen gelten die Cousins des Präsidenten Assad, Fawaz und Munhir Assad; aus diesem Grund gehörten sie zu den ersten Regimeangehörigen, die von der Europäischen Union im Frühjahr 2011 mit Sanktionen belegt wurden. Die Miliz wird meist im „Windschatten“ der Streitkräfte aktiv; wenn ein Ort durch das Militär unterworfen wurde, plündert und mordet die Schabihha-Miliz im Anschluss daran. Sie richtet auch die Soldaten hin, die sich weigerten, auf die eigenen Bürger zu schießen. Sie rekrutieren sich aus Angehörigen der alawitischen Glaubensgemeinschaft.
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Am 30. Juni /1. Juli 2011 wurden erstmals aus Aleppo größere Proteste gemeldet, an denen über 1.000 Demonstranten teilgenommen haben sollen. Es kam zu zahlreichen Festnahmen. Am 01. Juli 2011 sollen sich in Hama bis zu 300.000 oder sogar 500.000 Demonstranten getroffen haben. Die Sicherheitskräfte griffen zunächst nicht an, sondern beschränkten sich darauf, Checkpoints zu errichten und die Zugänge zur Stadt zu kontrollieren. Am 04. Juli 2011 kamen 30 Busse mit regimetreuen Milizionären, die 250 Menschen verhaftet und drei erschossen haben sollen; Panzer bildeten einen Belagerungsring um die Stadt. Präsident Assad erließ weitere personelle Maßnahmen, so entließ er am 2. Juli 2011 den Gouverneur der Provinz Hama, nachdem bereits die Gouverneure in den Provinzen Daraa und Homs hatten gehen müssen. Am 08. Juli 2011 demonstrierten in mehreren Städten Syriens (u.a. in Hama und Damaskus) erneut Hunderttausende, wobei mindestens 15 Personen erschossen worden sein sollen, rund 200 Menschen sollen an dem Wochenende verhaftet worden sein.
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Am 22. Juli 2011 und dem nachfolgenden Wochenende setzten sich die Demonstrationen fort; in Damaskus, Homs und Hama gingen Hunderttausende auf die Straße und wurden von den Truppen bekämpft. In Damaskus soll die Armee in einigen Stadtteilen Straßensperren errichtet haben, Hunderte sollen festgenommen worden sein. In Hama sollen 650.000 Menschen demonstriert haben, in Deir al-Zor ca. eine halbe Million, auch in Latakia, Homs, Daraa, Vororten von Damaskus und in zahlreichen kurdischen Orten sollen große Proteste stattgefunden haben. In Homs sollen vom 18. Juli bis 23. Juli 2011 durch Beschuss von Wohnvierteln und Scharfschützen auf den Dächern mindestens 50 Personen getötet worden sein. Auch in den Kurdengebieten soll es Auseinandersetzungen gegeben haben. Präsident Assad kündigte ein Mehrparteiensystem an, die Parteiprogramme dürften jedoch keine Sonderstellung einzelner Religionsgruppen oder Ethnien beinhalten.
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Nachdem die Stadt fast einen Monat belagert worden war, begannen am Morgen des 31. Juli 2011 syrische Truppen mit einer Militäroffensive gegen die Stadt Hama. Spezialisten kappten zunächst die Strom- und Wasserversorgung, danach sollen Panzer in Wohngebieten und Scharfschützen auf Dächern nach Augenzeugenberichten auf alles gefeuert haben, was sich bewegte. Auch in anderen Landesteilen kam es zu Angriffen mit Panzern, u. a. in Harak, in der südlichen Provinz Daraa, in Deir al-Zor und einem Vorort von Damaskus, landesweit soll es mindestens 140 Tote gegeben haben. Der syrische Präsident Assad verteidigte das Vorgehen als Reaktion auf eine Verschwörung mit dem Ziel der Zerschlagung Syriens.
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Die syrische Regierung erließ laut Meldung vom 25. Juli 2011 ein neues Parteiengesetz, das die freie Gründung von politischen Parteien gestattet, wenn sie sich nicht auf konfessioneller, ethnischer, clanmäßiger, regionaler oder berufsständischer Grundlage befinden. Neue Parteien, die mindestens 1.000 Mitglieder haben müssen, müssen die geltende Verfassung (und damit die „führende Rolle“ der Baath-Partei) respektieren und die Gründung muss von einem Komitee des Justizministeriums genehmigt werden. Auch Wahlgesetze wurden im August 2011 in Kraft gesetzt. Die Opposition lehnte die Gesetze jedoch ab und forderte weiterhin den Rücktritt des Präsidenten und echte politische Reformen in Syrien. Seit Beginn des Fastenmonats Ramadan am 01. August 2011 verstärkte der syrische Präsident die Offensive gegen Regimegegner, wobei es täglich zu weiteren Demonstrationen kam, in deren Verlauf es jeweils zu zahlreichen Todesopfern kam. Am 14. August 2011 griffen syrische Sicherheitskräfte von Kanonenbooten aus mehrere Bezirke der Stadt Latakia an, gleichzeitig stürmten Bodentruppen einige Viertel der Stadt. Mindestens 26 Zivilisten sollen dabei nach Angaben der Syrischen Nationalen Organisation für Menschenrechte getötet worden sein, darunter eine Zweijährige. Angegriffen wurde auch ein Viertel mit einem palästinensischen Flüchtlingslager, aus dem Tausende flohen. Am 20. August 2011 rückte die syrische Armee erneut in Homs ein, obwohl der syrische Präsident dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon gegenüber am 18. August 2011 versichert hatte, die Militäroffensive sei beendet. Am 21. August 2011 lehnte Präsident Assad Rücktrittsforderungen ab und warnte vor einer ausländischen Intervention. Er kündigte eine Verfassungsreform und Neuwahlen im Februar 2012 an.
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Nach UN-Informationen sollen seit Beginn der Proteste gegen das Assad-Regime im März bis Anfang September 2011 2.600 Menschen getötet worden sein, die meisten von ihnen friedliche Demonstranten. Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sollen außerdem mehr als 70.000 Menschen festgenommen worden sein, von denen zum damaligen Zeitpunkt noch 15.000 in Haft gewesen seien.
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Nach der Ermordung des bekannten kurdischen Oppositionspolitikers Mishaal Tammo am 7. Oktober 2011 nahmen an seinem Trauerzug am 08. Oktober 2011 in Qamishli ca. 50.000 Personen teil, so viele wie nie zuvor in den kurdischen Regionen in Syrien. Syrische Sicherheitskräfte sollen in die Menge gefeuert haben, mindestens zwei Personen sollen getötet worden sein. Für die Ermordung Tammos wurde von Beobachtern das syrische Regime verantwortlich gemacht. Aufgrund der Ermordung Tammos wurden am Wochenende (08.10./09.10.2011) syrische Botschaften im Ausland angegriffen, u.a. in London, Berlin und Wien, wobei erheblicher Sachschaden entstand. Auch die syrische UNO-Mission in Genf wurde am 08. Oktober 2011 von kurdischen Syrern attackiert, es kam zu fünf Festnahmen. In Berlin stürmten rund 30 Demonstranten die Botschaft, in Wien wurden elf Personen festgenommen. Auch das Gebäude des syrischen Honorarkonsulats in Hamburg wurde in der Nacht zum 09. Oktober 2011 von 30 Regimegegnern gestürmt.
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Am 27. Oktober 2011 begann die syrische Armee damit, an der Grenze zum Libanon in der Provinz Homs und in mindestens einem weiteren Landesteil Minen zu verlegen. Die syrischen Behörden gaben an, den Waffenschmuggel aus dem Libanon damit eindämmen zu wollen, während es auch als Zeichen dafür gewertet werden kann, dass die syrische Regierung verhindern wollte, dass der Libanon ein Rückzugsgebiet für die syrische Opposition wird. Obwohl die syrische Regierung dem Friedensplan der Arabischen Liga, der u. a. den Rückzug des Militärs aus den syrischen Städten und die Freilassung aller politischen Gefangenen vorsieht, am 2. November 2011 zugestimmt hatte, wurde von den syrischen Truppen weiterhin mit Gewalt gegen Aktivisten vorgegangen. Soldaten feuerten auf Gläubige, die zu Beginn des Opferfestes die Moscheen verließen, um gegen das syrische Regime zu protestieren. Besonders betroffen war der Norden des Landes.
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Nach der Zustimmung Syriens zum Friedensplan der Arabischen Liga am 2. November 2011 verschärfte das Regime sein Vorgehen gegen die Demonstranten. Im Anschluss sollen innerhalb von zwei Wochen mehr als 250 Menschen getötet worden sein, allein in Homs über 104. Es wurde befürchtet, dass der November 2011 zum „blutigsten Monat“ seit Beginn der Proteste im März werden könnte. Die Anzahl der bei den Unruhen Getöteten soll Anfang November nach Schätzungen der Vereinten Nationen bei mehr als 3.500 Personen gelegen haben. Am 2. Dezember 2011 untersagte die syrische Regierung den Bürgern die Nutzung von iPhone-Mobiltelefonen, um zu verhindern, dass Videos ins Internet gestellt werden.
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Ein Aufruf zum Generalstreik am 11. Dezember 2011, mit dem die Opposition in Syrien den Druck auf das Regime verstärken wollte, soll in vielen Städten befolgt worden sein, u. a. blieben in den Provinzen Daraa und Idlib und in den Städten Homs und Harasta viele Geschäfte geschlossen. Es soll Gefechte in Idlib und Daraa gegeben haben. Die Opposition forderte auch zu einem Boykott der für den 12. Dezember 2011 geplanten Kommunalwahlen auf. Am 12. Dezember 2011 gab die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Pillay an, dass durch das gewaltsame Vorgehen der syrischen Regierung die Zahl der ums Leben gekommenen Personen auf mehr als 5.000, darunter mindestens 300 Kinder, angewachsen sei.
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Bei zwei Selbstmordanschlägen in der Hauptstadt Damaskus wurden am 23.Dezember 2011 nach offiziellen Angaben 44 Menschen getötet und 166 verletzt. Die Sicherheitskräfte begannen mit einer groß angelegten Suche nach den Tätern. Es kam zu zahlreichen Verhaftungen. Die Regierung erklärte, dass es sich bei den Unruhen im Land nicht um einen Volksaufstand, sondern um das Werk von Terroristen handele.
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Die Arabische Liga entsandte eine erste offizielle Beobachtermission mit zunächst mehr als 50 Beobachtern am 26. Dezember 2011 nach Syrien.
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In einer Rede am 10. Januar 2012 stellte der syrische Präsident Assad erneut Reformen in Aussicht, u. a. kündigte er für März ein Referendum über eine neue Verfassung an, und führte die Proteste im Land auf eine „internationale Verschwörung“ und auf ausländische Einmischung zurück. Er kritisierte auch die Arabische Liga und die Golfstaaten. Nach dem öffentlichen Auftritt Assads nahmen die Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und Regimegegnern zu. Am 15. Januar 2012 erließ Präsident Assad eine Generalamnestie für die seit Beginn der Protestwelle begangenen Straftaten, von der friedliche Demonstranten, inhaftierte Besitzer nicht registrierter Waffen, diejenigen, die ihre Waffen bis Ende Januar abgeben, und Deserteure betroffen sein sollen, die sich bis Ende Januar selbst stellen.
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Ende Januar 2012 unterbrach die Arabische Liga nach etwas über einem Monat ihre Beobachtermission in Syrien, deren erklärtes Ziel die Beendigung der Gewalt im Land war. Mitglieder der Mission gaben unterschiedliche Einschätzungen der Lage in Syrien ab, einige beendeten ihre Teilnahme sogar vorzeitig (Zeit Online vom 30.01.2012).
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Ein weiterer Versuch, im UN-Sicherheitsrat eine Resolution zur Verurteilung der Gewalt in Syrien zu verabschieden, scheiterte bei der Abstimmung am 4. Februar 2012 am Veto Russlands und Chinas. Der Resolutionsentwurf war zuvor schon abgeschwächt worden, um ein Veto zu verhindern. Westliche Staaten und der oppositionelle Syrische Nationalrat verurteilten das Verhalten der beiden Vetomächte scharf (Zeit Online vom 04.02.2012).
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Der 4. Februar 2012 wurde zudem zu einem der bisher blutigsten Tage in Syrien, als die syrische Armee die Stadt Homs bombardierte. Nach verschiedenen Angaben von Aktivisten wurden dabei 55 – 200 Menschen getötet. Seit dem 4. Februar 2012 befand sich die Stadt unter kontinuierlicher Bombardierung (Zeit Online vom 08.02.2012).
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Nach der ersten Beobachtermission der Arabischen Liga trat deren Leiter General al-Dabi am 12. Februar 2012 zurück. In seinen Berichten über die Arbeit der Beobachter in Syrien hatte er die erfolgreiche Mitarbeit der syrischen Behörden gelobt und darauf verwiesen, dass bewaffnete Extremisten und Söldner gegen die syrischen Militärs vorgingen (Zeit Online vom 12.02.2012).
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Am 15. Februar 2012 kündigte die syrische Regierung ein Verfassungsreferendum für den 26. Februar 2012 an. Die neue Verfassung solle die Gründung von Parteien vereinfachen. Gleichzeitig bombardierte die Regierung nach Angaben von Oppositionellen die Stadt Homs. In Damaskus kam es am 18. Februar 2012 zu einer großen Demonstration, die sich aus einem Begräbnis von Toten des Vortages entwickelte. Es handelte sich um eine der größten Demonstrationen in Damaskus seit Beginn des Aufstandes. Auch diese Demonstration wurde durch Sicherheitskräfte beschossen (Zeit Online vom 19.02.2012).
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Am 24. Februar 2012 wurde bekanntgegeben, dass der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan von den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga zum Sondergesandten für Syrien ernannt wurde, der zwischen den Oppositionellen und der Regierung vermitteln soll. Am selben Tag erhielten Nothelfer des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds erstmals Zugang nach Homs, um Verletzte sowie Frauen und Kinder zu versorgen bzw. zu evakuieren. Die Rettungseinsätze wurden am 26. Februar 2012 - nach erfolglosen Verhandlungen über einen sicheren Korridor zur Evakuierung von Verletzten aus Homs - wieder eingestellt (Zeit Online vom 29.02.2012).
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Das nur 10 Tage zuvor angekündigte Referendum über eine neue Verfassung fand am 26. Februar 2012 statt. Die Opposition hatte zuvor zum Boykott des Referendums aufgerufen (Zeit Online vom 27.02.2012).
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Erstmals wurden auch Flüchtlinge auf türkischen Boden nahe der Grenze von syrischen Soldaten getötet (Zeit Online vom 09.04.2012). Am 21. April 2012 sprach sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der Resolution 2043 einstimmig dafür aus, die Zahl der Beobachter von 30 auf 300 zu erhöhen. Diese sollten jedoch erst nach Syrien reisen, wenn UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Waffenruhe als hinreichend stabil bewertet. Bei den Beobachtern im Rahmen der United Nations Supervision Mission in Syria (UNSMIS) handelt es sich durchweg um unbewaffnete Soldaten, die den Waffenstillstand zwischen den Truppen Assads und den Oppositionellen überwachen sollen. Zuvor hatten in der ersten Feuerpause seit mehreren Wochen internationale Beobachter die Stadt Homs besucht (Zeit Online vom 21.04.2012).
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Ungeachtet der Entsendung der UN-Beobachter kam es zu Bombenanschlägen in Aleppo und Damaskus. Bei einer Doppelexplosion in der Hauptstadt Damaskus starben am 10. Mai 2012 70 Menschen. Es war der schwerste Anschlag seit dem Ausbruch der Proteste im März 2011 (Zeit Online vom 10.05.2012).
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Nachdem es am 25. Mai 2012 zunächst zu Schusswechseln zwischen Regierungstruppen und Aufständischen gekommen war, beschossen die Truppen des Regimes die Siedlung Taldo bei Hula in der Provinz Homs mit Artillerie. UN-Beobachter bestätigten den Tod von 116 Menschen, darunter mindestens 32 Kinder, sowie die Zahl von etwa 300 Verletzten. Syriens Regierung wies Beschuldigungen zurück, dass das Massaker von der Armee verübt worden sei. Das syrische Außenministerium gab an, „Hunderte von Kämpfern“ hätten angegriffen und dabei „schwere Waffen wie Granatwerfer, Maschinengewehre und Panzerabwehrraketen verwendet, die seit Neuestem in der Konfrontation mit den staatlichen Sicherheitskräften eingesetzt“ würden (Zeit Online vom 26.05. und 28.05.2012).
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Am 29. Mai 2012 wiesen mehrere Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und die Vereinigten Staaten den jeweils ranghöchsten syrischen Diplomaten aus Protest gegen das Massaker in Hula aus (Zeit Online vom 29.05.2012).
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Am 3. Juni 2012 sprach Assad erstmals nach dem Massaker von Hula vor dem syrischen Parlament. Er sagte Syrien befinde sich in einem echten Krieg und er würde die „Schlacht gegen Terroristen“ fortsetzen. Als Reaktion auf die Ausweisung syrischer Diplomaten aus zahlreichen Staaten Ende Mai wurden zahlreiche westliche Diplomaten am 5. Juni 2012 des Landes verwiesen (Zeit Online vom 03.06 und 05.06.2012).
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Am 7. Juni 2012 berichteten Oppositionsgruppen über ein Massaker im Dorf Al-Kobir welches sich in der Provinz Hama befindet. UN-Beobachter, die sich auf dem Weg nach Al-Kobir befanden, wurde die Weiterfahrt seitens der Regierungstruppen untersagt. Berichten zufolge gerieten sie unter Beschuss (Zeit Online vom 07.06.2012). Aufgrund der anhaltenden Gewalt wurde die UN-Beobachtermission am 16. Juni 2012 ausgesetzt (Zeit Online vom 16.06.2012).
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Anfang Juli 2012 hat der syrische Präsident neue sog. Anti-Terror-Gesetze erlassen. Gründer oder Führer einer terroristischen Vereinigung müssen demnach mit bis zu 20 Jahren Zwangsarbeit rechnen. Die Strafe könne aber noch härter ausfallen, sollte es das Ziel sein, die Regierung oder die Staatsform zu ändern, hieß es. Mitgliedern einer Terrorgruppe drohen bis zu sieben Jahre Haft. Werden bei den begangenen Taten Menschen verletzt oder getötet, kann zudem die Todesstrafe verhängt werden. Die Unterstützung von Terrorgruppen mit Geld, Waffen oder Kommunikationsmitteln kann mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden (Zeit Online vom 02.07.2012).
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Ein weiteres, eine Verfolgungsgefahr begründendes Moment ist darin zu sehen, dass die syrischen Behörden insbesondere seit Beginn des Jahres 2012 vergleichsweise geringfügige Umstände ausreichen lassen, damit ein Betroffener in den Verdacht einer oppositionellen Haltung gerät und damit der reellen Gefahr von Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des Artikel 9 QRL ausgesetzt ist.
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So heißt es schon in dem Ad-hoc-Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 17. Februar 2012, dass Oppositionsgruppen im Jahr 2011 mehrfach Anträge zur Genehmigung von Mahnwachen gestellt haben, die mit einer Ausnahme sämtlich abgelehnt worden seien. Demonstrationen der Opposition werden grundsätzlich nicht genehmigt. Vielmehr werden Demonstrationen, die sich gegen das Regime richten, gewaltsam von staatlicher Seite bekämpft, d.h. Sicherheitskräfte und Schabihha-Milizen gehen mit Schlag- und Schusswaffen gegen Demonstranten vor. Regelmäßig werden auch Scharfschützen eingesetzt, die wahllos auf Menschen schießen. Glaubhaften Informationen syrischer Menschenrechtsverteidiger zufolge komme es auch zur Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte und staatlich organisierte Milizen gegen Teilnehmer von Beerdigungszügen für Opfer staatlicher Gewalt. In den letzten Monaten haben zahlreiche Akteure der Zivilgesellschaft und des Menschenrechtsbereiches zu ihrem eigenen Schutz auf legalem oder illegalem Weg auf Grund der Bedrohungslage Syrien verlassen. Unliebsame öffentliche Äußerungen werden auf Grundlage des Strafgesetzes verfolgt (insbesondere nach Art. 285 und 286, die „Propaganda zur Schwächung nationaler Gefühle“ bzw. das „Verbreiten falscher Informationen“ unter Strafe stellen). Im Sommer 2011 wurde ein neues Mediengesetz erlassen, das das syrische Pressegesetz von 2001 ersetzt. In dem neuen Gesetz wird das Recht des Bürgers auf Information anerkannt und die Reichweite der Zensur eingeschränkt. Allerdings werden die Medienvertreter zur „wahrheitsgemäßen Berichterstattung“ verpflichtet. Faktisch habe sich nach Auffassung des Auswärtigen Amtes die Pressefreiheit jedoch nicht verbessert. Der Raum für Meinungs- und Pressefreiheit habe sich in den letzten Monaten vielmehr stark verringert: Filmemacher, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und „citizen journalists“, die über die Aktivitäten der Opposition, die Anti-Regime-Demonstrationen sowie die staatliche Repression zu berichten versuchen, werden verfolgt, festgenommen, angegriffen oder sogar ermordet. Unter Menschenrechtsverteidigern ist der Eindruck verbreitet, dass das Regime mit besonderer Härte gegen diejenigen Personen vorgehe, denen nachgewiesen werden könne, dass sie Informationen über die Lage im Land an ausländische Medien weitergeben würden. In den letzten zehn Monaten (von Februar 2012 an gerechnet) sind zahlreiche Journalisten in Syrien inhaftiert und mehrere Medienvertreter getötet worden. Internetnutzung wird mit ausgefeilter Software überwacht und reguliert. In Regionen und Stadtteilen, in denen Operationen von Sicherheit und Militär liefen, werden Internet- und Telekommunikationsverbindungen oft tagelang abgestellt. In dem Lagebericht wird ausgeführt, dass obwohl die syrische Verfassung und das syrische Strafrecht Folter verbiete und Syrien das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 ratifiziert hat, Polizei, Justizvollzugsorgane und Sicherheitsdienste systematisch Gewalt anwenden. Die Gefahr körperlicher und seelischer Misshandlung sei nach Auffassung des Auswärtigen Amtes in den Verhörzentralen der Sicherheitsdienste, zu denen weder Anwälte noch Familienangehörige Zugang haben, als besonders hoch einzustufen. Personen, die unter dem Verdacht oppositioneller Umtriebe stehen, sind ebenfalls einem hohen Folterrisiko ausgesetzt. Seit März 2011 sind zahlreiche Fälle von Tötungen im Gewahrsam der Sicherheitsdienste belegt. Offizielle Angaben zu Todesfällen in Folge von Gewaltanwendung in syrischen Haftanstalten gibt es nicht. Es bestehen nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes keine Möglichkeiten einer effektiven strafrechtlichen Verfolgung von Folter oder anderen kriminellen Handlungen durch Sicherheitskräfte. Bereits vor März 2011 habe es Hinweise dafür gegeben, dass Personen, die sich über die Behandlung durch Sicherheitskräfte beschwerten, Gefahr liefen, dafür strafrechtlich verfolgt zu werden. Vieles deutet nach Auffassung des Auswärtigen Amtes darauf hin, dass im Zuge der Bekämpfung der Oppositionsbewegung die Sicherheitsdienste und die Schabihha-Miliz vom Regime eine Art „carte blanche“ erhalten hätten.
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Amnesty international hat in dem Bericht vom 14. Juni 2012 („Deadly Reprisals: Deliberate killings and other abuses by Syria´s armed forces“) nicht nur die zunehmend massiver werdende Anwendung von militärischer Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung, sondern auch bestimmte Muster von politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen geschildert. Die Maßnahmen der syrischen Armee und der regimetreuen Milizen richten sich in erster Linie gegen Ortschaften, in denen aus Sicht der Regierung oppositionelle Personen leben oder dies nur vermutet wird. Die Aktionen beginnen in der Regel so, dass zunächst mit Artillerie und Gewehrfeuer in die Orte geschossen wird. Ist aus Sicht der Regierungseinheiten nicht mehr mit nennenswertem Widerstand zu rechnen, gehen reguläre Soldaten und Milizionäre von Haus zu Haus, brennen die Häuser nieder und töten häufig wahllos die Einwohner. Nach Einschätzung der Regierungstruppen ist allein der Umstand, dass Personen in einem Ort leben, in denen Oppositionelle vermutet werden, Grund für eine willkürliche Verhaftung oder Ermordung (S. 9 und 11 f. des Berichts). Anlass für Verhaftung und Ermordung kann auch das Tragen von Kleidungsstücken sein, welche aus Sicht der Regierungseinheiten bevorzugt von den bewaffneten Oppositionsgruppen getragen werden (Bericht, S. 17).
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Auch in dem Bericht des United Nations High Commissioner for Human Rights (Bericht zur Lage in Syrien vom 24. Mai 2012) wird geschildert, dass Anknüpfungspunkt für eine auf der Vermutung der oppositionellen Haltung beruhende Verhaftung, Folter und Bestrafung bereits der Umstand sein kann, dass eine Person in unmittelbarer Nachbarschaft oder in einem Ort lebt, in dem sich Personen aufhalten sollen, die gegen die syrische Regierung eingestellt sind (dort Randziffer 10). Ferner wird in dem Bericht der Fall eines Mannes geschildert, der allein aufgrund des Umstandes, dass er eine größere Menge Geld besaß, unter dem Verdacht der oppositionellen Haltung und des Waffenschmuggels zugunsten der bewaffneten Rebellengruppierungen festgenommen und gefoltert wurde (dort Randziffer 13).
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Human Rights Watch schildert bereits in seinem im Dezember 2011 erschienenen Bericht „By all means necessary!“ die Verhaftung und Folter von Rechtsanwälten und Journalisten, welche die Proteste unterstützen, aber auch von Ärzten und Pflegepersonal, welche verdächtigt wurden, verletzte Demonstrationen in Privathäusern oder provisorischen Feldlazaretten versorgt zu haben (Bericht S. 16 und 51). Ausreichend für eine Verhaftung und anschließende Foltermaßnahmen in der Region Hama waren bereits „verdächtige Blicke“ und „freche“ Antworten gegenüber Soldaten (Bericht S. 45).
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In dem im Juli 2012 erschienenen Bericht von Human Rights Watch „Torture Archipelago“ wird anhand einer Vielzahl von Einzelbeispielen ausgeführt, dass Ziel der Folter in den z. T. provisorischen Hafteinrichtungen der staatlichen Stellen nicht die Gewinnung von Informationen, sondern die Einschüchterung und Bestrafung von als illoyal gegenüber der syrischen Regierung angesehenen Personen ist. Auch in diesem Bericht werden im Grunde belanglose Handlungen und Äußerungen von Inhaftierten geschildert, welche jeweils Foltermaßnahmen nach sich gezogen haben. So wird der Fall eines in Idlib Verhafteten geschildert, welcher in einem Verhör die bei den Demonstrationen Getöteten als „Märtyrer“ bezeichnet hatte und daraufhin Elektroschocks erhielt. Diese Maßnahme wurde erst eingestellt, nachdem er erklärt hatte, dass er die Getöteten nicht mehr als Märtyrer, sondern nur noch als tote Personen bezeichnen werde.
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Der Senat geht bei einer Gesamtschau davon aus, dass der syrische Staat infolge einer sämtliche Lebensbereiche umfassenden autoritären Struktur und seiner totalitären Ausrichtung in so hohem Maße unduldsam ist, dass er schon im Grunde belanglose Handlungen wie die illegale Ausreise, die Asylantragstellung und den langjährigen Aufenthalt im Ausland als Ausdruck einer von seiner Ideologie abweichenden illoyalen Gesinnung ansieht und zum Anlass von Verfolgungsmaßnahmen nimmt.
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Der Auffassung der Beklagten, eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer politischen Verfolgung allein wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung und des längeren Aufenthalts im Ausland könne bei der erforderlichen Anwendung der anzuwendenden Maßstäbe mangels Referenzfällen nicht festgestellt werden, berücksichtigt nicht hinreichend die aktuelle Situation seit Erlass des Abschiebungsstopps im Frühjahr 2011. Wenn Asylsuchende abgeschoben würden, wäre tatsächlich die Häufigkeit von Verfolgungsmaßnahmen in Syrien allein anknüpfend an die vorgenannten Aspekte nach den oben dargestellten Kriterien für die Feststellung einer Verfolgungswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Die Beklagte selbst hat jedoch in Reaktion auf die eskalierende Lage in Syrien die Möglichkeit der Feststellung solcher Referenzfälle verhindert, indem sie mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 28. April 2011 an die Länderinnenverwaltungen geraten hat, von Abschiebungen nach Syrien vorläufig abzusehen. Sonstige Erkenntnismöglichkeiten zur Frage der Behandlung von Rückkehrern durch Auskünfte anderer Stellen sieht die Beklagte offenkundig auch nicht. Ebenso bestätigt das Auswärtige Amt, dass wegen fehlender Rückführungen keine aktuellen Erfahrungswerte bezüglich eines etwaigen Verhaltens der syrischen Sicherheitsbehörden gegenüber zurückgeführten abgelehnten Asylbewerbern vorliegen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht Augsburg vom 02.11.2011). Die Gefahrendichte ist also nicht mangels hinreichender Referenzfälle zu verneinen, vielmehr kann sie nur nicht durch Referenzfälle nachgewiesen werden, weil die deutschen wie auch andere europäische Behörden Abschiebungen nach Syrien zur Zeit nicht vornehmen (so ausdrücklich zur Gefahr der Folter im Rahmen von Verhören: OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 14.02.2012 - 14 A 2708/10.A -, juris). Der Senat hat daher auf der Basis der vorgenannten Erkenntnisse und allgemeinkundigen Tatsachen festgestellt, dass eine flüchtlingsrechtlich relevante Gefahrendichte gegeben ist und insofern die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung für den Kläger besteht.
- 85
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 86
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 VwGO) sind nicht gegeben.
(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.
(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.
(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Tenor
Soweit der Kläger die Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a GG zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.07.2014 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und der Kläger je zur Hälfte.
1
T a t b e s t a n d
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Am 03.06.2014 wurde er auf der BAB A 3 durch die Bundespolizei Passau aufgegriffen und in die JVA Mühldorf eingeliefert. Eine Eurodac-Recherche ergab einen Treffer für Bulgarien. Nach seinen Angaben im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung bei der Bundespolizei befand sich der Kläger seit dem 22.05.2014 in Bulgarien in einem Asylverfahren.
3Am 05.06.2014 ersuchte das Bundesamt Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b) der Dublin III-VO um Wiederaufnahme des Klägers. Mit Schreiben vom 09.06.2014 stimmte Bulgarien dem Ersuchen zu. Mit Bescheid vom 11.06.2014 ordnete die Beklagte darauf die Abschiebung nach Bulgarien an. Der Bescheid wurde am 12.06.2014 zwecks Zustellung an den Kläger zur Post gegeben.
4Mit Beschluss vom 11.06.2014 wies das Amtsgericht Mühldorf den Antrag der Bundespolizei zur Sicherung der Zurückschiebung zurück und ordnete die umgehende Haftentlassung an.
5Mit Schreiben vom 05.06.2014, beim Bundesamt eingegangen am 13.06.2014, stellte der Kläger in der Bundesrepublik einen Asylantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 18.07.2014 als unzulässig ab lehnte. Zugleich ordnete sie (erneut) die Abschiebung nach Bulgarien an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 21.07.2014 zugestellt.
6Am 28.07.2014 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass in Bulgarien ein rechtlichen Maßstäben entprechendes Asylverfahren nicht zu erwarten sei. Im Übrigen bezieht er sich auf die Situation in Syrien.
7Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war erfolgreich (Beschluss vom 20.08.2014 – 20 L 1389/14.A).
8In der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2015 hat der Kläger die Klage hinsichtlich der Anerkennung als Asylberechtigter zurückgenommen.
9Im Übrigen beantragt der Kläger,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.07.2014 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen sowie
11hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
12weiter hilfsweise, nationale Abschiebungsverbote festzustellen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie in dem Verfahren 20 L 1389/14.A und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges verwiesen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
19Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
20Der auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise Zuerkennung subsidiären Schutzes, weiter hilfsweise auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote gerichtete Klageantrag ist als Verpflichtungsantrag gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Das Verpflichtungsbegehren entspricht nicht nur dem ausdrücklich gestellten Klageantrag, sondern auch dem eigentlichen Klageziel des Klägers, das bei sachdienlicher Auslegung nicht lediglich auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern auf die Gewährung internationalen Schutzes durch die Bundesrepublik gerichtet ist.
21Gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO spricht das Gericht die Verpflichtung der Behörde zum Erlass des begehrten Verwaltungsaktes aus, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsaktes rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Dabei hat das Gericht die Streitsache in vollem Umfang spruchreif zu machen. Es ist daher grundsätzlich nicht zulässig, bei rechtswidriger Verweigerung des begehrten Verwaltungsaktes lediglich die Ablehnung aufzuheben und die Sache zur Prüfung und Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen an die Behörde gewissermaßen zurückzuverweisen. Dieser grundsätzliche Vorrang der Verpflichtungsklage entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade auch in Asylverfahren,
22vgl. BVerwG, Urteil vom 10.02.1998 – 9 C 28/97 – E 106, 171-177,
23und es sind zur Überzeugung des Gerichts in sog. Dublin-Fällen keine Gesichtspunkte erkennbar, die eine Abweichung hiervon rechtfertigen. Nicht zuletzt unter dem Aspekt der im Asylverfahren geltenden Konzentrations- und Beschleunigungsmaxime gilt vielmehr auch hier, dass Zurückverweisungen an das Bundesamt zu vermeiden und Spruchreife herzustellen ist.
24Vgl. zuletzt Urteil der Kammer vom 23.05.2013 – 20 K 5506/12.A -; s. auch: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.06.2012 – A 2 S 1355/11 -; VG Braunschweig, Urteil vom 21.02.2013 – 2 A 126/11 -; VG Göttingen, Urteil vom 25.07.2013 – 2 A 652/12 -; VG Bremen, Gerichtsbescheid vom 10.04.2014 – 1 K 61/14 -.
25Soweit in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, dass in sog. Dublin-Verfahren grundsätzlich nur eine Anfechtungsklage zulässige Klageart ist,
26vgl. u.a. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21.12.A – und Beschluss vom 18.05.2015 – 11 A 2639/14.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.04.2014 – A 11 S 1721/13 - ,
27teilt die Kammer diese Auffassung unverändert nicht. Dabei kann offen bleiben, ob je nach Klageantrag und Fallkonstellation im Einzelfall der grundsätzliche Vorrang der Verpflichtungsklage in Dublin-Fällen stets zur Unzulässigkeit einer isolierten Anfechtungsklage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses führt,
28vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.05.2011 – 3 A 133/10.A -; Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 18 ff; Redeker/von Oertzen. VwGO, § 42 Rn. 19.
29Jedenfalls aber steht im Falle eines tatsächlich gestellten Verpflichtungsantrages – wie hier – der Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, wonach bei Ausfall des an sich zuständigen Mitgliedstaates wegen systemischer Mängel kraft Unionsrecht die Prüfung der Zuständigkeit anhand der Kriterien der Dublin III-Verordnung fortzusetzen ist,
30vgl. EuGH, Urteil vom 14.11.2013 – C-4/11 – Puid,
31nicht entgegen. Diese nach Unionsrecht von den Mitgliedstaaten geforderte weitere Prüfung der Zuständigkeit nimmt die Bundesrepublik bzw. das Bundesamt vor Erlass eines Bescheides bereits regelmäßig vor, soweit sich etwa auf der Grundlage von Eurodac-Treffern oder anderer konkreter Umstände, wie z.B. erteilte Visa, Anhaltspunkte für eine Fortsetzung der Zuständigkeitsprüfung ergeben. Liegen etwa in einem Verfahren zwei Eurodac-Treffer aus Griechenland und einem weiteren Mitgliedstaat wie Ungarn oder Bulgarien vor – was nicht selten der Fall ist -, so wendet sich das Bundesamt im Hinblick auf die systemischen Mängel in Griechenland an den zweiten in Betracht kommenden Mitgliedstaat mit dem Ersuchen um Übernahme des Verfahrens. Nach Erlass eines Bescheides durch das Bundesamt bzw. bei Klageerhebung vor dem Verwaltungsgericht ist eine weitere Fortsetzung der Suche nach einem anderen zuständigen Staat dagegen in der Regel nicht mehr möglich. Dies gilt zunächst deshalb, weil bereits keine weiteren, vom Bundesamt noch nicht berücksichtigten konkreten Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines weiteren Mitgliedstaates gegeben sein werden. Zu einer Fortsetzung der Prüfung „ins Blaue hinein“ bzw. einer Rückverweisung des Verfahrens an das Bundesamt zur Vornahme einer entsprechenden Überprüfung „ins Blaue hinein“ besteht aber keine Verpflichtung. Eine weitere Fortsetzung der Suche nach einem anderen zuständigen Staat ist in der Regel zudem deshalb nicht mehr möglich, weil die Fristen für die Stellung von Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 21 Abs. 1 bzw. Art. 23 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO von nur zwei, allenfalls drei Monaten, bereits abgelaufen sein werden, so wie dies auch vorliegend der Fall ist.
32Hinzukommt gerade in Verfahren syrischer Asylbewerber, dass im Falle der Klärung der Zuständigkeitsfrage die Herstellung der Spruchreife bzw. die Prüfung der materiellen Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft in der Regel keiner umfangreichen weiteren Aufklärung mehr bedarf, sondern die Flüchtlingseigenschaft ohne Weiteres zuzuerkennen ist. Eine Zurückverweisung der Verfahren an das Bundesamt in dieser Situation wäre daher reine Formsache und liefe der Beschleunigungs- und Konzentrationsmaxime in besonders hohem Maße zuwider.
33Die Klage ist auch begründet.
34Der Asylantrag ist zunächst zulässig.
35Der Zulässigkeit steht § 27 a AsylVfG nicht entgegen. Denn die Bundesrepublik ist nunmehr aufgrund der Auffangzuständigkeit des Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO zuständig für die Entscheidung über das Asylbegehren des Klägers, da einer Überstellung nach Bulgarien systemische Mängel des dortigen Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegenstehen und eine weitere Prüfung nach einem zuständigen Mitgliedstaat nach Ablauf der Fristen für die Stellung von Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchen nicht mehr möglich ist.
36Vgl. EuGH, Urteil vom 14.11.2013 – C-4/11 – Puid – ; Thym, Anmerkung zu Puid, NvwZ 2014, 130 ff.
37Die Dublin III-VO beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine unwiderlegbare Vermutung. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten nicht vereinbar ist. Allerdings genügt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat und nicht jeder geringste Verstoß gegen die Richtlinien, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten ist, das das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. In solchen Situationen obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der EU ausgesetzt zu werden.
38Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – Rs C 411/10 und C-493/10, N.S. und M.E. – Juris; EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/09 – M.S.S./Belgien u. Giechenland - und Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12 – Tarakhel/Italien -.
39Der Begriff des systemischen Mangels ist weit zu verstehen. Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen“ ist der Gesamtkomplex des Asylsystems im Zielstaat gemeint. Dieses umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Asylverfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung.
40Vgl. Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 2014, 105 ff; Bank/Hruschka, ZAR 2012, 182 ff.
41Systemische Mängel im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH sind dabei nicht auf solche flächendeckenden gravierenden Systemausfälle, wie dies in Griechenland der Fall war und ist, beschränkt, sondern erfassen generell solche, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen und deshalb den Einzelnen vorhersehbar und regelhaft treffen. Auch tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem - aus welchen Gründen auch immer - faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird, können einen systemischen Mangel darstellen. Nicht systemisch ist ein Mangel – im Unterschied dazu - dann, wenn es lediglich in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommt.
42Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 – 10 B 6.14 – und 06.06.2014 – 10 B 35.14 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 - .
43Nicht erforderlich ist aber, dass sich der systemische Mangel bzw. die strukturelle – systemische – Schwachstelle auf eine unüberschaubare Vielzahl, die Mehrheit aller Asylbewerber oder gar auf alle Asylbewerber auswirkt. Ein systemischer Mangel kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn nur eine geringe Anzahl von Asylbewerbern betroffen ist, soweit dies vorhersehbar und regelhaft geschieht.
44Vgl. Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 2014, 105 ff; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2015 – A 11 S 2042/14 – und vom 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 -.
45Bei der Beurteilung der Situation in einem Mitgliedstaat und der für einen Asylbewerber dort bestehenden tatsächlichen Risiken im Falle einer Überstellung sind Stellungnahmen des UNHCR ebenso heranzuziehen wie regelmäßige und übereinstimmende Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie sonstige Berichte der europäischen Institutionen, insbesondere der Kommission.
46Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – Rs C 411/10 und C-493/10, N.S. und M.E. –.
47Auch bei Vorliegen systemischer Mängel bleibt es aber erforderlich, dass der einzelne Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, hiervon im Falle einer Überstellung in den Zielstaat selbst betroffen zu sein. Bei flächendeckenden systemischen Mängeln bedarf dies keiner besonderen Darlegung. Bei systemischen Mängeln, die sich nur auf Teilgruppen oder vereinzelt auswirken, müssen weitere besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen bzw. geltend gemacht werden, die eine Betroffenheit des Einzelnen beachtlich wahrscheinlich machen.
48Vgl. Lübbe, „Systemische Mängel“ in Dublin-Verfahren, ZAR 2014, 105 ff.
49Wesentliche Kriterien für die Frage, ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorliegt, sind der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs der Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu entnehmen. Allerdings werden diese – eher niedrigen - völkerrechtlichen Schutzstandards durch die verbindlichen Festlegungen von Mindeststandards im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, die für alle Mitgliedstaaten verbindlich vorgeben, was deren Asylsystem zu leisten im Stande sein muss, überlagert und konkretisiert. Die konkreten Anforderungen an die immer kumulativ festzustellende Schwere der Schlechtbehandlung sind daher niedriger anzusetzen, wobei gleichwohl die typischerweise für die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung geltenden Standards nicht aus den Augen verloren werden dürfen.
50Vgl. EGMR, Urteil vom 21.01.2011 – 30696/9 - M.S.S./Belgien u. Griechenland -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 – Juris.
51Wenngleich also Art. 3 EMRK die Vertragsparteien nicht dazu verpflichtet, jedem in ihrem Hoheitsgebiet ein Zuhause zur Verfügung zu stellen und auch keine allgemeine Verpflichtung einschließt, finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen zu ermöglichen, einen bestimmten Lebensstandard aufrechtzuerhalten, ist die Verpflichtung, Asylsuchenden Unterkunft und anständige materielle Bedingungen zu gewähren, Bestandteil des positiven Rechts in den EU-Mitgliedstaaten, wie sie insbesondere in der Aufnahmerichtlinie dargelegt sind. Eine Situation extremer materieller Armut kann zudem stets eine für Art. 3 EMRK relevante Frage darstellen, wenn Personen vollkommen von staatlicher Unterstützung abhängig sind und in einer Lage schwerwiegender Entbehrungen und Not, die nicht mit der Menschenwürde vereinbar ist, mit behördlicher Gleichgültigkeit konfrontiert sind. Stets ist eine gründliche und individuelle Prüfung der Situation der betroffenen Person vorzunehmen und zu berücksichtigen, dass Asylsuchende eine besonders unterprivilegierte und verletzliche Gruppe darstellen und besonderen Schutz benötigen. Der Situation von Minderjährigen und der extremen Verletzlichkeit von Kindern ist Rechnung zu tragen.
52Vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12 – Tarakhel/Italien -.
53Die Ursache für eine etwaige Gefahr einer Verletzung der Rechte aus Art. 3 EMRK hat keinerlei Auswirkungen auf das Schutzniveau.
54Vgl. EGMR, Urteil vom 04.11.2014 – 29217/12 – Tarakhel/Italien -.
55Neben dem Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK sind zudem solche Gewährleistungen in den Blick zu nehmen, die Teil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sind, aber von vorneherein nicht von der EMRK erfasst sind. Dies gilt namentlich für den gemäß Art. 18 GR-Charta gewährten Anspruch auf Asyl und den effektiven Zugang zu einem Asylverfahren, das den Anforderungen der einschlägigen EU-Rechtsnormen entspricht.
56Gemessen an diesen Kriterien liegen zur Überzeugung des Gerichts in Bezug auf Bulgarien – unverändert - systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vor.
57Vgl. zuletzt Urteil der Kammer vom 22.05.2014 – 20 K 3425/13.A -; ebenso: VG Oldenburg, Beschluss vom 27.01.2015 – 12 B 245/15 -; VG Stuttgart, Urteil vom 24.06.2014 – A 11 K 741/14 -; VG München, Urteil vom 19.09.2014 – M 24 K 14.50343 -; a.A.: VGH München, Urteil vom 29.01.2015 – 13a B 14.50039 -; OVG NRW, Beschluss vom 29.01.2015 – 14 A 134/15.A – und Beschluss vom 13.05.2015 – 14 B 525/15.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 -; VG Magdeburg, Urteil vom 08.04.2015 – 9 A 208/15 MD -; VG Minden, Urteil vom 10.02.2015 – 10 K 1660/14.A -.
58Ausgangspunkt der Beurteilung des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien muss dabei – jenseits des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens - der Umstand sein, dass das System infolge einer starken Zunahme der Flüchtlingsströme im Herbst 2013 praktisch vollständig kollabiert war, was den UNHCR – ähnlich wie im Falle Griechenlands - zu der generellen Empfehlung veranlasste, von Überstellungen nach Bulgarien abzusehen. In seinem Bericht vom 2. Januar 2014 bejahte der UNHCR für Asylsuchende in Bulgarien eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung wegen systemischer Mängel der Aufnahmebedingungen und des Asylverfahrens in dem Land.
59Vgl. Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, 02.01.2014, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/52c598354.html.
60Diese Empfehlung hielt UNHCR in seinem Update vom April 2014 nicht mehr uneingeschränkt aufrecht und konstatierte signifikante Verbesserungen im Aufnahmesystem und in der Durchführung der Asylverfahren. Gleichwohl wurden weiterhin erhebliche Schwachstellen festgestellt nicht nur hinsichtlich der Situation besonders schutzbedürftiger Personen, sondern darüber hinaus u.a. hinsichtlich der Verhältnisse in zwei von sieben Aufnahmezentren (Vrazdebhna und Voenna Rampa) und auch hinsichtlich der Qualität der Anerkennungsverfahren. Vor allem aber bestanden aus Sicht des UNHCR Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der unternommenen Anstrengungen. Zahlreiche Maßnahmen wurden nur auf einer ad hoc-Basis mit massiver Unterstützung der EU, von Nichtregierungsorganisationen und des UNHCR selbst durchgeführt, so dass die dauerhafte Sicherstellung der erreichten Verbesserungen auf mittlere und lange Sicht durch das staatliche bulgarische Aufnahmesystem nicht gewährleistet schien. Zudem wurde Besorgnis darüber ausgedrückt, dass der erhebliche Rückgang der Asylbewerberzahlen im ersten Quartal 2014 im Vergleich zu 2013 durch eine massive Verstärkung der Grenzkontrollen und den Einsatz auch brutaler Push-backs an der türkischen Grenze bedingt war.
61Vgl. Observations on the current asylum system in Bulgaria, April 2014, abrufbar unter: http://www.refworld.org/docid/534cd85b4.html.
62Auf – trotz durchgeführter Verbesserungen - fortbestehende erheblich unzureichende Bedingungen in einigen Aufnahmezentren (Überbelegung, schlechte sanitäre und sonstige materielle Bedingungen wie regelmäßige Verfügbarkeit von Warmwasser und Strom, unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln) und Defizite im Asylverfahren wiesen auch weitere Berichte von Nichtregierungsorganisationen hin. Asylsuchende würden zudem nach wie vor routinemäßig inhaftiert. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung und die Bereitstellung von Medikamenten seien unzureichend. Zugang zu Unterricht oder Schule gebe es für asylsuchende Kinder kaum. Infolge der Praxis der „externen Wohnadressen“ außerhalb der Lager bestehe das Risiko der Obdachlosigkeit. Es bestünden begründete Zweifel hinsichtlich der Nachhaltigkeit der erzielten Verbesserungen. Dublin-Überstellungen seien daher weiterhin auszusetzen.
63Vgl. Amnesty international, Suspension of Asylum-seekers to Bulgaria must continue, März 2014, Index: EUR 15/002/2014 (Deutsche Fassung Juli 2014, Rücküberstellungen von Asylsuchenden nach Bulgarien sind weiterhin auszusetzen); Ecre (European Council on Refugees and Exiles), Pressemitteilung vom 07.04.2014, www.asylumineurope.org; Pro Asyl/Flüchtlingsrat Niedersachsen, Syrische Flüchtlinge in Bulgarien: Misshandelt, erniedrigt, im Stich gelassen, Bericht vom 23.05.2014; Bordermonitoring EU, Trapped in Europe's Quagmire: The Situation of Asylum Seekers and Refugees in Bulgaria, Juli 2014 (Deutsche Fassung, Gefangen in Europas Morast: Die Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Bulgarien).
64Inzwischen ist das bulgarische Asyl- und Aufnahmesystem erneut an seine Grenzen gestoßen. Die erhoffte weitere Konsolidierung der maßgeblich mit Hilfe externer Unterstützung begonnenen positiven Entwicklung,
65vgl. VG Köln, Urteil vom 16.04.2014 – 20 K 3425/13.A -,
66ist zur Überzeugung des Gerichts nicht eingetreten. Mit der Einstellung bzw. Reduzierung der Unterstützung durch UNHCR und anderer Nichtregierungsorganisationen bei gleichzeitigem erneuten massiven Anstieg der Flüchtlingszahlen ist es im Gegenteil zu einem Stillstand oder gar Verschlechterung der Bedingungen gekommen.
67Die Flüchtlingszahlen sind seit Ende 2014 und zu Beginn des Jahres 2015 erneut massiv angestiegen. Beantragten im Jahr 2013 insgesamt 7144 Personen Asyl gegenüber nur 1387 Personen im Jahr 2012, so waren es im Jahr 2014 insgesamt 11.081 Personen bei kontinuierlicher Steigerung der Zugangszahlen seit August 2014,
68vgl. Bordermonitoring EU, Trapped in Europe’s Quagmire, Juli 2014; aida, Asylum Information Database, Country Report Bulgaria, 31.01.2015.
69Seit Januar 2015 ist der Zustrom weiter angeschwollen mit 3190 Asylanträgen im ersten Quartal 2015. Zusätzlich warten ca. 7.000 Dublin-Rückkehrer auf ihre Überstellungen nach Bulgarien, die im Falle ihrer Durchführung das Asylsystem zusätzlich erheblich belasten würden.
70Vgl. http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_time_asylum_applicants,_Q1_2014_-_Q1_2015.png; aida, Asylum Information Database, Country Report Bulgaria, 31.01.2015.
71Die Strategien der bulgarischen Regierung zur Bewältigung dieses Zustroms, mit dessen Versiegen nicht zu rechnen ist, oder das Fehlen notwendiger Strategien offenbaren an mehreren Stellen gravierende systemische Mängel.
72Dies gilt zunächst für die exzessiven Maßnahmen der Grenzsicherung, in deren Rahmen seit 2014 Grenzpatrouillen massiv ausgeweitet wurden und die Sicherung durch Stacheldrahtzäune erheblich verlängert wurde, Maßnahmen, die noch nicht abgeschlossen sind. Zudem dauern illegale und mit erheblicher Gewaltanwendung einhergehende Push-back-Aktionen an der türkisch-bulgarischen Grenze trotz scharfer internationaler Kritik an.
73Vgl. Bordermonitoring EU, Trapped in Europe‘s Quagmire, Juli 2014; UNHCR, Pressemitteilung vom 31.03.2015, “Todesfälle an bulgarischer Grenze aufklären”, Human Rights Watch, September 2014, Bulgaria: UPR Submission sowie Pressemitteilung vom 31.03.2015, “Dispatches: Stopping Pushbacks at Bulgaria‘s Border”.
74Gelingt der Zutritt zum bulgarischen Territorium haben Asylbewerber unverändert regelmäßig mit Inhaftierung in einem der Haftzentren für illegale Migranten – Busmantsi, Lyubimets und Elhovo – zu rechnen. Von 11.081 Personen, die im Jahr 2014 Asyl beantragt haben, haben 9843 Personen ihren Asylantrag in einem dieser Haftzentren gestellt. Die Haftdauer konnte während des Jahres 2014 von 45 Tagen durchschnittlich reduziert werden auf 9 Tage pro Person. Es liegt aber ein Gesetzentwurf vom 19.11.2013 vor, der Ende 2014 erneut dem Parlament vorgelegt wurde, wonach generell und voraussetzungslos die Inhaftierung aller Asylbewerber in geschlossenen Haftzentren die Regel sein soll, die Unterbringung in offenen Aufnahmeeinrichtungen dagegen die Ausnahme. Zudem gibt es unverändert keine wirksamen Mechanismen zur Identifizierung besonders schutzbedürftiger Personen. Die Haftzentren sind häufig überfüllt, verbale Erniedrigungen sind ebenfalls häufig. Die hygienischen Bedingungen sind unzureichend ebenso wie die Versorgung mit Nahrungsmitteln und die medizinische Versorgung. Hinzukommen wiederholte Berichte des Anti-Folter-Komitees des Europarats über erniedrigende und unmenschliche Behandlung von Insassen, auch konkret bezogen auf die Haftzentren, in denen Asylbewerber untergebracht werden. In einem jüngst veröffentlichten Bericht wird erneut auf schlechter werdende Haftbedingungen und zahlreiche Fälle von physischer Misshandlung hingewiesen sowie den Umstand, dass die bulgarische Regierung bis heute keine wirksamen Schritte zur Beseitigung der Missstände unternommen habe.
75Vgl. Aida, Asylum Information Database, Country Report Bulgaria, 31.01.2015; European Committee for the Prevention of Torture an Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT), Public Statement concerning Bulgaria, 26.03.2015.
76Wegen der seit Anfang 2014 erhöhten Aufnahme- und Bearbeitungskapazitäten funktionierte das Asylsystem nach Weiterleitung der Asylbewerber an eine Aufnahmeeinrichtung der Staatlichen Agentur für Flüchtlinge (SAR) „einigermaßen“. Zur Beibehaltung der erfolgten Verbesserungen benötigte die SAR allerdings weitere Mittel,
77vgl. UNHCR, Stellungnahme vom 23.12.2014 an VG Minden zum Verfahren 10 L 530/14.A -,
78über deren aktuelle Bereitstellung nichts bekannt ist.
79Die Lage in den Aufnahmeeinrichtungen bleibt schwierig. Es wird immer wieder von überfüllten Flüchtlingsunterkünften, Nahrungsmangel, katastrophalen hygienischen Bedingungen sowie von Schlägen und Misshandlungen durch das Lagerpersonal und Verweigerung notwendiger Gesundheitsversorgung berichtet. Unterstützungsleistungen durch NGO‘s und UNHCR, ohne die notwendige Verbesserungen etwa im Bereich der Information und Rechtsberatung nicht erreicht worden wären, wurden zu Beginn des Jahres 2015 eingestellt.
80Vgl. Pro Asyl, Pro Asyl, Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien, April 2015; aida, Asylum Information Database, Country Report Bulgaria, 31.01.2015.
81Die in den SAR-Einrichtungen untergebrachten Dublin-Rückkehrer haben grundsätzlich ein Recht auf dieselben Hilfe-/Dienstleistungen, die anderen Asylbewerbern zustehen. Es gibt aber auch hier keine hinreichende Systematik bei der Identifizierung von Personen mit besonderen Bedürfnissen, und kein System, um auf gegebenenfalls einmal identifizierte Bedürfnisse einzugehen. Im Übrigen ist die Behandlung von Dublin-Rückkehrern und deren Asylverfahren unklar bzw. hängt davon, welchen Stand der frühere Asylantrag des Asylbewerbers hatte. Erfolgt der Transfer mehr als drei Monate und 10 Tage nach der Registrierung des Asylantrags – was vorliegend der Fall ist – oder wurde der Anspruch während der Abwesenheit des Antragstellers abgelehnt, wird der Aufenthalt des Antragstellers als illegal angesehen und er kommt in Abschiebehaft. Er kann dann zwar grundsätzlich einen Folgeantrag unter Aufzeigen neuer zusätzlich Gründe im Vergleich zu seinem Erstverfahren stellen, werden aber neue Kriterien als nicht-existent befunden, wird der Folgeantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Auch wenn der Folgeantrag zur sachlichen Prüfung zugelassen wird, ist eine Haftfortdauer wahrscheinlich und kann sich auf einen längeren Zeitraum erstrecken, ohne dass es hinreichenden Rechtsschutz gibt.
82Vgl. UNHCR, Stellungnahme vom 23.12.2014 an VG Minden zum Verfahren 10 L 530/14.A -; aida, Asylum Information Database, Country Report Bulgaria, 31.01.2015.
83Bei dieser Auskunftslage besteht für jeden Dublin-Rückkehrer derzeit das tatsächliche Risiko, dass sein Asylbegehren nicht mehr geprüft wird und er als illegaler Migrant auf unbestimmte Zeit in Abschiebehaft kommt. Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass das Bundesamt auf konkrete Anfrage des Gerichts, mit welcher Behandlung des Asylantrages des Klägers vor dem Hintergrund der vorgenannten Stellungnahme des UNHCR zu rechnen ist, keine Antwort gegeben hat.
84Die Lage von Personen mit Schutzstatus in Bulgarien ist aussichtslos. Seit dem Auslaufen des Nationalen Integrationsprogramm im Jahr 2013 gibt es kein operatives Integrationsprogramm mehr in Bulgarien. Ein neues Programm wurde am 25.06.2014 veröffentlicht und sollte abhängig von der Finanzierung im Jahr 2015 beginnen, die Finanzierung ist bis heute nicht erfolgt. 2014 wird daher als „zero integration year“ bezeichnet, mit einer Änderung im laufenden Jahr 2015 ist nicht zu rechnen.
85Vgl. aida, Asylum Information Database, Country Report Bulgaria, 31.01.2015; Pro Asyl, Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien, April 2015; Bordermonitoring EU, Trapped in Europe‘s Quagmire, Juli 2014.
86Gerade die Entwicklung eines neuen Integrationsprogramms hatte auch UNHCR in seiner oben zitierten Stellungnahme vom April 2014 für entscheidend gehalten.
87Personen mit Schutzstatus haben zwar formal bis zu einem Zeitraum von 6 Monaten nach der positiven Entscheidung einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie Asylbewerber in Höhe von 65 BGN/33,23 € pro Person, was dem Minimum der staatlichen Sozialhilfe in Bulgarien entspricht. Dieser Betrag reicht aber anerkanntermaßen nicht aus, um selbst grundlegende Bedürfnisse wie Nahrung zu befriedigen, geschweige denn eine Unterkunft oder Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erlangen. Die einzige Option zur Erlangung einer Unterkunft während dieser sechsmonatigen Zeit besteht in dem weiteren Verbleib in einem der Aufnahmezentren, was nur ausnahmsweise der Fall ist und durch wiederholte Zwangsräumungsaktionen, von denen auch besonders schutzbedürftige Personengruppen betroffen sind, erschwert wird. In der Regel bleiben anerkannten Flüchtlingen nur 14 Tage, bevor sie des Lagers verwiesen werden.
88Vgl. aida, Asylum Information Database, Country Report Bulgaria, 31.01.2015; Pro Asyl, Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien, April 2015.
89Außerhalb der Aufnahmezentren besteht ein hohes Risiko von Obdachlosigkeit, das wegen des Fehlens eines Integrationsprogramms dadurch erhöht wird, dass Flüchtlinge keinerlei finanzielle Unterstützung wie Wohngeld oder Sozialhilfe erhalten und auch keine Unterkunft in Obdachlosenunterkünften oder Sozialwohnungen finden können. Ohne Wohnung ist auch der Zugang zu jeglichen anderen staatlichen und medizinischen Leistungen unmöglich, da hierfür eine Meldeadresse vorgewiesen werden muss. Mangels Integrationsprogramm, ohne Sprachkenntnisse und in Abwesenheit von Sozialarbeitern ist dies Schutzberechtigten nahezu unmöglich. So wurden bei ca. 7000 Personen, die allein 2014 einen Schutzstatus erhalten haben, nur in 12 Fällen Sozialleistungen ausgezahlt. Ebenso aussichtslos sind die Möglichkeiten, sich durch Erwerbstätigkeit das Existenzminimum zu sichern, zumal unter den in Bulgarien herrschenden schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer ohnehin hohen Arbeitslosenquote. Auch der Zugang zu Schule/Bildung ist für Flüchtlingskinder praktisch nicht gewährleistet.
90Vgl. aida, Asylum Information Database, Country Report Bulgaria, 31.01.2015; Pro Asyl, Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien, April 2015.
91Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist für Personen mit Schutzstatus ebenfalls nicht gewährleistet. Der monatliche Beitrag für das Gesundheitssystem muss selbst bezahlt werden, eine staatliche Unterstützung gibt es hierfür nicht. Selbst wenn der Beitrag irgendwie aufgebracht werden kann, sind Aufwendungen für Arzneimittel und psychologische Behandlung nicht abgedeckt. Auch kassenfinanzierte Leistungen können kaum in Anspruch genommen werden, da man hierzu auf eine Patientenliste eines Hausarztes gelangen muss, was oft mit unüberwindbaren Schwierigkeiten verbunden ist.
92Vgl. Pro Asyl, Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien, April 2015; Bordermonitoring EU, Trapped in Europe‘s Quagmire, Juli 2014, a.a.O.
93Die Darstellung in den zuvor ausgewerteten Berichten des UNHCR und von Nichtregierungsorganisationen wird durch eine Fülle von Medienberichten bestätigt,
94vgl. z.B. Deutsche Welle vom 16.01.2015: Flüchtlinge in Bulgarien nicht willkommen; Le Monde diplomatique vom März 2015: In Europa werde ich Zuflucht finden,
95und spiegelt sich auch in den zahlreichen Schilderungen der Kläger in Verfahren syrischer Staatsangehöriger vor der Kammer wider. Die Mehrheit der Asylsuchenden in Bulgarien im Jahr 2014 waren syrische Staatsangehörige, für die bulgarische Behörden inzwischen ein beschleunigtes Verfahren durchführen, das regelmäßig mit der Zuerkennung eines Schutzstatus endet. Ungeachtet dessen waren Zahllose von illegalen Zurückweisungen an der Grenze betroffen und anschließender Haft, viele berichten von katastrophalen hygienischen Bedingungen, Mangelernährung, der Verweigerung oder unangemessen langen Hinauszögerung medizinischer Versorgung, Beleidigungen und gewalttätigen Übergriffen durch Polizei und Lagerpersonal. Solche, die einen Schutzstatus in Bulgarien erhalten haben, berichten von existenzbedrohender Mittellosigkeit, Obdachlosigkeit und ständiger Angst vor fremdenfeindlichen Übergriffen, die sie oftmals selbst erlebt haben oder deren Zeugen sie waren.
96Die Auswertung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel einschließlich der unmittelbaren Schilderung Betroffener offenbaren zur Überzeugung des Gerichts systemische Mängel, die alle Bereiche des bulgarischen Asylsystems erfassen und von denen jeder Schutzsuchende in jedem Stadium, vom Versuch, das bulgarische Territorium zu betreten angefangen, jederzeit betroffen sein kann. Ausgehend von dem oben dargelegten weiten Begriff des systemischen Mangels, der den Gesamtkomplex des Asylsystems im Zielstaat erfasst, können bei der Bewertung auch nicht von vorne herein Teilkomplexe ausgeklammert werden. Es ist daher etwa nicht gerechtfertigt, im Falle von Dublin-Rückkehrern die Situation von Personen mit Schutzstatus in Bulgarien nicht mit in den Blick zu nehmen, zumal wenn es sich um eine Person handelt, die die materiellen Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Schutzstatus erfüllt, wie dies im Falle syrischer Staatsangehöriger regelmäßig der Fall ist. Dies gilt gerade in einer Situation wie in Bulgarien, in der institutionelle Regelungen und Rahmenbedingungen und eigene oder von Dritten bereit gestellte notwendige finanzielle Ressourcen einem ständigen Wandel unterliegen, mögliche Verbesserungen in einem Bereich mit Verschlechterungen in einem anderen Bereich einhergehen und generell eine hinreichende Stabilisierung des Systems nicht erreicht ist.
97Die dargelegten Mängel begründen auch das tatsächliche Risiko für jeden einzelnen, einer Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK und Art. 4 GR-Charta sowie Art. 18 GR-Charta ausgesetzt zu sein.
98Hinsichtlich der Mängel bei der Situation von Personen mit Schutzstatus berücksichtigt das Gericht dabei, dass die sozialen Gewährleistungen bereits hinter den Anforderungen der Qualifikationsrichtlinie einer Inländergleichbehandlung zurückbleiben. Allenfalls in den ersten 6 Monaten nach Zuerkennung des Schutzstatus wird der Minimalsatz der staatlichen Sozialhilfe gezahlt. Unabhängig davon aber muss in den Blick genommen werden, dass sich die Situation von Schutzberechtigten und Inländern auch bei formaler Gleichbehandlung strukturell und grundlegend unterscheidet. Bei Sozialleistungen, die – wie in Bulgarien unbestritten der Fall – so bemessen sind, dass sie objektiv nicht zum Überleben ausreichen und nicht die grundlegendsten Bedürfnisse an Unterkunft und medizinischer Versorgung decken, ist der Schutzberechtigte ohne Sprachkenntnisse, ohne jegliche sozialen Kontakte oder familiären Netzwerke und ohne eigene Mittel zu einem menschenunwürdigen Leben am Rande des Existenzminimums verdammt. Zudem stehen ihnen bei einem weitgehend verschlossenen Arbeitsmarkt auch keine Ausweichmöglichkeiten zur Existenzsicherung, wie etwa die Abwanderung auf andere Arbeitsmärkte in der EU, zur Verfügung, da sie anders als Inländer keine Freizügigkeit genießen. Insofern erweist sich bei der gegebenen völligen Abhängigkeit von staatlichen Zuwendungen das Fehlen eines Integrationsprogramms als Ausdruck einer institutionellen manifesten Gleichgültigkeit, die nach der Rechtsprechung des EGMR auch ohne die besonderen Gewährleistungen der Qualifikationsrichtlinie bereits zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen kann.
99Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass syrische Asylbewerber infolge der lang andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen in ihrem Heimatland regelmäßig in erheblichem Maße traumatische Erfahrungen gemacht haben und häufig bereits einmal ihre gesamte Existenzgrundlage verloren haben. Sie sind daher in besonders hohem Maße vulnerabel und schutzbedürftig.
100Das Gericht weist klarstellend nochmals auf die oben bereits zitierte Rechtsprechung des EGMR hin, dass die Ursachen einer Verletzung des Art. 3 EMRK keine Auswirkungen auf das Schutzniveau haben. Es kommt deshalb in diesem Zusammenhang auch nicht auf politische oder gar moralische Schuldzuweisungen an, deren sich das Gericht vollständig enthält, insbesondere in Bezug auf die bulgarische Regierung und bulgarische Behörden. Maßgeblich sind ausschließlich die Bewertung der objektiv feststellbaren Bedingungen und deren Auswirkungen auf Schutzsuchende, hier insbesondere syrische Asylbewerber.
101Der nach alledem zulässige Asylantrag des Klägers ist auch materiell begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
102Nach § 3 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), wenn er sich 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2) außerhalb des Landes befindet a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren regeln nunmehr die §§ 3 a – d AsylVfG in Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Abl. L 337. Vom 20.12.2011, S. 9-26).
103Gemessen an diesen Kriterien liegen hinsichtlich des Klägers die Voraussetzungen des § 3 AsylVfG vor.
104Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Kläger vorverfolgt aus Syrien ausgereist ist. Denn auch unabhängig davon ist das Gericht davon überzeugt, dass die Furcht des Klägers vor einer Verfolgung im Falle einer Rückkehr unter Berücksichtigung der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Syrien, der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung sowie der Ausbreitung der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ in Syrien, u.a. in der Herkunftsregion des Klägers, begründet ist.
105Es entspricht unter Berücksichtigung der verschärften politischen Situation in Syrien seit langem der ständigen Entscheidungspraxis der Beklagten, dass Rückkehrer im Falle einer Abschiebung nach Syrien eine obligatorische Befragung durch syrische Sicherheitskräfte unter anderem zur allgemeinen Informationsgewinnung über die Exilszene zu erwarten haben und davon auszugehen ist, dass bereits diese Befragung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung in Form menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zur Folter auslöst.
106Vgl. hierzu auch: OVG NRW, Urteil vom 14.02.2012, 14 A 2708/10.A – Juris; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Syrien – Asylrelevante Informationen, Rückübernahmeabkommen, Identitätspapiere, Asyl-Like-Minded-Group und aktuelle Situation, April 2011.
107Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich an dieser Einschätzung etwas geändert haben könnte. Im Gegenteil ist im Zuge der seit März 2011 anhaltenden Eskalation der politischen Konflikte in Syrien davon auszugehen, dass sich die Gefährdungslage weiterhin erheblich verschärft hat und der syrische Staat eine illegale Ausreise, Aufenthalt im westlichen Ausland und Asylantragstellung inzwischen generell als Ausdruck einer regimekritischen Überzeugung auffasst.
108Vgl. zuletzt u.a. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.07.2012 – 3 L 147/12 –
109Juris.
110Die Gefährdung des Klägers knüpft daher zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls auch an eine bei ihm vermutete politische Gesinnung und damit an eines der Konventionsmerkmale an, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
111Vgl. hierzu u.a.: VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 29.10.2013 – A 11 S 2046/13 – und vom 19.06.2013 – A 11 S 927/13 -; VGH Hessen, Beschluss vom 27.01.2014 – 3 A 917/13.Z.A.; OVG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 09.01.2014 – 3 N 91.13 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss 24.04.2014 – 2 L 16/13; a.A. OVG NRW, Urteil vom 14.02.2012 – 14 A 2708/10.A – sowie zuletzt Beschluss vom 13.02.2014 – 14 A 215/14.A -.
112Eine weitere Zuspitzung der Gefährdungslage ist nun durch die Ausbreitung der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ in Nordsyrien eingetreten, die eine akute Gefährdung für alle Nichtmuslime und auch Muslime, die die radikalen Ansichten des IS nicht teilen, darstellt, die inzwischen zu Zehntausenden geflohen sind,
113Vgl. Stefan Rosiny, „Des Kalifen neue Kleider“: Der Islamische Staat in Irak und Syrien, GIGA Focus, Nr. 6, 2014; Spiegel online vom 07.10.2014, „Was die IS-Miliz so gefährlich macht“, und Spiegel online vom 02.02.2015 – So regiert der „Islamische Staat“.
114Dies gilt in besonderer Weise für den aus der Region Aleppo stammenden Kläger, der schiitischen Glaubens ist.
115Der Bescheid vom 18.07.2014 war nach alledem aufzuheben.
116Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
Tenor
Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29.08.2012 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass beim Kläger im Hinblick auf die Arabische Republik Syrien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.1978 in C. geborene Klägerin zu 1. behauptet syrische Staatsangehörige, arabischer Volkszugehörigkeit und islamischen Glaubens zu sein. Sie ist die Mutter des am 0.0.2008 geborenen Klägers zu 2. und des am 00.0.2011 geborenen Klägers zu 3. Nach eigenen Angaben reisten die Kläger am 16. Januar 2013 zunächst gemeinsam mit dem Ehemann der Klägerin zu 1., dem Vater der Kläger zu 2.und 3., in die Türkei, am 11. April 2013 von dort weiter nach Griechenland und am 26. Mai 2013 mit dem Flugzeug von Athen mit einer Zwischenlandung in München nach E. , in die Bundesrepublik Deutschland ein.
3Am 3. Juni 2013 beantragten die Kläger Asyl. Im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab die Klägerin zu 1. im Wesentlichen an, ihr Mann, der an vielen Demonstrationen teilgenommen habe, sei in Syrien im August 2012 entführt worden. Er sei von einer Beerdigung eines Märtyrers nicht mehr zurückgekommen. Wer ihn entführt habe, wisse sie nicht. Außerdem habe sie in ihrem Viertel B. L. mit Mädchen aus der Nachbarschaft zweimal in der Woche gegen die allgemeine Situation demonstriert. Dann habe sie gehört, dass der Sicherheitsdienst diese Mädchen von zu Hause abhole und inhaftiere. Deshalb habe sie sich entschlossen sich in Sicherheit zu bringen. Sie habe zudem in einem provisorischen Krankenhaus der Aufständischen gearbeitet, mitgeholfen. Sie habe dort sauber gehalten. Eines Tages ‑ Anfang 2012 – sei ein Mädchen, eine D. gekommen, die verletzt gewesen sei. Sie habe ihr geholfen und sie zu sich genommen. Als die Leute erfahren hätten, dass sie ihr geholfen habe, habe sie ihr Stadtviertel verlassen und in ein anderes Stadtviertel gehen müssen.
4Mit Bescheid vom 12. September 2013 – zugestellt am 19. September 2013 – lehnte das Bundesamt die Anträge der Kläger auf Anerkennung als Asylberechtigte ab (Ziffer 1.) und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen (Ziffer 2.). Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz a.F. (AufenthG a.F.) wurde festgestellt (Ziffer 3.). Hinsichtlich der Ziffern 1. und 2. führte die Beklagte aus, der Vortrag der Klägerin zu 1. betreffend die behauptete Verfolgung sei nicht glaubhaft.
5Am 2. Oktober 2013 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, ihr Leben sei in Syrien konkret bedroht. Wegen der politischen Aktivitäten des Ehemanns und Vaters seien sie durch den syrischen Staat politisch verfolgt. Das Haus der Kläger sei durchsucht worden. Man habe der Klägerin zu 1. gedroht, ihre Kinder zu entführen und zu töten. Die Kläger zu 2. und 3. seien für die politischen Aktivitäten des Vaters in Syrien menschenrechtswidrigen Behandlungen ausgesetzt gewesen, schikaniert worden. Eine konkret drohende individuelle und asylerhebliche Verfolgung im Rückkehrfalle lasse sich nicht ausschließen. Sie hätten polizeiliche diskriminierende Maßnahmen, die gegen Frauen und Kinder gerichtet waren, erlitten. Zudem habe die Klägerin zu 1. an mehreren Demonstrationen teilgenommen und habe sich politisch engagiert. Sie habe Lebensmittel und Medikamente besorgt.
6Die Klägerin hat im Klageverfahren ein aus dem Arabischen übersetztes Schriftstück datierend vom 15. Juli 2012 vorgelegt. Dieses ist überschrieben mit „Telegramm“ und gibt als Absender die Syrische Republik, Generalkommando der Streitkräfte, Abteilung des Allgemeinen Nachrichtendienstes, Abteilung Nachrichtendienst der B. C1. Provinz an. Auf dem Schriftstück ist oben rechts der Zusatz „Sehr geheim – Eilig“ vermerkt. Das Schriftstück enthält eine Liste mit Namen, die an alle Kontrollpunkte, Häfen, Flughäfen des Landes und Grenzeingänge gegeben werden sollen. Es enthält die Anweisung, die genannten Personen sofort zu verhaften, ein Protokoll anzufertigen und sie an die nächste Nachrichtendienststation in dem Gebiet zu überbringen. Unter anderem enthält die Liste den Eintrag: „S. N. B1. , Mutter S1. , geboren 1978 in Deutschland, wohnt in I. B2. , Anstifterin für Demonstrationen und besorgt Lebensmittel und Medikamente.“
7Die Kläger beantragen,
8die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 1. und 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. September 2013 zu verpflichten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung des Bundesamtes.
12Die Kläger sind zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.
14Entscheidungsgründe:
15I. Die Entscheidung konnte gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergehen, da die Kläger in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.
16Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Prozessbevollmächtigten der Kläger auf Terminsvertagung, mit dem Ziel, die Teilnahme der Klägerin zu 1. an der mündlichen Verhandlung und eine Befragung durch das Gericht zu ihrer geltend gemachten Verfolgung durchzuführen, war nicht zu entsprechen. Abgesehen davon, dass die Prozessbevollmächtigte die – erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte – Erkrankung des Sohnes der Klägerin zu 1. nicht durch die Vorlage einer – in Anbetracht der kurzfristigen Geltendmachung der Erkrankung zu fordernden – ärztlichen Bescheinigung glaubhaft gemacht hat, würde auch eine unterstellte Verhinderung der Klägerin zu 1. wegen der Erkrankung ihres Sohnes bzw. fehlenden Betreuungsmöglichkeiten ihrer Kinder nicht dazu führen, dass nicht aufgrund der mündlichen Verhandlung in ihrer Abwesenheit entschieden werden könnte.
17Auch im Asylprozess, in dem es zumeist entscheidend auf die Angaben des Asylbewerbers ankommt, ist ein erheblicher Grund für eine Vertagung gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 227 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht bereits dann – quasi automatisch – anzunehmen, wenn ein anwaltlich vertretener Verfahrensbeteiligter wegen Krankheit oder aus anderen persönlichen Gründen verhindert ist, selbst an der Verhandlung teilzunehmen,
18vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2002 – 1 B 313/01 –, juris Rn. 5.
19Vielmehr ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen, ob der Verfahrensbeteiligte ohne Vertagung in seinen Möglichkeiten beschränkt würde, sich in dem der Sache nach gebotenen Umfang zu äußern; das bloße Anwesenheitsinteresse eines anwaltlich ausreichend vertretenen Beteiligten wird dagegen durch deren Gehörsanspruch nicht geschützt,
20vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Februar 2002 – 1 B 313/01 –, juris Rn. 5.
21Davon ist hier nicht auszugehen. Die Klägerin zu 1. hatte sowohl in der Anhörung beim Bundesamt als auch schriftsätzlich im Klageverfahren mehrfach Gelegenheit, die Gründe vorzutragen, die aus ihrer Sicht zur Anerkennung der Asylberechtigung bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen sollten. In der mündlichen Verhandlung waren die Kläger durch die mit ihrem Vorbringen vertraute Prozessbevollmächtigte vertreten. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde das persönliche Erscheinen der Kläger nicht angeordnet. Vielmehr wies das Gericht die Kläger in der ordnungsgemäßen Ladung darauf hin, es könne auch beim Ausbleiben der Kläger bzw. seiner Prozessbevollmächtigten verhandelt und entschieden werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass aus Art. 103 Abs. 1 GG ebenso wie aus dem Gebot eines fairen Verfahrens keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters besteht,
22vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2014 – 13 A 1347/13.A – juris Rn. 9,
23und die Sache entscheidungsreif war, war das Gericht nicht verpflichtet, die Klägerin zu 1. in einem weiteren Termin persönlich zu befragen. Dem Vertagungsantrag der Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung ist – obwohl das Gericht in der Erörterung der Sach- und Rechtslage unter anderem auf die (zum Teil) bestehenden Zweifel hinsichtlich der Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin zu 1. hingewiesen hat – nicht zu entnehmen, dass und gegebenenfalls welche ergänzenden Ausführungen die Klägerin zu 1. in einer weiteren mündlichen Verhandlung hätte persönlich vortragen wollen. Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass die Kläger durch die Ablehnung des Vertagungsantrags in ihren Möglichkeiten beschränkt worden sind, sich in dem der Sache nach gebotenen Umfang zu äußern.
24II. Die zulässige Klage ist unbegründet.
25Der Bescheid des Bundesamtes vom 12. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 und 1 VwGO. Sie haben im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylverfahrensgesetz -AsylVfG-) keinen Anspruch auf die mit der Klage verfolgte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG (1.) und Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Grundgesetz (GG) (2.).
261. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist – unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben – einem Ausländer dann internationaler Schutz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG in Form der Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr.1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Nr. 2a) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Nr. 2b).
27Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn sie aufgrund der im Herkunftsland des Antragstellers gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht,
28vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 19.
29Dieser Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 32 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09 –, juris Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris Rn. 35 ff.
31Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits in seinem Herkunftsland verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung bedroht wird,
32vgl. insoweit Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie). Mit Aufhebung des § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in der bis zum Ablauf des 30. November 2013 geltenden Fassung sollte kein geänderter Prüfungsmaßstab einhergehen, vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 24.
33Ob sich der Antragsteller im Einzelfall auf diese Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden, berufen kann, bzw. die Vermutung widerlegt wurde, ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen,
34vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09 –, juris Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris Rn. 39.
35Es ist Sache des Antragstellers, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung Verfolgung droht bzw. bereits stattgefunden hat. Hierzu gehört, dass der Antragsteller zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Antragstellers berücksichtigt werden,
36vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A –, juris Rn. 33 m.w.N.
37Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann weder festgestellt werden, dass die Kläger aufgrund bereits erlittener (a.) oder unmittelbar drohender Verfolgung (b.) aus Syrien ausgereist sind, noch, dass in der Zwischenzeit Gründe eingetreten sind, die es rechtfertigten, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von begründeter Furcht vor Verfolgung im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien auszugehen (c.).
38a. Eine bereits erlittene Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a Abs. 1 AsylVfG ist in der Person der Kläger nicht gegeben. Die von der Klägerin zu 1. im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt und im Klageverfahren schriftlich geschilderten Ereignisse, die sie zur Ausreise aus Syrien veranlasst haben sollen, hält das Gericht nach Würdigung der Gesamtumstände des Verfahrens für unglaubhaft, jedenfalls aber nicht geeignet, um von einer bereits erlittenen Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 3a bis e AsylVfG auszugehen.
39Der Vortrag der Klägerin zu 1. in der Anhörung durch das Bundesamt und im Klageverfahren zeichnete sich weit überwiegend durch seine Allgemeinheit aus. Die getätigten Angaben wiesen weitgehend keine Details auf, ließen vieles offen und enthielten keine Schilderungen von Emotionen.
40Dies trifft zum einen auf die Behauptung zu, der Ehemann der Klägerin zu 1. habe sich politisch betätigt, an vielen Demonstrationen teilgenommen und sei entführt worden. Angaben zu der Motivation der Entführung und darüber, wer ihn entführt haben soll, machte die Klägerin – trotz ausdrücklicher Nachfrage in der Anhörung durch das Bundesamt – nicht. Es hätte nahelegen, bereits in der Anhörung zu solchen - unzweifelhaft gravierenden – Eingriffen, wären sie denn tatsächlich passiert, umfangreich und detailliert vorzutragen. Überdies begründete die Entführung – als wahr unterstellt – keine bereits erlittene Verfolgung der Kläger im Sinne des § 3a AsylVfG. Denn die Klägerin zu 1. hat zu keiner Zeit unter Schilderung einer konkreten Begebenheit geltend gemacht, dass sie bzw. ihre Kinder – wegen des politischen Engagements ihres Ehemanns bzw. Vaters – Probleme mit syrischen Sicherheitskräften gehabt hat. Die pauschale Behauptung im Klageverfahren, sie seien „menschenrechtswidrigen Behandlungen“ bzw. „polizeilichen diskriminierenden Maßnahmen“ ausgesetzt gewesen, sind ungeeignet, eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung anzunehmen.
41Auch im Zusammenhang mit der behaupteten Teilnahme der Klägerin zu 1. an verschiedenen Demonstrationen berichtete sie nicht von einer Verfolgung oder einem sonstigen erlittenen ernsthaften Schaden etwa durch syrische Sicherheitskräfte. Sie schilderte zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Situation, in der sie oder die Kläger zu 2. oder 3. persönlich einer Verletzungshandlung im Sinne von § 3a AsylVfG ausgesetzt waren.
42Letzteres gilt auch für die Behauptung der Klägerin zu 1., sie habe ihr Stadtviertel verlassen müssen, weil sie einem verletzten Mädchen, einer D. , geholfen habe.
43b. Eine bereits eingetretener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung, die eine Gefährdung voraussetzt, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss,
44vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 – 10 C 24.08 –, juris,
45ist in der Person der Kläger ebenfalls nicht gegeben. Sie haben keine konkreten (glaubhaften) Umstände benannt, die eine so weit verdichtete Bedrohungslage ausmachen sollte. Die Klägerin zu 1. hat in ihrer Anhörung durch das Bundesamt nur unspezifisch angegeben, sie habe gehört, der Sicherheitsdienst hole die Mädchen, die demonstriert hätten, von zu Hause ab und inhaftiere sie. Konkrete Anhaltspunkte für diese Annahme, insbesondere auch in Bezug auf ihre eigene Person, schilderte sie in der Anhörung durch das Bundesamt und auch zunächst im Klageverfahren nicht.
46Eine unmittelbar drohende Verfolgung der Klägerin zu 1. anknüpfend an ihre behauptete Demonstrationsteilnahme kann ihr auch nicht aufgrund des erst im gerichtlichen Verfahren vorgelegten angeblich echten Dokuments aus Syrien (an alle Nachrichtendienstabteilungen und beteiligten zuständigen Behörden in allen syrischen Provinzen gesendetes Telegramm des Generalkommandos der Streitkräfte) geglaubt werden, welches den Namen der Klägerin zu 1., ihren Geburtstag, ihr Geburtsland, ihren Wohnort und den Namen ihrer Mutter sowie den „Tatvorwurf“ der Anstiftung zu Demonstrationen und Besorgung von Lebensmitteln und Medikamenten enthält. Denn das Dokument -selbst wenn von dessen amtlicher Ausstellung ausgegangen würde- ist hier ohne jeglichen Beweiswert. In Syrien lassen sich nach gefestigter Auskunftslage Unterlagen jedweder Art gegen Geld beschaffen,
47vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Arabischen Republik Syrien, September 2010, S. 22, so etwa auch schon der entsprechende Bericht aus Juli 2003, S. 22f.
48Rechtsgüter wie die Sicherheit des Urkundenverkehrs sind dabei im Kern unbekannt. Der syrische Rechtsalltag wird vielmehr nach der zitierten Auskunftslage von weitverbreiteter Korruption und engen persönlichen Beziehungen sowie dem Kennen der jeweiligen Entscheidungsträger bestimmt. Eine Gewähr selbst für den Inhalt formal echter Dokumente gibt es nicht. Fälschungen tauchen demnach nicht nur von gut organisierten Fälscherringen, sondern auch von staatlichen Stellen auf. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Sicherheit des Urkundenverkehres in Ansehung der dort fortdauernden Unruhen verbessert haben könnte; eher das Gegenteil dürfte der Fall sein. Daher ist das von den Klägern eingereichte Telegramm des syrischen Generalkommandos der Streitkräfte ohne jeden Beweiswert. Unbeschadet dieser Auskunftslage fallen jedoch weitere Unstimmigkeiten auf. So ist nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin zu 1. in Besitz des Dokuments gekommen sein will, welches den Zusatz „sehr geheim“ trägt. Zudem ist nicht erklärlich, warum die Klägerin zu 1. dieses Dokument – datierend vom 15. Juli 2012 – erst zu einem so späten Zeitpunkt in das Verfahren eingeführt hat, sollte es Grund für die Ausreise gewesen sein. Schließlich sind der auf dem Originalschriftstück vorhandene Stempel und die Unterschrift augenscheinlich – in selber Farbe – mit einem Computer gedruckt worden. Diese Ungereimtheiten sprechen ebenfalls für gefälschte Dokumente, die daher ungeeignet sind, eine Vorverfolgung glaubhaft zu machen.
49In Bezug auf den Übrigen Vortrag machte die Klägerin zu 1. ebenfalls keine unmittelbar drohende Verfolgung geltend.
50c. Losgelöst davon, dass die Kläger nicht bereits in ihrem Herkunftsland verfolgt wurden bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht waren, gibt es keine Anhaltspunkte für nach dem Verlassen ihres Heimatlandes eingetretene – objektive oder subjektive Nachflucht- – Gründe, die es rechtfertigten, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer begründeten Furcht vor Verfolgung der Kläger im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylVfG im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien auszugehen.
51Dies gilt insbesondere für eine etwaige Bedrohung der Kläger im Rückkehrfalle allein aufgrund ihrer illegalen Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung sowie ihres Aufenthalts im Ausland. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen geht in ständiger Rechtsprechung, die sich die Kammer zu eigen macht, davon aus, dass unverfolgt illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien -auch solche kurdischer Volks- und yezidischer Glaubenszugehörigkeit-, die sich im Ausland aufgehalten haben und einen Asylantrag gestellt haben, selbst in Ansehung der Repressionen des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden. Rückkehrer nach Syrien unterliegen zwar allgemein der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Dies begründet aber alleine einen Anspruch auf Abschiebungsschutz -dem der angefochtene Bescheid auch in Ziffer 3. seines Tenors Rechnung trägt-, nicht aber den Anspruch, als politisch Verfolgter anerkannt zu werden,
52vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.Februar 2014 – 14 A 214/14.A –, n.v.; OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2013 – 14 A 2663/13.A –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2013 – 14 A 1863/13.A –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 14 1517/13.A -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2013 - 14 A 1008/13.A -, juris.
53Belastbare Erkenntnisse, die die Annahme nahelegten, der syrische Staat erkenne in unpolitischen erfolglosen Asylbewerbern grundsätzlich eine erhöhte Gefahr und habe anders als vor Ausbruch des Konflikts eine entsprechende Handlungsmotivation dieser Personengruppe gegenüber entwickelt, so dass nunmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer politischen Verfolgung bestehe, lassen sich derzeit nicht hinreichend ausmachen. Nichts anderes folgt aus der davon abweichenden Beurteilung anderer Gerichte, wie etwa die des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt,
54vgl. etwa OVG LSA, Urteil vom 18. Juli 2012 - 3 L 417/12 -, juris,
55die eine solche Gefährdung annehmen. Diese Auffassung beruht mangels nötiger Referenzfälle, die es wegen ausgesetzter Abschiebungen nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände, die die erkennende Kammer nicht teilt. Denn es ist fernliegend anzunehmen, der syrische Staat, dessen Machthaber gegen Aufständische um das politische und physische Überleben kämpfen und dabei bereits die Kontrolle über Teile des Landes verloren haben, hätte Veranlassung und Ressourcen, alle zurückgeführten unpolitischen Asylbewerber ohne erkennbaren individuellen Grund aus den in § 3 AsylVfG genannten Gründen zu verfolgen; das bloße Vorliegen eines mit aller Härte geführten bewaffneten Konflikts in Syrien reicht hierfür nicht aus,
56vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.Februar 2014 – 14 A 214/14.A –, n.v.; OVG NRW, Beschluss vom 21. August 2013 – 14 A 1863/13.A –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 27. Juni 2013 - 14 1517/13.A -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2013 - 14 1008/13.A -, juris.
57Nicht zuletzt wird es gerade aufgrund der derzeitigen militärischen Auseinandersetzungen den syrischen Machthabern auch vor Augen stehen, dass Flüchtlinge ihr Heimatland nicht allein wegen einer regimefeindlichen Gesinnung, sondern vielfach, wenn nicht gar überwiegend vornehmlich wegen der allgemeinen kriegsähnlichen Lage und den damit verbundenen Gefahren verlassen.
58Weitere nach Verlassen ihres Heimatlandes eingetretene Gründe, die es rechtfertigten von einer Rückkehrgefährdung auszugehen, haben die Kläger nicht dargelegt.
592. Nach Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Ungeachtet der Frage, ob einem Asylrecht der Kläger hier die Einreise aus einem sicheren Drittstaat gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG entgegensteht, scheidet jenes bereits aus denselben Gründen aus, die der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG entgegenstehen.
60III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ergibt sich aus § 30 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
3Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht zu.
4Grundsätzliche Bedeutung im Sinne der genannten Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
5Nach diesen Maßstäben kommt der aufgeworfenen Frage,
6"ob unverfolgt, illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im europäischen Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, angesichts der Repression des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden im Sinne einer Einzelverfolgung aufgrund Gruppenzugehörigkeit",
7keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist nicht klärungsbedürftig, da sie in Nordrhein-Westfalen im verneinenden Sinne geklärt ist.
8Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 9.12.2013 ‑ 14 A 2663/13.A ‑, NRWE Rn. 5 ff.
9Der Umstand, dass die tatsächliche Situation in Syrien hinsichtlich dieser Frage unterschiedlich gewürdigt wird, kann nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache unter dem Gesichtspunkt führen, dass zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen ist. Das ist nämlich nicht möglich, da dieses Gericht an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO).
10Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.8.2013 ‑ 14 A 1863/13.A ‑, NRWE Rn. 9.
11Somit könnte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nur damit begründet werden, dass neue Gesichtspunkte vorgebracht werden, die die genannte Frage als klärungsbedürftig geblieben oder wieder geworden erscheinen lassen.
12Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124 Rn. 144.
13Das ist nicht der Fall. Der Verweis auf die abweichende Wertung der tatsächlichen Verhältnisse durch andere Gerichte genügt dafür nicht. Die vom Kläger insoweit genannten tatsächlichen Gesichtspunkte hat auch der Senat in seiner Rechtsprechung berücksichtigt. Sie können die mit dieser Rechtsprechung übereinstimmende Beurteilung des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil nicht in Frage stellen. Belastbare Erkenntnisse, die die asylrechtlich erhebliche Gefahr einer politischen Verfolgung belegen, benennt der Kläger in den abweichenden Entscheidungen anderer Gerichte nicht. Deren Auffassung beruht mangels Referenzfällen, die es wegen ausgesetzter Abschiebungen nicht gibt, notwendigerweise auf einer wertenden Gesamtschau aller Umstände. Diese Wertung teilt der beschließende Senat in seiner Rechtsprechung nicht, weil es lebensfremd ist anzunehmen, der syrische Staat, dessen Machthaber gegen Aufständische um das politische und physische Überleben kämpfen und dabei die Kontrolle über erhebliche Landesteile verloren haben, hätte Veranlassung und Ressourcen, alle zurückgeführten unpolitischen Asylbewerber ohne erkennbaren individuellen Grund aus den in § 60 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) genannten Gründen zu verfolgen. Für die Annahme, dass die syrischen Sicherheitsorgane eine solche auf jeden Asylbewerber bezogene, an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Verfolgungstätigkeit entfalteten, gibt es keinerlei Anhalt.
14Damit setzt sich der Senat keineswegs, wie der Kläger glaubt, in Widerspruch zu seiner Rechtsprechung hinsichtlich der Gewährung von Abschiebungsschutz für alle syrischen Asylbewerber. Der Senat hat entschieden, dass angesichts des weitverbreiteten und wahllosen Einsatzes der Folter durch den syrischen Staat für jeden rückgeführten Asylbewerber die beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, auch ohne individuellen Bezug zu Gruppen oder Personen der Exilszene über sein Wissen darüber während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland unter Einsatz der Folter abgeschöpft zu werden.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14.2.2012 ‑ 14 A 2708/10.A ‑, NRWE Rn. 43 ff.
16Die allgemeine Gefahr informatorischer Befragung unter Folter ohne erkennbaren individuellen ‑ und sei es auch nur gruppenabgeleiteten ‑ Grund knüpft jedoch nicht an asylerhebliche Merkmale an. Folter kann ein Indiz für eine asylrechtsrelevante Gerichtetheit der Verfolgung sein,
17Vgl. BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), Beschluss vom 21. August 1995 ‑ 2 BvR 1675/95 ‑, juris Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 ‑ 9 C 36.83 ‑, BVerwGE 67, 184 (194); OVG NRW, Beschluss vom 18.9.2013 ‑ 14 A 2130/13.A ‑, S. 3 des amtlichen Umdrucks,
18führt aber nicht als solche zur Annahme einer politischen Verfolgung, sondern zu Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes. Zur Annahme der politischen Verfolgung eines durch Folter Bedrohten ist, wenn nicht in seiner Person an asylerhebliche Merkmale angeknüpft wird, jedenfalls dessen Zurechnung zur Gegenseite des Verfolgerstaates oder zu einer anderen Person, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist, erforderlich.
19Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9.7.2012 ‑ 14 A 2485/11.A ‑, NRWE Rn. 16 f.; Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Loseblattsammlung (Stand: Dezember 2013), vor II-1 Rn. 69.
20Daran fehlt es, wenn lediglich die beachtliche Wahrscheinlichkeit für jeden Asylbewerber besteht, bei seiner Rückkehr routinemäßig auch unter Einsatz der Folter befragt zu werden.
21Das angegriffene Urteil weicht auch nicht von den von den Klägern zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG. Eine die Berufung eröffnende Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorinstanz mit einem die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz einem in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten entscheidungstragenden Rechts- oder Tatsachensatz widerspricht.
22Das Bundesverwaltungsgericht hat in den vom Kläger zitierten Entscheidungen,
23Urteil vom 1.6.2011 ‑ 10 C 25.10 ‑, NVwZ 2011, 1463, und Urteil vom 27.4.2010 ‑ 10 C 5.09 ‑, NVwZ 2011, 51,
24entschieden, dass in Abweichung von der früheren, auf nationales Recht gestützten Rechtsprechung ein einheitlicher Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden ist, dass aber bei Vorverfolgten bzw. Geschädigten die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 Platz greife. Das Verwaltungsgericht hat ‑ unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des beschließenden Senats ‑ keine dem widersprechenden Rechtssätze aufgestellt, wie es der Kläger aus Entscheidungen des beschließenden Senats herauslesen zu können glaubt. Wie oben bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem vom Senat und vom Verwaltungsgericht für jedweden Rückkehrer nach Syrien angenommenen Umstand der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 AsylVfG unterworfen zu werden, mitnichten die beachtliche Wahrscheinlichkeit, unter Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG verfolgt zu werden.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
26Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
3Der Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) liegt nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
4Nach diesen Maßstäben kommt den aufgeworfenen Fragen,
5"1. ob eine Person, die illegal aus Syrien ausgereist ist und im Ausland Asylantrag gestellt sowie sich jahrelang im Ausland aufgehalten und exilpolitische Aktivitäten entfalten hat, im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung zu gewärtigen hat;
62. ob eine Person, die sich in der Bundesrepublik Deutschland exilpolitisch betätigt hat, z. B. durch die Veröffentlichung von regimekritischen Artikeln im Internet, im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien politische Verfolgung zu gewärtigen hat, unabhängig von der Frage, ob die exilpolitischen Aktivitäten 'zum Teil ausschließlich zum Zwecke der Schaffung eines asylrelevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt werden' oder nicht",
7die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Die erste Frage würde sich in einem Berufungsverfahren nicht stellen und ist somit nicht klärungsfähig. Die Klägerin zu 1 hat nach dem Tatbestand des angegriffenen Urteils Syrien am 11. November 2012 verlassen. Von jahrelangem Aufenthalt im Ausland kann also keine Rede sein. Im übrigen hat der beschließende Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass unverfolgt illegal ausgereiste Rückkehrer nach Syrien, die sich im Ausland aufgehalten und einen Asylantrag gestellt haben, auch angesichts der Repression des syrischen Staates in Bezug auf Oppositionelle nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch verfolgt werden. Rückkehrer unterliegen zwar allgemein der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Dies begründet aber lediglich einen Anspruch auf Abschiebungsschutz, nicht den Anspruch, als politisch Verfolgter anerkannt zu werden.
8Zuletzt OVG NRW, Beschluss vom 21.8 2013 ‑ 14 A 1863/13.A ‑. NRWE Rn. 6 ff.
9Dies ist in Nordrhein-Westfalen geklärt und somit nicht mehr klärungsbedürftig. Die weitergehende Frage nach der asylrechtlichen Bedeutung exilpolitischer Betätigung beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls und entzieht sich fallübergreifender Beurteilung, so dass dies in einem Berufungsverfahren nicht klärungsfähig ist.
10Der Zulassungsgrund eines in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG) in Form der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte brauchen sich dabei jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegen genommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht allerdings auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war. Darüber hinaus verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör, dass ein Gericht nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse ‑ auch Presseberichte und Behördenauskünfte ‑ verwertet, die von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind und zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Eine hierauf bezogene Gehörsrüge muss darlegen, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs zu weiterer Klärung des geltend gemachten Anspruchs Geeignetem vorgetragen worden wäre.
11Vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschluss vom 14.4.2005 ‑ 1 B 161.04 ‑, Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO, Nr. 81.
12Nach diesen Maßstäben liegt keine Verletzung rechtlichen Gehörs darin, dass das Verwaltungsgericht die Kläger zu der Tatsache nicht angehört hat, dass "verstärkt seit Ausbruch des Konflikts in Syrien hierzulande exilpolitische Tätigkeiten von bislang unpolitischen syrischen Staatsangehörigen zum Teil ausschließlich zum Zwecke der Schaffung eines asylrechtlich relevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt" würden. Es handelt sich schon nicht um eine Tatsache, zu der gemäß § 108 Abs. 2 VwGO ausdrücklich eine Äußerungsmöglichkeit eingeräumt werden müsste, denn es erscheint als allgemeinkundig, dass infolge für alle syrischen Staatsbürger gewährten Abschiebungsschutzes ohne Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft solche Versuche verstärkt unternommen werden. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt aber auch deshalb nicht vor, weil die Kläger nicht vorgetragen haben, was sie bei ausreichender Gehörsgewährung an zu weiterer Klärung des geltend gemachten Anspruchs Geeignetem vorgetragen hätten.
13Insofern machen sie nicht etwa geltend, dass die beschriebene Tatsache nicht richtig sei, sondern lediglich, sie hätten dargelegt, dass eine Vielzahl von Syrern einschließlich der Klägerin zu 1 exilpolitische Aktivitäten nicht zum Zwecke der Schaffung eines asylrelevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt hätten und dass nicht jeder syrische Asylbewerber in Deutschland gegen den syrischen Staat exilpolitisch aktiv sei, sondern es auch zahlreiche Pro-Assad-Aktivisten gebe. Es ist nicht dargelegt oder sonst erkennbar, warum dies für den Asylanspruch erheblich sein soll, da dies nicht der vom Verwaltungsgericht angeführten Tatsache entgegensteht, dass "verstärkt seit Ausbruch des Konflikts in Syrien hierzulande exilpolitische Tätigkeiten von bislang unpolitischen syrischen Staatsangehörigen zum Teil ausschließlich zum Zwecke der Schaffung eines asylrechtlich relevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt" werden. Diese Tatsache hat das Verwaltungsgericht in der Annahme bestärkt, die syrischen Sicherheitskräfte hätten keine Interesse an der exilpolitischen Tätigkeit der Klägerin, von der das Verwaltungsgericht nicht annimmt, sie werde nur zum Zwecke der Schaffung eines asylrelevanten Nachfluchtgrundes ausgeübt.
14Der Gehörsverstoß ist auch nicht deshalb begründet, weil das Verwaltungsgericht den Inhalt eines von der Klägerin zu 1 verfassten und zu den Akten gereichten Artikels nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hätte. Aus Tatbestand und Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils auf S. 3 und 8 ergibt sich das Gegenteil. Dort wird nämlich sowohl die Tatsache des Artikels als auch schlagwortartig der Inhalt wiedergegeben. Dass die Würdigung des Umstands nicht der der Kläger entspricht, begründet keinen Gehörsverstoß.
15Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
16Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn
- 1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist, - 2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird, - 3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und - 4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn
- 1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist, - 2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird, - 3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben, - 4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und - 5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.
(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.
(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.