Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 25. Nov. 2014 - Au 2 K 14.30422

published on 25/11/2014 00:00
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 25. Nov. 2014 - Au 2 K 14.30422
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Gericht

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Tenor

I.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Nr. 2 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Juli 2014 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der am ... 1986 in ... geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger, arabischer Volkszugehörigkeit, sunnitischer Glaubensrichtung. Er reiste nach eigenen Angaben am 16. Dezember 2013 über ..., ... und ... in das Bundesgebiet ein und stellte am 27. Dezember 2013 Asylantrag.

Die persönlichen Anhörungen des Klägers erfolgten am 3. Januar sowie am 11. Juni 2014. Insofern wird auf die hierüber gefertigten Niederschriften verwiesen.

Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 7. Juli 2014 wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt (Nr. 1 des Bescheids) und der Asylantrag im Übrigen abgelehnt (Nr. 2 des Bescheids). Der Bescheid wurde dem Kläger am 15. Juli 2014 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2014 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. Juli 2014 in Ziffer 2 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass syrische Asylbewerber, unabhängig von einer Vorverfolgung, wegen illegaler Ausreise aus Syrien, Asylantragstellung und dem längeren Aufenthalt im Ausland im Falle einer Rückkehr bedroht seien. Dieses Verhalten werde vom syrischen Staat als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst und entsprechend verfolgt. Der Kläger habe in den Jahren 2005 bis 2007 seine militärische Grundausbildung abgeleistet und sei zwischenzeitlich zum Militärdienst einberufen worden. Wie ihm durch Nachbarn bekannt worden sei, habe die Militärpolizei im Juni 2014 bereits nach ihm gesucht.

Die Beklagte übersandte am 13. August 2014 die Behördenakten.

Mit Beschluss vom 6. November 2014 wurde die Entscheidung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter übertragen.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich am 12. und 20. November 2014 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der sonstigen Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Der Kläger hat zu dem gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 3 AsylVfG. Nr. 2 des insoweit rechtswidrigen Bescheids vom 7. Juli 2014 war daher aufzuheben.

Mit dem der Entscheidung zugrunde liegenden, am 1. Dezember 2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl 2013, 3474) hat die Bundesrepublik Deutschland die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes umgesetzt. In diesem Zuge (vgl. Art. 1 und 2 des Umsetzungsgesetzes) wurde die bisherige gesetzliche Regelung in § 60 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F., die die Flüchtlingsanerkennung auf der Grundlage des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) und den europarechtlichen Abschiebeschutz betraf, zugleich in das Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) transferiert.

Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des GFK, wenn er sich

1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Herkunftslandes befindet,

2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,

a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder

b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG, der nicht den Aberkennungsausnahmen nach § 3 Abs. 2 AsylVfG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylVfG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylVfG).

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG, des Art. 1 A GFK und der Richtlinie 2011/95/EU gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG).

Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG i. V. m. § 3b AsylVfG) und den Verfolgungshandlungen (den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen, § 3a AsylVfG) muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylVfG).

Unter dem Verfolgungsgrund der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Asylantragsteller (§ 13 AsylVfG) in einer Angelegenheit, die die in § 3c AsylVfG genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob der Asylantragsteller aufgrund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylVfG). Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe reicht es aus, wenn diese Merkmale dem Asylantragsteller von seinem Verfolger lediglich zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylVfG). Die in nationales Recht umgesetzte Richtlinie 2011/95/EU orientiert sich insoweit an dem aus dem angloamerikanischen Rechtsraum bekannten Auslegungsprinzip der „imputed political opinion“, wonach es ausreicht, dass ein Verfolger seine Maßnahmen deshalb gegen den Antragsteller richtet, weil er davon ausgeht, dass dieser eine abweichende politische Überzeugung vertritt (vgl. z. B. VG Saarlouis, U.v. 22.8.2013 - 3 K 16/13 - juris Rn. 16).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem in Art. 16a GG verankerten Grundrecht aus Asyl kann eine politische Verfolgung auch dann vorliegen, wenn staatliche Maßnahmen gegen - an sich unpolitische - Personen ergriffen werden, weil sie der Gegenseite oder dem persönlichen Umfeld einer anderen Person zugerechnet werden, die ihrerseits Objekt politischer Verfolgung ist (BVerfG, B.v. 22.11.1996 - 2 BvR 1753/96 - AuAS 1997, 6). Dienen diese Maßnahmen zunächst der Ausforschung der Verhältnisse des Dritten, so kann ihnen die Asylerheblichkeit nicht von vornherein mit dem Argument abgesprochen werden, sie seien nicht gegen die politische Überzeugung des Betroffenen gerichtet (BVerfG, B.v. 28.01.1993 - 2 BvR 1803/92 - InfAuslR 1993, 142).

Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG), gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr. Dies gilt wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gleichermaßen. Dieser Maßstab ist mit demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit gleichzusetzen (BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22). Die Tatsache, dass ein Asylantragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Asylantragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw., dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (so bereits § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG a. F., der auf die unveränderte Vorgängernorm in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG verweist). Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei, was etwa bei einem Widerruf der zuerkannten Flüchtlingseigenschaft Relevanz besitzt. Im Stadium der Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling ist das Anforderungsniveau unterschiedslos gleich (EuGH, U.v. 2.3.2010 - C-175/08 - NVwZ, 2010, 505; BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22)

Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist (§ 28 Abs. 1a AsylVfG). Für subjektive Nachfluchttatbestände, die bereits während eines Erstverfahrens verwirklicht worden sind, greift damit keine Einschränkung. Für die Flüchtlingsanerkennung müssen diese - anders als bei der Asylanerkennung gem. § 28 Abs. 1 AsylVfG - nicht einmal auf einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung beruhen (BVerwG U.v. 18.12.2008 - 10 C 27.07 - BVerwGE 133, 31; OVG LSA U.v. 18.7.2012 - 3 L 147/12 - juris Rn. 26). Auch soweit die begründete Furcht vor Verfolgung auf Nachfluchtgründen beruht, reicht es bei der Prüfung der Verfolgungsgründe aus, wenn diese Merkmale dem Asylantragsteller von seinem Verfolger lediglich zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylVfG).

Hat keine relevante Vorverfolgung stattgefunden, so kann Schutz nach § 3 AsylVfG weiterhin nur derjenige beanspruchen, der politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Dabei gilt unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum inhaltsgleichen bisherigen § 60 Abs. 1 AufenthG a. F., dass eine Verfolgungsgefahr für einen nicht verfolgt Ausgereisten und damit dessen begründete Furcht vor Verfolgung nur dann vorliegt, wenn ihm bei verständiger, nämlich objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Heimatstaat zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (vgl. z. B. BVerwG, B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - AuAS 2008, 118).

Entscheidend ist, ob bei „qualifizierender“ Betrachtungsweise aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann und deshalb eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Die Betrachtung ist weder auf einen quantitativ zu ermittelnden überwiegenden Wahrscheinlichkeitseintritt reduziert, noch ist der quantitative Aspekt ausgeschlossen. Bei der vorzunehmenden „zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts“ müssen die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium bei der Beurteilung, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Bei quantitativ nicht überwiegender Wahrscheinlichkeit (mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50%) einer Gefahr kann eine politische Verfolgung gegeben sein, wenngleich die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht ausreicht, da ein vernünftig denkender Mensch sie außer Betracht lässt. Wenn sich aus den Gesamtumständen des Falles die reale Möglichkeit einer Verfolgung ergibt, riskiert kein verständiger Mensch die Rückkehr in das Herkunftsland. Bei der Abwägung aller Umstände bezieht der verständige, besonnen und vernünftig denkende Betrachter neben dem Alter des potentiellen Rückkehrers auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in gewissem Umfang ein. Es besteht ein erheblicher Unterschied, ob die Gefahr z. B. eines Verhörs ohne Folter, einer Inhaftierung über Stunden, Tage, Monate, Jahre, der Folter oder aber des „Verschwindenlassens“ oder der Todesstrafe droht (BVerwG, U.v. 1.6.2011 a. a. O.; B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192).

Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts ist der Kläger als syrischer Flüchtlingsschutzsuchender unabhängig von einer Vorverfolgung aufgrund der aktuellen Situation in Syrien aus beachtlichen Nachfluchtgründen von Verfolgung wegen illegaler Ausreise aus Syrien, der Asylantragstellung und seines Aufenthalts im Ausland (mit längerfristigem Aufenthaltszweck) bedroht. Diese Handlungen werden vom syrischen Staat derzeit als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst, so dass ein Asylantragsteller bei einer Rückkehr nach Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Anknüpfung an seine tatsächliche oder jedenfalls vermutete politische Überzeugung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hat. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist deshalb zu bejahen (vgl. z. B. HessVGH, B.v. 27.1.2014 - 3 A 917/13.Z.A - InfAuslR 2014, 80; VGH BW, B.v. 29.10.2013 - A 11 S 2046/13 - juris Rn. 6; B.v. 19.6.2013 - A 11 S 927/13 - juris Rn. 11 ff.; OVG LSA, U.v. 18.7.2012 - 3 L 147/12 - juris; VG München, U.v. 9.7.2014 - M 22 K 14.30752 - juris; VG Regensburg, G.v. 10.5.2013 - RN 6 K 12.30192 - juris; VG Gießen, G.v. 17.7.2014 - 2 K 3472/12.GI.A - juris; VG Minden, U.v. 31.7.2014 - 1 K 3532/13.A - juris).

Nach der sich aus der Berichterstattung in den Medien ergebenden Auskunftslage und der Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ist davon auszugehen, dass der syrische Staat das Stellen eines Asylantrages im Zusammenhang mit einer illegalen (ungenehmigten) Ausreise und dem entsprechenden Aufenthalt im westlichen Ausland generell - mithin in stigmatisierender Weise - als Anknüpfung und Ausdruck einer politischen missliebigen Gesinnung, also als Kritik am herrschenden System ansieht, die das Gebot der Loyalität gegenüber dem eigenen Staat verletzt. Dieses Verhalten wird - ungeachtet einer oppositionellen Haltung des Einzelnen - vom syrischen Staat generell und unterschiedslos als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst. Rückkehrer haben mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Anknüpfung an ihre tatsächliche oder jedenfalls vermutete politische Überzeugung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen. Es liegen damit beachtliche Nachfluchtgründe gemäß § 28 Abs. 1a AsylVfG vor. Wegen der illegalen Ausreise, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland ist von einer drohenden „Einzelverfolgung wegen Gruppenzugehörigkeit“ auszugehen (vgl. zur Abgrenzung von der Gruppenverfolgung BVerwG, B.v. 22.2.1996 - 9 B 14.96 - DVBl 1996, 624).

Dieser Schluss rechtfertigt sich aus mehreren Gründen, nämlich der Behandlung von Personen, die bis zum Erlass des generellen Abschiebestopps im April 2011 aus der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Staaten nach Syrien abgeschoben wurden, die umfassende Beobachtung von syrischen Staatsangehörigen im Ausland durch die verschiedenen syrischen Geheimdienste, die Eskalation der innenpolitischen Situation in Syrien seit März 2011 sowie dem Umgang der syrischen Behörden in Syrien insbesondere seit Beginn 2012 mit Personen, die aus Sicht der syrischen Behörden verdächtig sind, die Opposition zu unterstützen (ebenso OVG LSA, U.v. 18.7.2012 a. a. O.; VG München, U.v. 9.7.2014 a. a. O.).

Wegen der vom syrischen Regime ausgehenden Willkürhandlungen verschließt sich eine inhaltliche Bewertung oder Qualifizierung in Bezug auf die Nachfluchtgründe der Ausreise, des Aufenthaltes und der Asylantragstellung im Ausland im Einzelnen. Es ist nicht erkennbar, ob die syrischen Sicherheitsbehörden innerhalb dieser Anknüpfungspunkte etwa nach Art und Dauer des Aufenthalts im Ausland differenzieren und gewichten. Allein die Ausreise und damit die fehlende Einflussnahme auf das Staatsvolk werden vom syrischen Regime als oppositionelle Haltung angesehen.

Das erkennende Gericht stützt gleichermaßen wie die oben in Bezug genommene Rechtsprechung seine Bewertung auf die dort und nachfolgend dargestellten Erkenntnisse.

Personen, die im Rahmen des Anfang 2009 in Kraft getretenen deutschsyrischen Rückübernahmeabkommens nach Syrien zurückgeführt worden sind, wurden bei ihrer Einreise in der Regel zunächst durch die Geheimdienste über ihren Auslandsaufenthalt und den Grund ihrer Abschiebung befragt und z.T. (mehrwöchig) inhaftiert (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 27.9.2010, S. 19 f.). Bereits vor dem Erstarken der Protestbewegung gegen die syrische Regierung im März 2011 lagen in diesem Zusammenhang eine Vielzahl von Erkenntnissen über willkürliche Verhaftungen sowie über körperliche und psychische Misshandlungen von abgeschobenen syrischen Staatsangehörigen durch syrische Behörden, insbesondere den syrischen Geheimdienst, vor. Amnesty International (AI) dokumentierte eine Reihe von Fällen, in denen seit 2009 abgelehnte Asylbewerber nach ihrer Abschiebung (aus Deutschland und anderen europäischen Staaten) festgenommen und ohne Kontakt zur Außenwelt unter erheblicher Foltergefahr von den Geheimdiensten inhaftiert wurden (AI, Menschenrechtslage in Syrien, Bericht vom 14.3.2012).

Ein gefahrerhöhendes Moment für Rückkehrer stellt die seit der Eskalation des syrischen Konflikts gesteigerte Aktivität der syrischen Geheimdienste - auch in der Bundesrepublik - dar. Die Geheimdienste spielen für das syrische Regime eine wesentliche Rolle. Der Staatspräsident stützt seine Herrschaft in besonderem Maße auf die militärischen und zivilen Geheimdienste. Es gibt vier große Sicherheitsdienste, die unabhängig voneinander alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens kontrollieren. Unabhängig von der offiziellen organisatorischen Zuordnung sind die Geheimdienste unmittelbar nur dem Staatspräsidenten gegenüber verantwortlich. Ihre Befugnisse unterliegen keinen definierten Beschränkungen. Jeder Geheimdienst unterhält in Syrien eigene Gefängnisse und Verhörzentralen, bei denen es sich um rechtsfreie Räume handelt (s.u.). Syrische Geheimdienste sind auch in Deutschland aktiv (Auswärtiges Amt, Adhoc-Ergänzungsbericht vom 17.2.2012). Laut dem Verfassungsschutzbericht 2012 unterhalten syrische Nachrichtendienste eine (legale) Residentur an der syrischen Botschaft in Berlin und führen von dort aus ein Agentennetz im Bundesgebiet. Der Verfassungsschutz verzeichnet seit der Eskalation der Auseinandersetzungen in Syrien im Frühling 2011 eine deutliche Zunahme der geheimdienstlichen Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Verfassungsschutzbericht 2012 des Bundesministeriums des Innern; http://www.verfassungsschutz.de /de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/verfassungsschutzberichte). Ziel ist vor allem die Ausforschung von oppositionellen Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus Sicht des Regimes eine Gefahr darstellen, wie Regimegegner und Oppositionelle, insbesondere auch die Ausspähung von Demonstrationen. Bereits in mehreren Fällen wurden von den deutschen Behörden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit eingeleitet, mehrere syrische Botschaftsangehörige wurden wegen Spionageverdachts ausgewiesen (siehe auch: www.sueddeutschezeitung.de vom 13.2.2012 - Mit Assads Spitzeln auf Du und Du; Der Spiegel, 30.7.2012 - Wolke 7; Spiegel Online, 4.12.2013 - Bundesanwaltschaft klagt mutmaßlichen Assad-Spion an). Nach alledem besteht ein verschärftes Interesse des syrischen Regimes an Auslandsaktivitäten geflüchteter Landsleute.

Die Gefahr, in den Verdacht einer regimekritischen Gesinnung zu geraten und deshalb bei Rückkehr verhaftet und im Rahmen der Befragung misshandelt zu werden, hat sich durch die Eskalation der innenpolitischen Lage in Syrien erhöht (ebenso VG Hannover, U.v. 8.5.2013 - 1 A 5409/12 - juris Rn. 69). Folter und andere Misshandlungen, bis hin zu Todesfällen im Gewahrsam syrischer Sicherheitskräfte und verbündeter Milizen können jeden treffen, der ins Blickfeld des syrischen Regimes gerät, auch Frauen und Kinder. Ziel ist, Informationen zu erhalten, Geständnisse zu erpressen, mutmaßliche Regierungsgegner zu drangsalieren und zu bestrafen. Folter wird systematisch praktiziert. Todesfälle in Gewahrsam sind in vielen Fällen auf Folter zurückzuführen. Das „Verschwindenlassen“ von Personen ist in Syrien schon seit Ende der 70er Jahre Mittel des Machtgebrauchs der Regierungskräfte und die Zahl verschwundener Personen geht in die Zehntausende. Angehörige der Regierungskräfte, Sicherheitskräfte oder Milizen müssen sich für Foltervergehen, Misshandlungen, Todesfälle oder Fällen des „Verschwindenlassens“ strafrechtlich nicht verantworten. Die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen werden von der Regierung nicht zur Rechenschaft gezogen. Aufklärung findet nicht statt. Es herrscht weiterhin ein Klima der Straflosigkeit, noch verschärft durch ein Gesetz, das den Angehörigen der Sicherheitskräfte strafrechtliche Immunität bei rechtswidrigen Tötungen, Folter, „Verschwindenlassen“ und andere Menschenrechtsverletzungen garantiert. Die Haftbedingungen sind katastrophal in den überfüllten Gefängnissen. Zugang zu juristischer Prüfung, Anspruch auf Rechtsbeistand oder Information der Familien besteht nicht (Auswärtiges Amt, Adhoc-Ergänzungsbericht vom 17.2.2012). Nach jüngeren Medienberichten gibt es Hinweise für Folter und „Tötungen im industriellen Ausmaß“ an syrischen Häftlingen (Süddeutsche Zeitung vom 22.1.2014 - Die Handschrift des Teufels; FAZ.NET vom 21.1.2014 - Assad lässt Häftlinge systematisch foltern).

Das syrische Regime geht seit Ausbruch der Unruhen im März 2011 mit massiver Gewalt gegen tatsächliche und vermeintliche Oppositionelle vor (Zeit online vom 23.2.2013). Das Auswärtige Amt spricht von einer präzedenzlosen Verhaftungswelle gegen die Protestbewegung (Auswärtiges Amt, Adhoc-Ergänzungsbericht vom 17.2.2012).

Unter Menschenrechtsverteidigern ist der Eindruck verbreitet, das syrische Regime gehe mit besonderer Härte gegen diejenigen Personen vor, denen nachgewiesen werden könne, dass sie Informationen über die Lage im Land an ausländische Medien weitergeben. Internetnutzung wird überwacht und reguliert (Auswärtiges Amt, Adhoc-Ergänzungsbericht vom 17.2.2012). Nach dem Syrischen Strafgesetzbuch wird mit Freiheitsstrafe bestraft, wer in Syrien in Kriegszeiten oder in Erwartung eines Krieges Behauptungen aufstellt, die das Nationalgefühl schwächen (Art. 285), wissentlich falsche oder übertriebene Nachrichten verbreitet, die zur Schwächung des Nationalgefühls führen (Art. 286). Ebenso wird jeder syrische Staatsangehörige nach Art. 287 mit Freiheitsstrafe bestraft, der im Ausland wissentlich falsche oder übertriebene Informationen verbreitet, die dem Ansehen des Staates oder dessen finanzieller Position schaden (Auszug Syrische Strafgesetzartikel in www.Kurdwatch.org). Das Meinungsmonopol liegt letztlich beim syrischen Regime. Meinungs- und Pressefreiheit wird nach Art. 38 der Syrischen Verfassung unter dem Zusatz gewährt, dass jeder Bürger das Recht habe, „konstruktive Kritik zu üben in einer Art und Weise, die die Stabilität der inneren und nationalen Strukturen bewahren und das sozialistische System stärken“. Wenngleich durch das im Sommer 2011 erlassene neue Mediengesetz, das das Pressegesetz von 2001 ersetzte, ein Recht des Bürgers auf Informationsfreiheit anerkannt und die Zensurreichweite eingeschränkt wird, hat sich die Pressefreiheit faktisch nicht verbessert, vielmehr wurde die Presse- und Meinungsfreiheit stark verringert (Auswärtiges Amt, Adhoc-Ergänzungsbericht vom 17.2.2012). Auch im Ausland ist der syrische Nachrichtendienst seit Jahren planmäßig ausforschend tätig. Schon der bloße Verdacht oppositioneller Umtriebe oder exilpolitischer Betätigung, die bereits niederschwellig angenommen wird, führt zu einem besonders hohen Folterrisiko (Auswärtiges Amt, Adhoc-Ergänzungsbericht vom 17.2.2012). Die Abneigung des Regimes gegen die westliche Haltung ergibt sich zudem auch aus der Medienberichterstattung (vgl. hierzu VG Magdeburg, G.v. 29.4. 2013 - 9 A 185/12 - juris Rn. 43 ff.).

Wesentlich für den politischen Charakter der Verfolgungshandlung, der der aus der Bundesrepublik Deutschland zurückkehrende Asylbewerber mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt sein wird, ist auch, dass nach der offiziellen Lesart des syrischen Regimes für die Unruhen im Land Kräfte aus dem Ausland verantwortlich sind (Spiegel online vom 5.2.2013, Interview mit Syriens Vize-Außenminister). Der syrische Staat wird daher Rückkehrern, die - wie der syrische Staat weiß - die Situation in Syrien vom Ausland aus unter Zuhilfenahme unabhängiger Berichterstattung beurteilen konnten, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit oppositionelles Gedankengut unterstellen.

Auch die Beklagte geht davon aus, dass Rückkehrern mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ernsthafter Schaden, insbesondere die Gefahr von Folter droht und gewährt daher subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylVfG. Angesichts der oben im Einzelnen dargestellten Hintergründe steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass die befürchteten beachtlichen Gefahren an die vom syrischen Regime dem Betroffenen zumindest unterstellte politische Überzeugung bzw. an eine vermuteten Nähe zu exilpolitisch aktiven Gruppen anknüpfen und daher politisch motiviert sind. Es liegt im Falle eines totalitären Regimes, das sich rücksichtslos über die Integrität und Freiheit seiner Bürger um jeden Preis hinwegsetzt und sich in einem beispiellosen Machtkampf befindet, nahe, dass dieses gewissermaßen bis zum Beweis des Gegenteils von einer potentiellen Gegnerschaft bei Rückkehrern ausgeht. Ein realistisches anderes Erklärungsmuster als die politische Gerichtetheit der staatlichen Repressalien ist nicht ersichtlich. Die besondere Intensität der Eingriffe, von der die Beklagte selbst ausgeht, indiziert die bestehende Gerichtetheit (so z. B. VGH BW, B. v. 29.10.2013 - A 11 S 2046/10 - juris).

Angesichts der Gefahr, im Falle einer Rückkehr bereits an der Grenze verhaftet und von menschenrechtswidriger Behandlung bedroht zu sein, kann der Kläger auch nicht darauf verwiesen werden, dass er in anderen Landesteilen vor drohender Verfolgung sicher ist, denn innerstaatliche Ausweichmöglichkeiten gibt es im Falle drohender staatlicher Repressionen in Syrien nicht (Auswärtiges Amt, Adhoc-Ergänzungsbericht vom 17.2.2012).

Der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stehen auch nicht die Ausnahmetatbestände in § 3 Abs. 2, Abs. 4 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG entgegen. Anhaltspunkte für deren Vorliegen sind nicht ersichtlich und wurden von der Beklagten auch nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung
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Tenor I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. Februar 2015 wird (mit Ausnahme der Feststellung zu einem Abschiebungsverbot bezüglich Syriens) aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Fl
published on 12/12/2016 00:00

Tenor I. Unter Aufhebung von Nr. 2 des Bescheides des Bundesamtes für ... vom 5. August 2016 wird die Beklagte verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, den Klägern zu 2) und zu 3) zum Zeitpunkt der Unanfechtb
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Annotations

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.