Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 08. Okt. 2014 - 3 K 14.559

bei uns veröffentlicht am08.10.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Europäische Kommission vor der Gewährung eines Kredits durch die Beklagte an die K. gGmbH (Klinikum) hätte unterrichtet werden müssen. Sie begehrt ferner die Feststellung, dass die Gründung und der Betrieb eines M. gGmbH (MVZ) durch das Klinikum wegen eines Verstoßes gegen die europarechtliche Notifizierungspflicht unzulässig ist und die Beklagte verpflichtet ist, auf die Herbeiführung eines „rechtmäßigen“ Zustands hinzuwirken. Hilfsweise wird die Feststellung der Unzulässigkeit der Gründung und des Betriebs des MVZ mittels Ankaufs einer Kassenarztzulassung beantragt, soweit gegen das EU-Beihilfenrecht verstoßen wurde. In einem weiteren Hilfsantrag begehrt die Klägerin die Feststellung, dass eine beihilfewidrige Leistung der Beklagten in dem Zeitraum vom 17. Februar bis 31. März 2009 vorgelegen hat.

Die Klägerin betreibt nach ihrem Internetauftritt in L. eine Tagesklinik mit den Bereichen Hämatologie, Onkologie und Palliati. V. m.edizin. Die Beklagte ist die alleinige Gesellschafterin des K. gemeinnützige GmbH. Dieses ist nach dem Krankenhausplan des Freistaates Bayern ein Plankrankenhaus der Versorgungsstufe II. Das Klinikum ist wiederum Trägerin des MVZ, das Leistungen im Bereich der Onkologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin anbietet.

Die Reorganisationsstudie einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft aus dem Jahr 2007 empfahl der Beklagten neben der Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen beim Klinikum die Gründung eines MVZ. Der Stadtrat der Beklagten beschloss am 19. Dezember 2008, dem Klinikum 1.000.000 € als Finanzierungsunterstützung für die beabsichtigten Restrukturierungsmaßnahmen zukommen zu lassen. Mit Schriftsatz ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten vom 6. Februar 2009 warf die Klägerin der Beklagten ein beihilfenrechtswidriges Verhalten zur Finanzierung des Aufbaus des MVZ vor.

Die anwaltlichen Bevollmächtigten der Klägerin reichten mit Schriftsatz vom 6. Februar 2009 eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission - Generaldirektion Wettbewerb - in Brüssel ein (Az. CP 44/2009). Dabei machten sie u. a. geltend, dass das Klinikum für die Errichtung des geplanten MVZ einen „Internistischen Facharztsitz“ gekauft und bezahlt habe. Das MVZ stehe in direkter Konkurrenz zu der Klägerin. Die Beklagte sei ihrer Pflicht zur Notifizierung der Beihilfe nicht nachgekommen. Das Vorhaben sei daher gemeinschaftsrechtswidrig. Bei der Umsetzung des Projekts handele es sich um eine unzulässige Beihilfe. Das MVZ führe zu Wettbewerbsverzerrungen, welche die Klägerin erheblich beeinträchtigen würden. Mit einem Schreiben vom 28. Januar 2011 teilte die Europäische Kommission - Generaldirektion Wettbewerb - den Bevollmächtigten der Klägerin u. a. mit, dass die K. gGmbH (Klinikum) keinen wirtschaftlichen Vorteil erlangt habe, den sie nicht unter normalen Marktbedingungen erhalten hätte. Auch eine private Bank hätte dem Klinikum ein Darlehen zu vergleichbaren Bedingungen gewährt. Die zuständigen Dienststellen der Generaldirektion Wettbewerb kämen daher weiterhin zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die Maßnahmen, die Gegenstand der Beschwerde seien, keine staatlichen Beihilfen darstellen und daher keiner Notifizierung bedurften. Eine weitere Äußerung der Kommission liegt - soweit ersichtlich - nicht vor.

Der Stadtrat der Beklagten beschloss am 24. April 2009 die Gewährung zweier „zu marktüblichen Konditionen verzinslicher Gesellschafterdarlehen“ in Höhe von 1.000.000 € und von 1.500.000 €. Die Beklagte gewährte dem Klinikum mit „Darlehensvertrag“ vom 19. Mai 2009 ab 1. Februar 2009 das erstgenannte Darlehen in Höhe von 1.000.000 € zu einem Zinssatz von 4,34% mit einer Laufzeit bis 31. Dezember 2009. Mit einem Nachfolgedarlehensvertrag vom 17. Dezember 2009 wurde das Darlehen bis 31. Dezember 2010 zu einem Zinssatz von 3,13% verlängert. Das Darlehen wurde ausweislich von Auszügen aus dem Buchungssystem der Beklagten am 28. Dezember 2010 vollständig zurückgezahlt. Die Zinsen für das Jahr 2009 wurden am 15. Januar 2010 und die Zinsen für das Jahr 2010 am 28. Dezember 2010 gebucht.

Mit notariellem Vertrag vom 20. Mai 2009 (Urkunden-Nr. T .../2009) errichtete das Klinikum eine Gesellschaft „M. gGmbH“. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags ist Gegenstand des Unternehmens der Betrieb eines MVZ mit den drei Disziplinen Nuklearmedizin, Strahlentherapie und Innere Medizin mit Schwerpunkt Onkologie im Sinne des § 95 SGB V zur Erbringung aller hiernach zulässigen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungen von fachübergreifenden, ambulanten Behandlungen hilfsbedürftiger Menschen mit Erkrankung sowie zur präventiven Gesundheitsvorsorge.

Am 16./17. Dezember 2009 schlossen die Beklagte und das Klinikum einen weiteren Darlehensvertrag über 1,5 Millionen € zu einem Zinssatz von 3,13% p.a. Das Darlehen und die Zinsen wurden mit Buchungsdatum vom 28. Dezember 2010 vollständig (zurück-)gezahlt.

Die Klägerin ließ mit Schriftsatz vom 16. März 2009, eingegangen beim Verwaltungsgericht Regensburg am selben Tag, Klage erheben (Az. RN 3 K 09.507) und einen Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen, den das Gericht mit Beschluss vom 12. August 2011 ablehnte (Az. RN 3 E 11.892). Mit Schriftsatz vom 29. November 2010 ließ die Klägerin mitteilen, dass nur noch der Klageantrag aus Ziffer 1. des Schriftsatzes vom 31. August 2009 relevant sei. Dieser lautete:

„Es wird festgestellt, dass die gewährte Zahlung der Beklagten in Höhe von 1.000.000.- EUR, an das K. gGmbH (Klinikum), zur Errichtung eines MVZ, unter Verstoß gegen Art. 88 EG und der hierzu ergangenen „Verordnung EG Nr. 659/1990 des Rates über besondere Vorschriften über die Anwendung von Art. 93 EG“ vom 22.03.1999 und darüber hinaus, durch die Beklagte als Klinikumsträgerin und Gesellschafterin der K. gGmbH (Klinikum), rechtswidrig war.“

Zur Begründung der Klage wird u. a. vorgebracht, dass dieser Antrag inhaltlich dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 31. August 2009 entspreche. Die Klägerin wehre sich damit gegen die Gewährung des Gesellschafterdarlehens durch die Beklagte an das Klinikum. Das besondere Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, dass von dem hier in Frage stehenden Rechtsverhältnis eigene Rechte der Klägerin abhängen würden. Sie stehe in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zum MVZ und müsse wegen der Darlehensgewährung spürbare wirtschaftliche Nachteile gewärtigen. Das MVZ werde durch die Beklagte erheblich subventioniert. Die Klägerin könne sich auf die drittschützende Wirkung des Notifizierungsverbots berufen. Auch wenn die Zahlungen zunächst an das Klinikum erfolgt seien, sei der jeweilige Betrag letztlich dem MVZ zugute gekommen.

Es liege ein Verstoß gegen Art. 107, 108 AEUV vor. Der vereinbarte Zinssatz sei nicht marktüblich. Außerdem werde der Darlehensvertrag nicht mit dem vereinbarten Zinssatz durchgeführt. Ein privater Gesellschafter hätte ein Darlehen im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der Darlehensnehmerin nicht zu diesen Darlehensbedingungen gewährt. Zudem sei die Darlehensvergabe nicht wirksam erfolgt. Es liege keine Einigung vor, da sich die Vertragsparteien im Vertragszeitpunkt nicht über alle wesentlichen Punkte einig gewesen seien, sondern vielmehr die Rechtsgrundlage offen gelassen hätten. Hieraus ergebe sich ein Verstoß gegen zwingendes Kommunalrecht und § 242 BGB. Der Darlehensvertrag sei nur pro forma geschlossen worden, wofür spreche, dass trotz der Überschuldung des Klinikums keine Sicherheit verlangt worden sei. Weiterhin hätte die Einigung hinsichtlich des Darlehensvertrags der Zustimmung des Stadtrats bedurft, Art. 66 GO.

Die Verschuldung des Klinikums habe nach einem Artikel in der L. R. vom 15. April 2014 88% über dem Landesdurchschnitt gelegen. Zum 31. Dezember 2012 sei einschließlich des Defizits 2012 ein Verlustvortrag von 17,856 Millionen € bilanziert gewesen. Die Verbindlichkeiten aus Krediten hätten 20,111 Millionen € inklusive eines Kassenkredits der Stadt in Höhe von 3,5 Millionen € betragen. Der Wirtschaftsplan für 2013 prognostiziere ein besorgniserregendes Defizit. Bei einer Fortsetzung der hohen Verluste ohne entsprechende Kapitalzuführungen durch die Beklagte drohe mittelfristig der Verlust des Eigenkapitals und eine Überschuldung. Vor diesem Hintergrund sei es schon aus Rechtsgründen unmöglich, dass die Beklagte dem Klinikum Darlehen zu marktüblichen Konditionen gewährt habe. Die „Darlehensgewährung“ sei nicht abgesichert und auch haushaltsrechtlich nicht zulässig gewesen. Deshalb sei die Geschäftsführung 2013 auch für die zurückliegenden Jahre nicht entlastet worden. Ein privater Investor hätte dem Klinikum - jedenfalls ohne Sicherheiten - kein Darlehen gewährt. Das Klinikum habe laufend Verluste gemacht und sei ohne regelmäßige Kapitalzuführungen nicht lebensfähig. Ein solcher Betrieb würde unter normalen Marktbedingungen nicht oder nicht unverändert fortgeführt werden können. Wie die tatsächliche Entwicklung belege, habe die Beklagte keinesfalls von einer langfristig positiven Ertragslage ausgehen können.

Das Darlehen habe der Finanzierung des MVZ gedient. Von Stadtrat und Aufsichtsrat des Klinikums sei Ende 2008 das Zukunftsprogramm für das Klinikum beschlossen worden. Dieses habe zum einen die Errichtung eines Facharztzentrums und zum anderen die Errichtung des MVZ, das bereits im Jahr 2009 realisiert werden sollte, vorgesehen. Die Bezeichnung des Zwecks der Ausschüttung des Darlehens als „Zukunftsprojekt Klinikum“ habe nichts anderes als die Förderung der Gründung eines MVZ gemeint. Das Klinikum habe also keine freie Verwendungsmöglichkeit gehabt.

Hinsichtlich des Nutzerkreises und Einzugsbereichs schließe die Beklagtenseite offenbar nicht aus, dass dort auch ausländische Patienten behandelt werden können. Dass die Patienten „weit überwiegend“ aus dem unmittelbaren Einzugsbereich der Stadt L. kämen, besage nichts darüber, dass nicht mindestens eine potentielle Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Verkehrs vorliege. L. liege ca. 120 km von der nächsten Grenze entfernt. Eine potentielle Beeinträchtigung liege auch bei dieser Entfernung vor, zumal die Patientenmobilität sich in den letzten Jahren deutlich erhöht habe. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass lediglich Patienten mit inländischer Krankenversicherung im MVZ behandelt würden. Es stünde dem MVZ grundsätzlich frei, auch Privatpatienten mit EU-ausländischer Krankenversicherung zu behandeln. Die Aufstellung der Beklagten berücksichtige auch nicht, dass Ärzte aus dem EU-Ausland in der Region L. niedergelassen seien. Auch insoweit liege eine potentielle Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedsstaaten vor. Es werde bestritten, dass sich der weit überwiegende Teil der Wohnorte der Patienten des MVZ in einem Radius von bis zu 50 Kilometer befinde. Klinikum und MVZ seien vom Einzugsbereich und vom Versorgungsauftrag her nicht rein lokal, sondern überregional ausgerichtet. Der Vergleich mit der Kommissionsentscheidung über örtliche Krankenhäuser, die ausschließlich für die örtliche Bevölkerung bestimmt seien, sei daher unzutreffend.

Der Antrag in Nr. II wende sich gegen die von der Beklagten mitverantwortete zusätzliche beihilferechtswidrige Förderung des MVZ, insbesondere durch die Überlassung von Personal, Gerätschaften und Darlehen. Darüber hinaus erfasse der Antrag die Förderung des Klinikums mit weiteren 1,5 Millionen €. Hierdurch erfolge zumindest eine mittelbare Förderung durch die Beklagte. Auch für die Bereitstellung von Räumen und Geräten, die öffentlich gefördert seien, seien zumindest Kosten in sachgerechter Höhe bzw. marktübliche Entgelte in Rechnung zu stellen. Gleiches gelte für zur Verfügung gestelltes Personal. Nach Gründung und Inbetriebnahme des MVZ sei zwischen diesem und dem Klinikum keine Vereinbarung über die Miete von Räumlichkeiten und Gerätschaften und die Überlassung des Personals zu marktüblichen Preisen geschlossen worden. Die Kommission habe gemäß Mitteilung vom 29. Juli 2010 lediglich die Information erhalten, dass das MVZ und das Klinikum beabsichtigen würden, einen marktüblichen Miet-/Pachtzins für die Überlassung der klinikeigenen Räumlichkeiten und Geräte zu zahlen. Im Umkehrschluss ergebe sich daraus, dass zumindest bis Sommer 2010 eine marktübliche Bezahlung oder sonstige marktübliche Gegenleistung für die Nutzung von Räumlichkeiten, Gerätschaften und die Überlassung des Personals nicht erfolgt seien. Somit sei das MVZ vom Klinikum subventioniert worden.

Aber auch wenn zwischen dem Klinikum und dem MVZ Verträge mit marktüblichem Entgelt geschlossen und umgesetzt worden sein sollten, läge eine EU-beihilferechtswidrige Förderung vor. Eine Beihilfe liege bei Kapitalzuführungen vor, die nicht im Einklang mit dem Prinzip des marktwirtschaftlich handelnden Investors stünden. Entscheidend sei, ob ein Unternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil bekomme, den es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Das MVZ hätte als Vertragsarzt ohne kommunalen Hintergrund sicherlich keine Förderung im Sinne einer unentgeltlichen Nutzungsmöglichkeit klinikeigener Räumlichkeiten, Gerätschaften und Personals erhalten. Schon daher liege eine Förderung vor, die konkurrierenden Vertragsärzten nicht zuteil geworden wäre. Es könne nicht mehr von einem marktüblichen Vorteil ausgegangen werden. Angesichts des Umstands, dass unter den Vertragsärzten vor Errichtung des MVZ keine öffentliche Ausschreibung erfolgt sei, sondern von vorne herein nur das MVZ als 100%-ige Tochtergesellschaft des Klinikums von der Überlassung profitieren konnte, sei von Anfang an gesichert gewesen, dass städtische Subventionen deren Tochtergesellschaften zugute kommen. Es dürfte die Beklagte wenig interessiert haben, ob der Millionenbetrag direkt für die Gründung des MVZ oder für stationäre Zwecke des Klinikums gezahlt worden sei, mit der Folge, dass das Klinikum nunmehr die Möglichkeit gehabt habe, das im stationären Bereich eingesparte Geld in die Gründung eines MVZ zu investieren.

Die Beklagte als alleinige Gesellschafterin habe Kenntnis von diesem Zustand gehabt. Sie habe umfassende Einwirkungsmöglichkeiten und -rechte und hätte durch Ausübung derselben eine unzulässige Subventionierung verhindern können und müssen. Folglich könne sie auch gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden. Die Klage müsse sich nicht zwangsläufig gegen das Klinikum richten. Im Übrigen habe die Beklagte auch Einwirkungsmöglichkeiten und -rechte gegenüber dem MVZ. Ausweislich § 8 des Gesellschaftsvertrags habe das Beteiligungsreferat der Beklagten das Recht an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen. Eine Niederschrift der Sitzungen der Gesellschafterversammlung sei dem Beteiligungsreferat zuzusenden. Gemäß § 10 des Gesellschaftsvertrags stehe der Oberbürgermeister der Beklagten dem Aufsichtsrat des MVZ vor. Dieser sei u. a. zuständig für die Genehmigung der jährlich aufzustellenden Wirtschafts-, Stellen- und Finanzpläne, Investitionsmaßnahmen, der Aufnahme von Darlehen, die Grundsätze der Organisation, die Grundsätze für die Anstellung, Vergütung etc. des Personals des MVZ. Die Beklagte unterhalte ein Beteiligungscontrolling. Zwischen der Geschäftsführung und der Beklagten bestünden Berichtspflichten. Über besondere Vorkommnisse sei sie unverzüglich zu unterrichten. Im Übrigen seien Berichte, Stellungnahmen, Unterlagen und Auskünfte vorbehaltlos, vollständig und zeitnah zu erteilen.

Der Antrag III. richte sich auf die Feststellung der Rechtsfolge der unzulässigen Subventionierung nach den Anträgen I. und II. Auch dieser Antrag sei im ursprünglichen Antrag I. vom 16. März 2009 bereits enthalten gewesen. Die begehrte Feststellung der Rechtsfolgen sei beihilferechtsspezifisch zu verstehen. Es handle sich hierbei nicht um eine Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Klägerin berufe sich auf das Einwirkungsrecht der Beklagten auf das Klinikum. Insoweit könne nur die Beklagte selbst die richtige Beklagte sein. Insoweit müsse aber auch Unionsrechtswidrigkeit gegenüber der Beklagten festgestellt werden.

Die Klägerin lässt zuletzt beantragen:

I.

Es wird festgestellt, dass die gewährte Zahlung der Beklagten in Höhe von 1 Million € an die K. gGmbH (Klinikum) wegen Verstoßes gegen Art. 108 AEUV rechtswidrig war.

II.

Es wird festgestellt, dass über den EU-Rechtsverstoß gemäß Antrag I. hinaus die Gründung und Betreibung der M. gGmbH durch die K. gGmbH (Klinikum) als 100%-iger Tochtergesellschaft der Beklagten rechtswidrig unter Verstoß gegen Art. 108 AEUV erfolgte.

III.

Es wird festgestellt, dass das MVZ der K. gGmbH (Klinikum) aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 108 AEUV nicht gegründet werden durfte und nicht betrieben werden darf und die Beklagte verpflichtet ist, unter Einwirkung auf die K. gGmbH (Klinikum) und die M. gGmbH auf die Herbeiführung eines rechtmäßigen Zustands hinzuwirken, insbesondere auch auf den Abschluss von Verträgen zur Nutzung der Räumlichkeiten, Gerätschaften und Personal zwischen der K. gGmbH (Klinikum) und der M. gGmbH zu marktüblichen Konditionen.

IV.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Gründung und der Betrieb der M. gGmbH mittels Ankaufs der Kassenarztzulassung des Dr. ..., durch die Beklagte unzulässig gewesen ist, soweit hier gegen das EU-Beihilferecht verstoßen wurde und damit eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung gegeben ist.

V.

Weiter Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass eine beihilfewidrige Leistung der Beklagten in dem Zeitraum vom 17.2.2009 bis 31.3.2009 vorgelegen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Den nicht sachdienlichen Klagerweiterungen werde widersprochen.

Die Klage sei hinsichtlich des Antrags I. unbegründet. Der Darlehensbetrag von einer Million € sei nicht für die Gründung und Errichtung des MVZ verwendet worden. Der Beschluss des Stadtrats vom 24. April 2009, in dem das Gesellschafterdarlehen gewährt worden sei, laute ausdrücklich: „Der Stadtrat stimmt der Gewährung eines Betrags von 1 Mio € an die K. gGmbH (Klinikum) in Form eines zu marktüblichen Konditionen verzinslichen Gesellschafterdarlehens zu. (...) Die ursprünglichen Beschlüsse des Stadtrates vom 19.12.2008 und 20.01.2009 werden damit hinfällig.“ Eine Bezugnahme auf das MVZ sei in diesem Beschluss aufgrund des Hinfälligwerdens alter Beschlüsse nicht mehr enthalten. Das Darlehen habe nach Sinn und Zweck allein der Umsetzung des „Zukunftsprojekts Klinikum“, nicht der Finanzierung des MVZ gedient.

Im Übrigen stelle das Darlehen keine unionsrechtswidrige Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV dar und es habe keine Notifizierungspflicht gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV bestanden. Es liege schon das Tatbestandsmerkmal der Begünstigung nicht vor, da zwischen der Beklagten und dem Klinikum ein Darlehen einschließlich darlehenstypischer Rückzahlungsverpflichtungen vereinbart worden sei. Das Darlehen sei nicht nur gewährt, sondern auch vollzogen und zurückgezahlt worden. Es sei zu einem marktüblichen Zinssatz verzinst worden, der für das Jahr 2009 nach der Referenzzinssatzmethode der EU-Kommission mit 4,43% p.a. ermittelt und für den Verlängerungszeitraum 2010 auf der Grundlage einer Bonitätsabfrage der Beklagten bei der Hausbank mit 3,13% p.a. festgelegt worden sei. Auch das sei eine zugelassene Methode zur Ermittlung eines marktüblichen Zinssatzes. Die Darlehensgewährung halte einem Vergleich mit dem Handeln eines privaten Marktteilnehmers stand. Die Gewährung habe nämlich einer Teilfinanzierung der Umstrukturierungsmaßnahmen gedient, die in einem Gutachten des Beratungsunternehmens ... empfohlen worden seien. Die Beklagte habe von einer Ertragsperspektive ausgehen können, die auch einen privaten Marktteilnehmer zur Darlehensgewährung veranlasst hätte. Der Verwendungszweck des Darlehens sei entgegen der Ansicht der Klägerin für die rechtliche Einordnung der vorliegenden Darlehensgewährung unerheblich. Ein Darlehen, das unter marktüblichen Konditionen gewährt und zurückgezahlt werde, sei mangels Begünstigung schon tatbestandlich keine Beihilfe.

Art. 107 Abs. 1 AEUV erfordere ferner eine mindestens potentielle Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels. Bei dem MVZ handele es sich jedoch um eine Einrichtung, die rein lokale und regionale Bedürfnisse der Bevölkerung befriedige und nicht in Grenznähe liege. In der „Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ vom 11. Januar 2012 sei die Kommission in mehreren Fällen zu dem Schluss gekommen, dass Tätigkeiten rein lokaler Natur den Handel zwischen Mitgliedsstaaten nicht beeinträchtigen würden. Ein Beispiel hierfür seien örtliche Krankenhäuser, die ausschließlich für die örtliche Bevölkerung bestimmt seien. Selbst bei einer Maßnahme, die das MVZ betreffen würde, was vorliegend ausweislich des Verwendungszwecks des Darlehens nicht der Fall sei, könne nicht von einer Binnenmarktrelevanz ausgegangen werden. Das MVZ liege mehr als 50 km von der Staatsgrenze zu Ö. entfernt. Nach der mehrfach bekräftigten Kommissionspraxis aus der Entscheidung Freizeitbad D. sei bei einem Grenzabstand von 50 Kilometern nicht mehr von einer Binnenmarktrelevanz auszugehen. Es sei nicht einzusehen, weshalb die Sichtweise der Kommission bei einem Grenzabstand von 120 km, den die Klägerin annehme, nicht mehr gelten solle. Der Patientenkreis beschränke sich nahezu ausnahmslos auf den Einzugsbereich der Stadt L. Dies zeige eine Aufzeichnung über die Wohnorte der Patienten, die überwiegend in L., im Regierungsbezirk 1... und zum Teil im angrenzenden Bereich des Regierungsbezirks 2... wohnen würden. Einzelne ausländische Patienten würden das MVZ nicht zu einer binnenmarktrelevanten Einrichtung machen. Eine Behandlung ausländischer Patienten ohne inländische Krankenversicherung erfolge nicht. Für das MVZ könne jedenfalls derzeit und vorbehaltlich einer Änderung der Verhältnisse aufgrund der rein örtlichen Tätigkeit davon ausgegangen werden, dass Finanzierungsmaßnahmen keine Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel hätten. Eine Notifizierungspflicht habe deshalb nicht bestanden. Eine formell unionsrechtswidrige Beihilfe wegen einer Verletzung des Durchführungsverbots nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV sei ebenfalls nicht gegeben.

Für die Binnenmarktrelevanz komme es nicht auf etwaige im Raum L. niedergelassene Ärzte aus anderen EU-Mitgliedsstaaten an. Die im Raum L. niedergelassenen Ärzte seien nicht in spezifischer Weise betroffen. Den bereits niedergelassenen Ärzten aus dem EU-Ausland werde nicht der bereits erfolgte Marktzugang erschwert. Aus dem Versorgungsauftrag des Klinikums könne nichts für das MZV abgeleitet werden. Bei einem Plankrankenhaus und einem MVZ handele es sich um verschiedene, sozialgesetzlich unterschiedlich definierte Einrichtungen.

Hinsichtlich des Klageantrags II. sei die erhobene Feststellungsklage gegenüber der Beklagten als bloßer Gesellschafterin des Klinikums gegenüber einer direkten Inanspruchnahme des Klinikums als der vermeintlichen Beihilfegeberin durch eine negative Leistungsklage subsidiär. Es fehle auch an einer Klagebefugnis. Das konkrete Rechtsschutzbegehren, eine vermeintlich beihilfenrechtswidrige Förderung des MVZ durch das Klinikum zu unterbinden, hätte sich leichter über eine negative Leistungsklage erreichen lassen. Die Klage sei ferner unbegründet, da sie sich gegen den falschen Beklagten richte. Das streitgegenständliche Rechtsverhältnis sei allenfalls ein Rechtsverhältnis zwischen dem Klinikum und der Klägerin. Dies ergebe sich aus der Stellung des Klinikums als Geberin und der der Klägerin als einer Konkurrentin des vermeintlich geförderten MVZ. An diesem Rechtsverhältnis sei die Beklagte nicht beteiligt. Die Beklagte könne auch nicht über die Stellung als Gesellschafterin des Klinikums und über die hierzu bestehenden Einfluss- und Informationsrechte in das fremde Rechtsverhältnis „hineingezogen“ werden. Die rechtliche Selbstständigkeit des Klinikums als juristischer Person des Privatrechts könne nicht ignoriert werden. Das Beteiligungsunternehmen sei nicht mit dem Gesellschafter identisch, weswegen der Gesellschafter nicht durch Verweis auf die Gesellschafterstellung für ein vermeintlich rechtswidriges Handeln des Beteiligungsunternehmens verklagt werden könne. Die Anforderungen der Gemeindeordnung seien Ausdruck der rechtlichen Trennung beider Rechtspersönlichkeiten. Sinn und Zweck der Beteiligungsvorschriften der GO sprächen dagegen, ein Rechtsverhältnis unter Beteiligung der Beklagten anzunehmen. Die kommunalrechtlichen Vorschriften enthielten nur objektiv-rechtliche Zulässigkeitsbeschränkungen und dienten nicht dem Schutz Dritter. Sie würden privaten Unternehmen weder ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der Schranken verleihen noch Schutznormen für wirtschaftliche Konkurrenten darstellen.

Im Übrigen sei die Klage auch deshalb unbegründet, weil weder eine Begünstigung noch eine Binnenmarktrelevanz vorlägen. Das Klinikum habe jeweils zeitgerecht zur Aufnahme des Betriebes des MVZ am 1. April 2010 bzw. zur Inanspruchnahme von Einrichtungen und Personal des Klinikums Dienstleistungsverträge bzw. Nutzungsverträge mit dem MVZ geschlossen. Diese Verträge würden jeweils die Leistungserbringung oder Nutzungseinräumung gegen Entgelt vorsehen. Das Klinikum lasse sich die Inanspruchnahme von Leistungen, Räumlichkeiten und Gerätschaften durch das MVZ unter Zugrundelegung eines Vollkostenansatzes vergüten. Es würden Entgelte erhoben, die marktüblich seien. Den im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschluss des Klinikums für das Jahr 2011 lasse sich entnehmen, dass Dienstleistungs- und Nutzungsentgeltverträge mit dem MVZ geschlossen worden seien. Im Jahr 2011 seien hierzu im Wert von 685.037 € vom Klinikum Leistungen erbracht bzw. Waren geliefert worden. Das Klinikum verhalte sich wie ein vernünftig handelnder Marktteilnehmer. Selbst wenn einzelne Entgeltregelungen einem Drittvergleich nicht standhalten würden, würde dies noch nicht zwingend zu einem Beihilfenrechtsverstoß führen. Selbst tatbestandsmäßige Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV würden dann nicht als Beihilfen gelten, wenn es sich um sog. De-Minimis-Beihilfen handeln würde. Diese seien nicht unionsrechtswidrig und auch von der Anmeldefrist des Art. 108 Abs. 3 AEUV befreit. Der Schwellenwert für ersparte Aufwendungen liege bei Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse derzeit bei 500.000 € in drei Steuerjahren. Hierfür sei nichts ersichtlich.

Bezüglich des Klageantrags III. habe die Klägerin klargestellt, dass sich die Feststellung lediglich auf die derzeitige konkrete Ausgestaltung in beihilfenrechtlicher Hinsicht beziehen solle. Insoweit fehle es an der Passivlegitimation und am Vorliegen eines Beihilfenrechtsverstoßes. Ferner könne die begehrte Feststellung nicht auf das Beihilfenrecht gestützt werden. Die Klage sei mangels Passivlegitimation unbegründet, soweit sich das Feststellungsbegehren auf die konkreten Vorgänge bei der Gründung und dem Betrieb des MVZ und eine etwaige unionsrechtswidrige Förderung im Verhältnis zwischen dem Klinikum und dem MVZ beziehe. Die Beklagte sei an dem streitgegenständlichen Rechtsverhältnis nicht selbst beteiligt. Das Feststellungsbegehren betreffe allenfalls Fragen im Zusammenhang mit einem etwaigen Rechtsverhältnis zwischen dem Klinikum als vermeintlicher Beihilfengeberin und der Klägerin als Konkurrentin. Es habe auch keine Notifizierungspflicht bestanden. Es gebe daher keinen Anspruch der Klägerin auf Feststellung, dass das MVZ nicht gegründet werden durfte und nicht betrieben werden darf. Sie habe daher erst recht keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, auf die Herbeiführung eines rechtmäßigen Zustands hinzuwirken. Der Zustand sei bereits rechtmäßig.

Die Klage sei bezüglich dieses Antrags auch hinsichtlich des begehrten Inhalts der Feststellung unbegründet. Die Klägerin könne nicht verlangen, dass das Gericht eine Feststellung treffe, wonach die Gründung und der Betrieb des MVZ als solches aus beihilferechtlichen Gründen rechtswidrig wären. Das EU-Beihilfenrecht schütze nicht vor Wettbewerb, sondern nur im Wettbewerb. Es solle weder der Eintritt öffentlicher Unternehmen in den Markt verhindert noch die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in den Mitgliedsstaaten erschwert werden. Das EU-Beihilfenrecht böte selbst in dem Fall, dass ein Gericht von einzelnen unionsrechtswidrigen Beihilfen oder sonstigen Beihilfenrechtsverstößen ausgehen sollte, keine Rechtfertigung dafür, die Gründung oder das Vorhalten einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung insgesamt für rechtswidrig zu erklären. Mit dem Beihilfenrecht könne allenfalls gerechtfertigt werden, einzelne Finanzierungselemente als beihilfenrechtswidrig zu bezeichnen und hierüber die entsprechende Feststellung zu treffen. Die Klägerin könne auch nicht verlangen, dass das Gericht eine Feststellung ausspreche, wonach die Beklagte auf das Klinikum einwirken müsse. Private Konkurrenten eines Unternehmens in Privatrechtsform, an dem eine Gemeinde beteiligt sei, hätten gegen die Gemeinde grundsätzlich keine Ansprüche, dass diese auf das Unternehmen in bestimmter Weise einwirke, sofern dem Unternehmen die private Konkurrenz nicht unmöglich gemacht werde. Hierfür habe die Klägerin nichts vorgetragen.

Der hilfsweise gestellte Antrag IV. sei ebenfalls abzuweisen. Die Klägerin habe zum einen nicht substantiiert dargelegt, worin der vermeintliche Beihilfenrechtsverstoß liegen solle, der sich aus dem Ankauf eines Vertragsarztsitzes als Voraussetzung für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ergeben solle. Im Übrigen sei die Klage bereits wegen fehlender Passivlegitimation unbegründet. Der Ankauf des Kassenarztsitzes sei durch das Klinikum, nicht durch die Beklagte erfolgt.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenunterlagen und die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen. Der Gerichtsakt im Verfahren Az. RN 3 E 11.892 wurde beigezogen.

Gründe

Die Klägerin begehrt mit ihren zuletzt gestellten Anträgen in der Hauptsache die Feststellung, dass die Gründung und der Betrieb des MVZ durch das Klinikum wegen eines Verstoßes gegen die europarechtlichen Beihilfevorschriften unzulässig war bzw. ist und die Beklagte verpflichtet ist, auf die Herbeiführung eines „rechtmäßigen“ Zustands hinzuwirken. In dem ersten hilfsweise gestellten Antrag wird die Feststellung der Unzulässigkeit der Gründung und des Betriebs des MVZ mittels Ankaufs einer kassenärztlichen Zulassung beantragt, soweit dabei gegen das EU-Beihilfenrecht verstoßen wurde. Mit einem zweiten Hilfsantrag begehrt die Klägerin die Feststellung, dass eine beihilfewidrige Leistung der Beklagten in dem Zeitraum vom 17. Februar bis 31. März 2009 vorgelegen habe.

Die letztmaligen Änderungen der Klageanträge durch die Anträge II. bis IV. sind sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der vorherige Klageantrag in dem Schriftsatz vom 31. August 2009 bezog sich zwar nur auf die Feststellung, dass die Zahlung der Beklagten in Höhe von einer Million € an das Klinikum L. unter Verstoß gegen (damals) Art. 88 EGV rechtswidrig war. Die aktuellen Anträge gehen in den Ziffern II. bis IV. inhaltlich über diesen Antrag hinaus. Änderungen sind u. a. darin zu sehen, dass die Klägerin nunmehr den zweiten Kredit in Höhe von 1,5 Millionen € und Leistungen des Klinikums an das MVZ in das Klageverfahren einbezieht (Antrag II.). Die mit dem Antrag III. begehrte Feststellung geht ebenfalls über die Überprüfung des Kredits von einer Million € hinaus. Vergleichbares gilt hinsichtlich des Hilfsantrags IV., der die Klage um den Ankauf einer kassenärztlichen Zulassung erweitert.

Die Zulässigkeit der Klageerweiterungen richtet sich nach § 91 Abs. 1 VwGO. Zwar hat die Beklagte nicht eingewilligt, das Gericht hält die Klageerweiterungen jedoch für sachdienlich, da der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. hierzu BayVGH vom 21.10.2010 Az. 11 CS 10.1659 m. w. N.). Die Klageerweiterungen fördern die endgültige Beilegung des Rechtsstreites und tragen dazu bei, dass ein weiterer, evtl. sonst zu erwartender Prozess vermieden wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 91, Rdnr. 19). Die Einbeziehung der neuen Anträge in das Verfahren entspricht damit den Grundsätzen der Prozessökonomie.

Der zweite, schriftsätzlich nicht angekündigte, Hilfsantrag V. bezieht sich dagegen auf den Kredit in Höhe von einer Million € und ist daher bereits vom ursprünglichen Klageantrag I. umfasst.

1. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Streitentscheidende Normen sind insbesondere Art. 107 f. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die sich auch auf staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art beziehen, vgl. Art. 107 Abs. 1 AEUV. Damit sind Verpflichtete aus dem Regelwerk auch öffentliche Stellen wie die Beklagte.

Die Sonderzuweisung zu den Sozialgerichten gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist nicht gegeben, da keine Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegt. Die Klägerin wendet sich in ihren Anträgen insbesondere gegen die Gewährung zweier Darlehen durch die Beklagte an das Klinikum. Beanstandet wird vor allem eine nach Ansicht der Beklagten unzulässige Beihilfengewährung nach Maßgabe der europarechtlichen Beihilfevorschriften. Soweit es in dem Klageantrag III. um die Zulässigkeit der Gründung und des Betriebs des MVZ geht, hat die Klägerin klargestellt, dass sich die Klage insoweit nur auf die Ausgestaltung des MVZ in beihilfenrechtlicher Hinsicht und nicht gegen die Gründung und den Betrieb des MVZ im Hinblick auf die Vorschriften des SGB V richtet.

2. Die Klage ist in den Hauptanträgen II. und III. bereits unzulässig.

Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist eine Feststellungsklage nur zulässig, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses hat, wobei das Rechtsverhältnis zur Beklagten bestehen muss. Hinsichtlich der Klageanträge II. und III. besteht zwischen der Klägerin und der Beklagten kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Unter einem Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. BVerwG vom 28.5.2014 Az. 6 A 1/13 m. w. N.). Soweit die Anträge sich auf die beihilfenrechtliche Zulässigkeit der Gründung und des Betriebs des MVZ richten, liegt aber ein solches Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht vor. Gründung und Betrieb des MVZ erfolgten und erfolgen nämlich nicht durch die Beklagte, die kein Leistungserbringer im Sinne der Vorschriften des SGB V ist und bereits deshalb kein MVZ hätte errichten und betreiben dürfen, sondern durch die K. gGmbH.

Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht bezüglich der Klageanträge II. und III. zudem teilweise der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Gemäß Art. 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit die Klägerin ihre Rechte durch eine vorgängige Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin gegen die Auszahlung des Kredits in Höhe von 1,5 Millionen € im Wege einer Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage vorgehen können (Klageantrag II.). Die Klägerin wurde bereits in dem Beschluss vom 12. August 2011 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Az. RN 3 E 11.892) darauf hingewiesen, dass der (damalige) Antrag auf die Unterlassung der Auszahlung eines Darlehensbetrags in Höhe von 1.500.000 € an die K. gGmbH (Klinikum) gerichtet sei. Bereits nach dem Antragsbegehren handele es sich um die Vorwegnahme einer Unterlassungsklage, die bisher weder eigenständig noch im Wege einer Klageerweiterung erhoben worden sei. Eine Unterlassungsklage ist auch hinsichtlich der Gewährung von Leistungen des Klinikums an das MVZ vorrangig.

Bezüglich des Klageantrags I. besteht ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin ist ebenfalls gegeben. Sie kann sich auf ihr wirtschaftliches Interesse berufen, das durch den Betrieb des MVZ beeinträchtigt sein könnte. Denn dessen Tätigkeitsbereich überschneidet sich zumindest teilweise mit dem der Klägerin. Die Klagebefugnis ist gegeben. Auch für die Feststellungsklage ist zur Vermeidung einer dem Verwaltungsprozess fremden Popularklage eine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderlich (vgl. BVerwG vom 28.11.2007 Az. 9 C 10/07). Die Klägerin kann sich darauf berufen, dass die Beklagte vor der Gewährung eines Kredits an das Klinikum gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV möglicher Weise die Europäische Kommission hätte unterrichten müssen. Diese Norm entfaltet nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Drittschutz zugunsten eines Marktteilnehmers, der mit einem Beihilfeempfänger potentiell im Wettbewerb steht (vgl. BVerwG vom 16.12.2010 Az. 3 C 44/09). Bei einer Verletzung dieses Verbots müssen die nationalen Gerichte zugunsten der Einzelnen, die sich auf die Verletzung berufen können, sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der gewährenden Rechtsakte als auch bezüglich der Beitreibung der unter Verletzung dieser Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen oder eventueller vorläufiger Maßnahmen treffen (vgl. BVerwG vom 16.12.2010 a. a. O. m. w. N.). Die Klägerin und das MVZ sind in Bereichen der Radiologie in vergleichbaren medizinischen Bereichen tätig. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist auch ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (vgl. BGH vom 10.2.2011 Az. I ZR 136/09).

3. Die Klage ist in allen Hauptanträgen unbegründet, wobei es bei den Klageanträgen II. und III. wegen ihrer Unzulässigkeit darauf nicht mehr ankommt.

a. Die Klageanträge II. und III. richten sich gegen die Gründung und den Betrieb des MVZ. Das MVZ wurde jedoch durch das Klinikum gegründet und wird auch von diesem betrieben. Richtige Beklagte gemäß § 78 Nr. 1 VwGO ist damit nicht die Stadt L., da ein MVZ gemäß § 95 Abs. 1 Satz 6 SGB V in der damaligen Fassung nur von Leistungserbringern gegründet werden durfte und betrieben werden darf. Die Beklagte ist jedoch kein Leistungserbringer. Trägerin und Betreiberin des MVZ ist das Klinikum, das dem MVZ auch die laufenden Arbeits- und Sachleistungen gewährt. Die fehlende Passivlegitimation führt zur Unbegründetheit der Klage.

b. Die Klage bleibt in den Hauptanträgen in der Sache ohne Erfolg.

aa. Der Antrag I. ist unbegründet, da die Gewährung des Kredits in Höhe von einer Million € nicht gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV verstieß, da sie weder eine Beihilfe in diesem Sinne darstellte noch den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigte. Die Kommission musste daher nicht gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV unterrichtet werden.

Gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV ist die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig zu unterrichten, dass sie sich dazu noch vor der Durchführung der Maßnahme äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Artikel 107 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein, Art. 108 Abs. 3 Satz 2 AEUV. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat, Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV. Soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen, Art. 107 Abs. 1 AEUV.

Nach dem Wortlaut des Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV unterfällt der Notifikationspflicht nur die beabsichtigte Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen. Der Beihilfebegriff im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV ist nur dann erfüllt, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen: 1. Es muss sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. 2. Die Maßnahme muss geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen. 3. Dem Begünstigten muss hierdurch ein Vorteil gewährt werden. 4. Die Maßnahme muss den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (vgl. VG Darmstadt vom 21.10.2009 Az. 9 K 1230/07 m. w. N.; EuGH vom 24.7.2003 Az. C-280/00 - Altmark Trans).

Eine Beihilfe in diesem Sinne liegt nur vor, wenn einem Unternehmen ein Vorteil gewährt wird, wobei insbesondere Subventionen erfasst werden. Auf die Art der Zuwendung kommt es nicht an. Bei der Beurteilung, ob die in Rede stehenden Maßnahmen staatliche Beihilfen sein können, sind im Wesentlichen die Auswirkungen auf die begünstigten Unternehmen und nicht die Stellung der die Beihilfe gewährenden öffentlichen oder privaten Einrichtung zu berücksichtigen (vgl. EuGH vom 13.9.2010 Az. T-415/05 u. a.). Entscheidend ist, ob dem Begünstigten ein wirtschaftlicher Vorteil verschafft wird, den er unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Die Gewährung eines Darlehens in Höhe von einer Million € an das Klinikum durch die Beklagte und dessen Verlängerung waren keine Beihilfe in diesem Sinne, da es sich um eine marktgerechte Leistung handelte. Der Kredit war zwar grundsätzlich geeignet, eine Beihilfe in diesem Sinne darzustellen. Jedoch begründete er keinen Vorteil im Sinne des Beihilferechts, da er zu marktüblichen Konditionen gewährt wurde. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Kredit für die Errichtung und den Betrieb des MVZ verwendet wurde, wovon die Klägerin ausgeht, oder nur für Umstrukturierungsmaßnahmen des Klinikums bestimmt war, wie dies die Beklagte behauptet.

Für das Gericht steht aufgrund der vorgelegten Buchungsbestätigungen fest, dass der Darlehensvertrag wie vereinbart durchgeführt wurde, so dass sich ein Beihilfecharakter nicht aus einem Durchführungsdefizit ergibt. Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Abschluss des Darlehensvertrags vom 19. Mai 2009 sowohl aus zivilrechtlicher als auch aus kommunalrechtlicher Perspektive nicht zu beanstanden. Die Vertragsparteien regelten in ihm die wesentlichen Vertragsinhalte. Aufgrund ihrer Privatautonomie stand es ihnen frei, den Vertrag rückwirkend in Kraft zu setzen, was sich auch auf die vereinbarten Zinszahlungen bezog. Ferner lag dem Darlehensvertrag ein Beschluss des Stadtrats der Beklagten zugrunde, so dass eine (schwebende) Unwirksamkeit des Vertrags analog § 177 BGB wegen fehlender Vertretungsmacht des Oberbürgermeisters ausscheidet. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Kreditvergabe gegen Art. 66 und/oder Art. 75 GO verstieß. Art. 66 GO ist eine Norm, die mit Außenstehenden abgeschlossene Rechtsgeschäfte nicht berührt (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Gemeindeordnung, Art. 66 GO, Erl. 6). Eine Nichtigkeit des Darlehensvertrags nach § 134 BGB i. V. m. Art. 75 Abs. 3 Satz 1 GO scheidet schon deshalb aus, weil im vorliegenden Fall weder eine Schenkung noch eine unentgeltliche Übertragung von Gemeindevermögen vorlag. Der Darlehensbetrag wurde vielmehr mit Ablauf des Darlehenszeitraums zurückgezahlt und die vereinbarten Zinsen wurden vertragsgemäß entrichtet.

Dem Klinikum wurde durch die Beklagte kein wirtschaftlicher Vorteil verschafft, den es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Die in den Jahren 2009 und 2010 vereinbarten Zinssätze waren marktgerecht. Nach der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 19. Januar 2008 (Abl. C 14/6) verwendet diese im Rahmen der gemeinschaftlichen Kontrolle staatlicher Beihilfen Referenz- und Abzinsungssätze. Entspricht der konkrete Zinssatz dem Referenzzinssatz liegt keine Beihilfe vor.

Die von dem Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläuterten Berechnungen der Zinssätze sind aus der Sicht des Gerichts nachvollziehbar. Nach der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Übersicht der Deutschen Bundesbank zu den Geldmarktsätzen betrug der EURIBOR im Februar 2009 bei Zwölfmonatsgeld 2,14%. Hinzu kam zur Berechnung des Zinssatzes eine Marge von 220 Basispunkten entsprechend der „Referenzsatzmittteilung“ der EU-Kommission (Abl. 2008/C 14). Dass das auf das Klinikum angewandte Rating „Gut“ (BBB) unzutreffend war, wurde weder substantiiert behauptet noch ist dies für das Gericht ersichtlich. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass wegen der geringen Besicherung mit 220 Basispunkten die höchste Marge entsprechend dem Rating angesetzt wurde.

Das Gericht hat auch keine rechtlichen Bedenken hinsichtlich des für das Jahr 2010 gewählten Zinssatzes. Die Berechnung des Zinssatzes erfolgte auf der Grundlage einer Anfrage bei der Hausbank der Beklagten. Es ist nicht ersichtlich, dass diese der Beklagten in der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten E-Mail vom 10. Dezember 2009 zum Rating, Risikoaufschlag und der Gewinnmarge marktunübliche Daten mitgeteilt hätte. Die Berechnung nach der Referenzzinssatzmethode der Kommission dient der Beurteilung des Vorliegens einer Beihilfe durch diese. Daneben hält es das Gericht jedoch für zulässig - wie hier - andere sachgerechte Berechnungsgrößen zu verwenden.

Selbst wenn man für das Jahr 2010 das Darlehen nach der Methode der Kommission beurteilen würde, wäre diese Leistungsgewährung unter die Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 (Abl. L 379/5) gefallen. Gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung durfte die Gesamtsumme der De-Minimis-Beihilfen in einem Zeitraum von drei Steuerjahren 200.000 € nicht übersteigen. Ausgehend von einem EURIBOR im Januar 2010 bei Zwölfmonatsgeld in Höhe von 1,23% und einer Marge von 220 Basispunkten entsprechend der „Referenzsatzmitteilung“ der EU-Kommission würde sich ein Zinssatz von 3,43% errechnen. Dies entspricht bei einer einjährigen Laufzeit und einem Darlehensbetrag von einer Million € einer Zinsersparnis von 3.000 € im Vergleich zu dem zwischen der Beklagten und dem Klinikum vereinbarten Zinssatz in Höhe von 3,13% und liegt damit weit unter 200.000 €. Auch unter Berücksichtigung des zweiten Darlehens (s.u.) wäre die De-Minimis Grenze bei weitem nicht erreicht.

Aus dem Schreiben der Europäischen Kommission vom 28. Januar 2011 ergibt sich ferner, dass nach der Auffassung der Kommission die K. gGmbH (Klinikum) keinen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat, den sie nicht unter normalen Marktbedingungen erhalten hätte. Auch eine private Bank hätte dem Klinikum ein Darlehen zu vergleichbaren Bedingungen gewährt. Die zuständigen Dienststellen der Generaldirektion Wettbewerb kämen daher weiterhin zu dem vorläufigen Ergebnis, dass die Maßnahmen, die Gegenstand der Beschwerde seien, keine staatlichen Beihilfen darstellen und daher keiner Notifizierung bedurften.

Zudem liegt keine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten vor. Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV muss eine Maßnahme den Handel zwischen Mitgliedsstaaten beeinträchtigen. Erforderlich ist, dass die Ein- oder Ausfuhr durch die Beihilfe erschwert bzw. erleichtert wird, wobei der Begriff Handel auch den Dienstleistungsverkehr umfasst (vgl. Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 107 AEUV, Rdnr. 36). Ausreichend ist eine Eignung der Beihilfe zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedsstaaten. Es muss sich dabei aber um eine reale Möglichkeit handeln, der potenzielle Handel darf nicht nur rein hypothetischer Natur sein (vgl. VG Darmstadt vom 21.10.2009 Az. 9 K 1230/07 Rn. 36). Über den innerstaatlichen Bereich hinausgehende Auswirkungen sind gegeben, wenn das begünstigte Unternehmen in andere Mitgliedsstaaten exportiert oder, obwohl nur im Inland tätig, mit Produkten oder Dienstleistungsanbietern aus anderen Mitgliedsstaaten konkurriert (vgl. Callies/Ruffert, a. a. O., Rdnr. 37). Im vorliegenden Fall konkurriert das MVZ nicht mit Dienstleistungsanbietern aus anderen Mitgliedsstaaten.

Das MVZ dient ausschließlich der ambulanten Versorgung der regional ansässigen Bevölkerung. Der Kreis der in den Jahren 2011 bis 2013 behandelten Patienten ergibt sich aus der im Klageverfahren vorgelegten Liste ihrer Wohnorte. Dieser ist zu entnehmen, dass die Patienten im Wesentlichen aus Orten in N.- und teilweise in O. stammten und der Einzugsbereich des MVZ damit regional begrenzt ist. Der Patienteneinzugsbereich des MVZ geht nicht über die Region hinaus und ist insbesondere nicht grenzüberschreitend. Da das MVZ auch nicht im unmittelbaren Grenzgebiet liegt, ist die reale Möglichkeit der Beeinträchtigung des Handels zu verneinen. Anders als beim Warenverkehr, bei dem eine Versendung leicht möglich ist, müssen die Patienten das MVZ aufsuchen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die realistische Möglichkeit besteht, dass in größerer Zahl Patienten aus dem Ausland (insb. aus Ö. und T.) zur Behandlung weite Strecken nach L. anreisen, wenn die dort gebotene Therapie und Diagnostik auch in ihrer Heimat zur Verfügung steht. Schließlich ist die Klägerin dem Vorbringen der Beklagten, dass das MVZ tatsächlich nur inländische gesetzlich Krankenversicherte behandelt, nicht substantiiert entgegen getreten.

Die Europäische Kommission kam in mehreren Fällen zu dem Schluss, dass Tätigkeiten rein lokaler Natur den Handel zwischen Mitgliedsstaaten nicht beeinträchtigen. Als Beispiele nannte sie Schwimmbäder, die überwiegend von der örtlichen Bevölkerung genutzt werden und örtliche Krankenhäuser, die ausschließlich für die örtliche Bevölkerung bestimmt sind (Mittteilung der Kommission vom 11. Januar 2012, Abl. C 8/02, Seite 10). Zwar erfüllt das Klinikum L. als Krankenhaus der zweiten Versorgungsstufe auch überörtliche Schwerpunktaufgaben. Allerdings ist nicht erkennbar, dass es mit Dienstleistungsanbietern aus anderen Mitgliedsstaaten konkurriert. Es ist im Übrigen nicht auf das Klinikum, sondern auf das MVZ als vermeintlichem Beihilfenehmer abzustellen.

Es liegt auch kein Verstoß gegen Beihilfevorschriften darin, dass das MVZ nach der Behauptung der Klägerseite mit im Bereich L. niedergelassenen Ärzten aus dem EU-Ausland in Konkurrenz treten soll. Da diese ihre Dienstleistung nicht im EU-Ausland, sondern in Deutschland erbringen, liegt insoweit keine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehrs vor.

bb. Die Klage ist in den Anträgen II. und III. ebenfalls unbegründet.

Soweit sich der Antrag II. auf die Gewährung des zweiten Kredits in Höhe von 1,5 Millionen € bezieht, handelt es sich um keine Beihilfe im Sinne des EU-Rechts. Der Zinssatz in Höhe von 3,13% war marktgerecht und stellte keinen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne des Beihilfenrechts dar. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen. Die Ersparnis würde im Übrigen bei einem Zinssatz nach der Referenzzinssatzmethode der EU-Kommission von 3,43%, einer einjährigen Laufzeit und einem Darlehensbetrag von 1,5 Millionen € 4.500 € betragen. Auch unter Berücksichtigung des weiteren Darlehens wäre die De-Minimis Grenze bei weitem nicht erreicht.

Da kein Verstoß gegen Art. 108, 107 AEUV vorliegt, ist die Klage auch im Antrag III. unbegründet. Soweit sich die Klägerin auf die angeblich beihilfrechtswidrig durch das Klinikum gewährten Dienstleistungen und Nutzungen bezieht, wurden diese nicht ohne Gegenleistung gewährt. Im Klageverfahren wurde hierzu ein Auszug aus dem Bundesanzeiger mit dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 vorgelegt. Danach schloss das Klinikum mit dem MVZ Dienstleistungs- und Nutzungsentgeltverträge ab. Im Jahr 2011 seien hierzu im Wert von 685.037 € Leistungen erbracht bzw. Waren geliefert worden. Mit Schriftsatz vom 26. September 2013 stellte die Beklagte im Übrigen dar, welche Verträge u. a. zwischen Klinikum und MVZ abgeschlossen wurden. Es ist weder erkennbar noch substantiiert belegt, dass die Zahlungen des MVZ für die ihm erbrachten Dienstleistungen und Nutzungen unangemessen niedrig waren und deshalb ein Verstoß gegen Beihilfevorschriften vorlag. Die Klägerin geht hierbei über bloße Vermutungen nicht hinaus. Schließlich ist auch hier nicht erkennbar, dass - nicht belegte - Vergünstigungen den Rahmen der De-Minimis Regel überschritten hätten. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Klägerin überhaupt einen Anspruch auf eine entsprechende „Verpflichtung“ geltend machen kann.

4. Der Hilfsantrag IV. ist unzulässig, er wäre auch unbegründet.

Die Klage ist unzulässig, da insoweit wie dargestellt, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten nicht vorliegt. Der Ankauf der kassenärztlichen Zulassung erfolgte nicht durch die Beklagte, sondern durch das Klinikum.

Die Klage wäre wegen fehlender Passivlegitimation und mangels einer Beihilfe nach dem EU-Recht auch unbegründet (s.o.).

5. Der Hilfsantrag V. ist unbegründet, da eine beihilfewidrige Leistung der Beklagten in dem Zeitraum vom 17. Februar bis 31. März 2009 nicht vorgelegen hat. Der erste Kredit wurde rückwirkend zum 1. Februar 2009 gewährt und auch für diesen Zeitraum marktgerecht verzinst. Im Übrigen lässt sich dem Schreiben der Europäischen Kommission vom 28. Januar 2011 gerade nicht entnehmen, dass ein Verstoß gegen Beihilferecht vorlag.

Die Kostentragungspflicht der Klägerin ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht, vgl. § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 VwGO. Der Beihilfenbegriff im EU-Recht ist in der Rechtsprechung ausreichend geklärt. Es ist nicht erkennbar, dass dem Urteil über den konkreten Fall hinaus grundsätzliche Bedeutung zukommt.

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(1a) Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Absatz 2 Satz 3, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 sind jedoch nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt; ein Fachbezug besteht auch für die mit Dialyseleistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen im Rahmen einer umfassenden Versorgung der Dialysepatienten. Die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums ist nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. Die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die am 1. Januar 2012 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von der Trägerschaft und der Rechtsform des medizinischen Versorgungszentrums unverändert fort; die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 gegründet wurden und am 10. Mai 2019 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von ihrem Versorgungsangebot unverändert fort. Für die Gründung von medizinischen Versorgungszentren durch Kommunen findet § 105 Absatz 5 Satz 1 bis 4 keine Anwendung.

(1b) Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:

1.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet,
2.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.
Der Zulassungsausschuss ermittelt den jeweils geltenden Versorgungsanteil auf Grundlage des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades und des Standes der vertragszahnärztlichen Versorgung. Hierzu haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen umfassende und vergleichbare Übersichten zum allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad und zum Stand der vertragszahnärztlichen Versorgung am 31. Dezember eines jeden Jahres zu erstellen. Die Übersichten sind bis zum 30. Juni des jeweils folgenden Jahres zu erstellen und in geeigneter Weise in den amtlichen Mitteilungsblättern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu veröffentlichen. Die Sätze 1 bis 6 gelten auch für die Erweiterung bestehender zahnärztlicher medizinischer Versorgungszentren eines Krankenhauses.

(2) Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister (Arztregister) nachweist. Die Arztregister werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen für jeden Zulassungsbezirk geführt. Die Eintragung in ein Arztregister erfolgt auf Antrag

1.
nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a für Vertragsärzte und nach § 95c für Psychotherapeuten,
2.
nach Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit für Vertragszahnärzte.
Das Nähere regeln die Zulassungsverordnungen. Um die Zulassung kann sich ein medizinisches Versorgungszentrum bewerben, dessen Ärzte in das Arztregister nach Satz 3 eingetragen sind. Für die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist außerdem Voraussetzung, dass die Gesellschafter entweder selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheitsleistungen nach § 232 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen das medizinische Versorgungszentrum aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit abgeben; dies gilt auch für Forderungen, die erst nach Auflösung des medizinischen Versorgungszentrums fällig werden. Die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 erfüllt sind; Absatz 9b gilt entsprechend. Anträge auf Zulassung eines Arztes und auf Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums sowie auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum sind abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 angeordnet sind oder der Zulassung oder der Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen. Abweichend von Satz 9 ist einem Antrag trotz einer nach § 103 Absatz 1 Satz 2 angeordneten Zulassungsbeschränkung stattzugeben, wenn mit der Zulassung oder Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Für die in den medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte gilt § 135 entsprechend.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung bewirkt, daß der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist. Die Zulassung des medizinischen Versorgungszentrums bewirkt, dass die in dem Versorgungszentrum angestellten Ärzte Mitglieder der für den Vertragsarztsitz des Versorgungszentrums zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sind und dass das zugelassene medizinische Versorgungszentrum insoweit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind verbindlich. Die Einhaltung der sich aus den Sätzen 1 und 2 ergebenden Versorgungsaufträge sind von der Kassenärztlichen Vereinigung bundeseinheitlich, insbesondere anhand der abgerechneten Fälle und anhand der Gebührenordnungspositionen mit den Angaben für den zur ärztlichen Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand nach § 87 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz, zu prüfen. Die Ergebnisse sowie eine Übersicht über die gegebenenfalls getroffenen Maßnahmen sind den Landes- und Zulassungsausschüssen sowie der für die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zuständigen Aufsichtsbehörde jeweils zum 30. Juni des Jahres zu übermitteln.

(4) Die Ermächtigung bewirkt, daß der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für sie verbindlich. Die Absätze 5 bis 7, § 75 Abs. 2 und § 81 Abs. 5 gelten entsprechend.

(5) Die Zulassung ruht auf Beschluß des Zulassungsausschusses, wenn der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht ausübt, ihre Aufnahme aber in angemessener Frist zu erwarten ist, oder auf Antrag eines Vertragsarztes, der in den hauptamtlichen Vorstand nach § 79 Abs. 1 gewählt worden ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann bei vollem Versorgungsauftrag das Ruhen der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschlossen werden; bei einem drei Viertel Versorgungsauftrag kann das Ruhen eines Viertels der Zulassung beschlossen werden.

(6) Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Der Zulassungsausschuss kann in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung derHälfteoder eines Viertels der Zulassung beschließen. Einem medizinischen Versorgungszentrum ist die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1a Satz 1 bis 3 länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen. Die Gründereigenschaft nach Absatz 1a Satz 1 bleibt auch für die angestellten Ärzte bestehen, die auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum verzichtet haben, solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind und Gesellschafter des medizinischen Versorgungszentrums sind. Die Gründungsvoraussetzung nach Absatz 1a Satz 1 liegt weiterhin vor, sofern angestellte Ärzte die Gesellschafteranteile der Ärzte nach Absatz 1a Satz 1 oder der Ärzte nach Satz 4 übernehmen und solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind; die Übernahme von Gesellschafteranteilen durch angestellte Ärzte ist jederzeit möglich. Medizinischen Versorgungszentren, die unter den in Absatz 1a Satz 4 erster Halbsatz geregelten Bestandsschutz fallen, ist die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 6 zweiter Halbsatz in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung seit mehr als sechs Monaten nicht mehr vorliegen oder das medizinische Versorgungszentrum gegenüber dem Zulassungsausschuss nicht bis zum 30. Juni 2012 nachweist, dass die ärztliche Leitung den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 3 entspricht.

(7) Die Zulassung endet, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, mit dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes. Die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums endet mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, der Auflösung, dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes.

(8) (weggefallen)

(9) Der Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind und der Anstellung keine Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen; hiervon abweichend ist eine Anstellungsgenehmigung trotz einer angeordneten Zulassungsbeschränkung zu erteilen, wenn mit der Anstellung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Sind Zulassungsbeschränkungen angeordnet, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 erfüllt sein müssen. Das Nähere zu der Anstellung von Ärzten bei Vertragsärzten bestimmen die Zulassungsverordnungen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(9a) Der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die von einer Hochschule mindestens halbtags als angestellte oder beamtete Hochschullehrer für Allgemeinmedizin oder als deren wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden und in das Arztregister eingetragen sind, unabhängig von Zulassungsbeschränkungen anstellen. Bei der Ermittlung des Versorgungsgrades in einem Planungsbereich sind diese angestellten Ärzte nicht mitzurechnen.

(9b) Eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, einem halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 3a, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung.

(10) (weggefallen)

(11) (weggefallen)

(11a) (weggefallen)

(11b) (weggefallen)

(12) (weggefallen)

(13) In Zulassungssachen der Psychotherapeuten und der überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (§ 101 Abs. 3 Satz 1) treten abweichend von § 96 Abs. 2 Satz 1 und § 97 Abs. 2 Satz 1 an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der Psychotherapeuten und der Ärzte in gleicher Zahl; unter den Vertretern der Psychotherapeuten muß mindestens ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder ein Psychotherapeut mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein. Für die erstmalige Besetzung der Zulassungsausschüsse und der Berufungsausschüsse nach Satz 1 werden die Vertreter der Psychotherapeuten von der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Vorschlag der für die beruflichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Psychotherapeuten auf Landesebene berufen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die strategische Beschränkung des Telekommunikationsverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst im Jahre 2010.

2

Das Parlamentarische Kontrollgremium unterrichtete unter dem 10. Februar 2012 den Deutschen Bundestag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - G 10) über Art und Umfang der im Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2010 vorgenommenen Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 3, 5, 7a und 8 G 10 (BTDrucks 17/8639). Zur strategischen Beschränkung nach § 5 G 10 wurde mitgeteilt, dass zu drei der in § 5 Abs. 1 Satz 3 G 10 genannten Gefahrenbereichen Maßnahmen angeordnet und durchgeführt worden seien (BTDrucks 17/8639 S. 6 f.). Im Gefahrenbereich "Internationaler Terrorismus" (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 G 10) hätten sich anhand von 1 944 Suchbegriffen im ersten Halbjahr und 1 808 Suchbegriffen im zweiten Halbjahr insgesamt 10 213 329 Telekommunikationsverkehre "qualifiziert", davon 10 208 525 E-Mails. 29 der erfassten Telekommunikationsverkehre seien als nachrichtendienstlich relevant eingestuft worden (7 Metadatenerfassungen, 17 Webforenerfassungen, 5 Sprachverkehre). Im Gefahrenbereich "Proliferation und konventionelle Rüstung" (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 G 10) seien im ersten Halbjahr 12 843 und im zweiten Halbjahr 13 304 Suchbegriffe angeordnet worden, anhand derer sich insgesamt 27 079 533 Telekommunikationsverkehre "qualifiziert" hätten, 180 davon (12 E-Mail-, 94 Fax- und 74 Sprachverkehre) seien schließlich als nachrichtendienstlich relevant eingestuft worden. Im Gefahrenbereich "Illegale Schleusung" (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 G 10) seien im ersten Halbjahr 313 und im zweiten Halbjahr 321 Suchbegriffe angeordnet, insgesamt 45 655 Telekommunikationsverkehre, darunter 45 599 E-Mails, selektiert und schließlich vier Sprachverkehre als nachrichtendienstlich relevant eingestuft worden. Zu dem Anstieg der Anzahl der selektierten Telekommunikationsverkehre im Vergleich zum Vorjahr 2009, für das der Vorgängerbericht (BTDrucks 17/4278 S. 7) insgesamt 6 841 725 Erfassungen (1 807 580 im Gefahrenbereich "Internationaler Terrorismus" + 5 034 145 im Gefahrenbereich "Proliferation und konventionelle Rüstung") und 278 (69 + 209) als nachrichtendienstlich relevant eingestufte Telekommunikationsverkehre ausweist, habe ein sehr hoher Spam-Anteil beigetragen. Die zur Selektion unerlässliche Verwendung inhaltlicher Suchbegriffe, bei denen es sich auch um gängige und mit dem aktuellen Zeitgeschehen einhergehende Begriffe handeln könne, führe unweigerlich zu einem relativ hohen Spam-Anteil, da viele Spam-Mails solche Begriffe ebenfalls beinhalten könnten.

3

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Mit seiner am 25. Februar 2013 erhobenen Klage wendet er sich gegen die strategische Beschränkung des E-Mail-Verkehrs im Jahr 2010. Zur Begründung trägt er vor: Er habe 2010 häufig per E-Mail mit Kollegen, Mandanten und anderen Personen im Ausland kommuniziert, vielfach in Angelegenheiten, die dem Anwaltsgeheimnis unterlegen hätten. Er müsse damit rechnen, dass diese Auslandskommunikation von strategischen Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G 10, von denen er durch Presseberichte frühestens am 25. Februar 2012 Kenntnis erlangt habe, betroffen gewesen sei. Angesichts der Verwendung tausender auch allgemein gängiger Suchbegriffe und ca. 37 Mio. "Treffern" müsse er davon ausgehen, dass auch seine eigene, insbesondere anwaltliche E-Mail-Korrespondenz erfasst und auf nachrichtendienstliche Relevanz hin ausgewertet worden sei. Die Klage sei zulässig, weil er danach mit einiger Wahrscheinlichkeit in seinem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG betroffen worden sei. Eine stärkere Substantiierung der eigenen Betroffenheit sei ihm wegen der Heimlichkeit der Maßnahmen nicht möglich und könne deshalb auch nicht verlangt werden.

4

Die Klage sei auch begründet. Die angeordneten Telekommunikationsbeschränkungen hätten gegen das Übermaßverbot verstoßen. Insoweit sei bereits die Verfassungsmäßigkeit der zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen zur strategischen Fernmeldeüberwachung zweifelhaft. Jedenfalls aber sei die exzessive Überwachungspraxis des Jahres 2010 unverhältnismäßig. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - (BVerfGE 100, 313) die strategische Fernmeldeüberwachung im Kern für verfassungsgemäß erachtet. Jedoch habe der Gesetzgeber die Überwachungsbefugnisse inzwischen erheblich ausgeweitet, insbesondere durch umfassende Einbeziehung auch der leitungsgebundenen Telekommunikation einschließlich des E-Mail-Verkehrs sowie durch Erhöhung des zulässigen Überwachungsvolumens auf bis zu 20 v.H. des Auslands-Fernmeldeverkehrs (vgl. § 10 Abs. 4 Satz 4 G 10). Im Zusammenspiel mit größeren Überwachungs- und Auswertungskapazitäten infolge des technischen Fortschritts und mangels effektiver gesetzlicher Vorkehrungen zur Eingrenzung des Umfangs der Überwachungsmaßnahmen sei die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit damit überschritten worden. Im Übrigen fehle es an einer dem § 3b G 10 entsprechenden Regelung zum Schutz des Anwaltsgeheimnisses im Rahmen der nachrichtendienstlichen Auswertung erfasster Telekommunikationsverkehre. Jedenfalls aber sei die Überwachungspraxis im Jahr 2010 in Anbetracht des Missverhältnisses von 37 Mio. "Treffern" - sowie der dahinter stehenden, noch wesentlich größeren Zahl überwachter Telekommunikationsverkehre - auf der einen Seite und nur 12 als nachrichtendienstlich relevant eingestufter E-Mails auf der anderen Seite verfassungswidrig. Der im Vergleich zu den Vorjahren exorbitante Anstieg der "Trefferzahl" sei weder auf ein Mehr an Suchbegriffen noch auf ein erhöhtes Spam-Aufkommen zurückzuführen und lasse sich deshalb nur mit einer Vergrößerung der technischen Überwachungskapazitäten und/oder der Verwendung besonders gängiger, unspezifischer Suchbegriffe erklären. Diese Ausweitung der Überwachung ohne ein Mehr an verwertbaren Ergebnissen sei willkürlich und unverhältnismäßig gewesen. Den angeordneten Maßnahmen habe bereits die Eignung gefehlt, weil angesichts des zahlenmäßigen Missverhältnisses von überwachten E-Mails und als nachrichtendienstlich relevant eingestuften E-Mails allenfalls von einer zufälligen Förderung des Gefahrenabwehrzwecks des § 5 G 10 die Rede sein könne. Die weitgehende Erfolglosigkeit der Überwachung lasse sich mit dem Einsatz von Verschlüsselungstechnologien erklären. Die mit der strategischen Überwachung des E-Mail-Verkehrs im Jahr 2010 verbundene Beeinträchtigung des Fernmeldegeheimnisses habe auch außer Verhältnis zu den damit verfolgten Zielen gestanden. Die Beeinträchtigung sei schwerwiegend gewesen, weil eine Vielzahl auch unbeteiligter Personen anlasslos, verdachtsunabhängig und weit im Vorfeld einer drohenden Rechtsgutsverletzung betroffen gewesen sei. Der Einzelne habe bei jedem Auslandskontakt per E-Mail mit der Möglichkeit einer Erfassung durch den Bundesnachrichtendienst rechnen müssen, sodass sich ein Gefühl ständigen Überwachtwerdens mit nachteiligen Folgen für die individuelle wie auch die gesamtgesellschaftliche Kommunikation habe einstellen können. Unter Berücksichtigung auch der mangelhaften Effizienz der Überwachungsmaßnahmen habe der damit verfolgte Gefahrenabwehrzweck diese Beeinträchtigungen nicht aufwiegen können. Dies gelte jedenfalls im Hinblick auf seine - des Klägers - besondere Situation als Rechtsanwalt, weil die Auswertungspraxis des Bundesnachrichtendienstes der besonderen Sensibilität anwaltlicher E-Mail-Korrespondenz nicht ansatzweise Rechnung getragen habe, was die Eingriffsintensität zusätzlich erhöht habe.

5

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bundesnachrichtendienst im Jahre 2010 das Fernmeldegeheimnis des Klägers verletzt hat, indem er im Zuge der strategischen Fernmeldeüberwachung E-Mail-Verkehr des Klägers erfasst und weiterbearbeitet hat.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Die Beklagte hält die Klage für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Ob der Kläger im Jahr 2010 von Maßnahmen der strategischen Fernmeldeüberwachung betroffen gewesen sei, wisse sie nicht. Nicht auszuschließen sei eine Betroffenheit dergestalt, dass ein oder mehrere seiner Telekommunikationsverkehre erfasst, unverzüglich geprüft (§ 6 Abs. 1 Satz 1 G 10) und sodann unverzüglich gelöscht (§ 6 Abs. 1 Satz 2 G 10) worden seien. Selbst wenn man dies unterstelle, fehle es an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 VwGO. Der Gesetzgeber habe mit dem G 10 den Rechtsweg im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG dahin ausgestaltet, dass in Fällen, in denen Telekommunikationsverkehre nur zufällig und nicht final erfasst sowie unverzüglich geprüft und gelöscht würden, eine Feststellungsklage unzulässig sei. Dies ergebe sich bereits aus § 13 G 10. Wenn danach in den dort genannten Fällen der Rechtsweg vor der Mitteilung der Beschränkungsmaßnahmen an den Betroffenen nicht zulässig sei, lasse sich dem im Umkehrschluss nicht nur entnehmen, dass in allen anderen Fällen der Rechtsweg auch schon vor der Mitteilung offen stehe, sondern darüber hinaus auch, dass nur in Bezug auf mitteilungspflichtige Fernmeldeerfassungen der Rechtsweg eröffnet sei. Derartige mitteilungspflichtige Fernmeldeerfassungen stünden hier nicht in Rede, weil etwaige erfasste Telekommunikationsverkehre des Klägers jedenfalls unverzüglich gelöscht worden seien und deshalb nach § 12 Abs. 2 Satz 1 G 10 keine Mitteilungspflicht bestanden habe.

8

Die Beklagte hat auf Anforderung des Senats den § 5 G 10-Jahreshauptantrag 2010 für den Gefahrenbereich der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland in Kopie vorgelegt. Dabei sind unter anderem die beantragten Suchbegriffe geschwärzt worden. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung unter anderem beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2010 im Zuge der strategischen Fernmeldeüberwachung nach § 5 Abs. 1 G 10-Suchbegriffe wie zum Beispiel Atom, Bombe oder Schleusung verwendet hat, die im allgemeinen Sprachgebrauch Verwendung finden und aufgrund ihrer Alltagsgebräuchlichkeit nicht geeignet sind, zwischen Telekommunikationsverkehren zu differenzieren, die eine Relevanz für die der Überwachung unterliegenden Gefahrenbereiche/Aufklärungsziele haben und solchen Telekommunikationsverkehren, unter anderem derjenigen des Klägers, die keine diesbezügliche Relevanz aufweisen, den § 5 G 10-Jahreshauptantrag des Jahres 2010 für den Gefahrenbereich "Internationaler Terrorismus", den § 5 G 10-Jahreshauptantrag des Jahres 2010 für den Gefahrenbereich "Proliferation und konventionelle Rüstung" sowie den § 5 G 10-Jahreshauptantrag des Jahres 2010 für den Gefahrenbereich "Illegale Schleusung" beizuziehen. Der Senat hat den Beweisantrag insoweit abgelehnt, weil die unter Beweis gestellte Tatsache nicht entscheidungserheblich ist, da die Klage unzulässig ist und die aufzuklärenden Suchbegriffe für den Nachweis eines tatsächlich erfolgten Eingriffs nicht relevant sind. Der Kläger hat sodann beantragt durch Beschluss festzustellen, ob die lediglich geschwärzte Vorlage des § 5 G 10-Jahreshauptantrag des Jahres 2010 für den Gefahrenbereich "Internationaler Terrorismus" insoweit rechtmäßig ist, als dort inhaltliche Suchworte geschwärzt sind. Der Senat hat den Antrag nach Abschluss des Verfahrens dem Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO vorgelegt.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des teilgeschwärzt vorgelegten § 5 G 10-Jahreshauptantrag des Jahres 2010 für den Gefahrenbereich "Internationaler Terrorismus" verwiesen.

Entscheidungsgründe

10

1. Der Senat konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung über die Klage abschließend durch Urteil entscheiden. Zwar hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt, festzustellen, ob die Vorlage des § 5 G 10-Jahreshauptantrag des Jahres 2010 für den Gefahrenbereich "Internationaler Terrorismus" insoweit rechtmäßig ist, als dort die inhaltlichen Suchbegriffe geschwärzt sind. Über die Zulässigkeit und Begründetheit dieses Antrags hatte nicht der Senat, sondern hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO zu entscheiden. Der Senat war aber nicht verpflichtet, das bei ihm anhängige Verfahren der Hauptsache auszusetzen, bis der Fachsenat über den gestellten Antrag im Zwischenverfahren nach § 99 VwGO entschieden hat. Denn die Entscheidung des Fachsenats im Zwischenverfahren nach § 99 VwGO ist in der hier gegebenen Fallgestaltung nicht vorgreiflich für die Entscheidung in der Hauptsache. Über diese Vorgreiflichkeit und damit über die Aussetzung des Verfahrens zu befinden, lag allein in der Zuständigkeit des Senats als Gericht der Hauptsache.

11

Dass die Entscheidung des Fachsenats im Zwischenverfahren in der hier gegebenen Fallgestaltung nicht vorgreiflich für die Entscheidung in der Hauptsache ist, folgt aus der Aufgabenverteilung zwischen dem Gericht der Hauptsache und dem Fachsenat. Eine Entscheidung des Fachsenats nach § 99 Abs. 2 VwGO setzt zum einen voraus, dass das Gericht der Hauptsache die beklagte Behörde gemäß § 99 Abs. 1 VwGO auffordert, bestimmte Urkunden oder Akten vorzulegen oder bestimmte elektronische Dokumente zu übermitteln oder bestimmte Auskünfte zu erteilen, und dabei die Entscheidungserheblichkeit dieser Unterlagen - in der Regel förmlich, insbesondere durch Beweisbeschluss - verlautbart (Beschlüsse vom 24. November 2003 - BVerwG 20 F 13.03 - BVerwGE 119, 229 <230 f.> = Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 36 S. 27; vom 2. November 2010 - BVerwG 20 F 4.10 - juris Rn. 16; vom 15. März 2013 - BVerwG 20 F 8.12 - juris Rn. 11 und vom 17. Februar 2014 - BVerwG 20 F 1.14 - juris Rn. 8). Eine Entscheidung nach § 99 Abs. 2 VwGO setzt zum anderen voraus, dass die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente oder die Erteilung der Auskünfte verweigert, weil das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder weil die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen (sogenannte Sperrerklärung). Gegenstand des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO ist diese Sperrerklärung. Das Gericht der Hauptsache entscheidet mithin zunächst darüber, ob Unterlagen wegen ihrer Entscheidungserheblichkeit beizuziehen sind, der Fachsenat im Anschluss daran gegebenenfalls darüber, ob eine Weigerung der Behörde, die angeforderten Unterlagen vorzulegen, rechtmäßig ist.

12

Hier hat der Senat als Gericht der Hauptsache auf den Beweisantrag des Klägers bereits die Beiziehung des ungeschwärzten Jahreshauptantrags abgelehnt, weil für seine Entscheidung die Kenntnis der nur geschwärzt vorgelegten Suchbegriffe nicht erheblich ist. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Beiziehung eines insoweit ungeschwärzten Jahreshauptantrags darüber hinaus auch deshalb unterbleiben müsste, weil die Beklagte dessen Vorlage aus den Gründen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtmäßig verweigern dürfte. Ob eine solche bisher nicht ausgesprochene Weigerung rechtmäßig oder rechtswidrig wäre, war ohne Einfluss auf den Fortgang des Verfahrens in der Hauptsache. Selbst wenn im Falle einer Aussetzung des Verfahrens der Hauptsache der Fachsenat im Zwischenverfahren den Antrag des Klägers für zulässig und eine Weigerung der Beklagten, den Jahreshauptantrag ungeschwärzt vorzulegen, für rechtswidrig gehalten hätte, wäre dessen Beiziehung unterblieben, weil der Senat als insoweit allein zuständiges Gericht der Hauptsache die vorrangig festzustellende Entscheidungserheblichkeit verneint hat.

13

Das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO hat nur die Funktion, zu überprüfen, ob die Behörde die Vorlage von Unterlagen rechtmäßig verweigert, die das Gericht der Hauptsache als entscheidungserheblich beiziehen will. Hingegen hat das Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht die Funktion, dem Kläger des Hauptsacheverfahrens eine Möglichkeit an die Hand zu geben, die Vorlage von Akten zu erzwingen, deren Entscheidungserheblichkeit das Gericht der Hauptsache verneint und die es deshalb nicht von der Behörde angefordert hat (Beschluss vom 23. Juli 2013 - BVerwG 20 PKH 1.13 - juris Rn. 8).

14

2. Die Klage ist unzulässig. Zwar ist der Rechtsweg für das Begehren des Klägers nicht ausgeschlossen (a). Auch ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung über die Klage sachlich zuständig (b). Jedoch liegen die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen des § 43 Abs. 1 VwGO für eine Feststellungsklage nicht vor (c).

15

a) Der Rechtsweg für das vom Kläger geltend gemachte Begehren ist nicht nach § 13 G 10 ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung ist gegen die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 3 und 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 G 10 und ihren Vollzug der Rechtsweg vor der Mitteilung an den Betroffenen (vgl. § 12 G 10) nicht zulässig. Dieser partielle Rechtswegausschluss ist gestützt auf Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach bei einer gesetzlich angeordneten Beschränkung des in Art. 10 Abs. 1 GG verbürgten Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, die dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes dient, das Gesetz bestimmen kann, dass sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und dass an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt. In Fällen des § 13 G 10 erfolgt die parlamentarische Kontrolle im Bereich des Bundes durch das Parlamentarische Kontrollgremium (§ 14 G 10) und die G 10-Kommission (§ 15 G 10).

16

Ein in § 13 G 10 ausdrücklich behandelter Fall liegt hier nicht vor. Aus dem Bereich der strategischen Überwachung nennt § 13 G 10 nur Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 G 10, also solche zur Aufklärung der Gefahr eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland. Derartige Beschränkungsmaßnahmen hat der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2010 nicht vorgenommen. Ausweislich des Berichts des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 G 10 (BTDrucks 17/8639 S. 6) wurden im Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2010 strategische Beschränkungsmaßnahmen nur in den Gefahrenbereichen "Internationaler Terrorismus" (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 G 10), "Proliferation und konventionelle Rüstung" (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 G 10) sowie "Illegale Schleusungen" (§ 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 G 10) angeordnet.

17

Entgegen der Auffassung der Beklagten darf aus anderen Gesetzesbestimmungen nicht gefolgert werden, dass der Rechtswegausschluss gemäß § 13 G 10 sich weitergehend auf sämtliche Fälle erstreckt, in denen - ungeachtet des betroffenen Gefahrenbereichs - im Rahmen strategischer Beschränkungen nach § 5 G 10 erhobene Daten nach unverzüglicher Prüfung unverzüglich gelöscht worden sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 G 10). Die Regelung über den Mitteilungsausschluss in § 12 Abs. 2 Satz 1 G 10 sowie die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 6 G 10 deuten zwar an, dass der Gesetzgeber den als nachrichtendienstlich relevant bewerteten und aus diesem Grund längerfristig gespeicherten Daten größere Bedeutung für den gerichtlichen Rechtsschutz als den gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 G 10 unverzüglich gelöschten Daten beigemessen hat. Dass im Falle der letztgenannten Daten ein gerichtlicher Rechtsschutz gänzlich ausgeschlossen sein soll, hat jedoch im Gesetzeswortlaut an keiner Stelle hinreichenden Niederschlag gefunden.

18

b) Das Bundesverwaltungsgericht ist für die Entscheidung gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erstinstanzlich zuständig. Bei den hier streitigen strategischen Beschränkungen des Fernmeldeverkehrs nach § 5 G 10 handelt es sich um Vorgänge im Geschäftsbereich des Bundesnachrichtendienstes. Daran ändert der Umstand nichts, dass diese Maßnahmen nicht in die alleinige Zuständigkeit des Bundesnachrichtendienstes fielen, sondern auf dessen Antrag (§ 9 G 10) hin vom Bundesministerium des Innern anzuordnen (§ 10 G 10) und von der G 10-Kommission auf ihre Zulässigkeit und Notwendigkeit hin zu überprüfen (§ 15 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 Satz 3 G 10) waren (Urteil vom 23. Januar 2008 - BVerwG 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 25 = Buchholz 402.9 G 10 Nr. 2).

19

c) Die Sachurteilsvoraussetzungen des § 43 Abs. 1 VwGO für die erhobene Feststellungsklage liegen nicht vor.

20

aa) Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Danach muss die Feststellungsklage sich auf einen konkreten, gerade den Kläger betreffenden Sachverhalt beziehen. Unter einem Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (Urteil vom 23. August 2007 - BVerwG 7 C 2.07 - BVerwGE 129, 199 Rn. 21 = Buchholz 451.221 § 24 KrW-/AbfG Nr. 5; stRspr). Gegenstand der Feststellungsklage kann auch ein vergangenes Rechtsverhältnis sein (Urteil vom 29. April 1997 - BVerwG 1 C 2.95 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127 S. 7). Derartige rechtliche Beziehungen wären zwischen dem Kläger und der Beklagten dann entstanden, wenn feststünde, dass einer oder mehrere seiner E-Mail-Verkehre Gegenstand der strategischen Fernmeldeüberwachung im Jahr 2010 gewesen sind (vgl. Urteil vom 23. Januar 2008 a.a.O. Rn. 26, zur strategischen Überwachung von Telefongesprächen).

21

Ist allerdings nicht sicher, sondern lediglich möglich, dass auch die Telekommunikation gerade des Klägers von strategischen Beschränkungsmaßnahmen betroffen war, fehlt es an der notwendigen Konkretisierung des Rechtsverhältnisses. Gegenstand der Feststellungsklage kann nur ein konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein (Urteile vom 8. Juni 1962 - BVerwG 7 C 78.61 - BVerwGE 14, 235 <236> = Buchholz 451.45 § 30 HandwO Nr. 1 S. 1; vom 7. Mai 1987 - BVerwG 3 C 53.85 - BVerwGE 77, 207 <211> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 16 S. 33; vom 16. November 1989 - BVerwG 2 C 23.88 - Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 106 S. 14 und vom 23. Januar 1992 - BVerwG 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327 <329> = Buchholz 418.711 LMBG Nr. 30 S. 87). Die Feststellungsklage dient hingegen nicht der Klärung abstrakter Rechtsfragen auf der Grundlage eines nur erdachten oder als möglich vorgestellten Sachverhalts (Urteile vom 8. Juni 1962, 7. Mai 1987 und 16. November 1989 jeweils a.a.O.; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 43 Rn. 17; Sodan, in: Sodan/Ziekow , VwGO, 4. Aufl. 2014, § 43 Rn. 43 f.). Damit soll die Popularklage im Verwaltungsprozess verhindert werden, bei der sich der Kläger zum Sachwalter öffentlicher Interessen oder rechtlich geschützter Interessen Dritter macht (Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl. 2009, Rn. 490). Ferner sollen dadurch die Entscheidungsressourcen der Justiz auf tatsächlich vorhandene - statt lediglich hypothetische - Streitfälle konzentriert werden.

22

bb) Zwar lässt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass auch vom Kläger versandte oder an ihn gerichtete E-Mails im Jahr 2010 von der strategischen Beschränkung des Telekommunikationsverkehrs erfasst waren.

23

Jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten durch den Staat ist ein Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 GG (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <366>), durch den zugleich ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO begründet würde. Eingriff ist dabei schon die Erfassung selbst, insofern sie die Kommunikation für den Bundesnachrichtendienst verfügbar macht und die Basis des nachfolgenden Abgleichs mit den Suchbegriffen bildet. An einem Eingriff fehlt es nur, soweit Telekommunikationsvorgänge zwischen deutschen Anschlüssen ungezielt und allein technikbedingt wieder spurlos ausgesondert werden. Dagegen steht es der Eingriffsqualität nicht entgegen, wenn die erfassten Daten nicht sofort bestimmten Personen zugeordnet werden können. Denn auch in diesen Fällen lässt sich der Personenbezug ohne Schwierigkeit herstellen.

24

Wie sich aus den Erläuterungen ergibt, welche die Beklagte hierzu in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, werden in diesem Sinne Telekommunikationsverkehre erfasst, sobald der dazu verpflichtete Betreiber des in der Anordnung bezeichneten Übertragungsweges (Telekommunikationsleitung) den Datenstrom in Gestalt einer Verdoppelung dem Bundesnachrichtendienst zuleitet. Damit stehen die Telekommunikationsverkehre dem Bundesnachrichtendienst zur Verfügung, der sie dann selektiert und anhand der angeordneten Suchbegriffe durchsucht. Mithin werden Telekommunikationsverkehre nicht erst anhand der Suchbegriffe erfasst. Vielmehr dienen die Suchbegriffe nach einer ersten technischen Selektion, bei der Inlandsverkehre aus den erfassten Telekommunikationsverkehren ausgeschieden werden sollen, einer Durchsuchung der schon erfassten Verkehre auf sogenannte Treffer.

25

cc) Der Senat kann jedoch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass über eine bloße nicht auszuschließende Möglichkeit hinaus im Jahr 2010 Telekommunikationsverkehre unter Beteiligung des Klägers im Rahmen strategischer Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 G 10 in diesem Sinne tatsächlich erfasst worden sind.

26

Feststeht, dass kein Telekommunikationsverkehr des Klägers sich unter denjenigen befand, die sich im Ergebnis als nachrichtendienstlich relevant erwiesen und vom Bundesnachrichtendienst insoweit weiterverarbeitet worden sind. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass sich unter den im Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 10. Februar 2012 ausgewiesenen 213 Telekommunikationsverkehren, die im Jahr 2010 als nachrichtendienstlich relevant eingestuft wurden, keiner des Klägers befinde. Dies stellt auch der Kläger nicht in Abrede.

27

Nicht mehr ermitteln lässt sich hingegen, ob ein Telekommunikationsverkehr des Klägers zwar zunächst erfasst, anhand angeordneter Suchbegriffe selektiert, gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 G 10 unverzüglich auf nachrichtendienstliche Relevanz überprüft und sodann aber, weil diese Prüfung negativ verlief, als irrelevant gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 G 10 unverzüglich gelöscht worden ist. Aufklärungsbemühungen des Senats waren insoweit nicht erfolgversprechend. Zwar sind sowohl Erfassung und Abgleich mit angeordneten Suchbegriffen als auch die Löschung erhobener personenbezogener Daten zu protokollieren (§ 5 Abs. 2 Satz 4, § 6 Abs. 1 Satz 3 G 10). Die Protokolldaten sind jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen (§ 5 Abs. 2 Satz 6, § 6 Abs. 1 Satz 5 G 10), so dass hier möglicherweise beweiskräftige Protokolldaten seit Ende 2011, spätestens aber - soweit eine Protokollierung erst im Laufe des Jahres 2011 erfolgt wäre - seit Ende 2012 nicht mehr zur Verfügung stehen.

28

Die danach verbleibende Wahrscheinlichkeit für eine solche Erfassung ist jedoch nicht so hoch, dass sie als überwiegend eingestuft werden müsste und damit dem Senat die erforderliche Überzeugung dafür vermitteln könnte, dass die Voraussetzungen eines konkreten Rechtsverhältnisses erfüllt sind. Die Vorschriften über die strategische Beschränkung des Telekommunikationsverkehrs sorgen dafür, dass nur ein geringer Bruchteil aller Telekommunikationsverkehre von dieser Beschränkung erfasst wird.

29

Strategische Beschränkungen gemäß § 5 Abs. 1 G 10 weisen fragmentarischen Charakter auf. Sie sind auf die Übertragungswege beschränkt, die in der Anordnung bezeichnet werden (§ 10 Abs. 4 Satz 1 G 10). Von der Übertragungskapazität, die auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung steht, darf ein Anteil von höchstens 20 v.H. überwacht werden (§ 10 Abs. 4 Satz 4 G 10). Nach Angaben der Beklagten wird in der Praxis ein deutlich geringerer Anteil tatsächlich überwacht. Der in der mündlichen Verhandlung anwesende stellvertretende Vorsitzende der G 10-Kommission hat dies bestätigt. Zwar mag theoretisch nicht auszuschließen sein, dass - wie der Kläger vermutet - bei nur geringer Ausnutzung der Übertragungskapazität durch die Betreiber der Übertragungswege mehr als 20 v.H. des tatsächlichen Übertragungsvolumens erfasst werden. Das lässt sich indes nicht mit Hilfe der Jahresanträge weiter aufklären, weil diese nur die Vorgaben dafür enthalten, in welchem Maß die Übertragungskapazität der Übertragungswege erfasst werden darf, aber keine Kenntnisse über das tatsächlich erfasste Übertragungsvolumen vermitteln. Die beantragte Beiziehung der Jahreshauptanträge war deshalb insoweit als Beweismittel nicht geeignet. Unabhängig davon wird der Telekommunikationsverkehr schon dann wirksam begrenzt, wenn nur 20 v.H. der Kapazität aller beantragten und angeordneten Übertragungswege überwacht werden dürfen. Der Bundesnachrichtendienst kann aus allen angeordneten Übertragungswegen jeweils nur solche auswählen und gleichzeitig überwachen, die nicht mehr als 20 v.H. der Kapazität aller angeordneten Übertragungswege ausmachen. Die Beschränkung auf einen Anteil der Gesamtkapazität aller Übertragungswege zwingt mithin zur Auswahl aus den angeordneten Übertragungswegen, die jeweils überwacht werden können.

30

Weil der tatsächliche Umfang der Überwachung entscheidend durch die Beschränkung auf bestimmte Übertragungswege und Übertragungskapazitäten begrenzt wird, ist für die Wahrscheinlichkeit, dass der Telekommunikationsverkehr eines bestimmten Teilnehmers tatsächlich erfasst sein könnte, unerheblich, dass auch Telekommunikationsverkehre erfasst worden sind, die über die größten deutschen Telekommunikationsdienstleister abgewickelt werden, und - bezogen auf den Gefahrenbereich des Internationalen Terrorismus - Telekommunikationsverkehre in und aus 150 Staaten und weiteren 46 Regionen beschränkt worden sind.

31

Für die Wahrscheinlichkeit, mit der auch Telekommunikationsverkehre des Klägers erfasst worden sind, ist schließlich unerheblich, welche Suchbegriffe der Bundesnachrichtendienst verwendet hat, insbesondere welche allgemein gängigen Begriffe sich darunter befunden haben. Selbst deren Kenntnis und ihre Verwendung in der E-Mail-Korrespondenz des Klägers sagen nichts darüber aus, dass diese Korrespondenz erfasst worden ist oder jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit für ihre Erfassung besteht.

32

Wie bereits erwähnt, liegt die Erfassung von Telekommunikationsverkehr, mit der gegenüber dem Betroffenen ein Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 10 GG einhergeht, vor, wenn die Kommunikation für den Bundesnachrichtendienst technisch verfügbar gemacht wird und so eine Basis des nachfolgenden Abgleichs mit Suchbegriffen bildet. Diese Erfassung ist aber dem Abgleich der erfassten Verkehre anhand der angeordneten Suchbegriffe vorgelagert und wird nicht durch die Suchbegriffe gesteuert. Die verwendeten Suchbegriffe und deren geringe oder hohe Eignung für eine Selektion der erfassten Verkehre sind mithin ohne Bedeutung für die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Telekommunikationsverkehr überhaupt erfasst wird, sondern nur dafür, ob sich ein erfasster Verkehr im weiteren Verlauf für eine weitere Verarbeitung "qualifiziert". Aus diesem Grunde war die Kenntnis der angeordneten und verwendeten Suchbegriffe in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht entscheidungserheblich und konnte der Senat deshalb den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag des Klägers ablehnen, bestimmte Jahreshauptanträge des Bundesnachrichtendienstes aus dem Jahr 2010 zum Beweis der Tatsache beizuziehen, dass der Bundesnachrichtendienst übermäßig allgemein gehaltene Suchbegriffe verwendet hat.

33

dd) Die verbleibenden erheblichen Zweifel daran, ob Telekommunikationsverkehr des Klägers im Jahre 2010 von der strategischen Beschränkung nach § 5 G 10 erfasst war und damit das streitige Rechtsverhältnis begründet worden ist, gehen zu Lasten des Klägers. Dies entspricht der allgemeinen Regel, nach der es zu Lasten des Beteiligten geht, der sich auf eine Norm beruft, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Norm nicht geklärt werden können. Dies gilt auch, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen sich nicht klären lassen, von denen die Zulässigkeit der erhobenen Klage abhängt.

34

Diese Beweislast kann nicht umgekehrt werden. Dass nicht festgestellt werden kann, ob Telekommunikationsverkehr des Klägers von der Beschränkung erfasst war, beruht zwar einerseits auf der Heimlichkeit dieser Maßnahme und andererseits darauf, dass die Daten über die Erfassung und unverzügliche Löschung überprüfter, aber irrelevanter Verkehre ihrerseits gelöscht wurden, ohne dass die Betroffenen hierüber benachrichtigt worden sind. Daraus kann aber nicht der Vorwurf einer Beweisvereitelung und die Folge hergeleitet werden, der Nachteil der Nichterweislichkeit müsse zu Lasten der Beklagten gehen. Denn dieses Vorgehen des Bundesnachrichtendienstes entsprach Vorschriften, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind, insbesondere mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang stehen. Der Gesetzgeber war insbesondere nicht gehalten, in Fällen der unverzüglichen Prüfung und anschließenden unverzüglichen Löschung erfasster Telekommunikationsverkehre (§ 6 Abs. 1 Satz 6 G 10) eine Mitteilungspflicht entsprechend § 12 Abs. 1 G 10 einzuführen, um auf diese Weise die Möglichkeiten nachträglichen Rechtsschutzes zu verbessern. Eine solche Mitteilungspflicht würde massenhafte Recherchezwänge auslösen und dadurch in beträchtlicher Weise den Eingriff vertiefen (vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. - BVerfGE 125, 260 <336>); sie ist daher verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <398 f.>). Auch die gesetzlichen Löschungsregeln in § 5 Abs. 2 Satz 6 G 10 sowie in § 6 Abs. 1 Satz 5 G 10 sind für die Betroffenen offenkundig in erheblichem Maße grundrechtsschonend und stehen daher trotz ihrer Auswirkungen auf spätere Rechtsschutzmöglichkeiten mit Art. 19 Abs. 4 GG im Einklang.

35

ee) Ebenso wenig gebietet Art. 19 Abs. 4 GG eine Absenkung des Beweismaßes dahingehend, dass an Stelle der vollen richterlichen Überzeugung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit oder gar eine bloße Glaubhaftmachung ausreicht, um eine tatsächliche Betroffenheit des Klägers und damit ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO anzunehmen.

36

Art. 19 Abs. 4 GG vermittelt dem Einzelnen einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, d.h. auf eine tatsächlich wirksame und möglichst lückenlose gerichtliche Kontrolle (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 - 1 BvR 1932/08 - NVwZ 2012, 694 <695>). Die Voraussetzungen und Bedingungen des Zugangs zum Gericht auszugestalten, bleibt den jeweils geltenden Prozessordnungen überlassen. Dabei kann der Gesetzgeber auch Regelungen treffen, die ein Rechtsschutzbegehren von besonderen Voraussetzungen abhängig machen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Der Anspruch des Einzelnen auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle darf aber nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2000 - 1 BvR 321/96 - BVerfGE 101, 397 <408>).

37

Dass die bloße Möglichkeit einer tatsächlichen Betroffenheit nicht ausreicht, ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO anzunehmen, dient dazu, Popularklagen nichtbetroffener Dritter auszuschließen sowie justizielle Entscheidungsressourcen auf tatsächlich vorhandene - statt lediglich hypothetische - Streitfälle zu konzentrieren. Hierbei handelt es sich um legitime Gemeinwohlanliegen, die durch alternative Maßgaben nicht mit derselben Wirksamkeit oder aber nur auf eine Weise zu verwirklichen wären, die an anderer Stelle zu unannehmbaren grundrechtlichen Einbußen führen müsste. Der Gesetzgeber war insbesondere - wie erwähnt - nicht gehalten, in Fällen der unverzüglichen Prüfung und anschließenden unverzüglichen Löschung erfasster Telekommunikationsverkehre (§ 6 Abs. 1 Satz 6 G 10) eine Mitteilungspflicht entsprechend § 12 Abs. 1 G 10 einzuführen, um auf diese Weise die Möglichkeiten nachträglichen Rechtsschutzes zu verbessern, ohne zugleich die genannten Gemeinwohlanliegen zu beeinträchtigen.

38

Für einen Kläger, dessen Telekommunikationsverkehr tatsächlich erfasst und nach unverzüglicher Prüfung unverzüglich wieder als irrelevant gelöscht worden ist, ist es auch nicht unzumutbar, dass sich die spätere Unerweislichkeit seiner Betroffenheit prozessual zu seinen Lasten auswirkt.

39

Auf der einen Seite ist die Eingriffsintensität bei unverzüglicher Prüfung und Löschung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 G 10 geringer zu veranschlagen als in nachfolgenden Verarbeitungsstadien (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 a.a.O. S. 398 f.).

40

Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber im Interesse kompensatorischen Grundrechtsschutzes (vgl. Urteil vom 23. Januar 2008 - BVerwG 6 A 1.07 - BVerwGE 130, 180 Rn. 45 = Buchholz 402.9 G 10 Nr. 2) sämtlicher von strategischen Beschränkungen erfassten Personen die Kontrolle eines unabhängigen, parlamentarisch bestellten Gremiums, nämlich der G 10-Kommission, vorgesehen. Diese entscheidet über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen (§ 15 Abs. 5 Satz 1 G 10), insbesondere im Stadium der Anordnung (vgl. § 15 Abs. 6 G 10). Hierbei unterliegen die wesentlichen Eckdaten strategischer Beschränkungen ihrer Prüfung: Das Vorliegen einer Bestimmung der jeweiligen Telekommunikationsbeziehungen durch das Bundesministerium des Innern mit Zustimmung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (§ 5 Abs. 1 Satz 2 G 10); das Überschreiten der materiellen Eingriffsschwellen des § 5 Abs. 1 Satz 3 G 10; das Vorliegen eines Antrags des Bundesnachrichtendienstes (§ 5 Abs. 1 Satz 1 G 10, § 9 Abs. 1 G 10); das Vorliegen einer Anordnung des Bundesministeriums des Innern (§ 10 Abs. 1 G 10); die Rechtmäßigkeit (insbesondere hinreichende Selektivität) der in der Anordnung benannten Suchbegriffe (§ 10 Abs. 4 Satz 1 G 10, § 5 Abs. 2 G 10); die Beschränkung der Überwachung auf einen Teil der Übertragungskapazitäten (§ 10 Abs. 4 Satz 2 und 3 G 10); die Festlegung der Dauer der Beschränkungsmaßnahme (§ 10 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 G 10). Aufgrund dieser Kontrollpflichten und -befugnisse der G 10-Kommission ist der Grundrechtsschutz der Betroffenen in Bezug auf die Maßnahmenanordnung effektiv. Er ist auch insofern effektiv, als sich bei der G 10-Kommission im Zuge ihrer Tätigkeit spezialisierter Sachverstand herausbilden kann und ihr eine Personal- und Sachausstattung sowie Mitarbeiter mit technischer Expertise zur Verfügung zu stellen sind (§ 15 Abs. 1 G 10).

41

Hinsichtlich des Vollzugs strategischer Beschränkungsmaßnahmen erstreckt sich die Kontrollbefugnis der G 10-Kommission auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem Gesetz erlangten personenbezogenen Daten durch Nachrichtendienste des Bundes einschließlich der Entscheidung über die Mitteilung an Betroffene. Hierzu bestehen Fragerechte, ein Recht auf Einsicht in alle Unterlagen (insbesondere in die gespeicherten Daten und die Datenverarbeitungsprogramme) sowie ein Recht auf jederzeitigen Zutritt in alle Diensträume (§ 15 Abs. 5 G 10). Die Vollzugskontrolle kann von Amts wegen vorgenommen, als auch durch Individualbeschwerden (eventuell) Betroffener ausgelöst sein (§ 15 Abs. 5 Satz 1 G 10). Auch insofern erweist sich der Grundrechtsschutz der Betroffenen somit als effektiv. Erst recht stellt die G 10-Kommission die allgemeine Kontrolle durch die Öffentlichkeit sicher, wie sie durch eine Absenkung der Anforderungen an das Beweismaß und die damit einhergehende faktische Ermöglichung einer Popularklage bewirkt würde.

42

ff) Anders als der Kläger meint, lässt sich schließlich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht herleiten, dass er seine tatsächliche Betroffenheit schon dann ausreichend dargelegt habe, wenn er mit einiger Wahrscheinlichkeit durch die angegriffene strategische Beschränkung des Telekommunikationsverkehrs in seinem grundrechtlich geschützten Fernmeldegeheimnis berührt sei. Die von ihm angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999 - 1 BvR 2226/94 u.a. - BVerfGE 100, 313 <354>) bezieht sich auf eine andere Fallgestaltung, nämlich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz. Sie verlangt für ihre Zulässigkeit nicht die Feststellung, dass die in Rede stehende Norm auf den Beschwerdeführer bereits angewandt worden ist, sondern eben nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass er von der Anwendung der Norm betroffen sein könnte. Hingegen hat die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO gerade die Anwendung der Norm auf einen feststehenden Sachverhalt zur Voraussetzung. Sie richtet sich allenfalls inzident gegen die gesetzliche Grundlage, unmittelbar aber gegen den Anwendungsakt, und zwar bezogen auf den Kläger selbst.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tatbestand

1

Der Beklagte ist ein nach rheinland-pfälzischem Landesrecht gegründeter Zweckverband und mit der Tierkörperbeseitigung befasst. Seine Mitglieder sind Landkreise und kreisfreie Städte des Landes Rheinland-Pfalz sowie - aufgrund von Staatsverträgen - des Saarlandes und des Landes Hessen. Für seine Mitglieder verarbeitet der Beklagte tierische Nebenprodukte der Kategorien 1 und 2 im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 und hält Beseitigungskapazitäten für den Fall von Tierseuchen vor (sog. Seuchenreserve). Vertraglich hat er die Fremdentsorgung von Material der Kategorien 1 und 2 für weitere Entsorgungsverpflichtete in Baden-Württemberg und Nordhessen übernommen. Außerdem verarbeitet er frei handelbare Schlachtabfälle der Kategorie 3 im Sinne der Verordnung; dabei steht er in Konkurrenz zu anderen Unternehmen, darunter die Klägerinnen.

2

Für die Beseitigung des Materials der Kategorien 1 und 2 erhebt der Beklagte auf der Grundlage einer Satzung Gebühren. Für die Abholung und Verwertung sonstiger tierischer Nebenprodukte der Kategorie 3 berechnet er privatrechtliche Entgelte (sog. Knochenentgelte). Soweit die Einnahmen zur Bestreitung der Ausgaben im Erfolgsplan nicht ausreichten, hat der Beklagte von seinen Mitgliedern eine Umlage erhoben, die nach Maßgabe seiner Verbandsordnung für jedes Wirtschaftsjahr durch die Haushaltssatzung festgesetzt und durch Einzelbescheide anteilig geltend gemacht wurde. Die Umlage betrug in den Wirtschaftsjahren 2005 bis 2008 jeweils 2,25 Mio. €. Seit der Neufassung der Verbandsordnung vom 2. Februar 2010 darf die Umlage mit Wirkung zum 1. Januar 2009 nur noch als Ausgleich für solche Kosten erhoben werden, die im Zusammenhang mit der Beseitigung von tierischen Nebenprodukten der Kategorien 1 und 2, die auf dem Gebiet seiner Mitglieder anfallen, sowie für die Vorhaltung der Seuchenreservekapazität entstehen.

3

Die Klägerinnen verarbeiten gewerbsmäßig Material der Kategorie 3. Die Klägerin zu 1 ist in allen Bundesländern tätig, die Klägerin zu 2 hat ihren Sitz in Frankreich und will ihre Geschäftstätigkeit auf den deutschen Markt ausweiten. Die Klägerinnen halten die von dem Beklagten erhobene Umlage für eine Beihilfe im gemeinschaftsrechtlichen Sinne, die mangels Beachtung des in Art. 88 Abs. 3 EG vorgesehenen Verfahrens rechtswidrig sei.

4

Mit ihren Klagen haben die Klägerinnen beim Verwaltungsgericht beantragt, den Beklagten zur Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 erhobenen Umlagen an seine Mitglieder zu verurteilen sowie festzustellen, dass der Beklagte zukünftig Umlagen in der bisherigen Art und Weise nur nach vorheriger Genehmigung durch die EU-Kommission erheben darf.

5

Parallel dazu haben die Klägerinnen im Jahr 2008 bei der Europäischen Kommission eine Beihilfebeschwerde eingelegt. Die Kommission hat das formelle Prüfverfahren eingeleitet und mit Schreiben vom 20. Juli 2010 eine Aufforderung zur Stellungnahme veröffentlicht (2010/C 289/07, ABl C 289 S. 8 vom 26. Oktober 2010).

6

Das Verwaltungsgericht hat die begehrte Feststellung getroffen, die Klage auf Rückzahlung aber abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Umlage sei eine Beihilfe im Sinne des Art. 87 EG, deren Erhebung mangels Genehmigung durch die Kommission dem Durchführungsverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG unterfalle. Das Durchführungsverbot gelte unmittelbar und begründe Rechte der Wettbewerber auf Schutz vor Verstößen. Die Klägerinnen seien durch die Erhebung der Umlage in ihren Rechten verletzt, denn sie stünden hinsichtlich der Schlachtabfälle der Kategorie 3 mit dem Beklagten im Wettbewerb. Zur Rückzahlung sei der Beklagte hingegen nicht verpflichtet. Zwar müssten die nationalen Gerichte grundsätzlich einem Antrag auf Rückzahlung einer rechtswidrigen Beihilfe unter dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung stattgeben. Hier lägen jedoch außergewöhnliche Umstände vor, die eine solche Rückzahlung als nicht sachgerecht erscheinen ließen; die Rückzahlung würde die ordnungsgemäße Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben des Beklagten infrage stellen.

7

Die von den Klägerinnen eingelegten Berufungen, mit denen sie ihr Begehren um die Zahlung von Rechtswidrigkeitszinsen an die Mitglieder des Beklagten erweitert haben, und die vom Beklagten eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Hinsichtlich des Feststellungsantrags hat es sich die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen gemacht und ergänzend ausgeführt, dass die Klägerinnen sich gegen die Folgen des Verstoßes gegen Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG aus eigenem Recht wehren könnten. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei es Sache der nationalen Gerichte, die Rechte der Wettbewerber bei Verletzungen des Durchführungsverbotes zu schützen. Das Verwaltungsgericht habe die Umlage auch zutreffend als Beihilfe betrachtet. Die Voraussetzungen der Altmark-Trans-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, unter denen ausnahmsweise nicht von einer Beihilfe gesprochen werden könne, lägen nicht vor. Zwar sei die Seuchenreserve nicht zu groß bemessen. Es sei aber nicht erkennbar, dass die Umlage ausschließlich zur Bestreitung der Ausgaben für die hoheitliche Tierkörperbeseitigung diene. Sie sei daher geeignet, die Betätigung der Wettbewerber auf dem Markt der Schlachtabfälle der Kategorie 3 zu erschweren. Die Berufungen der Klägerinnen blieben ebenfalls erfolglos, weil sie weder die Rückzahlung der Umlagen noch eine Verzinsung verlangen könnten. Ein Verstoß gegen das Durchführungsverbot ziehe nicht in jedem Fall die Pflicht zur Rückzahlung nach sich. Hier sei vielmehr ein Ausnahmefall gegeben, weil die Umlagen das Marktgeschehen in den Jahren 2005 bis 2008 nicht nennenswert zugunsten des Beklagten beeinflusst hätten. Das ergebe sich auch daraus, dass der Beklagte ohne die Umlage in Zahlungsschwierigkeiten geriete, die das Land oder die Mitglieder durch anderweitige Mittel abwenden müssten. Der wirtschaftliche Effekt der Umlage würde damit auf andere Art herbeigeführt.

8

Mit der Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Rückzahlungs- und Zinszahlungsbegehren weiter. Der Beklagte wendet sich mit der Anschlussrevision gegen die von den Vorinstanzen getroffene Feststellung.

9

Die Klägerinnen pflichten den Vorinstanzen zwar darin bei, dass die Umlage auch nach Maßgabe der Altmark-Trans-Kriterien eine Beihilfe darstelle. Die Seuchenreserve sei aber überdimensioniert; Besitzer von Schlachtabfällen würden so dazu verleitet, diese nicht nach Kategorien zu trennen, weshalb dem Markt mögliches Material der Kategorie 3 vorenthalten werde. Eine Ausnahme von der Rückerstattungspflicht sei nicht anzuerkennen. Das Gemeinschaftsrecht kenne nur das schutzwürdige Vertrauen als Ausnahmetatbestand. Für eine Prüfung des Marktgeschehens sei daneben kein Raum. Das Marktgeschehen sei entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch in den streitigen Jahren erheblich beeinflusst worden. Der Beklagte könne sich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen.

10

Der Beklagte hält die Klage auf Rückzahlung schon für unzulässig, weil Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG Wettbewerbern kein subjektives Recht verschaffe. Die Verbandsumlage stelle aber auch keine Beihilfe dar. Die sogenannten Altmark-Trans-Kriterien seien erfüllt. Die Umlage diene allein der Finanzierung der durch Gebühren nicht gedeckten Kosten aus der Beseitigung von gebietseigenem Material der Kategorien 1 und 2 und bilde damit eine Gegenleistung für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe im Gemeinwohlinteresse. Dies habe er durch Änderung seiner Verbandsordnung mit Wirkung vom 1. Januar 2009 klargestellt. Die Umlage sei auch nicht für verbandsfremde Aufgaben verwendet worden. Die Vorhaltung einer Seuchenreserve, die durch die Umlage mitfinanziert werde, sei eine nicht gebührenfähige öffentliche Aufgabe; die Reserve sei auch angemessen dimensioniert. Ohnehin stehe einem Erfolg der Rückzahlungsklagen entgegen, dass vor einer abschließenden Entscheidung der Kommission keine unbedingte Rückzahlungspflicht bestehe. Außerdem könne er sich auf Vertrauensschutz berufen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet (1.), die Anschlussrevision des Beklagten hat hingegen Erfolg (2.).

12

1. Die Klägerinnen verfolgen mit ihren Revisionen ihre Begehren auf Rückzahlung der in den Jahren 2005 bis 2008 erhobenen Umlagen einschließlich zu zahlender Rechtswidrigkeitszinsen weiter. Diese Leistungsbegehren können unabhängig davon, ob es sich bei den Umlagen um Beihilfen handelt, keinen Erfolg haben, weil die Klägerinnen die den Umlagen zugrunde liegenden Bescheide nicht angefochten haben.

13

a) Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass das europäische Gemeinschaftsrecht Marktteilnehmern, die mit einem Beihilfeempfänger potenziell im Wettbewerb stehen, Ansprüche gegen den Subventionsgeber auf verzinste Rückforderung und, wenn es sich wie hier ausnahmsweise um eine vom Subventionsempfänger "erzwungene" Beihilfe handelt, auch Ansprüche gegen diesen auf verzinste Rückzahlung der Beihilfe schon bei einem Verstoß gegen formelle Anforderungen des Gemeinschaftsrechts einräumt, also ungeachtet der Frage, ob die Beihilfe später von der Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar erklärt wird. Das ergibt sich aus dem unmittelbare Wirkung entfaltenden Art. 88 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG), der für die streitigen Wirtschaftsjahre anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift ist die Kommission von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen zu unterrichten, damit sie deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt prüfen kann. Solange die abschließende Entscheidung der Kommission nicht vorliegt, darf die Beihilfe nicht ausgezahlt werden (Durchführungsverbot). Bei einer Verletzung dieses Verbots müssen die nationalen Gerichte zugunsten jener Einzelnen, die sich auf die Verletzung berufen können, sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der gewährenden Rechtsakte als auch bezüglich der Beitreibung der unter Verletzung dieser Bestimmung gewährten finanziellen Unterstützungen oder eventueller vorläufiger Maßnahmen ziehen (EuGH, Urteile vom 11. Dezember 1973 - Rs. C-120/73, Lorenz - Slg. S. 1471 und vom 21. November 1991 - Rs. C-354/90, FNCE - Slg. I-5505, 5523). Zu diesen Folgerungen gehört, dass eine entgegen dem Durchführungsverbot ausgezahlte Beihilfe zurückgezahlt werden muss, und zwar ungeachtet ihrer Vereinbarkeit mit dem Markt und unbeschadet des Rechts des Mitgliedstaats, die Beihilfe später erneut zu gewähren (EuGH, Urteile vom 21. November 1991 - Rs. FNCE - a.a.O. , vom 11. Juli 1996 - Rs. C-39/94, SFEI - Slg. I-3547 , vom 21. Oktober 2003 - Rs. C-261/01 u.a., van Calster - Slg. I-12272 , vom 5. Oktober 2006 - Rs. C-368/04, Transalpine Ölleitung - Slg. I-9957 sowie vom 12. Februar 2008 - Rs. C-199/06, CELF I - Slg. I-469, 486 ). Ferner ist das nationale Gericht nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet, dem Beihilfeempfänger aufzugeben, für die Dauer der Rechtswidrigkeit Zinsen zu zahlen, und zwar auch dann, wenn die Beihilfe von der Kommission später genehmigt wird (EuGH, Urteile vom 12. Februar 2008 - Rs. CELF I - a.a.O. und vom 11. März 2010 - Rs. C-1/09, CELF II - juris ).

14

Diese Folgerungen sind jedoch, wie der Gerichtshof stets betont, entsprechend dem nationalen Recht zu ziehen. Zwar weisen die Klägerinnen richtig darauf hin, dass Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG infolge seiner unmittelbaren Geltung die nationalen Gerichte dazu nötigt, diese Bestimmung anzuwenden, ohne dass ihr Vorschriften des nationalen Rechts entgegengehalten werden können. Die rechtstechnische Umsetzung dieser Norm richtet sich jedoch mangels einschlägiger gemeinschaftsrechtlicher Regelungen nach nationalem Recht. Das Rückzahlungsbegehren kann daher nur unter Beachtung der Verfahrensvoraussetzungen verfolgt werden, die das jeweilige nationale Recht vorsieht (EuGH, Urteile vom 11. Dezember 1973 - Lorenz - a.a.O. , vom 2. Dezember 1997 - Rs. C-188/95, Fantask -, Slg. I-6783 - und vom 12. Februar 2008 - Rs. CELF I - a.a.O. ). Diese Verfahrensvorschriften dürfen freilich für die Durchsetzung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht ungünstiger sein als für die innerstaatlichen Ursprungs (Äquivalenzgrundsatz), und sie dürfen ihre Ausübung nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (EuGH, Urteile vom 19. September 2006 - Rs. C-392/04 und C-422/04, i-24 Germany und Arcor - Slg. I-8559 = NVwZ 2006, 1277 und vom 5. Oktober 2006 - Rs. Transalpine Ölleitung - a.a.O. m.w.N.).

15

b) Ausgehend davon konnte ein Rückzahlungsanspruch der Klägerinnen nicht entstehen, weil sie es versäumt haben, die Bescheide anzugreifen, mit denen die Umlage erhoben worden ist. Es gehört zu den Anforderungen, die das deutsche Recht an das Entstehen von Ansprüchen auf Rückgewähr einer auf der Grundlage eines Verwaltungsakts gewährten Leistung stellt, dass der Verwaltungsakt - sofern er nicht nichtig ist - beseitigt wird, sei es durch die Behörde (§§ 48 f. VwVfG) oder - auf Klage hin - durch ein Gericht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Umlagebescheide bilden für die Dauer ihrer Wirksamkeit (§ 43 Abs. 2 und 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 LVwVfG Rheinland-Pfalz) einen selbständigen Rechtsgrund für die Leistung und damit das Recht, sie behalten zu dürfen (vgl. Urteil vom 19. November 2009 - BVerwG 3 C 7.09 - BVerwGE 135, 238 ).

16

Der von den Klägerinnen gesehene Verstoß gegen das Durchführungsverbot - diesen hier unterstellt - machte die Umlagebescheide nicht nichtig. Unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsakt nichtig ist, beurteilt sich mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung ebenfalls nach dem nationalen Recht. Nach § 44 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG Rheinland-Pfalz ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Davon kann hier keine Rede sein. Allein im Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht liegt, ebenso wie bei einem sonstigen Rechtsverstoß, aus sich heraus kein besonders schwerwiegender und offensichtlicher Fehler. Das ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bisher nie infrage gestellt worden (vgl. nur EuGH, Urteil vom 19. September 2006 - Rs. i-24 Germany und Arcor - a.a.O. ).

17

c) Das Erfordernis, vor einem Rückzahlungsbegehren den der Leistung zugrunde liegenden Verwaltungsakt anzufechten, erschwert die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht unzumutbar. Dass die Rechte aus Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG auch dann hinreichend effektiv durchsetzbar sind, wenn dazu binnen einer bestimmten Frist Widerspruch oder Anfechtungsklage erhoben werden muss, hat der Europäische Gerichtshof mehrfach bestätigt (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - Rs. C-312/93, Peterbroeck u.a. - Slg. I-4599 , vom 2. Dezember 1997 - Rs. Fantask - a.a.O. - und vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96 Aprile - Slg. I-7141 ). Aus dem von den Klägerinnen angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29. April 1999 (Rs. C-224/97, Ciola - Slg. I-2517) ergibt sich nichts anderes. Die dortige Entscheidung geht auf die Übergangssituation des Beitritts Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft zurück und betrifft damit eine Sonderlage, die keine Verallgemeinerung erlaubt.

18

Auch der Einwand der Klägerinnen, dass die Umlagebescheide nicht an sie gerichtet und ihnen auch nicht bekannt gegeben worden seien, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass die Umlagebescheide Verwaltungsakte sind, die die Klägerinnen - als Dritte - anfechten können und müssen. Er bewirkt allerdings, dass die Anfechtungsfrist nicht einen Monat, sondern ein Jahr beträgt und erst zu laufen beginnt, nachdem die Klägerinnen von der Existenz und vom Inhalt der Umlagebescheide sichere Kenntnis erlangt haben oder hätten erlangen müssen (vgl. Urteil vom 25. Januar 1974 - BVerwG 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294; stRspr). Diese Kenntnis mussten die Klägerinnen spätestens mit der Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge des Beklagten erlangt haben, die zu einem Großteil aus Mehrfertigungen der Umlagebescheide bestehen. Dass sie die Notwendigkeit der Anfechtung dieser Bescheide nicht erkannt haben, vermag sie nicht zu entlasten.

19

Ebenso wenig führt die Vielzahl der Umlagebescheide zur Unzumutbarkeit einer vorherigen Anfechtung. Die Klage gründet sich darauf, dass dem Beklagten von jedem seiner Mitglieder jedes Jahr aufs Neue eine unzulässige und damit zurückzuzahlende Beihilfe geleistet worden sei. Verlangen die Klägerinnen somit selbst die Rückgewähr einer Vielzahl von Beihilfen, wäre es ihnen auch zumutbar gewesen, gegen alle zugrunde liegenden Bescheide vorzugehen. Dabei wäre ihnen zugute gekommen, dass die Bescheide nicht notwendig einzeln hätten aufgeführt, sondern lediglich hinlänglich hätten bezeichnet werden müssen (vgl. § 82 Abs. 1 VwGO). Hierzu hätte genügt, sich pauschal gegen sämtliche Umlagebescheide zu wenden, die der Beklagte in bestimmten Wirtschaftsjahren erlassen hat.

20

Schließlich hätten die Klägerinnen auch nicht mehrere Prozesse nacheinander führen müssen. § 113 Abs. 4 VwGO eröffnet die Möglichkeit, die Anfechtungsklage gegen die Umlagebescheide mit der Klage auf Rückzahlung der auf deren Grundlage erhobenen Umlagebeträge zu verbinden.

21

2. Die Anschlussrevision des Beklagten ist zulässig und begründet (§ 141 Satz 1 i.V.m. § 127 VwGO). Die Feststellung, dass der Beklagte die Umlage ab dem Wirtschaftsjahr 2009 nicht ohne vorherige Genehmigung durch die Europäische Kommission erheben dürfe, verletzt Bundesrecht und europäisches Gemeinschaftsrecht.

22

Was das Wirtschaftsjahr 2009 anlangt, ist die Feststellungsklage bereits unzulässig. Eine Feststellung kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage hätte verfolgen können. Das war hier der Fall. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unwidersprochen dargelegt, dass die Umlagebescheide für das Wirtschaftsjahr 2009 im März dieses Jahres erlassen worden waren und wegen der Neufassung der Verbandsordnung vom 2. Februar 2010 nicht geändert worden sind. Damit war es den Klägerinnen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht möglich und zumutbar, auch diese Bescheide anzufechten. Es kann dahinstehen, ob die Anfechtungsklage ohne vorheriges Widerspruchsverfahren zulässig gewesen wäre und ob ein Übergang von der Feststellungs- zur Anfechtungs- und Leistungsklage im Berufungsverfahren deshalb eine ohne Weiteres sachdienliche Klageänderung gewesen wäre (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO); eine solche Klageänderung konnte jedenfalls im Revisionsverfahren nicht mehr vorgenommen werden (§ 142 Abs. 1 VwGO).

23

Hinsichtlich der Wirtschaftsjahre ab 2010 ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO zwar zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte ist nicht - wie mit den Klageanträgen zu 2 geltend gemacht - verpflichtet, die Zweckverbandsumlage künftig vor ihrer Erhebung jeweils von der Europäischen Kommission genehmigen zu lassen. In ihrer Ausgestaltung durch die Neufassung der Verbandsordnung vom 2. Februar 2010 ist die Umlage nicht als Beihilfe im Sinne des Unionsrechts anzusehen.

24

Hierfür maßgeblich ist die Begriffsbestimmung in Art. 107 Abs. 1 des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die mit Art. 87 Abs. 1 EG übereinstimmt. Danach sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Zahlungen gleich welcher Art unzulässige Beihilfen, wenn sie durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Eine staatliche Maßnahme fällt jedoch nicht unter Art. 107 Abs. 1 AEUV, soweit sie als Ausgleich anzusehen ist, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von den Unternehmen, denen sie zugute kommt, zur Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden, so dass diese Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen Vorteil erhalten und die genannte Maßnahme somit nicht bewirkt, dass sie gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbsstellung gelangen (EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003 - Rs. C-280/00, Altmark-Trans - Slg. I-7747 ). Dafür müssen eine Reihe von Voraussetzungen - die so genannten Altmark-Trans-Kriterien - erfüllt sein (ebd. ). Zu prüfen und festzustellen, ob eine staatliche Zahlung hiernach eine Beihilfe ist, sind die nationalen Gerichte befugt (EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2006 - Rs. Transalpine Ölleitung - a.a.O. und vom 11. Juli 1996 - Rs. SFEI - a.a.O. ); Anlass, den Europäischen Gerichtshof um eine weitergehende Klärung zu ersuchen, besteht nicht.

25

Gemessen an den genannten Kriterien liegt hier eine Beihilfe nicht vor; vielmehr dient die Umlage ausschließlich der Finanzierung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung (einer öffentlichen Pflichtaufgabe) des Beklagten. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass sich der vorliegende Fall schon im Ansatz deutlich von demjenigen unterscheidet, der dem Europäischen Gerichtshof Anlass zu der Vorabentscheidung vom 24. Juli 2003 in der Rechtssache Altmark-Trans gegeben hat. Dort ging es um ein privates Busunternehmen, das seine Dienstleistungen (Beförderungsleistungen) am Markt angeboten hat und dem einzelne gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt waren, welche die Art und Weise der Erbringung dieser Dienstleistungen in bestimmter Hinsicht modifizierten (Betriebspflicht, Fahrplanbindung, Beförderungspflicht, Tarifbindung). Demgegenüber geht es im vorliegenden Fall um ein öffentliches Unternehmen (kommunaler Zweckverband), das in erster Linie gemeinwirtschaftliche Pflichtaufgaben für seine Mitglieder erfüllt (die Beseitigung von gefährlichem Material der Kategorien 1 und 2) und daneben auch Dienstleistungen am Markt anbietet (Verarbeitung von frei handelbarem Material der Kategorie 3); dabei sind die gemeinwirtschaftlichen Pflichtaufgaben schon technisch klar von der sonstigen wirtschaftlichen Betätigung geschieden, und hinsichtlich dieser wirtschaftlichen Betätigung bestehen keinerlei zusätzliche gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen. Diese Unterschiede führen nicht dazu, dass die Kriterien der Altmark-Trans-Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall unanwendbar wären. Sie führen aber dazu, dass diese Kriterien teilweise völlig unproblematisch erfüllt sind, weil die Gemengelage aus Marktbetätigung und gemeinwirtschaftlicher Verpflichtung, die dem Europäischen Gerichtshof vor Augen stand und zu deren Sonderung er die vier Altmark-Trans-Kriterien entwickelt hat, von vornherein nicht gegeben ist.

26

a) Der Beklagte als begünstigtes Unternehmen ist hinsichtlich des Materials der Kategorien K 1 und K 2 mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut; seine Verpflichtungen sind in europäischen und nationalen Rechtsvorschriften klar definiert (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, a.a.O. ), so dass das erste Altmark-Trans-Kriterium erfüllt ist. Das gilt in Ansehung des gebietseigenen wie des gebietsfremden Materials (aa) und schließt die so genannte Seuchenreserve ein (bb).

27

aa) Die gemeinschaftsrechtlichen Pflichten aus Art. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (ABl Nr. L 273 S. 1), gefährliches Material der Kategorien 1 und 2 schadlos zu verarbeiten und zu beseitigen, sind in Deutschland grundsätzlich den durch das Landesrecht bestimmten Körperschaften des öffentlichen Rechts als öffentliche Pflichtaufgaben und damit als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung übertragen. Dies ergibt sich aus § 3 Abs. 1 des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (TierNebG) vom 25. Januar 2004 (BGBl I S. 82). Zwar kann die zuständige Behörde die genannte Verpflichtung gemäß § 3 Abs. 2 und 4 TierNebG unter bestimmten Voraussetzungen auch einem Privaten übertragen. Das ändert indes nichts an dem gemeinwirtschaftlichen Charakter der Verpflichtung. Von der Ermächtigung, die Pflichten zur Verarbeitung und Beseitigung unter bestimmten Voraussetzungen natürlichen oder juristischen Personen des Privatrechts zu übertragen, ist in Rheinland-Pfalz kein Gebrauch gemacht worden. Vielmehr obliegen diese Aufgaben dort kommunalen Gebietskörperschaften, nämlich den Gemeinden und Landkreisen als Pflichtaufgaben zur Selbstverwaltung (vgl. § 1 der Tierkörperbeseitigungssatzung des Beklagten vom 6. Dezember 2004). Diese haben sich aus Gründen des Gemeinwohls entschlossen, die Aufgaben in Ansehung des in ihrem Gebiet anfallenden gefährlichen Materials gemeinsam zu erfüllen, und hierzu den beklagten Zweckverband gegründet (vgl. auch § 1 des rheinland-pfälzischen Zweckverbandsgesetzes vom 22. Dezember 1982 (BS 2020-20). Ein Markt ist insofern nicht eröffnet worden.

28

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Verarbeitung und Beseitigung des gebietsfremden Materials der Kategorien 1 und 2. Insofern erfüllt der Beklagte auf ebenfalls hoheitlichem Wege eine entsprechende Pflichtaufgabe anderer Gemeinden und Landkreise, die ihm zwar nicht als Mitglied beigetreten sind, ihm aber die Erfüllung ihrer Pflichtaufgabe gleichwohl - durch Verwaltungsvertrag - übertragen haben. Dass diese Form der Aufgabenübertragung an dem gemeinwirtschaftlichen Charakter der Aufgabe nichts ändert, hat auch der Europäische Gerichtshof anerkannt (Urteil vom 9. Juni 2009 - Rs. C-480/06, Stadtreinigung Hamburg - NVwZ 2009, 898).

29

bb) Die (gemeinwirtschaftliche) Verpflichtung zur schadlosen Verarbeitung und Beseitigung gefährlichen Materials schließt die Pflicht zur Vorhaltung ausreichender Beseitigungskapazitäten ein. Die Bemessung dieser Kapazitäten hat sich im Interesse einer effektiven Aufgabenerfüllung nicht nur am Normalbetrieb zu orientieren, sondern muss durch außergewöhnliche Lagen bedingte Spitzenlasten einrechnen. Die Vorhaltung von Reservekapazitäten in Form einer so genannten Seuchenreserve für Fälle des Ausbruchs übertragbarer Krankheiten wie Maul- und Klauenseuche oder Schweinepest ist daher vom gesetzlichen Auftrag der Tierkörperbeseitigung umfasst.

30

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob die vorgehaltene Seuchenreserve größer ist als erforderlich. Selbst wenn das der Fall wäre, änderte sich nichts daran, dass der Beklagte die Reserve zum Zwecke der Erfüllung seiner gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung vorhielte. Anderes könnte nur angenommen werden, wenn die Kapazitäten außerhalb von Spitzenbelastungszeiten nicht ungenutzt blieben, sondern für andere Zwecke eingesetzt, etwa in den Dienst der wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten im Bereich des Materials der Kategorie 3 gestellt werden könnten. Dies haben die Klägerinnen aber nicht geltend gemacht; davon geht auch die Europäische Kommission nicht aus, auf die sich die Klägerinnen beziehen und die insofern selbst von "ungenutzten" Kapazitäten spricht (Aufforderung zur Stellungnahme vom 20. Juli 2010, a.a.O. ). Für eine zweckwidrige Nutzung der Reservekapazitäten ist auch nichts ersichtlich.

31

Zu Unrecht betrachtet die Europäische Kommission die Finanzierung einer zu großen Seuchenreserve gleichwohl als Beihilfe (Aufforderung zur Stellungnahme, a.a.O. ). Dafür ist die Prämisse maßgeblich, dass die Erzeuger und Besitzer von Schlachtabfällen nach dem Verursacherprinzip die Kosten der schadlosen Beseitigung auch des gefährlichen Materials grundsätzlich selbst tragen müssten. Die Kommission hält mit anderen Worten die Erhebung kostendeckender Preise oder - wenn die Beseitigung wie in Deutschland auf hoheitliche Weise geschieht - die Erhebung kostendeckender Gebühren für geboten und sieht in der Vorhaltung steuerfinanzierter Reservekapazitäten eine Ausnahme, die auf das unbedingt Erforderliche begrenzt werden müsse. Das liegt neben der Sache. Zwar mag die Finanzierung von Kapazitäten zur schadlosen Beseitigung von Tierabfällen aus öffentlichen Haushaltsmitteln die anderenfalls kostenbelasteten Besitzer von Tierabfällen entlasten und insofern als eine Beihilfe erscheinen (vgl. EuGH, Urteil vom 20. November 2003 - Rs. C-126/01, GEMO SA - Slg. I-13769 ). Jedoch kann eine solche Entlastungswirkung von vornherein nur von der Finanzierung der Beseitigungskapazitäten im benötigten Umfang - gegebenenfalls unter Einschluss einer unabdingbaren Seuchenreserve - ausgehen, keinesfalls aber von der Finanzierung gar nicht benötigter Überkapazitäten. Gerade die Kosten von Überkapazitäten könnten über Marktpreise auch nach dem Verursacherprinzip nicht auf Kunden abgewälzt werden. Dabei sei noch davon abgesehen, dass insofern allenfalls eine Beihilfe zugunsten der Erzeuger und Besitzer von Tierabfällen vor Augen steht, nicht aber zugunsten des hoheitlich eintretenden Beseitigungspflichtigen.

32

b) Nach dem zweiten Altmark-Trans-Kriterium müssen die Parameter, anhand derer der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt sein, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt (EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, a.a.O. ).

33

Dieses Kriterium hat der Beklagte jedenfalls ab dem Wirtschaftsjahr 2010 erfüllt. Der Beklagte hat den Einwänden der Vorinstanzen Rechnung getragen und seine Verbandsordnung am 2. Februar 2010 geändert. Diese Änderung erfolgte vor Erlass der Umlagebescheide für das Jahr 2010, die - wie in den Vorjahren - erst im März ergangen sind. Durch die Änderung der Verbandsordnung ist klargestellt, dass die umstrittene Umlage ausschließlich der Finanzierung der durch Gebühren ungedeckten Kosten aus der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung des Beklagten dient. Der Umlagetatbestand schließt es aus, in die Umlage auch Kosten aus der Verarbeitung des frei handelbaren Materials der Kategorie 3 einzurechnen, und genügt schon damit dem Gebot der objektiven und transparenten Berechnungsgrundlage. Zusätzlich hat der Beklagte sogar die Kosten aus der schadlosen Beseitigung des gebietsfremden Materials der Kategorien 1 und 2 noch ausgespart (vgl. § 9 Abs. 2 der Verbandsordnung), was gegenüber seinen diesbezüglichen Auftraggebern - den gebietsfremden Kommunen - angezeigt erscheint, im Verhältnis zu den Klägerinnen aber nicht geboten gewesen wäre.

34

c) Weiter darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken. Nur bei Einhaltung dieser Voraussetzung ist gewährleistet, dass dem betreffenden Unternehmen kein Vorteil gewährt wird, der dadurch, dass er die Wettbewerbsstellung dieses Unternehmens stärkt, den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht (EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, a.a.O. ).

35

Es steht nach der Satzungsänderung fest, dass die Umlage nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die durch Gebühreneinnahmen nicht gedeckten Kosten der schadlosen Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 - zudem nur des gebietseigenen Materials - zu bestreiten. Wie oben dargetan, ist es auch in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Beklagte zu große Kapazitäten für diese Beseitigungspflicht vorhält. Es ist allein Sache seiner Mitglieder, ob sie Überkapazitäten zu finanzieren bereit sind oder auf deren Abbau drängen, um ihre Umlagepflicht zu reduzieren.

36

Die Klägerinnen berufen sich auch insofern auf die Europäische Kommission, die die von ihr angenommenen Überkapazitäten für "unrentabel" hält (Aufforderung zur Stellungnahme vom 20. Juli 2010, a.a.O. ) und meint, es sei nicht akzeptabel, dass "Verluste" aus einer "betriebswirtschaftlichen Fehlentscheidung" nachträglich durch öffentliche Mittel ausgeglichen würden (ebd. ). Dies verkennt, dass die Entscheidung über die Dimensionierung der Beseitigungskapazitäten einschließlich der Reserve für den Seuchenfall gerade keine betriebswirtschaftliche Entscheidung darstellt, die nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Rentabilität getroffen werden müsste. Die Frage der wirtschaftlichen Rentabilität stellt sich schon deshalb nicht, weil die Kosten für die Seuchenreserve eben nicht durch am Markt erzielbare Preise aufgebracht werden können, sondern durch Erhebung einer Umlage - also einer öffentlich-rechtlichen Abgabe - bei den Zweckverbandsmitgliedern gedeckt werden müssen. Eine Überdimensionierung der Seuchenreserve hat demzufolge keinen Einfluss auf die Gebührengestaltung des Beklagten in Ansehung der Beseitigung von Material der Kategorien 1 und 2 und schon gar keinen Einfluss auf die Preisgestaltung bei der Verarbeitung von Material der Kategorie 3. Selbstverständlich kann sich eine Überdimensionierung der Seuchenreserve als "unwirtschaftlich" erweisen, weil die Kosten für diese Reservekapazität außer Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit des großflächigen Ausbruchs einer Tierseuche stehen. Dies betrifft aber nur die Frage, ob die Entscheidung über die Dimensionierung der Seuchenreserve angesichts der damit verbundenen Belastung der öffentlichen Haushalte politisch verantwortet werden kann; in diesem Sinne steht der Einsatz öffentlicher Haushaltsmittel unter dem allgemeinen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Grundsätze betriebswirtschaftlicher Rentabilität können in diesem Zusammenhang aber keine strikte Beachtung verlangen.

37

d) Schließlich verlangt der Europäische Gerichtshof in seiner Altmark-Trans-Entscheidung, dass dann, wenn die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, nicht im Rahmen eines Vergabeverfahrens erfolgt, die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt werden, die ein durchschnittliches, gut geführtes und angemessen ausgestattetes Unternehmen bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, a.a.O. ).

38

Dieses vierte Kriterium der Altmark-Trans-Rechtsprechung kann im vorliegenden Rahmen keine Berücksichtigung finden. Es unterstellt, dass die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung, deren (Mehr-)Kosten ausgeglichen werden dürfen, durch ein privates Unternehmen und damit in einer Gemengelage gemein- und marktwirtschaftlicher Betätigung erfüllt werden könnte. Die schadlose Beseitigung des Materials der Kategorien 1 und 2 im Gebiet der Mitgliedskommunen des Beklagten steht dem Markt jedoch nicht offen. Sie ist, wie oben dargetan, im deutschen Recht als hoheitliche Pflichtaufgabe ausgestaltet. Daher dient die Umlage nicht dem Ausgleich von Mehrkosten aus der Übernahme einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung im Rahmen einer im Übrigen marktwirtschaftlichen Betätigung, sondern der Finanzierung der hoheitlichen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe außerhalb des Marktes.

39

Die Öffnung eines Marktes ist auch nicht erzwingbar. Daher führt der Vortrag der Klägerinnen, den sich die Kommission im Prüfverfahren vorläufig zu eigen gemacht hat, nicht weiter, ihnen sei die Erfüllung der Beseitigungsaufgabe im Bereich des Materials der Kategorien 1 und 2 ohne Qualitätsabstriche zu geringeren Kosten möglich. Es obliegt der - politisch zu verantwortenden - Entscheidung der zuständigen öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften, ob sie ihre öffentlichen Pflichtaufgaben hoheitlich und damit unter Ausschluss des Marktes erfüllen oder ob sie hierfür einen Markt eröffnen. Eine öffentliche Stelle darf ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben auch nach dem europäischen Gemeinschaftsrecht mit ihren eigenen Mitteln und auch im Zusammenwirken mit anderen öffentlichen Stellen erfüllen, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören (EuGH, Urteil vom 9. Juni 2009 - Rs. Stadtreinigung Hamburg - a.a.O. ). Das gilt hier auch mit Blick auf die Beseitigung gebietsfremden Materials der Kategorien 1 und 2, das nach der freien Entscheidung der zuständigen öffentlich-rechtlichen Beseitigungspflichtigen aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung ohne Beteiligung Privater vom Beklagten mit erledigt wird.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 136/09 Verkündet am:
10. Februar 2011
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Flughafen Frankfurt-Hahn
AEUV Art. 108 Abs. 3 Satz 3; BGB § 823 Abs. 2 Bf, L; UWG § 4 Nr. 11, § 11

a) Das beihilferechtliche Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist zugunsten der Wettbewerber
des Beihilfeempfängers Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.

b) Nimmt ein Wettbewerber den Beihilfegeber erfolgreich auf Rückforderung einer unter Verstoß gegen
das Durchführungsverbot gewährten Beihilfe in Anspruch, so kann es dem Beihilfeempfänger versagt
sein, sich auf eine inzwischen eingetretene Verjährung des Rückforderungsanspruchs zu berufen,
wenn der Beihilfegeber aufgrund des von dem Wettbewerber erwirkten Urteils die Rückzahlung der
Beihilfe begehrt.

c) Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

d) Kann die Rückforderung einer unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot gewährten Beihilfe nicht
nur nach allgemeinem Deliktsrecht, sondern auch wettbewerbsrechtlich begründet werden, findet die
kurze Verjährung des § 11 UWG auf die Abwehr- und Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 2
BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV keine Anwendung.
BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 - I ZR 136/09 - OLG Koblenz
LG Bad Kreuznach
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25. Februar 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


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Die Beklagte betreibt den Verkehrsflughafen Frankfurt-Hahn. Gesellschafter der Beklagten sind zu 65% die Fraport AG und zu jeweils 17,5% die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen. An der börsennotierten Fraport AG sind mehrheitlich die Bundesrepublik Deutschland, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt beteiligt. Entgegen ursprünglichen Prognosen führte der Betrieb des Flughafens Frankfurt-Hahn auch über das Jahr 2006 hinaus zu jährlichen Verlusten der Beklagten in Höhe von mehreren Millionen Euro, die bislang aufgrund von Ergebnisabführungsverträgen die Fraport AG trug.
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Ein ganz wesentlicher Teil des Passagieraufkommens auf dem Flughafen Frankfurt-Hahn entfällt auf die Ryanair Ltd. Aufgrund der Entgeltordnungen der Beklagten von 2001 und 2006 hatte Ryanair je Passagier ein Entgelt zu zahlen, das sich ab einer Gesamtpassagierzahl von drei Millionen ermäßigte. Ryanair wurden weder Start-, Lande- und Anflugentgelte noch ein Entgelt für die Nutzung der zentralen Infrastruktureinrichtung berechnet, weil ausschließlich Flugzeuge genutzt wurden, die entsprechende Ermäßigungstatbestände der Entgeltordnung erfüllten. Die Beklagte gewährte Ryanair zudem jährliche Zahlungen als "Marketing-Support".
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Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 eröffnete die EU-Kommission ein förmliches Prüfverfahren zu möglichen staatlichen Beihilfen zugunsten der Beklagten und Ryanair (ABl EU 2009 Nr. C 12 S. 6).
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Die Klägerin, die Deutsche Lufthansa AG, hat behauptet, Ryanair habe ein zu niedriges Entgelt zu zahlen, das zwangsläufig zu Verlusten der Beklagten führe. Der "Marketing-Support" werde ohne nennenswerte Gegenleistung gewährt. Es sei auf Dauer nicht absehbar, dass die Beklagte Gewinne erzielen werde. Die Klägerin ist der Ansicht, dass deshalb unzulässige staatliche Beihilfen an Ryanair vorlägen. Im Hinblick darauf macht die Klägerin Ansprüche unmittelbar aus einem Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV, aus dieser Vorschrift in Verbindung mit § 823 Abs. 2, § 1004 BGB sowie aus § 33 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GWB in Verbindung mit europäischem Kartellrecht und §§ 19, 20 GWB geltend.
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Die Klägerin hat die Beklagte im Wege der Stufenklage in Anspruch genommen. Sie hat zuletzt von der Beklagten begehrt, Auskunft über die an Ryanair in den Jahren 2002 bis 2005 geleistete "Marketingförderung" in Form von Einmalzahlungen für neu eingerichtete Strecken sowie von Ermäßigungen der Flughafenentgelte zu erteilen und diese Beihilfen (hilfsweise: Marketingförderung) in einer nach Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Höhe zurückzufordern.
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Außerdem hat sie beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Beihilfen aus der Reduzierung von Flughafenentgelten (hilfsweise: nicht erhobene Flughafenentgelte) in Höhe von 2,679 Mio. € für das Jahr 2003 zurückzufordern und es zu unterlassen, in Zukunft staatliche Beihilfen (insbesondere in Form der Start- und Landeentgelte für Passagierflüge nach der Entgeltordnung von 2006) an die Ryanair Ltd. zu gewähren, ohne dass diese zuvor nach Art. 88 Abs. 3 EG (jetzt Art. 108 Abs. 3 AEUV) - bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften angemeldet und - von dieser genehmigt wurden.
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Für den Fall, dass der Unterlassungsantrag keinen Erfolg hat, hat die Klägerin zwei Hilfsanträge gestellt, in denen sie ihren Anspruch konkret auf Vergünstigungen nach der Entgeltordnung 2006 beschränkt (erster Hilfsantrag) und die beanstandeten Leistungen nicht als Beihilfe, sondern als Begünstigung bezeichnet hat (zweiter Hilfsantrag).
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben (OLG Koblenz, OLG-Rep 2009, 491). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:


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A. Das Berufungsgericht hat die Klage für zulässig, aber unbegründet gehalten. Der Klägerin stünden die geltend gemachten Ansprüche weder unmittelbar aus dem Durchführungsverbot (jetzt Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) zu noch aus §§ 242, 823 Abs. 2, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV. Bei den genannten beihilferechtlichen Vorschriften handele es sich insbesondere nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Auch liege kein Verstoß gegen Kartellrecht vor. Ein solcher setze voraus, dass eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt werde. Eine solche komme der Beklagten angesichts der in Reichweite befindlichen Flughäfen in Frankfurt und Köln aber nicht zu. Zudem habe die Klägerin den Flughafen Hahn zu den gleichen Konditionen wie Ryanair nutzen können.
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B. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Klage im Wesentlichen zu Recht bejaht.
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Soweit die Klägerin die Unterlassung der Gewährung "staatlicher Beihilfen" begehrt (Antrag zu 5), ist ihr Antrag allerdings nicht hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Gebrauch eines allgemeinen Begriffs kann zwar genügen, wenn im Einzelfall über seinen Sinngehalt kein Zweifel besteht. Anders liegt es aber dann, wenn die Bedeutung von Begriffen oder Bezeichnungen zwischen den Parteien streitig ist. In solchen Fällen würden, wenn Sinngehalt und Bedeutung der verwendeten Begriffe offenbleiben, Inhalt und Umfang des begehrten bzw. des erkannten Verbots nicht eindeutig feststehen (BGH, Urteil vom 9. April 1992 - I ZR 171/90, GRUR 1992, 561 - Unbestimmter Unterlassungsantrag II; Urteil vom 4. Oktober 2007 - I ZR 143/04, GRUR 2008, 84 Rn. 13 = WRP 2008, 98 - Versandkosten). Das ist vorliegend der Fall, da die Beklagte der Auffassung ist, dass ihre beanstandeten Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen sind. Die Unbestimmtheit des Klageantrags ist im Revisionsverfahren auch von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 11. Mai 2000 - I ZR 28/98, BGHZ 144, 255, 263 - Abgasemissionen).
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Der Antrag enthält allerdings als Minus die konkret beanstandete Verletzungsform (BGH, Urteil vom 30. April 2008 - I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 36 = WRP 2008, 1104 - Internet-Versteigerung III, mwN). Die Klägerin hat den Antrag durch Bezugnahme auf die "Start- und Landeentgelte für Passagierflüge nach der Entgeltordnung von 2006" hinreichend konkretisiert. Art und Umfang der von der Klägerin insoweit beanstandeten Begünstigung von Ryanair lassen sich der Entgeltordnung konkret entnehmen.
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II. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet, weil sich die Klägerin weder unmittelbar noch in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB auf Art. 107, 108 AEUV als Anspruchsgrundlage stützen könne und ihr auch keine kartellrechtlichen Ansprüche zustünden. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen lässt sich jedenfalls ein deliktsrechtlicher Anspruch der Klägerin (§ 823 Abs. 2 BGB, § 1004 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) nicht ausschließen. Unter diesen Umständen bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob auch die Art. 107, 108 AEUV Ansprüche von Wettbewerbern gegen vermeintliche Beihilfegeber unmittelbar begründen können.
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1. Das Berufungsgericht hat angenommen, das beihilferechtliche Durchführungsverbot sei kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Es sei nicht dazu bestimmt, dem Wettbewerber des Beihilfeempfängers ein subjektives Recht gegenüber dem Beihilfegeber zu vermitteln, sondern bezwecke allein den objektiven Schutz des Binnenmarktes. Zwar seien durch die Beihilfe auch die Interessen des Wettbewerbers betroffen; das genüge aber nicht für die Annahme eines Schutzgesetzes. Für den Wettbewerber reiche es aus, ein Verletzungsverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des Vertrags; ABl. 1999 Nr. L 83, S. 1 - nachfolgend: VO 659/99 - bei der Europäischen Kommission einleiten zu können. Gemäß Art. 14 Abs. 1 VO 659/99 müsse die Kommission nach einer Negativentscheidung anordnen, dass der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe nach Maßgabe seines nationalen Rechts - in Deutschland: §§ 134, 812 BGB - zurückzufordern habe. Das Unionsrecht verlange jedoch nicht, Wettbewerbern zusätzlich ein Recht zur unmittelbaren Durchsetzung der Rückforderung gegenüber Beihilfegeber oder Beihilfeempfänger zu gewähren. Dem unionsrechtlichen Effizienzgebot werde zudem dadurch Rechnung getragen, dass nach Art. 11 VO 659/99 die Beihilfemaßnahme ausgesetzt oder eine einstweilige Rückforderung angeordnet werden könne. Außerdem gelte es, widersprüchliche Entscheidungen zwischen dem nationalen Gericht und der Europäischen Kommission zu vermeiden; letztere habe nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abschließend darüber zu entscheiden, ob eine staatliche Beihilfe vorliege und ob diese gegebenenfalls mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Schließlich folge weder daraus, dass der Bundesgerichtshof Art. 108 Abs. 3 AEUV als Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB anerkannt habe, noch aus der unmittelbaren Anwendbarkeit des Durchführungsverbots dessen Eigenschaft als Schutzgesetz.
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2. Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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a) Als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB kommt auch unmittelbar anwendbares Unionsrecht in Betracht (Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 823 Rn. 56a mwN; für Art. 101 AEUV BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - KZR 23/96, GRUR 1999, 276, 277 = WRP 1999, 101 - Depotkosmetik). Anders als das Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV, dessen Anwendung der Kommission vorbehalten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 21. November 1991 - C-354/90, Slg. 1991, I-5505 = NJW 1993, 49 Rn. 8 f. - FNCE), hat das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV unmittelbare Geltung. Es begründet Rechte der Einzelnen, die von den nationalen Gerichten zu beachten sind. Von dieser unmittelbaren Verbotswirkung betroffen ist jede Beihilfemaßnahme, die durchgeführt wird, ohne dass sie der Kommission angezeigt worden ist (EuGH, Urteil vom 12. Dezember 1973 - C-120/73, Slg. 1973, 1471 Rn. 7 f. - Lorenz, mwN).
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b) Eine Rechtsnorm ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes und damit darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt hat. Dafür genügt , dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Kreis der Schutzgesetze nicht zu sehr erweitert werden. Es reicht deshalb nicht aus, dass der Individualschutz als Reflex einer Befolgung der Norm objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Für die Beurteilung, ob einer Vorschrift Schutzgesetzcharakter zukommt, ist in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs der Norm auch zu prüfen, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB zu knüpfen (BGH, Urteil vom 18. November 2003 - VI ZR 385/02, NJW 2004, 356, 357; Urteil vom 16. März 2004 - VI ZR 105/03, NJW 2004, 1949 mwN; Urteil vom 28. März 2006 - VI ZR 50/05, NJW 2006, 2110, 2112 mwN).
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Die Vorschrift des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV erfüllt diese Voraussetzungen (vgl. Steindorff, Festschrift Mestmäcker, 1996, S. 510; Koenig, BB 2000, 573, 577; Tilmann/Schreibauer, GRUR 2002, 212, 221; Schmidt-Kötters in Heidenhain, Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, 2003, § 58 Rn. 30; Pütz, Das Beihilfeverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag, 2003, S. 227; Blume, Staatliche Beihilfen in der EG, 2004, S. 165; Gundel, EWS 2008, 161, 165; von Brevern/Gießelmann, EWS 2008, 470, 471; Martin-Ehlers/Strohmayr, EuZW 2008, 745, 748; Palandt/Sprau aaO § 823 Rn. 61; aA OLG München, GRUR 2004, 169, 170). Die Beihilferegeln der Union richten sich nach ihrem Wortlaut zwar nur an die Mitgliedstaaten. Das Durchführungsverbot hat nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aber gerade die Funktion, die Interessen derjenigen zu schützen, die von der Wettbewerbsverzerrung betroffen sind, die durch die Gewährung der - schon allein wegen Verletzung des Durchführungsverbots - rechtswidrigen Beihilfe hervorgerufen wurde (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2006 - C-368/04, Slg. 2006, I-9957 = EuZW 2006, 65 Rn. 46 - Transalpine Ölleitung, mwN; Urteil vom 12. Februar 2008 - C-199/06, Slg. 2008, I-469 = EuZW 2008, 145 Rn. 38 - CELF I; vgl. Cremer in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl., § 88 EGV Rn. 12, 26; v. Wallenberg in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 88 EGV Rn. 101 (Stand: Januar 2000). Es soll verhindern, dass durch unangemeldete Beihilfen Benachteiligungen im Wettbewerb entstehen, die sanktionslos bleiben (vgl. SchmidtKötters in Heidenhain aaO).

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Die Gerichte der Mitgliedstaaten haben die Rechte der Einzelnen gegen eine Verletzung des Durchführungsverbots zu schützen (EuGH, Urteil vom 16. Dezember 1992 - C-144/91, Slg. 1992, I-6613 Rn. 26 - Demoor; Urteil vom 11. Juli 1996 - C-39/94, Slg. 1996, I-3547 = EuZW 1996, 564 Rn. 44 - SFEI). In einem Vorabentscheidungsverfahren, dem eine auf einen Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV gestützte Konkurrentenklage zugrunde lag, hat der Gerichtshof dementsprechend das nationale Gericht für verpflichtet gehalten , einen Schutz gegen die Auswirkungen der rechtswidrigen Durchführung von Beihilfen sicherzustellen (EuGH, EuZW 1996, 564 Rn. 67 - SFEI). Dafür ist nicht Voraussetzung, dass die Kommission die Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt festgestellt hat (vgl. EuGH, Slg. 1992, I-6613 Rn. 26 f. - Demoor).
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Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV eine die Wettbewerber des Beihilfeempfängers individuell schützende Funktion zu (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2003 - V ZR 314/02, EuZW 2003, 444, 445; Urteil vom 20. Januar 2004 - XI ZR 53/03, EuZW 2004, 252, 253; Urteil vom 5. Juli 2007 - IX ZR 256/06, BGHZ 173, 129 Rn. 34; so auch zur Klagebefugnis im Verwaltungsgerichtsprozess OVG Koblenz, EuZW 2010, 274, 275).
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c) Einer Anerkennung des Art. 108 Abs. 3 AEUV als Schutzgesetz lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine entsprechende Anspruchsgrundlage im nationalen Recht voraussetzt. Die nationalen Gerichte sind verpflichtet, entsprechend ihrem nationalen Recht aus einer Verletzung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV sämtliche Folgerungen sowohl bezüglich der Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch bezüglich der Rückforderung der finanziellen Unterstützungen zu ziehen, die unter Verletzung dieser Bestimmung gewährt wurden (EuGH, EuZW 2008, 145 Rn. 41 - CELF I, mwN). Sie müssen grundsätzlich einer Klage auf Rückzahlung von unter Verstoß gegen diese Vorschrift gezahlten Beihilfen stattgeben (vgl. insbesondere EuGH, EuZW 1996, 564 Rn. 70 - SFEI; EuZW 2008, 145 Rn. 39 - CELF I). Jede andere Auslegung würde die Missachtung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV durch den betreffenden Mitgliedstaat begünstigen und der Vorschrift ihre praktische Wirksamkeit nehmen (vgl. EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 16 - FNCE; EuZW 2008, 145 Rn. 40 - CELF I).
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Soweit der Gerichtshof ausführt, die Erstattung der Beihilfe habe unter Beachtung der innerstaatlichen Verfahrensvorschriften bzw. entsprechend dem nationalen Recht zu erfolgen (EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 12 - FNCE; EuZW 1996, 564 Rn. 68 - SFEI), bedeutet dies allein, dass das Unionsrecht keine Vorschriften über die verfahrensrechtliche Durchsetzung des Rückforderungsrechts enthält. Das ändert indes nichts an der unionsrechtlichen Verpflichtung der mitgliedstaatlichen Gerichte, ihr nationales Recht unionsrechtskonform in einer Weise anzuwenden, die auch den Konkurrenten des Beihilfeempfängers ermöglicht , den wegen einer Verletzung des Durchführungsverbots bestehenden Rückzahlungsanspruch durchzusetzen (vgl. Brandtner/Beranger/Lessenich, EStAL 2010, 23, 25). Die dafür erforderliche Vorschrift stellt das deutsche Recht mit § 823 Abs. 2 BGB, im Übrigen aber auch mit der Vorschrift des § 4 Nr. 11 UWG bereit.
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d) Das Ergebnis, das beihilferechtliche Durchführungsverbot als Schutzgesetz anzuwenden, wird durch den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz bestätigt. Danach dürfen die Mitgliedstaaten die Ausübung der Rechte, die das Unionsrecht den von einer Wettbewerbsverzerrung betroffenen Unternehmen bei Verstößen gegen das Durchführungsverbot gewährt, weder praktisch un- möglich machen noch übermäßig erschweren (vgl. EuGH, EuZW 2006, 65 Rn. 44 f. - Transalpine Ölleitung, mwN; Sutter, EuZW 2006, 729, 730; siehe auch Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, ABl. EU 2009 Nr. C 85, 5.1, Rn. 22).
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Zwar ist es allein Aufgabe der Kommission, gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach Art. 107 AEUV festzustellen (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 - C-261/01, Slg. 2003, I-12249 = EuZW 2004, 87 Rn. 75 - van Calster, mwN). Im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot obliegt es aber den nationalen Gerichten, den Begriff der Beihilfe auszulegen, solange die Kommission keine verfahrensabschließende Entscheidung nach Art. 108 Abs. 2 AEUV getroffen hat (vgl. EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 10 - FNCE).
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Nach Unionsrecht müssen die in den Schutzzweck des Durchführungsverbots einbezogenen Wettbewerber des Beihilfeempfängers zur Einleitung einer solchen Prüfung befugt sein. Andernfalls wäre im Hinblick auf die beihilfetypische Interessenlage der Beteiligten der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz verletzt, weil Verstöße gegen Art. 108 Abs. 2 AEUV regelmäßig sanktionslos blieben. Denn die Kommission darf nicht schon deshalb eine abschließende Rückforderungsentscheidung erlassen, weil die Beihilfe unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV gewährt wurde (EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1990 - C-301/87, Slg. 1990, I-307 = EuZW 1990, 164 Rn. 19 f. - Boussac). Auch Beihilfeempfänger , Beihilfegeber und von der Beihilfe nicht betroffene Wirtschaftsteilnehmer haben in der Regel kein eigenes Interesse, über die Einhaltung des Durchführungsverbots zu wachen. Demgegenüber können die wirtschaftlichen Interessen von Wettbewerbern schwer beeinträchtigt werden, wenn sie sich am Markt gegen Beihilfeempfänger behaupten müssen. Es werden so- mit in erster Linie Wettbewerber bereit sein, das Verbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV durchzusetzen (vgl. Soltész, EuZW 2001, 202, 204; Lampert, EWS 2001, 357). Damit wäre es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zu vereinbaren, die Eigenschaft als Schutzgesetz mit der Begründung abzulehnen , dass das Durchführungsverbot nicht ausdrücklich die Wettbewerber schützt.
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e) Die Anerkennung des Durchführungsverbots als Schutzgesetz kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, den Konkurrenten des Beihilfeempfängers seien bereits anderweitig ausreichende Rechtsschutzmöglichkeiten eingeräumt (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1994 - II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 374). Die den Wettbewerbern durch Art. 20 VO 659/99 gewährten Rechte gewährleisten keinen den Anforderungen des Gerichtshofs der Europäischen Union entsprechenden Schutz gegen eine Verletzung des Durchführungsverbots.
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Gegenstand des förmlichen Beihilfeprüfverfahrens der Kommission ist die materielle Beurteilung, ob es sich bei der fraglichen Maßnahme überhaupt um eine Beihilfe handelt und ob diese gegebenenfalls mit dem Binnenmarkt vereinbar ist (vgl. Art. 7 VO 659/99). Der unzulässige Wettbewerbsvorteil, der - unabhängig von dem Ergebnis der materiellen Beurteilung - schon in der Nutzung einer nicht genehmigten Beihilfe liegt, wird von der Kommission regelmäßig nicht abgeschöpft. Die Anordnung einer vorläufigen Aussetzung der Beihilfe nach Art. 11 Abs. 1 VO 659/99 beseitigt die in der Vergangenheit durch Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV erlangten Vorteile nicht. Zwar sieht Art. 11 Abs. 2 VO 659/99 die Möglichkeit einer vorläufigen Rückforderung von Beihilfen vor. Sie ist aber an enge Voraussetzungen gebunden und nur zulässig, wenn der Beihilfecharakter der Maßnahme nach geltender Praxis eindeutig und ein Tätigwerden dringend geboten ist; zudem muss ein erheblicher und nicht wiedergutzumachender Schaden für einen Konkurrenten ernsthaft zu befürchten sein. Damit ist dem Konkurrenten auf Unionsebene bei Verletzung des Durchführungsverbots kein subjektives Recht gewährt, das den Anforderungen des Gerichtshofs der Europäischen Union genügt und den auf §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB oder auch auf §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1, § 9 UWG gestützten Ansprüchen auf Beseitigung, Unterlassung oder Schadenersatz entspricht.
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f) Auch eine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen der deutschen Gerichte und der Kommission steht einer Einordnung des Durchführungsverbots als Schutzgesetz nicht entgegen.
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Liegt tatsächlich eine nicht angemeldete Beihilfe vor, ist die Rückforderungsentscheidung unabhängig davon rechtmäßig, ob die Kommission später die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt feststellt. Grundsätzlich denkbar ist allerdings eine unterschiedliche Beurteilung des Beihilfecharakters einer Maßnahme durch die nationalen Gerichte und die Kommission. Verneint das Gericht eine Beihilfe, wird sie aber später von der Kommission bejaht, so ist eine Rückforderungsentscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zu Unrecht unterblieben. Im umgekehrten Fall - das nationale Gericht nimmt eine Beihilfe an, die Kommission verneint sie später - wäre eine rechtswidrige Rückforderungsentscheidung ergangen. Diese Möglichkeiten unterschiedlicher Beurteilung sind allerdings Folge der Aufgabenverteilung, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten und der Kommission besteht (vgl. EuGH, EuZW 2006, 65 Rn. 37 f. - Transalpine Ölleitung), und die deshalb grundsätzlich hinzunehmen ist. Die Gerichte können zudem die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen mindern, indem sie eine Stellungnahme der Kommission zu Fragen über die Anwendung der Beihilfevorschriften einholen (vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, aaO Rn. 89 ff.). Diese Stellungnahme bindet das Gericht selbstverständlich nicht. Sie gibt aber Aufschluss über die Haltung, die die Kommission zu der Beihilfefrage einnimmt, und macht damit gegebenenfalls das Risiko widersprüchlicher Entscheidungen deutlich.
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Im Übrigen wird davon auszugehen sein, dass die Gefahr einer unterschiedlichen Beurteilung des Beihilfecharakters nur in ernsthaft zweifelhaften Fällen bestehen wird. In einem solchen Fall kann der mögliche Beihilfegeber die Maßnahme von sich aus oder auf Veranlassung des möglichen Beihilfeempfängers vorsorglich anmelden, um schon im Vorprüfverfahren die Feststellung der Kommission zu erhalten, dass es sich um keine Beihilfe handelt (vgl. Art. 4 Abs. 2 VO 659/99).
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g) Rechtssystematische Gründe sprechen ebenfalls für eine Anerkennung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV als Schutzgesetz (vgl. Tilmann/ Schreibauer, GRUR 2002, 212, 221).
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Das Beihilferecht ist Teil des Wettbewerbsrechts der Union. Die Art. 107, 108 AEUV dienen dazu, staatliche Wettbewerbsverfälschungen durch Beihilfen abzuwehren. Sie finden sich unmittelbar nach den gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch Unternehmen gerichteten Art. 101, 102 AEUV in den Wettbewerbsregeln im Titel VII Kapitel 1 des Vertrags. Die Wettbewerbsregeln dienen insgesamt dazu, das System unverfälschten Wettbewerbs zu konkretisieren , das notwendiges Element des Binnenmarkts der Union ist (vgl. früher Art. 3 Buchst. g EG und nunmehr Art. 2 AEUV in Verbindung mit dem Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb). An der Verbindlichkeit des Wettbewerbsprinzips für die Union hat sich nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nichts geändert (vgl. Behrens, EuZW 2008, 193).
34
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Art. 101, 102 AEUV Schutzgesetze. Ansprüche wegen der Verletzung dieser Vorschriften durch Wettbewerbsbeschränkungen von Unternehmen konnten bis zur Einbeziehung der Art. 101, 102 AEUV in die spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage des § 33 Abs. 1 GWB auf § 823 Abs. 2 BGB gestützt werden (vgl. BGH, GRUR 1999, 276, 277 - Depotkosmetik). Danach spricht viel dafür, dass auch der gegen staatliche Eingriffe in den Wettbewerb gerichtete und als unmittelbar anwendbares Verbot ausgestaltete Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV Schutzgesetz ist. Aus der Sicht der von der Wettbewerbsverfälschung betroffenen Unternehmen besteht in beiden Fällen kein Unterschied.
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h) Es ist nicht zu befürchten, dass durch die Anerkennung des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV als Schutzgesetz der Kreis der Schutzgesetze in bedenklicher Weise erweitert wird. Sie führt vielmehr nur zu einer Gleichstellung dieser unmittelbar anwendbaren Norm des unionsrechtlichen Beihilferechts mit den unmittelbar geltenden Vorschriften des Kartellrechts der Union. Damit ist eine erweiterte Anerkennung von Schutzgesetzen außerhalb der Wettbewerbsvorschriften der Union weder verbunden noch angelegt.
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Ebenso wenig sind unübersehbare Haftungsfolgen zu befürchten. Die wirtschaftlichen Wirkungen einer Beihilfe auf Wettbewerber werden für Beihilfegeber wie Beihilfeempfänger regelmäßig ebenso absehbar sein wie der Kreis gegebenenfalls klagebefugter Konkurrenten.
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i) Die Klägerin gehört im Streitfall zu dem durch § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV geschützten Personenkreis. Sie fliegt die Flughäfen Frankfurt/Main sowie Köln/Bonn an, die im Einzugsbereich des Flughafens Frankfurt-Hahn liegen. Sie gehört damit als Wettbewerberin von Ryanair zum Kreis der von der - hier zu unterstellenden - Beihilfe Betroffenen (aA OLG Brandenburg, Urteil vom 21. Juli 2009 - Kart U 1/07, juris Rn. 109 f.). Es kommt unter diesen Umständen nicht mehr darauf an, ob sich die Klägerin auch für eine Nutzung des Flughafens der Beklagten interessiert.
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3. Die Abweisung der Klage erweist sich nach den bisherigen Feststellungen auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend.
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a) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass Rückforderungsansprüche gegen Ryanair für die Jahre 2002 bis 2005 verjährt seien und nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden könnten.
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aa) Der etwaige Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen Ryanair beruht auf einer Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) und verjährt daher nach § 195 BGB. Der Vertrag, auf dessen Grundlage eine Beihilfe unter Verletzung des beihilferechtlichen Durchführungsverbots (Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) gewährt wird, verstößt gegen ein gesetzliches Verbot und ist daher nach § 134 BGB nichtig (BGH, EuZW 2004, 252, 253; BGHZ 173, 129 Rn. 34 ff.).
41
bb) Es ist davon auszugehen, dass die dreijährige Verjährungsfrist für die mit der Klage verfolgten, die Jahre 2002 bis 2005 betreffenden (etwaigen) Rückforderungsansprüche der Beklagten gegenüber Ryanair bereits abgelaufen ist. Der Beginn der regelmäßigen Verjährung bestimmt sich nach § 199 Abs. 1 BGB. Ein Gläubiger, der einen Bereicherungsanspruch verfolgt, hat Kenntnis von den Umständen, die diesen Anspruch begründen, wenn er von der Leistung und von den Tatsachen weiß, aus denen das Fehlen des Rechtsgrundes folgt. Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger auch den Schluss auf die Unwirksamkeit des Vertrags und das Fehlen des Rechtsgrunds gezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 26).

42
Danach begann die Verjährung regelmäßig schon mit der Auszahlung der Beihilfe. Verjährungsunterbrechende Handlungen der Beklagten gegenüber Ryanair sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Verjährungsfrist für etwaige Rückforderungsansprüche der Beklagten aus bis Ende 2005 gewährten Beihilfen wäre somit spätestens Ende 2008 abgelaufen.
43
cc) Ryanair ist es aber nach § 242 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV versagt, sich auf eine zwischenzeitlich eingetretene Verjährung des Rückforderungsanspruchs zu berufen. Das folgt aus dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz.
44
Die nationalen Gerichte sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verpflichtet, sämtliche Folgerungen bezüglich der Rückforderung der finanziellen Unterstützungen, die unter Verletzung des Durchführungsverbots gewährt wurden, zu ziehen (EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 12 - FNCE; EuZW 2006, 65 Rn. 47 - Transalpine Ölleitung; EuZW 2008, 145 Rn. 41 - CELF I). Jede andere Auslegung würde die Missachtung dieser Vorschrift durch den betreffenden Mitgliedstaat begünstigen und ihr die praktische Wirksamkeit nehmen (EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 16 - FNCE; EuZW 2008, 145 Rn. 40 - CELF I). Dabei darf die Ausübung der von der Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte durch die nationalen Gerichte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (Effektivitätsgrundsatz; vgl. EuGH, EuZW 2006, 65 Rn. 45 - Transalpine Ölleitung, mwN). Dem widerspräche es, wenn im Hinblick auf den Rückforderungsanspruch kurze nationale Verjährungsfristen eingreifen würden. Denn die beihilfegewährenden Stellen können möglicherweise erst durch ein rechtskräftiges Urteil zur Rückforderung angehalten werden (vgl. EuGH, Urteil vom 20. März 1997 - C-24/95, Slg. 1997, I-1591 = NJW 1998, 47 Rn. 37 - Alcan). Ein solches Urteil wird sich häufig nicht innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) erstreiten lassen.
45
Diese Situation unterscheidet sich maßgeblich von dem Fall, in dem ein Wirtschaftsteilnehmer nicht weiß, ob die zuständige Behörde Rückforderung verlangen wird, und in dem die Rechtssicherheit verlangt, dass diese Ungewissheit nach Ablauf einer bestimmten Frist beendet wird (vgl. EuGH, NJW 1998, 47 Rn. 35 - Alcan). Denn Ryanair hätte sich als sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer darüber informieren müssen, ob die Zuwendungen, deren Charakter als Beihilfen hier zu unterstellen ist, bei der Kommission angemeldet und genehmigt worden waren.
46
Andererseits folgt aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit , dass es auch im Hinblick auf die effiziente Durchsetzung des Beihilferechts nicht geboten ist, Beihilfeempfänger zeitlich unbegrenzt aufgrund von gegen die Beihilfegeber gerichteten Konkurrentenklagen in Anspruch nehmen zu können. Es ist deshalb zu verlangen, dass die Klage auf Rückforderung gegen den Beihilfegeber innerhalb der Verjährungsfrist erhoben und vom Kläger nicht verzögert wird. Ist dies der Fall, muss dem Beihilfegeber nach Rechtskraft des ihn zur Rückforderung verpflichtenden Urteils eine angemessene Frist eingeräumt werden, die Rückforderungsklage gegen den Beihilfeempfänger zu erheben. Dabei könnte eine analoge Anwendung der Dreimonatsfrist in § 204 Abs. 1 Nr. 12 BGB in Betracht kommen. Erfolgt die Klage danach rechtzeitig, ist es dem Beihilfeempfänger nach § 242 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV versagt, sich auf eine zwischenzeitlich eingetretene Verjährung des Rückforderungsanspruchs zu berufen.
47
Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht ersichtlich, dass die möglichen Rückforderungsansprüche der Beklagten gegen Ryanair nach diesen Grundsätzen verjährt sein könnten.
48
b) Der Beseitigungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist ebenfalls nicht verjährt.
49
aa) Die Verjährungsfrist für den auf §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV gestützten Beseitigungsanspruch beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Die kurze Verjährung des § 11 UWG findet keine Anwendung.
50
(1) Allerdings kann die Klägerin, wenn ihr ein deliktsrechtlicher Beseitigungsanspruch zusteht, ihre Klage auch auf eine unlautere geschäftliche Handlung der Beklagten stützen (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV).
51
(a) Die Klägerin ist als Wettbewerberin von Ryanair aktivlegitimiert im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Bei der Förderung fremden Wettbewerbs, die hier in Rede steht, kommt es auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten und dem benachteiligten Unternehmen an (BGH, Urteil vom 20. Februar 1997 - I ZR 12/95, GRUR 1997, 907, 908 = WRP 1997, 843 - EmilGrünbär -Club, mwN).
52
(b) Die von der Klägerin beanstandeten Leistungen und Zahlungen zugunsten von Ryanair sind "geschäftliche Handlungen" nach § 2 Nr. 1 UWG 2008. Sie hängen objektiv mit Abschluss und Durchführung der Vereinbarung zwischen Ryanair und der Beklagten über die Benutzung des Flughafens der Beklagten zusammen.

53
(c) Das beihilferechtliche Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Steindorff, Festschrift Mestmäcker, 1996, S. 497, 510; Koenig/Kühling/ Ritter, EG-Beihilfenrecht, 2. Aufl., Rn. 431; Nordmann, Die negative Konkurrentenklage im EG-Beihilferecht vor europäischen und deutschen Gerichten, 2002, S. 229; Pütz, Das Beihilfeverbot des Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag, 2003, S. 225, 227; Haslinger, WRP 2007, 1412, 1417; ebenso österr. OGH, Entscheidung vom 19. Januar 2010 - 4 Ob 154/09i; aA OLG München, GRUR 2004, 169, 170; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 UWG Rn. 13.59; MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rn. 65; Teplitzky, WRP 2003, 173, 180 f.; Mees, Festschrift Erdmann, 2002, S. 657, 666 f.). Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt, die im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Eigenschaft als Schutzgesetz wiedergegeben worden ist (s. Rn. 19), hat Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV jedenfalls auch die Funktion, gleiche Voraussetzungen für die auf einem Markt tätigen Wettbewerber zu schaffen. Dem Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist ferner eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion eigen, weil es die im Binnenmarkt tätigen Unternehmen gerade vor Wettbewerbsverfälschungen schützen soll. Die Voraussetzung des Marktbezugs ist im Streitfall ebenfalls erfüllt. Denn die (angebliche) Beihilfe wird über ein am Markt auftretendes öffentliches Unternehmen gewährt. Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Tätigkeit als Flughafenbetreiber den Vertrag mit Ryanair abgeschlossen , mit dem sie - wie hier zu unterstellen ist - Beihilfen gewährte.
54
(2) Im Fall eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV bestehen die wettbewerbs- und deliktsrechtlichen Ansprüche auch nebeneinander. Das Beihilferecht der Union enthält keine abschließende Regelung der zivilrechtlichen Ansprüche, die Mitbewerber bei einem sol- chen Verstoß geltend machen können (anders zum Verhältnis von Ansprüchen nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und nach § 4 Nr. 11 UWG BGH, Urteil vom 7. Februar 2006 - KZR 33/04, BGHZ 166, 154 Rn. 13 - Probeabonnement). Es verweist dafür vielmehr auf das Recht der Mitgliedstaaten.
55
(3) Die für den wettbewerbsrechtlichen Anspruch geltende kurze Verjährung des § 11 UWG findet auf den deliktsrechtlichen Beseitigungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV aber keine Anwendung.
56
(a) Erfüllt ein Wettbewerbsverhalten zugleich einen Tatbestand des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und die Voraussetzungen der §§ 823, 824 oder 826 BGB, unterliegt grundsätzlich jeder der sich daraus ergebenden Ansprüche der für ihn geltenden besonderen Verjährung. Insbesondere schließen die lauterkeitsrechtlichen Vorschriften die Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechts nicht schlechthin als Spezialgesetze aus, wenn eine geschäftliche Handlung vorliegt. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob eine der Bestimmungen als erschöpfende und deshalb die anderen ausschließende Regelung der jeweiligen Teilfrage anzusehen ist, was auch für die Verjährung gilt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1984 - I ZR 195/81, GRUR 1984, 820, 822 f. = WRP 1984, 678 - Intermarkt II, mwN). Aus dem Umstand allein, dass ein Verhalten gegen Vorschriften des Lauterkeitsrechts verstößt, ist nicht zu schließen, dass Art und Maß der sich daran anknüpfenden Haftung in jedem Fall dort abschließend geregelt sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 1961 - I ZR 152/59, BGHZ 36, 252, 255 - Gründerbildnis).
57
(b) Für die Verjährung von Schadens-, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen wegen eines Verstoßes gegen das beihilferechtliche Durchfüh- rungsverbot gilt nicht ausschließlich die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 11 UWG. Ist die verletzte Norm sowohl ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB als auch eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, ist darauf abzustellen, ob der Schwerpunkt des Unrechtsgehalts der verletzten Norm im Lauterkeitsrecht liegt. Nur wenn dies der Fall ist, gilt die kurze Verjährungsfrist des § 11 UWG (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 11 Rn. 1.9). Der Schwerpunkt des hier in Rede stehenden Verstoßes liegt außerhalb des Lauterkeitsrechts.
58
Hierfür spricht bereits, dass sich die Unlauterkeit im Streitfall unter dem Aspekt des Rechtsbruchs (§ 4 Nr. 11 UWG) aus einer Verletzung unmittelbar anwendbaren Unionsrechts ergibt. § 823 Abs. 2 BGB ist im Streitfall nicht allein deshalb anwendbar, weil eine lauterkeitsrechtliche Vorschrift zugleich Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1959 - I ZR 56/57, GRUR 1959, 31, 34 = WRP 1958, 307 - Feuerzeug als Werbegeschenk , mwN). Das Durchführungsverbot hat gegenüber dem Lauterkeitsrecht auch keinen nur lückenausfüllenden Charakter (vgl. BGHZ 36, 252, 257 - Gründerbildnis; BGH, Urteil vom 28. September 1973 - I ZR 136/71, GRUR 1974, 99, 100 = WRP 1974, 30 - Brünova). Der Unrechtsgehalt eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot besteht vielmehr schon nach Unionsrecht unabhängig von einer Verletzung des deutschen Lauterkeitsrechts. Er ergibt sich aus dem Unterlaufen der Beihilfekontrolle durch die Kommission und der daraus folgenden Beeinträchtigung unverfälschten Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb schützt dagegen allein die Lauterkeit des Wettbewerbs in Deutschland. Es gibt somit keinen Grund, bei einer Verletzung des Durchführungsverbots Ersatz- und Beseitigungspflichtige durch Anwendung der kurzen Verjährung des § 11 UWG zu privilegieren. Die lauterkeitsrechtliche Haftung eröffnet dem Verletzten nur eine zusätzliche Anspruchsgrundlage, ohne seine Möglichkeiten zur Durchsetzung des deliktsrechtlichen Anspruchs zu beschränken.
59
bb) Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB ist im Streitfall nicht abgelaufen. Die Klage ist am 24. November 2006 erhoben worden. Soweit sich die Klägerin gegen in den Jahren 2003 bis 2006 gewährte mögliche Beihilfen wendet, können die eventuellen deliktsrechtlichen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nicht verjährt sein (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB). Aber auch soweit mögliche Beihilfen des Jahres 2002 Gegenstand der Klage sind, ist eine Verjährung nicht ersichtlich. Die Klägerin hat vorgetragen, wesentliche klagebegründende Informationen dem Jahresabschluss 2002 der Beklagten entnommen zu haben. Es ist ausgeschlossen, dass ihr dieser Jahresabschluss noch im Jahre 2002 vorgelegen hat. Die Beklagte hat auch nicht geltend gemacht, dass die Klägerin schon 2002 die für den Beginn der Verjährung erforderliche Kenntnis erlangt hatte. Bei Kenntniserlangung im Jahr 2003 ist die Verjährung aber erst Ende 2006 abgelaufen (§ 199 Abs. 1 BGB).
60
4. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist somit aufzuheben. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann jedenfalls ein deliktsrechtlicher Anspruch der Klägerin (§§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV) nicht ausgeschlossen werden, der zur Begründung aller Klageanträge - im Fall des Auskunftsantrags in Verbindung mit § 242 BGB - in Betracht kommt.
61
III. Die Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 und 3 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Die bisherigen Feststellungen reichen nicht aus, um einen Verstoß gegen das Durchführungsverbot zu bejahen oder zu verneinen.
62
1. Das Durchführungsverbot gilt nur für Beihilfemaßnahmen. Ob es verletzt worden ist, hängt somit davon ab, ob Ryanair von der Beklagten Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erhalten hat. Im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot obliegt es den nationalen Gerichten, den Begriff der Beihilfe auszulegen, solange die Kommission keine verfahrensabschließende Entscheidung nach Art. 108 Abs. 2 AEUV getroffen hat (vgl. EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 10 - FNCE).
63
Die Kommission hat zwar bereits im Juni 2008 ein Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV zu möglichen staatlichen Beihilfen zugunsten der Beklagten und Ryanair eingeleitet. Eine Entscheidung der Kommission liegt aber noch nicht vor.
64
2. Das Berufungsgericht hat - wie schon das Landgericht - keine ausreichenden Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme von Beihilfen getroffen. Das gilt insbesondere für das erste Tatbestandsmerkmal einer Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV, die Frage der staatlichen Zurechenbarkeit (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Mai 2002 - C-482/99, Slg. 2002, I-4397 = NVwZ 2003, 461 Rn. 51 - Stardust Marine).
65
a) Das Berufungsgericht ist im Hinweisbeschluss vom 23. Januar 2008 davon ausgegangen, dass es an einer staatlichen Kontrolle der Mittel fehle. Insbesondere sei der Vorstand der Fraport AG nicht weisungsgebunden und im paritätisch besetzten Aufsichtsrat entfielen nur sechs von 20 Mitgliedern auf die öffentlich-rechtlichen Gesellschafter. Die Revisionserwiderung macht geltend, dass im fakultativen Aufsichtsrat der Beklagten die Vertreter der Fraport AG die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigten.
66
Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Zuwendungen - um sie dem Staat als Beihilfemaßnahme zuzurechnen - zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden müssen. Zum anderen darf sich die Zurechnung nicht allein darauf stützen, dass die Zuwendung von einem öffentlichen Unternehmen gewährt worden ist; erforderlich ist vielmehr, dass die bestehenden Kontrollmöglichkeiten der öffentlichen Hand auch tatsächlich ausgeübt wurden (EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 50 ff. - Stardust Marine). Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen könnte lediglich die erste der beiden Voraussetzungen bejaht werden.
67
b) Im Streitfall stammen die von der Klägerin behaupteten Vergünstigungen entweder von der Beklagten selbst oder - mittels des Ergebnisabführungsvertrags - von der Fraport AG. Staatlich sind diese Mittel, wenn der Staat in der Lage ist, durch Ausübung eines beherrschenden Einflusses auf diese Unternehmen ihre Verwendung zu steuern (EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 38 - Stardust Marine). Nach Art. 2 Buchst. b Ziff. i der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen ("Transparenz -Richtlinie"; ABl. EU 2006 Nr. L 318, S. 19) wird vermutet, dass ein beherrschender Einfluss unter anderem dann ausgeübt wird, wenn die öffentliche Hand unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt. Das trifft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sowohl auf die Beklagte als auch auf die Fraport AG zu. Die TransparenzRichtlinie kann auch zur Bestimmung der Staatlichkeit von Mitteln im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV herangezogen werden (vgl. EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 34 - Stardust Marine). Die Möglichkeit zur Bestellung von Mitgliedern des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans, die das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung in Zweifel gezogen haben, ist hingegen nicht Vorausset- zung für die Staatlichkeit von Mitteln. Sie wird in Art. 2 Buchst. b Ziff. iii der Transparenz-Richtlinie lediglich als alternativer Grund für die Vermutung genannt.
68
c) Die Zurechenbarkeit einer Beihilfemaßnahme an den Staat verlangt außerdem, dass die Behörde in irgendeiner Weise am Erlass dieser Maßnahme beteiligt war (EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 52 - Stardust Marine). Insoweit kann allerdings nicht der Nachweis verlangt werden, dass die Behörde das öffentliche Unternehmen konkret veranlasst hat, die fraglichen Beihilfemaßnahmen zu treffen. Die Zurechenbarkeit der Maßnahme eines öffentlichen Unternehmens an den Staat ist vielmehr aus einem Komplex von Indizien abzuleiten, die sich aus den Umständen des konkreten Falles und aus dem Zusammenhang ergeben , in dem diese Maßnahme ergangen ist. Insoweit ist unter anderem zu berücksichtigen , ob die fragliche Einrichtung die beanstandete Entscheidung nicht treffen konnte, ohne den Anforderungen der öffentlichen Stellen Rechnung zu tragen. Außerdem ist gegebenenfalls etwa von Bedeutung die Eingliederung des öffentlichen Unternehmens in die Strukturen der öffentlichen Verwaltung, die Art seiner Tätigkeit, die Intensität der behördlichen Aufsicht über die Unternehmensführung und jedes andere Indiz, das im konkreten Fall für oder gegen eine Beteiligung der Behörden an der Entscheidung über die Maßnahme spricht (vgl. zum Ganzen EuGH, NVwZ 2003, 461 Rn. 53 ff. - Stardust Marine). Dazu mangelt es bislang an Feststellungen.
69
3. Dem Senat fehlt deshalb die erforderliche tatsächliche Grundlage für die rechtliche Beurteilung, ob die Maßnahmen der Beklagten gegenüber Ryanair Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen.
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C. Für die neue Verhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:
71
I. Der Unterlassungsantrag (Antrag zu 5) geht im Hauptantrag und im ersten Hilfsantrag zu weit, da das Verbot nur nach Anmeldung der Beihilfe bei der Kommission und deren Genehmigung entfallen soll. Die Beihilfe gilt als genehmigt , wenn die Kommission nach vollständiger Anmeldung zwei Monate nicht reagiert und der Mitgliedstaat dann der Kommission die Durchführung der beabsichtigten Maßnahme anzeigt (EuGH, Slg. 1973, 1471 Rn. 4 - Lorenz; EuZW 1996, 564 Rn. 38 - SFEI; Art. 4 Abs. 6 VO (EG) Nr. 659/1999).
72
Hinsichtlich des zweiten Hilfsantrags zu Antrag zu 5 wird gegebenenfalls zu prüfen sein, ob das darin verwendete Verb "zu begünstigen" vor dem Hintergrund des Streits der Parteien um den Beihilfecharakter der von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen als hinreichend bestimmt anzusehen ist.
73
II. Das Berufungsgericht hat zudem Gelegenheit, die weiteren Darlegungen in seinem Hinweisbeschluss vom 23. Januar 2008 im Hinblick auf die Ausführungen im Schreiben der Europäischen Kommission vom 17. Juni 2008 zu überprüfen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass es an der für den Begriff der Beihilfe erforderlichen Selektivität der Maßnahme fehlt, wenn alle auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen durch die Maßnahme begünstigt werden (Mederer in von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum EU-/EGVertrag , 6. Aufl., Art. 87 EG Rn. 43; v. Wallenberg in Grabitz/Hilf aaO Art. 87 EGV Rn. 53 (Stand: September 2004); Koenig/Kühling/Ritter aaO Rn. 180).
74
Ebenso ist zu beachten, dass die im Rahmen des Privatinvestorenvergleichs ("Private-Investor-Test") erhobene Behauptung einer längerfristigen Rentabilitätsstrategie in erster Linie durch einen entsprechenden Geschäftsplan auf der Grundlage der beim Vertragsabschluss verfügbaren Erkenntnisse belegt werden kann (vgl. Mitteilung der Kommission über gemeinschaftliche Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihil- fen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen, ABl. EU 2005 Nr. C 312 S. 1, Rn. 51).
75
III. Die Entscheidung über die Rückforderung der Beihilfen ist nicht deshalb auszusetzen, weil bislang kein abschließender Beschluss der Kommission gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV vorliegt. Die nationalen Gerichte haben die Maßnahmen anzuordnen, die geeignet sind, die Rechtswidrigkeit der Durchführung der Beihilfen zu beseitigen, damit der Empfänger in der bis zur Entscheidung der Kommission noch verbleibenden Zeit nicht weiterhin frei über sie verfügen kann. Eine Aussetzung der Entscheidung liefe darauf hinaus, dass der Vorteil der Beihilfe während des Zeitraums des Durchführungsverbots aufrechterhalten bliebe, was mit dem Ziel des Art. 108 Abs. 3 AEUV unvereinbar wäre und dieser Bestimmung ihre praktische Wirksamkeit nähme (EuGH, Urteil vom 11. März 2010 - C-1/09, EuZW 2010, 587 Rn. 30 f. - CELF II).
76
Sollte die Kommission eine Positiventscheidung nach Art. 6 Abs. 3 VO 659/1999 erlassen, also die gegenüber Ryanair getroffenen Maßnahmen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklären, hat dies im Übrigen nicht die Heilung der unter Verstoß gegen das Verbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV vorgenommenen Durchführungsmaßnahmen zur Folge (EuGH, NJW 1993, 49 Rn. 16 - FNCE). Das Unionsrecht verlangt in diesem Fall zwar nicht, die Rückzahlung der gesamten rechtswidrigen Beihilfe anzuordnen. Das nationale Gericht ist aber verpflichtet, dem Beihilfeempfänger für die Dauer der Rechtswidrigkeit aufzugeben, angemessene Zinsen zu zahlen (EuGH, EuZW 2008, 145 Rn. 45 bis 52 - CELF I).
77
IV. Falls das Berufungsgericht den Beihilfecharakter der Ryanair eingeräumten Konditionen verneinen sollte, dürften sich die Ansprüche der Klägerin nach den bislang getroffenen Feststellungen auch nicht auf Kartellrecht stützen lassen.
78
1. Allerdings reichen diese Feststellungen nicht aus, eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten, die Voraussetzung für Ansprüche aus § 33 GWB in Verbindung mit Art. 102 AEUV oder § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 GWB wäre , schon mit der Begründung des Berufungsgerichts abzulehnen.
79
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine marktbeherrschende Stellung fehle angesichts der in Reichweite liegenden Flughäfen Frankfurt/Main und Köln/Bonn. Zwar lässt die Annahme, den Flughafen Frankfurt-Hahn nutzende Passagiere betrachteten jedenfalls diese Flughäfen als Alternative, keinen Rechtsfehler erkennen. Sie findet in den räumlichen Gegebenheiten und dem Umstand, dass der Flughafen Frankfurt-Hahn jedenfalls überwiegend von Urlaubs- und Freizeitreisenden genutzt wird, eine ausreichende Grundlage. Das Berufungsgericht hat aber nicht beachtet, dass es aufgrund der festgestellten gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zwischen der Beklagten und dem Flughafen Frankfurt/Main über die Fraport AG naheliegt, von einer wirtschaftlichen Einheit zwischen diesen Unternehmen auszugehen. Dann könnten die Marktanteile der Flughäfen Frankfurt/Main und Frankfurt-Hahn zusammenzurechnen sein (vgl. zu § 36 Abs. 2 GWB, der für das gesamte Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gilt, BGH, Urteil vom 23. Juni 2009 - KZR 21/08, WRP 2009, 1402 Rn. 15 - Entega I). Für die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung käme es in diesem Fall darauf an, welchen Marktanteil der Flughafen Köln/Bonn hat und ob - wie vom Berufungsgericht erwogen, aber offengelassen - auch die Flughäfen in Zweibrücken, Luxemburg, Dortmund und Düsseldorf in den relevanten Markt einzubeziehen sind.
80
b) Sollte zwischenzeitlich die gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen den Flughäfen Frankfurt-Hahn und Frankfurt/Main beendet worden sein, hätte die Beklagte ihre marktbeherrschende Stellung und damit auch ihre Eigenschaft als Normadressat der §§ 19, 20 GWB und Art. 102 AEUV verloren, so dass die für den kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr entfallen wäre.
81
Die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse wäre dagegen ohne Bedeutung für den Rückforderungsanspruch und den ihn vorbereitenden Auskunftsanspruch. Bei dem Rückforderungsanspruch handelt es sich um einen Beseitigungsanspruch. Anders als der Schadensersatzanspruch, der auf den Ausgleich des aus einem rechtswidrigen Eingriff entstandenen Schadens gerichtet ist, zielt der Beseitigungsanspruch darauf ab, den bereits erfolgten, fortdauernden Eingriff selbst und damit die Störungsquelle für die Zukunft abzustellen (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 8 UWG Rn. 1.73). So verhält es sich hier. Die behaupteten Beihilfen, die Gegenstand des Rückforderungsbegehrens sind, stellen unmittelbar den Eingriff in die geschützten Interessen der Klägerin als Mitbewerberin dar. Sie sind kein Schaden, der erst Folge eines solchen Eingriffs ist. Der mit den angeblichen Beihilfen verbundene Eingriff soll mit dem Rückforderungsverlangen für die Zukunft beseitigt werden.
82
Der Beseitigungsanspruch gleicht durch seine Ausrichtung auf die Zukunft zwar dem auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichteten Unterlassungsanspruch. Für den Beseitigungsanspruch ist jedoch keine Begehungsgefahr erforderlich; materielle Anspruchsvoraussetzung ist vielmehr allein der fortdauernde Störungszustand. An der Rechtswidrigkeit der schon eingetretenen und noch fortwirkenden Beeinträchtigung hätte sich durch den Wegfall der Normadressateneigenschaft der Beklagten nichts geändert.
83
2. Das Berufungsgericht hat aber weiter angenommen, es liege offensichtlich auch keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung vor, weil die Klägerin unbestritten den Flughafen Frankfurt-Hahn zu den gleichen Konditionen wie Ryanair nutzen könne; die Klägerin habe ihre Behauptung , es sei nur Ryanair möglich, auf dem Flughafen Frankfurt-Hahn hohe Passagiervolumen zu generieren, nicht mit Tatsachen unterlegt. Trifft dies zu, fehlt es sowohl an einer Diskriminierung als auch an einer unbilligen Behinderung der Klägerin. Die Ryanair angeblich gewährten Beihilfen beeinträchtigten dann allenfalls die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Flughäfen (vgl. § 19 Abs. 4 Nr. 1 und 2 GWB). Auf § 33 GWB kann sich die Klägerin aber nur stützen , soweit sie durch die beanstandete Verhaltensweise selbst im Wettbewerb beeinträchtigt und deshalb Betroffene im Sinne dieser Norm ist.

84
5. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass das Berufungsgericht die Kommission um Auskunft darüber ersuchen kann, wann mit einer Entscheidung über die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt zu rechnen ist (vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte Rn. 89 f.).
Bornkamm RiBGH Pokrant ist in Büscher Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Bornkamm Schaffert Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 16.05.2007 - 2 O 441/06 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 25.02.2009 - 4 U 759/07 -

(1) Die Klage ist zu richten

1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde,
2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.

(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.

(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der ärztliche Leiter muss in dem medizinischen Versorgungszentrum selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein; er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei. Sind in einem medizinischen Versorgungszentrum Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, tätig, ist auch eine kooperative Leitung möglich. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).

(1a) Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Absatz 2 Satz 3, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 sind jedoch nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt; ein Fachbezug besteht auch für die mit Dialyseleistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen im Rahmen einer umfassenden Versorgung der Dialysepatienten. Die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums ist nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. Die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die am 1. Januar 2012 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von der Trägerschaft und der Rechtsform des medizinischen Versorgungszentrums unverändert fort; die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 gegründet wurden und am 10. Mai 2019 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von ihrem Versorgungsangebot unverändert fort. Für die Gründung von medizinischen Versorgungszentren durch Kommunen findet § 105 Absatz 5 Satz 1 bis 4 keine Anwendung.

(1b) Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:

1.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet,
2.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.
Der Zulassungsausschuss ermittelt den jeweils geltenden Versorgungsanteil auf Grundlage des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades und des Standes der vertragszahnärztlichen Versorgung. Hierzu haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen umfassende und vergleichbare Übersichten zum allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad und zum Stand der vertragszahnärztlichen Versorgung am 31. Dezember eines jeden Jahres zu erstellen. Die Übersichten sind bis zum 30. Juni des jeweils folgenden Jahres zu erstellen und in geeigneter Weise in den amtlichen Mitteilungsblättern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu veröffentlichen. Die Sätze 1 bis 6 gelten auch für die Erweiterung bestehender zahnärztlicher medizinischer Versorgungszentren eines Krankenhauses.

(2) Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister (Arztregister) nachweist. Die Arztregister werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen für jeden Zulassungsbezirk geführt. Die Eintragung in ein Arztregister erfolgt auf Antrag

1.
nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a für Vertragsärzte und nach § 95c für Psychotherapeuten,
2.
nach Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit für Vertragszahnärzte.
Das Nähere regeln die Zulassungsverordnungen. Um die Zulassung kann sich ein medizinisches Versorgungszentrum bewerben, dessen Ärzte in das Arztregister nach Satz 3 eingetragen sind. Für die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist außerdem Voraussetzung, dass die Gesellschafter entweder selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheitsleistungen nach § 232 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen das medizinische Versorgungszentrum aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit abgeben; dies gilt auch für Forderungen, die erst nach Auflösung des medizinischen Versorgungszentrums fällig werden. Die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 erfüllt sind; Absatz 9b gilt entsprechend. Anträge auf Zulassung eines Arztes und auf Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums sowie auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum sind abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 angeordnet sind oder der Zulassung oder der Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen. Abweichend von Satz 9 ist einem Antrag trotz einer nach § 103 Absatz 1 Satz 2 angeordneten Zulassungsbeschränkung stattzugeben, wenn mit der Zulassung oder Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Für die in den medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte gilt § 135 entsprechend.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung bewirkt, daß der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist. Die Zulassung des medizinischen Versorgungszentrums bewirkt, dass die in dem Versorgungszentrum angestellten Ärzte Mitglieder der für den Vertragsarztsitz des Versorgungszentrums zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sind und dass das zugelassene medizinische Versorgungszentrum insoweit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind verbindlich. Die Einhaltung der sich aus den Sätzen 1 und 2 ergebenden Versorgungsaufträge sind von der Kassenärztlichen Vereinigung bundeseinheitlich, insbesondere anhand der abgerechneten Fälle und anhand der Gebührenordnungspositionen mit den Angaben für den zur ärztlichen Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand nach § 87 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz, zu prüfen. Die Ergebnisse sowie eine Übersicht über die gegebenenfalls getroffenen Maßnahmen sind den Landes- und Zulassungsausschüssen sowie der für die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zuständigen Aufsichtsbehörde jeweils zum 30. Juni des Jahres zu übermitteln.

(4) Die Ermächtigung bewirkt, daß der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für sie verbindlich. Die Absätze 5 bis 7, § 75 Abs. 2 und § 81 Abs. 5 gelten entsprechend.

(5) Die Zulassung ruht auf Beschluß des Zulassungsausschusses, wenn der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht ausübt, ihre Aufnahme aber in angemessener Frist zu erwarten ist, oder auf Antrag eines Vertragsarztes, der in den hauptamtlichen Vorstand nach § 79 Abs. 1 gewählt worden ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann bei vollem Versorgungsauftrag das Ruhen der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschlossen werden; bei einem drei Viertel Versorgungsauftrag kann das Ruhen eines Viertels der Zulassung beschlossen werden.

(6) Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Der Zulassungsausschuss kann in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung derHälfteoder eines Viertels der Zulassung beschließen. Einem medizinischen Versorgungszentrum ist die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1a Satz 1 bis 3 länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen. Die Gründereigenschaft nach Absatz 1a Satz 1 bleibt auch für die angestellten Ärzte bestehen, die auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum verzichtet haben, solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind und Gesellschafter des medizinischen Versorgungszentrums sind. Die Gründungsvoraussetzung nach Absatz 1a Satz 1 liegt weiterhin vor, sofern angestellte Ärzte die Gesellschafteranteile der Ärzte nach Absatz 1a Satz 1 oder der Ärzte nach Satz 4 übernehmen und solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind; die Übernahme von Gesellschafteranteilen durch angestellte Ärzte ist jederzeit möglich. Medizinischen Versorgungszentren, die unter den in Absatz 1a Satz 4 erster Halbsatz geregelten Bestandsschutz fallen, ist die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 6 zweiter Halbsatz in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung seit mehr als sechs Monaten nicht mehr vorliegen oder das medizinische Versorgungszentrum gegenüber dem Zulassungsausschuss nicht bis zum 30. Juni 2012 nachweist, dass die ärztliche Leitung den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 3 entspricht.

(7) Die Zulassung endet, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, mit dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes. Die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums endet mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, der Auflösung, dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes.

(8) (weggefallen)

(9) Der Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind und der Anstellung keine Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen; hiervon abweichend ist eine Anstellungsgenehmigung trotz einer angeordneten Zulassungsbeschränkung zu erteilen, wenn mit der Anstellung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Sind Zulassungsbeschränkungen angeordnet, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 erfüllt sein müssen. Das Nähere zu der Anstellung von Ärzten bei Vertragsärzten bestimmen die Zulassungsverordnungen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(9a) Der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die von einer Hochschule mindestens halbtags als angestellte oder beamtete Hochschullehrer für Allgemeinmedizin oder als deren wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden und in das Arztregister eingetragen sind, unabhängig von Zulassungsbeschränkungen anstellen. Bei der Ermittlung des Versorgungsgrades in einem Planungsbereich sind diese angestellten Ärzte nicht mitzurechnen.

(9b) Eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, einem halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 3a, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung.

(10) (weggefallen)

(11) (weggefallen)

(11a) (weggefallen)

(11b) (weggefallen)

(12) (weggefallen)

(13) In Zulassungssachen der Psychotherapeuten und der überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (§ 101 Abs. 3 Satz 1) treten abweichend von § 96 Abs. 2 Satz 1 und § 97 Abs. 2 Satz 1 an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der Psychotherapeuten und der Ärzte in gleicher Zahl; unter den Vertretern der Psychotherapeuten muß mindestens ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder ein Psychotherapeut mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein. Für die erstmalige Besetzung der Zulassungsausschüsse und der Berufungsausschüsse nach Satz 1 werden die Vertreter der Psychotherapeuten von der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Vorschlag der für die beruflichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Psychotherapeuten auf Landesebene berufen.

(1) Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Vertrag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Genehmigung ab.

(2) Fordert der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen; eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.