Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren nach erfolgter Abschiebung die sofortige Rückholung aus Italien nach Deutschland im Wege einer einstweiligen Anordnung.

Der am …1988 geborene Antragsteller zu 1) und die am …2010 geborene Antragstellerin zu 2) sind Staatsangehörige Sierra Leones und gehören nach eigenen Angaben dem Volk der Temne an. Sie reisten nach eigenen Angaben am 5. November 2017 in Deutschland ein. Am 16. November 2017 beantragten sie förmlich ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

Bei seiner Befragung durch die Regierung von Niederbayern (Zentrale Ausländerbehörde) am 9. November 2017 gab der Antragsteller zu 1) u.a. an, Sierra Leone in Richtung Guinea am 12. Juni 2016 verlassen zu haben und dann über Mali, den Niger und Libyen nach Italien gekommen zu sein. In Italien habe er in Catanao ein Jahr und zwei Wochen verbracht und habe dann am 3. November 2017 Italien mit dem Zug Richtung Deutschland verlassen. Über Österreich sei er am 5. November 2017 in München angekommen. In Italien seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden und er habe dort auch einen Asylantrag gestellt. Er sei dort auch anerkannt worden.

Im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 16. November 2017 gab der Antragsteller zu 1) u.a. an, dass er am 23. Oktober 2016 in Italien eingereist sei. Er habe – ebenso wie seine Tochter – in Italien internationalen Schutz zuerkannt bekommen. Seine Aufenthaltserlaubnis für Italien habe er bei einer deutschen Behörde abgegeben.

Bei seiner Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 17. November 2017 gab der Antragsteller zu 1) an, dass der Schutz in Italien nicht umgesetzt worden sei, die Bedingungen seien schlecht gewesen. Die Leute, die das Camp betreut hätten, seien morgens gekommen und abends gegangen, ansonsten seien sie sich selbst überlassen gewesen. Er leide seit 2015 an Herzschmerzen, sei in Italien auch im Krankenhaus gewesen, dort habe er Medikamente bekommen. Es sei aber nicht besser geworden. Er habe zu seiner Erkrankung keine Dokumente erhalten. In Deutschland sei er nicht in Behandlung, er nehme auch keine Medikamente. Seine Tochter habe Halsschmerzen. Er möchte nicht nach Italien überstellt werden, die Jungs dort seien laut gewesen, hätten laute Musik gespielt und mit Drogen gehandelt bzw. diese konsumiert. Für ihn allein wäre das kein Problem, aber dies sei nicht der richtige Ort für seine Tochter. Er habe sich beschwert, sei aber nur vertröstet worden.

Aufgrund entsprechender Anhaltspunkte (Eurodac-Treffer der Kategorie 2 wegen Antrag vom 23.10.2016 in Catania und Euroac-Treffer der Kategorie 1 wegen Antrag vom 14.11.2016 in Catanzaro), richtete das Bundesamt am 20.11.2017 ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 (Abl. L 180 vom 29.6.2013, Dublin III) – Dublin-III-VO – an die italienischen Behörden, das auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO gestützt wurde. Eine Reaktion der italienischen Seite hierauf erfolgte in der Folgezeit nicht.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Dezember 2017 (Az. 7273718 - 272) wurden die Asylanträge als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1), festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 2) und die Abschiebung der Antragsteller nach Italien angeordnet (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Die Asylanträge seien gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Asylgesetz (AsylG) unzulässig, da Italien aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Sollte sich herausstellen, dass die Antragsteller entgegen der bisherigen Erkenntnisse bereits in einem anderen europäischen Staat internationalen Schutz erhalten haben und deshalb die Dublin-III-VO nicht anwendbar sein, bleibe es gleichwohl bei der Unzulässigkeit der Asylanträge. Erkenntnisse, die auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten im Sinne des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG schließen ließen, würden nicht vorliegen. Es lägen (auch) keine Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im italienischen Asylverfahren vor. Bezüglich der vom Antragsteller zu 1) vorgetragenen Herzschmerzen und der von der Antragstellerin zu 2) vorgetragenen Halsschmerzen lägen keine ärztlichen Atteste vor. Die Antragsteller könnten im Bedarfsfall in Italien medizinisch behandelt werden. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Im Übrigen wird auf die Gründe des Bescheids Bezug genommen. Der Bescheid wurde den Antragstellern laut Empfangsbestätigung am 8. Dezember 2017 ausgehändigt.

Mit am 13. Dezember 2017 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schreiben haben die Antragsteller durch ihre Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 5. Dezember 2017 erheben lassen (RN 8 K 17.52484), über die noch nicht entschieden ist. Ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde nicht gestellt. Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass eine Überstellung nach Italien rechtlich und faktisch nicht möglich sei. Die Beklagte sei verpflichtet, vor einer Abschiebung von Eltern mit minderjährigen Kindern die Garantien entsprechend der Tarakhel-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einzuholen. Hier ergäben sich aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin eine entsprechende Zusicherung eingeholt hätte oder auch nur einholen hätte wollen.

Am 5. Juni 2018 wurden die Antragsteller nach Italien rücküberstellt.

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2018, am selben Tag beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangen, stellten die Bevollmächtigten der Antragsteller den Klageantrag im Verfahren RN 8 K 17.52484 dahingehend um, dass nunmehr festgestellt werden soll, dass der Bescheid des Bundesamtes vom 5. Dezember 2017 rechtswidrig war und die Antragsgegnerin verpflichtet wird, die Rückholung der Antragsteller aus Italien nach Deutschland zu veranlassen und durchzuführen. Gleichzeitig wurde vorliegender Antrag im vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsteller – nach einem gescheiterten Überstellungsversuch – am 5. Juni 2018 nach Italien abgeschoben worden seien. Dabei habe die Polizei es versäumt, dem Antragsteller zu 1) seine Dokumente auszuhändigen. In Rom hätten die Antragsteller weder Geld noch Tickets erhalten, um vom Flughafen weg zu kommen. Im Weiteren sei er von einer Anlaufstelle zur nächsten geschickt worden. Letztendlich sei er über einen Privatmann zu Ordensschwestern gelangt, wo er einen Schlafplatz (für alleinstehende Männer) bekommen habe, nachdem er seine Tochter auf Anraten der Schwestern in Obhut gegeben habe. Der Antragsteller sei bis zum 26. Juni 2018 in Rom geblieben, dann habe er über den Orden einen Platz in einem Übergangslager in Bergamo bekommen. Seine Tochter, die Antragstellerin zu 2), sei bei einer Pflegefamilie ebenfalls in Bergamo untergebracht, der Antragsteller zu 1) könne sie aber nicht oft sehen, da die Pflegefamilie ein wenig außerhalb wohne und er nicht immer Geld für eine Fahrkarte hätte. Über eine Mitarbeiterin des Bayerischen Flüchtlingsrates habe der Antragsteller zu 1) seine Papiere aus Deutschland erhalten. Er sei immer noch in einer Notunterkunft untergebracht und erhalte keinerlei finanzielle Unterstützung. Es werde davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin vor der Überstellung der Antragsteller nach Italien keine konkrete individuelle Zusicherung über die gemeinsame Unterkunft der Antragsteller erhalten habe, was aber von der Rechtsprechung vorgeschrieben sei. Die Überstellung der Antragsteller nach Italien ohne die vorherige Einholung der erforderlichen Zusicherung sei rechtswidrig gewesen. Die Antragsgegnerin schulde deshalb die Rückholung im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs. Der Erlass einer Regelungsanordnung sei erforderlich, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Überstellung der Antragsteller nach Italien habe zur (nicht nur vorübergehenden) Trennung der Antragsteller geführt. Der Antragsteller zu 1) sei gezwungen gewesen, sein Kind in Obhut zu geben, weil es nicht mit ihm in der Obdachlosigkeit und ohne Versorgung habe bleiben können. Eine gemeinsame Unterbringung in Italien sei nicht erfolgt, was durch die Einholung einer entsprechenden Zusicherung hätte vermieden werden müssen. Die Trennung der Antragsteller in Italien verletze ihre Grund- und Menschenrechte aus Art. 8 EMRK, Art. 7 EUGRCh, Art. 6 GG und die Rechte der Antragstellerin zu 2) aus der UN-Kinderrechtskonvention.

Es wird beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die sofortige Rückholung der Antragsteller aus Italien nach Deutschland zu veranlassen und durchzuführen.

Für die Antragsgegnerin hat sich das Bundesamt in der Sache nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Akte im Verfahren RN 8 K 17.52484 sowie die Behördenakte, die dem Gericht in elektronischer Form übermittelt wurde, Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG durch den Berichterstatter als Einzelrichter.

Der Antrag auf Verpflichtung der Beklagten im Wege einer einstweiligen Anordnung zur sofortigen Rückholung der Antragsteller aus Italien nach Deutschland ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist statthaft, da nach erfolgter Abschiebung eine Regelungsanordnung angestrebt wird.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes darf aber nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sog. Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, glaubhaft macht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG.

Die Antragsteller begehren hier keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der Entscheidung über sein Klagebegehren auf Rücküberstellung aus Italien. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient allerdings regelmäßig nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Einem Antragsteller soll grundsätzlich nicht bereits daraus gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann. Aus diesem Grundsatz folgt, dass einem Eilantrag auf Rückgängigmachung einer Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO nur stattgegeben werden kann, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Absatz 4 GG, insbesondere zur Verwirklichung von Grundrechten, schlechterdings unabweisbar ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für einen Antragsteller unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Dies setzt neben der Glaubhaftmachung einer besonderen Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) zudem eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolges in der Hauptsache voraus (vgl. u.a. Sächs. OVG, B.v. 14.12.2011 – 3 B 2. 44/11 – juris; VGH Baden-Württemberg, B.v. 11.3.2008 – 13 S 418/08 – juris).

1. Vorliegend fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Die Antragsteller machen nicht genügend glaubhaft, dass die Nachteile, die ihnen durch die Abschiebung nach Italien entstanden sind, und die die derzeitige Unterbringung mit sich bringen, derart unzumutbar sind, dass eine sofortige Rückgängigmachung der Abschiebung unabweisbar ist. Die Bevollmächtigten des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) tragen zwar vor, dass die Überstellung zur Trennung des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) geführt habe und noch nicht feststehe, wann diese Trennung ende. Bis zu einer gemeinsamen Unterbringung könnten viele Monate vergehen und die Antragstellerin zu 2) könnte sich vom Antragsteller zu 1) zunehmend entfremden. Dies genügt jedoch nicht, um eine besondere Eilbedürftigkeit zu begründen, die bei einer Vorwegnahme der Hauptsache erforderlich ist.

Sowohl der Antragsteller zu 1) als auch die Antragstellerin zu 2) sind zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung untergebracht: Der Antragsteller befindet sich nach Vortrag der Bevollmächtigten derzeit in einem Übergangslager in Bergamo, die Antragstellerin zu 2) ist in einer Pflegefamilie, ebenfalls in Bergamo, untergebracht. Es bestehen mangels entsprechender Glaubhaftmachung keine Anhaltspunkte dafür oder ist bei summarischer Prüfung auch nicht erkennbar, dass dort die notwendige Versorgung für den Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) nicht gewährleistet wäre oder die Umstände der Unterbringung unzumutbar wären.

Auch die Trennung des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) durch die getrennte Unterbringung begründet keinen Anordnungsgrund. Die Trennung des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) ist nicht derart unzumutbar, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung unumgänglich ist. Es handelt sich dabei um eine vorübergehende Trennung, bis der Antragsteller eine Arbeit und eine Wohnung gefunden hat. Da sowohl der Antragsteller zu 1) als auch die Antragstellerin zu 2) in Bergamo untergebracht sind, besteht keine räumliche Trennung, die einem gegenseitiges Besuchen und Aufrechterhalten der familiären Bindung entgegenstehen würde. Dies bestätigt auch die von den Bevollmächtigten des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2) vorgelegte Email vom 5. Juli 2018 einer Ordensschwester der Missionarie Carità an eine Mitarbeiterin des Flüchtlingsrats Bayern, in der in englischer Sprache ausgeführt wird, dass die Antragstellerin zu 2) in einer Pflegefamilie in der Nähe des Antragstellers zu 1) untergebracht sei, so dass eine Beziehung aufrechterhalten werden könne. Auch Art. 8 Abs. 1 EMRK, der jeder Person das Recht auf Achtung ihres Familienlebens zuschreibt, steht einer vorübergehenden Trennung nicht entgegen. Die Behörden müssen grundsätzlich Maßnahmen treffen, die das Zusammenleben oder den Kontakt zwischen Familienmitgliedern ermöglichen (Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, 4. Auflage 2017, Art. 8 Rn. 67). Aus Art. 8 Abs. 1 EMRK folgt daher nicht, dass eine Trennung von Familienmitgliedern ausnahmslos ausgeschlossen ist. Vorliegend ist die Integrität der Familie der Antragsteller insofern gewährleistet, da die Antragsteller aufgrund der nahen räumlichen Unterbringung Kontakt halten können und damit ihre familiäre Beziehung aufrecht erhalten können. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Trennung nur vorübergehend ist. Zwar ist derzeit noch nicht absehbar, wann diese getrennte Unterbringung enden wird, aufgrund der Möglichkeit, Kontakt halten zu können, ist dies jedoch nicht derart unzumutbar, dass ein Anordnungsgrund zu bejahen wäre. Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 6 GG, der die Familie als Lebensgemeinschaft von Eltern und Kindern schützt. Auch diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Möglichkeit für die Antragsteller besteht, Kontakt zu halten, weshalb die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) aufrechterhalten werden kann.

Der vorübergehenden Trennung und der Unterbringung in einer Pflegefamilie steht auch nicht das Kindeswohl (Art. 3 UN-Kinderrechtskonvention) der Antragstellerin zu 2) entgegen. Wie bereits dargelegt, besteht die Möglichkeit, die familiäre Beziehung durch die räumlich nahe Unterbringung aufrechterhalten zu können. Die Gefahr einer Entfremdung der Antragstellerin zu 2) von dem Antragsteller zu 1) ist daher als gering anzusehen, zumal es sich um eine vorübergehende Trennung handelt. Es wird auch nicht glaubhaft gemacht und ist auch nicht erkennbar, dass die derzeitige Unterbringung der Antragstellerin zu 2) in einer Pflegefamilie nicht dem Kindeswohl entsprechen und unzumutbare Nachteile mit sich bringen würde.

Im Ergebnis ist ein Anordnungsanspruch, der die besondere Eilbedürftigkeit für eine Vorwegnahme der Hauptsache begründen könnte, weder ausreichend glaubhaft gemacht noch bei summarischer Prüfung erkennbar.

2. Offen bleiben kann daher, ob ein Anordnungsanspruch in Form eines Folgenbeseitigungsanspruchs besteht. Ein solcher würde voraussetzen, dass durch einen hoheitlichen Eingriff – hier die Abschiebung nach Italien – ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt worden ist, und dadurch für diesen ein andauernder rechtswidriger Zustand entstanden ist, dessen Beseitigung tatsächlich und rechtlich möglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – juris). Der Folgenbeseitigungsanspruch knüpft mithin nicht allein an die Rechtswidrigkeit des Eingriffsaktes, sondern an die Rechtswidrigkeit des dadurch geschaffenen Zustandes an. In einem solchen Fall kann der in seinem subjektiven Recht verletzte Betroffene verlangen, dass derjenige rechtmäßige Zustand wieder hergestellt wird, der unverändert bestünde, wenn es zu dem rechtswidrigen Eingriff und dem damit verbundenen, andauernden rechtwidrigen Zustand nicht gekommen wäre.

Gemessen an diesen Maßstäben bestehen zwar Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der durchgeführten Abschiebung. Zwar liegt mit der Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes vom 5. Dezember 2017 ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vor. Nach § 6 Abs. 1 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG), der auf Abschiebungen des Bundesamtes als Vollstreckmaßnahme einer Bundesbehörde anzuwenden ist, ist Voraussetzung einer Vollstreckung ein Verwaltungsakt, der auf die Herausgabe einer Sache oder auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, und der unanfechtbar ist, dessen sofortiger Vollzug angeordnet ist oder gegen den ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung zukommt. Vorliegend liegt mit der Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 5. Dezember 2017 ein Verwaltungsakt vor, der auf Duldung der Abschiebung nach Italien gerichtet ist. Der eingelegten Hauptsacheklage kommt dabei nach § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zu. Die Bevollmächtigten der Antragsteller haben in der Klageschrift vom 12. Dezember 2017 klargestellt, dass kein Eilantrag, der zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung hätte führen können, gestellt werden sollte.

Zweifel bestehen aber hinsichtlich der Wirksamkeit der Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 5. Dezember 2017, die die Grundlage für eine Verwaltungsvollstreckung darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5/08 – juris Rn. 13, m.w.N.). Wirksam ist ein Verwaltungsakt nach § 43 Abs. 3 VwVfG, wenn er nicht nichtig ist. Nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Dabei ist ein Fehler besonders schwerwiegend, wenn er in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen steht, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierte Rechtswirkung hätte; eine Offenkundigkeit des Fehlers ist zu bejahen, wenn diesem die Fehlerhaftigkeit „auf die Stirn geschrieben“ ist (Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage 2016, § 44 Rn. 8 ff.).

Vorliegend wurde die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG erlassen, nachdem bei einer Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Ausweislich der Gründe des Bescheids vom 5. Dezember 2017 wurden die Asylanträge nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG abgelehnt mit der Begründung, dass Italien aufgrund der dort gestellten Asylanträge nach den Regelungen der Dublin-III-Verordnung zuständig sei. Richtigerweise ergibt sich die Unzulässigkeit der in Deutschland gestellten Asylanträge jedoch aus § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, da den Antragstellern in Italien bereits internationaler Schutz gewährt wurde. Dies ergibt sich aus dem Vortrag des Antragstellers zu 1) bei der Anhörung vor dem Bundesamt und aus einem Aktenvermerk in der Bundesamtsakte, nach dem die italienischen Aufenthaltserlaubnisse (permesso di soggiorno) beim Bundesamt abgegeben wurden (Blatt 86 der Akte). Daher hätte vorliegend eine Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylG ergehen müssen, und nicht eine Abschiebungsanordnung.

Letztendlich kann die Frage, ob diese sofortige Anordnung der Abschiebung anstelle der erst erforderlichen Androhung zur Nichtigkeit der Abschiebungsanordnung führt, aufgrund des bereits nicht bestehenden Anordnungsgrundes offen bleiben. Offen bleiben kann auch die Frage, ob die Nichteinholung einer Zusicherung von Italien zur Nichtigkeit der Abschiebungsanordnung führen würde, sowie ob die Bundesrepublik vorliegend von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO hätte Gebrauch machen müssen. Letzteres begründet dabei bereits kein subjektives Recht der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 – C 394/12 – juris, Rn. 60, 62; BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – juris, Rn. 7). Insoweit wird darauf hingewiesen, dass die Maßstäbe für die Bejahung der Nichtigkeit jedenfalls höher anzusetzen wären als bei einer Prüfung der Rechtmäßigkeit, wie sie in einem – vorliegend nicht gestellten – Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgt wäre.

Offen bleiben kann schließlich auch die Frage, ob die Abschiebung zu einem rechtswidrigen, andauernden Zustand geführt hat, der Voraussetzung für einen Folgenbeseitigungsanspruch ist. Gegen die Rechtswidrigkeit des geschaffenen Zustandes würde dabei sprechen, dass auch bei Erlass einer – hier nach § 35 AsylG zuerst erforderlichen – Androhung der Abschiebung die Antragsteller letztendlich entweder im Wege der freiwilligen Ausreise nach Italien gehen oder wieder durch Abschiebung nach Italien rücküberstellt werden könnten, weshalb fraglich ist, ob die Antragsteller durch die beantragte einstweilige Anordnung ihre Rechtsstellung verbessern könnten.

Nach allem waren die Anträge daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG; deshalb ist auch die Festsetzung eines Streitwerts nicht veranlasst.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 07. Aug. 2018 - RN 8 E 18.50496

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(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Dezember 2007 - 7 K 4753/07 - werden zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die rechtzeitig erhobenen (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründeten (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) Beschwerden haben sachlich keinen Erfolg; die in der gemeinsamen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe - auf deren Überprüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) - ergeben nicht, dass der von den Antragstellern angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben und den Antragstellern im Weg der einstweiligen Anordnung die Wiedereinreise in das Bundesgebiet zu ermöglichen wäre.
Bei den Antragstellern handelt es sich um eine aus dem Kosovo stammende Familie; die Antragsteller zu 1 bis 3 sind im Jahr 1990 in das Bundesgebiet eingereist, und im Bundesgebiet sind zwei weitere Kinder geboren worden (Antragsteller zu 4 und 5). Ein Asylbegehren der Antragsteller zu 1 bis 3 wurde durch das heutige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 28.2.1991 als offensichtlich unbegründet abgelehnt; in der Folgezeit wurde auch für die Antragsteller zu 4 und 5 ein Asylverfahren eingeleitet, das jeweils erfolglos blieb. Auch Folgeanträge wurden abgelehnt, und gegen sämtliche Antragsteller liegen bestandskräftige Abschiebungsandrohungen vor. Eine Eingabe der Antragsteller an die Härtefallkommission hatte keinen Erfolg; ein Härtefallersuchen an das Innenministerium wurde von der Kommission nicht gerichtet. Ein Antrag der Antragsteller auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aufgrund der Anordnung des Innenministeriums nach § 23 AufenthG vom November 2006 führte zur Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis (Verfügung des Landratsamts Esslingen vom 28.6.2007) wegen Vorliegens eines Ausschlussgrundes; die Behörde ging davon aus, die Antragsteller hätten über ihre Volkszugehörigkeit (Angehörige der Ashkali oder albanische Volkszugehörige) die Behörden getäuscht. Ein Widerspruch der Antragsteller gegen die Ablehnung von Aufenthaltserlaubnissen ist inzwischen durch gemeinsamen Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 18.1.2008 zurückgewiesen worden; hiergegen ist Klage anhängig.
Die Antragsteller hatten beim Verwaltungsgericht Stuttgart beantragt, ihre Abschiebung vorläufig auszusetzen; der Antrag war damit begründet worden, sämtliche Voraussetzungen der sog. Bleiberechtsregelung und auch der damals bevorstehenden Regelung des § 104a AufenthG seien erfüllt. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat diesen Antrag mit Beschluss vom 10.7.2007 abgelehnt. Noch am gleichen Tag sind die Antragsteller abgeschoben worden. Ein Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss vom 10.7.2007 ist vom Senat als erledigt eingestellt worden; den Antragstellern wurden die Kosten auferlegt, weil in dem Beschwerdeverfahren keine prozessuale Möglichkeit gegeben sei, die Rechtswidrigkeit der bereits erfolgten Abschiebung feststellen oder den Antragsgegner verpflichten zu lassen, den Antragstellern die Wiedereinreise zu ermöglichen.
Mit dem nunmehr mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den neu gestellten Antrag der Antragsteller, den Antragsgegner im Weg der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihrer Wiedereinreise zuzustimmen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ihnen die Wiedereinreise in das Bundesgebiet zu ermöglichen, als unbegründet abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, einer Rückführung der Antragsteller in das Bundesgebiet stehe wohl die Sperrwirkung der Abschiebung entgegen. Es könne nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht davon ausgegangen werden, dass diese Wirkung ausnahmsweise nicht eingreife. Das Gericht teile nicht die Auffassung der Antragsteller, ihre Abschiebung sei rechtswidrig gewesen, da die Voraussetzungen der Bleiberechtsregelung gegeben gewesen seien. Die Antragsteller zu 1 und 2 gehörten wohl nicht zum Personenkreis der in der Anordnung vom November 2006 erfassten Ausländer, die faktisch wirtschaftlich und sozial im Bundesgebiet integriert seien. Es fehle insbesondere an der wirtschaftlichen Integration, die die Antragsteller wie bereits im vorangegangen Eilrechtsschutzverfahren nicht hinreichend glaubhaft gemacht hätten. Der Lebensunterhalt der Familie sei wohl nicht durch eigene legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Sozialleistungen gesichert, da der Antragsteller zu 1 weder an dem Stichtag der Bleiberechtsregelung noch zu einem späteren Zeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Der Antragsteller zu 1 habe keine Unterlagen dazu vorgelegt, aus welchen Gründen er eine ihm angebotene Tätigkeit als Produktionsarbeiter nicht angetreten habe; bei ihm seien im übrigen nur wenige Erwerbszeiträume gegeben. Die Antragstellerin zu 2 habe ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben, und offen sei auch, ob die Familie über ausreichenden Wohnraum und ob die Eltern (Antragsteller zu 1 und 2) über ausreichende Deutschkenntnisse verfügten. Jedenfalls im Zeitpunkt der Abschiebung hätten die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Anordnung des Innenministeriums vom November 2006 wohl nicht vorgelegen. § 104a AufenthG sei in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen, da diese Vorschrift bei der Abschiebung der Antragsteller noch nicht in Kraft getreten gewesen sei.
Gegen diesen Beschluss tragen die Antragsteller im Beschwerdeverfahren vor, ihre Abschiebung sei damals alleine darauf gestützt worden, sie hätten Ausschlussgründe verwirklicht, weil sie die Behörden angeblich über ihre Volkszugehörigkeit getäuscht hätten. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren sei jedoch nicht nur glaubhaft gemacht, sondern bewiesen worden, dass dieser Vorwurf nicht gerechtfertigt gewesen sei. Die nunmehr behaupteten Ablehnungsgründe, die die Behörde im Bescheid vom 28.6.2007 noch gar nicht herangezogen habe, seien gleichfalls unzutreffend. Die Abschiebung sei rechtswidrig gewesen und könne der Rückführung daher nicht entgegengehalten werden. Aus den Verwaltungsakten ergebe sich, dass sämtliche Voraussetzungen für die Bleiberechtsregelung gegeben seien. Das Verwaltungsgericht habe hinsichtlich der Frage des Lebensunterhalts verkannt, dass Abschnitt IV der Bleiberechtsregelung für Personen ohne dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis eine Sonderregelung vorsehe, wonach zunächst eine Duldung hätte erteilt werden können. Bei einer Zusage für ein Beschäftigungsverhältnis bestehe ein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis für zunächst sechs Monate. Die Nichtaufnahme der Erwerbstätigkeit durch den Antragsteller zu 1 beruhe auf dem Verhalten der Behörde selbst. Die Behörde habe bisher die Frage des Wohnraums nicht dazu veranlasst, die Anwendung der Bleiberechtsregelung zu bestreiten. Was die Deutschkenntnisse angehe, so hielten sich die Antragsteller zu 1 und 2 bereits seit 17 Jahren in Deutschland auf, und die Bleiberechtsregelung enthalte hierfür eine bis zum 30.9.2007 befristete Übergangsregelung und sehe in bestimmten Fällen auch den Verzicht auf Sprachkenntnisse vor. Im übrigen stelle die Abschiebung der Familie mit den Kindern im Alter von 7, 15 und 17 Jahren, die vor Beginn der Schulferien aus ihrer Umgebung gerissen worden seien, einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK dar. Es müsse schnellstmöglich eine gerechte und humane Wiedergutmachung folgen, die nur möglich sei, wenn die Familie sofort zurückgeführt werde, damit die Kinder wieder die Schule besuchen könnten.
Mit diesem Vortrag können die Antragsteller die von ihn begehrte Verpflichtung des Antragsgegners zur Ermöglichung ihrer Wiedereinreise im Weg der einstweiligen Anordnung nicht erreichen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Das Verwaltungsgericht geht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht davon aus, dass eine Abschiebung wie die der Antragsteller vom 10.7.2007 grundsätzlich eine Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG auslöst; Ausnahmen sind nur in eng begrenzten Fällen zulässig (siehe BVerwG, Urteil vom 7.12.2004 - 1 C 14.04 -, NVwZ 2005, 704 und Urteil vom 16.7.2002 - 1 C 8.02 -, AuAS 2002, 254 sowie Senat, Beschluss vom 14.2.2007 - 13 S 2969/6 -, AuAS 2007, S. 116/117 und OVG Lüneburg, Beschluss vom 9.3.2007 - 18 B 2533/06 -, InfAuslR 2007, 233, 234). Insbesondere ist hierfür Voraussetzung, dass die bereits erfolgte Abschiebung rechtswidrig ist und einen entsprechenden Folgenbeseitigungsanspruch ausgelöst hat. Im vorliegenden Fall besteht zusätzlich die Besonderheit, dass die Antragsteller die Rückgängigmachung der Abschiebung, d.h. die Ermöglichung ihrer Wiedereinreise (zu den ausländerrechtlichen Möglichkeiten hierzu VGH Bad.-Württ., a.a.O.), nicht im Weg der Klage oder eines Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO, sondern im Weg des Eilverfahrens nach § 123 VwGO beantragen. In einem solchen Fall bedeutet eine entsprechende Verpflichtung des Antragsgegners nach § 123 VwGO bereits eine Vorwegnahme der Hauptsache (sehe dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 2.2.2007 - 13 ME 362/06 -juris). Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient nämlich regelmäßig nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses; einem Antragsteller soll grundsätzlich nicht bereits das gewährt werden, was er nur in einem - hier bereits anhängigen - Hauptsacheverfahren erreichen kann. Aus diesem Grundsatz folgt für Fälle der hier vorliegenden Art, dass dem Eilantrag nach § 123 VwGO nur stattgegeben werden könnte, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar ist; dies setzt seinerseits eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache oder - mit anderen Worten - offensichtliche Rechtswidrigkeit der Abschiebung voraus (siehe dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 2.2.2007, a.a.O. und Beschluss vom 9.3.2007 a.a.O.; OVG Münster, Beschluss vom 9.3.2007 - 18 B 2533/06 -, InfAuslR 2007, 233). Das ergibt sich bereits aus allgemeinen prozessualen Erwägungen: Das Bundesverwaltungsgericht steht zu Recht seit langem auf dem Standpunkt, dass die Vorwegnahme der Hauptsache durch einen Eilrechtsbeschluss nach § 123 VwGO gerade wegen des Vorwegnahmecharakters der Entscheidung eine besonders sorgfältige Prüfung der Erfolgsaussichten verlangt; je mehr die Hauptsache vorweggenommen wird, desto wahrscheinlicher muss der Erfolg im Hauptsacheverfahren sein (so schon BVerwG, Beschluss vom 16.8.1978 - 1 WB 112/78 -, ZBR 1981, 390 und st. Rspr.).
Diese besonders strengen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Zunächst ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Abschiebung der Antragsteller auf bestandskräftig gewordenen Abschiebungsandrohungen beruht; für sämtliche Antragsteller war im Zeitpunkt der Abschiebung am 10.7.2007 eine vollziehbare Ausreisepflicht gegeben. Außerdem hatte das Verwaltungsgericht einen Antrag der Antragsteller auf Duldung, dh auf Unterlassung der Abschiebung, abgelehnt, so dass auch kein formeller Verstoß gegen eine Gerichtsentscheidung vorliegt. Die Voraussetzungen eines nach Art. 19 Abs. 4 GG im Weg der einstweiligen Anordnung durchzusetzenden Folgenbeseitigungsanspruchs sind bereits aus diesen Gründen gesteigert (vgl. dazu auch OVG Thüringen, Beschluss vom 27.6.2006 - 3 EO 354/06 -, juris). Zum Inhaltlichen ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, den Antragstellern habe im Zeitpunkt der Abschiebung (noch) kein Anspruch aus § 104a AufenthG zustehen können, weil diese Vorschrift damals noch nicht in Kraft war (zu den fehlenden „Vorwirkungen“ einer entsprechenden Regelung siehe Senat, Beschluss vom 12.11.2007 - 13 S 1500/07 -). Auch eine entsprechende Rechtsposition aus der Anordnung des Innenministeriums vom November 2006 ist jedenfalls nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Eindeutigkeit glaubhaft gemacht. Der behördliche Vorwurf, es liege eine vorwerfbare Täuschung über die Volkszugehörigkeit vor, die einen Ausschlussgrund im Sinn der Ziff. I 3.1 des Erlasses vom 20.11.2006 bedeute, ist bisher nicht mit ausreichender Eindeutigkeit widerlegt - immerhin haben die Antragsteller zu ihrer Volkszugehörigkeit im Verfahrensverlauf unterschiedliche Angaben gemacht - und dass die Behörde ihren Ablehnungsbescheid vom 28.5.2007 lediglich auf diesen Ausschlussgrund gestützt hat, erspart es den Antragstellern nicht, im Verfahren auf Rückgängigmachung der Abschiebungen im Weg der einstweiligen Anordnung sämtliche Anspruchsvoraussetzungen der Bleiberechtsregelung im oben genannten (gesteigerten) Sinn glaubhaft zu machen. Dies betrifft neben der Problematik des Ausschlussgrundes sowohl die Frage der Lebensunterhaltssicherung als auch die der Sprachkenntnisse und des ausreichenden Wohnraums, die im einzelnen nicht im Verfahren nach § 123 VwGO, sondern in dem bereits anhängigen (und dafür wesentlich geeigneteren) Klageverfahren zu klären sind. Es überfrachtet das Verfahren des Eilrechtsschutzes, Sachverhaltsermittlungen zur Frage der Anspruchsberechtigung der Antragsteller und - damit zusammenhängend - zur Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Abschiebung im Eilverfahren zu prüfen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Antragsteller zu 3 bis 5 bei der Ablehnung des Eilrechtsschutzes ihren durch die Abschiebung bereits unterbrochenen Schulbesuch einstweilen nicht fortsetzen bzw. wieder aufnehmen können; gegenüber der sonst notwendigerweise erfolgenden Vorwegnahme der Hauptsache und angesichts der inhaltlichen im Hauptsacheverfahren zu klärenden Sachfragen ist ein anderes Ergebnis jedoch nicht zu verantworten. Die Fragen eines Aufenthaltserlaubnisanspruchs der Antragsteller im Zeitpunkt der Abschiebung und der Rechtmäßigkeit der Abschiebung selbst lassen sich mit den Mitteln der Sachaufklärung nach §§ 86 Abs. 1, 96 Abs. 1 VwGO in dem bereits anhängigen Hauptsacheverfahren zumutbar zeitnah beantworten; das gleiche gilt für einen hieraus u.U. folgenden Wiedereinreiseanspruch und seine prozessuale Durchsetzung.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 3 Ziff. 1 GKG.
10 
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz hat nur in den Fällen des § 38 Absatz 1 sowie des § 73b Absatz 7 Satz 1 aufschiebende Wirkung. Die Klage gegen Maßnahmen des Verwaltungszwangs (§ 73b Absatz 5) hat keine aufschiebende Wirkung.

(2) Die Klage gegen Entscheidungen des Bundesamtes, mit denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen oder zurückgenommen worden ist, hat in folgenden Fällen keine aufschiebende Wirkung:

1.
bei Widerruf oder Rücknahme wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2,
2.
bei Widerruf oder Rücknahme, weil das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat.
Dies gilt entsprechend bei Klagen gegen den Widerruf oder die Rücknahme der Gewährung subsidiären Schutzes wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Absatz 2. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt;
2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt;
3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein;
4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann;
5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht;
6.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt;
2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat;
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war;
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."

4

Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.

5

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

6

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

7

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

8

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

9

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.

10

2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.

11

Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).

12

An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.

13

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.