Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 14. Sept. 2017 - 5 K 686/17.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2018:0123.5K686.17.00
14.09.2017

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

Der Klägerin ist zur Durchführung des Rechtsstreits keine Prozesskostenhilfe zu gewähren. Nach § 166 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – i. V. m. § 114 ZivilprozessordnungZPO – ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren. Erforderlich ist allerdings, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

2

Die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen wegen der verfassungsrechtlich nach Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3 und 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – gebotenen Aufgabe der Prozesskostenhilfe, dem Mittellosen den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen wie dem Bemittelten, nicht überspannt werden. Deswegen kann nicht verlangt werden, dass der Prozesserfolg annähernd gewiss und überwiegend wahrscheinlich ist. Vielmehr besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht schon dann, wenn ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen, der Prozessausgang bei summarischer Prüfung mithin als offen erscheint. Dies ist bei Klageverfahren insbesondere der Fall, wenn der Sachverhalt noch weiterer Aufklärung bedarf. Die gebotene Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen; das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005 – 1 BvR 1041/05 –, NVwZ 2005, 1418, sowie Beschluss vom 4. Mai 2015 – 1 BvR 2096/13 –, NJW 2015, 2173). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist dabei grundsätzlich derjenige der Entscheidungsreife, also derjenige, in dem das Prozesskostenhilfegesuch vollständig, einschließlich der erforderlichen Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, vorliegt.

3

Nach diesen Maßstäben bietet die Klage vom 9. Juni 2017 keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Denn die Klage ist bereits unzulässig. Infolgedessen hat die Kammer auch davon abgesehen, von der Klägerin noch die zwingend erforderliche Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu fordern.

4

Die von der Klägerin erhobene Klage ist zwar als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, da es sich bei der streitgegenständlichen Grenzniederschrift nach § 17 Abs. 2 des Landesgesetzes über das amtliche Vermessungswesen – LGVerm – vom 20. Dezember 2000 (GVBl. Seite 572), zuletzt geändert mit Gesetz vom 8. Oktober 2013 (GVBl. Seite 359) um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handelt (s. etwa OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Juni 2014 – 5 U 528/14 –, NVwZ-RR 2015, 89; VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 29. August 2017 – 5 K 365/17.NW –).

5

Es fehlt aber vorliegend an einer ordnungsgemäßen Durchführung eines Vorverfahrens. Gemäß § 68 Abs. 1 VwGO sind – von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen – vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt (§ 70 Abs. 1 Satz 2 VwGO).

6

Die Klägerin hat erst am 31. Oktober 2016 förmlich Widerspruch gegen das Ergebnis der in der Grenzniederschrift vom 3. Februar 2016 festgehaltenen Neuvermessung eingelegt. Zu diesem Zeitpunkt war der Verwaltungsakt vom 3. Februar 2016 jedoch bereits bestandskräftig geworden. Nachdem ihr die Grenzniederschrift am 4. Februar 2016 übersandt worden war, meldete sie sich mit Schreiben vom 10. Februar 2016 bei dem Beklagten und brachte Einwände gegen das Ergebnis der Grenzermittlung vor. Der Beklagte antwortete daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom 30. März 2016, er werte das Schreiben vom 10. Februar 2016 als Widerspruch. Sollte die Klägerin diesen nicht bis zum 18. April 2016 zurückziehen, werde der Widerspruch der Widerspruchsbehörde vorgelegt. Hierauf antwortete die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 5. April 2016, eingegangen bei dem Beklagten am 7. April 2016, die vorübergehende Verweigerung ihrer Unterschrift zur Grenzverhandlung sei keinesfalls als Widerspruch zu werten. Ein Widerspruchsverfahren sei von ihrer Seite weder gewollt noch notwendig.

7

Nach Auffassung der Kammer hatte der Beklagte das Schreiben der Klägerin vom 10. Februar 2016 zu Recht zunächst als Widerspruch im Sinne des § 69 VwGO qualifiziert. Da die Verwaltungsgerichtsordnung keine ausdrücklichen Anforderungen an den Inhalt eines Widerspruchs stellt, muss dieser nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden. Es genügt, wenn der Betroffene deutlich macht, dass er sich von der angegriffenen Maßnahme beschwert fühlt, sich deshalb dagegen wehrt und die Überprüfung sowie Aufhebung der Maßnahme begehrt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Dezember 2013 – 2 S 978/13 –, VBlBW 2014, 230; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 23/12 –, NVwZ 2014, 676). Dem Schreiben der Klägerin vom 10. Februar 2016 war zu entnehmen, dass sie mit dem Ergebnis der Grenzniederschrift vom 3. Februar 2016 nicht einverstanden war.

8

Die Klägerin hat aber in dem Schreiben vom 5. April 2016 erklärt, dass ein Widerspruchsverfahren von ihrer Seite weder gewollt noch notwendig sei. Damit hat sie ausdrücklich, eindeutig, unzweifelhaft und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie auf die Einlegung eines Widerspruchs gegen die Grenzniederschrift vom 3. Februar 2016 verzichtet. Ein solcher Verzicht ist zulässig (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 2. Mai 2011 – 9 CE 10.3104 –, juris; VG Würzburg, Urteil vom 29. März 2012 – W 5 K 11.472 –, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 69 Rn. 11) und hat zur Folge, dass ein später gleichwohl eingelegter Widerspruch unzulässig ist.

9

Den Rechtsbehelfsverzicht hat die Klägerin auch wirksam erklärt. Zwar hat sie das Schreiben vom 5. April 2016 nicht eigenhändig unterschrieben. Allerdings hat ihr Ehemann das genannte Schriftstück „im Auftrag“ wirksam unterschrieben. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Wirksamkeit dieser Unterschrift zumindest nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht oder den Grundsätzen der konkludenten Vollmacht, die auch im Verwaltungsverfahren gelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 – 8 C 2/92 –, NJW-RR 1995, 73; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2003 – 18 B 2172/02 –, NVwZ-RR 2004, 72; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Auflage 2015, § 14 Rn. 22), anzuerkennen ist. Eine Duldungsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Auftreten des unbefugten Dritten als Vertreter wissentlich geschehen lässt und der Geschäftsgegner diese Duldung dahin versteht und nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte auch dahin werten darf, dass der Handelnde Vollmacht habe (Schäfer in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB, Stand Juni 2017, § 167 Rn. 15 m.w.N.). Von einer konkludenten Bevollmächtigung ist auszugehen, wenn der Vertretene das Verhalten des nicht ausdrücklich Bevollmächtigten zur Kenntnis nimmt und mit rechtgeschäftlichem Willen billigt (Schäfer in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, a.a.O., § 167 Rn. 15a). Beiden „Vollmachten“ ist jedenfalls gemeinsam, dass der Vertretene es wissentlich geschehen lässt, dass ein Dritter für ihn wie ein Vertreter auftritt. Das war hier eindeutig der Fall, da der Ehemann für die Klägerin in dem Grenzfeststellungsverfahren sowohl bereits vor dem Schreiben vom 5. April 2016 als auch im Anschluss daran fortlaufend tätig wurde. Dies konnte vom Beklagten nur so verstanden werden, dass ein Vollmachtsverhältnis vorlag.

10

Lag damit ein wirksamer Rechtsbehelfsverzicht vor, so war der Beklagte auch berechtigt, auf den Widerspruch der Klägerin vom 31. Oktober 2016 den Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen. Ist aber die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig rechtlich nicht zu beanstanden, so ist die erhobene Klage unzulässig (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 69 Rn. 11).

11

Die Klage hat damit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin abzulehnen war.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 70


(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu e

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Das Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs.

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Tatbestand 1 Der Kläger verlangt Schadensersatz, weil er bei der Vergabe von Amtszulagen nicht berücksichtigt wurde.

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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich ohne Erfolgsaussicht ist, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:

Gründe

1

1. Der Kläger und sein Bruder verkauften mit notariellem Vertrag vom 14.04.2011 eine noch zu vermessende Teilfläche eines ihnen gehörenden Grundstücks, die im straßennahen Bereich lag. Das straßenferne Gelände sollte bei ihnen verbleiben. Um dessen Verkehrsanbindung zu gewährleisten, wollte man eine Zuwegung herstellen, die seitlich an der auszugliedernden Parzelle vorbeiführte. Insofern sollte deren Grenze nicht an das Nachbargrundstück heranreichen, sondern, wie kaufvertraglich geregelt war, "in einem Abstand von 4 m parallel" dazu verlaufen. Ergänzend wurde vereinbart: "Die Vermessung wird vom Käufer innerhalb 14 Tagen veranlasst werden. Die Vermessungskosten tragen Verkäufer und Käufer zu gleichen Teilen".

2

Der Vermessungsauftrag wurde dem Beklagten als öffentlich bestelltem Vermessungsingenieur erteilt. Nach dessen Vorbringen geschah dies am 18.04.2011 durch den Käufer unter Übergabe einer Kopie des Kaufvertrages und einer darin enthaltenen Skizze, die eine Wegführung in durchgängig gleicher Breite vorsah. Demgegenüber hat der Kläger vorgetragen, der Beklagte sei von ihm und seinem Bruder mit der Vorgabe beauftragt worden, einen auch für Großfahrzeuge nutzbaren Weg auszumessen, der sich an der Straßeneinmündung über deutlich mehr als vier Meter ausdehne.

3

Der Beklagte begab sich am 4.05.2011 vor Ort und maß einen Weg von einheitlich 4 m Breite aus. Seinem Vorbringen nach informierte er den Kläger davon zunächst am 17.05.2011 telefonisch und dann am 19.05.2011 per E-Mail unter Überlassung einer Zeichnung. Die offizielle Grenzfeststellung (Grenzniederschrift gemäß § 17 Abs. 2 LGVerm), die dem folgte, nahm er am 21.05.2011 in Anwesenheit des Käufers und eines kommunalen Vertreters vor. Der Kläger und sein Bruder verzichteten unter dem 25.05.2011 in ihnen dazu überlassenen Vordrucken "auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die in der Grenzniederschrift ... getroffenen Entscheidungen".

4

Mit der Behauptung, sich der Bedeutung dieser Erklärungen nicht bewusst gewesen zu sein, hat der Kläger den Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf eine Schadensersatzleistung von 25.000 € an sich und seinen Bruder in Anspruch genommen und hilfsweise die Feststellung von dessen Haftung begehrt. Er hat ihm vorgeworfen, den Weg auftragswidrig zu schmal vermessen zu haben, so dass er nicht durch große Fahrzeuge genutzt werden könne. Dadurch sei eine Bebauung der nicht mitverkauften Hinterliegerparzelle unmöglich; es sei dort zu einer Werteinbuße von 25.000 € gekommen. Der Beklagte könne sich nicht darauf zurückziehen, einer Vorgabe des Käufers gefolgt zu sein; denn er habe ihn, den Kläger, nicht in das Vermessungsverfahren einbezogen und auch nicht auf Bedenken wegen der geringen Wegbreite aufmerksam gemacht.

5

Das Landgericht hat den Bruder des Klägers sowie den Käufer als Zeugen befragt und die Parteien angehört. Sodann hat es die Klage abgewiesen. Seiner Ansicht nach ist der Kläger den Beweis für die von ihm behauptete Auftragserteilung schuldig geblieben. Der Beklagte habe auch keine Hinweispflichten verletzt, weil nicht zu ersehen sei, dass die Erschließung des Hinterliegergrundstücks vereitelt werde. Unabhängig davon treffe den Kläger und seinen Bruder im Hinblick auf ihren Rechtsbehelfsverzicht ein haftungsausschließendes Mitverschulden. Sie hätten versäumt, sich einen Einblick zu verschaffen.

6

Dem tritt der Kläger in Erneuerung seines erstinstanzlichen Begehrens mit der Berufung entgegen. Er hält daran fest, dass der von den Beklagten vermessene Weg zur Erschließung untauglich sei. Insofern habe der Beklagte eine Informationspflicht gehabt. Für ein Mitverschulden sieht er keinen Raum. Zum Grenztermin seien er und sein Bruder nicht ordnungsgemäß geladen worden, und die Bedeutung des Rechtsbehelfsverzichts sei undurchsichtig gewesen.

7

2. Damit vermag der Kläger nicht durchzudringen. Die angefochtene klageabweisende Entscheidung hat im Ergebnis Bestand.

8

Freilich hat das Landgericht ebenso wie die Parteien gemeint, dass der Beklagte auf einer privatvertraglichen Grundlage tätig geworden sei und demgemäß - sei es unmittelbar oder sei es mittelbar unter Berücksichtigung der Grundsätze eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, wie ihn der Kläger hilfsweise reklamiert - eine Haftung nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB im Raum stehe.

9

Das verkennt jedoch die Stellung des Beklagten, der als öffentlich bestellter Vermessungsingenieur hoheitlich tätig wurde und deshalb nur nach § 839 BGB einstandspflichtig sein kann (OLG Dresden LKV 2007, 191; OLG Zweibrücken VersR 1975, 842). Die Grenzniederschrift, durch die die Grundstückssituation gegen den im hiesigen Prozess verlautbarten Willen des Klägers gestaltet wurde, stellt einen Verwaltungsakt dar. Der Beklagte hatte ihn in Ausübung seines Amts vorbereitet und erließ ihm dann unter Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung.

10

Ob die Amtshaftung des Beklagten gemäß Art. 34 GG auf die Vermessungs- und Katasterverwaltung übergeleitet ist, kann dahinstehen (vgl. dazu BayVGH, Urteil vom 6.04.2009 - 19 B 09.90; OLG Zweibrücken VersR 1975, 842 und VersR 1977, 45). Ist das der Fall, ist der Beklagte von vornherein nicht passivlegitimiert.

11

Der Beklagte kann aber auch dann nicht vom Kläger in Anspruch genommen werden, wenn er abweichend vom Grundsatz des Art. 34 GG persönlich verantwortlich sein sollte. Das ergibt sich aus § 839 Abs. 3 BGB. Denn der Kläger und sein Bruder haben die Grenzniederschrift ungeprüft hingenommen und darauf verzichtet, unter Einlegung eines Widerspruchs eine Korrektur herbeizuführen. Ob sie dabei gutgläubig waren, ist ohne Belang. Es gab nämlich für sie keinen verlässlichen Anhalt dahin, dass die Grenzniederschrift so geartet war, wie sie der Kläger nunmehr einfordert. Die Regelungen des Grundstückskaufvertrages wiesen jedenfalls in eine andere Richtung. Sollte der Kläger - wie er behauptet - dem Beklagten andere, auf eine breitere Zuwegung gerichtete Vorgaben gemacht haben, hätte ihm oblegen zu hinterfragen, ob sie eingehalten wurden. Entsprechende Erkundigungen hat der Kläger jedoch nicht vorgenommen. Dass sie entbehrlich gewesen wären, weil ihm der Beklagte zugesichert hätte, die gewünschte Wegbreite sei - unter Abweichung von den kaufvertraglichen Regelungen und den Maßangaben des Käufers - gewährleistet, ist weder vorgetragen worden noch sonst zu ersehen.

12

3. Mithin sollte der Kläger erwägen, sein Rechtsmittel aus Kostengründen zurückzunehmen. Bis zum 9.07.2014 besteht Gelegenheit zur Stellungnahme.

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.693,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 29. Oktober 2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 87/100 und die Kläger zu 13/100.

Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Forderung vorläufig vollstreckbar. Für den Beklagten ist das Urteil hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen diesbezüglich die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Kläger sind öffentlich bestellte Vermessungsingenieure. Sie begehren vom Kläger die Vergütung für durchgeführte Vermessungsarbeiten und die Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.

2

Der Beklagte beauftragte die Kläger im Juni 2016 mit der Teilungsvermessung seines Grundstücks Flurstück-Nr. … in W, B-Straße ... Zum Zwecke der Erfüllung der Teilungsvermessung erbrachten die Kläger am 23. Juni 2016 verschiedene Leistungen. In der Anlage zu der sog. Grenzniederschrift unterschrieb der Beklagte am 24. Juni 2016 einen Rechtsbehelfsverzicht.

3

Am 11. Juli 2016 übersandten die Kläger dem Beklagten eine Rechnung über einen Betrag von 1.693,55 € und baten um Begleichung der Rechnung innerhalb von 14 Tagen. Mit Zahlungserinnerung vom 11. Juli 2016 (bei diesem Datum handelt es sich offenkundig um einen Schreibfehler, Anmerkung des Gerichts) forderten die Kläger den Beklagten auf, einen Betrag in Höhe von 1.708,55 € bis spätestens 17. September 2016 zu zahlen. Am 19. Oktober 2016 übermittelten die Kläger dem Beklagten eine „2. Mahnung“ und baten diesen um Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.769,76 € bis zum 29. Oktober 2016. Da der Beklagte hierauf nicht reagierte, übergaben die Kläger die Angelegenheit einem Rechtsanwalt, der den Beklagten mit Schreiben vom 24. Februar 2017 erneut mahnte und aufforderte, einen Betrag von 1.693,55 € nebst den Kosten seiner Inanspruchnahme in Höhe von 255,85 € bis zum 9. März 2017 zu begleichen.

4

Am 20. März 2017 haben die Kläger Klage erhoben. Sie tragen vor, der Beklagte sei offensichtlich nicht zahlungswillig, weshalb Klage geboten sei.

5

Die Kläger beantragen,

6

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.693,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 29. Oktober 2016 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 255,85 € zu zahlen.

7

Der nicht zur mündlichen Verhandlung erschienene Beklagte stellt keinen Antrag.

8

Er hat sich zur Sache inhaltlich nicht geäußert. Am Tage der mündlichen Verhandlung hat er kurz vor Verhandlungsbeginn mit einfacher E-Mail ein angehängtes PDF-Dokument eingereicht, das er eigenhändig unterschrieben hat. Darin hat er erklärt, er erkenne die Forderung der Kläger an.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der dazu eingereichten Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2017 verhandeln und entscheiden, da dieser rechtzeitig und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – geladen worden ist.

11

Das kurz vor Eintritt in die mündliche Verhandlung am 29. August 2017 eingegangene „Anerkenntnis“ des Beklagten hat keine Auswirkungen auf den Prozess. Bei einem Anerkenntnis handelt es sich um eine Prozesshandlung (vgl. Wolff in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 107 Rn. 23). Diese ist grundsätzlich nur wirksam, wenn das Anerkenntnis in der mündlichen Verhandlung erklärt wird. Gemäß § 101 Abs. 1 VwGO entscheidet das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung, soweit nichts anderes bestimmt ist. Das Einverständnis der Beteiligten, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist hier nicht erklärt worden.

12

Zwar kann ein Anerkenntnis gemäß § 307 Satz 2 ZivilprozessordnungZPO –, der gemäß § 173 Satz 1 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist, auch außerhalb einer mündlichen Verhandlung erfolgen (s. näher zu den Einzelheiten Musielak in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 307 Rn. 26). In diesem Fall ist das Anerkenntnis jedoch schriftlich zu erklären (vgl. Wolff in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 107 Rn. 23). Ob die erforderliche Schriftform eingehalten ist, wenn – wie hier – ein unterschriebenes Schriftstück eingescannt und als Datei im Portable-Document-Format (PDF) als Anhang per E-Mail an das Gericht gesandt wird, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt (vgl. dazu im Verwaltungsprozess einerseits bejahend OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. März 2015 – 14 A 2435/14 –, NVwZ-RR 2015, 923; andererseits verneinend OVG Sachsen, Beschluss vom 19. Oktober 2015 – 5 D 55/14 –, NVwZ-RR 2016, 404; VG Gera, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 2 E 254/15 Ge –, juris). Die Frage, ob der Beklagte hier ein wirksames Anerkenntnis außerhalb der mündlichen Verhandlung abgegeben hat, kann indessen offenbleiben. Denn der Erlass eines Anerkenntnisurteils setzt einen entsprechenden Antrag des Gegners voraus (Wolff in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 107 Rn. 24). Daran fehlt es hier, denn der Klägerbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2017 bewusst davon abgesehen, lediglich den Erlass eines Anerkenntnisurteils zu beantragen. Infolgedessen war über den geltend gemachten Anspruch der Kläger streitig zu entscheiden.

13

Die Klage ist zulässig (1.) und überwiegend begründet (2.).

14

1. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für die verfolgte Leistungsklage, da die Kläger den klageweise verfolgten Kostenerstattungsanspruch nicht durch Verwaltungsakt festsetzen und erheben können.

15

Als Öffentlich bestellte Vermessungsingenieurinnen und Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure (im Folgenden ÖbVI) sind die Kläger beliehene Unternehmer (s. schon zur alten Rechtslage OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Oktober 2003 – 12 A 10918/03 –, NVwZ-RR 2004, 552). Durch das Landesgesetz zur Änderung und Aufhebung von Vorschriften über das amtliche Vermessungswesen vom 5. April 2005 (GVBl. Seite 102) wurde ausdrücklich eine neue Rechtsgrundlage für die Beleihung der ÖbVI geschaffen. Insbesondere wurden mit dem zum 1. Juli 2005 neu in Kraft getretenen § 2 a des Landesgesetzes über das amtliche Vermessungswesen – LGVerm – vom 20. Dezember 2000 (GVBl. Seite 572), zuletzt geändert mit Gesetz vom 8. Oktober 2013 (GVBl. Seite 359) die Basisbestimmungen für die Beleihung der ÖbVI gesetzlich geregelt. Nach § 2 a Abs. 2 Satz 1 LGVerm können ÖbVI, soweit sie Aufgaben nach diesem Gesetz wahrnehmen, landesweit tätig werden und sind dabei Behörden im Sinne des § 2 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes – LVwVfG – (s. dazu auch Landtagsdrucksache 14/3755 Seite 10). Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 der aufgrund § 19 Abs. 2 LGVerm erlassenen Landesverordnung über die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurinnen und Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – ÖbVIVO – vom 22. Juni 2005 (GVBl. S. 249), zuletzt geändert mit Verordnung vom 20. Februar 2017 (GVBl. Seite 43) erbringen ÖbVI ihre Leistungen – hier nach § 15 LGVerm die Bestimmung von Flurstücksgrenzen – in einem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis.

16

Auch wenn § 2 a LGVerm bestimmt, dass die ÖbVI Behörden im Sinne des § 2 LVwVfG sind, bedeutet das nicht, dass sie sich zur Geltendmachung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs gegenüber dem Auftraggeber der Handlungsform eines Kostenbescheides bedienen dürfen. Zwar ist in der Rechtsprechung teilweise anerkannt, dass für den Erlass eines Kostenbescheids nicht ausnahmslos eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist (vgl. z.B. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 19. Juli 2007 – 1 L 68/06 –, juris). Für einen Beliehenen gelten diese Grundsätze indes nicht. Denn die Reichweite einer Beleihung lässt sich nur anhand ausdrücklicher oder enumerativer gesetzlicher Kompetenzzuweisungen ermitteln, wobei die bloße Übertragung von hoheitlichen Befugnissen auf den privaten Rechtsträger nicht zugleich auch die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes beinhaltet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 2009 – 6 S 131/08 –, juris). Wird der Beliehene in dem Beleihungsakt für ihm zustehende öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche hinsichtlich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht ausdrücklich zum Handeln durch Verwaltungsakt ermächtigt, ist er nicht befugt, diese Ansprüche durch einen Leistungsbescheid festzusetzen, sondern muss sie gegebenenfalls durch eine allgemeine Leistungsklage vor den Verwaltungsgerichten gerichtlich geltend machen (vgl. BayVGH, Urteil vom 9. November 1988 – 5 B 86.03300 –, BayVBl. 1989, 596). Eine solche ausdrückliche Ermächtigung der mit hoheitlichen Befugnissen beliehenen ÖbVI zum Erlass eines Verwaltungsaktes zur Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs enthält weder das Landesgesetz über das amtliche Vermessungswesen noch § 23 ÖbVIVO. § 19 Abs. 2 Nr. 9 LGVerm ermächtigt das fachlich zuständige Ministerium, für die ÖbVI durch Rechtsverordnung Regelungen zu treffen über die Vergütung unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Tätigkeit, des Wertes des Gegenstandes und der Schwierigkeit der Arbeiten sowie die Art und den Umfang der nicht in die Vergütung einbezogenen Auslagen. Dementsprechend bestimmt § 23 Abs. 1 ÖbVIVO, dass die ÖbVI für die Wahrnehmung ihres öffentlichen Amts öffentlich-rechtliche Vergütungen und Auslagen erhalten. Für die Bemessung finden, vorbehaltlich der Regelungen in den Absätzen 2 und 3, § 1 Abs. 2, die §§ 2, 3, 7 und 8 und die Anlage der Landesverordnung über die Gebühren der Vermessungs- und Katasterbehörden und der Gutachterausschüsse (Besonderes Gebührenverzeichnis) – VermGebV – vom 14. Juni 2014 (GVBl. Seite 87) in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung. Die in § 1 Abs. 1 VermGebV für Vermessungs- und Katasterbehörden und die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte eingeräumte Befugnis, für Amtshandlungen, öffentlich-rechtliche Dienstleistungen und die Benutzung ihrer Einrichtungen Gebühren und Auslagen nach dem anliegenden Besonderen Gebührenverzeichnis und den übrigen Bestimmungen dieser Verordnung zu „erheben“ (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Mai 2009 – 2 L 78/08 –, juris, wonach die Befugnis zur „Erhebung“ der Kosten eine Verwaltungsaktbefugnis beinhaltet), wird jedoch gerade nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Folglich kann ein ÖbVI eine im Rahmen einer vorgenommenen Amtshandlung anfallende Vergütung, anders als die Vermessungs- und Katasterbehörden sowie die Gutachterausschüsse für Grundstückswerte selbst nicht durch Gebührenbescheid geltend machen und im Wege der Verwaltungsvollstreckung beitreiben. Vielmehr ist er darauf angewiesen, darüber eine Rechnung zu erstellen und seine Forderung, falls der Schuldner nicht zahlt, im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machen (s. auch VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 19. August 2014 – 5 K 1017/13.NW –, juris).

17

2. Die Leistungsklage hat in der Sache auch im Wesentlichen Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung (2.1.) und die damit im Zusammenhang stehenden Zinsen (2.2.). Jedoch stehen ihnen nicht die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu (2.3.).

18

2.1. Der Vergütungsanspruch beruht auf den Vorschriften der Landesverordnung über die Gebühren der Vermessungs- und Katasterbehörden und der Gutachterausschüsse (Besonderes Gebührenverzeichnis) vom 14. Juni 2014 in der bis zum 31. August 2016 gültigen Fassung.

19

2.1.1. Die Anwendbarkeit dieser Gebührenverordnung ergibt sich aus § 23 ÖbVIVO in der vom 29. November 2014 bis 30. April 2017 gültigen Fassung. Danach erhalten diese Ingenieure für die Wahrnehmung ihres öffentlichen Amts – nämlich als „sonstige öffentliche Vermessungsstelle“ im Sinne von § 2 Abs. 2 LGVerm Vergütungen und Auslagen. Für die Bemessung finden – vorbehaltlich bestimmter, hier nicht einschlägiger – Regelungen die §§ 2, 3, 7 und 8 VermGebV samt Anlage entsprechende Anwendung.

20

2.1.2. Hier nahmen die Kläger eine Teilungsvermessung des 983 m² großen Grundstücks Flurstück-Nr. ... in W vor, aus dem inzwischen die beiden Grundstücke Flurstück-Nr. … (mit 490 m²) und Flurstück-Nr. ... (mit 493 m²) hervorgegangen sind. Bei einer Teilungsvermessung wird ein bestehendes Grundstück in sich durch neue Grenzen unterteilt.

21

Damit handelte es sich um eine Bestimmung von Flurstücksgrenzen nach § 15 Abs. 1 LGVerm. Danach wird der Verlauf von neuen oder bestehenden Flurstücksgrenzen auf Antrag oder von Amts wegen festgestellt. Bereits festgestellte Flurstücksgrenzen oder einzelne Grenzpunkte einer bereits festgestellten Flurstücksgrenze können auf Antrag durch Wiederherstellung in die Örtlichkeit übertragen werden. Die Nachweise über die Feststellung oder Wiederherstellung der Flurstücksgrenzen sind in das Liegenschaftskataster zu übernehmen. Dieser Aufgabe sind die Kläger vorliegend nachgekommen. Sie haben mit der sog. Grenzniederschrift (s. § 17 Abs. 2 LGVerm) außerdem einen Verwaltungsakt erlassen (s. etwa OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Juni 2014 – 5 U 528/14 –, NVwZ-RR 2015, 89), wozu sie als mit hoheitlichen Aufgaben Beliehene befugt waren (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Oktober 2003 – 12 A 10918/03 –, NVwZ-RR 2004, 552).

22

2.1.3. Die Forderung ist auch der Höhe nach berechtigt.

23

Die Kläger haben sich hier in vollem Umfang an die entsprechenden Kostenstellen im Besonderen Gebührenverzeichnis vom 14. Juni 2014 gehalten. Sie haben ihrer Rechnung vom Juli 2016 eine Kostenaufstellung beigefügt, die auf dem Besonderen Gebührenverzeichnis basiert, die dort vorgegebenen Einzelgebühren wiedergibt und nur in je einer zusätzlichen Rubrik den für den konkreten Fall berechneten Gesamtbetrag angibt. Unter Ziffer 10.9 ist der Bodenwert des vermessenen Grundstücks mit dem Wertfaktor von 1,1 berücksichtigt. Dieser gilt für Bodenwerte zwischen 20.000 bis 40.000 €. Dass dies übersetzt sein könnte, ist nicht ersichtlich. Schließlich ist auch die den ÖbVI gemäß § 25 Abs. 3 ÖbVIVO zustehende Umsatzsteuer korrekt angesetzt.

24

2.2. Die Kläger haben auch einen Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen.

25

2.2.1. Für die Zeit seit der Rechtshängigkeit – hier Klageeingang am 20. März 2017 – stehen den Klägern Zinsen auf den eigentlichen Vergütungsanspruch in der geltend gemachten Höhe als Prozesszinsen in entsprechender Anwendung von § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches GesetzbuchBGB – zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 – 9 C 1/16 –, juris).

26

2.2.2. Eine darüber hinausgehende Verzinsung ist unter dem Gesichtspunkt des Verzugs in entsprechender Anwendung der §§ 56, 62 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – i.V.m. §§ 286, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Zwar gibt es keinen Rechtssatz des Inhalts, dass öffentlich-rechtliche Forderungen bei verspäteter Leistung grundsätzlich zu verzinsen seien. Vielmehr bedürfen Verzugszinsen bei öffentlich-rechtlichen Ansprüchen grundsätzlich einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2014 – 2 A 8/13 –, NVwZ 2014, 1166). Die hier einschlägigen §§ 23 – 25 ÖbVIVO enthalten jedoch keine besonderen Regelungen über die Frage, welche Ansprüche dem ÖbVI zustehen, wenn seine in Rechnung gestellte Vergütung verspätet gezahlt wird.

27

Aufgrund des oben dargestellten vertragsähnlichen Charakters der Rechtsbeziehung zwischen privatem Auftraggeber und ÖbVI ist es aber gerechtfertigt, wie bei einem öffentlich-rechtlichen Vertrag auf die entsprechenden Vorschriften des Zivilrechts zurückzugreifen (so schon VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 24. Juli 2006 – 5 K 529/06.NW –, juris). Auch wenn es sich bei dem aufgrund eines Auftrags oder Antrags zustande gekommenen Verhältnis zwischen den Klägern und dem Beklagten nicht um einen gegenseitigen (öffentlichen-rechtlichen) Vertrag im strengen Sinne der §§ 54 ff. VwVfG handelt, besteht doch ein vertragsähnliches Austauschverhältnis. Von dem ÖbVI wird eine Leistung – z.B. Vermessung, Abmarkung – erwartet, für die ihm, sobald er sie ordnungsgemäß erbracht hat, als Gegenleistung die Vergütung zusteht, die er in Rechnung stellt. Bei säumiger Zahlung ist der ÖbVI darauf verwiesen, seinen Anspruch mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen, da er – wie dargelegt, auch seinen öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch nicht durch – sofort vollziehbaren – Verwaltungsakt geltend machen kann. Wenn er den Verzug seines Schuldners sanktionslos hinnehmen müsste, hätte er aus dem Umstand, dass er hoheitliche Tätigkeit als Beliehener ausübt, gegenüber einer rein privatrechtlichen Tätigkeit Nachteile. Dies ist nicht zu rechtfertigen.

28

Folglich haben die Kläger einen Anspruch auf Verzugszinsen ab dem 29. Oktober 2016. Der Verzug wurde durch eine Mahnung der Kläger nach Fälligkeit der Leistung gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB (entsprechend) begründet. Als solche Mahnung ist nicht erst das Anwaltsschreiben vom 24. Februar 2017, sondern schon die von den Klägern selbst verfasste „2. Mahnung“ vom 19. Oktober 2016 anzusehen. Eine Mahnung setzt eine eindeutige und bestimmte Aufforderung an den Schuldner voraus, mit der der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt (BGH, Urteil vom 10. März 1998 – X ZR 70/96 –, NJW 1998, 2132, 2133). Dies war hier der Fall.

29

2.3. Soweit die Kläger von dem Beklagten ferner die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 255,85 € fordern, haben sie diese schon mangels Rechtsgrundlage für diesen Anspruch selbst zu tragen. Eine Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kommt im Verwaltungsprozess nur stark eingeschränkt nach Maßgabe von § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO in Betracht. Danach sind, soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Nachdem hier vor Erhebung der Klage ein Widerspruchsverfahren im Sinne der §§ 68 ff. VwGO nicht durchgeführt wurde, kann diese Regelung in der vorliegenden Sache nicht zum Tragen kommen. Schaltet ein Kläger bereits vor Klageerhebung vor dem Verwaltungsgericht einen Rechtsanwalt in einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ein, hat er diese Kosten grundsätzlich selbst zu tragen (vgl. VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 8. Dezember 2016 – 3 K 104/16.NW –, juris m.w.N.).

30

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Beschluss

31

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.949,40 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG –).

32

Dabei entfallen 1.693,55 € auf den von den Klägern geltend gemachten Vergütungsanspruch aus der Rechnung vom 11. Juli 2016 sowie 255,85 € auf die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Dagegen bleiben die Zinsen außer gemäß § 43 Abs. 1 GKG Betracht, da diese hier lediglich als Nebenforderungen betroffen sind (vgl. auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Dezember 2012 – 13 K 3741/11 –, juris).

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

Das Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2012 - 2 K 1744/11 - geändert. Die Bescheide der Beklagten vom 23.11.2010 und deren Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011 werden auch insoweit aufgehoben, als die Beklagte bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 75 einen Kostenersatz in Höhe von 1.387,87 EUR und bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 77 in Höhe von 1.463,31 EUR festgesetzt hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenersatz für die Herstellung eines Kanalanschlusses.
Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke Neustädter Straße 75 (FIst.-Nr. 5538/4) und 77 (FIst.-Nr. 5538/3) auf der Gemarkung der Beklagten. Ursprünglich hatten beide Grundstücke zusammen mit weiteren benachbarten Grundstücken ein großes Grundstück gebildet, das im Eigentum der Beklagten gestanden hatte. Ende der 1950er Jahre wurde dieses ursprüngliche Grundstück in insgesamt sechs Einzelgrundstücke (Neustädter Straße 71 bis 81) aufgeteilt. Die Beklagte ist Eigentümerin des sich in nordöstlicher Richtung entlang dieser Grundstücke erstreckenden Geländestreifens (FIst.-Nr. 5550/1).
Das Grundstück FIst.-Nr. 5550/1 unterteilt sich in zwei Teile: Die südwestlich an die Grundstücke der Neustädter Straße 71, 73, 75, 77, 79, 81 angrenzende Seite ist an die jeweiligen Eigentümer der Anwesen verpachtet und wird als Vorgarten genutzt, während sich auf der nordöstlich zur Straße zugewandten Seite ein öffentlicher Gehweg befindet. Im südwestlichen - als Vorgarten genutzten - Teil des Grundstücks verläuft ein in den 1950er Jahren errichteter Abwasserkanal. Die Entwässerung der bebauten Grundstücke (Neustädter Straße 71, 73, 75, 77, 79, 81) verläuft über zum gemeinsamen Abwasserkanal führende Anschlussleitungen.
Nachdem sich die Sanierungsbedürftigkeit des Kanals herausstellte, verlegte die Beklagte einen neuen Kanal parallel zu dem bestehenden Kanal, da eine unterirdische Sanierung der Entwässerungsleitung nicht möglich sei. Der neu errichtete Kanal verläuft ca. 50 cm nordöstlich des alten Kanals parallel zur Neustädter Straße in dem als Vorgarten genutzten Bereich des Grundstücks FIst.-Nr. 5550/1.
Mit Bescheiden vom 23.11.2010, zugestellt am 23.11.2010, erhob die Beklagte für das Grundstück Neustädter Straße 75 (FIst.-Nr. 5538/4) einen Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 8.062,87 EUR und für das Grundstück Neustädter Straße 77 (FIst.-Nr. 5538/3) in Höhe von 8.138,31 EUR für die Herstellung des neuen Kanals.
Dabei hat sich die Beklagte auf ihre Abwassersatzung - AbwS - vom 29.03.1979 gestützt, die vor Erlass der Bescheide zuletzt am 01.04.2010 geändert worden war. Diese enthielt u.a. folgende Regelungen:
§ 2 Begriffsbestimmungen

(2) Zentrale öffentliche Abwasseranlagen sind insbesondere die öffentlichen Kanäle, Regenrückhaltebecken, Regenüberlauf- und Regenklärbecken, Abwasserpumpwerke und Kläranlagen sowie offene und geschlossene Gräben, soweit sie von der Stadt zur öffentlichen Abwasserbeseitigung benutzt werden. …
Zu den zentralen öffentlichen Abwasseranlagen gehört auch der Teil der Hausanschlussleitung, der im Bereich der öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen verläuft (Grundstücksanschluss).
10 

(4) Grundstücksentwässerungsanlagen sind alle Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung, die nicht Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage sind.
11 
§ 8 Grundstücksanschlüsse
12 
(1) Grundstücksanschlüsse (§ 2 Abs. 2) werden ausschließlich von der Stadt hergestellt, unterhalten, erneuert, geändert, abgetrennt und beseitigt.
13 
(5) Der Stadt sind vom Grundstückseigentümer zu erstatten:
14 
a) Die Kosten der Herstellung, Unterhaltung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung der Grundstücksanschlüsse;
15 

(6) Der Erstattungsanspruch entsteht mit der endgültigen Herstellung des Grundstücksanschlusses, im Übrigen mit der Beendigung der Maßnahme. Der Erstattungsanspruch wird innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Abgabenbescheids fällig.
16 
§ 11 Herstellung, Änderung und Unterhaltung der Grundstücksentwässerungsanlagen,
Sicherung gegen Rückstau
17 
(1) Die Grundstücksentwässerungsanlagen sind vom Grundstückseigentümer auf seine Kosten herzustellen, zu unterhalten, und nach Bedarf gründlich zu reinigen.
18 
(2) Der Grundstückseigentümer hat die Verbindung der Grundstücksentwässerungsanlagen mit den öffentlichen Abwasseranlagen im Einvernehmen mit der Stadt herzustellen. …
19 
Mit Schreiben vom 30.11.2010 wandte sich die Klägerin unter Bezugnahme auf die „Leistungsbescheide Kanalanschluß“ persönlich an den Oberbürgermeister der Beklagten. Darin führte sie unter anderem aus: „Warum wurde ein Leistungsbescheid erstellt? Lt. Abwassersatzung […] ist die Geltendmachung der Kosten nur zivilrechtlich möglich.“ In einem weiteren Schreiben vom 02.12.2010 warf sie - nach einem wohl erfolgten zwischenzeitlichen Gespräch - insbesondere Fragen zur Höhe der Rechnungssumme aus und fügte ein von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholtes Rechtsgutachten bei. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass für den Teil des Kanals, der unter der nicht als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeten „Vorgartenfläche“ liege, (lediglich) „zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen“ für einen Kostenersatz für die Sanierung des Kanals bestehen.
20 
Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin zudem am 27.12.2010 durch ihren mittlerweile bestellten Bevollmächtigten ausdrücklich Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011, zugestellt am 14.04.2011, als unzulässig zurückwies. Die Frist des § 70 VwGO sei am 23.12.2010 abgelaufen und der Widerspruch daher verfristet. „Hilfsweise" führte sie weiter aus, die Rechtsgrundlage für die Erhebung der streitigen Leistungsbescheide ergebe sich aus § 8 Abs. 5 lit. a AbwS. Sie habe den Kanal nicht saniert, sondern neu verlegt und somit erstmals für die Grundstücke Neustädter Straße 71 bis 81 einen gemeinsamen Grundstücksanschluss hergestellt, der die privaten Grundstücksentwässerungsanlagen mit dem öffentlichen Kanal verbinde.
21 
Auf die am 13.05.2011 erhobene Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 12.12.2012 aufgehoben, soweit darin ein Erstattungsbetrag von mehr als 1.387,87 EUR für das Grundstück Neustädter Straße 75 und von mehr als 1.463,31 EUR für das Grundstück Neustädter Straße 77 festgesetzt wird; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Die angefochtenen Bescheide vom 23.11.2010 seien nicht bestandskräftig geworden. Das Schreiben der Klägerin an den Oberbürgermeister vom 30.11.2010 - „ergänzt durch ein Schreiben vom 01.12.2012“ - sei als Widerspruch auszulegen. Als Widerspruch i.S.d. §§ 69, 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO sei jede Äußerung zu verstehen, durch die der Betroffene zu erkennen gebe, mit der getroffenen Entscheidung oder Maßnahme nicht einverstanden zu sein. Im Zweifel seien Erklärungen nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass der Betreffende denjenigen Rechtsbehelf einlegen wolle, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspreche. Die Schreiben der Klägerin erfüllten diese Mindestanforderungen. Sie nehme in ihren Schreiben explizit Bezug auf den Leistungsbescheid und erhebe Einwendungen zur Frage der Rechtmäßigkeit, deren Beantwortung sie vor Fälligkeit der Rechnungen erbitte. Aus der Auslegung der Schreiben werde deutlich, dass sie sich gegen ihre Heranziehung als Beitragspflichtige wende. Die Beklagte hätte bei bestehenden Zweifeln an der Einordnung des klägerischen Schreibens durch Rückfragen auf eine Klarstellung hinwirken müssen.
22 
Die Klage sei insoweit begründet, als die Beklagte eine Kostenerstattung für die Erneuerung des gemeinsamen Grundstücksanschluss für das Grundstück Neustädter Straße 75 und für das Grundstück Neustädter Straße 77 - jeweils in Höhe von 6.675,00 EUR - geltend mache. Das Satzungsrecht der Beklagten genüge für eine Kostenerstattung von Maßnahmen an einem gemeinsamen Grundstücksanschluss den Erfordernissen der §§ 2 und 42 KAG in wesentlichen Grundlagen nicht, da die Satzung keine Regelung enthalte, in welchem Umfang mehrere Eigentümer für die Kosten von Maßnahmen an einem gemeinsamen Grundstücksanschluss erstattungspflichtig seien.
23 
Soweit die Beklagte die Kosten für die von dem gemeinsamen Grundstücksanschluss zum Grundstück abzweigenden Anschlussleitungen bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 75 in Höhe von 1.387,87 EUR und bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 77 in Höhe von 1.463,31 EUR geltend mache, seien die Bescheide hingegen rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 5 lit. a AbwS seien erfüllt. Insbesondere stelle der sanierte Kanal einen Grundstücksanschluss im Sinne der Satzung dar. Unter Hausanschluss im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 1 KAG werde allgemein die Verbindung des Verteilungsnetzes mit der angeschlossenen baulichen oder sonstigen Anlage verstanden, die an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes beginne und mit der Hauptabsperrvorrichtung ende. Der Hausanschluss umfasse auch den Grundstücksanschluss, d. h. den Teil der genannten Verbindung, der abzweigend von der Hauptleitung bis zur Grundstücksgrenze des Anschlussnehmers reiche. Für die Abgrenzung der beiden Begriffe sei es wesentlich, dass ersterer im öffentlichen Raum verlaufe und der Hausanschluss im Privatbereich. Demnach zähle bei Hinterliegergrundstück- en, bei denen die Anschlussleitung über ein privates Grundstück geführt werde, die Leitungsstrecke von der Grenze Straße/Vorderliegergrundstück bis zum Prüfschacht des Hinterliegergrundstücks zum Hausanschluss; vorliegend jedoch zum Grundstücksanschluss, da die Satzung lediglich eine Kostenerstattung des Grundstücksanschlusses vorsehe. Die auf § 42 KAG beruhende Regelung in § 2 Abs. 2 AbwS sei in gleichem Sinne auszulegen. Der Wortlaut stehe dieser Auslegung nicht entgegen, da in der Satzung lediglich entsprechend den obigen Ausführungen klargestellt werde, dass auch der Teil der Hausanschlussleitung, der im Bereich der öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen verlaufe (Grundstücksanschluss), zu den öffentlichen Abwasseranlagen gehöre. Da das klägerische Grundstück nicht an eine öffentliche Straße grenze, sondern an das im Privateigentum der Beklagten stehende Grundstück, müsse auch die zur öffentlichen Straße führende Anschlussleitung zum Grundstücksanschluss zählen.
24 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich - soweit darin die Klage abgewiesen wird - die vom Senat mit Beschluss vom 06.05.2013 zugelassene Berufung der Klägerin. Zu deren Begründung macht diese geltend, die Auslegung des Begriffs des Grundstücksanschlusses durch das Verwaltungsgericht stehe nicht im Einklang mit der Satzung. Aus § 2 Abs. 4 AbwS gehe eindeutig hervor, dass alle Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung, welche nicht Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage seien, Grundstücksentwässerungsanlagen darstellten.
25 
Die Klägerin beantragt,
26 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2012 - 2 K 1744/12 - zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 23.11.2010 und deren Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011 auch insoweit aufzuheben, als die Beklagte bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 75 einen Kostenersatz in Höhe von 1.387,87 EUR und bezüglich des Grundstücks Neustädter Straße 77 in Höhe von 1.463,31 EUR festgesetzt hat.
27 
Die Beklagte beantragt,
28 
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
29 
Sie macht ergänzend geltend, die Definition des Grundstücksanschlusses in § 2 Abs. 2 Satz 2 AbwS beziehe sich auf den Regelfall, wonach ein angeschlossenes Grundstück direkt an die Straße grenze und die Hausanschlussleitung von der Grundstücksgrenze bis zu dem unterhalb des öffentlichen Straßenbereichs liegenden Kanal führe. In einem solchen Fall teile sich der Hausanschluss als Oberbegriff in einen im öffentlichen Verkehrsbereich verlaufenden Grundstücksanschluss und eine im Privatgrundstücksbereich liegende Entwässerungsanlage. Im Hinblick auf diesen Regelfall seien Grundstücksentwässerungsanlagen im Sinne von § 2 Abs. 4 AbwS alle Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung, soweit sie nicht einen Bestandteil der öffentlichen Abwasseranlage darstellten. Von diesem Regelfall abweichend gebe es Grundstücksanschlüsse, die eine Verbindung zwischen dem in der öffentlichen Straße liegenden Kanal und der Grundstücksentwässerungsanlage schafften, wenn das anzuschließende Grundstück nicht unmittelbar an eine öffentliche Straße angrenze. Dann müsse die Anschlussleitung von dem jeweiligen angeschlossenen Grundstück über ein Privatgrundstück geführt werden - im vorliegenden Fall über das im Eigentum der Beklagten liegende Grundstück. In der Rechtsprechung sei für einen solchen Fall anerkannt, dass diese Strecke bis zur Grundstücksgrenze des Anschlussnehmers zum Grundstücksanschluss gehöre.
30 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten und des Verwaltungsgerichts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
31 
Nach §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
32 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das verwaltungsgerichtliche Urteil nur insoweit, als darin die Klage abgewiesen wird. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
I.
33 
Die Berufung ist zulässig. Zwar problematisiert die Beklagte zu Recht die Frage, ob der Schriftsatz der Klägerin vom 21.05.2013 eine ordnungsgemäße Begründung der Berufung darstellt. Dies ist jedoch im Ergebnis unbeachtlich, da die Klägerin mit dem am 12.06.2013 noch innerhalb der Monatsfrist (Zustellung des Zulassungsbeschlusses: 16.05.2013) eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag eine den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende Begründung vorgelegt hat.
II.
34 
Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.
35 
1. Die Klage ist zulässig, obwohl der durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausdrücklich erhobene Widerspruch vom 27.12.2010 verfristet war, nachdem die angefochtenen Bescheide der Klägerin bereits am 23.11.2010 zugestellt worden waren. Denn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - bereits das persönlich von der Klägerin verfasste Schreiben vom 30.11.2010, das an den Oberbürgermeister der Beklagten gerichtet war, stellt einen Widerspruch i.S.v. 69, 70 Abs. 1 VwGO dar.
36 
Die VwGO enthält keine ausdrücklichen Anforderungen an den Inhalt eines Widerspruchs. Er muss insbesondere nicht als solcher bezeichnet werden. Es genügt, wenn der Betroffene deutlich macht, dass er sich von der angegriffenen Maßnahme beschwert fühlt, sich deshalb dagegen wehrt und die Überprüfung sowie Aufhebung der Maßnahme begehrt. Für die Auslegung der Erklärung ist nach den im öffentlichen Recht entsprechend anzuwendenden §§ 133, 157 BGB maßgebend, wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstanden werden musste. Zu berücksichtigen sind grundsätzlich alle Umstände, die dem Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennbar waren. Verbleibende Zweifel sind durch Rückfrage zu klären. Bei der Auslegung ist auch „erfolgsorientiert“ - insbesondere zugunsten des nicht anwaltlich vertretenen Bürgers - davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der seinen Interessen entspricht und den erkennbar angestrebten Erfolg erreichen kann (vgl. Dolde/Porsch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 69 Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 12.12.2001 - 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302; allg. zur Auslegung von Erklärungen im Vorverf.: Senatsurteil vom 07.01.2013 - 2 S 2120/12 - NVwZ-RR 2013, 398).
37 
Gemessen hieran ist das Schreiben der Klägerin vom 30.11.2010 als Widerspruch auszulegen. Sie nimmt in ihrem Schreiben Bezug auf die angefochtenen Leistungsbescheide und erhebt in der Sache - wenn auch zum Teil in die äußere Form von Fragen gekleidet - Einwendungen gegen deren Rechtmäßigkeit. Dadurch wird hinreichend deutlich, dass die damals noch nicht anwaltlich vertretene Klägerin letztlich deren Überprüfung und Aufhebung begehrt hat. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das weitere Schreiben der Klägerin vom 02.12.2010, dem ein von der Beklagten erstelltes oder eingeholtes Rechtsgutachten beigefügt war, in dem eine Kostenerstattungspflicht der Klägerin verneint wird. Die Beklagte hätte bei dieser Sachlage - so zu Recht das Verwaltungsgericht - allen Anlass gehabt, bei verbleibenden Zweifeln an der Einordnung dieses Schreibens jedenfalls durch Rückfragen bei der Klägerin auf eine Klarstellung hinzuwirken. Dass dies nicht geschehen ist, kann im Ergebnis nicht zu Lasten der Klägerin gehen.
38 
2. Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 23.11.2010 und deren Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011 sind insgesamt rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der in den angefochtenen Bescheiden verfügte Kostenersatz findet in der Satzung der Beklagten keine Rechtsgrundlage.
39 
a) Abzustellen ist auf die Fassung der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 29.03.1979, die sie durch die Änderung vom 04.03.2010 erfahren hat (im Folgenden: AbwS). Da der Kostenerstattungsanspruch für die Erneuerung eines Grundstücksanschlusses gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 KAG mit der Beendigung der Maßnahme entsteht (§ 42 Abs. 2 Satz 1 KAG), ist auf die zu diesem Zeitpunkt gültige Satzung abzustellen. Spätere Satzungsänderungen sind nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Gössl in Gössl/Reif, KAG BW, § 42 Nr. 3.6). Daher bleiben die am 15.11.2012 mit Wirkung zum 01.01.2013 erfolgten Änderungen der Satzung für den vorliegenden Fall außer Betracht.
40 
b) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin nach § 8 Abs. 5 lit. a AbwS zu den Kosten für die Sanierung eines Abwasserkanals herangezogen werden könne. Es handle sich hierbei um einen Grundstücksanschluss im Sinne dieser Vorschrift, obwohl die Anschlussleitung über ein privates Grundstück geführt werde.
41 
Dies trifft - wie die Klägerin zu Recht geltend macht - nicht zu.
42 
Nach § 8 Abs. 5 lit. a AbwS hat der Grundstückseigentümer der Stadt die Kosten für die Herstellung, Unterhaltung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung der Grundstücksanschlüsse zu erstatten. Hiernach besteht ausschließlich für den Grundstücksanschluss eine Kostenersatzpflicht. Dieser Begriff wird unterschiedlich verstanden und auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz nicht näher definiert (vgl. dazu Dietzel in Driehaus, KAG § 10 Rn. 13 ff.; Gössl/Reif, KAG, § 42 Nr. 1.2.2). Daher ist maßgeblich auf die einschlägige(n) Satzungsbestimmung(en) abzustellen. Zur öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gehört nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS, auf die in § 8 Abs. 1 AbwS ausdrücklich Bezug genommen wird, lediglich der Teil des Hausanschlusses, der im öffentlichen Verkehrsraum verläuft; ausschließlich dieser Teil des Hausanschlusses wird in dieser Norm explizit als Grundstücksanschluss definiert. Demgegenüber bestimmt § 2 Abs. 4 AbwS, dass (private) Grundstücksentwässerungsanlagen alle Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung sind, die nicht Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage sind. Aus dem Zusammenspiel dieser Vorschriften zeigt sich deutlich, dass der Satzungsgeber zwischen den öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen, die im öffentlichen Verkehrsraum verlaufen und als Grundstücksanschlüsse bezeichnet werden, auf der einen Seite und den nicht im öffentlichen Verkehrsraum befindlichen privaten Anlagen der Grundstücksentwässerung auf der anderen Seite unterscheidet. Allein dieses Verständnis steht auch in Einklang mit der in § 11 Abs. 1 und 2 AbwS getroffenen Regelung. Danach obliegt dem Grundstückseigentümer die Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlagen bis zur Verbindung mit den öffentlichen Abwasseranlagen. Dabei wird nicht danach differenziert, ob das angeschlossene Grundstück unmittelbar an den öffentlich gewidmeten Straßenraum - und damit zugleich an die öffentlichen Abwasseranlagen angrenzt - oder ob es sich um ein Hinterliegergrundstück handelt. Daher ist es nur folgerichtig, dass die Satzung der Beklagten für den im privaten Raum verlaufenden Teil der Leitung keine Kostenersatzpflicht des Grundstückseigentümers begründet, da ihm ohnehin deren Herstellung obliegt. Demzufolge fehlt es hier an einer satzungsrechtlichen Kostenersatzpflicht der Klägerin.
43 
Diese Auffassung wird im Übrigen auch in einem Rechtsgutachten vertreten, das die Beklagte im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Ob der Beklagten zivilrechtliche Ausgleichsansprüche gegen die Klägerin zustehen, wie in diesem Gutachten weiter vertreten wird, kann dahinstehen, da jedenfalls keine Befugnis der Beklagten bestünde, diese in hoheitlicher Form durch Verwaltungsakt geltend zu machen.
44 
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte schließlich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 04.06.1997 - 8 E 910/96 - (NVwZ-RR 1998, 453). Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil sie zum hessischen Landesrecht und zu einer darauf beruhenden Satzung ergangen ist. Daher verwendet das Verwaltungsgericht Gießen offenkundig auch andere Begrifflichkeiten als das Satzungsrecht der Beklagten. Das Verwaltungsgericht Gießen bezeichnet den Teil der Anschlussleitung, der zur öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gehört, als allgemeine Versorgungsleitung, und den Teil der Anschlussleitung, der über das Grundstück des Anschlussnehmers oder eines Dritten verläuft, als Grundstücksanschluss. Dies unterscheidet sich jedoch grundlegend von den Begriffsbestimmungen, die die Satzung der Beklagten verwendet, denn nach § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS ist der Grundstücksanschluss als der Teil des Hausanschlusses definiert, der im Bereich der öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen - also gerade nicht über das Grundstück des Anschlussnehmers oder eines Dritten - verläuft.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
46 
Beschluss vom 03. Dezember 2013
47 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.851,18 EUR festgesetzt (§§ 47 Nr. 1, 52 Abs. 3 GKG).
48 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
31 
Nach §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
32 
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das verwaltungsgerichtliche Urteil nur insoweit, als darin die Klage abgewiesen wird. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.
I.
33 
Die Berufung ist zulässig. Zwar problematisiert die Beklagte zu Recht die Frage, ob der Schriftsatz der Klägerin vom 21.05.2013 eine ordnungsgemäße Begründung der Berufung darstellt. Dies ist jedoch im Ergebnis unbeachtlich, da die Klägerin mit dem am 12.06.2013 noch innerhalb der Monatsfrist (Zustellung des Zulassungsbeschlusses: 16.05.2013) eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag eine den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende Begründung vorgelegt hat.
II.
34 
Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.
35 
1. Die Klage ist zulässig, obwohl der durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausdrücklich erhobene Widerspruch vom 27.12.2010 verfristet war, nachdem die angefochtenen Bescheide der Klägerin bereits am 23.11.2010 zugestellt worden waren. Denn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - bereits das persönlich von der Klägerin verfasste Schreiben vom 30.11.2010, das an den Oberbürgermeister der Beklagten gerichtet war, stellt einen Widerspruch i.S.v. 69, 70 Abs. 1 VwGO dar.
36 
Die VwGO enthält keine ausdrücklichen Anforderungen an den Inhalt eines Widerspruchs. Er muss insbesondere nicht als solcher bezeichnet werden. Es genügt, wenn der Betroffene deutlich macht, dass er sich von der angegriffenen Maßnahme beschwert fühlt, sich deshalb dagegen wehrt und die Überprüfung sowie Aufhebung der Maßnahme begehrt. Für die Auslegung der Erklärung ist nach den im öffentlichen Recht entsprechend anzuwendenden §§ 133, 157 BGB maßgebend, wie diese vom Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsauffassung verstanden werden musste. Zu berücksichtigen sind grundsätzlich alle Umstände, die dem Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennbar waren. Verbleibende Zweifel sind durch Rückfrage zu klären. Bei der Auslegung ist auch „erfolgsorientiert“ - insbesondere zugunsten des nicht anwaltlich vertretenen Bürgers - davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der seinen Interessen entspricht und den erkennbar angestrebten Erfolg erreichen kann (vgl. Dolde/Porsch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 69 Rn. 4; BVerwG, Urteil vom 12.12.2001 - 8 C 17.01 - BVerwGE 115, 302; allg. zur Auslegung von Erklärungen im Vorverf.: Senatsurteil vom 07.01.2013 - 2 S 2120/12 - NVwZ-RR 2013, 398).
37 
Gemessen hieran ist das Schreiben der Klägerin vom 30.11.2010 als Widerspruch auszulegen. Sie nimmt in ihrem Schreiben Bezug auf die angefochtenen Leistungsbescheide und erhebt in der Sache - wenn auch zum Teil in die äußere Form von Fragen gekleidet - Einwendungen gegen deren Rechtmäßigkeit. Dadurch wird hinreichend deutlich, dass die damals noch nicht anwaltlich vertretene Klägerin letztlich deren Überprüfung und Aufhebung begehrt hat. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das weitere Schreiben der Klägerin vom 02.12.2010, dem ein von der Beklagten erstelltes oder eingeholtes Rechtsgutachten beigefügt war, in dem eine Kostenerstattungspflicht der Klägerin verneint wird. Die Beklagte hätte bei dieser Sachlage - so zu Recht das Verwaltungsgericht - allen Anlass gehabt, bei verbleibenden Zweifeln an der Einordnung dieses Schreibens jedenfalls durch Rückfragen bei der Klägerin auf eine Klarstellung hinzuwirken. Dass dies nicht geschehen ist, kann im Ergebnis nicht zu Lasten der Klägerin gehen.
38 
2. Die Klage ist auch begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 23.11.2010 und deren Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011 sind insgesamt rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der in den angefochtenen Bescheiden verfügte Kostenersatz findet in der Satzung der Beklagten keine Rechtsgrundlage.
39 
a) Abzustellen ist auf die Fassung der Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 29.03.1979, die sie durch die Änderung vom 04.03.2010 erfahren hat (im Folgenden: AbwS). Da der Kostenerstattungsanspruch für die Erneuerung eines Grundstücksanschlusses gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 KAG mit der Beendigung der Maßnahme entsteht (§ 42 Abs. 2 Satz 1 KAG), ist auf die zu diesem Zeitpunkt gültige Satzung abzustellen. Spätere Satzungsänderungen sind nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Gössl in Gössl/Reif, KAG BW, § 42 Nr. 3.6). Daher bleiben die am 15.11.2012 mit Wirkung zum 01.01.2013 erfolgten Änderungen der Satzung für den vorliegenden Fall außer Betracht.
40 
b) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin nach § 8 Abs. 5 lit. a AbwS zu den Kosten für die Sanierung eines Abwasserkanals herangezogen werden könne. Es handle sich hierbei um einen Grundstücksanschluss im Sinne dieser Vorschrift, obwohl die Anschlussleitung über ein privates Grundstück geführt werde.
41 
Dies trifft - wie die Klägerin zu Recht geltend macht - nicht zu.
42 
Nach § 8 Abs. 5 lit. a AbwS hat der Grundstückseigentümer der Stadt die Kosten für die Herstellung, Unterhaltung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung der Grundstücksanschlüsse zu erstatten. Hiernach besteht ausschließlich für den Grundstücksanschluss eine Kostenersatzpflicht. Dieser Begriff wird unterschiedlich verstanden und auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz nicht näher definiert (vgl. dazu Dietzel in Driehaus, KAG § 10 Rn. 13 ff.; Gössl/Reif, KAG, § 42 Nr. 1.2.2). Daher ist maßgeblich auf die einschlägige(n) Satzungsbestimmung(en) abzustellen. Zur öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gehört nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS, auf die in § 8 Abs. 1 AbwS ausdrücklich Bezug genommen wird, lediglich der Teil des Hausanschlusses, der im öffentlichen Verkehrsraum verläuft; ausschließlich dieser Teil des Hausanschlusses wird in dieser Norm explizit als Grundstücksanschluss definiert. Demgegenüber bestimmt § 2 Abs. 4 AbwS, dass (private) Grundstücksentwässerungsanlagen alle Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung sind, die nicht Bestandteil einer öffentlichen Abwasseranlage sind. Aus dem Zusammenspiel dieser Vorschriften zeigt sich deutlich, dass der Satzungsgeber zwischen den öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlagen, die im öffentlichen Verkehrsraum verlaufen und als Grundstücksanschlüsse bezeichnet werden, auf der einen Seite und den nicht im öffentlichen Verkehrsraum befindlichen privaten Anlagen der Grundstücksentwässerung auf der anderen Seite unterscheidet. Allein dieses Verständnis steht auch in Einklang mit der in § 11 Abs. 1 und 2 AbwS getroffenen Regelung. Danach obliegt dem Grundstückseigentümer die Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlagen bis zur Verbindung mit den öffentlichen Abwasseranlagen. Dabei wird nicht danach differenziert, ob das angeschlossene Grundstück unmittelbar an den öffentlich gewidmeten Straßenraum - und damit zugleich an die öffentlichen Abwasseranlagen angrenzt - oder ob es sich um ein Hinterliegergrundstück handelt. Daher ist es nur folgerichtig, dass die Satzung der Beklagten für den im privaten Raum verlaufenden Teil der Leitung keine Kostenersatzpflicht des Grundstückseigentümers begründet, da ihm ohnehin deren Herstellung obliegt. Demzufolge fehlt es hier an einer satzungsrechtlichen Kostenersatzpflicht der Klägerin.
43 
Diese Auffassung wird im Übrigen auch in einem Rechtsgutachten vertreten, das die Beklagte im Verwaltungsverfahren eingeholt hat. Ob der Beklagten zivilrechtliche Ausgleichsansprüche gegen die Klägerin zustehen, wie in diesem Gutachten weiter vertreten wird, kann dahinstehen, da jedenfalls keine Befugnis der Beklagten bestünde, diese in hoheitlicher Form durch Verwaltungsakt geltend zu machen.
44 
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte schließlich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 04.06.1997 - 8 E 910/96 - (NVwZ-RR 1998, 453). Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil sie zum hessischen Landesrecht und zu einer darauf beruhenden Satzung ergangen ist. Daher verwendet das Verwaltungsgericht Gießen offenkundig auch andere Begrifflichkeiten als das Satzungsrecht der Beklagten. Das Verwaltungsgericht Gießen bezeichnet den Teil der Anschlussleitung, der zur öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage gehört, als allgemeine Versorgungsleitung, und den Teil der Anschlussleitung, der über das Grundstück des Anschlussnehmers oder eines Dritten verläuft, als Grundstücksanschluss. Dies unterscheidet sich jedoch grundlegend von den Begriffsbestimmungen, die die Satzung der Beklagten verwendet, denn nach § 2 Abs. 2 Satz 3 AbwS ist der Grundstücksanschluss als der Teil des Hausanschlusses definiert, der im Bereich der öffentlichen Verkehrs- und Grünflächen - also gerade nicht über das Grundstück des Anschlussnehmers oder eines Dritten - verläuft.
45 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
46 
Beschluss vom 03. Dezember 2013
47 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.851,18 EUR festgesetzt (§§ 47 Nr. 1, 52 Abs. 3 GKG).
48 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt Schadensersatz, weil er bei der Vergabe von Amtszulagen nicht berücksichtigt wurde.

2

Der Kläger ist Bundesbeamter im Amt eines Postbetriebsinspektors (BesGr. A 9vz BBesO). Nach der Umwandlung der Bundespost in privatrechtliche Nachfolgeunternehmen mit Wirkung vom 1. Januar 1995 war er bis Ende 2005 bei der Deutschen Post AG, danach bis Ende 2008 bei der Deutschen Postbank AG (im Folgenden: Postbank) als Sozialberater beschäftigt.

3

Die Postbank vergab mit Wirkung vom 1. Juli 2007 sechs Amtszulagen für Beamte mit einem Amt der Besoldungsgruppe A 9vz. Sie führte ein internes Auswahlverfahren ohne Ausschreibung durch, in das sie 26 Beamte, darunter den Kläger, einbezog und verlieh sechs Beamten die Amtszulage, ohne dies den anderen mitzuteilen.

4

Im August 2007 erfuhr der Kläger von diesen Vorgängen. Er widersprach seiner Nichtberücksichtigung und forderte die Postbank auf, ihre Auswahlentscheidungen zu begründen. Diese verwies auf die bessere Eignung der ausgewählten Beamten. Daraufhin legte der Kläger mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 nochmals Widerspruch ein und beanstandete, die Postbank habe weder die Anzahl der zur Verfügung stehenden Amtszulagen noch die Anzahl der Bewerber und die Auswahlkriterien mitgeteilt. In einem Absatz am Ende des Schreibens machte er einen Anspruch auf Schadensersatz für den Fall geltend, dass seine Berücksichtigung wegen der anderweitigen Vergabe der Amtszulagen nicht mehr möglich sein sollte. Abschließend bat er um Stellungnahme bis 6. November 2007.

5

Die Postbank erwiderte mit Schreiben vom 5. November 2007: Sie habe nur Beamte ausgewählt, die als "sehr gut" geeignet eingestuft worden seien. Fünf Beamte hätten einen Eignungsvorsprung gegenüber dem Kläger, weil sie als Beamte des mittleren Dienstes erfolgreich in Positionen tätig seien, die auch Besoldungsgruppen des gehobenen Dienstes zugeordnet seien. Der sechste ausgewählte Beamte weise ein wesentlich höheres Dienstalter in dem Amt der Besoldungsgruppe A 9vz auf als der Kläger.

6

Mit der im Dezember 2007 erhobenen Klage will der Kläger erreichen, im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, als wenn ihm die Amtszulage verliehen worden wäre. Die Postbank hat im Klageverfahren hauptsächlich gerügt, dass kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden sei. Hilfsweise hat sie sich in der Sache auf das Schadensersatzbegehren eingelassen.

7

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, weil der Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren vorausgegangen sei. Der Kläger habe versäumt, innerhalb eines Jahres Widerspruch gegen die Ablehnung seines Schadensersatzantrags in dem Schreiben der Postbank vom 5. November 2007 einzulegen. Dieses Schreiben sei als Verwaltungsakt zu werten, obwohl es weder einen Tenor noch eine Rechtsmittelbelehrung enthalte. Der Regelungscharakter ergebe sich aus dem Inhalt und aus dem Zusammenhang mit dem Schreiben des Klägers vom 22. Oktober 2007. Darin habe der Kläger seinen Widerspruch gegen die Nichtberücksichtigung bekräftigt und zusätzlich einen Antrag auf Schadensersatz gestellt. Die Annahme eines eigenständigen Antrags folge daraus, dass der Kläger die Ausführungen zur Frage des Schadensersatzes deutlich abgesetzt an das Ende seines Schreibens gestellt habe. In dem darauf bezogenen Schreiben vom 5. November 2007 habe die Postbank unmissverständlich erklärt, sie halte ihre Auswahlentscheidungen aus den näher dargelegten Gründen für rechtmäßig. Daraus habe der Kläger den Schluss ziehen müssen, die Postbank habe den Antrag auf Schadensersatz rechtsverbindlich abgelehnt. Das gesetzlich vorgesehene Widerspruchsverfahren sei nicht entbehrlich geworden. Hierfür reiche nicht aus, dass sich die Beklagte in dem Klageverfahren hilfsweise auf das Schadensersatzbegehren eingelassen habe.

8

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision und beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Oktober 2012 und des Verwaltungsgerichts Münster vom 24. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, als wenn ihm mit Wirkung vom 1. Juli 2007 die Amtszulage für das Amt des Postbetriebsinspektors (Besoldungsgruppe A 9vz) verliehen worden wäre.

9

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie verteidigt das Berufungsurteil und trägt ergänzend vor, nach den im Berufungsverfahren eingeholten Leistungseinschätzungen habe der Kläger keine Aussicht gehabt, eine Amtszulage zu erhalten.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist mit der Maßgabe begründet, dass das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht, nämlich § 133 BGB und § 126 Abs. 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes - BRRG - in der im Jahr 2007 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl I S. 654). Das Berufungsurteil stellt sich nicht aus anderen als den vom Oberverwaltungsgericht angeführten Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Senat kann über die Begründetheit der form- und fristgerecht erhobenen allgemeinen Leistungsklage, d.h. über das Bestehen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs, nicht entscheiden, weil die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hierfür nicht ausreichen.

12

Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht mit der Begründung als unzulässig angesehen, der Kläger habe vor der Klageerhebung das gesetzlich vorgesehene Widerspruchsverfahren nicht eingeleitet. Die Auslegung seiner vorgerichtlichen Erklärungen ergibt, dass er in Bezug auf den Schadensersatzanspruch Widerspruch eingelegt hat. Darüber hinaus war ein Widerspruchsverfahren nach den Umständen des vorliegenden Falles entbehrlich.

13

1. Die tragende Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, es fehle an einem Widerspruch des Klägers, beruht auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung seines Schreibens an die Postbank vom 22. Oktober 2007. Die Auslegung genügt den sich aus § 133 BGB ergebenden Anforderungen nicht.

14

Die Ermittlung des Inhalts einer Erklärung im Wege der Auslegung gilt revisionsrechtlich als Tatsachenfeststellung im Sinne von § 137 Abs. 2 VwGO. Daher ist das Bundesverwaltungsgericht an den vom Tatsachengericht festgestellten Erklärungsinhalt gebunden, wenn dieses Gericht sein Ergebnis rechtsfehlerfrei begründet hat. Die Bindung tritt nicht ein, wenn die Auslegung auf einer unvollständigen Würdigung der festgestellten Tatsachen, einem Rechtsirrtum, einem Verstoß gegen eine Auslegungsregel oder einem Verstoß gegen einen allgemeinen Erfahrungssatz oder ein Denkgesetz beruht. In diesen Fällen kann das Bundesverwaltungsgericht die Erklärung selbst auslegen (stRspr; Urteile vom 5. November 2009 - BVerwG 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 = Buchholz 316 § 35 VwVfG Nr. 60 und vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 C 86.08 - BVerwGE 137, 138 = Buchholz 240 § 6 BBesG Nr. 28). Hier hat das Oberverwaltungsgericht gegen die Auslegungsregel des § 133 BGB verstoßen.

15

Nach der Auslegungsregel des § 133 BGB, die auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen Anwendung findet, ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es kommt darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (stRspr; Urteil vom 15. September 2010 - BVerwG 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 = Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 48).

16

§ 133 BGB gibt eine Auslegung vor, die - im Rahmen des für den Erklärungsempfänger Erkennbaren - den mit der Erklärung angestrebten Erfolg herbeiführt und die Erklärung nicht sinnlos macht (BGH, Urteile vom 23. Januar 1997 - IX ZR 69/96 - BGHZ 134, 325 <329> = NJW 1997, 1003 <1004> und vom 7. März 2005 - II ZR 194/03 - NJW 2005, 2618 <2619>). Dies gilt insbesondere für die Ermittlung des Inhalts von Erklärungen Privater gegenüber Behörden. Diese dürfen bei der Auslegung die erkennbare Interessenlage des Erklärenden nicht außer Acht lassen. Legt der Private erkennbar einen Rechtsbehelf ein, darf die Behörde der Erklärung keinen Inhalt geben, der die Rechtsverfolgung erschwert oder gar ausschließt, wenn nach den erkennbaren Umständen auch eine günstigere Auslegung möglich ist. In Zweifelsfällen sollte beim Erklärenden nachgefragt werden.

17

Die Interessenlage des Klägers wird durch § 126 Abs. 3 BRRG bestimmt, der nach wie vor in Kraft ist (§ 63 Abs. 3 Satz 2 des Beamtenstatusgesetzes vom 17. Juni 2008 - BeamtStG - BGBl I S.1010). Nach dieser Regelung gelten für Klagen nach Absatz 1, d.h. für alle Klagen aus dem Beamtenverhältnis einschließlich der Leistungs- und Feststellungsklagen, die Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung über das Widerspruchsverfahren. Danach ist eine Klage aus dem Beamtenverhältnis unabhängig von der Klageart erst nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 126 Abs. 3 Nr. 4 BRRG). Darüber hinaus bedarf es eines Widerspruchsverfahrens nicht, wenn es sich nach den Umständen des Einzelfalles als sinnlos erweist (vgl. unter 2.).

18

Liegt kein Ausnahmefall vor, müssen Beamte gegen jedes Tun oder Unterlassen des Dienstherrn sowie gegen jeden von ihm zu verantwortenden Zustand, in dem sie eine Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung aus dem Beamtenverhältnis sehen, Widerspruch einlegen (Urteil vom 28. Juni 2001 - BVerwG 2 C 48.00 - BVerwGE 114, 350 <354> = Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 21 S. 3 f.). Die Klagemöglichkeit wird durch den Erlass des Widerspruchsbescheids eröffnet. Dieser ändert die Rechtsnatur der vom Beamten geforderten oder beanstandeten Maßnahme nicht. Eine verwaltungsinterne Maßnahme wird durch den Widerspruchsbescheid nicht zum Verwaltungsakt (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 = Buchholz 237.8 § 84 RhPLBG Nr. 1).

19

Ergeht nach Einlegung des Widerspruchs in angemessener Zeit kein Widerspruchsbescheid, kann der Beamte nach Maßgabe des § 75 VwGO Untätigkeitsklage erheben. Diese Vorschrift gilt auch für allgemeine Leistungs- und Feststellungsklagen aus dem Beamtenverhältnis, denen nach § 126 Abs. 3 BRRG ein Widerspruchsverfahren vorauszugehen hat (Brenner, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 3. Aufl., § 75 Rn. 18; Rennert, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 13. Aufl., § 75 Rn. 1).

20

Der Gesetzgeber hat das Erfordernis des Widerspruchsverfahrens auf alle Streitigkeiten aus dem Beamtenverhältnis erstreckt, um sicherzustellen, dass Beamte vor der Anrufung der Verwaltungsgerichte den Dienstherrn mit ihren Anliegen befassen. Dem Dienstherrn soll stets die Möglichkeit eröffnet werden, einen gerichtlichen Rechtsstreit zu vermeiden, sei es durch Abhilfe, durch gütliche Einigung, soweit dies rechtlich möglich ist, oder durch nähere Begründung seines Rechtsstandpunktes. Neben der Selbstkontrolle des Dienstherrn dient das Widerspruchsverfahren auch in beamtenrechtlichen Angelegenheiten dem Rechtsschutz der Beamten und der Entlastung der Verwaltungsgerichte (Urteil vom 15. September 2010 a.a.O. Rn. 24 f.).

21

Aus dem Zweck des § 126 Abs. 3 BRRG folgt, dass das Widerspruchsverfahren den verfahrensrechtlichen Rahmen darstellt, in dem vorgerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Beamten und Dienstherrn ausgetragen werden. Dieses gesetzlich geregelte Verfahren soll an die Stelle informeller Verfahren und Absprachen treten. Dies zwingt den Beamten, sein Anliegen inhaltlich zu konkretisieren (Urteil vom 28. Juni 2001 a.a.O. S. 354 f. bzw. S. 3 f.).

22

Aus der durch § 126 Abs. 3 BRRG angeordneten Konzentration auf das Widerspruchsverfahren folgt weiter, dass der Beamte einem Widerspruch, der sich nicht gegen einen Verwaltungsakt richtet (Leistungs- oder Feststellungswiderspruch), keinen Antrag vorschalten muss. Ein derartiges Antragserfordernis ergibt sich weder aus einer sonstigen Vorschrift des Prozessrechts noch aus der beamtenrechtlichen Treuepflicht. Es würde die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erschweren, weil der Beamte nach der Ablehnung des Antrags nicht sogleich Klage erheben kann, sondern Widerspruch einlegen muss (Urteil vom 28. Juni 2001 a.a.O. S. 355 f. bzw. S. 4 f.; Beschluss vom 18. Juni 2009 - BVerwG 2 B 64.08 - Buchholz 237.2 § 93 BlnLBG Nr. 1 = NVwZ 2009, 1314).

23

Aufgrund dieses Bedeutungsgehalts des § 126 Abs. 3 BRRG sind Rechtsbehelfe von Beamten ungeachtet ihrer Bezeichnung, etwa als Antrag oder Beschwerde, als Widerspruch zu werten, soweit diese Auslegung nach § 133 BGB vertretbar ist. Eine Ausnahme soll nur gelten, wenn der Beamte ausdrücklich einen gesonderten Antrag stellt, anstatt Widerspruch einzulegen, und auf Nachfrage daran festhält. In diesem Fall soll der Dienstherr verpflichtet sein, diesen Antrag zu bescheiden, sodass der Beamte gegen den ablehnenden Bescheid gesondert Widerspruch erheben muss (Beschluss vom 28. September 2006 - BVerwG 2 B 14.06 - Rn. 3).

24

Diese Grundsätze gelten auch für ein Schadensersatzbegehren, das ein Beamter mit der Behauptung geltend macht, der Dienstherr habe schuldhaft seine Rechte aus dem Beamtenverhältnis verletzt. Der Beamte kann die Beseitigung der behaupteten Rechtsverletzung und den daraus hergeleiteten Schadensersatzanspruch gegen den Dienstherrn mit einem einheitlichen Widerspruch verfolgen. Die Bündelung von Beseitigungs- und Schadensersatzbegehren in einem Widerspruchsverfahren entspricht dem Zweck des § 126 Abs. 3 Satz 1 BRRG, weil beide Anliegen in einem engen inhaltlichen Zusammenhang stehen. Zwischen ihnen besteht ein Stufenverhältnis wie zwischen Haupt- und Hilfsantrag im Klageverfahren. Die Gewährung von Schadensersatz kommt nur in Betracht, wenn es der Dienstherr ablehnt, die behauptete Rechtsverletzung zu beseitigen. Entspricht er dem Beseitigungsbegehren, wird das Schadensersatzbegehren gegenstandslos. Hält der Dienstherr das beanstandete Tun oder Unterlassen für rechtmäßig oder sieht er darin jedenfalls keine Verletzung der Rechtsstellung des Beamten, steht zugleich fest, dass er sich nicht für schadensersatzpflichtig hält. Daher ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Beamte in der Begründung des Widerspruchs deutlich macht, er verlange hilfsweise Schadensersatz (Urteil vom 28. Juni 2001 a.a.O. S. 355 f. bzw. S. 4).

25

Aus dieser durch § 126 Abs. 3 BRRG vorgegebenen Rechtslage ergibt sich das Interesse des Klägers, dass sein Schreiben vom 22. Oktober 2007 auch in Bezug auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht als eigenständiger Antrag, sondern als Erweiterung seines Widerspruchs gegen die Nichtberücksichtigung bei der Vergabe der Amtszulagen zu verstehen ist.

26

Dies liegt auch deshalb nahe, weil der Widerspruch des Klägers gegen die Nichtberücksichtigung bei der Vergabe der Amtszulagen im Jahr 2007 nach der damals einheitlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte aussichtslos war, weil die Postbank die Amtszulagen den ausgewählten Beamten bereits verliehen hatte. Bis zu dem Urteil des Senats vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C 16.09 - (BVerwGE 138, 102 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 47) war in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass Ernennungen und ernennungsähnliche Verwaltungsakte wie die Verleihung von Amtszulagen auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit von Mitbewerbern nicht mit Erfolg angefochten werden konnten. Es wurde angenommen, diese Maßnahmen berührten die subjektive Rechtstellung der Mitbewerber nicht und seien nach dem Grundsatz der Ämterstabilität stets rechtsbeständig. Nach der Ernennung der ausgewählten Bewerber waren Mitbewerber darauf verwiesen, Schadensersatz geltend zu machen. Erst in dem Urteil vom 4. November 2010 (a.a.O.) hat der Senat Ernennungen Drittwirkung zuerkannt und den Grundsatz der Ämterstabilität für unanwendbar erklärt, wenn der Dienstherr vor der Ernennung die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes durch Mitbewerber verhindert hat. Dies gilt in gleicher Weise für ernennungsähnliche Verwaltungsakte.

27

Diese Rechtslage und die sich daraus ergebenden Interessen des Klägers musste die Postbank schon deshalb erkennen und bei der Auslegung der Erklärungen des Klägers einbeziehen, weil auf sie die für Behörden geltenden Maßstäbe anzuwenden sind. Nach Art. 143b Abs. 3 Satz 2 GG übt die Postbank die Dienstherrnbefugnisse gegenüber den ihr zugewiesenen Bundesbeamten aus. Sie wird als Unternehmen privater Rechtsform im Auftrag des Bundes tätig, der sie mit hoheitlichen, einem Privaten ansonsten nicht zustehenden Befugnissen beliehen hat (Urteile vom 20. August 1996 - BVerwG 1 D 80.95 - BVerwGE 103, 375 <377> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 Nr. 7 S. 20 und vom 25. Juni 2009 - BVerwG 2 C 68.08 - Buchholz 232.0 § 46 BBG 2009 Nr. 1 = NVwZ-RR 2009, 893).

28

In Anbetracht des erkennbaren Interesses des Klägers, seinen Widerspruch auf das Schadensersatzbegehren zu erstrecken, wäre die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe in dem Schreiben vom 22. Oktober 2007 einen eigenständigen, dem Widerspruch vorgeschalteten Schadensersatzantrag gestellt, nur dann mit § 133 BGB vereinbar, wenn eine andere Auslegung ausgeschlossen wäre. Hierfür müsste der Wortlaut dieses Schreibens eindeutig für eine Antragstellung sprechen. Dies ist aber nicht der Fall:

29

Das Oberverwaltungsgericht hat seine Auffassung entscheidend darauf gestützt, der Kläger habe das Schadensersatzbegehren in einem eigenen Absatz am Ende des Schreibens geltend gemacht. Mit dieser formalen Betrachtungsweise hat es den Inhalt des Schreibens entgegen § 133 BGB nicht vollständig in den Blick genommen. Es hat nicht berücksichtigt, dass der Absatz über das Schadensersatzbegehren offensichtlich einen inhaltlichen Bezug zu den vorstehenden Ausführungen aufweist. Der Kläger hat zunächst dargelegt, seine Nichtberücksichtigung bei der Vergabe der Amtszulagen sei nicht nachvollziehbar, und die unzureichende Information durch die Postbank gerügt. Im Anschluss daran hat er Schadensersatz mit den Worten geltend gemacht, "soweit die Einweisung in eine Planstelle A 09vz mit Amtszulage nun wegen anderweitiger Besetzungen nicht mehr möglich sein sollte". Damit hat er unmissverständlich an den Widerspruch gegen die Nichtberücksichtigung angeknüpft. Er hat Schadensersatz für den Fall geltend gemacht hat, dass die Vergabe einer Amtszulage an ihn rechtlich ausgeschlossen sei.

30

Diesen inhaltlichen Zusammenhang lässt auch die Erwägung des Oberverwaltungsgerichts außer Acht, die Bitte um kurzfristige Stellungnahme in dem letzten Satz des Schreibens vom 22. Oktober 2007 habe sich nicht an die Postbank als Widerspruchsbehörde richten können, weil die Abgabe von Stellungnahmen nicht zu den Aufgaben einer Widerspruchsbehörde gehöre. Auch hat der Kläger diese Bitte nach ihrem Wortlaut nicht auf das Schadensersatzbegehren beschränkt.

31

Da der Kläger seinen Widerspruch durch das Schreiben vom 22. Oktober 2007 auf das Schadensersatzbegehren erstreckt hat, ist die allgemeine Leistungsklage auf Gewährung von Schadensersatz nach § 75 Satz 1 und 2 VwGO jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten nach Einlegung des Widerspruchs zulässig geworden.

32

Im Übrigen verstößt auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts gegen § 133 BGB, die Postbank habe das Schadensersatzbegehren durch das Schreiben vom 5. November 2007 rechtsverbindlich in Form eines Verwaltungsakts abgelehnt. Bei der Bestimmung der Rechtsqualität einer behördlichen Erklärung aufgrund ihres tatsächlich festgestellten Inhalts handelt es sich um eine rechtliche Würdigung, die in vollem Umfang der Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts im Revisionsverfahren unterliegt (stRspr; Urteil vom 5. November 2009 - BVerwG 4 C 3.09 - BVerwGE 135, 209 = Buchholz 316 § 35 VwVfG Nr. 60).

33

Die Auslegung des Schreibens vom 5. November 2007 als Verwaltungsakt liegt schon deshalb fern, weil es weder einen von der Begründung abgesetzten Entscheidungsausspruch noch eine Rechtsmittelbelehrung enthält. Daher käme die Qualifizierung als Verwaltungsakt nur in Betracht, wenn sich der Regelungscharakter im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG ohne jeden Zweifel aus dem Inhalt ergäbe. Diesem lassen sich aber keine Hinweise für eine rechtsverbindliche Ablehnung des Schadensersatzbegehrens entnehmen. Vielmehr spricht nach der äußeren Gestaltung und dem Inhalt des Schreibens vom 5. November 2007 alles dafür, dass die Postbank dem Kläger eine abschließende Auskunft über die Sach- und Rechtslage erteilen wollte. Sie teilte ihm die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen für ihre Auswahlentscheidungen mit und legte dar, dass der Kläger zu Recht nicht zum Zuge kam, ohne ausdrücklich auf das Schadensersatzbegehren einzugehen.

34

2. Unabhängig von dem Inhalt des Schreibens des Klägers vom 22. Oktober 2007 war das Widerspruchsverfahren im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ausnahmsweise entbehrlich.

35

Auch in beamtenrechtlichen Angelegenheiten dient das Widerspruchsverfahren der Selbstkontrolle der Verwaltung, dem individuellen Rechtsschutz und der Entlastung der Verwaltungsgerichte. Sind diese Ziele vor der Klageerhebung schon auf andere Weise erreicht worden oder können sie nicht mehr erreicht werden, ist ein Widerspruchsverfahren sinnlos. Seine Durchführung würde einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Formalismus darstellen, der die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unnötig verzögert. Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens in diesen Fällen stellt eine weitere, gesetzlich nicht ausdrücklich geregelte Ausnahme dar, die sich aus Sinn und Zweck der § 126 Abs. 3 BRRG, §§ 68 f. VwGO ergibt (stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 15. September 2010 - BVerwG 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 = Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 48). Die genannte Entscheidung kann als Zusammenfassung der - vom Berufungsgericht kritisch dargestellten - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verstanden werden.

36

Das Widerspruchsverfahren kann seinen Zweck nicht mehr erreichen, wenn feststeht, dass der Widerspruch unabhängig von der Begründung keinen Erfolg haben würde. Daher wird es regelmäßig nicht entbehrlich sein, wenn Ausgangs- und Widerspruchsbehörde nicht identisch sind oder gar unterschiedlichen Rechtsträgern angehören (Urteil vom 21. September 2010 a.a.O. Rn. 26). Auch wird das Widerspruchsverfahren regelmäßig durchzuführen sein, wenn die Widerspruchsbehörde einen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum wahrzunehmen hat. In diesen Fällen geht deren Nachprüfung inhaltlich über die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hinaus (§ 114 Satz 1 VwGO).

37

Im Übrigen kommt es vor allem auf den Inhalt der vorgerichtlichen Erklärungen der Beklagten an. Ergibt deren Gesamtwürdigung, dass sich die Beklagte endgültig darauf festgelegt hat, das Rechtsschutzbegehren abzulehnen, ist ein Widerspruchsverfahren sinnlos. Eine derartige Festlegung setzt voraus, dass die Beklagte zu erkennen gegeben hat, sie habe sich ihre Auffassung gebildet und gedenke daran auf jeden Fall festzuhalten. Hat der Betroffene daraufhin Klage erhoben, kann die Beklagte im Klageverfahren nicht dadurch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens erreichen, dass sie auf dessen Fehlen verweist und sich gar nicht oder nur hilfsweise zur Sache einlässt. Dadurch setzt sie sich in Widerspruch zu ihren vorgerichtlichen Erklärungen, aus denen der Kläger zu Recht den Schluss zog, ein Widerspruchsverfahren sei sinnlos.

38

Hat der Betroffene Klage erhoben, ohne dass ihm die Beklagte hierzu Anlass gegeben hat, kann diese das Widerspruchsverfahren entbehrlich machen, wenn sie sich im Klageverfahren vorbehaltlos zur Sache einlässt. Dagegen bringt sie in diesen Fällen durch eine nur hilfsweise Einlassung regelmäßig zum Ausdruck, dass sie den Kläger an der Durchführung des Widerspruchsverfahrens festhalten will. Dieses Verhalten ist dann auch nicht widersprüchlich, weil sich die Beklagte vorgerichtlich gerade nicht endgültig auf die Ablehnung des Klagebegehrens festgelegt hat.

39

Nach diesen Grundsätzen hat sich das Widerspruchsverfahren im vorliegenden Fall bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung als entbehrlich erwiesen: Die als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde zuständige Postbank hatte sich gegenüber dem Kläger vorgerichtlich darauf festgelegt, dieser habe zu Recht keine Amtszulage erhalten. In dem Schreiben vom 5. November 2007 ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie die dargelegten Auswahlkriterien und die darauf gestützte Bewerberauswahl für rechtmäßig halte. Nach Ansicht der Postbank wiesen die ausgewählten Beamten einen erheblichen Eignungsvorsprung gegenüber dem Kläger auf. Diese Erklärungen ließen aus der Sicht des Klägers nur den Schluss zu, die Postbank sei auf keinen Fall bereit, wegen dessen Nichtberücksichtigung Schadensersatz zu leisten.

40

Hatte sich ein Widerspruchsverfahren aufgrund der eindeutigen Aussagen der Postbank bereits vor der Klageerhebung als sinnlos erwiesen, kann sie durch ihr prozessuales Verhalten nicht mehr erreichen, dass ein solches Verfahren durchgeführt wird.

41

3. Die tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ermöglichen es dem Senat nicht, abschließend zu beurteilen, ob der geltend gemachte Schadensersatzanspruch besteht. Er weist jedoch auf Folgendes hin:

42

Ein Beamter kann von seinem Dienstherrn Ersatz des ihm durch die Nichtbeförderung entstandenen Schadens verlangen, wenn der Dienstherr bei der Vergabe eines Beförderungsamtes den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Beamten auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl schuldhaft verletzt hat, dem Beamten das Amt ohne diesen Rechtsverstoß voraussichtlich übertragen worden wäre und dieser es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (Urteile vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <101 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 Rn. 16; vom 26. Januar 2012 - BVerwG 2 A 7.09 - BVerwGE 141, 361 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 53 und vom 29. November 2012 - BVerwG 2 C 6.11 - BVerwGE 145, 185 = NVwZ 2013, 955 ).

43

Die Vergabe der Amtszulagen ist an Art. 33 Abs. 2 GG zu messen, weil es sich bei Ämtern gleicher Besoldungsgruppe mit und ohne Amtszulage um statusrechtlich verschiedene Ämter handelt. Liegt kein gesetzlicher Ernennungstatbestand vor, wird die Amtszulage durch einen ernennungsähnlichen Verwaltungsakt verliehen. Die Verleihung genießt in gleicher Weise Ämterstabilität wie eine Ernennung (Urteile vom 12. Juli 1972 - BVerwG 6 C 11.70 - BVerwGE 40, 229 <230 f.> = Buchholz 235.11 Art. 356 Nr. 1 und vom 23. Februar 1989 - BVerwG 2 C 25.87 - BVerwGE 81, 282 <286 f.> = Buchholz 237.6 § 18 NdsLBG Nr. 2 S. 3 f.; Beschluss vom 16. April 2007 - BVerwG 2 B 25.07 - Buchholz 240 § 42 BBesG Nr. 26 Rn. 4). Im vorliegenden Fall geht es um die Amtszulage nach Fußnote 3 zur Besoldungsgruppe A 9 in der Anlage I i.V.m. Anlage IX des Bundesbesoldungsgesetzes.

44

Die Erläuterungen der Postbank in dem Schreiben vom 5. November 2007 lassen es zumindest als ernsthaft möglich erscheinen, dass sie die Rechte des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt hat, weil sie die Bewerberauswahl auf nicht unmittelbar leistungsbezogene Auswahlkriterien, nämlich auf die Einstufung (Wertigkeit) der Tätigkeitsbereiche der Bewerber und das Dienstalter gestützt hat. In diesem Fall wäre der Postbank angesichts der bereits 2007 vorliegenden Rechtsprechung zu diesen Kriterien ein Verschulden anzulasten (Urteile vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <151> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 S. 17 f. und vom 17. August 2005 a.a.O. S. 103 bzw. Rn. 20).

45

Die Kausalität der Rechtsverletzung für den Eintritt des Schadens setzt voraus, dass der Beamte ohne den schuldhaften Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG, d.h. bei rechtmäßiger Bewerberauswahl, zumindest reelle Aussichten gehabt hätte, das angestrebte Amt zu erhalten. Seine Berücksichtigung muss nach Lage der Dinge ernsthaft möglich gewesen sein. Hierfür muss festgestellt werden, welcher hypothetische Kausalverlauf bei rechtmäßigem Vorgehen des Dienstherrn voraussichtlich an die Stelle des tatsächlichen Verlaufs getreten wäre (Urteile vom 17. August 2005 a.a.O. S. 108 f. bzw. Rn. 36 f. und vom 26. Januar 2012 a.a.O. ). Hierfür muss aufgrund der 2007 vorhandenen Erkenntnisse nachgezeichnet werden, welches Ergebnis die Bewerberauswahl bei rechtsfehlerfreiem Verfahrensablauf voraussichtlich gehabt hätte. Beurteilungen der Bewerber, die spätere Erkenntnisse aufnehmen, dürfen nicht einbezogen werden.

46

Schließlich kann dem Kläger nicht angelastet werden, dass er nicht versucht hat, die Vergabe der Amtszulagen durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiliger Anordnung nach § 123 VwGO zu verhindern oder deren Aufhebung im Klageweg zu erreichen. Rechtsschutz nach § 123 VwGO war nicht möglich, weil ihm die Postbank ihre Auswahlentscheidungen vor der Verleihung der Amtszulagen nicht mitgeteilt hat. Aus diesem Grund hätten die Verleihungen zwar nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Ämterstabilität genossen (Urteil vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 47). Im hier maßgebenden Jahr 2007 wären Klagen gegen die Verleihungen nach der damals einhelligen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte aber aussichtslos gewesen.