Verwaltungsgericht München Urteil, 27. Feb. 2019 - M 25 K 18.5262

bei uns veröffentlicht am27.02.2019

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte in gleicher Höhe vorher Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Einbürgerungszusicherung.

Der Kläger reiste am 1. Dezember 1994 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 5. Dezember 1994 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, welcher durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (ehem. BAFI), jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), mit Bescheid vom 19. Dezember 1994 zunächst als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 31. März 1999 wurde das BAFI rechtskräftig dazu verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG-1990 hinsichtlich Togo vorliegen. Das BAFI erließ am 21. Juni 1999 einen entsprechenden Bescheid. Mit Bescheid vom 12. September 2008 widerrief das BAMF die mit Bescheid vom 21. Juni 1999 getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG-1990 vorliegen und stellte gleichzeitig fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Seitdem wurde der Kläger von der Ausländerbehörde in regelmäßigen Abständen dazu aufgefordert, einen togoischen Reisepass vorzulegen, der bis heute nicht vorgelegt wurde.

Seit 19. Juni 2013 ist der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG.

Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 1. Oktober 2007 wurde der Kläger wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung und Bedrohung zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 25 EUR verurteilt. Das Urteil ist seit dem 9. Oktober 2007 rechtskräftig.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 6. Juli 2012 wurde der Kläger wegen Vergehens gemäß § 42 StAG zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 40 EUR verurteilt. Der Strafbefehl ist seit 12. September 2012 rechtskräftig.

Laut Mitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 30. Januar 2013 sind die im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen bei weiterer Straffreiheit am 6. Juli 2022 tilgungsreif.

Am 19. März 2012 hat der Kläger erstmals einen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gestellt. Dieser wurde von der Landeshauptstadt München mit Bescheid vom 14. Mai 2013 nach § 10 StAG abgelehnt. Die gegen diese Entscheidung erhobene Klage wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München zurückgenommen und das Verfahren am 8. Juli 2015 eingestellt.

Mit Schreiben vom 9. Februar 2018 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer Vollmacht erneut die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband bei der Landeshauptstadt München. Der Antrag wurde am 29. März 2018 im Hinblick auf § 8 StAG zur weiteren, zuständigen Entscheidung an den Beklagten weitergeleitet.

Nach erfolgter Anhörung mit Schreiben vom 23. April 2018 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. September 2018 den Einbürgerungsantrag nach § 8 StAG ab. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen an, dass bereits die Mindestvoraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG nicht erfüllt sei. Der Einbürgerungsantrag sei daher abzulehnen. § 12a Abs. 1 Sätze 1, 2 und 3 StAG führten zu keinem anderen Ergebnis. Im Übrigen sei § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt. Darüber hinaus sei die Identität des Klägers nicht ausreichend geklärt und der Nachweis über ausreichende Sprachkenntnisse sowie ausreichende Kenntnisse der RechtsGesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland nicht erbracht. Dem Beklagten sei die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung nicht eröffnet, denn auch ein Fall des § 8 Abs. 2 StAG läge nicht vor.

Gegen den Bescheid des Beklagten erhob der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage und beantragte mit Schriftsatz vom 7. Januar 2019:

Der Bescheid vom 19. September 2018 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen,

hilfsweise über den Antrag des Klägers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich der Anwendbarkeit des StAG in der Fassung vor dem 19. August 2007 neu zu entscheiden.

Der Klägerbevollmächtigte führte im Wesentlichen an, dass im vorliegenden Fall § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zu Gunsten des Klägers Anwendung finden müsse und eine Einzelfallentscheidung wegen des Außerbetrachtbleibens der strafrechtlichen Verurteilungen zu treffen sei, da die Verurteilung des Klägers unter anderem aufgrund eines Sachverhalts aus dem privaten bzw. intimen Bereich des Klägers erfolgt sei. Des Weiteren ließen die Verurteilungen des Klägers insgesamt nicht darauf schließen, dass dieser gesetzesuntreu sei, was auch dadurch zu Tage trete, dass er nach Verhängung der jüngsten Strafe vom 6. Juli 2012 nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Insbesondere die jüngste Strafe sei auch deshalb nicht zu berücksichtigen, da seitens der Einbürgerungsbehörde im Hinblick auf das ordnungsgemäße Ausfüllen des Einbürgerungsantrags ein entsprechender Hinweis hätte ergehen müssen. Wäre es nicht zur Verurteilung am 6. Juli 2012 gekommen, wäre seine Verurteilung vom 1. Oktober 2007 heute getilgt und eine Einbürgerung wäre unproblematisch möglich. Es werde bestritten, dass nach Auskunft des Bundesamtes der Justiz am 6. Juli 2022 Tilgungsreife eintrete.

Hinsichtlich des Sprachnachweises und der Kenntnis der Rechts- und Gesellschaftsordnung hätte die Beklagte den Kläger zur Vorlage der ihrer Ansicht nach weiteren notwendigen Nachweise förmlich auffordern müssen, was nicht geschehen sei.

Darüber hinaus sei das StAG in der Fassung vor dem 19. August 2007 im vorliegenden Fall anwendbar, da die Verurteilung des Amtsgerichts München vom 1.Oktober 2007 wegen eines Sachverhalts vom 22. Juni 2006 erfolgte. Demnach sei beim Kläger nicht von dem zwingenden Erfordernis der „Geringfügigkeit“ im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG auszugehen, sondern es sei eine Einzelfallentscheidung zu fällen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung habe die Behörde mithin zu berücksichtigen, dass die Verurteilung des Klägers vom 1. Oktober 2007 auf Grund eines Sachverhalts aus dem privaten bzw. intimen Bereich geschehen sei. In der Folge müsse eine Ermessensentscheidung der Behörde unter Berücksichtigung der Verurteilung vom 6. Juli 2012 zugunsten des Klägers ausfallen.

Nachdem der Kläger bereits seit 1994 in der Bunderepublik sei, arbeite und gutes Deutsch spreche sei seine Einbürgerung zur Vermeidung einer besonderen Härte darüber hinaus geboten.

Mit Schreiben vom 31. Oktober 2018 legte der Beklagte die Akten vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2019 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerungszusicherung. Ein Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten, über den Einbürgerungsantrag gemäß dem StAG in der Fassung vor dem 19. August 2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, besteht ebenfalls nicht.

1. Maßgeblich für den vom Kläger mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch auf Einbürgerungszusicherung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (BVerwG, U.v. 20.10.2005 - 5 C 17.05 - juris Rn. 12; BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 10 C 2/14 - juris - Rn. 10). Abzustellen ist mithin auf das StAG vom 22. Juli 1913 in der Fassung vom 11. Oktober 2016.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Einbürgerungszusicherung liegen nicht vor. Ein möglicher Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung, die grundsätzlich im Ermessen der Behörde liegt, setzt jedenfalls voraus, dass, mit Ausnahme der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit, die sonstigen Voraussetzungen eines Einbürgerungsanspruchs gegeben sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn bei § 8 StAG handelt es sich um eine Ermessensvorschrift, aus welcher sich kein unmittelbarer Anspruch auf Einbürgerung ergibt. Für eine Ermessenreduzierung auf Null bestehen darüber hinaus keine Anhaltspunkte. Im vorliegenden Fall liegen bereits die Mindestvoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG nicht vor. Anhaltspunkte für das Vorliegen der Ausnahmetatbestände des § 8 Abs. 2 StAG bestehen ebenfalls nicht. Dem Beklagten war die Möglichkeit der Ermessenentscheidung schon nicht eröffnet.

Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag hin eingebürgert werden, wenn er weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG bleiben bei der Einbürgerung Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen außer Betracht. Gemäß Satz 2 Halbsatz 1 sind bei mehreren Verurteilungen zu Geldstrafen im Sinne des Satzes 1 Nummer 2 diese zusammen zu zählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 2 des § 12a Abs. 1 StAG, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann (§ 12a Abs. 1 Satz 3 StAG).

Im vorliegenden Fall wurde der Kläger zu insgesamt 320 Tagessätzen verurteilt. Die mit Urteil des Amtsgerichts vom 1. Oktober 2007 verhängte Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen ist mit der mit Urteil des Amtsgerichts vom 6. Juli 2012 verhängten Geldstrafe von 140 Tagessätzen insoweit zusammen zu zählen (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG). Die Urteile sind rechtskräftig. Laut Mitteilung des Bundesamtes für Justiz vom 30. Januar 2013 werden die für den Kläger im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen bei weiterer Straffreiheit erst am 6. Juli 2022 tilgungsreif.

Damit ist die Unbeachtlichkeitsgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG deutlich überschritten. Die Überschreitung ist auch nicht geringfügig, denn bereits ein Überschreiten der Unbeachtlichkeitsgrenze um ein Drittel ist nicht mehr als geringfügig anzusehen (BVerwG, U.v. 20.3.2012 - 5 C 5/11 - juris; BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 10 C 4/14 - juris - Rn. 13).

Im vorliegenden Fall liegen darüber hinaus auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG nicht vor.

Gemäß § 8 Abs. 2 StAG kann von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Zwar ist § 8 Abs. 2 StAG auch dann noch anwendbar, wenn, wie hier, die Grenze der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (BVerwG, U. v. 20.3.2012 - 5 C 5/11 - jurisRn. 38). Im Falle des Klägers sind jedoch weder Gründe des öffentlichen Interesses noch eine besondere Härte gegeben.

Ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG ist nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab (OVG Saarl, U.v. 28.6. 2012 - 1 A 35/12 - juris - Rn. 61). Ein staatliches Interesse an der Einbürgerung trotz Fehlens der Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG besteht zum einen beim Wunsch Deutschlands, sich mit dem Einbürgerungswilligen zu schmücken (Thomas Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 8 Rn. 73); erforderlich ist ein Erwünschtsein der Einbürgerung des Einbürgerungsbewerbers aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Gesichtspunkte (VG Stuttgart, U. v. 21.2.2017 - 11 K 5571/16 - juris - Rn. 29). Anhaltspunkte hierfür sind im Falle des Klägers nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Zum andern kann ein solches Interesse zu bejahen sein, wenn Gründe vorliegen, die entsprechend den StAR-VwV eine erleichterte Einbürgerung ermöglichen (Thomas Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 8 Rn. 73). Auch dies ist vorliegend nicht der Fall. Allein der Umstand, dass sich der Kläger bereits seit 1994 in der Bundesrepublik befindet, reicht für die Annahme eines öffentlichen Interesses an seiner Einbürgerung nicht aus, zumal nicht ersichtlich ist, weshalb dieser Umstand eine besondere Fallkonstellation darstellen soll. Denn § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der in der Regel zu beobachtenden Integration von Zuwanderern in die hiesigen Verhältnisse zusätzlich positiv abhebt (vgl. hierzu OVG Saarl., U.v. 28.6. 2012 - 1 A 35/12 - juris - Rn. 64). Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.

Eine besondere Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG ist im Falle des Klägers ebenfalls nicht gegeben. Denn das Vorliegen einer besonderen Härte ist als Ausnahmefall anzusehen, der das Bestehen von für den Einbürgerungsbewerber besonders beschwerenden Umständen voraussetzt, die im Einzelfall ein Absehen von darüber hinausgehenden strafrechtlichen Verurteilungen rechtfertigen. Eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt sein, gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG, U. v. 20.3. 2012 - 5 C 5.11 - juris - Rn. 39 m.w.N.; NdsOVG, U. v. 13.2.2013 - 13 LC 33/11 - juris - Rn. 47). Derartige Umstände bestehen im vorliegenden Fall nicht. Entgegen der Auffassung des Klägervertreters ist nicht ersichtlich, warum sich durch die Ablehnung des Einbürgerungsantrags eine unbillige Härte für den Kläger allein daraus ergeben sollte, dass er sich bereits seit 1994 in der Bundesrepublik befindet, arbeitet, gutes Deutsch spricht und integriert ist. Atypische Umstände des Einzelfalls sind im Falle des Klägers insofern nicht gegeben.

Im Hinblick auf das Erfordernis der Straffreiheit kann eine besondere Härte im Übrigen in Betracht gezogen werden, wenn allein die letzte Straftat dazu geführt hat, dass frühere Straftaten nicht getilgt werden können, die letzte Straftat Bagatellcharakter hat und dem Einbürgerungsbewerber ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten ist (VG Stuttgart, U. v. 21.2.2017 - 11 K 5571/16 - juris - Rn. 34). Diese Voraussetzungen sind vorliegend ebenfalls nicht erfüllt. Denn die letzte Straftat des Klägers (Urteil des Amtsgerichts München vom 6. Juli 2012) hat die Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 StAG erheblich überschritten (s.o.).

Nach alledem war dem Beklagten mithin schon kein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG eröffnet.

Auf den Umstand, dass der Kläger ausweislich der Akten sowie in der mündlichen Verhandlung weder einen adäquaten Sprachnachweis noch einen Nachweis über den Einbürgerungstest vorlegen konnte, kommt es somit nicht mehr an, da die Voraussetzungen für eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG im Übrigen schon nicht vorliegen.

2. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Einbürgerungsantrag unter Anwendung des StAG in der Fassung vor dem 19. August 2007. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist für die Beurteilung des Klägerbegehrens maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen (BVerwG, U.v. 20.10.2005 - 5 C 17.05 - juris Rn. 12; BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 10 C 2/14 - juris - Rn. 10). Anzuwenden ist mithin das StAG vom 22. Juli 1913 in der Fassung vom 11. Oktober 2016. Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Übergangsvorschrift des § 40c StAG, da der Kläger den Einbürgerungsantrag am 9. Februar 2018 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag (30. März 2007) gestellt hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 10


(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit gekl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 26 Dauer des Aufenthalts


(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindesten

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 8


(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er 1. handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich v

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 12a


(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht: 1. die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,2. Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und3. Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monat

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 40c


Auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, sind die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 42


Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben zu wesentlichen Voraussetzungen der Einbürgerung macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Einbürgerung zu erschleichen

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Tenor Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.2 Der am ...1979 im Bundesgebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Am 25.09.

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Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. September 2011 - 2 K 209/10 - wird zurückgewiesen.Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig

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bei uns veröffentlicht am 20.03.2012

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband. 2

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt kann für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Asylberechtigten und Ausländern, denen die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt worden ist, wird die Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erteilt. Subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr erteilt, bei Verlängerung für zwei weitere Jahre. Ausländern, die die Voraussetzungen des § 25 Absatz 3 erfüllen, wird die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr erteilt. Die Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 1 und Absatz 4b werden jeweils für ein Jahr, Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Absatz 4a Satz 3 jeweils für zwei Jahre erteilt und verlängert; in begründeten Einzelfällen ist eine längere Geltungsdauer zulässig.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis darf nicht verlängert werden, wenn das Ausreisehindernis oder die sonstigen einer Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden Gründe entfallen sind.

(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,
4.
er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn
1.
er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,
2.
das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73b Absatz 3 des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen,
3.
er die deutsche Sprache beherrscht,
4.
sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und
5.
die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.
In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unrichtige oder unvollständige Angaben zu wesentlichen Voraussetzungen der Einbürgerung macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Einbürgerung zu erschleichen.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

Tatbestand

1

Die 1939 geborene Klägerin, eine iranische Staatsangehörige, begehrt ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

2

Die Klägerin reiste 1988 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde 1995 als Asylberechtigte anerkannt. Im gleichen Jahr erhielt sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fortgilt.

3

Ihren ersten Einbürgerungsantrag vom Oktober 2000 lehnte die Beklagte im Mai 2003 mangels ausreichender Deutschkenntnisse der Klägerin ab.

4

Im Mai 2008 beantragte die Klägerin erneut ihre Einbürgerung. Laut Bescheid des Versorgungsamtes Dortmund vom 22. Oktober 2007 wurde bei ihr ein Grad der Behinderung von 70 und die Erfüllung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt. Eine amtsärztliche Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankungen und des Alters nicht in der Lage ist, eine schulische Einrichtung zu besuchen.

5

Mit Bescheid vom 21. April 2009 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag ab, da die Klägerin keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse nachgewiesen habe. Von diesem Erfordernis könne nicht nach § 10 Abs. 6 StAG abgesehen werden, weil sie seit ihrer Einreise ausreichend Gelegenheit gehabt habe, die deutsche Sprache zu erlernen.

6

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG - soweit von ihnen nicht abzusehen sei - erfülle. Sie habe seit mehr als acht Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und besitze eine Niederlassungserlaubnis. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII habe sie nicht zu vertreten. Von der Voraussetzung einer Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit sei abzusehen, da der Iran faktisch keine Entlassungen vornehme. Es sei unschädlich, dass die Klägerin nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge, da nach § 10 Abs. 6 StAG von den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG abzusehen sei. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerin aufgrund ihrer körperlichen Erkrankungen die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 StAG nicht (mehr) erfüllen könne. Ohne Belang sei, ob sie sich die entsprechenden Kenntnisse früher hätte aneignen können. Nach § 10 Abs. 6 StAG komme es nur darauf an, ob die Hinderungsgründe im Zeitpunkt der Einbürgerung vorlägen. Für diese Auffassung spreche bereits der im Präsens formulierte Wortlaut des § 10 Abs. 6 StAG. Aus den Materialien ergebe sich nichts für die Auffassung der Beklagten, dass frühere Versäumnisse des Ausländers beim Spracherwerb zu berücksichtigen seien. Dagegen spreche die Systematik des Gesetzes, das bei § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG und nicht in § 10 Abs. 6 StAG auf ein Vertretenmüssen des Ausländers abstelle. Schließlich widerspreche diese Auffassung auch nicht dem Sinn und Zweck der Einbürgerung. Denn der Gesetzgeber habe mit der Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 6 StAG zu erkennen gegeben, dass er bei krankheits- oder altersbedingter Unfähigkeit zum Spracherwerb Teilintegrationsleistungen ausreichen lasse.

7

Mit der Revision rügt die Beklagte, das Berufungsgericht habe die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 6 StAG unzutreffend ausgelegt. Die nunmehr bei der Klägerin vorliegenden krankheits- und altersbedingten Einschränkungen seien nicht der Grund dafür, dass sie die Sprachanforderungen nicht erfülle, sondern ihre diesbezüglichen Versäumnisse in der Vergangenheit. Diese vom Wortlaut gedeckte Betrachtungsweise werde durch die Entstehungsgeschichte gestützt. Denn die Änderung im Jahr 2007 gehe auf eine Anregung der Innenministerkonferenz zurück, deren Überlegungen zur sprachlichen Integration und Verschärfung der Sprachanforderungen bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen seien. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts spreche die systematische Auslegung nicht gegen die Auffassung der Beklagten, da die Aufnahme eines "Vertretenmüssens" in den Gesetzestext bei den Ausnahmetatbeständen der Krankheit, Behinderung oder des Alters keinen Sinn gemacht hätte. Folge man der Auffassung des Berufungsgerichts, könne die Einbürgerung ohne aktive Bemühungen des Ausländers um Spracherwerb durch bloße "Ersitzung" herbeigeführt werden.

8

Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) entschieden, dass die Klägerin gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG einen Anspruch auf die beantragte Einbürgerung hat. Gemäß § 10 Abs. 6 StAG ist wegen ihrer Erkrankungen von den Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG abzusehen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Klägerin die danach geforderten Kenntnisse in der Vergangenheit hätte erwerben können.

10

1. Maßgeblich für die Prüfung des von der Klägerin mit der Verpflichtungsklage primär verfolgten Einbürgerungsanspruchs ist die gegenwärtige Rechtslage (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 5 C 8.05 - BVerwGE 124, 268 <270> = Buchholz 130 § 11 StAG Nr. 1 S. 1<2>) und damit § 10 StAG in der aktuellen Fassung des Art. 5 Nr. 7 Buchst. c des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970, zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Juni 2012, BGBl I S. 1224). Die Übergangsvorschrift des § 40c StAG ist vorliegend ohne Bedeutung, da die Klägerin den Einbürgerungsantrag am 8. Mai 2008 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag (30. März 2007) gestellt hat.

11

2. Zwischen den Beteiligten steht allein im Streit, ob zugunsten der Klägerin, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht über ausreichende Sprachkenntnisse im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 StAG verfügt, die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 6 StAG eingreift. Nach dieser Vorschrift wird von den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

12

Der Senat folgt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass es für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 StAG nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag - bzw. in einem Gerichtsverfahren bei Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz - ankommt. Die tatsächliche Würdigung der Vorinstanz, die Klägerin werde die ihr fehlenden Sprachkompetenzen krankheitsbedingt nicht (mehr) erlangen können (BA S. 14), wird auch von der Revision nicht infrage gestellt. Sie ist jedoch der Auffassung, dass bei der Klägerin nicht die nunmehr vorliegenden krankheitsbedingten Einschränkungen der Grund dafür seien, dass diese die Sprachanforderungen nicht erfüllen könne, sondern ihre diesbezüglichen Versäumnisse in der Vergangenheit. Dieser monokausalen Betrachtungsweise, die den Blick über die gegenwärtigen Verhältnisse hinaus auf die Frage der früheren Befähigung und etwaiger Bemühungen des Ausländers zum Spracherwerb richten und ihm zurechenbare Versäumnisse in der Vergangenheit auf Dauer einbürgerungshindernd entgegenhalten will, folgt der Senat nicht (ebenso OVG Saarlouis, Urteil vom 12. Februar 2014 - 1 A 293/13 - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 2. Dezember 2011 - 11 K 839/11 - InfAuslR 2012, 135 <136 f.>; Berlit, in: GK-StAR, Bd. I, Stand: Juli 2012, § 10 StAG Rn. 406; Geyer, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, 2008, § 10 StAG Rn. 23).

13

2.1 Gegen diesen Ansatz sprechen bereits rechtssystematische Überlegungen und der strukturelle Zusammenhang, in dem die Vorschrift des § 10 Abs. 6 StAG steht. Sie enthält in Gestalt eines obligatorischen Absehensgrundes eine Ausnahmeregelung von den in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG enthaltenen Einbürgerungsvoraussetzungen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen sowohl eines Anspruchs als auch einer Ausnahmeregelung, nach der zwingend von einer einzelnen Anspruchsvoraussetzung abzusehen ist, kommt es grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung über den Antrag an, wenn das materielle Recht keine abweichende Regelung enthält. Für einen von diesem Grundsatz abweichenden Regelungswillen des Gesetzgebers gibt auch der im Präsens gehaltene Wortlaut des § 10 Abs. 6 StAG keinerlei Anhalt.

14

2.2 Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die systematische Auslegung mit Blick auf die übrigen in § 10 StAG geregelten Einbürgerungsvoraussetzungen seine Auffassung stützt. Denn die Einbürgerungsvoraussetzung der selbständigen Lebensunterhaltssicherung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG stellt mit dem immanenten Ausnahmetatbestand, dass der Ausländer die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht zu vertreten hat, auch auf sein in der Vergangenheit liegendes Verhalten ab (vgl. dazu Urteil vom 19. Februar 2009 - BVerwG 5 C 22.08 - BVerwGE 133, 153 = Buchholz 130 § 10 StAG Nr. 5, jeweils Rn. 19 ff.). Wenn der Gesetzgeber eine retrospektive Betrachtung auch in § 10 Abs. 6 StAG hätte eröffnen wollen, hätte eine entsprechende Formulierung nahe gelegen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Aufnahme eines "Vertretenmüssens" in § 10 Abs. 6 StAG bei den Ausnahmetatbeständen der Krankheit, Behinderung oder des Alters keinen Sinn gemacht hätte, da diese Hinderungsgründe dem Ausländer in kaum einem Fall zurechenbar seien. Mit diesem Einwand übersieht die Revision, dass der Gesetzgeber ein "Vertretenmüssen" nicht auf den Eintritt von Krankheit, Behinderung oder Alter hätte beziehen müssen, sondern ein solches subjektives Tatbestandsmerkmal an das Unterlassen hinreichender Bemühungen des Ausländers um den Spracherwerb in der Vergangenheit hätte knüpfen können.

15

2.3 Aus den Gesetzesmaterialien und dem daraus ersichtlichen Normzweck der im Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 getroffenen staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen, die die Sprachanforderungen bei der Einbürgerung betreffen, ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Auffassung der Revision. Mit dem genannten Änderungsgesetz hat der Gesetzgeber die ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache, deren Nichtvorliegen bislang einen Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. darstellte, systematisch den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 StAG zugeordnet (BTDrucks 16/5065 S. 228). Des Weiteren wurde auf Anregung der Innenministerkonferenz vom 5. Mai 2006 mit der Legaldefinition in § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG der Maßstab für die Sprachanforderungen im Gesetz geregelt, um eine bundeseinheitliche Auslegung dieses Begriffes zu garantieren (BTDrucks 16/5065 S. 229). Schließlich hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 6 StAG eine Ausnahmeregelung geschaffen, die im Gesetzentwurf der Bundesregierung folgendermaßen begründet worden ist (BTDrucks 16/5065 S. 229):

"Der neue Absatz 6 enthält Ausnahmeregelungen im Hinblick auf die Sprachkenntnisse und die Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland zugunsten von kranken, behinderten Personen und Personen, die diese Anforderungen aufgrund ihres Alters nicht mehr erfüllen können."

16

Weder aus dieser Einzelbegründung noch aus der Gesamtschau der Regelungen des Richtlinienumsetzungsgesetzes zu den staatsangehörigkeitsrechtlichen Sprachanforderungen sowie den programmatischen Aussagen des darin in Bezug genommenen Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 5. Mai 2006 lassen sich belastbare Anhaltspunkte für die Ansicht der Revision gewinnen. Vielmehr spricht die wiedergegebene Detailbegründung zu § 10 Abs. 6 StAG mit der Wendung "... nicht mehr erfüllen können." eher gegen ihre Rechtsauffassung. Der Wortlaut der Vorschrift selbst (BTDrucks 16/5065 S. 46 ) ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens unverändert geblieben; die gegenteilige Annahme der Revision mit dem Verweis auf die angebliche Streichung des Wörtchens "mehr" verwechselt die Ebenen von Normtext und amtlicher Begründung innerhalb des Gesetzentwurfs.

17

Schließlich führt auch der Hinweis der Revision auf den Gesetzentwurf des Bundesrates (BTDrucks 16/5107) nicht weiter. Die darin vorgesehene Flexibilisierung durch eine Ermessensregelung in § 10 Abs. 6 StAG, nach der von den Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG hätte abgesehen werden können, soweit der Ausländer sie aufgrund einer altersbedingten Beeinträchtigung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann, ist von der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme abgelehnt worden (BTDrucks 16/5107 S. 13 f.):

"Die Ermessensregelung in Absatz 6 lehnt die Bundesregierung ab, da bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kein Raum mehr für ein Ermessen der Staatsangehörigkeitsbehörde bleibt. Wenn der Einbürgerungsbewerber aufgrund seiner Behinderung oder seiner altersbedingten Beeinträchtigung den Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse oder der staatsbürgerlichen Kenntnisse nicht erbringen kann, muss zwingend von diesen Voraussetzungen abgesehen werden."

18

Die explizite Entscheidung des Gesetzgebers für einen obligatorischen und gegen einen fakultativen Absehensgrund spricht eher gegen denn für die Auffassung der Revision. Denn wie bereits oben (unter 2.1) ausgeführt, kommt es bei einer strikten Pflicht der Verwaltung, von einer Anspruchsvoraussetzung abzusehen, grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung über den Antrag an.

19

2.4 Soweit die Revision versucht, in einer Gesamtbetrachtung aus dem Charakter der von ihr als "Schlussstein der Integration" apostrophierten Einbürgerung und der gesetzlichen Entwicklung zu den Sprachanforderungen Rückschlüsse bei der Auslegung des § 10 Abs. 6 StAG zu ziehen, vermag ihr der Senat darin nicht zu folgen. Zwar ist es richtig, dass die Einbürgerung einem Ausländer mit der deutschen Staatsangehörigkeit den stärksten rechtlichen Status vermittelt und der Gesetzgeber die Sprachanforderungen bei der Einbürgerung im Laufe der Zeit kontinuierlich verschärft hat. Aus diesem Befund lassen sich jedoch mit Blick auf die Frage, ob frühere Bemühungen um einen Spracherwerb für § 10 Abs. 6 StAG von Bedeutung sind, keine tragfähigen Schlussfolgerungen im Sinne der Revision ziehen. Denn der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift bewusst eine Ausnahmeregelung zugunsten von Ausländern getroffen, die diese verschärften Anforderungen aufgrund Krankheit, Behinderung oder altersbedingt nicht mehr erfüllen können. Damit hat er für begrenzte Ausnahmekonstellationen die gestiegenen Anforderungen an die Beherrschung der deutschen Sprache kompensiert und eine Schwelle markiert, jenseits derer Bemühungen um einen Spracherwerb aus staatsangehörigkeitsrechtlicher Sicht nicht zumutbar sind.

20

3. Die Klägerin erfüllt die übrigen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG, soweit nicht von ihnen zwingend abzusehen ist. Sie hat seit über acht Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und besitzt eine Niederlassungserlaubnis. Strafrechtlich ist sie nicht in Erscheinung getreten. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII hat sie nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht zu vertreten. Des Weiteren ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG von der Voraussetzung einer Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG) abzusehen, da die Islamische Republik Iran nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts faktisch keine Entlassungen vornimmt. Der Anspruchseinbürgerung der Klägerin steht der fortgeltende Zustimmungsvorbehalt in Nr. II des Schlussprotokolls zum Niederlassungsabkommen (NAK) zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 (RGBl 1930 II S. 1002, 1006; Bekanntmachung vom 15. August 1955, BGBl II S. 829) nicht entgegen (Urteile vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 41.87 - BVerwGE 80, 249 <252 ff.> = Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 34 S. 10<12 ff.> und vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 52.87 - BVerwGE 80, 233 <245, 246> = Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 35 S. 16<27, 28>). Schließlich kann sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts krankheitsbedingt auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StAG nicht erfüllen, so dass auch von dieser Einbürgerungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 6 StAG abzusehen ist.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

2

Der 1977 in Bagdad geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Er reiste im Dezember 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt stellte auf diesen Antrag im Februar 2001 Abschiebungshindernisse fest. Der Kläger erhielt fortan Aufenthaltstitel, zuletzt im Dezember 2007 eine Niederlassungserlaubnis.

3

Das Amtsgericht verurteilte den Kläger Anfang 2004 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen.

4

Im Dezember 2007 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Auf dem Formblatt der Beklagten füllte er die Rubrik für Strafverurteilungen nicht aus, sondern kreuzte das Feld "keine Straftaten" an. Ferner gab er an, seit September 2006 als freier Journalist bei der D. tätig zu sein, wobei sein journalistischer Arbeitsbereich den Nahen Osten betreffe. Er habe eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland.

5

Mit Bescheid vom 16. Juni 2008 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab, weil seine Strafverurteilung die Unbedenklichkeitsgrenze von 90 Tagessätzen mehr als geringfügig übersteige.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Einbürgerung mit Urteil vom 10. Februar 2010 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 14. März 2011 die Entscheidung der Vorinstanz geändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides verpflichtet, den Einbürgerungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Kläger habe weder einen Einbürgerungsanspruch aus § 10 Abs. 1 StAG noch aus § 8 Abs. 1 StAG, weil er die Voraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfülle und die Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG (Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen) nicht einhalte. Er habe jedoch einen Anspruch auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags aus § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG, da die gegen ihn verhängte Geldstrafe von 120 Tagessätzen den Rahmen von 90 Tagessätzen nur geringfügig übersteige. Das Tatbestandsmerkmal "geringfügig" im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG sei so auszulegen, dass es bei einer Überschreitung der Bagatellgrenze um nicht mehr als 30 Tagessätze Geldstrafe oder einen Monat Freiheitsstrafe noch erfüllt sei. Andernfalls werde der Vorschrift kein ausreichendes praktisches Anwendungsspektrum insbesondere bei Freiheitsstrafen belassen. Denn eine oberhalb der Bagatellgrenze von drei Monaten liegende Verurteilung zu einer Einzelfreiheitsstrafe betrage in der Praxis fast immer mindestens vier Monate, weil die Strafgerichte nahezu ausschließlich nach Monaten bemessene Einzelstrafen verhängten. Wenn demnach eine Überschreitung um einen Monat Freiheitsstrafe geringfügig sei, müsse dies auch für eine Überschreitung um 30 Tagessätze gelten. Denn die Geringfügigkeitsgrenze müsse für Geld- und Freiheitsstrafen einheitlich festgelegt werden.

7

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG. Bereits der Wortsinn des Merkmals "geringfügig" schließe es aus, dieses im Fall des Überschreitens der Bagatellgrenze um ein Drittel - wie hier - als erfüllt anzusehen. Was unter dem unbestimmten Rechtsbegriff geringfügig zu verstehen sei, sei nach dem Willen des Gesetzgebers der Präzisierung in einer Verwaltungsvorschrift, nämlich den Vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern, zu entnehmen. Deshalb sei eine Überschreitung nur geringfügig, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen die Bagatellgrenze um nicht mehr als 21 Tagessätze Geldstrafe bzw. drei Wochen Freiheitsstrafe übersteige.

8

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Rechtsansicht der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht in Einklang. Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

10

Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Einbürgerung aus § 10 Abs. 1 StAG zusteht, weil er die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt und seine Verurteilung zu 120 Tagessätzen Geldstrafe nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG unbeachtlich ist. Es hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass der Kläger einen Anspruch auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG besitzt, weil die Überschreitung des Rahmens um 30 Tagessätze noch geringfügig im Sinne dieser Vorschrift sei (1.). Ob dem Kläger ein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 8 Abs. 2 StAG zusteht, kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilt werden, so dass die Sache der Zurückverweisung bedarf (2.).

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1. Die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Verurteilung außer Betracht bleiben kann, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 2 übersteigt. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts hier nicht erfüllt.

12

a) Bei dem Merkmal geringfügig handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Soweit sich die Verwaltungspraxis - auch der Beklagten - auf die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009 Stand: 17. April 2009 - VAH-StAG -) stützt, nach deren Ziffer 12a.1.3 eine geringfügige Überschreitung vorliegt, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen die Bagatellgrenze um nicht mehr als 21 Tagessätze bzw. drei Wochen Freiheitsstrafe übersteigt, ist dies für die Gerichte nicht bindend. Daran vermag auch der Hinweis in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007 (BTDrucks 16/5065 S. 230) zur neu gefassten Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG, dass der unbestimmte Rechtsbegriff geringfügig durch Verwaltungsvorschriften präzisiert werde, nichts zu ändern. Zwar ist damit nicht ausgeschlossen, dass die in Ziffer 12a.1.3 VAH-StAG genannte Zahl von 21 Tagessätzen (bzw. 3 Wochen Freiheitsstrafe) eine gesetzeskonforme Bestimmung dieses Rechtsbegriffs enthält. Ob dies zutrifft, bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil jedenfalls die hier in Rede stehende Überschreitung des gesetzlichen Rahmens bei Geldstrafen um 30 Tagessätze nicht mehr geringfügig ist.

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b) Eine Strafverurteilung, welche die gesetzliche Unbeachtlichkeitsgrenze von Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG) um ein Drittel überschreitet, übersteigt diese nicht "geringfügig" im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG. Das ergibt sich aus einer Gesamtschau von Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck dieser Gesetzesbestimmung.

14

aa) Bereits der Wortlaut des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG weist deutlich in die Richtung, dass eine Verurteilung zu 120 Tagessätzen nicht vernachlässigt werden darf. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort geringfügig in seinem Bedeutungsgehalt mit den Worten unbedeutend, unwesentlich, nicht ins Gewicht fallend und belanglos umschrieben; dementsprechend wird das Substantiv Geringfügigkeit mit Unbedeutendheit, Belanglosigkeit, Kleinigkeit und unwesentliche Sache gleichgesetzt (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006, S. 676; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl. 2011, S. 603.). Daran gemessen spricht ganz Überwiegendes dagegen, dass die Überschreitung eines vorgegebenen Rahmens um ein Drittel noch als geringfügig angesehen werden kann. 30 Tagessätze Geldstrafe (mehr) erweisen sich im Verhältnis zu dem Bezugsrahmen von 90 Tagessätzen nicht als eine Kleinigkeit, als unbedeutend oder als unwesentlich.

15

Diese Bewertung entspricht der Bedeutung, die dem Begriff "geringfügig" in Vorschriften beigemessen wird, in denen das Wort - wie in § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG - auf eine quantitativ bestimmte oder bestimmbare Größe bezogen ist. So wird etwa für die Frage, ob eine Zuvielforderung kostenrechtlich noch verhältnismäßig "geringfügig" im Sinne von § 92 Abs. 2 ZPO ist, allgemein davon ausgegangen, dass die Grenze der Geringfügigkeit bei 10 % der Bezugsgröße verläuft (s. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 92 Rn. 8; Schneider, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 92 Rn. 8; vgl. auch Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 20. November 2000 - Vf. 14-VI-00 - juris Rn. 6, 14 m.w.N.; vgl. ferner die weiteren Nachweise und Beispiele im Urteil des erstinstanzlich entscheidenden VG Köln vom 10. Februar 2010 - 10 K 4788/08 - juris Rn. 32 f.).

16

Die klare Tendenz der Wortlautauslegung, dass eine Überschreitung um ein Drittel nicht mehr geringfügig ist, wird durch die Anwendung weiterer Auslegungskriterien bestätigt.

17

bb) Dies gilt zunächst für die Auslegung am Maßstab der Gesetzessystematik. § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG steht in einem engen Kontext mit § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG sowie mit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG. Die zuletzt genannte Vorschrift statuiert den Grundsatz, dass Ausländer, die wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden sind, keinen Anspruch auf Einbürgerung haben. Eine Ausnahme macht das Gesetz in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG, indem es die sog. Bagatellgrenzen konkretisiert und anordnet, dass Verurteilungen von bis zu 90 Tagessätzen Geldstrafe oder 3 Monaten Freiheitsstrafe bei der Einbürgerung außer Acht bleiben. Werden diese Grenzen nicht eingehalten, so lässt § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG eine weitere Ausnahme zu, indem die Vorschrift noch eine Einzelfallprüfung ermöglicht; dies jedoch nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass die Überschreitung des Rahmens geringfügig ist. Diese systematische Stellung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG als (weitere) Ausnahme spricht dagegen, den Bedeutungsgehalt des Wortes geringfügig entgegen dem Befund der grammatikalischen Auslegung weit zu fassen.

18

Die Gesetzessystematik streitet ferner dagegen, das Merkmal der Geringfügigkeit einer auf den Einzelfall bezogenen wertenden Betrachtung zu unterziehen (vgl. aber Berlit, in: GK-StAR, Stand: November 2010, § 12a Rn. 42; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 12a StAG Rn. 9). Zum einen liefe dies darauf hinaus, bereits bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Geringfügigkeit eine Interessenabwägung vorzunehmen, wie sie erst für die Ermessensentscheidung geboten ist. Hierdurch würde die oben beschriebene Normstruktur des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG durchbrochen. Zum anderen bezieht sich die Vorschrift mit ihrer Verweisung auf den Rahmen der Sätze 1 und 2 gerade auf die dort vorgegebenen Quantitäten (nämlich die in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG genannten 90 Tagessätze Geldstrafe bzw. 3 Monate Freiheitsstrafe). Diese Bezugnahme spricht dafür, auch den Begriff geringfügig in quantitativer Weise zu bestimmen. Der bei einer solchen Betrachtungsweise nahe liegende Schluss, dass jedenfalls eine Überschreitung der Bezugsgröße um ein Drittel nicht mehr geringfügig ist, trägt überdies auch dem im Staatsangehörigkeitsrecht bedeutsamen Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung (vgl. dazu Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 28.10 - DVBl 2012, 106 Rn. 20).

19

cc) Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt diese Auslegung. § 12a StAG hat seine hier anwendbare und seit dem 28. August 2007 geltende Fassung durch das Änderungsgesetz vom 19. August 2007 erhalten (Art. 5 Nr. 10 des EU-Richtlinienumsetzungsgesetzes - BGBl I S. 1970). Mit diesem Gesetz ist die Regelung in dreifacher Hinsicht verschärft worden. Zunächst sind die Grenzwerte für Bagatellstraftaten in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG deutlich herabgesetzt worden. Nach der bis August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes blieben noch Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen und zu Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten außer Betracht. Des Weiteren ist eine Verschärfung gegenüber der alten Rechtslage herbeigeführt worden, indem der Gesetzgeber im neu gefassten § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG die Zusammenrechnung von Bagatellstraftaten vorgesehen hat, und zwar auch dann, wenn das Strafgericht keine Gesamtstrafe gebildet hat. Eine dritte und hier ebenfalls bedeutsame Verschärfung ist im Hinblick auf das Nichtberücksichtigungsermessen bei Verurteilungen zu einer höheren als der in Bezug genommenen Strafe eingetreten. Während nach der früheren Regelung (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F.) bei allen Überschreitungen eine Ermessensentscheidung zu treffen war, ob die Straftat im Einzelfall außer Betracht bleiben konnte, ordnet der Gesetzgeber nach dem nunmehr geltenden § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG nur noch dann eine Ermessensentscheidung über das Absehen von einer Verurteilung an, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den genannten Rahmen geringfügig überschreitet. Diese vom Gesetzgeber bewusst angestrebten Verschärfungen würden in ihrer Wirkung umso stärker relativiert werden, je weiter das Merkmal geringfügig ausgelegt wird. Deshalb gebietet es die in der Verschärfung zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention, die Anzahl der Fälle, in denen trotz Überschreitung der Unbeachtlichkeitsgrenze noch eine Ermessensentscheidung über die Nichtberücksichtigung der Verurteilung nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zu treffen ist, auf ein solches Maß zu beschränken, wie es der Wortlaut nahe legt.

20

Der dahin gehende gesetzgeberische Wille kommt auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck. In der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 16/5065 S. 229 f.) heißt es zur Änderung des Satzes 1 von § 12a Abs. 1 StAG, dass die bisherigen Grenzen für Bagatellstraftaten, die nicht einbürgerungshinderlich sind, als zu hoch angesehen werden und deshalb um die Hälfte gesenkt werden sollen. Dies entspreche auch einer Anregung der Innenministerkonferenz vom Mai 2006. Der damit in Bezug genommene Beschluss Nr. 7 der 180. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder stellte fest, dass die bisherigen Bagatellgrenzen, innerhalb derer Straftaten die Einbürgerung nicht hindern, unverhältnismäßig hoch seien. Um die Rechtstreue des Einbürgerungsbewerbers sicherzustellen, solle "in der Regel künftig bereits eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen die Einbürgerung ausschließen". Wenn sich der Gesetzgeber durch diese Bezugnahme die Forderung der Innenministerkonferenz zu eigen gemacht hat, dass "in der Regel" bereits eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen die Einbürgerung ausschließen soll, darf die im Gesetz vorgesehene Ausnahmeregelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (Einzelfallprüfung bei geringfügiger Überschreitung) nicht entgegen dem Ergebnis der Wortlautinterpretation weit verstanden werden.

21

dd) Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht einem weiten Verständnis entgegen.

22

Mit dem grundsätzlichen Erfordernis der Straffreiheit in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG will der Gesetzgeber zum einen demjenigen Einbürgerungsbewerber keinen Anspruch auf Einbürgerung einräumen, der ein Rechtsgut verletzt hat, das die Bundesrepublik Deutschland als der Staat, in den er eingebürgert werden will, für so wesentlich hält, dass dessen Verletzung mit Strafe bewehrt ist. Zum anderen stellt der Gesetzgeber damit klar, dass es nicht Aufgabe der Einbürgerungsbehörde ist, selbst festzustellen, ob der Ausländer eine Straftat begangen hat. Erforderlich aber auch hinreichend ist, dass der Verstoß gegen ein Strafgesetz in einer strafgerichtlichen Entscheidung festgestellt worden ist (Urteil vom 29. März 2007 - BVerwG 5 C 33.05 - BVerwGE 128, 271 Rn. 18). Mit der Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG über die Unbeachtlichkeit sog. Bagatellstraftaten wird dabei im Interesse der Rechtssicherheit eine klare Grenze vorgegeben, welche Straftaten bei der Entscheidung über die Einbürgerung unbeachtlich sind und welche nicht. Dies erleichtert zugleich den Verwaltungsvollzug, zumal die Einbürgerungsbehörden und im Streitfall die Verwaltungsgerichte grundsätzlich von der Richtigkeit der (rechtskräftigen) Verurteilung und des Strafmaßes ausgehen dürfen (vgl. Beschluss vom 16. Juli 2010 - BVerwG 5 B 2.10 - juris Rn. 18).

23

Der Zweck des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG besteht vor diesem Hintergrund darin, in "Grenzfällen" eine (weitere) Ausnahme durch die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung zuzulassen. Diese individuelle Prüfung soll aber - wie sich insbesondere aus der bewussten Verschärfung der Vorschrift durch die Einfügung des Merkmals der Geringfügigkeit ergibt - nur bei unbedeutenden bzw. marginalen Abweichungen von der Unbeachtlichkeitsgrenze stattfinden. Dieser Zwecksetzung entspricht das schon durch den allgemeinen Wortsinn nahe gelegte Auslegungsergebnis, dass eine Überschreitung der Bezugsgröße um 30 Tagessätze - also um ein Drittel - nicht mehr geringfügig ist.

24

c) Das im Wege der grammatikalischen, systematischen, genetischen und teleologischen Auslegung gewonnene Ergebnis wird durch die Begründung des Berufungsgerichts nicht in Frage gestellt. Seinem hiergegen vorgebrachten Argument, dass der Vorschrift wegen der Praxis der Strafgerichte, Einzelfreiheitsstrafen nahezu ausschließlich in monatlicher Stufung zu verhängen, kein genügendes praktisches Anwendungsspektrum belassen werde (UA S. 11), vermag der Senat nicht zu folgen.

25

Dabei geht der Senat für die revisionsgerichtliche Prüfung von der tatsächlichen Feststellung des Berufungsgerichts aus, dass die Strafgerichte in der Praxis "nahezu ausschließlich" nach Monaten bemessene (Einzel-)Freiheitsstrafen verhängen. Es bedarf insoweit keiner abschließenden Entscheidung, ob diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend ist, weil es sich um eine Tatsachenfeststellung im Sinne von § 137 Abs. 2 VwGO handelt, die von der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden ist. Auch wenn es sich - wofür Überwiegendes spricht - bei den Erhebungen zur Strafzumessungspraxis der Strafgerichte um generelle, der allgemeinen Auslegung der materiellrechtlichen Rechtsnorm (hier des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG) dienende Tatsachen (sog. legal facts) handelt, die von § 137 Abs. 2 VwGO nicht erfasst werden und vom Revisionsgericht im Zweifel selbst aufgeklärt werden dürften (vgl. Urteil vom 6. November 2002 - BVerwG 6 C 8.02 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 89 S. 24 f.; Beschluss vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - juris Rn. 11), kann sie der Senat hier zugrunde legen. Denn die Feststellung des Berufungsgerichts über die Strafzumessungspraxis der Strafgerichte bei Freiheitsstrafen steht weder zwischen den Beteiligten im Streit noch ergeben sich sonst aufklärungsbedürftige Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt.

26

aa) Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Regelung über Geldstrafen liegt die Gefahr eines praktischen Leerlaufens des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG aber auch dann nicht vor, wenn eine Überschreitung um 30 Tagessätze nicht mehr als geringfügig angesehen wird. Das Berufungsgericht hat nämlich nicht festgestellt, dass die Strafgerichte Geldstrafen nur in Stufen von 30 Tagessätzen verhängen. Hierfür gibt es auch sonst keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr kann es - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert und zwischen den Beteiligten unstreitig - als offenkundig angesehen werden, dass in der Strafpraxis auch Abstufungen in geringeren Schritten (etwa von 10 Tagessätzen) häufig sind (vgl. VG Ansbach, Urteile vom 18. Mai 2011 - AN 15 K 10.01673 - juris Rn. 27 und vom 16. März 2011 - AN 15 K 10.02233 - juris Rn. 25). Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass die Geldstrafe mindestens 5 Tagessätze beträgt (§ 40 Abs. 1 Satz 2 StGB).

27

bb) Ebenso wenig besteht die Gefahr, dass bei Zugrundelegung der Auslegung des Senats die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG insgesamt leerläuft. Das Berufungsgericht hat nämlich auch nicht festgestellt, dass für das Merkmal der Geringfügigkeit im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (insgesamt) kein praktischer Anwendungsbereich vorhanden sei. Neben den Anwendungsfällen im Hinblick auf Geldstrafen verbleibt ein solcher, wie auch das Berufungsgericht (UA S. 11) einräumt, sowohl im Hinblick auf die Bildung von Gesamtstrafen als auch auf diejenigen Fälle, in denen mehrere Geldstrafen oder Freiheitsstrafen und Geldstrafen gemäß § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG zusammenzurechnen sind.

28

cc) Dem Oberverwaltungsgericht ist auch nicht deshalb zu folgen, weil bei isolierter Betrachtung der Verurteilungen zu Freiheitsstrafe dem § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG insoweit nur dann ein ins Gewicht fallender praktischer Anwendungsbereich verbleibt, wenn die Geringfügigkeitsgrenze auf vier Monate festgesetzt wird. Zweifelhaft ist bereits, ob dem Hinweis auf die Strafzumessungspraxis der Strafgerichte bei Freiheitsstrafen überhaupt durchgreifende Bedeutung für die Auslegung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zukommen kann. Es begegnet nicht unerheblichen Bedenken, die Bestimmung des Inhalts von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG maßgeblich an der Verfahrensweise der Strafgerichte auszurichten, die von Gesetzes wegen nicht gehalten sind, (kürzere) Freiheitsstrafen allein in Monatsschritten zu verhängen. § 39 StGB sieht nämlich eine Bemessung der Freiheitsstrafe unter einem Jahr nach vollen Wochen und Monaten vor, weshalb in der Rechtspraxis auch Stufungen in Wochen vorgekommen und für zulässig erachtet worden sind (vgl. BayObLG, Urteil vom 10. Juni 1976 - RReg 2 St 73/76 - NJW 1976, 1951 f.; KG Berlin, Beschluss vom 15. November 2005 - (3) 1 Ss 398/05 - juris Rn. 3).

29

Selbst wenn man unter Zurückstellung dieser Bedenken dem Ansatz des Berufungsgerichts folgt, greift seine Argumentation nicht durch. Aus seiner Feststellung zum praktischen Anwendungsbereich des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG im Hinblick auf (Einzel-)Freiheitsstrafen folgt nicht, dass etwa aus teleologischen Gründen eine Auslegung geboten ist, welche eine Überschreitung des Bezugsrahmens um ein Drittel (also um einen Monat Freiheitsstrafe) noch als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG ansieht. Soweit aus der genannten Feststellung zu schließen ist, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift bei (Einzel-)Freiheitsstrafen numerisch deutlich kleiner ist als bei Geldstrafen, steht dies mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerade in Einklang.

30

Denn die Freiheitsstrafe ist, auch wenn ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, gegenüber der Geldstrafe kein geringeres Übel (BGH, Urteil vom 17. Januar 1989 - 1 StR 730/88 - JR 1989, 425 f.), sondern regelmäßig die schwerere Strafe (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 2 StR 464/97 - wistra 1998, 58; Häger, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, Vor § 38 Rn. 39 m.w.N.). Sie darf gerade bei kurzen Freiheitsstrafen nur unter besonderen Voraussetzungen angeordnet werden. Diese Wertung kommt insbesondere in § 47 Abs. 1 StGB zum Ausdruck, wonach das Gericht eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur verhängen darf, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Der zurückhaltende Gebrauch von der Freiheitsstrafe, die grundsätzlich nur als ultima ratio verhängt werden soll, ergibt sich im Verhältnis zur Geldstrafe als Folge des Grundsatzes, das zugefügte Übel möglichst gering zu halten (Theune, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 47 Rn. 2). Wenn aber die Freiheitsstrafe im Verhältnis zur Geldstrafe regelmäßig die schwerere Strafe ist, darf sie wegen der oben erörterten Zwecksetzung des § 12a Abs. 1 StAG im Hinblick auf die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze nach Satz 3 nicht großzügiger behandelt werden als die Geldstrafe. Vielmehr ist die Ein-Drittel-Grenze für (Einzel-)Freiheitsstrafen - auch wenn es insoweit rechtstatsächlich nur wenige praktische Anwendungsfälle geben mag - erst recht anzuwenden.

31

Diesem Ergebnis lässt sich - anders als das Berufungsgericht meint - nicht entgegenhalten, dass im Falle der Zusammenrechnung von Straftaten nach der Umrechnungsvorschrift des § 12a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 StAG einem Tagessatz Geldstrafe ein Tag Freiheitsstrafe entspricht. Diese Regel findet ihre Vorbilder in den Umrechnungsregelungen des Strafgesetzbuchs (vgl. etwa § 54 Abs. 3, § 51 Abs. 4 Satz 1, § 47 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2, § 43 Satz 2 StGB). Dieser Umrechnungsfaktor liegt auch der Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG zugrunde, weil die Bagatellgrenzen für Freiheits- und Geldstrafen im Verhältnis zueinander dem Umrechnungsmaßstab entsprechen (90 Tagessätze = 3 Monate Freiheitsstrafe). Aus diesem systematischen Zusammenhang lässt sich zwar folgern, dass eine abstrakte Festlegung, wann eine Überschreitung bei Freiheitsstrafen einerseits und bei Geldstrafen andererseits noch geringfügig ist, der Umrechnungsregel entsprechen sollte. Dem wird jedoch gerade auch dadurch Rechnung getragen, dass eine Überschreitung des jeweiligen Rahmens um ein Drittel entsprechend dieser Regel sowohl für die Geldstrafe als auch für die Freiheitsstrafe als nicht mehr geringfügig anzusehen ist.

32

Diese Begrenzung führt schließlich auch nicht zu vom Gesetz nicht gewollten Härtefällen. In zeitlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass einem Einbürgerungsbewerber die im Bundeszentralregister erfassten Straftaten nur solange entgegengehalten werden dürfen, wie die Tilgungsfristen noch laufen und das Verwertungsverbot des § 51 BZRG nicht eingreift (vgl. Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 1.11 - UA S. 37 ff., zur Veröffentlichung vorgesehen). Überdies können im Rahmen einer Entscheidung über die Ermessenseinbürgerung (§ 8 Abs. 1 StAG) - auch wenn Verurteilungen vorliegen, die den Rahmen mehr als geringfügig übersteigen - etwaige Besonderheiten des Einzelfalles nach § 8 Abs. 2 StAG (im Falle eines "öffentlichen Interesses" an der Einbürgerung oder "zur Vermeidung einer besonderen Härte") berücksichtigt werden.

33

d) Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen hatte die Beklagte hier keine Ermessensentscheidung nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zu treffen, weil die Tatbestandsvoraussetzung des geringfügigen Übersteigens im Fall des Klägers wegen seiner Verurteilung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen nicht erfüllt ist.

34

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist weiterhin die Prüfung der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG (a). Der Senat kann jedoch hierüber auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht selbst abschließend entscheiden (b).

35

a) Ein Einbürgerungsbegehren ist grundsätzlich hinsichtlich aller in Betracht kommender Einbürgerungsgrundlagen zu prüfen (Urteile vom 17. März 2004 - BVerwG 1 C 5.03 - NVwZ 2004, 997; vom 20. April 2004 - BVerwG 1 C 16.03 - BVerwGE 120, 305 <308> und vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 5 C 8.05 - BVerwGE 124, 268 <276>). Etwas anderes kann zwar ausnahmsweise gelten, wenn der Einbürgerungsbewerber seinen Antrag auf die Prüfung der Anspruchsnorm des § 10 StAG begrenzt. Für eine solche Begrenzung des Begehrens, die eine Prüfung der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG ausnimmt, bedürfte es jedoch eindeutiger Hinweise (vgl. Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 1.11 - UA S. 13 f., zur Veröffentlichung vorgesehen). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat seinen Antrag, wovon - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren in dieser Weise beschränkt.

36

b) Ob eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG in Betracht kommt, lässt sich mangels genügender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen.

37

Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG insofern nicht vorliegen, als der Kläger die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass - wie das Berufungsgericht (UA S. 7) ebenfalls zutreffend ausführt - die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG in ihrer seit August 2007 geltenden Fassung ausweislich ihres klaren Wortlauts nicht mehr nur bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG, sondern auch bei der Ermesseneinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG Anwendung findet (so zutreffend OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. Juni 2010 - 1 A 88/10 - juris Rn. 6 ff.; Marx, in: GK-StAR, Stand: Oktober 2009, § 8 Rn. 93; Berlit, in: GK-StAR, Stand: November 2010, § 12a Rn. 13.3). Denn die Verurteilung des Klägers zu 120 Tagessätzen Geldstrafe ist - wie bereits dargelegt - nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG unbeachtlich.

38

Das Berufungsgericht hat hingegen nicht geprüft, ob die Beklagte verpflichtet war, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 StAG zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von der Voraussetzung der Straffreiheit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG abgesehen werden. § 8 Abs. 2 StAG ist auch dann noch anwendbar, wenn - wie hier - die Grenze der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. Juni 2010 a.a.O. Rn. 10 ff.; Berlit, InfAuslR 2007, 457 <465>).

39

Zwar lässt sich auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen eine "besondere Härte" im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG nicht annehmen. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (so zutreffend etwa OVG Saarlouis, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 1 A 246/11 - juris Rn. 79; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juni 2009 - 5 M 30.08 - juris Rn. 2 m.w.N.). Für solche Umstände, deren Vorbringen der Mitwirkungsobliegenheit des Einbürgerungsbewerbers unterfällt, gibt es nach den bisherigen Feststellungen keinen Anhalt.

40

Der Senat kann aber jedenfalls deshalb nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehlt, ob ein öffentliches Interesse im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG besteht. Das Berufungsgericht (UA S. 4) hat lediglich auf den Vortrag des Klägers im Verwaltungsverfahren Bezug genommen, dass sein journalistischer Arbeitsplatz bei der D. den Nahen Osten betreffe und er eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfülle. Es hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit dieser Vortrag zutrifft, und es hat nicht geprüft, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten sind. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

41

Sollte das Berufungsgericht im Anschluss an die nachzuholende Prüfung zu der Einschätzung gelangen, dass der Kläger die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 2 StAG erfüllt und dementsprechend eine Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen war, wird es im Rahmen der Kontrolle dieser Entscheidung zum einen zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags im Dezember 2007 wie auch ihrer Entscheidung hierüber (am 16. Juni 2008) für die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG noch nicht zuständig war (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten vom 5. Oktober 2004 - GVBl I S. 612), sondern diese Zuständigkeit erst ab 1. Juli 2008 erlangt hat (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten vom 3. Juni 2008 - GVBl NRW I S. 468). Insoweit weist der Senat darauf hin, dass es § 114 Satz 2 VwGO in Fällen, in denen es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt, nicht ausschließt, dass die Behörde eine Ermessensentscheidung erstmals im gerichtlichen Verfahren trifft und zur gerichtlichen Überprüfung stellt, wenn sich aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach Klageerhebung ergibt (Urteil vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 C 14.10 - juris Rn. 8). Zum anderen wird das Berufungsgericht - worauf es im Zusammenhang mit § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG bereits eingegangen ist (UA S. 15) - im Fall einer etwaigen Kontrolle der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 StAG zu berücksichtigen haben, dass die Behörde auch im Rahmen dieser Entscheidung als gewichtigen Gesichtspunkt zu Lasten des Klägers in Ansatz bringen darf, dass er die Strafverurteilung in seinem Einbürgerungsantrag verschwiegen hat.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung.

2

Der 1983 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er lebt seit 1996 in Deutschland und ist Vater eines 2008 geborenen Kindes, das die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. 1997 wurde dem Kläger erstmals eine Aufenthaltserlaubnis erteilt; seit 2009 ist er im Besitz einer Niederlassungserlaubnis.

3

Im Juni 2010 stellte der Kläger beim beklagten Landkreis einen Antrag auf Einbürgerung. Die von der Staatsangehörigkeitsbehörde eingeholte Auskunft aus dem Bundeszentralregister enthielt eine Eintragung. Danach war gegen den Kläger mit Strafbefehl vom 27. März 2007 eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen festgesetzt worden. Darüber hinaus erlangte die Behörde aus der von ihr beigezogenen Ausländerakte Kenntnis davon, dass der Kläger mit Strafurteil vom 28. November 2002 zu einer Jugendstrafe von 10 Monaten verurteilt worden war. Die Vollstreckung der Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden. Nach Ablauf der Bewährungszeit wurde die Strafe 2005 vom Jugendgericht erlassen und der Strafmakel der Verurteilung nach § 100 JGG für beseitigt erklärt.

4

Mit Bescheid vom 11. April 2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2012 zurück. Da der Kläger noch türkischer Staatsangehöriger sei, könne sein Begehren nur auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung gerichtet sein. Diesem Begehren stehe die Verurteilung zu einer Jugendstrafe entgegen.

5

Das Verwaltungsgericht hat die auf Erteilung einer befristeten Einbürgerungszusicherung gerichtete Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 22. August 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die der Staatsangehörigkeitsbehörde bekannt gewordenen Verurteilungen stünden einer Einbürgerung entgegen. Dabei könne dahinstehen, ob es sich bei der Jugendstrafe um eine Freiheitsstrafe im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG handele, da die zusammenzurechnenden Strafen die Schwelle der Unbeachtlichkeit nicht nur geringfügig überschritten. Die Verurteilungen unterlägen keinem Verwertungsverbot nach § 51 BZRG. Tilgungsreife trete erst 10 Jahre nach der letzten Verurteilung ein. Die Beseitigung des Strafmakels der Jugendstrafe stehe einer Tilgung im Zentralregister nicht gleich. § 41 Abs. 3 Satz 1 BZRG begründe kein dem Verwertungsverbot des § 51 BZRG gleichstehendes Berücksichtigungsverbot. Die Entmakelung führe zu einer Einschränkung des Umfangs der Auskunftserteilung, stehe der Berücksichtigung aber nicht entgegen, wenn die Staatsangehörigkeitsbehörde - wie hier - von der Jugendstrafe nicht durch Auskunft aus dem Zentralregister, sondern sonst auf rechtmäßige Weise Kenntnis erlangt habe. Die gegenteilige Auffassung des saarländischen Oberverwaltungsgerichts überzeuge nicht. Auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei nicht zu entnehmen, dass die Beseitigung des Strafmakels zu einem Verwertungsverbot führe. Zwar fehle im Staatsangehörigkeitsrecht eine § 91 Abs. 2 AufenthG entsprechende Löschungsvorschrift. Diese Vorschrift wirke sich mittelbar aber auch hier aus, da die Behörde nach einer Löschung über die Beiziehung der Ausländerakte keine Kenntnis mehr erhalte. Auch sonst sprächen keine Besonderheiten des Einbürgerungsverfahrens für ein Berücksichtungsverbot. Der Gesetzgeber habe in § 12a StAG die frühere Privilegierung für Jugendstrafen nach § 88 Abs. 2 AuslG 1990 nicht übernommen. Auch wenn der Staatsangehörigkeitsbehörde von der Registerbehörde die Verurteilung zu einer entmakelten Jugendstrafe nicht mitgeteilt werde und es von eher zufälligen Umständen des Einzelfalles abhänge, ob sie hiervon auf rechtmäßigem Wege gleichwohl Kenntnis erlange, obliege eine Änderung der bestehenden Rechtslage allein dem Gesetzgeber. Die Erfüllung des Straffreiheitserfordernisses sei gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG auch Voraussetzung für eine Einbürgerung im Ermessenswege. Umstände, die ein Absehen gemäß § 8 Abs. 2 StAG rechtfertigen könnten, seien weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

6

Der Kläger macht mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision geltend, dass die Jugendstrafe nach der Strafmakelbeseitigung nicht mehr berücksichtigt werden dürfe. Staatsangehörigkeitsbehörde und Gerichte hätten von dieser Verurteilung auch nicht rechtmäßig Kenntnis erlangt, da die Ausländerbehörde das Strafurteil aus den Akten hätte entfernen müssen. Mit Blick auf die Zufälligkeit der Kenntniserlangung sei eine Einbürgerungszusicherung zumindest zur Vermeidung einer unbilligen Härte zu erteilen.

7

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

8

Der Kläger ist während des Revisionsverfahrens umgezogen. Der Beklagte hat mitgeteilt, dass er das Verfahren mit Zustimmung der für den neuen Wohnort zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörde fortführt.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) zurückgewiesen. Die auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung gerichtete Verpflichtungsklage richtet sich gegen den richtigen Beklagten (1.). Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung, da er nach Aufgabe seiner türkischen Staatsangehörigkeit weder die weiteren Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG noch diejenigen für eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG erfüllen würde. Der Anspruchseinbürgerung stehen die Verurteilungen entgegen (2.). Diese stellen materiell ein Einbürgerungshindernis dar (2.1). Sie unterliegen keinem Verwertungsverbot nach § 51 BZRG (2.2). Der Berücksichtigung der gegen den Kläger verhängten Jugendstrafe steht auch nicht entgegen, dass diese Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen und der Strafmakel gemäß § 100 JGG für beseitigt erklärt worden ist (2.3). Mangels Erfüllung des Straffreiheitserfordernisses scheidet eine Ermessenseinbürgerung ebenfalls aus (3.).

10

1. Die Klage richtet sich gegen den richtigen Beklagten. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger während des Revisionsverfahrens umgezogen ist. Denn die für den neuen Wohnort zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde hat dem Beklagten die Zustimmung zur Fortführung des Verfahrens in eigener Zuständigkeit erteilt (vgl. § 1 LVwVfG Rheinland-Pfalz i.V.m. § 3 Abs. 3 VwVfG des Bundes). Eine solche Handhabung ist rechtlich nicht zu beanstanden und dient der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens (Urteil vom 24. Mai 1995 - BVerwG 1 C 7.94 - BVerwGE 98, 313 <316> = Buchholz 402.240 § 24 AuslG 1990 Nr. 1 S. 1<3>).

11

2. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung liegen nicht vor. Ist ein Einbürgerungsbewerber - wie hier - im Besitz einer anderen Staatsangehörigkeit, kann ihm nach § 38 VwVfG eine schriftliche Einbürgerungszusicherung erteilt werden, durch die ihm die Einbürgerung für den Fall zugesagt wird, dass er die Aufgabe seiner Staatsangehörigkeit nachweist. Die Erteilung einer derartigen Zusage setzt voraus, dass der Betroffene alle weiteren Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllt. Daran fehlt es hier. Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG setzt (u.a.) voraus, dass der Ausländer nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG). Dies ist hier wegen der beiden der Staatsangehörigkeitsbehörde bekannt gewordenen Verurteilungen des Klägers nicht der Fall.

12

2.1 Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Unbeachtlichkeit nach § 12a Abs. 1 StAG liegen nicht vor. Danach bleiben bei der Einbürgerung außer Betracht, (1.) die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz, (2.) Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und (3.) Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist (§ 12a Abs. 1 Satz 1 StAG). Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wurde eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG). Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 2, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann (§ 12a Abs. 1 Satz 3 StAG).

13

Die Verurteilungen des Klägers bleiben nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG außer Betracht. Die Verurteilung zu einer Jugendstrafe von 10 Monaten aus dem Jahre 2002 überschreitet bereits bei isolierter Betrachtung die in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG gezogene Beachtlichkeitsgrenze, und zwar um mehr als das Doppelte und daher nicht "geringfügig" (vgl. Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145 = Buchholz 130 § 12a StAG Nr. 2, jeweils Rn. 13, nach dem bereits eine Überschreitung um ein Drittel nicht mehr "geringfügig" sei). Überdies wäre nach der Zusammenrechnungsregel des § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG die - bei isolierter Betrachtung nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG unbeachtliche - Verurteilung zu einer Geldstrafe vom 60 Tagessätzen aus dem Jahre 2007 hinzuzurechnen.

14

2.2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die beiden Verurteilungen keinem Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG unterliegen. Danach dürfen in Fällen, in denen die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder sie zu tilgen ist, die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden. Hierbei handelt es sich um ein umfassendes Verbot, das von allen staatlichen Stellen ab Tilgung bzw. Tilgungsreife Beachtung verlangt unabhängig davon, auf welche Weise sie die entsprechenden Informationen erhalten haben (Beschluss vom 23. September 2009 - BVerwG 1 B 16.09 - Buchholz 402.242 § 87 AufenthG Nr. 1).

15

Dass die Jugendstrafe dem Kläger vom Jugendgericht nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen und der Strafmakel als beseitigt erklärt worden ist, begründet kein materielles Verwertungsverbot. Nach § 26a JGG wird jede zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe, bei der die Strafaussetzung nicht widerrufen wird, nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen; wird die Strafe oder ein Strafrest bei einer Verurteilung zu nicht mehr als zwei Jahren Jugendstrafe erlassen, erklärt der Jugendrichter zugleich nach § 100 JGG den Strafmakel als beseitigt. Die Strafmakelbeseitigung nach dem Jugendgerichtsgesetz führt zu einer günstigeren registerrechtlichen Behandlung der Verurteilung nach dem Bundeszentralregistergesetz, insbesondere darf die Registerbehörde nur noch bestimmten Behörden und Gerichten (zu denen die Staatsangehörigkeitsbehörden und die Verwaltungsgerichte nicht zählen) über die Verurteilung Auskunft erteilen (§ 41 Abs. 3 BZRG). Die Entmakelung kann sich auch auf die Tilgungsfrist auswirken (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f BZRG). Die Beseitigung des Strafmakels hat hingegen keine Auswirkung auf das Tilgungsverbot des § 47 Abs. 3 BZRG (BGH, Beschluss vom 21. April 2009 - 1 StR 144/09 - NStZ-RR 2009, 291). Danach ist in Fällen, in denen im Register mehrere Verurteilungen eingetragen sind, die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen (Grundsatz der Unteilbarkeit des Registerinhalts bei Verurteilungen).

16

Folglich beträgt hier die Tilgungsfrist für die Verurteilung des Klägers vom November 2002 fünf Jahre (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BZRG). Hinsichtlich des Strafbefehls vom März 2007 gilt hingegen wegen der - zwar entmakelten, aber noch nicht tilgungsreifen - Jugendstrafe eine Tilgungsfrist von 10 Jahren (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 2 Buchst a BZRG), sodass beide Verurteilungen bei weiterer Straffreiheit erst im März 2017 im Zentralregister zu tilgen sind. Bis dahin darf die Registerbehörde der Staatsangehörigkeitsbehörde die Verurteilung aus dem Jahre 2002 zwar nicht mitteilen, diese Verurteilung unterliegt aber keinem Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG (Urteil vom 17. März 2004 - BVerwG 1 C 5.03 - Buchholz 402.240 § 88 AuslG Nr. 3 im Fall einer Einbürgerung nach § 88 AuslG 1990 sowie Beschlüsse vom 23. September 2009 a.a.O. und vom 14. Februar 1984 - BVerwG 1 B 10.84 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 102 zu den vergleichbaren Regelungen in § 61 BZRG n.F./§ 57 BZRG a.F. für das Erziehungsregister).

17

2.3 Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Strafmakelbeseitigung und das daran anknüpfende formelle Übermittlungsverbot der Registerbehörde gegenüber der Staatsangehörigkeitsbehörde nicht zur Folge haben, dass die Jugendstrafe im Einbürgerungsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden darf (a.A. OVG Saarland, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 1 A 246/11 - juris Rn. 55).

18

2.3.1 Eine derartige Wirkung ist den einschlägigen gesetzlichen Regelungen schon vom Wortlaut her nicht zu entnehmen. Sie widerspräche zudem der Gesetzessystematik. Gesetzeshistorie und -materialien sprechen ebenfalls gegen ein (eingeschränktes) Berücksichtigungsverbot im Einbürgerungsverfahren. Allein Sinn und Zweck der Strafmakelbeseitigung rechtfertigen keine Ausnahme vom einbürgerungsrechtlichen Straffreiheitserfordernis.

19

Das Jugendgerichtsgesetz regelt in §§ 97 und 100 JGG die Voraussetzungen für eine Strafmakelbeseitigung durch den Jugendrichter. Die gesetzlichen Wirkungen der Entmakelung ergeben sich aus ihrer registerrechtlichen Behandlung nach dem Bundeszentralregistergesetz. Danach führt die Beseitigung des Strafmakels nach § 41 Abs. 3 BZRG zwar formal zu einer Einschränkung des Umfangs der Auskunftserteilung, so dass die Registerbehörde der Staatsangehörigkeitsbehörde die Verurteilung nach einer Entmakelung nicht (mehr) mitteilen darf. Ein materielles Verwertungsverbot tritt nach § 51 Abs. 1 BZRG aber erst mit Tilgung oder Tilgungsreife ein. Auch das Staatsangehörigkeitsgesetz enthält kein Berücksichtigungsverbot für entmakelte Jugendstrafen. Vielmehr stellt die Verurteilung zu einer Strafe wegen einer rechtswidrigen Straftat materiell ein Einbürgerungshindernis dar (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG). Hiervon sind nach § 12a Abs. 1 StAG lediglich Verurteilungen unterhalb einer bestimmten Beachtlichkeitsschwelle ausgenommen.

20

Aus der Gesetzeshistorie und den Gesetzesmaterialien ergeben sich ebenfalls keine Hinweise für ein Berücksichtigungsverbot. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen, unter denen strafrechtliche Verurteilungen ausnahmsweise kein Einbürgerungshindernis darstellen, in den letzten Jahren mehrfach verschärft: Nach § 88 Abs. 1 AuslG in der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung - AuslG 1990 -, der Vorgängerregelung zu § 12a StAG, blieben bei der Anspruchseinbürgerung nach § 85 Abs. 1 AuslG 1990 - obligatorisch - außer Betracht, (1.) die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz, (2.) Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen und (3.) Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden waren; bei Verurteilungen zu einer höheren Strafe war im Einzelfall zu entscheiden, ob die Straftat außer Betracht bleiben konnte. Bei Verhängung einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe bis zu einem Jahr war dem Ausländer nach § 88 Abs. 2 AuslG 1990 eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen für den Fall, dass die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen wird. Damit stand unter der Geltung des Ausländergesetzes die Verurteilung zu einer zur Bewährung ausgesetzten und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassenen Jugendstrafe bis zu einem Jahr - wie andere Verurteilungen unterhalb der Beachtlichkeitsgrenzen des § 88 Abs. 1 AuslG 1990 - einer Einbürgerung nicht entgegen. Diese Bestimmungen sollten nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem Zuwanderungsgesetz unverändert in § 12a StAG aufgenommen werden (BTDrucks 15/420 S. 48, 117). Nach einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion, die Grenzen des § 88 Abs. 1 AuslG 1990 zu halbieren und die Privilegierung von Jugendstrafen nach § 88 Abs. 2 AuslG 1990 gänzlich abzuschaffen (BTDrucks 15/955 S. 42), wurde auf Empfehlung des Vermittlungsausschusses (BTDrucks 15/3479 S. 15) nur die Regelung in § 88 Abs. 1 AuslG 1990 unverändert in § 12a Abs. 1 StAG übernommen, die Regelung in § 88 Abs. 2 AuslG 1990 entfiel indes mit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 ersatzlos. Mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz von 2007 wurden die Anforderungen an die Unbeachtlichkeit strafrechtlicher Verurteilungen in § 12a Abs. 1 StAG nochmals verschärft und auf Anregung der Innenministerkonferenz vom Mai 2006 die Beachtlichkeitsschwelle nun doch auf 90 Tagessätze bzw. drei Monate gesenkt. Außerdem sind seitdem mehrere Verurteilungen zusammenzuzählen (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG). Schließlich wurde das bis dahin tatbestandlich nicht eingeschränkte Nichtberücksichtigungsermessen bei Bestrafungen, die die Unbeachtlichkeitsgrenze überschreiten, in § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG dadurch eingegrenzt, dass eine Nichtberücksichtigung im Ermessenswege nur noch bei Strafen eröffnet ist, welche die - herabgesenkten - Grenzen des Satzes 1 geringfügig überschreiten. In der Gesetzesbegründung der Bundesregierung wurde zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Jugendstrafen immer beachtlich sind, da bei ihnen das Mindestmaß erst bei sechs Monaten beginnt (BTDrucks 16/5065 S. 230). Dies belegt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Jugendstrafen nicht nur bis zu ihrer Entmakelung ein Einbürgerungshindernis darstellen. Andernfalls hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich in § 12a StAG zu regeln, zumal der Kreis der Personen, die zu einer der Entmakelung nach §§ 97 oder 100 JGG zugänglichen Jugendstrafe verurteilt werden, erheblich größer ist als der Kreis der von der ursprünglichen Privilegierung in § 88 Abs. 2 AuslG 1990 erfassten Personen. Eine materiellrechtliche Nichtberücksichtigung von Jugendstrafen nach ihrer Entmakelung verkehrte die durch die Aufhebung des § 88 Abs. 2 AuslG 1990 gewollte einbürgerungshindernde Berücksichtigung von Jugendstrafe in das Gegenteil.

21

Ein Berücksichtigungsverbot ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Strafmakelbeseitigung. Diese soll zwar die stigmatisierende Wirkung einer Jugendstrafe mindern und dient damit der Förderung der Wiedereingliederung jugendlicher und heranwachsender Straftäter. In ihren gesetzlichen Wirkungen bleibt sie aber hinter dem Verwertungsverbot des § 51 BZRG zurück. § 41 Abs. 3 BZRG enthält nur ein formelles, lediglich die Registerbehörde bindendes Übermittlungsverbot. Hiervon zu trennen ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Fachbehörde die Verurteilung zu einer Jugendstrafe trotz Strafmakelbeseitigung berücksichtigen darf, wenn ihr die Registerbehörde hierüber zwar keine Auskunft erteilen darf, sie von der Verurteilung aber auf anderem Wege Kenntnis erlangt hat. Dies richtet sich, solange mangels Tilgung oder Tilgungsreife die Voraussetzungen für ein absolutes Verwertungsverbot nach § 51 BZRG nicht vorliegen, primär nach dem einschlägigen materiellen Recht - hier also den Bestimmungen des Staatsangehörigkeitsrechts.

22

Danach führt jede Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat - abgesehen von den in § 12a Abs. 1 StAG aufgeführten Ausnahmen - zu einem materiellen Einbürgerungshindernis. Diese dem Staatsangehörigkeitsrecht zugrunde liegende Wertung würde unterlaufen, wenn Jugendstrafen schon nach einer Strafmakelbeseitigung nicht mehr berücksichtigt werden dürften. Zudem hätte ein derartiges Verbot eine vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollte Privilegierung jugendlicher und heranwachsender Straftäter gegenüber dem Erwachsenenstrafrecht unterliegenden Straftätern zur Folge. Denn für diese liegen nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG die Unbeachtlichkeitsgrenzen bei 90 Tagessätzen Geldstrafe bzw. drei Monaten Freiheitsstrafe, wenn die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist. Bei genereller Nichtberücksichtigung von Jugendstrafen nach einer Strafmakelbeseitigung träte diese Wirkung bei jugendlichen und heranwachsenden Straftätern mit dem Straferlass nach Ablauf der Bewährungszeit bei nahezu allen Verurteilungen zu nicht mehr als zwei Jahren Jugendstrafe ein (§ 100 Abs. 1 Satz 1 JGG), und zwar selbst bei teilweiser Verbüßung der Jugendstrafe und Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung. Selbst schwere Verfehlungen stünden schon nach relativ kurzer Zeit und deutlich vor Ablauf der Tilgungsfrist einer Einbürgerung nicht mehr entgegen. Dies widerspräche der besonderen Bedeutung des Straffreiheitserfordernisses bei der Einbürgerung.

23

2.3.2 Ein Berücksichtigungsverbot besteht auch nicht wegen rechtswidriger Kenntniserlangung. Dabei kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen Staatsangehörigkeitsbehörden Verurteilungen, von denen sie auf rechtswidrige Weise Kenntnis erlangt haben, bei ihren Entscheidungen außer acht lassen müssen (vgl. Beschluss vom 14. Februar 1984 - BVerwG 1 B 10.84 - Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 102). Denn die Behörde hat von der Jugendstrafe des Klägers auf rechtmäßigem Wege Kenntnis erlangt.

24

Der Umstand, dass die Staatsangehörigkeitsbehörden nicht zu den auskunftsberechtigten Stellen gemäß § 41 Abs. 3 BZRG zählen, steht einer rechtmäßigen Kenntniserlangung auf anderem Wege nicht entgegen. Hier hat die Behörde nicht von der Registerbehörde, sondern aus der von ihr beigezogenen Ausländerakte Kenntnis von der Verurteilung aus dem Jahre 2002 erlangt. Dabei kann dahinstehen, ob sie die Ausländerakte schon deshalb beiziehen durfte, weil der Kläger bei Antragstellung eine entsprechende "Einwilligungserklärung" abgegeben hat. In diesem Zusammenhang bedarf insbesondere keiner Entscheidung, ob diese Erklärung datenschutzrechtlich wirksam ist, obwohl der Kläger im Antragsformular darauf hingewiesen worden ist, dass der Einbürgerungsantrag abgelehnt werden müsse, wenn die Ausländerakte wegen der Verweigerung der Einwilligung nicht beigezogen werden könne. Den sich daraus ergebenden Zweifeln, ob die Erklärung auf einer freien Entscheidung des Klägers im Sinne des § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG beruht, braucht indes nicht nachgegangen zu werden. Denn die Staatsangehörigkeitsbehörde durfte die in der Ausländerakte befindlichen Erkenntnisse über noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen des Klägers nach den einschlägigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Staatsangehörigkeits- und im Aufenthaltsgesetz über die Erhebung, Vernichtung und Weitergabe personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung des Klägers beiziehen.

25

Nach § 32 StAG haben öffentliche Stellen den Staatsangehörigkeitsbehörden die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln, soweit besondere gesetzliche Verwendungsregelungen nicht entgegenstehen. Diese Mitwirkungspflicht erstreckt sich - wie die Formulierung in § 32 Abs. 1 Satz 2 StAG belegt - in Einbürgerungsverfahren auf alle Daten, die für die Entscheidung der Staatsangehörigkeitsbehörde erforderlich sind, und umfasst damit auch Erkenntnisse der zuständigen Ausländerbehörde über strafrechtliche Verurteilungen des Einbürgerungsbewerbers, die sie ihrerseits rechtmäßig erlangt und in den Akten belassen durfte. Die an die Registerbehörde gerichteten Übermittlungsbeschränkungen (§ 41 Abs. 3 BZRG) sind dabei - wie dargelegt - gerade keine materiellrechtlichen Verwendungsregelungen.

26

Hier hatte die Ausländerbehörde über die Mitwirkungspflichten der Strafverfolgungsbehörden nach § 87 Abs. 2 und 4 AufenthG eine Abschrift des Strafurteils aus dem Jahre 2002 erhalten. Nach diesen Bestimmungen haben öffentliche Stellen - auch insoweit vorbehaltlich entgegenstehender besonderer gesetzlicher Verwendungsregelungen (§ 88 Abs. 1 AufenthG) - (u.a.) die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich zu unterrichten, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfüllung ihrer Aufgaben von einem Ausweisungsgrund Kenntnis erlangt haben (§ 87 Abs. 2 AufenthG). Die für die Einleitung und Durchführung eines Strafverfahrens zuständigen Stellen haben die zuständige Ausländerbehörde zudem unverzüglich über die Einleitung und die Erledigung von Strafverfahren zu unterrichten (§ 87 Abs. 4 Satz 1 AufenthG). In Konkretisierung dieser gesetzlichen Pflichten bestimmt Nr. 42 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen in der Fassung vom 19. Mai 2008 (MiStrA), dass in Strafsachen gegen Ausländer (u.a.) der Ausländerbehörde sowohl die Einleitung und der Ausgang eines Strafverfahrens als auch sonstige Ausweisungsgründe unverzüglich mitzuteilen sind. Dem ist das Amtsgericht mit Übersendung einer Abschrift des gegen den Kläger ergangenen Urteils aus dem Jahre 2002 an die seinerzeit zuständige Ausländerbehörde nachgekommen.

27

Die Ausländerbehörde war auch nicht verpflichtet, die rechtmäßig zur Ausländerakte gelangte Urteilsabschrift vor einer Weitergabe an die Staatsangehörigkeitsbehörde aus der Ausländerakte zu entfernen. Insbesondere lagen die Voraussetzungen für eine Vernichtung nach § 91 Abs. 2 AufenthG nicht vor. Danach sind Mitteilungen nach § 87 Abs. 1 AufenthG von den Ausländerbehörden unverzüglich zu vernichten, wenn sie für eine anstehende ausländerrechtliche Entscheidung unerheblich sind und voraussichtlich auch für eine spätere ausländerrechtliche Entscheidung nicht erheblich werden können (§ 91 Abs. 2 AufenthG). Diese Vorschrift erfasst ausdrücklich nur Mitteilungen nach § 87 Abs. 1 AufenthG. Außerdem kann bei strafrechtlichen Verurteilungen, solange sie keinem materiellen Verwertungsverbot nach § 51 BZRG unterliegen, die potentielle Erheblichkeit für eine spätere ausländerrechtliche Entscheidung regelmäßig nicht ausgeschlossen werden.

28

3. Die Voraussetzungen für eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG liegen ebenfalls nicht vor. Nach § 8 Abs. 1 StAG kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag unter den dort genannten Voraussetzungen eingebürgert werden. Auch eine Ermessenseinbürgerung setzt voraus, dass der Ausländer nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG), wobei auch hier § 12a Abs. 1 StAG Anwendung findet. Von dieser Einbürgerungsvoraussetzung kann allerdings über § 8 Abs. 2 StAG im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Grenze der Unbeachtlichkeit mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 5.11 - BVerwGE 142, 145 = Buchholz 130 § 12a StAG Nr. 2, jeweils Rn. 37 f.).

29

Auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit im Revisionsverfahren bindenden tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) bestehen keine Anhaltspunkte für ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung des Klägers, das es ausnahmsweise rechtfertigen könnte, ihn trotz seiner nicht unbeachtlichen Straffälligkeit einzubürgern. Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte für eine besondere Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG vor. Eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (Urteil vom 20. März 2012 a.a.O., jeweils Rn. 39). Für solche Umstände, deren Vorbringen der Mitwirkungsobliegenheit des Einbürgerungsbewerbers unterfällt, gibt es nach dem Vorbringen des Klägers und den Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Anhalt.

30

Eine besondere Härte ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision insbesondere nicht aus der zwischenzeitlichen Entmakelung der Jugendstrafe und dem Umstand, dass die Staatsangehörigkeitsbehörde von dieser Verurteilung über die - in Einbürgerungsverfahren übliche - Beiziehung der Ausländerakte Kenntnis erlangt hat. Dass der Kläger Vater eines Kindes mit deutscher Staatsangehörigkeit ist, begründet ebenfalls keine besondere Härte. Auch wenn im Hinblick auf die Familieneinheit eine einheitliche staatsangehörigkeitsrechtliche Behandlung der Familie wünschenswert ist, gewährt Art. 6 Abs. 1 GG Angehörigen von Deutschen keinen Anspruch auf Einbürgerung. Der grundrechtliche Schutz der Familie gebietet vorliegend auch nicht ein Absehen von der tatbestandlichen Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Der Kläger ist im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltsrechts und hat zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung der Beziehung zu seinem Kind durch die verschiedenen Staatsangehörigkeiten geltend gemacht.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

2

Der 1977 in Bagdad geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Er reiste im Dezember 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt stellte auf diesen Antrag im Februar 2001 Abschiebungshindernisse fest. Der Kläger erhielt fortan Aufenthaltstitel, zuletzt im Dezember 2007 eine Niederlassungserlaubnis.

3

Das Amtsgericht verurteilte den Kläger Anfang 2004 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen.

4

Im Dezember 2007 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Auf dem Formblatt der Beklagten füllte er die Rubrik für Strafverurteilungen nicht aus, sondern kreuzte das Feld "keine Straftaten" an. Ferner gab er an, seit September 2006 als freier Journalist bei der D. tätig zu sein, wobei sein journalistischer Arbeitsbereich den Nahen Osten betreffe. Er habe eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland.

5

Mit Bescheid vom 16. Juni 2008 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab, weil seine Strafverurteilung die Unbedenklichkeitsgrenze von 90 Tagessätzen mehr als geringfügig übersteige.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Einbürgerung mit Urteil vom 10. Februar 2010 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 14. März 2011 die Entscheidung der Vorinstanz geändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides verpflichtet, den Einbürgerungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Kläger habe weder einen Einbürgerungsanspruch aus § 10 Abs. 1 StAG noch aus § 8 Abs. 1 StAG, weil er die Voraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfülle und die Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG (Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen) nicht einhalte. Er habe jedoch einen Anspruch auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags aus § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG, da die gegen ihn verhängte Geldstrafe von 120 Tagessätzen den Rahmen von 90 Tagessätzen nur geringfügig übersteige. Das Tatbestandsmerkmal "geringfügig" im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG sei so auszulegen, dass es bei einer Überschreitung der Bagatellgrenze um nicht mehr als 30 Tagessätze Geldstrafe oder einen Monat Freiheitsstrafe noch erfüllt sei. Andernfalls werde der Vorschrift kein ausreichendes praktisches Anwendungsspektrum insbesondere bei Freiheitsstrafen belassen. Denn eine oberhalb der Bagatellgrenze von drei Monaten liegende Verurteilung zu einer Einzelfreiheitsstrafe betrage in der Praxis fast immer mindestens vier Monate, weil die Strafgerichte nahezu ausschließlich nach Monaten bemessene Einzelstrafen verhängten. Wenn demnach eine Überschreitung um einen Monat Freiheitsstrafe geringfügig sei, müsse dies auch für eine Überschreitung um 30 Tagessätze gelten. Denn die Geringfügigkeitsgrenze müsse für Geld- und Freiheitsstrafen einheitlich festgelegt werden.

7

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG. Bereits der Wortsinn des Merkmals "geringfügig" schließe es aus, dieses im Fall des Überschreitens der Bagatellgrenze um ein Drittel - wie hier - als erfüllt anzusehen. Was unter dem unbestimmten Rechtsbegriff geringfügig zu verstehen sei, sei nach dem Willen des Gesetzgebers der Präzisierung in einer Verwaltungsvorschrift, nämlich den Vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern, zu entnehmen. Deshalb sei eine Überschreitung nur geringfügig, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen die Bagatellgrenze um nicht mehr als 21 Tagessätze Geldstrafe bzw. drei Wochen Freiheitsstrafe übersteige.

8

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Rechtsansicht der Beklagten an.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht in Einklang. Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

10

Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Einbürgerung aus § 10 Abs. 1 StAG zusteht, weil er die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt und seine Verurteilung zu 120 Tagessätzen Geldstrafe nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG unbeachtlich ist. Es hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass der Kläger einen Anspruch auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG besitzt, weil die Überschreitung des Rahmens um 30 Tagessätze noch geringfügig im Sinne dieser Vorschrift sei (1.). Ob dem Kläger ein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 8 Abs. 2 StAG zusteht, kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilt werden, so dass die Sache der Zurückverweisung bedarf (2.).

11

1. Die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Verurteilung außer Betracht bleiben kann, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 2 übersteigt. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts hier nicht erfüllt.

12

a) Bei dem Merkmal geringfügig handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Soweit sich die Verwaltungspraxis - auch der Beklagten - auf die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009 Stand: 17. April 2009 - VAH-StAG -) stützt, nach deren Ziffer 12a.1.3 eine geringfügige Überschreitung vorliegt, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen die Bagatellgrenze um nicht mehr als 21 Tagessätze bzw. drei Wochen Freiheitsstrafe übersteigt, ist dies für die Gerichte nicht bindend. Daran vermag auch der Hinweis in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007 (BTDrucks 16/5065 S. 230) zur neu gefassten Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG, dass der unbestimmte Rechtsbegriff geringfügig durch Verwaltungsvorschriften präzisiert werde, nichts zu ändern. Zwar ist damit nicht ausgeschlossen, dass die in Ziffer 12a.1.3 VAH-StAG genannte Zahl von 21 Tagessätzen (bzw. 3 Wochen Freiheitsstrafe) eine gesetzeskonforme Bestimmung dieses Rechtsbegriffs enthält. Ob dies zutrifft, bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil jedenfalls die hier in Rede stehende Überschreitung des gesetzlichen Rahmens bei Geldstrafen um 30 Tagessätze nicht mehr geringfügig ist.

13

b) Eine Strafverurteilung, welche die gesetzliche Unbeachtlichkeitsgrenze von Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG) um ein Drittel überschreitet, übersteigt diese nicht "geringfügig" im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG. Das ergibt sich aus einer Gesamtschau von Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck dieser Gesetzesbestimmung.

14

aa) Bereits der Wortlaut des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG weist deutlich in die Richtung, dass eine Verurteilung zu 120 Tagessätzen nicht vernachlässigt werden darf. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort geringfügig in seinem Bedeutungsgehalt mit den Worten unbedeutend, unwesentlich, nicht ins Gewicht fallend und belanglos umschrieben; dementsprechend wird das Substantiv Geringfügigkeit mit Unbedeutendheit, Belanglosigkeit, Kleinigkeit und unwesentliche Sache gleichgesetzt (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006, S. 676; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl. 2011, S. 603.). Daran gemessen spricht ganz Überwiegendes dagegen, dass die Überschreitung eines vorgegebenen Rahmens um ein Drittel noch als geringfügig angesehen werden kann. 30 Tagessätze Geldstrafe (mehr) erweisen sich im Verhältnis zu dem Bezugsrahmen von 90 Tagessätzen nicht als eine Kleinigkeit, als unbedeutend oder als unwesentlich.

15

Diese Bewertung entspricht der Bedeutung, die dem Begriff "geringfügig" in Vorschriften beigemessen wird, in denen das Wort - wie in § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG - auf eine quantitativ bestimmte oder bestimmbare Größe bezogen ist. So wird etwa für die Frage, ob eine Zuvielforderung kostenrechtlich noch verhältnismäßig "geringfügig" im Sinne von § 92 Abs. 2 ZPO ist, allgemein davon ausgegangen, dass die Grenze der Geringfügigkeit bei 10 % der Bezugsgröße verläuft (s. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 92 Rn. 8; Schneider, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 92 Rn. 8; vgl. auch Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 20. November 2000 - Vf. 14-VI-00 - juris Rn. 6, 14 m.w.N.; vgl. ferner die weiteren Nachweise und Beispiele im Urteil des erstinstanzlich entscheidenden VG Köln vom 10. Februar 2010 - 10 K 4788/08 - juris Rn. 32 f.).

16

Die klare Tendenz der Wortlautauslegung, dass eine Überschreitung um ein Drittel nicht mehr geringfügig ist, wird durch die Anwendung weiterer Auslegungskriterien bestätigt.

17

bb) Dies gilt zunächst für die Auslegung am Maßstab der Gesetzessystematik. § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG steht in einem engen Kontext mit § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG sowie mit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG. Die zuletzt genannte Vorschrift statuiert den Grundsatz, dass Ausländer, die wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden sind, keinen Anspruch auf Einbürgerung haben. Eine Ausnahme macht das Gesetz in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG, indem es die sog. Bagatellgrenzen konkretisiert und anordnet, dass Verurteilungen von bis zu 90 Tagessätzen Geldstrafe oder 3 Monaten Freiheitsstrafe bei der Einbürgerung außer Acht bleiben. Werden diese Grenzen nicht eingehalten, so lässt § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG eine weitere Ausnahme zu, indem die Vorschrift noch eine Einzelfallprüfung ermöglicht; dies jedoch nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass die Überschreitung des Rahmens geringfügig ist. Diese systematische Stellung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG als (weitere) Ausnahme spricht dagegen, den Bedeutungsgehalt des Wortes geringfügig entgegen dem Befund der grammatikalischen Auslegung weit zu fassen.

18

Die Gesetzessystematik streitet ferner dagegen, das Merkmal der Geringfügigkeit einer auf den Einzelfall bezogenen wertenden Betrachtung zu unterziehen (vgl. aber Berlit, in: GK-StAR, Stand: November 2010, § 12a Rn. 42; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 12a StAG Rn. 9). Zum einen liefe dies darauf hinaus, bereits bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Geringfügigkeit eine Interessenabwägung vorzunehmen, wie sie erst für die Ermessensentscheidung geboten ist. Hierdurch würde die oben beschriebene Normstruktur des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG durchbrochen. Zum anderen bezieht sich die Vorschrift mit ihrer Verweisung auf den Rahmen der Sätze 1 und 2 gerade auf die dort vorgegebenen Quantitäten (nämlich die in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG genannten 90 Tagessätze Geldstrafe bzw. 3 Monate Freiheitsstrafe). Diese Bezugnahme spricht dafür, auch den Begriff geringfügig in quantitativer Weise zu bestimmen. Der bei einer solchen Betrachtungsweise nahe liegende Schluss, dass jedenfalls eine Überschreitung der Bezugsgröße um ein Drittel nicht mehr geringfügig ist, trägt überdies auch dem im Staatsangehörigkeitsrecht bedeutsamen Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung (vgl. dazu Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 28.10 - DVBl 2012, 106 Rn. 20).

19

cc) Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt diese Auslegung. § 12a StAG hat seine hier anwendbare und seit dem 28. August 2007 geltende Fassung durch das Änderungsgesetz vom 19. August 2007 erhalten (Art. 5 Nr. 10 des EU-Richtlinienumsetzungsgesetzes - BGBl I S. 1970). Mit diesem Gesetz ist die Regelung in dreifacher Hinsicht verschärft worden. Zunächst sind die Grenzwerte für Bagatellstraftaten in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG deutlich herabgesetzt worden. Nach der bis August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes blieben noch Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen und zu Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten außer Betracht. Des Weiteren ist eine Verschärfung gegenüber der alten Rechtslage herbeigeführt worden, indem der Gesetzgeber im neu gefassten § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG die Zusammenrechnung von Bagatellstraftaten vorgesehen hat, und zwar auch dann, wenn das Strafgericht keine Gesamtstrafe gebildet hat. Eine dritte und hier ebenfalls bedeutsame Verschärfung ist im Hinblick auf das Nichtberücksichtigungsermessen bei Verurteilungen zu einer höheren als der in Bezug genommenen Strafe eingetreten. Während nach der früheren Regelung (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F.) bei allen Überschreitungen eine Ermessensentscheidung zu treffen war, ob die Straftat im Einzelfall außer Betracht bleiben konnte, ordnet der Gesetzgeber nach dem nunmehr geltenden § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG nur noch dann eine Ermessensentscheidung über das Absehen von einer Verurteilung an, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den genannten Rahmen geringfügig überschreitet. Diese vom Gesetzgeber bewusst angestrebten Verschärfungen würden in ihrer Wirkung umso stärker relativiert werden, je weiter das Merkmal geringfügig ausgelegt wird. Deshalb gebietet es die in der Verschärfung zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention, die Anzahl der Fälle, in denen trotz Überschreitung der Unbeachtlichkeitsgrenze noch eine Ermessensentscheidung über die Nichtberücksichtigung der Verurteilung nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zu treffen ist, auf ein solches Maß zu beschränken, wie es der Wortlaut nahe legt.

20

Der dahin gehende gesetzgeberische Wille kommt auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck. In der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 16/5065 S. 229 f.) heißt es zur Änderung des Satzes 1 von § 12a Abs. 1 StAG, dass die bisherigen Grenzen für Bagatellstraftaten, die nicht einbürgerungshinderlich sind, als zu hoch angesehen werden und deshalb um die Hälfte gesenkt werden sollen. Dies entspreche auch einer Anregung der Innenministerkonferenz vom Mai 2006. Der damit in Bezug genommene Beschluss Nr. 7 der 180. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder stellte fest, dass die bisherigen Bagatellgrenzen, innerhalb derer Straftaten die Einbürgerung nicht hindern, unverhältnismäßig hoch seien. Um die Rechtstreue des Einbürgerungsbewerbers sicherzustellen, solle "in der Regel künftig bereits eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen die Einbürgerung ausschließen". Wenn sich der Gesetzgeber durch diese Bezugnahme die Forderung der Innenministerkonferenz zu eigen gemacht hat, dass "in der Regel" bereits eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen die Einbürgerung ausschließen soll, darf die im Gesetz vorgesehene Ausnahmeregelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (Einzelfallprüfung bei geringfügiger Überschreitung) nicht entgegen dem Ergebnis der Wortlautinterpretation weit verstanden werden.

21

dd) Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht einem weiten Verständnis entgegen.

22

Mit dem grundsätzlichen Erfordernis der Straffreiheit in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG will der Gesetzgeber zum einen demjenigen Einbürgerungsbewerber keinen Anspruch auf Einbürgerung einräumen, der ein Rechtsgut verletzt hat, das die Bundesrepublik Deutschland als der Staat, in den er eingebürgert werden will, für so wesentlich hält, dass dessen Verletzung mit Strafe bewehrt ist. Zum anderen stellt der Gesetzgeber damit klar, dass es nicht Aufgabe der Einbürgerungsbehörde ist, selbst festzustellen, ob der Ausländer eine Straftat begangen hat. Erforderlich aber auch hinreichend ist, dass der Verstoß gegen ein Strafgesetz in einer strafgerichtlichen Entscheidung festgestellt worden ist (Urteil vom 29. März 2007 - BVerwG 5 C 33.05 - BVerwGE 128, 271 Rn. 18). Mit der Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG über die Unbeachtlichkeit sog. Bagatellstraftaten wird dabei im Interesse der Rechtssicherheit eine klare Grenze vorgegeben, welche Straftaten bei der Entscheidung über die Einbürgerung unbeachtlich sind und welche nicht. Dies erleichtert zugleich den Verwaltungsvollzug, zumal die Einbürgerungsbehörden und im Streitfall die Verwaltungsgerichte grundsätzlich von der Richtigkeit der (rechtskräftigen) Verurteilung und des Strafmaßes ausgehen dürfen (vgl. Beschluss vom 16. Juli 2010 - BVerwG 5 B 2.10 - juris Rn. 18).

23

Der Zweck des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG besteht vor diesem Hintergrund darin, in "Grenzfällen" eine (weitere) Ausnahme durch die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung zuzulassen. Diese individuelle Prüfung soll aber - wie sich insbesondere aus der bewussten Verschärfung der Vorschrift durch die Einfügung des Merkmals der Geringfügigkeit ergibt - nur bei unbedeutenden bzw. marginalen Abweichungen von der Unbeachtlichkeitsgrenze stattfinden. Dieser Zwecksetzung entspricht das schon durch den allgemeinen Wortsinn nahe gelegte Auslegungsergebnis, dass eine Überschreitung der Bezugsgröße um 30 Tagessätze - also um ein Drittel - nicht mehr geringfügig ist.

24

c) Das im Wege der grammatikalischen, systematischen, genetischen und teleologischen Auslegung gewonnene Ergebnis wird durch die Begründung des Berufungsgerichts nicht in Frage gestellt. Seinem hiergegen vorgebrachten Argument, dass der Vorschrift wegen der Praxis der Strafgerichte, Einzelfreiheitsstrafen nahezu ausschließlich in monatlicher Stufung zu verhängen, kein genügendes praktisches Anwendungsspektrum belassen werde (UA S. 11), vermag der Senat nicht zu folgen.

25

Dabei geht der Senat für die revisionsgerichtliche Prüfung von der tatsächlichen Feststellung des Berufungsgerichts aus, dass die Strafgerichte in der Praxis "nahezu ausschließlich" nach Monaten bemessene (Einzel-)Freiheitsstrafen verhängen. Es bedarf insoweit keiner abschließenden Entscheidung, ob diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend ist, weil es sich um eine Tatsachenfeststellung im Sinne von § 137 Abs. 2 VwGO handelt, die von der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden ist. Auch wenn es sich - wofür Überwiegendes spricht - bei den Erhebungen zur Strafzumessungspraxis der Strafgerichte um generelle, der allgemeinen Auslegung der materiellrechtlichen Rechtsnorm (hier des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG) dienende Tatsachen (sog. legal facts) handelt, die von § 137 Abs. 2 VwGO nicht erfasst werden und vom Revisionsgericht im Zweifel selbst aufgeklärt werden dürften (vgl. Urteil vom 6. November 2002 - BVerwG 6 C 8.02 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 89 S. 24 f.; Beschluss vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - juris Rn. 11), kann sie der Senat hier zugrunde legen. Denn die Feststellung des Berufungsgerichts über die Strafzumessungspraxis der Strafgerichte bei Freiheitsstrafen steht weder zwischen den Beteiligten im Streit noch ergeben sich sonst aufklärungsbedürftige Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt.

26

aa) Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Regelung über Geldstrafen liegt die Gefahr eines praktischen Leerlaufens des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG aber auch dann nicht vor, wenn eine Überschreitung um 30 Tagessätze nicht mehr als geringfügig angesehen wird. Das Berufungsgericht hat nämlich nicht festgestellt, dass die Strafgerichte Geldstrafen nur in Stufen von 30 Tagessätzen verhängen. Hierfür gibt es auch sonst keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr kann es - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert und zwischen den Beteiligten unstreitig - als offenkundig angesehen werden, dass in der Strafpraxis auch Abstufungen in geringeren Schritten (etwa von 10 Tagessätzen) häufig sind (vgl. VG Ansbach, Urteile vom 18. Mai 2011 - AN 15 K 10.01673 - juris Rn. 27 und vom 16. März 2011 - AN 15 K 10.02233 - juris Rn. 25). Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass die Geldstrafe mindestens 5 Tagessätze beträgt (§ 40 Abs. 1 Satz 2 StGB).

27

bb) Ebenso wenig besteht die Gefahr, dass bei Zugrundelegung der Auslegung des Senats die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG insgesamt leerläuft. Das Berufungsgericht hat nämlich auch nicht festgestellt, dass für das Merkmal der Geringfügigkeit im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (insgesamt) kein praktischer Anwendungsbereich vorhanden sei. Neben den Anwendungsfällen im Hinblick auf Geldstrafen verbleibt ein solcher, wie auch das Berufungsgericht (UA S. 11) einräumt, sowohl im Hinblick auf die Bildung von Gesamtstrafen als auch auf diejenigen Fälle, in denen mehrere Geldstrafen oder Freiheitsstrafen und Geldstrafen gemäß § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG zusammenzurechnen sind.

28

cc) Dem Oberverwaltungsgericht ist auch nicht deshalb zu folgen, weil bei isolierter Betrachtung der Verurteilungen zu Freiheitsstrafe dem § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG insoweit nur dann ein ins Gewicht fallender praktischer Anwendungsbereich verbleibt, wenn die Geringfügigkeitsgrenze auf vier Monate festgesetzt wird. Zweifelhaft ist bereits, ob dem Hinweis auf die Strafzumessungspraxis der Strafgerichte bei Freiheitsstrafen überhaupt durchgreifende Bedeutung für die Auslegung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zukommen kann. Es begegnet nicht unerheblichen Bedenken, die Bestimmung des Inhalts von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG maßgeblich an der Verfahrensweise der Strafgerichte auszurichten, die von Gesetzes wegen nicht gehalten sind, (kürzere) Freiheitsstrafen allein in Monatsschritten zu verhängen. § 39 StGB sieht nämlich eine Bemessung der Freiheitsstrafe unter einem Jahr nach vollen Wochen und Monaten vor, weshalb in der Rechtspraxis auch Stufungen in Wochen vorgekommen und für zulässig erachtet worden sind (vgl. BayObLG, Urteil vom 10. Juni 1976 - RReg 2 St 73/76 - NJW 1976, 1951 f.; KG Berlin, Beschluss vom 15. November 2005 - (3) 1 Ss 398/05 - juris Rn. 3).

29

Selbst wenn man unter Zurückstellung dieser Bedenken dem Ansatz des Berufungsgerichts folgt, greift seine Argumentation nicht durch. Aus seiner Feststellung zum praktischen Anwendungsbereich des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG im Hinblick auf (Einzel-)Freiheitsstrafen folgt nicht, dass etwa aus teleologischen Gründen eine Auslegung geboten ist, welche eine Überschreitung des Bezugsrahmens um ein Drittel (also um einen Monat Freiheitsstrafe) noch als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG ansieht. Soweit aus der genannten Feststellung zu schließen ist, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift bei (Einzel-)Freiheitsstrafen numerisch deutlich kleiner ist als bei Geldstrafen, steht dies mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerade in Einklang.

30

Denn die Freiheitsstrafe ist, auch wenn ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, gegenüber der Geldstrafe kein geringeres Übel (BGH, Urteil vom 17. Januar 1989 - 1 StR 730/88 - JR 1989, 425 f.), sondern regelmäßig die schwerere Strafe (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 2 StR 464/97 - wistra 1998, 58; Häger, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, Vor § 38 Rn. 39 m.w.N.). Sie darf gerade bei kurzen Freiheitsstrafen nur unter besonderen Voraussetzungen angeordnet werden. Diese Wertung kommt insbesondere in § 47 Abs. 1 StGB zum Ausdruck, wonach das Gericht eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur verhängen darf, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Der zurückhaltende Gebrauch von der Freiheitsstrafe, die grundsätzlich nur als ultima ratio verhängt werden soll, ergibt sich im Verhältnis zur Geldstrafe als Folge des Grundsatzes, das zugefügte Übel möglichst gering zu halten (Theune, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 47 Rn. 2). Wenn aber die Freiheitsstrafe im Verhältnis zur Geldstrafe regelmäßig die schwerere Strafe ist, darf sie wegen der oben erörterten Zwecksetzung des § 12a Abs. 1 StAG im Hinblick auf die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze nach Satz 3 nicht großzügiger behandelt werden als die Geldstrafe. Vielmehr ist die Ein-Drittel-Grenze für (Einzel-)Freiheitsstrafen - auch wenn es insoweit rechtstatsächlich nur wenige praktische Anwendungsfälle geben mag - erst recht anzuwenden.

31

Diesem Ergebnis lässt sich - anders als das Berufungsgericht meint - nicht entgegenhalten, dass im Falle der Zusammenrechnung von Straftaten nach der Umrechnungsvorschrift des § 12a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 StAG einem Tagessatz Geldstrafe ein Tag Freiheitsstrafe entspricht. Diese Regel findet ihre Vorbilder in den Umrechnungsregelungen des Strafgesetzbuchs (vgl. etwa § 54 Abs. 3, § 51 Abs. 4 Satz 1, § 47 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2, § 43 Satz 2 StGB). Dieser Umrechnungsfaktor liegt auch der Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG zugrunde, weil die Bagatellgrenzen für Freiheits- und Geldstrafen im Verhältnis zueinander dem Umrechnungsmaßstab entsprechen (90 Tagessätze = 3 Monate Freiheitsstrafe). Aus diesem systematischen Zusammenhang lässt sich zwar folgern, dass eine abstrakte Festlegung, wann eine Überschreitung bei Freiheitsstrafen einerseits und bei Geldstrafen andererseits noch geringfügig ist, der Umrechnungsregel entsprechen sollte. Dem wird jedoch gerade auch dadurch Rechnung getragen, dass eine Überschreitung des jeweiligen Rahmens um ein Drittel entsprechend dieser Regel sowohl für die Geldstrafe als auch für die Freiheitsstrafe als nicht mehr geringfügig anzusehen ist.

32

Diese Begrenzung führt schließlich auch nicht zu vom Gesetz nicht gewollten Härtefällen. In zeitlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass einem Einbürgerungsbewerber die im Bundeszentralregister erfassten Straftaten nur solange entgegengehalten werden dürfen, wie die Tilgungsfristen noch laufen und das Verwertungsverbot des § 51 BZRG nicht eingreift (vgl. Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 1.11 - UA S. 37 ff., zur Veröffentlichung vorgesehen). Überdies können im Rahmen einer Entscheidung über die Ermessenseinbürgerung (§ 8 Abs. 1 StAG) - auch wenn Verurteilungen vorliegen, die den Rahmen mehr als geringfügig übersteigen - etwaige Besonderheiten des Einzelfalles nach § 8 Abs. 2 StAG (im Falle eines "öffentlichen Interesses" an der Einbürgerung oder "zur Vermeidung einer besonderen Härte") berücksichtigt werden.

33

d) Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen hatte die Beklagte hier keine Ermessensentscheidung nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zu treffen, weil die Tatbestandsvoraussetzung des geringfügigen Übersteigens im Fall des Klägers wegen seiner Verurteilung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen nicht erfüllt ist.

34

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist weiterhin die Prüfung der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG (a). Der Senat kann jedoch hierüber auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht selbst abschließend entscheiden (b).

35

a) Ein Einbürgerungsbegehren ist grundsätzlich hinsichtlich aller in Betracht kommender Einbürgerungsgrundlagen zu prüfen (Urteile vom 17. März 2004 - BVerwG 1 C 5.03 - NVwZ 2004, 997; vom 20. April 2004 - BVerwG 1 C 16.03 - BVerwGE 120, 305 <308> und vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 5 C 8.05 - BVerwGE 124, 268 <276>). Etwas anderes kann zwar ausnahmsweise gelten, wenn der Einbürgerungsbewerber seinen Antrag auf die Prüfung der Anspruchsnorm des § 10 StAG begrenzt. Für eine solche Begrenzung des Begehrens, die eine Prüfung der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG ausnimmt, bedürfte es jedoch eindeutiger Hinweise (vgl. Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 1.11 - UA S. 13 f., zur Veröffentlichung vorgesehen). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat seinen Antrag, wovon - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren in dieser Weise beschränkt.

36

b) Ob eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG in Betracht kommt, lässt sich mangels genügender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen.

37

Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG insofern nicht vorliegen, als der Kläger die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass - wie das Berufungsgericht (UA S. 7) ebenfalls zutreffend ausführt - die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG in ihrer seit August 2007 geltenden Fassung ausweislich ihres klaren Wortlauts nicht mehr nur bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG, sondern auch bei der Ermesseneinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG Anwendung findet (so zutreffend OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. Juni 2010 - 1 A 88/10 - juris Rn. 6 ff.; Marx, in: GK-StAR, Stand: Oktober 2009, § 8 Rn. 93; Berlit, in: GK-StAR, Stand: November 2010, § 12a Rn. 13.3). Denn die Verurteilung des Klägers zu 120 Tagessätzen Geldstrafe ist - wie bereits dargelegt - nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG unbeachtlich.

38

Das Berufungsgericht hat hingegen nicht geprüft, ob die Beklagte verpflichtet war, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 StAG zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von der Voraussetzung der Straffreiheit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG abgesehen werden. § 8 Abs. 2 StAG ist auch dann noch anwendbar, wenn - wie hier - die Grenze der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. Juni 2010 a.a.O. Rn. 10 ff.; Berlit, InfAuslR 2007, 457 <465>).

39

Zwar lässt sich auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen eine "besondere Härte" im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG nicht annehmen. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (so zutreffend etwa OVG Saarlouis, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 1 A 246/11 - juris Rn. 79; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juni 2009 - 5 M 30.08 - juris Rn. 2 m.w.N.). Für solche Umstände, deren Vorbringen der Mitwirkungsobliegenheit des Einbürgerungsbewerbers unterfällt, gibt es nach den bisherigen Feststellungen keinen Anhalt.

40

Der Senat kann aber jedenfalls deshalb nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehlt, ob ein öffentliches Interesse im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG besteht. Das Berufungsgericht (UA S. 4) hat lediglich auf den Vortrag des Klägers im Verwaltungsverfahren Bezug genommen, dass sein journalistischer Arbeitsplatz bei der D. den Nahen Osten betreffe und er eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfülle. Es hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit dieser Vortrag zutrifft, und es hat nicht geprüft, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten sind. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

41

Sollte das Berufungsgericht im Anschluss an die nachzuholende Prüfung zu der Einschätzung gelangen, dass der Kläger die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 2 StAG erfüllt und dementsprechend eine Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen war, wird es im Rahmen der Kontrolle dieser Entscheidung zum einen zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags im Dezember 2007 wie auch ihrer Entscheidung hierüber (am 16. Juni 2008) für die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG noch nicht zuständig war (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten vom 5. Oktober 2004 - GVBl I S. 612), sondern diese Zuständigkeit erst ab 1. Juli 2008 erlangt hat (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten vom 3. Juni 2008 - GVBl NRW I S. 468). Insoweit weist der Senat darauf hin, dass es § 114 Satz 2 VwGO in Fällen, in denen es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt, nicht ausschließt, dass die Behörde eine Ermessensentscheidung erstmals im gerichtlichen Verfahren trifft und zur gerichtlichen Überprüfung stellt, wenn sich aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach Klageerhebung ergibt (Urteil vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 C 14.10 - juris Rn. 8). Zum anderen wird das Berufungsgericht - worauf es im Zusammenhang mit § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG bereits eingegangen ist (UA S. 15) - im Fall einer etwaigen Kontrolle der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 StAG zu berücksichtigen haben, dass die Behörde auch im Rahmen dieser Entscheidung als gewichtigen Gesichtspunkt zu Lasten des Klägers in Ansatz bringen darf, dass er die Strafverurteilung in seinem Einbürgerungsantrag verschwiegen hat.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. September 2011 - 2 K 209/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein 1943 geborener libanesischer Staatsangehöriger, der seit 1979 mit Ehefrau und Kindern im Bundesgebiet lebt, begehrt seine Einbürgerung.

Nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens wurde ihm am 27.10.1992 eine befristete Aufenthaltsbefugnis bzw. -erlaubnis aus humanitären Gründen erteilt, deren Geltung von der Ausländerbehörde jeweils verlängert wurde und die ihre Rechtsgrundlage seit dem 1.1.2005 in § 23 Abs. 1 AufenthG findet. Der Kläger war vom 12.4. bis zum 30.9.1980 - damals ohne Arbeitserlaubnis - und vom 31.8. bis zum 22.12.1982 erwerbstätig. Seit dem 22.10.1991 verfügte er bis zum Eintritt in das Rentenalter durchgehend über eine Arbeitserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit jeder Art.

Ein Antrag vom 31.8.1992 auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wurde durch Bescheid der Ausländerbehörde vom 5.1.1993 unter Hinweis auf das gesetzlich vorgegebene Erfordernis, dass der Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert sein müsse, abgelehnt. In den Folgejahren sind drei Versuche, eine Arbeitsstelle anzutreten, aktenkundig geworden. Eine 1996 initiierte Beschäftigung in Berlin scheiterte daran, dass der Kläger die von der Ausländerbehörde Berlin insoweit geforderte Einstellungszusicherung des künftigen Arbeitgebers nicht beibrachte. Ein weiterer Versuch, 1996 zwecks Arbeitsaufnahme nach Hamburg umzuziehen, schlug fehl, weil die dortige Ausländerbehörde davon ausging, dass der Bezug weiterer Sozialhilfe nicht auszuschließen sei und den Umzug daher ablehnte. Aus den gleichen Gründen wurde 2005 ein erneuter Antrag, zwecks Aufnahme einer Beschäftigung nach Berlin umzusiedeln, von der dortigen Ausländerbehörde abgelehnt.

Am 6.3.2003 beantragte der Kläger seine Einbürgerung.

Er nahm am 17.4.2004 an einem Deutschkurs teil, den er nicht bestand, da er bei einer Bestehensgrenze von 61 Punkten lediglich 26 Punkte erreichte.

Unter Hinweis hierauf und die Tatsache, dass der Kläger den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen bestreiten konnte, wobei er letzteres nach den Auskünften der Arbeits- und Sozialverwaltung mangels ausreichender Bemühungen um eine Arbeitsstelle zu vertreten habe, teilte der Beklagte dem Kläger mit Anhörungsschreiben vom 27.6.2006 mit, dass eine positive Bescheidung seines Einbürgerungsantrags nicht in Betracht komme.

Mit Schreiben vom 17.7.2006 bekundete der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass dieser stets in der Lage sei, auch umfangreiche, schwierige Sachverhalte sowie deren rechtliche Bewertung in einem deutsch geführten Gespräch zu verstehen und richtig zu bewerten. Zudem dürften sich seine Sprachkenntnisse seit dem Sprachtest 2004 weiter verbessert haben. Die Inanspruchnahme von Sozialleistungen habe der Kläger nicht zu vertreten. Er habe sich bereits kurz nach seinem Eintreffen in Deutschland eigenständig um Arbeit bemüht, damals aber keine Arbeitserlaubnis erhalten. 2005 sei eine Arbeitsaufnahme in Berlin an der Verweigerung der Zustimmung der Ausländerbehörde Berlin gescheitert. Er habe keinen Beruf gelernt und sei 63 Jahre alt, weswegen es so gut wie ausgeschlossen sei, dass er noch eine Stelle finden werde. Von mutwilliger Nichtarbeit könne keine Rede sein. Im Übrigen sei im Rahmen der Ermessensentscheidung die Dauer seines Aufenthalts und die Tatsache zu berücksichtigen, dass sechs seiner sieben Kinder in Deutschland leben und größtenteils längst eingebürgert seien. Die Beziehungen zu seinem Heimatland seien - mit Ausnahme weniger Besuche - abgerissen. Er beabsichtige, seinen Lebensabend in Deutschland zu verbringen.

In der Folge absolvierte der Kläger auf Vorschlag des Beklagten einen Integrationskurs Deutsch und nahm am 7.11.2008 erneut an einem Deutschtest teil, bei dem er bei einer Bestehensgrenze von 61 Punkten 56 Punkte erreichte.

Bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nahm der Kläger keine Erwerbstätigkeit mehr auf und lebte mit seiner Familie von Sozialleistungen. Seit Erreichen des Rentenalters bezieht er mangels Anspruchs auf eine Altersrente Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch.

Auf erneute Anhörungsschreiben des Beklagten vom 8.12.2008 und vom 26.6.2009 machte der Kläger ergänzend geltend, sich seit vielen Jahren in die hiesigen Lebensverhältnisse eingefügt zu haben. Er habe auch nicht lediglich auf Veranlassung des Sozialamtes beim Arbeitsamt vorgesprochen, sondern sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet. Das Nichtbestehen der Sprachtests erkläre sich nicht aus mangelnden Sprachkenntnissen, sondern fehlender Vorbildung, die er altersbedingt nicht mehr ausgleichen könne.

Am 14.7.2009 beantragte der Kläger bei der Ausländerbehörde die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Der Antrag wurde durch Bescheid vom 19.11.2009 mangels dauerhafter Sicherung des Lebensunterhalts aus eigenen Mitteln abgelehnt. Der den diesbezüglich eingelegten Widerspruch zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 19.2.2010 ist in Bestandskraft erwachsen.

In einer beklagtenseits erbetenen Stellungnahme des Landesverwaltungsamtes vom 29.10.2009 heißt es, die 1980 seitens des Klägers begehrte Arbeitserlaubnis für eine Hilfsarbeitertätigkeit sei damals aus arbeitsmarktpolitischen Gründen abgelehnt worden. Am 31.8.1982 sei dem Kläger eine bis 22.12.1982 befristete Arbeitserlaubnis für eine Aushilfstätigkeit mit geringfügiger Beschäftigung erteilt worden. Einem Aktenvermerk vom 18.11.1996 zufolge wäre nach Auskunft der Ausländerbehörde Berlin eine Arbeitsaufnahme in Berlin möglich gewesen, wenn der Kläger eine Einstellungszusicherung vorgelegt und ein entsprechendes Einkommen nachgewiesen hätte. Dies sei nicht geschehen. Hinsichtlich des stattdessen am 12.12.1996 vorgelegten Arbeitsvertrags betreffend eine Beschäftigung in Hamburg sei ein Umzug von der dortigen Ausländerbehörde wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit weiterer Sozialhilfebedürftigkeit abgelehnt worden. Aus dem gleichen Grund habe die Ausländerbehörde Berlin einem Umzug zwecks Arbeitsaufnahme im Jahr 2005 nicht zugestimmt.

Mit Schreiben vom 26.11.2009 unterrichtete der Beklagte den Kläger über den Inhalt der Auskunft des Landesverwaltungsamtes. Der Kläger hielt dem entgegen, der Umstand, dass sich lediglich zwei Arbeitsverträge in den Akten befänden, könne nicht belegen, dass ansonsten keine Erwerbsbemühungen seinerseits stattgefunden hätten.

Durch Bescheid vom 3.3.2010, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, lehnte der Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab. Ein Anspruch auf Einbürgerung scheitere am Fehlen ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache. Da der Kläger mit 36 Jahren eingereist sei, habe er in jungen Jahren Zeit genug gehabt, die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben, so dass er sich nicht auf altersbedingte Defizite berufen könne. Daneben fehle es an den wirtschaftlichen Voraussetzungen, da der Kläger den Bezug öffentlicher Mittel mangels hinreichender Eigenbemühungen zu vertreten habe. Hindernisse infolge der ausländerrechtlichen Situation hätten jedenfalls seit dem 22.10.1991 nicht bestanden, weil der Kläger seitdem durchgehend - zunächst befristet und seit dem 22.7.2001 unbefristet - über eine Arbeitserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit jeder Art verfügt habe. Die Versuche, zwecks Arbeitsaufnahme nach Berlin beziehungsweise Hamburg umzusiedeln, seien - bedingt durch den fehlenden Nachweis eines ausreichenden Verdienstes - gescheitert. Eine Einbürgerung im Ermessensweg sei ausgeschlossen, weil der nach den Nrn. 8.1.2.1.1 und 8.1.2.1.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise erforderliche Nachweis der Sprachkenntnisse nicht erbracht sei und es zudem an der Unterhaltsfähigkeit fehle. Auch liege seine Einbürgerung weder im öffentlichen Interesse, noch stelle ihre Versagung eine besondere Härte für den Kläger dar.

Mit seiner durch seine nunmehrige Prozessbevollmächtigte am 12.3.2010 erhobenen Klage hat der Kläger sein Einbürgerungsbegehren unter Hinweis auf Nr. 8.1.3.7 der Vorläufigen Anwendungshinweise weiterverfolgt. Hiernach sei den Anforderungen an die Sprachkenntnisse ausnahmsweise Genüge getan, wenn Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben in deutscher Sprache mündlich verständigen können. Dies habe der Beklagte bei der nach § 8 StAG zu treffenden Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Voraussetzungen gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Vertretenmüssen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG einen gewissen Gegenwartsbezug voraussetze. Hiernach dürften aktuell nicht rückgängig zu machende Fernwirkungen vergangenen zurechenbaren Verhaltens einem Einbürgerungsbewerber nicht ohne jede zeitliche Grenze entgegengehalten werden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, ihn einzubürgern,

hilfsweise,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seine Ansicht bekräftigt, wonach einer Anspruchseinbürgerung die unzureichenden Sprachkenntnisse entgegenstünden und eine Ermessenseinbürgerung wegen des Leistungsbezugs des Klägers ausgeschlossen sei. Im Rahmen des § 8 StAG sei die Frage des Vertretenmüssens ohne Relevanz. Eine besondere Härte oder ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG liege offensichtlich nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27.09.2011.ergangenes Urteil, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 17.10.2011, abgewiesen. Eine Einbürgerung nach § 10 StAG scheide aus, da der Kläger keinen für die Einbürgerung geeigneten Aufenthaltstitel inne habe. Der Kläger verfüge nicht über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, sondern nur über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, die nach den ausdrücklichen und durch Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckten Vorgaben des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG zur Begründung eines Einbürgerungsanspruchs nicht ausreiche. Der auf Einbürgerung unter Ermessensgesichtspunkten nach Maßgabe des § 8 StAG gerichtete Hilfsantrag müsse ebenfalls ohne Erfolg bleiben. Insoweit sei entscheidend, dass der Kläger die in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG formulierten Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit nicht erfülle und die Voraussetzungen, unter denen nach § 8 Abs. 2 StAG eine Ausnahme von diesem Erfordernis möglich sei, nach den konkreten Umständen nicht vorlägen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG stehe der Leistungsbezug einer positiven Ermessensentscheidung auch dann entgegen, wenn dieser im Einzelfall nicht zu vertreten sei. Auf die klägerseits in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenwartsbezug des Vertretenmüssens komme es daher nicht an. Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG sei nicht ersichtlich, da der Kläger keine besonderen Integrationsleistungen erbracht habe. Dass er geltend mache, sich in das soziale Leben der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert zu haben und sich im Alltagsleben ohne Probleme in deutscher Sprache verständigen zu können, entspreche nur dem Mindeststandard und belege keine besondere Integrationsleistung. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür aktenkundig, dass der Kläger einen maßgeblichen Beitrag zur Ermöglichung der Einbürgerung seiner Kinder geleistet habe. Ebenso wenig sei die Annahme einer besonderen Härte gerechtfertigt. Zwar gehöre der Kläger als „ältere Person mit langem Inlandsaufenthalt“ zu dem in Nr. 8.2 letzter Satz der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren besonders erwähnten Personenkreis, bei dem Gesichtspunkte der Vermeidung einer besonderen Härte grundsätzlich in Betracht kämen. Allerdings sei nicht erkennbar, inwieweit sich seine persönliche Situation durch eine Einbürgerung verbessern würde. Eben sowenig sei dargelegt, dass ihm ein weiteres Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Ihm werde auch ohne die begehrte Einbürgerung nicht verwehrt, seinen Lebensabend in Deutschland zu verbringen.

Auf den am 26.10.2011 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den den Hilfsantrag abweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils hat der Senat die Berufung beschränkt auf die Abweisung des Hilfsantrags durch Beschluss vom 2.2.2012, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 8.2.2012, unter gleichzeitiger Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung bekräftigt der Kläger in seinem am 29.2.2012 eingegangenen Schriftsatz seine Argumentation, wonach die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG nicht zwingend ausschließe. Es bedürfe im Rahmen der Ermessenserwägungen einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenwartsbezug des Vertretenmüssens. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass das Ermessen bei Prüfung der Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung nicht derart ausgeübt werden solle, dass der Maßstab ein strengerer sei als bei der Anspruchseinbürgerung. Hiernach sei im Rahmen des § 8 StAG nach Maßgabe der konkreten Umstände eine Absenkung der Sprachanforderungen bis hin zum vollständigen Verzicht auf Kenntnisse der Schriftsprache gestattet. Zudem sei Nr. 8.1.1.4 der Vorläufigen Anwendungshinweise in den Blick zu nehmen, wo auf die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG verwiesen werde. Hiernach sei der Einbürgerungsbehörde ein Ermessen eröffnet, das öffentliche Interesse zu werten und in Beziehung zu dem Versagungsinteresse wegen fehlender Unterhaltsfähigkeit zu setzen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27.9.2011 zu verpflichten, seinen Bescheid vom 3.3.2010 aufzuheben und über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, von dem einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG entgegenstehenden Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit könne nicht gem. § 8 Abs. 2 StAG abgesehen werden, denn es fehle - wie das Verwaltungsgericht ausgeführt habe - an einer besonderen Härte und ebenso am Bestehen eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift. In letzterem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Ausnahmevorschrift insbesondere die Einbürgerung staatsangehörigkeitsrechtlich besonders Schutzbedürftiger im Blick gehabt habe. Soweit daneben auch andere Gruppen - wie lebensältere Personen mit langem Inlandsaufenthalt - privilegiert sein könnten, sei zu beachten, dass die diesbezüglichen Vorgaben der Anwendungshinweise „60 Jahre“ und „12-jähriger Aufenthalt“ nur Ausdruck einer Regelvermutung der faktlichen Integration dieser Personen seien, die aber im Einzelfall durch die Persönlichkeit und Vita des Betroffenen widerlegt sein könne. Fallbezogen widerlege die gesamte Vita des Klägers auch bei Außerachtlassung des Leistungsbezugs dessen faktische Integration, so dass ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG tatbestandlich nicht bestehe. Dies spiegele sich auch in dem ungewöhnlichen Umstand wider, dass der Kläger trotz seines 30-jährigen Aufenthalts in Deutschland noch immer keinen verfestigten (Dauer-)Aufenthaltstitel habe. Fordere man - wie das Verwaltungsgericht - für die Feststellung eines öffentlichen Interesses zudem besondere Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers, so scheide die Annahme eines öffentlichen Interesses im Falle des Klägers erst recht aus. Selbst wenn man die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG noch bejahen und damit den Weg zu einer Ausübung des Ermessens unter umfassender Würdigung der für und gegen den Kläger bzw. dessen Integration sprechenden Umstände eröffnen würde, könne dies im Ergebnis nicht zu einer dem Kläger günstigen Entscheidung führen. Zugunsten des Klägers sei zu berücksichtigen, dass er bereits seit über 30 Jahren in Deutschland lebe und zwischenzeitlich „lebensälter“ sei, was Änderungen seines Integrationsstandes und seiner wirtschaftlichen Verhältnisse erschwere bzw. ausschließe. Außerdem könne er sich zumindest auf einfache Art verständigen. Gegebenenfalls könne für die Integration eines Einbürgerungsbewerbers auch eine positive und durchgängige Integration seiner gesamten Familie sprechen, die jedoch hinsichtlich der Familie des Klägers nach Aktenlage gerade nicht festzustellen sei. Gegen seine Integration sprächen seine (allenfalls) „alltagstauglichen Deutschkenntnisse“. Er erfülle noch nicht einmal das nach altem Recht zu fordernde Sprachniveau A 2, wobei nicht erkennbar sei, warum er, der bereits mit Mitte dreißig nach Deutschland gekommen sei, nicht erfolgreich Deutsch gelernt habe. Seit 1996 habe er freien Zugang zum Arbeitsmarkt gehabt. Dass er dennoch keine Erwerbsmöglichkeit gefunden habe, erkläre sich nicht allein aus seiner mangelnden beruflichen Vorbildung. Er habe wegen seiner unterbliebenen bzw. nur geringfügigen Erwerbstätigkeit hinreichende zeitliche Möglichkeiten gehabt, seine Deutschkenntnisse und damit auch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Da Sprachkenntnisse ein wesentlicher Faktor für eine wirtschaftliche Integration seien, seien ihm seine fehlenden Spracherwerbsbemühungen vorzuhalten. In Folge der früheren Versäumnisse sei er nun zeitlebens auf öffentliche Leistungen angewiesen. Anders als im Rahmen eines Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG, der gerade einer gelungenen Integration entspringe, sei der Zeitfaktor im Rahmen der Ermessensausübung durchaus berücksichtigungsfähig. Insoweit könne nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG zurückgegriffen werden. Eine Beschränkung des Betrachtungszeitraums auf acht Jahre würde in diesem Zusammenhang stets dazu führen, dass bei „älteren Personen“ auf die Mindestvoraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG irgendwann generell zu verzichten wäre, was über die Zielsetzung des § 8 Abs. 2 StAG, eine umfassende Ermessensausübung zu eröffnen, hinausgehen würde. Fallbezogen seien die wirtschaftliche Situation und Erwerbsbiographie auch der Grund, weswegen der Kläger überhaupt „nur“ einen „schwachen“ Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG besitze, weswegen eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG ausgeschlossen sei. Eine Gewichtung der zeitlichen Komponente des Vertretenmüssens des Leistungsbezugs im Rahmen des § 8 StAG sei indes nach allem Gesagten nicht geboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (2 Hefte, 1 Ordner), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, muss aber in der Sache ohne Erfolg bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage hinsichtlich des Hilfsantrags, den allein der Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen. Ihm ist zudem darin zuzustimmen, dass dem Kläger mit Blick auf das Fehlen eines insoweit geeigneten Aufenthaltstitels kein aus § 10 StAG herleitbarer Anspruch auf Einbürgerung zusteht. Dies hat der Kläger ausweislich der Beschränkung seines Berufungsbegehrens akzeptiert. Sein im Berufungsverfahren weiter verfolgter Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsantrag in Anwendung des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 StAG erneut nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist unbegründet.

1. Ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch auf Neubescheidung setzt zunächst voraus, dass die durch die Vorschrift vorgegebenen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist dies zu bejahen, so steht die Einbürgerung im grundsätzlich weiten Ermessen des Beklagten als zuständiger Einbürgerungsbehörde.(Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, Stand 25. Erg.lfg. August 2011, § 8 Rdnr. 170 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27.5.2010 - 5 C 8/09 -, NVwZ 2010, 1502 ff.)

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 1 StAG ist geklärt, dass der Einbürgerungsbehörde ein Einbürgerungsermessen nach dieser Vorschrift nur eingeräumt ist, wenn neben den sonstigen in der Vorschrift aufgeführten und vorliegend außer Streit stehenden Voraussetzungen das auf den Nachweis der wirtschaftlichen Integration zielende Tatbestandsmerkmal der Nr. 4 erfüllt ist.(BVerwG, Urteil vom 27.2.1958 - I C 99.56 -, BVerwGE 6, 207 ff.) Hiernach muss der Ausländer im Stande sein, sich und seine Angehörigen aus eigener Kraft zu ernähren. Ist dies nicht der Fall, weil der Ausländer auf den Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen angewiesen ist, spielt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der obergerichtlichen Rechtsprechung(OVG Berlin, Beschluss vom 9.10.1995 - 5 M 25.95 -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.3.1996 - 13 S 1908/95 -, jeweils juris) zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG keine Rolle, ob der Ausländer seine Bedürftigkeit zu vertreten hat. Auf Kritik von Seiten der Kommentarliteratur(GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnr. 124), wonach dieses keine Ausnahmen zulassende Verständnis des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG den seit Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 1914 zu verzeichnenden sozialpolitischen Veränderungen nicht angemessen Rechnung trage, hat das Bundesverwaltungsgericht seine am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt. Es hat dies damit begründet, dass der Gesetzgeber das Staatsangehörigkeitsrecht - u.a. auch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG - wiederholt geändert, dabei die Einbürgerung für bestimmte Personenkreise mit Wirkung zum 1.1.1991 erleichtert und geregelt habe, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Einbürgerung nicht entgegenstehe. Dies berücksichtigend verbiete es sich, die unverändert gebliebene Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, die in diese neuere Gesetzgebung nicht einbezogen worden sei, teleologisch zu reduzieren.(BVerwG, Beschlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 94/97 -, NVwZ-RR 1997, 738 f., und vom 10.7.1997 - 1 B 141/97 -, NVwZ 1998, 183 f.; Urteil vom 22.6.1999 - 1 C 16/98 -, InfAuslR 1999, 501 ff.) Zu der Frage, wann ein Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen auf Dauer aus eigenen Mitteln ernähren kann, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.1998 - 13 S 2212/96 -, InfAuslR 1998, 509 ff.) überzeugend ausgeführt, dass er zumindest über eigene Einnahmen in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe verfügen muss.

Fallbezogen scheitert ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags am Nichtvorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 4 der Vorschrift, da der Kläger für sich und seine Ehefrau fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII bezieht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dieser Leistungsbezug einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG auch dann entgegensteht, wenn der Kläger den Umstand, der ihn zur Inanspruchnahme dieser Leistungen berechtigt, nicht zu vertreten hat.

Da es im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG nicht darauf ankommt, ob der Einbürgerungsbewerber seine Bedürftigkeit zu vertreten hat, ist aus Rechtsgründen kein Raum für die von dem Kläger reklamierte entsprechende Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 - 5 C 22/08 -, NVwZ 2009, 843 ff.) entwickelten Grundsätze zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich frühere Versäumnisse nicht mehr als wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug darstellen und daher vom Einbürgerungsbewerber nicht mehr im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zu vertreten sind. Dies ist sachgerecht, denn die gesetzlichen Erleichterungen, die diese Vorschrift gewährt, rechtfertigen sich - wie das Bundesverwaltungsgericht in dem klägerseits zitierten Urteil vom 19.2.2009 ausdrücklich hervorgehoben hat - daraus, dass bei zurechenbar unzureichender wirtschaftlicher Integration schon die erforderliche Voraufenthaltszeit eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts oder der für den Einbürgerungsanspruch erforderliche Aufenthaltsstatus gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erreicht werden kann, weil die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) regelmäßig einen gesicherten Lebensunterhalt verlangen. Dies gilt insbesondere auch für die Ersetzung einer - wie im Fall des Klägers - nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen erteilten oder verlängerten befristeten Aufenthaltserlaubnis durch eine Niederlassungserlaubnis, da deren Erteilung nach den §§ 26 Abs. 4 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ebenfalls voraussetzt, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist.

Der Kläger begründet seine Ansicht, im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG dürfe hinsichtlich der Unterhaltsfähigkeit kein strengerer Maßstab als im Rahmen des § 10 StAG angelegt werden, mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010.(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O.) Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Ausführungen, wonach die Anspruchsvoraussetzungen bzw. Ausschlussgründe der §§ 10 und 11 StAG der Sache nach bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG berücksichtigt werden dürfen, ausdrücklich unter dem Vorbehalt stehen, dass sie in § 8 Abs. 1 StAG nicht schon auf der Tatbestandsebene modifiziert sind. Gerade dies ist der Fall, denn die tatbestandlichen Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit sind in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG anders - insbesondere unter Anlegung strengerer Kriterien - geregelt als in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.

Im Übrigen verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, ihm dürften die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zugerechnet werden, dass die diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht entwickelten Kriterien in seinem Fall nicht erfüllt sind. Denn der hiernach maßgebliche Zeitraum von acht Jahren ist noch nicht verstrichen. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass er und seine Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft seit Erreichen des Rentenalters im Juli 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehen, weil er sich seit Erhalt seiner Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nur unzureichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat und daher keinen Anspruch auf eine Altersrente erwerben konnte. Ausweislich der Ausländerakte ist der Kläger seitens der Ausländerbehörde frühzeitig schriftlich darauf hingewiesen worden, dass eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden kann, wenn der Lebensunterhalt der Familie aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist (Schreiben der Ausländerbehörde vom 4.11.1992, Bl. 173 f. der Ausländerakte, und Bescheid vom 5.1.1993 betreffend die Ablehnung der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, Bl. 178 f. der Ausländerakte). Aktenkundig sind indes lediglich drei - von vornherein wenig erfolgversprechende - Versuche, eine Arbeitsstelle zu finden, nämlich seine Bewerbungen 1996 in Berlin bzw. Hamburg und 2005 erneut in Berlin. Die jeweiligen Ausländerbehörden lehnten eine Aufnahme des Klägers in ihren Zuständigkeitsbereich jeweils ab, und zwar wegen Nichtbeibringung der geforderten Einstellungszusicherung (Bl. 219 der Ausländerakte) bzw. weil nach der Höhe des voraussichtlichen Verdienstes nicht auszuschließen war, dass er weiterhin auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein würde (Bl. 230 und 279 der Ausländerakte). Sonstige - insbesondere ortsnahe und insofern erfolgversprechendere - Bemühungen des Klägers um eine Beschäftigung trägt dieser selbst nicht vor. Er gibt lediglich an, sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet zu haben (Bl. 176 der Einbürgerungsakte). Erfolglos gebliebene Bewerbungen behauptet er nicht. Zudem tritt er der Feststellung in dem angefochtenen, die Einbürgerung ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 3.3.2010, es könne nicht von einem unverschuldeten Bezug öffentlicher Mittel ausgegangen werden, im Klage- und Berufungsverfahren nur insoweit entgegen, als er geltend macht, mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien ihm die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zurechenbar. Dies trifft indes gerade nicht zu. Denn der Sachverhalt stellt sich so dar, dass dem Kläger seit Erhalt einer Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 unzureichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle entgegenzuhalten sind. Seit Beendigung dieser langen Zeit mangelnder Anstrengungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst ca. vier Jahre verstrichen, so dass der Kläger aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu seinen Gunsten herleiten kann, dass er für seine jahrelang unzureichenden Bemühungen nicht mehr einzustehen habe.

2. Aus § 8 Abs. 2 StAG leitet sich ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags ebenfalls nicht her.

Nach dieser Vorschrift kann von dem Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG und dem Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmevorschrift, die bezüglich der Nr. 4 am 1.1.2005 und bezüglich der Nr. 2 am 28.9.2007 in Kraft getreten ist, neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt, weil er im Hinblick auf die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG mit ihren speziellen Voraussetzungen auch bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG eine Ausnahmeregelung als erforderlich ansah. Bei den Tatbestandsvoraussetzungen „Gründe des öffentlichen Interesses“ und „Vermeidung einer besonderen Härte“ handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, die inhaltlicher Konkretisierung bedürfen und deren Auslegung und Anwendung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Fallbezogen spricht nichts für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands.

Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 StAG ist für die Auslegung der Vorschrift nicht ergiebig. Sie führt lediglich einen - hier nicht einschlägigen - Beispielsfall einer besonderen Härte an. Hinweise zum Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Gründe des öffentlichen Interesses“ fehlen vollständig.(BT-Drs. 14/7387, S. 107, und 15/420, S. 116)

In der Rechtsprechung ist bisher nur in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Vermeidung einer besonderen Härte geklärt, welche konkreten Anforderungen die gesetzliche Neuregelung an das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls stellt.

Das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 - 5 C 5.11 -) hat vor kurzem entschieden, dass eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden könnte. Es hat damit die bisher zu den Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte ergangene obergerichtliche Rechtsprechung(HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820.08.Z -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009 - 13 S 2428.08 -, jeweils juris), u.a. des Senats(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.6.2010 - 1 A 88/10 -, juris), bestätigt. Dies zugrundelegend kommt fallbezogen ein Einbürgerungsermessen des Beklagten zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht in Betracht. Die Argumentation des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, eine besondere Härte liege darin, dass er wegen seines Alters außer Stande sei, an seinem Angewiesensein auf den Bezug von Sozialleistungen noch etwas zu ändern, geht fehl. Denn diese Situation wird weder durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen noch könnte sie durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Würdigung der Versagung der Einbürgerung als besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG selbst in Fällen, in denen der Betroffene den Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht zu vertreten hat, bereits mehrfach - u.a. in seinem vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Urteil vom 20.3.2012 in Bezug genommenen Beschluss vom 11.6.2009 - eine Absage erteilt.(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.6.2009 - OVG 5 M 30.08 -, und vom 8.2.2010 - OVG 5 M 48.09 -, jeweils juris) Auch dies überzeugt.

Zur Frage, wann die Voraussetzungen des alternativen Tatbestandsmerkmals „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ erfüllt sind, hat sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht dezidiert geäußert. In seinem Urteil vom 20.3.2012 hat es allerdings beanstandet, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des dortigen Einbürgerungsbewerbers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, in tatsächlicher Hinsicht nicht hinterfragt und nicht geprüft habe, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich zu den Anforderungen, die an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu stellen sind, ebenfalls noch nicht festgelegt. In den Entscheidungen, in denen § 8 Abs. 2 StAG Erwähnung findet, heißt es - sofern das Vorliegen eines öffentlichen Interesses angeprüft wird - jeweils ohne nähere Darlegung, ein solches sei nicht erkennbar.(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 21.10.2011 - 1 S 135/11 -, NVwZ-RR 2012, 160 f.) An erstinstanzlichen Entscheidungen finden sich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach(VG Ansbach, Urteil vom 10.9.2008 - AN 15 K 08.00780 -, juris) und mehrere Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes(VG des Saarlandes, Urteile vom 9.2.2010 - 2 K 530/09 -, vom 14.12.2010 - 2 K 445/09 -, vom 22.11.2011 - 2 K 560/10 - und vom 31.1.2012 - 2 K 667/10 -, jeweils juris), u.a. auch das im Verfahren des Klägers ergangene Urteil vom 27.9.2011.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat zu der dortigen Fallgestaltung ausgeführt, Anhaltspunkte für Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn von § 8 Abs. 2 StAG lägen nicht vor, auch wenn die Beachtung einer Staatenlosigkeit wegen der Verpflichtung, die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern, hierzu gezählt werde. Auch spiele die von dem Kläger angeführte, im öffentlichen Interesse liegende einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Integration in die deutschen Verhältnisse keine ausschlaggebende Rolle. Eine klare Aussage dazu, wann Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn des Abs. 2 vorliegen, enthalten diese Ausführungen nicht.

Nach dem in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts des Saarlandes zum Ausdruck kommenden Verständnis der in § 8 Abs. 2 StAG getroffenen Ausnahmeregelung soll das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses voraussetzen, dass der Einbürgerungsbewerber besondere Integrationsleistungen erbracht hat.

In der Kommentarliteratur wird gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Anknüpfungspunkt der Argumentation sind die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - zur Handhabung des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens und die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG, die noch einer (für die Einbürgerungsbehörden) verbindlichen Umsetzung durch Änderung der StAR-VwV bedürfen. Das öffentliche Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei im Zusammenhang zu sehen mit den vom Bundesministerium des Inneren vorgegebenen Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck brächten. Seien die Voraussetzungen einer solchen Einbürgerungserleichterung erfüllt, sei regelmäßig auch ein Abweichen vom Unterhaltserfordernis angezeigt.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 157; Hailbronner/Renner/Maaßen, a.a.O., § 8 Rdnr. 48) Zu eng, jedenfalls nicht abschließend, seien die Vorgaben der Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise. Denn der Gesetzgeber habe - anders als dort gefordert - nicht ein „besonderes“ oder gar „herausragendes“ öffentliches Interesse zur Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung gemacht, sondern ein „schlichtes“ öffentliches Interesse. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 159 f.)

Diese Auslegung erscheint zu weitgehend. Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Abs. 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der StAG-VwV zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist.

In Bezug auf § 8 Abs. 1 StAG verlangt das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteile 27.2.1957 - I C 165.55 -, BVerwGE 4, 298 ff., vom 30.9.1958 - I C 20.58 -, BVerwGE 7, 237 ff., vom 21.10.1986 - 1 C 44.84 -, BVerwGE 75, 86 ff., und vom 27.5.2010, a.a.O., m.w.N.) bisher in ständiger Rechtsprechung von den Einbürgerungsbehörden, bei der Ermessensausübung darauf abzustellen, ob ein staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht. Die Behörde habe zu prüfen, ob die Einbürgerung sowohl nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers als auch nach allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten im staatlichen Interesse erwünscht ist, ohne dass eine Abwägung mit den persönlichen Interessen des Einbürgerungsbewerbers stattfinde. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner zuletzt zur Problematik ergangenen bereits in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.5.2010 offen gelassen, ob es ungeachtet der diesbezüglichen Kritik(Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 50; GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnrn. 178 ff.) daran festhalten wird, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG ohne Abwägung des privaten Interesses des Einbürgerungsbewerbers allein das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung zu berücksichtigen ist. Allerdings spricht im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 StAG - wie noch auszuführen sein wird - alles dafür, Einbürgerungserleichterungen, die den persönlichen Verhältnissen des Einbürgerungsbewerbers Rechnung tragen sollen, nicht als ausreichend zur Begründung eines öffentlichen Interesses zu erachten, sondern ein spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung als unverzichtbar zu fordern.

Die Vorgaben der StAR-VwV, insbesondere die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, die nach Ansicht der Kommentarliteratur ein öffentliches Interesse auch im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck bringen können, sind am 1.2.2001, also lange bevor der Gesetzgeber die Einfügung des heutigen § 8 Abs. 2 StAG beschlossen hat, in Kraft getreten. Nach Nr. 8.0 StAR-VwV kann bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG eine Einbürgerung nach Ermessen der Behörde erfolgen, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang heißt es unter Nr. 8.1.2, dass die Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 allgemeine Grundsätze für die Ermessensausübung enthalten und festlegen, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung anzunehmen ist. Demgemäß sind die unter Nr. 8.1.2 StAR-VwV fixierten allgemeinen Grundsätze für die Ermessensausübung und die unter Nr. 8.1.3 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen für bestimmte Personengruppen vom Bundesministerium des Inneren mit dem Ziel konzipiert worden, den Einbürgerungsbehörden durch Konkretisierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rahmen für eine einheitliche Bewältigung der speziell bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 StAG zu erwartenden Problemstellungen vorzugeben.

Dass jede zu § 8 Abs. 1 StAG anerkannte Einbürgerungserleichterung gleichzeitig ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zum Ausdruck bringt, ist indes nicht anzunehmen.

Das öffentliche Interesse jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße zunächst, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach der StAR-VwV zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber den tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht genügt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Denn die unter Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 erfassten Kriterien für das Vorliegen des im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG von der Rechtsprechung geforderten öffentlichen Interesses tragen durchaus unterschiedlichen Anliegen Rechnung, die teils primär private Belange des Einbürgerungsbewerbers und teils ausschließlich staatliche Belange im Blick haben. Die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen sind von daher nicht in gleicher Weise geeignet, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Abs. 2 Berücksichtigung zu finden. Die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG wären bei dem von der Kommentarliteratur vertretenen Verständnis des in Abs. 2 der Vorschrift verwendeten Begriffs des öffentlichen Interesses ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre.

Speziell mit Blick auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spricht gegen eine begriffliche Identität, dass § 8 Abs. 2 StAG den Einbürgerungsbehörden die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung unabhängig davon einräumt, ob der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit selbst zu vertreten hat. In einer Vielzahl von Fällen, in denen einer positiven Entscheidung nach Abs. 1 das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Anforderungen der Nr. 4 entgegensteht, stünde es auch im Falle rein privatnütziger, besondere persönliche Umstände berücksichtigender Einbürgerungserleichterungen im Ermessen der Einbürgerungsbehörde, ob sie grundsätzlich oder je nach den Umständen des Einzelfalls fordert, dass der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit nicht zu vertreten hat.

Die aufgezeigte Problematik wird anhand des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts deutlich. Ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG ist dem Beklagten mit Blick auf Nr. 4 der Vorschrift nicht eröffnet. Dessen ungeachtet genügt der Kläger allen unter Nr. 8.1.2 i.V.m. Nr. 8.1.3.7 und unter Nrn. 8.1.2.2 bis 8.1.2.6 festgelegten Kriterien, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG den Begriff des öffentlichen Interesses konkretisieren sollen. Denn auch dem Erfordernis ausreichender Sprachkenntnisse wäre mit Blick auf die - seinen persönlichen Belangen Rechnung tragende - Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 Genüge getan, da insoweit bei Personen, die - wie er - das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, ausreicht, wenn sie sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben mündlich in deutscher Sprache verständigen können. Zu Zweifeln, ob der Kläger sich in dieser Weise verständigen kann, besteht angesichts seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass der Senat der Ansicht des Beklagten, bei Anwendung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Vita des Einbürgerungsbewerbers der Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift entgegensteht, nicht zu folgen vermag. Sinn und Zweck dieser aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Verwaltungsvorschrift ist es, den besonderen persönlichen Verhältnissen und dem typischerweise nur noch eingeschränkten Leistungsvermögen älterer Personen im Falle eines langjährigen Inlandsaufenthalts im Rahmen der Ermessensausübung angemessen Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob ihnen der Erwerb weitergehender Sprachkenntnisse in jüngeren Jahren nach ihren persönlichen Fähigkeiten und ihren Lebensverhältnissen zumutbar gewesen wäre.

Die Annahme, dass der Tatbestand des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG mit dem durch die Vorgaben der StAR-VwV zu Abs. 1 der Vorschrift konkretisierten öffentlichen Interesse identisch ist, hätte somit fallbezogen zur Folge, dass der Beklagte den Kläger auf der Grundlage des Abs. 2 wegen Eingreifens der Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV einbürgern könnte, ohne dass er kraft Gesetzes oder auch nur kraft Verwaltungsvorschrift gehalten wäre zu prüfen, ob dieser seine fehlende Unterhaltsfähigkeit zu vertreten hat. Es erscheint fernliegend, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht.

Die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG sprechen - ungeachtet des Umstands, dass sie die Gerichte nicht zu binden vermögen und selbst im Verhältnis zu den Behörden noch einer verbindlichen Umsetzung bedürfen - ebenfalls gegen die von der Kommentarliteratur befürwortete weite Auslegung der Vorschrift. Denn deren Nr. 8.2 verweist gerade nicht auf die Gesamtheit der in Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, deren Vorliegen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG rechtfertigen kann. Vielmehr soll ein Absehen von dem Unbescholtenheitserfordernis bzw. der Unterhaltsfähigkeit nach Nr. 8.2 StAR-VwV z.B. in Betracht kommen, wenn bereits Einbürgerungserleichterungen, einschließlich vorübergehender oder dauerhafter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, bei einem besonderen (Nr. 8.1.3.5 StAR-VwV) oder herausragenden (Nr. 8.1.2.6.3.6 StAR-VwV) öffentlichen Interesse - Verkürzung der Mindestdauer des Inlandsaufenthalts bei Vorliegen eines besonderen Einbürgerungsinteresses oder Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei einem herausragenden öffentlichen Einbürgerungsinteresse - eingeräumt worden sind. In den beispielhaft genannten Anwendungsfällen setzt ein Absehen von der Unterhaltsfähigkeit mithin voraus, dass ein besonderes oder herausragendes Einbürgerungsinteresse besteht. Dazu, ob weitere, gegebenenfalls welche, Fallgestaltungen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG denkbar sind, verhalten sich die Vorläufigen Anwendungshinweise nicht. Allerdings spricht der Umstand, dass die in der StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen nicht allesamt in Bezug genommen werden, eindeutig dafür, dass jedenfalls nach dem Verständnis des Bundesministeriums des Inneren nicht jede zu Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene Einbürgerungserleichterung den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nahe legen soll, sondern vorrangig oder ausschließlich solche, die einem spezifisch staatlichen Interesse zu dienen bestimmt sind.

Allein ein solches Verständnis der Vorschrift erscheint aus Sicht des Senats sachgerecht. Ermessensgesichtspunkte und Einbürgerungserleichterungen, die nach der Rechtsprechung und den insoweit geltenden Verwaltungsvorschriften der StAR-VwV zwar im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG beachtlich und grundsätzlich dort geeignet sind, eine dem Ausländer positive Einbürgerungsentscheidung zu ermöglichen, aber nicht irgendwie gearteten staatlichen Interessen dienen, sondern vorrangig besonderen persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Ausländers angemessen Rechnung tragen sollen, vermögen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nicht zu begründen.

So kann sich beispielsweise daraus, dass im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 StAG und zweifelsfrei ebenso des Absatzes 2 der Vorschrift eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen auf Dauer zugesagt ist, als erforderlicher Aufenthalt ausreichen soll (Nr. 8.1.2.4 StAR-VwV), kein im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG beachtliches öffentliches Interesse an der Einbürgerung ergeben. Gleiches gilt etwa hinsichtlich der die allgemein geltenden Sprachanforderungen einschränkenden Einbürgerungserleichterungen für minderjährige Kinder (Nr. 8.1.3.6 StAR-VwV) und ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV).

Nach allem ist ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab.

Nach Einschätzung des Senats entspricht dies der - wenngleich bisher nicht ausdrücklich formulierten - Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts. Wie ausgeführt, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.3.2012 in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbestandlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nrn. 2 und/oder 4 besteht.

Mithin ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht den Vorschlag der Kommentarliteratur, jedwede anerkannte Einbürgerungserleichterung als geeignet anzusehen, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu begründen, aufgreifen könnte.

Demgemäß füllt allein die dem Kläger zugute kommende Einbürgerungserleichterung für ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV) den Tatbestand eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift nicht aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Anhaltspunkte für das Bestehen eines durch spezifisch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers, also eines Erwünschtseins seiner Einbürgerung aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gesichtspunkte, weder ersichtlich noch dargetan sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten, für ein „Erwünschtsein“ im Sinne eines staatlichen Interesses an seiner Einbürgerung müsse ausreichen, dass er schon über 30 Jahre und damit sehr lange in Deutschland lebe und hier auf Dauer bleibeberechtigt sei. Zudem hätten seine Kinder sich ebenfalls hier niedergelassen, seien zum Teil schon lange eingebürgert und berufstätig, so dass sie als Steuerzahler zum Gemeinwohl beitrügen. Dies reicht - so erfreulich die Entwicklung der Kinder sicherlich ist - mit Blick auf den hier allein interessierenden Kläger zur Begründung eines staatlichen Interesses im vorbezeichneten Sinne nicht aus. Dass das Alter und ein langjähriger Aufenthalt im Inland einem Einbürgerungsbewerber im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG einbürgerungserleichternd zugute kommen können, vermag - wie ausgeführt - für sich genommen nicht automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu rechtfertigen, und kann auch im Zusammenspiel mit einer gelungenen Integration der Kinder ein solches Interesse nicht begründen. Denn § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der in der Mehrzahl der Zuwandererfamilien zu beobachtenden Integration der Kinder in die hiesigen Verhältnisse - zusätzlich - positiv abhebt. Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Dem Beklagten ist mithin ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG nicht eröffnet.

Wegen Fehlens diesbezüglicher tatsächlicher Anhaltspunkte und damit mangels Entscheidungsrelevanz bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG auch bei besonderen Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers zu bejahen ist. Angemerkt sei lediglich, dass für eine solche Auslegung der Vorschrift die - wenngleich in anderem Zusammenhang verwendete - Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010 „zur Vermeidung einer Härte oder wegen anderweitiger Integrationsleistungen“(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O., juris-Rdnr. 36 (vgl. auch Rdnr. 39)) sprechen mag.

3. Nach alldem bleibt festzuhalten, dass dem Kläger weder auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 StAG noch des § 8 Abs. 2 StAG ein Anspruch darauf zusteht, dass der Beklagte erneut über sein Einbürgerungsbegehren entscheidet.

Die Berufung gegen das den diesbezüglich gestellten Hilfsantrag des Klägers abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts unterliegt daher der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, muss aber in der Sache ohne Erfolg bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage hinsichtlich des Hilfsantrags, den allein der Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen. Ihm ist zudem darin zuzustimmen, dass dem Kläger mit Blick auf das Fehlen eines insoweit geeigneten Aufenthaltstitels kein aus § 10 StAG herleitbarer Anspruch auf Einbürgerung zusteht. Dies hat der Kläger ausweislich der Beschränkung seines Berufungsbegehrens akzeptiert. Sein im Berufungsverfahren weiter verfolgter Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsantrag in Anwendung des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 StAG erneut nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist unbegründet.

1. Ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch auf Neubescheidung setzt zunächst voraus, dass die durch die Vorschrift vorgegebenen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist dies zu bejahen, so steht die Einbürgerung im grundsätzlich weiten Ermessen des Beklagten als zuständiger Einbürgerungsbehörde.(Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, Stand 25. Erg.lfg. August 2011, § 8 Rdnr. 170 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27.5.2010 - 5 C 8/09 -, NVwZ 2010, 1502 ff.)

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 1 StAG ist geklärt, dass der Einbürgerungsbehörde ein Einbürgerungsermessen nach dieser Vorschrift nur eingeräumt ist, wenn neben den sonstigen in der Vorschrift aufgeführten und vorliegend außer Streit stehenden Voraussetzungen das auf den Nachweis der wirtschaftlichen Integration zielende Tatbestandsmerkmal der Nr. 4 erfüllt ist.(BVerwG, Urteil vom 27.2.1958 - I C 99.56 -, BVerwGE 6, 207 ff.) Hiernach muss der Ausländer im Stande sein, sich und seine Angehörigen aus eigener Kraft zu ernähren. Ist dies nicht der Fall, weil der Ausländer auf den Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen angewiesen ist, spielt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der obergerichtlichen Rechtsprechung(OVG Berlin, Beschluss vom 9.10.1995 - 5 M 25.95 -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.3.1996 - 13 S 1908/95 -, jeweils juris) zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG keine Rolle, ob der Ausländer seine Bedürftigkeit zu vertreten hat. Auf Kritik von Seiten der Kommentarliteratur(GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnr. 124), wonach dieses keine Ausnahmen zulassende Verständnis des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG den seit Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 1914 zu verzeichnenden sozialpolitischen Veränderungen nicht angemessen Rechnung trage, hat das Bundesverwaltungsgericht seine am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt. Es hat dies damit begründet, dass der Gesetzgeber das Staatsangehörigkeitsrecht - u.a. auch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG - wiederholt geändert, dabei die Einbürgerung für bestimmte Personenkreise mit Wirkung zum 1.1.1991 erleichtert und geregelt habe, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Einbürgerung nicht entgegenstehe. Dies berücksichtigend verbiete es sich, die unverändert gebliebene Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, die in diese neuere Gesetzgebung nicht einbezogen worden sei, teleologisch zu reduzieren.(BVerwG, Beschlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 94/97 -, NVwZ-RR 1997, 738 f., und vom 10.7.1997 - 1 B 141/97 -, NVwZ 1998, 183 f.; Urteil vom 22.6.1999 - 1 C 16/98 -, InfAuslR 1999, 501 ff.) Zu der Frage, wann ein Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen auf Dauer aus eigenen Mitteln ernähren kann, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.1998 - 13 S 2212/96 -, InfAuslR 1998, 509 ff.) überzeugend ausgeführt, dass er zumindest über eigene Einnahmen in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe verfügen muss.

Fallbezogen scheitert ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags am Nichtvorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 4 der Vorschrift, da der Kläger für sich und seine Ehefrau fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII bezieht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dieser Leistungsbezug einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG auch dann entgegensteht, wenn der Kläger den Umstand, der ihn zur Inanspruchnahme dieser Leistungen berechtigt, nicht zu vertreten hat.

Da es im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG nicht darauf ankommt, ob der Einbürgerungsbewerber seine Bedürftigkeit zu vertreten hat, ist aus Rechtsgründen kein Raum für die von dem Kläger reklamierte entsprechende Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 - 5 C 22/08 -, NVwZ 2009, 843 ff.) entwickelten Grundsätze zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich frühere Versäumnisse nicht mehr als wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug darstellen und daher vom Einbürgerungsbewerber nicht mehr im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zu vertreten sind. Dies ist sachgerecht, denn die gesetzlichen Erleichterungen, die diese Vorschrift gewährt, rechtfertigen sich - wie das Bundesverwaltungsgericht in dem klägerseits zitierten Urteil vom 19.2.2009 ausdrücklich hervorgehoben hat - daraus, dass bei zurechenbar unzureichender wirtschaftlicher Integration schon die erforderliche Voraufenthaltszeit eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts oder der für den Einbürgerungsanspruch erforderliche Aufenthaltsstatus gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erreicht werden kann, weil die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) regelmäßig einen gesicherten Lebensunterhalt verlangen. Dies gilt insbesondere auch für die Ersetzung einer - wie im Fall des Klägers - nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen erteilten oder verlängerten befristeten Aufenthaltserlaubnis durch eine Niederlassungserlaubnis, da deren Erteilung nach den §§ 26 Abs. 4 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ebenfalls voraussetzt, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist.

Der Kläger begründet seine Ansicht, im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG dürfe hinsichtlich der Unterhaltsfähigkeit kein strengerer Maßstab als im Rahmen des § 10 StAG angelegt werden, mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010.(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O.) Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Ausführungen, wonach die Anspruchsvoraussetzungen bzw. Ausschlussgründe der §§ 10 und 11 StAG der Sache nach bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG berücksichtigt werden dürfen, ausdrücklich unter dem Vorbehalt stehen, dass sie in § 8 Abs. 1 StAG nicht schon auf der Tatbestandsebene modifiziert sind. Gerade dies ist der Fall, denn die tatbestandlichen Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit sind in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG anders - insbesondere unter Anlegung strengerer Kriterien - geregelt als in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.

Im Übrigen verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, ihm dürften die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zugerechnet werden, dass die diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht entwickelten Kriterien in seinem Fall nicht erfüllt sind. Denn der hiernach maßgebliche Zeitraum von acht Jahren ist noch nicht verstrichen. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass er und seine Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft seit Erreichen des Rentenalters im Juli 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehen, weil er sich seit Erhalt seiner Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nur unzureichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat und daher keinen Anspruch auf eine Altersrente erwerben konnte. Ausweislich der Ausländerakte ist der Kläger seitens der Ausländerbehörde frühzeitig schriftlich darauf hingewiesen worden, dass eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden kann, wenn der Lebensunterhalt der Familie aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist (Schreiben der Ausländerbehörde vom 4.11.1992, Bl. 173 f. der Ausländerakte, und Bescheid vom 5.1.1993 betreffend die Ablehnung der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, Bl. 178 f. der Ausländerakte). Aktenkundig sind indes lediglich drei - von vornherein wenig erfolgversprechende - Versuche, eine Arbeitsstelle zu finden, nämlich seine Bewerbungen 1996 in Berlin bzw. Hamburg und 2005 erneut in Berlin. Die jeweiligen Ausländerbehörden lehnten eine Aufnahme des Klägers in ihren Zuständigkeitsbereich jeweils ab, und zwar wegen Nichtbeibringung der geforderten Einstellungszusicherung (Bl. 219 der Ausländerakte) bzw. weil nach der Höhe des voraussichtlichen Verdienstes nicht auszuschließen war, dass er weiterhin auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein würde (Bl. 230 und 279 der Ausländerakte). Sonstige - insbesondere ortsnahe und insofern erfolgversprechendere - Bemühungen des Klägers um eine Beschäftigung trägt dieser selbst nicht vor. Er gibt lediglich an, sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet zu haben (Bl. 176 der Einbürgerungsakte). Erfolglos gebliebene Bewerbungen behauptet er nicht. Zudem tritt er der Feststellung in dem angefochtenen, die Einbürgerung ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 3.3.2010, es könne nicht von einem unverschuldeten Bezug öffentlicher Mittel ausgegangen werden, im Klage- und Berufungsverfahren nur insoweit entgegen, als er geltend macht, mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien ihm die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zurechenbar. Dies trifft indes gerade nicht zu. Denn der Sachverhalt stellt sich so dar, dass dem Kläger seit Erhalt einer Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 unzureichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle entgegenzuhalten sind. Seit Beendigung dieser langen Zeit mangelnder Anstrengungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst ca. vier Jahre verstrichen, so dass der Kläger aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu seinen Gunsten herleiten kann, dass er für seine jahrelang unzureichenden Bemühungen nicht mehr einzustehen habe.

2. Aus § 8 Abs. 2 StAG leitet sich ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags ebenfalls nicht her.

Nach dieser Vorschrift kann von dem Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG und dem Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmevorschrift, die bezüglich der Nr. 4 am 1.1.2005 und bezüglich der Nr. 2 am 28.9.2007 in Kraft getreten ist, neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt, weil er im Hinblick auf die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG mit ihren speziellen Voraussetzungen auch bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG eine Ausnahmeregelung als erforderlich ansah. Bei den Tatbestandsvoraussetzungen „Gründe des öffentlichen Interesses“ und „Vermeidung einer besonderen Härte“ handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, die inhaltlicher Konkretisierung bedürfen und deren Auslegung und Anwendung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Fallbezogen spricht nichts für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands.

Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 StAG ist für die Auslegung der Vorschrift nicht ergiebig. Sie führt lediglich einen - hier nicht einschlägigen - Beispielsfall einer besonderen Härte an. Hinweise zum Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Gründe des öffentlichen Interesses“ fehlen vollständig.(BT-Drs. 14/7387, S. 107, und 15/420, S. 116)

In der Rechtsprechung ist bisher nur in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Vermeidung einer besonderen Härte geklärt, welche konkreten Anforderungen die gesetzliche Neuregelung an das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls stellt.

Das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 - 5 C 5.11 -) hat vor kurzem entschieden, dass eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden könnte. Es hat damit die bisher zu den Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte ergangene obergerichtliche Rechtsprechung(HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820.08.Z -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009 - 13 S 2428.08 -, jeweils juris), u.a. des Senats(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.6.2010 - 1 A 88/10 -, juris), bestätigt. Dies zugrundelegend kommt fallbezogen ein Einbürgerungsermessen des Beklagten zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht in Betracht. Die Argumentation des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, eine besondere Härte liege darin, dass er wegen seines Alters außer Stande sei, an seinem Angewiesensein auf den Bezug von Sozialleistungen noch etwas zu ändern, geht fehl. Denn diese Situation wird weder durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen noch könnte sie durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Würdigung der Versagung der Einbürgerung als besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG selbst in Fällen, in denen der Betroffene den Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht zu vertreten hat, bereits mehrfach - u.a. in seinem vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Urteil vom 20.3.2012 in Bezug genommenen Beschluss vom 11.6.2009 - eine Absage erteilt.(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.6.2009 - OVG 5 M 30.08 -, und vom 8.2.2010 - OVG 5 M 48.09 -, jeweils juris) Auch dies überzeugt.

Zur Frage, wann die Voraussetzungen des alternativen Tatbestandsmerkmals „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ erfüllt sind, hat sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht dezidiert geäußert. In seinem Urteil vom 20.3.2012 hat es allerdings beanstandet, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des dortigen Einbürgerungsbewerbers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, in tatsächlicher Hinsicht nicht hinterfragt und nicht geprüft habe, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich zu den Anforderungen, die an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu stellen sind, ebenfalls noch nicht festgelegt. In den Entscheidungen, in denen § 8 Abs. 2 StAG Erwähnung findet, heißt es - sofern das Vorliegen eines öffentlichen Interesses angeprüft wird - jeweils ohne nähere Darlegung, ein solches sei nicht erkennbar.(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 21.10.2011 - 1 S 135/11 -, NVwZ-RR 2012, 160 f.) An erstinstanzlichen Entscheidungen finden sich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach(VG Ansbach, Urteil vom 10.9.2008 - AN 15 K 08.00780 -, juris) und mehrere Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes(VG des Saarlandes, Urteile vom 9.2.2010 - 2 K 530/09 -, vom 14.12.2010 - 2 K 445/09 -, vom 22.11.2011 - 2 K 560/10 - und vom 31.1.2012 - 2 K 667/10 -, jeweils juris), u.a. auch das im Verfahren des Klägers ergangene Urteil vom 27.9.2011.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat zu der dortigen Fallgestaltung ausgeführt, Anhaltspunkte für Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn von § 8 Abs. 2 StAG lägen nicht vor, auch wenn die Beachtung einer Staatenlosigkeit wegen der Verpflichtung, die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern, hierzu gezählt werde. Auch spiele die von dem Kläger angeführte, im öffentlichen Interesse liegende einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Integration in die deutschen Verhältnisse keine ausschlaggebende Rolle. Eine klare Aussage dazu, wann Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn des Abs. 2 vorliegen, enthalten diese Ausführungen nicht.

Nach dem in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts des Saarlandes zum Ausdruck kommenden Verständnis der in § 8 Abs. 2 StAG getroffenen Ausnahmeregelung soll das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses voraussetzen, dass der Einbürgerungsbewerber besondere Integrationsleistungen erbracht hat.

In der Kommentarliteratur wird gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Anknüpfungspunkt der Argumentation sind die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - zur Handhabung des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens und die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG, die noch einer (für die Einbürgerungsbehörden) verbindlichen Umsetzung durch Änderung der StAR-VwV bedürfen. Das öffentliche Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei im Zusammenhang zu sehen mit den vom Bundesministerium des Inneren vorgegebenen Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck brächten. Seien die Voraussetzungen einer solchen Einbürgerungserleichterung erfüllt, sei regelmäßig auch ein Abweichen vom Unterhaltserfordernis angezeigt.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 157; Hailbronner/Renner/Maaßen, a.a.O., § 8 Rdnr. 48) Zu eng, jedenfalls nicht abschließend, seien die Vorgaben der Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise. Denn der Gesetzgeber habe - anders als dort gefordert - nicht ein „besonderes“ oder gar „herausragendes“ öffentliches Interesse zur Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung gemacht, sondern ein „schlichtes“ öffentliches Interesse. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 159 f.)

Diese Auslegung erscheint zu weitgehend. Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Abs. 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der StAG-VwV zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist.

In Bezug auf § 8 Abs. 1 StAG verlangt das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteile 27.2.1957 - I C 165.55 -, BVerwGE 4, 298 ff., vom 30.9.1958 - I C 20.58 -, BVerwGE 7, 237 ff., vom 21.10.1986 - 1 C 44.84 -, BVerwGE 75, 86 ff., und vom 27.5.2010, a.a.O., m.w.N.) bisher in ständiger Rechtsprechung von den Einbürgerungsbehörden, bei der Ermessensausübung darauf abzustellen, ob ein staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht. Die Behörde habe zu prüfen, ob die Einbürgerung sowohl nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers als auch nach allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten im staatlichen Interesse erwünscht ist, ohne dass eine Abwägung mit den persönlichen Interessen des Einbürgerungsbewerbers stattfinde. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner zuletzt zur Problematik ergangenen bereits in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.5.2010 offen gelassen, ob es ungeachtet der diesbezüglichen Kritik(Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 50; GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnrn. 178 ff.) daran festhalten wird, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG ohne Abwägung des privaten Interesses des Einbürgerungsbewerbers allein das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung zu berücksichtigen ist. Allerdings spricht im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 StAG - wie noch auszuführen sein wird - alles dafür, Einbürgerungserleichterungen, die den persönlichen Verhältnissen des Einbürgerungsbewerbers Rechnung tragen sollen, nicht als ausreichend zur Begründung eines öffentlichen Interesses zu erachten, sondern ein spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung als unverzichtbar zu fordern.

Die Vorgaben der StAR-VwV, insbesondere die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, die nach Ansicht der Kommentarliteratur ein öffentliches Interesse auch im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck bringen können, sind am 1.2.2001, also lange bevor der Gesetzgeber die Einfügung des heutigen § 8 Abs. 2 StAG beschlossen hat, in Kraft getreten. Nach Nr. 8.0 StAR-VwV kann bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG eine Einbürgerung nach Ermessen der Behörde erfolgen, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang heißt es unter Nr. 8.1.2, dass die Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 allgemeine Grundsätze für die Ermessensausübung enthalten und festlegen, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung anzunehmen ist. Demgemäß sind die unter Nr. 8.1.2 StAR-VwV fixierten allgemeinen Grundsätze für die Ermessensausübung und die unter Nr. 8.1.3 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen für bestimmte Personengruppen vom Bundesministerium des Inneren mit dem Ziel konzipiert worden, den Einbürgerungsbehörden durch Konkretisierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rahmen für eine einheitliche Bewältigung der speziell bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 StAG zu erwartenden Problemstellungen vorzugeben.

Dass jede zu § 8 Abs. 1 StAG anerkannte Einbürgerungserleichterung gleichzeitig ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zum Ausdruck bringt, ist indes nicht anzunehmen.

Das öffentliche Interesse jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße zunächst, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach der StAR-VwV zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber den tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht genügt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Denn die unter Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 erfassten Kriterien für das Vorliegen des im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG von der Rechtsprechung geforderten öffentlichen Interesses tragen durchaus unterschiedlichen Anliegen Rechnung, die teils primär private Belange des Einbürgerungsbewerbers und teils ausschließlich staatliche Belange im Blick haben. Die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen sind von daher nicht in gleicher Weise geeignet, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Abs. 2 Berücksichtigung zu finden. Die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG wären bei dem von der Kommentarliteratur vertretenen Verständnis des in Abs. 2 der Vorschrift verwendeten Begriffs des öffentlichen Interesses ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre.

Speziell mit Blick auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spricht gegen eine begriffliche Identität, dass § 8 Abs. 2 StAG den Einbürgerungsbehörden die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung unabhängig davon einräumt, ob der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit selbst zu vertreten hat. In einer Vielzahl von Fällen, in denen einer positiven Entscheidung nach Abs. 1 das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Anforderungen der Nr. 4 entgegensteht, stünde es auch im Falle rein privatnütziger, besondere persönliche Umstände berücksichtigender Einbürgerungserleichterungen im Ermessen der Einbürgerungsbehörde, ob sie grundsätzlich oder je nach den Umständen des Einzelfalls fordert, dass der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit nicht zu vertreten hat.

Die aufgezeigte Problematik wird anhand des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts deutlich. Ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG ist dem Beklagten mit Blick auf Nr. 4 der Vorschrift nicht eröffnet. Dessen ungeachtet genügt der Kläger allen unter Nr. 8.1.2 i.V.m. Nr. 8.1.3.7 und unter Nrn. 8.1.2.2 bis 8.1.2.6 festgelegten Kriterien, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG den Begriff des öffentlichen Interesses konkretisieren sollen. Denn auch dem Erfordernis ausreichender Sprachkenntnisse wäre mit Blick auf die - seinen persönlichen Belangen Rechnung tragende - Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 Genüge getan, da insoweit bei Personen, die - wie er - das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, ausreicht, wenn sie sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben mündlich in deutscher Sprache verständigen können. Zu Zweifeln, ob der Kläger sich in dieser Weise verständigen kann, besteht angesichts seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass der Senat der Ansicht des Beklagten, bei Anwendung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Vita des Einbürgerungsbewerbers der Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift entgegensteht, nicht zu folgen vermag. Sinn und Zweck dieser aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Verwaltungsvorschrift ist es, den besonderen persönlichen Verhältnissen und dem typischerweise nur noch eingeschränkten Leistungsvermögen älterer Personen im Falle eines langjährigen Inlandsaufenthalts im Rahmen der Ermessensausübung angemessen Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob ihnen der Erwerb weitergehender Sprachkenntnisse in jüngeren Jahren nach ihren persönlichen Fähigkeiten und ihren Lebensverhältnissen zumutbar gewesen wäre.

Die Annahme, dass der Tatbestand des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG mit dem durch die Vorgaben der StAR-VwV zu Abs. 1 der Vorschrift konkretisierten öffentlichen Interesse identisch ist, hätte somit fallbezogen zur Folge, dass der Beklagte den Kläger auf der Grundlage des Abs. 2 wegen Eingreifens der Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV einbürgern könnte, ohne dass er kraft Gesetzes oder auch nur kraft Verwaltungsvorschrift gehalten wäre zu prüfen, ob dieser seine fehlende Unterhaltsfähigkeit zu vertreten hat. Es erscheint fernliegend, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht.

Die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG sprechen - ungeachtet des Umstands, dass sie die Gerichte nicht zu binden vermögen und selbst im Verhältnis zu den Behörden noch einer verbindlichen Umsetzung bedürfen - ebenfalls gegen die von der Kommentarliteratur befürwortete weite Auslegung der Vorschrift. Denn deren Nr. 8.2 verweist gerade nicht auf die Gesamtheit der in Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, deren Vorliegen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG rechtfertigen kann. Vielmehr soll ein Absehen von dem Unbescholtenheitserfordernis bzw. der Unterhaltsfähigkeit nach Nr. 8.2 StAR-VwV z.B. in Betracht kommen, wenn bereits Einbürgerungserleichterungen, einschließlich vorübergehender oder dauerhafter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, bei einem besonderen (Nr. 8.1.3.5 StAR-VwV) oder herausragenden (Nr. 8.1.2.6.3.6 StAR-VwV) öffentlichen Interesse - Verkürzung der Mindestdauer des Inlandsaufenthalts bei Vorliegen eines besonderen Einbürgerungsinteresses oder Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei einem herausragenden öffentlichen Einbürgerungsinteresse - eingeräumt worden sind. In den beispielhaft genannten Anwendungsfällen setzt ein Absehen von der Unterhaltsfähigkeit mithin voraus, dass ein besonderes oder herausragendes Einbürgerungsinteresse besteht. Dazu, ob weitere, gegebenenfalls welche, Fallgestaltungen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG denkbar sind, verhalten sich die Vorläufigen Anwendungshinweise nicht. Allerdings spricht der Umstand, dass die in der StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen nicht allesamt in Bezug genommen werden, eindeutig dafür, dass jedenfalls nach dem Verständnis des Bundesministeriums des Inneren nicht jede zu Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene Einbürgerungserleichterung den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nahe legen soll, sondern vorrangig oder ausschließlich solche, die einem spezifisch staatlichen Interesse zu dienen bestimmt sind.

Allein ein solches Verständnis der Vorschrift erscheint aus Sicht des Senats sachgerecht. Ermessensgesichtspunkte und Einbürgerungserleichterungen, die nach der Rechtsprechung und den insoweit geltenden Verwaltungsvorschriften der StAR-VwV zwar im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG beachtlich und grundsätzlich dort geeignet sind, eine dem Ausländer positive Einbürgerungsentscheidung zu ermöglichen, aber nicht irgendwie gearteten staatlichen Interessen dienen, sondern vorrangig besonderen persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Ausländers angemessen Rechnung tragen sollen, vermögen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nicht zu begründen.

So kann sich beispielsweise daraus, dass im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 StAG und zweifelsfrei ebenso des Absatzes 2 der Vorschrift eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen auf Dauer zugesagt ist, als erforderlicher Aufenthalt ausreichen soll (Nr. 8.1.2.4 StAR-VwV), kein im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG beachtliches öffentliches Interesse an der Einbürgerung ergeben. Gleiches gilt etwa hinsichtlich der die allgemein geltenden Sprachanforderungen einschränkenden Einbürgerungserleichterungen für minderjährige Kinder (Nr. 8.1.3.6 StAR-VwV) und ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV).

Nach allem ist ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab.

Nach Einschätzung des Senats entspricht dies der - wenngleich bisher nicht ausdrücklich formulierten - Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts. Wie ausgeführt, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.3.2012 in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbestandlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nrn. 2 und/oder 4 besteht.

Mithin ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht den Vorschlag der Kommentarliteratur, jedwede anerkannte Einbürgerungserleichterung als geeignet anzusehen, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu begründen, aufgreifen könnte.

Demgemäß füllt allein die dem Kläger zugute kommende Einbürgerungserleichterung für ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV) den Tatbestand eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift nicht aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Anhaltspunkte für das Bestehen eines durch spezifisch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers, also eines Erwünschtseins seiner Einbürgerung aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gesichtspunkte, weder ersichtlich noch dargetan sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten, für ein „Erwünschtsein“ im Sinne eines staatlichen Interesses an seiner Einbürgerung müsse ausreichen, dass er schon über 30 Jahre und damit sehr lange in Deutschland lebe und hier auf Dauer bleibeberechtigt sei. Zudem hätten seine Kinder sich ebenfalls hier niedergelassen, seien zum Teil schon lange eingebürgert und berufstätig, so dass sie als Steuerzahler zum Gemeinwohl beitrügen. Dies reicht - so erfreulich die Entwicklung der Kinder sicherlich ist - mit Blick auf den hier allein interessierenden Kläger zur Begründung eines staatlichen Interesses im vorbezeichneten Sinne nicht aus. Dass das Alter und ein langjähriger Aufenthalt im Inland einem Einbürgerungsbewerber im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG einbürgerungserleichternd zugute kommen können, vermag - wie ausgeführt - für sich genommen nicht automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu rechtfertigen, und kann auch im Zusammenspiel mit einer gelungenen Integration der Kinder ein solches Interesse nicht begründen. Denn § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der in der Mehrzahl der Zuwandererfamilien zu beobachtenden Integration der Kinder in die hiesigen Verhältnisse - zusätzlich - positiv abhebt. Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Dem Beklagten ist mithin ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG nicht eröffnet.

Wegen Fehlens diesbezüglicher tatsächlicher Anhaltspunkte und damit mangels Entscheidungsrelevanz bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG auch bei besonderen Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers zu bejahen ist. Angemerkt sei lediglich, dass für eine solche Auslegung der Vorschrift die - wenngleich in anderem Zusammenhang verwendete - Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010 „zur Vermeidung einer Härte oder wegen anderweitiger Integrationsleistungen“(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O., juris-Rdnr. 36 (vgl. auch Rdnr. 39)) sprechen mag.

3. Nach alldem bleibt festzuhalten, dass dem Kläger weder auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 StAG noch des § 8 Abs. 2 StAG ein Anspruch darauf zusteht, dass der Beklagte erneut über sein Einbürgerungsbegehren entscheidet.

Die Berufung gegen das den diesbezüglich gestellten Hilfsantrag des Klägers abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts unterliegt daher der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der am ...1979 im Bundesgebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Am 25.09.1995 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Aufgrund zahlreicher Straftaten wurde der Kläger mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 13.01.2003 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Am 25.06.2004 wurde er in die Türkei abgeschoben. Im Rahmen eines vor dem VGH Baden-Württemberg geschlossenen Vergleichs nahm das Regierungspräsidium Stuttgart die Ausweisung zurück und verpflichtete sich zur Wiedererteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Nach der Einreise in das Bundesgebiet am 02.02.2007 wurde der Kläger zur weiteren Strafverbüßung festgenommen. Er ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Am 10.10.2007 wurde dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis erteilt und seit dem 04.03.2013 ist er im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU. Vom 11.01.2010 bis 17.12.2010 besuchte der Kläger die Meisterschule für Maler und Lackierer.
Der Kläger ist nach einer Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 10.01.2013 im Bundesgebiet wie folgt vorbestraft:
1.Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 31.05.2001: 4 Monate und 2 Wochen Freiheitsstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tatmehrheit mit Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung.
2.Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 21.01.2002: 3 Monate Freiheitsstrafe wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung. Die Strafe wurde für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
3.Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 01.03.2004: 4 Monate Freiheitsstrafe wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tatmehrheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs. Die Strafe wurde für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
4.Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.04.2004: 1 Jahr und 2 Monate Freiheitsstrafe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung. In das Strafmaß wurde die Entscheidung vom 01.03.2004 einbezogen. Durch Beschluss des Landgerichts Tübingen wurde der Strafrest zur Bewährung bis zum 03.01.2010 ausgesetzt. Mit Wirkung vom 30.01.2010 wurde der Strafrest erlassen.
Am 19.06.2015 beantragte der Kläger die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Das Bundesamt für Justiz teilte mit Schreiben vom 03.03.2016 mit, bei weiterer Straffreiheit seien die im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen am 01.05.2020 tilgungsreif.
10 
Mit Bescheid vom 27.05.2016 lehnte das Landratsamt Esslingen den Antrag auf Einbürgerung ab und führte zur Begründung aus, die abgeurteilten Strafen überstiegen die Bagatellgrenzen des § 12a Abs. 1 StAG erheblich. Ein Ermessen nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG sei deshalb nicht eröffnet. Die Verurteilungen blieben bis zur Tilgung im Bundeszentralregister einbürgerungsschädlich. Auch eine Ermessenseinbürgerung sei nicht möglich, da der Kläger die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG nicht erfülle. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG seien ebenfalls nicht gegeben, da weder ein öffentliches Interesse noch eine besondere Härte vorlägen. Der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers und das gemeinsame Kind deutsche Staatsangehörige seien, stelle keine besondere Härte dar.
11 
Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 16.06.2016 Widerspruch ein und brachte zur Begründung vor, seit der Familiengründung habe er außergewöhnliche Integrationsleistungen erbracht, so dass die Versagung der Einbürgerung nicht gerechtfertigt sei. Er sichere die Existenz der deutschen Familienangehörigen und besitze als einziges Familienmitglied keine deutsche Staatsangehörigkeit. Dies stelle eine besondere Härte dar. Die Verurteilungen habe er sich zur Warnung dienen lassen und sein Leben völlig umgestellt. Er habe eine qualifizierte Berufsausbildung zum Fahrzeuglackierer absolviert und im Dezember 2010 den Meisterbrief für das Maler- und Lackierergewerbe erworben. Zwischenzeitlich übe er die Tätigkeit als Kfz-Sachverständiger aus.
12 
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2016 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die gegen den Kläger verhängten Strafen könnten nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben, da sie die Unbeachtlichkeitsschwelle erheblich überschritten. Auch eine Ermessenseinbürgerung komme nicht in Betracht. Ein Absehen von der Straffreiheit im Wege des § 8 Abs. 2 StAG scheide aus. Ein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet und eine gelungene Integration begründeten noch kein öffentliches Interesse i.S.d. § 8 Abs. 2 StAG. Gleiches gelte für den Umstand, dass Angehörige des Klägers die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen. Auch für das Vorliegen einer besonderen Härte sei nichts ersichtlich.
13 
Am 05.09.2016 hat der Kläger Klage erhoben und auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
den Bescheid des Landratsamts Esslingen vom 27.05.2016 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 05.08.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Er verweist im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
19 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Fragen des Gerichts vorgetragen, seit fünf Jahren sei er Inhaber eines eigenständigen Unternehmens. Er handle mit Fahrzeugen und sei Sachverständiger bei Kfz-Schäden. Am 14.04.2004 habe er seine deutsche Ehefrau geheiratet, mit der er nach wie vor zusammenlebe.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

21 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, über seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
22 
Der geltend gemachte Anspruch beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996 - 1 B 82/95 - InfAuslR 1996, 399 und Urt. v. 20.10.2005 - 5 C 8/05 - BVerwGE 124, 268).
23 
Der Kläger erfüllt nicht sämtliche Erteilungsvoraussetzungen nach § 10 StAG. Einem Einbürgerungsanspruch steht § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG entgegen. Diese Bestimmung setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist. Dabei bleiben Verurteilungen zu einer Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist, außer Betracht (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG). Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wurde eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG).
24 
Abgesehen von den in § 12a Abs. 1 StAG aufgeführten Ausnahmen führt jede Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat zu einem materiellen Einbürgerungshindernis. Unerheblich sind die Gründe, die den Straftaten des Einbürgerungsbewerbers zu Grunde liegen. Auch der Umstand, dass es sich bei Straftaten nicht um Fälle schwerer Kriminalität handelt, ist unmaßgeblich. Der Verwertung der im Bundeszentralregister gelisteten Straftaten steht ebenso wenig entgegen, dass diese bereits längere Zeit zurückliegen; denn eine Verurteilung ist zu berücksichtigen, solange noch keine Tilgung im Zentralregister erfolgt ist (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Stand: 09.09.2016, Rn. 12 m.w.N). Die Einbürgerungsbehörde ist an die Tilgungsentscheidung des Bundeszentralregisters gebunden (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, a.a.O., Rn. 27 m.w.N).
25 
Die vom Amtsgericht Nürtingen mit Urteil vom 31.05.2001 und vom Amtsgericht Stuttgart mit Urteil vom 19.04.2004 verhängten Strafen liegen deutlich über der Bagatellgrenze von drei Monaten Freiheitsstrafe.
26 
Die im Bundeszentralregister aufgeführten Freiheitsstrafen können auch nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben. Nach dieser Bestimmung wird, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den Rahmen nach § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG geringfügig übersteigt, im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Der Kläger wurde zu Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als 21 Monaten verurteilt. Dies überschreitet den nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zulässigen Rahmen von drei Monaten um mehr als das Siebenfache. Eine solche Überschreitung ist nicht mehr geringfügig im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. HTK-StAR / § 12a StAG / zu Abs. 1 Satz 3 und 4, Stand: 02.09.2016, Rn. 8 m.w.N.), so dass sie nicht nach Ermessen außer Acht gelassen werden kann.
27 
Der Kläger kann auch nicht im Hinblick auf seine deutsche Ehefrau nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 StAG eingebürgert werden. Er erfüllt nicht - auch unter Berücksichtigung des § 12a Abs. 1 StAG - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Da es sich bei § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG um eine spiegelbildliche Regelung zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG handelt, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
28 
Von dem Erfordernis strafrechtlicher Unbescholtenheit kann der Beklagte nicht nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 StAG absehen. Nach § 8 Abs. 2 StAG kann von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers liegen weder ein öffentliches Interesse noch eine besondere Härte vor, so dass dem Beklagten ein Ermessen nicht eröffnet ist.
29 
Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG liegt nur vor, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abhebendes spezifisches staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Einbürgerungsbewerber trotz mangelnder Unbescholtenheit einzubürgern; erforderlich ist ein Erwünschtsein der Einbürgerung des Einbürgerungsbewerbers aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Gesichtspunkte (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, Stand: 08.02.2017, Rn. 9 m.w.N.).
30 
Ein derartiges öffentliches Interesse ist vorliegend nicht gegeben. Zwar hat sich der im Bundesgebiet geborene Kläger die Abschiebung in die Türkei und die Strafhaft zur Warnung dienen lassen und sein Leben erkennbar neu ausgerichtet. So hat er nach der Eheschließung durchaus beachtliche Integrationsleistungen (erfolgreicher Besuch einer Meisterschule und Gründung eines eigenen Unternehmens) erbracht. Der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet und seine mittlerweile erfolgreiche Integration erfüllen jedoch nicht die Kriterien eines durch spezifische staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O., Rn. 10). Es fehlen politische, wirtschaftliche oder kultureller Gesichtspunkte, die eine Einbürgerung des Klägers als zwingend geboten erscheinen lassen. Die vom Kläger erbrachten Integrationsleistungen sind aufgrund seines gesicherten Aufenthaltsstatus nicht in Gefahr. Besondere Integrationsleistungen können auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer „Belohnung“ ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründen.
31 
Der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers und seine Kinder deutsche Staatsangehörige sind, begründet ebenso wenig ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG. Denn dem Gebot einer erleichterten Einbürgerung zu einem deutschen Ehegatten ist schon durch die Schaffung der Sollvorschrift des § 9 StAG hinreichend Rechnung getragen (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).
32 
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer besonderen Härte.
33 
Die Annahme einer besonderen Härte setzt einen atypischen Sachverhalt voraus, der den Einbürgerungsbewerber in besonderer Weise, d.h. qualifiziert beschwert. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG soll solchen Härten begegnen, die gerade durch die Versagung der Einbürgerung entstehen würden und sich durch eine Einbürgerung vermeiden ließen. Die Härte muss also gerade durch die begehrte Einbürgerung beseitigt oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, Stand: 08.02.2017, Rn. 15 m.w.N.). Zwar ist § 8 Abs. 2 StAG auch dann anwendbar, wenn die Grenzen der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden sind (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 21 m.w.N.). Gleichwohl gelten für ein Absehen vom Erfordernis der Straffreiheit strenge Anforderungen, weil bereits die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG zu Gunsten des Einbürgerungsbewerbers eingreifen; es müssen daher beim Einbürgerungsbewerber besonders beschwerende atypische Umstände vorliegen, die im Einzelfall ein Absehen von strafrechtlichen Verurteilungen rechtfertigen (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 22 m.w.N.). Derart besonders beschwerende atypische Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
34 
Im Hinblick auf das Erfordernis der Straffreiheit kann eine besondere Härte in Betracht gezogen werden, wenn allein die letzte Straftat dazu geführt hat, dass frühere Straftaten nicht getilgt werden können, die letzte Straftat Bagatellcharakter hat und dem Einbürgerungsbewerber ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten ist (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 23 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn die letzte Straftat des Klägers (Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.04.2004) hat die Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 StAG erheblich überschritten.
35 
Der Umstand, dass die Familienangehörigen des Klägers deutsche Staatsangehörige sind, begründet keine besondere Härte. Auch wenn im Hinblick auf die Familieneinheit eine einheitliche staatsangehörigkeitsrechtliche Behandlung der Familie wünschenswert ist, gebietet der grundrechtliche Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht ein Absehen von der tatbestandlichen Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 20 m.w.N.).
36 
Es ist auch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung erhebliche negative Auswirkungen auf die eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers hätte. Der Kläger ist im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU und hat damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Er hat auch mittelfristig eine konkrete Einbürgerungsperspektive, da die im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen bei weiterer Straffreiheit am 01.05.2020 tilgungsreif sind.
37 
Liegen demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 StAG nicht vor, so besteht ein darüber hinausgehender Anspruch auf Einbürgerung unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht. Die Einbürgerungsbehörde ist nicht verpflichtet, allein wegen der Ehe des Einbürgerungsbewerbers mit einem deutschen Staatsangehörigen bei Fehlen der Voraussetzungen des § 9 StAG die Einbürgerung nach § 8 StAG vorzunehmen. Ein Absehen von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG gebietet der Schutz von Ehe und Familie nicht (vgl. HTK-StAR / § 9 StAG / zu Abs. 1, Stand: 13.02.2017, Rn. 5 m.w.N.).
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

21 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, über seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
22 
Der geltend gemachte Anspruch beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996 - 1 B 82/95 - InfAuslR 1996, 399 und Urt. v. 20.10.2005 - 5 C 8/05 - BVerwGE 124, 268).
23 
Der Kläger erfüllt nicht sämtliche Erteilungsvoraussetzungen nach § 10 StAG. Einem Einbürgerungsanspruch steht § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG entgegen. Diese Bestimmung setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist. Dabei bleiben Verurteilungen zu einer Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist, außer Betracht (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG). Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wurde eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG).
24 
Abgesehen von den in § 12a Abs. 1 StAG aufgeführten Ausnahmen führt jede Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat zu einem materiellen Einbürgerungshindernis. Unerheblich sind die Gründe, die den Straftaten des Einbürgerungsbewerbers zu Grunde liegen. Auch der Umstand, dass es sich bei Straftaten nicht um Fälle schwerer Kriminalität handelt, ist unmaßgeblich. Der Verwertung der im Bundeszentralregister gelisteten Straftaten steht ebenso wenig entgegen, dass diese bereits längere Zeit zurückliegen; denn eine Verurteilung ist zu berücksichtigen, solange noch keine Tilgung im Zentralregister erfolgt ist (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Stand: 09.09.2016, Rn. 12 m.w.N). Die Einbürgerungsbehörde ist an die Tilgungsentscheidung des Bundeszentralregisters gebunden (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, a.a.O., Rn. 27 m.w.N).
25 
Die vom Amtsgericht Nürtingen mit Urteil vom 31.05.2001 und vom Amtsgericht Stuttgart mit Urteil vom 19.04.2004 verhängten Strafen liegen deutlich über der Bagatellgrenze von drei Monaten Freiheitsstrafe.
26 
Die im Bundeszentralregister aufgeführten Freiheitsstrafen können auch nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben. Nach dieser Bestimmung wird, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den Rahmen nach § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG geringfügig übersteigt, im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Der Kläger wurde zu Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als 21 Monaten verurteilt. Dies überschreitet den nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zulässigen Rahmen von drei Monaten um mehr als das Siebenfache. Eine solche Überschreitung ist nicht mehr geringfügig im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. HTK-StAR / § 12a StAG / zu Abs. 1 Satz 3 und 4, Stand: 02.09.2016, Rn. 8 m.w.N.), so dass sie nicht nach Ermessen außer Acht gelassen werden kann.
27 
Der Kläger kann auch nicht im Hinblick auf seine deutsche Ehefrau nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 StAG eingebürgert werden. Er erfüllt nicht - auch unter Berücksichtigung des § 12a Abs. 1 StAG - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Da es sich bei § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG um eine spiegelbildliche Regelung zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG handelt, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
28 
Von dem Erfordernis strafrechtlicher Unbescholtenheit kann der Beklagte nicht nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 StAG absehen. Nach § 8 Abs. 2 StAG kann von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers liegen weder ein öffentliches Interesse noch eine besondere Härte vor, so dass dem Beklagten ein Ermessen nicht eröffnet ist.
29 
Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG liegt nur vor, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abhebendes spezifisches staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Einbürgerungsbewerber trotz mangelnder Unbescholtenheit einzubürgern; erforderlich ist ein Erwünschtsein der Einbürgerung des Einbürgerungsbewerbers aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Gesichtspunkte (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, Stand: 08.02.2017, Rn. 9 m.w.N.).
30 
Ein derartiges öffentliches Interesse ist vorliegend nicht gegeben. Zwar hat sich der im Bundesgebiet geborene Kläger die Abschiebung in die Türkei und die Strafhaft zur Warnung dienen lassen und sein Leben erkennbar neu ausgerichtet. So hat er nach der Eheschließung durchaus beachtliche Integrationsleistungen (erfolgreicher Besuch einer Meisterschule und Gründung eines eigenen Unternehmens) erbracht. Der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet und seine mittlerweile erfolgreiche Integration erfüllen jedoch nicht die Kriterien eines durch spezifische staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O., Rn. 10). Es fehlen politische, wirtschaftliche oder kultureller Gesichtspunkte, die eine Einbürgerung des Klägers als zwingend geboten erscheinen lassen. Die vom Kläger erbrachten Integrationsleistungen sind aufgrund seines gesicherten Aufenthaltsstatus nicht in Gefahr. Besondere Integrationsleistungen können auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer „Belohnung“ ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründen.
31 
Der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers und seine Kinder deutsche Staatsangehörige sind, begründet ebenso wenig ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG. Denn dem Gebot einer erleichterten Einbürgerung zu einem deutschen Ehegatten ist schon durch die Schaffung der Sollvorschrift des § 9 StAG hinreichend Rechnung getragen (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).
32 
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer besonderen Härte.
33 
Die Annahme einer besonderen Härte setzt einen atypischen Sachverhalt voraus, der den Einbürgerungsbewerber in besonderer Weise, d.h. qualifiziert beschwert. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG soll solchen Härten begegnen, die gerade durch die Versagung der Einbürgerung entstehen würden und sich durch eine Einbürgerung vermeiden ließen. Die Härte muss also gerade durch die begehrte Einbürgerung beseitigt oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, Stand: 08.02.2017, Rn. 15 m.w.N.). Zwar ist § 8 Abs. 2 StAG auch dann anwendbar, wenn die Grenzen der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden sind (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 21 m.w.N.). Gleichwohl gelten für ein Absehen vom Erfordernis der Straffreiheit strenge Anforderungen, weil bereits die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG zu Gunsten des Einbürgerungsbewerbers eingreifen; es müssen daher beim Einbürgerungsbewerber besonders beschwerende atypische Umstände vorliegen, die im Einzelfall ein Absehen von strafrechtlichen Verurteilungen rechtfertigen (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 22 m.w.N.). Derart besonders beschwerende atypische Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
34 
Im Hinblick auf das Erfordernis der Straffreiheit kann eine besondere Härte in Betracht gezogen werden, wenn allein die letzte Straftat dazu geführt hat, dass frühere Straftaten nicht getilgt werden können, die letzte Straftat Bagatellcharakter hat und dem Einbürgerungsbewerber ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten ist (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 23 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn die letzte Straftat des Klägers (Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.04.2004) hat die Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 StAG erheblich überschritten.
35 
Der Umstand, dass die Familienangehörigen des Klägers deutsche Staatsangehörige sind, begründet keine besondere Härte. Auch wenn im Hinblick auf die Familieneinheit eine einheitliche staatsangehörigkeitsrechtliche Behandlung der Familie wünschenswert ist, gebietet der grundrechtliche Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht ein Absehen von der tatbestandlichen Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 20 m.w.N.).
36 
Es ist auch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung erhebliche negative Auswirkungen auf die eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers hätte. Der Kläger ist im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU und hat damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Er hat auch mittelfristig eine konkrete Einbürgerungsperspektive, da die im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen bei weiterer Straffreiheit am 01.05.2020 tilgungsreif sind.
37 
Liegen demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 StAG nicht vor, so besteht ein darüber hinausgehender Anspruch auf Einbürgerung unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht. Die Einbürgerungsbehörde ist nicht verpflichtet, allein wegen der Ehe des Einbürgerungsbewerbers mit einem deutschen Staatsangehörigen bei Fehlen der Voraussetzungen des § 9 StAG die Einbürgerung nach § 8 StAG vorzunehmen. Ein Absehen von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG gebietet der Schutz von Ehe und Familie nicht (vgl. HTK-StAR / § 9 StAG / zu Abs. 1, Stand: 13.02.2017, Rn. 5 m.w.N.).
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. September 2011 - 2 K 209/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein 1943 geborener libanesischer Staatsangehöriger, der seit 1979 mit Ehefrau und Kindern im Bundesgebiet lebt, begehrt seine Einbürgerung.

Nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens wurde ihm am 27.10.1992 eine befristete Aufenthaltsbefugnis bzw. -erlaubnis aus humanitären Gründen erteilt, deren Geltung von der Ausländerbehörde jeweils verlängert wurde und die ihre Rechtsgrundlage seit dem 1.1.2005 in § 23 Abs. 1 AufenthG findet. Der Kläger war vom 12.4. bis zum 30.9.1980 - damals ohne Arbeitserlaubnis - und vom 31.8. bis zum 22.12.1982 erwerbstätig. Seit dem 22.10.1991 verfügte er bis zum Eintritt in das Rentenalter durchgehend über eine Arbeitserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit jeder Art.

Ein Antrag vom 31.8.1992 auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis wurde durch Bescheid der Ausländerbehörde vom 5.1.1993 unter Hinweis auf das gesetzlich vorgegebene Erfordernis, dass der Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert sein müsse, abgelehnt. In den Folgejahren sind drei Versuche, eine Arbeitsstelle anzutreten, aktenkundig geworden. Eine 1996 initiierte Beschäftigung in Berlin scheiterte daran, dass der Kläger die von der Ausländerbehörde Berlin insoweit geforderte Einstellungszusicherung des künftigen Arbeitgebers nicht beibrachte. Ein weiterer Versuch, 1996 zwecks Arbeitsaufnahme nach Hamburg umzuziehen, schlug fehl, weil die dortige Ausländerbehörde davon ausging, dass der Bezug weiterer Sozialhilfe nicht auszuschließen sei und den Umzug daher ablehnte. Aus den gleichen Gründen wurde 2005 ein erneuter Antrag, zwecks Aufnahme einer Beschäftigung nach Berlin umzusiedeln, von der dortigen Ausländerbehörde abgelehnt.

Am 6.3.2003 beantragte der Kläger seine Einbürgerung.

Er nahm am 17.4.2004 an einem Deutschkurs teil, den er nicht bestand, da er bei einer Bestehensgrenze von 61 Punkten lediglich 26 Punkte erreichte.

Unter Hinweis hierauf und die Tatsache, dass der Kläger den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen bestreiten konnte, wobei er letzteres nach den Auskünften der Arbeits- und Sozialverwaltung mangels ausreichender Bemühungen um eine Arbeitsstelle zu vertreten habe, teilte der Beklagte dem Kläger mit Anhörungsschreiben vom 27.6.2006 mit, dass eine positive Bescheidung seines Einbürgerungsantrags nicht in Betracht komme.

Mit Schreiben vom 17.7.2006 bekundete der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass dieser stets in der Lage sei, auch umfangreiche, schwierige Sachverhalte sowie deren rechtliche Bewertung in einem deutsch geführten Gespräch zu verstehen und richtig zu bewerten. Zudem dürften sich seine Sprachkenntnisse seit dem Sprachtest 2004 weiter verbessert haben. Die Inanspruchnahme von Sozialleistungen habe der Kläger nicht zu vertreten. Er habe sich bereits kurz nach seinem Eintreffen in Deutschland eigenständig um Arbeit bemüht, damals aber keine Arbeitserlaubnis erhalten. 2005 sei eine Arbeitsaufnahme in Berlin an der Verweigerung der Zustimmung der Ausländerbehörde Berlin gescheitert. Er habe keinen Beruf gelernt und sei 63 Jahre alt, weswegen es so gut wie ausgeschlossen sei, dass er noch eine Stelle finden werde. Von mutwilliger Nichtarbeit könne keine Rede sein. Im Übrigen sei im Rahmen der Ermessensentscheidung die Dauer seines Aufenthalts und die Tatsache zu berücksichtigen, dass sechs seiner sieben Kinder in Deutschland leben und größtenteils längst eingebürgert seien. Die Beziehungen zu seinem Heimatland seien - mit Ausnahme weniger Besuche - abgerissen. Er beabsichtige, seinen Lebensabend in Deutschland zu verbringen.

In der Folge absolvierte der Kläger auf Vorschlag des Beklagten einen Integrationskurs Deutsch und nahm am 7.11.2008 erneut an einem Deutschtest teil, bei dem er bei einer Bestehensgrenze von 61 Punkten 56 Punkte erreichte.

Bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nahm der Kläger keine Erwerbstätigkeit mehr auf und lebte mit seiner Familie von Sozialleistungen. Seit Erreichen des Rentenalters bezieht er mangels Anspruchs auf eine Altersrente Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch.

Auf erneute Anhörungsschreiben des Beklagten vom 8.12.2008 und vom 26.6.2009 machte der Kläger ergänzend geltend, sich seit vielen Jahren in die hiesigen Lebensverhältnisse eingefügt zu haben. Er habe auch nicht lediglich auf Veranlassung des Sozialamtes beim Arbeitsamt vorgesprochen, sondern sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet. Das Nichtbestehen der Sprachtests erkläre sich nicht aus mangelnden Sprachkenntnissen, sondern fehlender Vorbildung, die er altersbedingt nicht mehr ausgleichen könne.

Am 14.7.2009 beantragte der Kläger bei der Ausländerbehörde die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Der Antrag wurde durch Bescheid vom 19.11.2009 mangels dauerhafter Sicherung des Lebensunterhalts aus eigenen Mitteln abgelehnt. Der den diesbezüglich eingelegten Widerspruch zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 19.2.2010 ist in Bestandskraft erwachsen.

In einer beklagtenseits erbetenen Stellungnahme des Landesverwaltungsamtes vom 29.10.2009 heißt es, die 1980 seitens des Klägers begehrte Arbeitserlaubnis für eine Hilfsarbeitertätigkeit sei damals aus arbeitsmarktpolitischen Gründen abgelehnt worden. Am 31.8.1982 sei dem Kläger eine bis 22.12.1982 befristete Arbeitserlaubnis für eine Aushilfstätigkeit mit geringfügiger Beschäftigung erteilt worden. Einem Aktenvermerk vom 18.11.1996 zufolge wäre nach Auskunft der Ausländerbehörde Berlin eine Arbeitsaufnahme in Berlin möglich gewesen, wenn der Kläger eine Einstellungszusicherung vorgelegt und ein entsprechendes Einkommen nachgewiesen hätte. Dies sei nicht geschehen. Hinsichtlich des stattdessen am 12.12.1996 vorgelegten Arbeitsvertrags betreffend eine Beschäftigung in Hamburg sei ein Umzug von der dortigen Ausländerbehörde wegen der nicht auszuschließenden Möglichkeit weiterer Sozialhilfebedürftigkeit abgelehnt worden. Aus dem gleichen Grund habe die Ausländerbehörde Berlin einem Umzug zwecks Arbeitsaufnahme im Jahr 2005 nicht zugestimmt.

Mit Schreiben vom 26.11.2009 unterrichtete der Beklagte den Kläger über den Inhalt der Auskunft des Landesverwaltungsamtes. Der Kläger hielt dem entgegen, der Umstand, dass sich lediglich zwei Arbeitsverträge in den Akten befänden, könne nicht belegen, dass ansonsten keine Erwerbsbemühungen seinerseits stattgefunden hätten.

Durch Bescheid vom 3.3.2010, der am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, lehnte der Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab. Ein Anspruch auf Einbürgerung scheitere am Fehlen ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache. Da der Kläger mit 36 Jahren eingereist sei, habe er in jungen Jahren Zeit genug gehabt, die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben, so dass er sich nicht auf altersbedingte Defizite berufen könne. Daneben fehle es an den wirtschaftlichen Voraussetzungen, da der Kläger den Bezug öffentlicher Mittel mangels hinreichender Eigenbemühungen zu vertreten habe. Hindernisse infolge der ausländerrechtlichen Situation hätten jedenfalls seit dem 22.10.1991 nicht bestanden, weil der Kläger seitdem durchgehend - zunächst befristet und seit dem 22.7.2001 unbefristet - über eine Arbeitserlaubnis für eine berufliche Tätigkeit jeder Art verfügt habe. Die Versuche, zwecks Arbeitsaufnahme nach Berlin beziehungsweise Hamburg umzusiedeln, seien - bedingt durch den fehlenden Nachweis eines ausreichenden Verdienstes - gescheitert. Eine Einbürgerung im Ermessensweg sei ausgeschlossen, weil der nach den Nrn. 8.1.2.1.1 und 8.1.2.1.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise erforderliche Nachweis der Sprachkenntnisse nicht erbracht sei und es zudem an der Unterhaltsfähigkeit fehle. Auch liege seine Einbürgerung weder im öffentlichen Interesse, noch stelle ihre Versagung eine besondere Härte für den Kläger dar.

Mit seiner durch seine nunmehrige Prozessbevollmächtigte am 12.3.2010 erhobenen Klage hat der Kläger sein Einbürgerungsbegehren unter Hinweis auf Nr. 8.1.3.7 der Vorläufigen Anwendungshinweise weiterverfolgt. Hiernach sei den Anforderungen an die Sprachkenntnisse ausnahmsweise Genüge getan, wenn Personen, die das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben in deutscher Sprache mündlich verständigen können. Dies habe der Beklagte bei der nach § 8 StAG zu treffenden Ermessensentscheidung nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Voraussetzungen gelte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Vertretenmüssen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG einen gewissen Gegenwartsbezug voraussetze. Hiernach dürften aktuell nicht rückgängig zu machende Fernwirkungen vergangenen zurechenbaren Verhaltens einem Einbürgerungsbewerber nicht ohne jede zeitliche Grenze entgegengehalten werden.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, ihn einzubürgern,

hilfsweise,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seine Ansicht bekräftigt, wonach einer Anspruchseinbürgerung die unzureichenden Sprachkenntnisse entgegenstünden und eine Ermessenseinbürgerung wegen des Leistungsbezugs des Klägers ausgeschlossen sei. Im Rahmen des § 8 StAG sei die Frage des Vertretenmüssens ohne Relevanz. Eine besondere Härte oder ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG liege offensichtlich nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27.09.2011.ergangenes Urteil, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 17.10.2011, abgewiesen. Eine Einbürgerung nach § 10 StAG scheide aus, da der Kläger keinen für die Einbürgerung geeigneten Aufenthaltstitel inne habe. Der Kläger verfüge nicht über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, sondern nur über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, die nach den ausdrücklichen und durch Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckten Vorgaben des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG zur Begründung eines Einbürgerungsanspruchs nicht ausreiche. Der auf Einbürgerung unter Ermessensgesichtspunkten nach Maßgabe des § 8 StAG gerichtete Hilfsantrag müsse ebenfalls ohne Erfolg bleiben. Insoweit sei entscheidend, dass der Kläger die in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG formulierten Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit nicht erfülle und die Voraussetzungen, unter denen nach § 8 Abs. 2 StAG eine Ausnahme von diesem Erfordernis möglich sei, nach den konkreten Umständen nicht vorlägen. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG stehe der Leistungsbezug einer positiven Ermessensentscheidung auch dann entgegen, wenn dieser im Einzelfall nicht zu vertreten sei. Auf die klägerseits in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenwartsbezug des Vertretenmüssens komme es daher nicht an. Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG sei nicht ersichtlich, da der Kläger keine besonderen Integrationsleistungen erbracht habe. Dass er geltend mache, sich in das soziale Leben der Bundesrepublik Deutschland eingegliedert zu haben und sich im Alltagsleben ohne Probleme in deutscher Sprache verständigen zu können, entspreche nur dem Mindeststandard und belege keine besondere Integrationsleistung. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür aktenkundig, dass der Kläger einen maßgeblichen Beitrag zur Ermöglichung der Einbürgerung seiner Kinder geleistet habe. Ebenso wenig sei die Annahme einer besonderen Härte gerechtfertigt. Zwar gehöre der Kläger als „ältere Person mit langem Inlandsaufenthalt“ zu dem in Nr. 8.2 letzter Satz der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren besonders erwähnten Personenkreis, bei dem Gesichtspunkte der Vermeidung einer besonderen Härte grundsätzlich in Betracht kämen. Allerdings sei nicht erkennbar, inwieweit sich seine persönliche Situation durch eine Einbürgerung verbessern würde. Eben sowenig sei dargelegt, dass ihm ein weiteres Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Ihm werde auch ohne die begehrte Einbürgerung nicht verwehrt, seinen Lebensabend in Deutschland zu verbringen.

Auf den am 26.10.2011 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenen Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen den den Hilfsantrag abweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils hat der Senat die Berufung beschränkt auf die Abweisung des Hilfsantrags durch Beschluss vom 2.2.2012, der Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 8.2.2012, unter gleichzeitiger Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das zweitinstanzliche Verfahren zugelassen.

Zur Begründung seiner Berufung bekräftigt der Kläger in seinem am 29.2.2012 eingegangenen Schriftsatz seine Argumentation, wonach die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG nicht zwingend ausschließe. Es bedürfe im Rahmen der Ermessenserwägungen einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Gegenwartsbezug des Vertretenmüssens. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass das Ermessen bei Prüfung der Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung nicht derart ausgeübt werden solle, dass der Maßstab ein strengerer sei als bei der Anspruchseinbürgerung. Hiernach sei im Rahmen des § 8 StAG nach Maßgabe der konkreten Umstände eine Absenkung der Sprachanforderungen bis hin zum vollständigen Verzicht auf Kenntnisse der Schriftsprache gestattet. Zudem sei Nr. 8.1.1.4 der Vorläufigen Anwendungshinweise in den Blick zu nehmen, wo auf die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG verwiesen werde. Hiernach sei der Einbürgerungsbehörde ein Ermessen eröffnet, das öffentliche Interesse zu werten und in Beziehung zu dem Versagungsinteresse wegen fehlender Unterhaltsfähigkeit zu setzen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27.9.2011 zu verpflichten, seinen Bescheid vom 3.3.2010 aufzuheben und über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, von dem einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG entgegenstehenden Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit könne nicht gem. § 8 Abs. 2 StAG abgesehen werden, denn es fehle - wie das Verwaltungsgericht ausgeführt habe - an einer besonderen Härte und ebenso am Bestehen eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift. In letzterem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Ausnahmevorschrift insbesondere die Einbürgerung staatsangehörigkeitsrechtlich besonders Schutzbedürftiger im Blick gehabt habe. Soweit daneben auch andere Gruppen - wie lebensältere Personen mit langem Inlandsaufenthalt - privilegiert sein könnten, sei zu beachten, dass die diesbezüglichen Vorgaben der Anwendungshinweise „60 Jahre“ und „12-jähriger Aufenthalt“ nur Ausdruck einer Regelvermutung der faktlichen Integration dieser Personen seien, die aber im Einzelfall durch die Persönlichkeit und Vita des Betroffenen widerlegt sein könne. Fallbezogen widerlege die gesamte Vita des Klägers auch bei Außerachtlassung des Leistungsbezugs dessen faktische Integration, so dass ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG tatbestandlich nicht bestehe. Dies spiegele sich auch in dem ungewöhnlichen Umstand wider, dass der Kläger trotz seines 30-jährigen Aufenthalts in Deutschland noch immer keinen verfestigten (Dauer-)Aufenthaltstitel habe. Fordere man - wie das Verwaltungsgericht - für die Feststellung eines öffentlichen Interesses zudem besondere Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers, so scheide die Annahme eines öffentlichen Interesses im Falle des Klägers erst recht aus. Selbst wenn man die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG noch bejahen und damit den Weg zu einer Ausübung des Ermessens unter umfassender Würdigung der für und gegen den Kläger bzw. dessen Integration sprechenden Umstände eröffnen würde, könne dies im Ergebnis nicht zu einer dem Kläger günstigen Entscheidung führen. Zugunsten des Klägers sei zu berücksichtigen, dass er bereits seit über 30 Jahren in Deutschland lebe und zwischenzeitlich „lebensälter“ sei, was Änderungen seines Integrationsstandes und seiner wirtschaftlichen Verhältnisse erschwere bzw. ausschließe. Außerdem könne er sich zumindest auf einfache Art verständigen. Gegebenenfalls könne für die Integration eines Einbürgerungsbewerbers auch eine positive und durchgängige Integration seiner gesamten Familie sprechen, die jedoch hinsichtlich der Familie des Klägers nach Aktenlage gerade nicht festzustellen sei. Gegen seine Integration sprächen seine (allenfalls) „alltagstauglichen Deutschkenntnisse“. Er erfülle noch nicht einmal das nach altem Recht zu fordernde Sprachniveau A 2, wobei nicht erkennbar sei, warum er, der bereits mit Mitte dreißig nach Deutschland gekommen sei, nicht erfolgreich Deutsch gelernt habe. Seit 1996 habe er freien Zugang zum Arbeitsmarkt gehabt. Dass er dennoch keine Erwerbsmöglichkeit gefunden habe, erkläre sich nicht allein aus seiner mangelnden beruflichen Vorbildung. Er habe wegen seiner unterbliebenen bzw. nur geringfügigen Erwerbstätigkeit hinreichende zeitliche Möglichkeiten gehabt, seine Deutschkenntnisse und damit auch seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Da Sprachkenntnisse ein wesentlicher Faktor für eine wirtschaftliche Integration seien, seien ihm seine fehlenden Spracherwerbsbemühungen vorzuhalten. In Folge der früheren Versäumnisse sei er nun zeitlebens auf öffentliche Leistungen angewiesen. Anders als im Rahmen eines Einbürgerungsanspruchs nach § 10 StAG, der gerade einer gelungenen Integration entspringe, sei der Zeitfaktor im Rahmen der Ermessensausübung durchaus berücksichtigungsfähig. Insoweit könne nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG zurückgegriffen werden. Eine Beschränkung des Betrachtungszeitraums auf acht Jahre würde in diesem Zusammenhang stets dazu führen, dass bei „älteren Personen“ auf die Mindestvoraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG irgendwann generell zu verzichten wäre, was über die Zielsetzung des § 8 Abs. 2 StAG, eine umfassende Ermessensausübung zu eröffnen, hinausgehen würde. Fallbezogen seien die wirtschaftliche Situation und Erwerbsbiographie auch der Grund, weswegen der Kläger überhaupt „nur“ einen „schwachen“ Aufenthaltstitel nach § 23 Abs. 1 AufenthG besitze, weswegen eine Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG ausgeschlossen sei. Eine Gewichtung der zeitlichen Komponente des Vertretenmüssens des Leistungsbezugs im Rahmen des § 8 StAG sei indes nach allem Gesagten nicht geboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten (2 Hefte, 1 Ordner), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, muss aber in der Sache ohne Erfolg bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage hinsichtlich des Hilfsantrags, den allein der Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen. Ihm ist zudem darin zuzustimmen, dass dem Kläger mit Blick auf das Fehlen eines insoweit geeigneten Aufenthaltstitels kein aus § 10 StAG herleitbarer Anspruch auf Einbürgerung zusteht. Dies hat der Kläger ausweislich der Beschränkung seines Berufungsbegehrens akzeptiert. Sein im Berufungsverfahren weiter verfolgter Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsantrag in Anwendung des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 StAG erneut nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist unbegründet.

1. Ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch auf Neubescheidung setzt zunächst voraus, dass die durch die Vorschrift vorgegebenen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist dies zu bejahen, so steht die Einbürgerung im grundsätzlich weiten Ermessen des Beklagten als zuständiger Einbürgerungsbehörde.(Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, Stand 25. Erg.lfg. August 2011, § 8 Rdnr. 170 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27.5.2010 - 5 C 8/09 -, NVwZ 2010, 1502 ff.)

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 1 StAG ist geklärt, dass der Einbürgerungsbehörde ein Einbürgerungsermessen nach dieser Vorschrift nur eingeräumt ist, wenn neben den sonstigen in der Vorschrift aufgeführten und vorliegend außer Streit stehenden Voraussetzungen das auf den Nachweis der wirtschaftlichen Integration zielende Tatbestandsmerkmal der Nr. 4 erfüllt ist.(BVerwG, Urteil vom 27.2.1958 - I C 99.56 -, BVerwGE 6, 207 ff.) Hiernach muss der Ausländer im Stande sein, sich und seine Angehörigen aus eigener Kraft zu ernähren. Ist dies nicht der Fall, weil der Ausländer auf den Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen angewiesen ist, spielt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der obergerichtlichen Rechtsprechung(OVG Berlin, Beschluss vom 9.10.1995 - 5 M 25.95 -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.3.1996 - 13 S 1908/95 -, jeweils juris) zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG keine Rolle, ob der Ausländer seine Bedürftigkeit zu vertreten hat. Auf Kritik von Seiten der Kommentarliteratur(GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnr. 124), wonach dieses keine Ausnahmen zulassende Verständnis des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG den seit Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 1914 zu verzeichnenden sozialpolitischen Veränderungen nicht angemessen Rechnung trage, hat das Bundesverwaltungsgericht seine am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt. Es hat dies damit begründet, dass der Gesetzgeber das Staatsangehörigkeitsrecht - u.a. auch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG - wiederholt geändert, dabei die Einbürgerung für bestimmte Personenkreise mit Wirkung zum 1.1.1991 erleichtert und geregelt habe, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Einbürgerung nicht entgegenstehe. Dies berücksichtigend verbiete es sich, die unverändert gebliebene Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, die in diese neuere Gesetzgebung nicht einbezogen worden sei, teleologisch zu reduzieren.(BVerwG, Beschlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 94/97 -, NVwZ-RR 1997, 738 f., und vom 10.7.1997 - 1 B 141/97 -, NVwZ 1998, 183 f.; Urteil vom 22.6.1999 - 1 C 16/98 -, InfAuslR 1999, 501 ff.) Zu der Frage, wann ein Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen auf Dauer aus eigenen Mitteln ernähren kann, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.1998 - 13 S 2212/96 -, InfAuslR 1998, 509 ff.) überzeugend ausgeführt, dass er zumindest über eigene Einnahmen in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe verfügen muss.

Fallbezogen scheitert ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags am Nichtvorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 4 der Vorschrift, da der Kläger für sich und seine Ehefrau fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII bezieht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dieser Leistungsbezug einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG auch dann entgegensteht, wenn der Kläger den Umstand, der ihn zur Inanspruchnahme dieser Leistungen berechtigt, nicht zu vertreten hat.

Da es im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG nicht darauf ankommt, ob der Einbürgerungsbewerber seine Bedürftigkeit zu vertreten hat, ist aus Rechtsgründen kein Raum für die von dem Kläger reklamierte entsprechende Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 - 5 C 22/08 -, NVwZ 2009, 843 ff.) entwickelten Grundsätze zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich frühere Versäumnisse nicht mehr als wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug darstellen und daher vom Einbürgerungsbewerber nicht mehr im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zu vertreten sind. Dies ist sachgerecht, denn die gesetzlichen Erleichterungen, die diese Vorschrift gewährt, rechtfertigen sich - wie das Bundesverwaltungsgericht in dem klägerseits zitierten Urteil vom 19.2.2009 ausdrücklich hervorgehoben hat - daraus, dass bei zurechenbar unzureichender wirtschaftlicher Integration schon die erforderliche Voraufenthaltszeit eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts oder der für den Einbürgerungsanspruch erforderliche Aufenthaltsstatus gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erreicht werden kann, weil die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) regelmäßig einen gesicherten Lebensunterhalt verlangen. Dies gilt insbesondere auch für die Ersetzung einer - wie im Fall des Klägers - nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen erteilten oder verlängerten befristeten Aufenthaltserlaubnis durch eine Niederlassungserlaubnis, da deren Erteilung nach den §§ 26 Abs. 4 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ebenfalls voraussetzt, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist.

Der Kläger begründet seine Ansicht, im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG dürfe hinsichtlich der Unterhaltsfähigkeit kein strengerer Maßstab als im Rahmen des § 10 StAG angelegt werden, mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010.(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O.) Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Ausführungen, wonach die Anspruchsvoraussetzungen bzw. Ausschlussgründe der §§ 10 und 11 StAG der Sache nach bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG berücksichtigt werden dürfen, ausdrücklich unter dem Vorbehalt stehen, dass sie in § 8 Abs. 1 StAG nicht schon auf der Tatbestandsebene modifiziert sind. Gerade dies ist der Fall, denn die tatbestandlichen Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit sind in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG anders - insbesondere unter Anlegung strengerer Kriterien - geregelt als in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.

Im Übrigen verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, ihm dürften die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zugerechnet werden, dass die diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht entwickelten Kriterien in seinem Fall nicht erfüllt sind. Denn der hiernach maßgebliche Zeitraum von acht Jahren ist noch nicht verstrichen. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass er und seine Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft seit Erreichen des Rentenalters im Juli 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehen, weil er sich seit Erhalt seiner Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nur unzureichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat und daher keinen Anspruch auf eine Altersrente erwerben konnte. Ausweislich der Ausländerakte ist der Kläger seitens der Ausländerbehörde frühzeitig schriftlich darauf hingewiesen worden, dass eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden kann, wenn der Lebensunterhalt der Familie aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist (Schreiben der Ausländerbehörde vom 4.11.1992, Bl. 173 f. der Ausländerakte, und Bescheid vom 5.1.1993 betreffend die Ablehnung der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, Bl. 178 f. der Ausländerakte). Aktenkundig sind indes lediglich drei - von vornherein wenig erfolgversprechende - Versuche, eine Arbeitsstelle zu finden, nämlich seine Bewerbungen 1996 in Berlin bzw. Hamburg und 2005 erneut in Berlin. Die jeweiligen Ausländerbehörden lehnten eine Aufnahme des Klägers in ihren Zuständigkeitsbereich jeweils ab, und zwar wegen Nichtbeibringung der geforderten Einstellungszusicherung (Bl. 219 der Ausländerakte) bzw. weil nach der Höhe des voraussichtlichen Verdienstes nicht auszuschließen war, dass er weiterhin auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein würde (Bl. 230 und 279 der Ausländerakte). Sonstige - insbesondere ortsnahe und insofern erfolgversprechendere - Bemühungen des Klägers um eine Beschäftigung trägt dieser selbst nicht vor. Er gibt lediglich an, sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet zu haben (Bl. 176 der Einbürgerungsakte). Erfolglos gebliebene Bewerbungen behauptet er nicht. Zudem tritt er der Feststellung in dem angefochtenen, die Einbürgerung ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 3.3.2010, es könne nicht von einem unverschuldeten Bezug öffentlicher Mittel ausgegangen werden, im Klage- und Berufungsverfahren nur insoweit entgegen, als er geltend macht, mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien ihm die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zurechenbar. Dies trifft indes gerade nicht zu. Denn der Sachverhalt stellt sich so dar, dass dem Kläger seit Erhalt einer Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 unzureichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle entgegenzuhalten sind. Seit Beendigung dieser langen Zeit mangelnder Anstrengungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst ca. vier Jahre verstrichen, so dass der Kläger aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu seinen Gunsten herleiten kann, dass er für seine jahrelang unzureichenden Bemühungen nicht mehr einzustehen habe.

2. Aus § 8 Abs. 2 StAG leitet sich ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags ebenfalls nicht her.

Nach dieser Vorschrift kann von dem Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG und dem Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmevorschrift, die bezüglich der Nr. 4 am 1.1.2005 und bezüglich der Nr. 2 am 28.9.2007 in Kraft getreten ist, neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt, weil er im Hinblick auf die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG mit ihren speziellen Voraussetzungen auch bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG eine Ausnahmeregelung als erforderlich ansah. Bei den Tatbestandsvoraussetzungen „Gründe des öffentlichen Interesses“ und „Vermeidung einer besonderen Härte“ handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, die inhaltlicher Konkretisierung bedürfen und deren Auslegung und Anwendung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Fallbezogen spricht nichts für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands.

Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 StAG ist für die Auslegung der Vorschrift nicht ergiebig. Sie führt lediglich einen - hier nicht einschlägigen - Beispielsfall einer besonderen Härte an. Hinweise zum Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Gründe des öffentlichen Interesses“ fehlen vollständig.(BT-Drs. 14/7387, S. 107, und 15/420, S. 116)

In der Rechtsprechung ist bisher nur in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Vermeidung einer besonderen Härte geklärt, welche konkreten Anforderungen die gesetzliche Neuregelung an das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls stellt.

Das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 - 5 C 5.11 -) hat vor kurzem entschieden, dass eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden könnte. Es hat damit die bisher zu den Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte ergangene obergerichtliche Rechtsprechung(HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820.08.Z -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009 - 13 S 2428.08 -, jeweils juris), u.a. des Senats(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.6.2010 - 1 A 88/10 -, juris), bestätigt. Dies zugrundelegend kommt fallbezogen ein Einbürgerungsermessen des Beklagten zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht in Betracht. Die Argumentation des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, eine besondere Härte liege darin, dass er wegen seines Alters außer Stande sei, an seinem Angewiesensein auf den Bezug von Sozialleistungen noch etwas zu ändern, geht fehl. Denn diese Situation wird weder durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen noch könnte sie durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Würdigung der Versagung der Einbürgerung als besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG selbst in Fällen, in denen der Betroffene den Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht zu vertreten hat, bereits mehrfach - u.a. in seinem vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Urteil vom 20.3.2012 in Bezug genommenen Beschluss vom 11.6.2009 - eine Absage erteilt.(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.6.2009 - OVG 5 M 30.08 -, und vom 8.2.2010 - OVG 5 M 48.09 -, jeweils juris) Auch dies überzeugt.

Zur Frage, wann die Voraussetzungen des alternativen Tatbestandsmerkmals „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ erfüllt sind, hat sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht dezidiert geäußert. In seinem Urteil vom 20.3.2012 hat es allerdings beanstandet, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des dortigen Einbürgerungsbewerbers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, in tatsächlicher Hinsicht nicht hinterfragt und nicht geprüft habe, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich zu den Anforderungen, die an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu stellen sind, ebenfalls noch nicht festgelegt. In den Entscheidungen, in denen § 8 Abs. 2 StAG Erwähnung findet, heißt es - sofern das Vorliegen eines öffentlichen Interesses angeprüft wird - jeweils ohne nähere Darlegung, ein solches sei nicht erkennbar.(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 21.10.2011 - 1 S 135/11 -, NVwZ-RR 2012, 160 f.) An erstinstanzlichen Entscheidungen finden sich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach(VG Ansbach, Urteil vom 10.9.2008 - AN 15 K 08.00780 -, juris) und mehrere Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes(VG des Saarlandes, Urteile vom 9.2.2010 - 2 K 530/09 -, vom 14.12.2010 - 2 K 445/09 -, vom 22.11.2011 - 2 K 560/10 - und vom 31.1.2012 - 2 K 667/10 -, jeweils juris), u.a. auch das im Verfahren des Klägers ergangene Urteil vom 27.9.2011.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat zu der dortigen Fallgestaltung ausgeführt, Anhaltspunkte für Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn von § 8 Abs. 2 StAG lägen nicht vor, auch wenn die Beachtung einer Staatenlosigkeit wegen der Verpflichtung, die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern, hierzu gezählt werde. Auch spiele die von dem Kläger angeführte, im öffentlichen Interesse liegende einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Integration in die deutschen Verhältnisse keine ausschlaggebende Rolle. Eine klare Aussage dazu, wann Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn des Abs. 2 vorliegen, enthalten diese Ausführungen nicht.

Nach dem in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts des Saarlandes zum Ausdruck kommenden Verständnis der in § 8 Abs. 2 StAG getroffenen Ausnahmeregelung soll das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses voraussetzen, dass der Einbürgerungsbewerber besondere Integrationsleistungen erbracht hat.

In der Kommentarliteratur wird gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Anknüpfungspunkt der Argumentation sind die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - zur Handhabung des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens und die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG, die noch einer (für die Einbürgerungsbehörden) verbindlichen Umsetzung durch Änderung der StAR-VwV bedürfen. Das öffentliche Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei im Zusammenhang zu sehen mit den vom Bundesministerium des Inneren vorgegebenen Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck brächten. Seien die Voraussetzungen einer solchen Einbürgerungserleichterung erfüllt, sei regelmäßig auch ein Abweichen vom Unterhaltserfordernis angezeigt.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 157; Hailbronner/Renner/Maaßen, a.a.O., § 8 Rdnr. 48) Zu eng, jedenfalls nicht abschließend, seien die Vorgaben der Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise. Denn der Gesetzgeber habe - anders als dort gefordert - nicht ein „besonderes“ oder gar „herausragendes“ öffentliches Interesse zur Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung gemacht, sondern ein „schlichtes“ öffentliches Interesse. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 159 f.)

Diese Auslegung erscheint zu weitgehend. Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Abs. 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der StAG-VwV zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist.

In Bezug auf § 8 Abs. 1 StAG verlangt das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteile 27.2.1957 - I C 165.55 -, BVerwGE 4, 298 ff., vom 30.9.1958 - I C 20.58 -, BVerwGE 7, 237 ff., vom 21.10.1986 - 1 C 44.84 -, BVerwGE 75, 86 ff., und vom 27.5.2010, a.a.O., m.w.N.) bisher in ständiger Rechtsprechung von den Einbürgerungsbehörden, bei der Ermessensausübung darauf abzustellen, ob ein staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht. Die Behörde habe zu prüfen, ob die Einbürgerung sowohl nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers als auch nach allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten im staatlichen Interesse erwünscht ist, ohne dass eine Abwägung mit den persönlichen Interessen des Einbürgerungsbewerbers stattfinde. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner zuletzt zur Problematik ergangenen bereits in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.5.2010 offen gelassen, ob es ungeachtet der diesbezüglichen Kritik(Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 50; GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnrn. 178 ff.) daran festhalten wird, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG ohne Abwägung des privaten Interesses des Einbürgerungsbewerbers allein das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung zu berücksichtigen ist. Allerdings spricht im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 StAG - wie noch auszuführen sein wird - alles dafür, Einbürgerungserleichterungen, die den persönlichen Verhältnissen des Einbürgerungsbewerbers Rechnung tragen sollen, nicht als ausreichend zur Begründung eines öffentlichen Interesses zu erachten, sondern ein spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung als unverzichtbar zu fordern.

Die Vorgaben der StAR-VwV, insbesondere die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, die nach Ansicht der Kommentarliteratur ein öffentliches Interesse auch im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck bringen können, sind am 1.2.2001, also lange bevor der Gesetzgeber die Einfügung des heutigen § 8 Abs. 2 StAG beschlossen hat, in Kraft getreten. Nach Nr. 8.0 StAR-VwV kann bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG eine Einbürgerung nach Ermessen der Behörde erfolgen, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang heißt es unter Nr. 8.1.2, dass die Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 allgemeine Grundsätze für die Ermessensausübung enthalten und festlegen, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung anzunehmen ist. Demgemäß sind die unter Nr. 8.1.2 StAR-VwV fixierten allgemeinen Grundsätze für die Ermessensausübung und die unter Nr. 8.1.3 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen für bestimmte Personengruppen vom Bundesministerium des Inneren mit dem Ziel konzipiert worden, den Einbürgerungsbehörden durch Konkretisierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rahmen für eine einheitliche Bewältigung der speziell bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 StAG zu erwartenden Problemstellungen vorzugeben.

Dass jede zu § 8 Abs. 1 StAG anerkannte Einbürgerungserleichterung gleichzeitig ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zum Ausdruck bringt, ist indes nicht anzunehmen.

Das öffentliche Interesse jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße zunächst, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach der StAR-VwV zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber den tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht genügt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Denn die unter Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 erfassten Kriterien für das Vorliegen des im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG von der Rechtsprechung geforderten öffentlichen Interesses tragen durchaus unterschiedlichen Anliegen Rechnung, die teils primär private Belange des Einbürgerungsbewerbers und teils ausschließlich staatliche Belange im Blick haben. Die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen sind von daher nicht in gleicher Weise geeignet, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Abs. 2 Berücksichtigung zu finden. Die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG wären bei dem von der Kommentarliteratur vertretenen Verständnis des in Abs. 2 der Vorschrift verwendeten Begriffs des öffentlichen Interesses ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre.

Speziell mit Blick auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spricht gegen eine begriffliche Identität, dass § 8 Abs. 2 StAG den Einbürgerungsbehörden die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung unabhängig davon einräumt, ob der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit selbst zu vertreten hat. In einer Vielzahl von Fällen, in denen einer positiven Entscheidung nach Abs. 1 das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Anforderungen der Nr. 4 entgegensteht, stünde es auch im Falle rein privatnütziger, besondere persönliche Umstände berücksichtigender Einbürgerungserleichterungen im Ermessen der Einbürgerungsbehörde, ob sie grundsätzlich oder je nach den Umständen des Einzelfalls fordert, dass der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit nicht zu vertreten hat.

Die aufgezeigte Problematik wird anhand des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts deutlich. Ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG ist dem Beklagten mit Blick auf Nr. 4 der Vorschrift nicht eröffnet. Dessen ungeachtet genügt der Kläger allen unter Nr. 8.1.2 i.V.m. Nr. 8.1.3.7 und unter Nrn. 8.1.2.2 bis 8.1.2.6 festgelegten Kriterien, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG den Begriff des öffentlichen Interesses konkretisieren sollen. Denn auch dem Erfordernis ausreichender Sprachkenntnisse wäre mit Blick auf die - seinen persönlichen Belangen Rechnung tragende - Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 Genüge getan, da insoweit bei Personen, die - wie er - das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, ausreicht, wenn sie sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben mündlich in deutscher Sprache verständigen können. Zu Zweifeln, ob der Kläger sich in dieser Weise verständigen kann, besteht angesichts seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass der Senat der Ansicht des Beklagten, bei Anwendung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Vita des Einbürgerungsbewerbers der Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift entgegensteht, nicht zu folgen vermag. Sinn und Zweck dieser aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Verwaltungsvorschrift ist es, den besonderen persönlichen Verhältnissen und dem typischerweise nur noch eingeschränkten Leistungsvermögen älterer Personen im Falle eines langjährigen Inlandsaufenthalts im Rahmen der Ermessensausübung angemessen Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob ihnen der Erwerb weitergehender Sprachkenntnisse in jüngeren Jahren nach ihren persönlichen Fähigkeiten und ihren Lebensverhältnissen zumutbar gewesen wäre.

Die Annahme, dass der Tatbestand des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG mit dem durch die Vorgaben der StAR-VwV zu Abs. 1 der Vorschrift konkretisierten öffentlichen Interesse identisch ist, hätte somit fallbezogen zur Folge, dass der Beklagte den Kläger auf der Grundlage des Abs. 2 wegen Eingreifens der Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV einbürgern könnte, ohne dass er kraft Gesetzes oder auch nur kraft Verwaltungsvorschrift gehalten wäre zu prüfen, ob dieser seine fehlende Unterhaltsfähigkeit zu vertreten hat. Es erscheint fernliegend, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht.

Die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG sprechen - ungeachtet des Umstands, dass sie die Gerichte nicht zu binden vermögen und selbst im Verhältnis zu den Behörden noch einer verbindlichen Umsetzung bedürfen - ebenfalls gegen die von der Kommentarliteratur befürwortete weite Auslegung der Vorschrift. Denn deren Nr. 8.2 verweist gerade nicht auf die Gesamtheit der in Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, deren Vorliegen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG rechtfertigen kann. Vielmehr soll ein Absehen von dem Unbescholtenheitserfordernis bzw. der Unterhaltsfähigkeit nach Nr. 8.2 StAR-VwV z.B. in Betracht kommen, wenn bereits Einbürgerungserleichterungen, einschließlich vorübergehender oder dauerhafter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, bei einem besonderen (Nr. 8.1.3.5 StAR-VwV) oder herausragenden (Nr. 8.1.2.6.3.6 StAR-VwV) öffentlichen Interesse - Verkürzung der Mindestdauer des Inlandsaufenthalts bei Vorliegen eines besonderen Einbürgerungsinteresses oder Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei einem herausragenden öffentlichen Einbürgerungsinteresse - eingeräumt worden sind. In den beispielhaft genannten Anwendungsfällen setzt ein Absehen von der Unterhaltsfähigkeit mithin voraus, dass ein besonderes oder herausragendes Einbürgerungsinteresse besteht. Dazu, ob weitere, gegebenenfalls welche, Fallgestaltungen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG denkbar sind, verhalten sich die Vorläufigen Anwendungshinweise nicht. Allerdings spricht der Umstand, dass die in der StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen nicht allesamt in Bezug genommen werden, eindeutig dafür, dass jedenfalls nach dem Verständnis des Bundesministeriums des Inneren nicht jede zu Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene Einbürgerungserleichterung den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nahe legen soll, sondern vorrangig oder ausschließlich solche, die einem spezifisch staatlichen Interesse zu dienen bestimmt sind.

Allein ein solches Verständnis der Vorschrift erscheint aus Sicht des Senats sachgerecht. Ermessensgesichtspunkte und Einbürgerungserleichterungen, die nach der Rechtsprechung und den insoweit geltenden Verwaltungsvorschriften der StAR-VwV zwar im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG beachtlich und grundsätzlich dort geeignet sind, eine dem Ausländer positive Einbürgerungsentscheidung zu ermöglichen, aber nicht irgendwie gearteten staatlichen Interessen dienen, sondern vorrangig besonderen persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Ausländers angemessen Rechnung tragen sollen, vermögen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nicht zu begründen.

So kann sich beispielsweise daraus, dass im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 StAG und zweifelsfrei ebenso des Absatzes 2 der Vorschrift eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen auf Dauer zugesagt ist, als erforderlicher Aufenthalt ausreichen soll (Nr. 8.1.2.4 StAR-VwV), kein im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG beachtliches öffentliches Interesse an der Einbürgerung ergeben. Gleiches gilt etwa hinsichtlich der die allgemein geltenden Sprachanforderungen einschränkenden Einbürgerungserleichterungen für minderjährige Kinder (Nr. 8.1.3.6 StAR-VwV) und ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV).

Nach allem ist ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab.

Nach Einschätzung des Senats entspricht dies der - wenngleich bisher nicht ausdrücklich formulierten - Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts. Wie ausgeführt, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.3.2012 in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbestandlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nrn. 2 und/oder 4 besteht.

Mithin ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht den Vorschlag der Kommentarliteratur, jedwede anerkannte Einbürgerungserleichterung als geeignet anzusehen, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu begründen, aufgreifen könnte.

Demgemäß füllt allein die dem Kläger zugute kommende Einbürgerungserleichterung für ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV) den Tatbestand eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift nicht aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Anhaltspunkte für das Bestehen eines durch spezifisch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers, also eines Erwünschtseins seiner Einbürgerung aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gesichtspunkte, weder ersichtlich noch dargetan sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten, für ein „Erwünschtsein“ im Sinne eines staatlichen Interesses an seiner Einbürgerung müsse ausreichen, dass er schon über 30 Jahre und damit sehr lange in Deutschland lebe und hier auf Dauer bleibeberechtigt sei. Zudem hätten seine Kinder sich ebenfalls hier niedergelassen, seien zum Teil schon lange eingebürgert und berufstätig, so dass sie als Steuerzahler zum Gemeinwohl beitrügen. Dies reicht - so erfreulich die Entwicklung der Kinder sicherlich ist - mit Blick auf den hier allein interessierenden Kläger zur Begründung eines staatlichen Interesses im vorbezeichneten Sinne nicht aus. Dass das Alter und ein langjähriger Aufenthalt im Inland einem Einbürgerungsbewerber im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG einbürgerungserleichternd zugute kommen können, vermag - wie ausgeführt - für sich genommen nicht automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu rechtfertigen, und kann auch im Zusammenspiel mit einer gelungenen Integration der Kinder ein solches Interesse nicht begründen. Denn § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der in der Mehrzahl der Zuwandererfamilien zu beobachtenden Integration der Kinder in die hiesigen Verhältnisse - zusätzlich - positiv abhebt. Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Dem Beklagten ist mithin ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG nicht eröffnet.

Wegen Fehlens diesbezüglicher tatsächlicher Anhaltspunkte und damit mangels Entscheidungsrelevanz bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG auch bei besonderen Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers zu bejahen ist. Angemerkt sei lediglich, dass für eine solche Auslegung der Vorschrift die - wenngleich in anderem Zusammenhang verwendete - Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010 „zur Vermeidung einer Härte oder wegen anderweitiger Integrationsleistungen“(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O., juris-Rdnr. 36 (vgl. auch Rdnr. 39)) sprechen mag.

3. Nach alldem bleibt festzuhalten, dass dem Kläger weder auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 StAG noch des § 8 Abs. 2 StAG ein Anspruch darauf zusteht, dass der Beklagte erneut über sein Einbürgerungsbegehren entscheidet.

Die Berufung gegen das den diesbezüglich gestellten Hilfsantrag des Klägers abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts unterliegt daher der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, muss aber in der Sache ohne Erfolg bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage hinsichtlich des Hilfsantrags, den allein der Kläger im Berufungsverfahren weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen. Ihm ist zudem darin zuzustimmen, dass dem Kläger mit Blick auf das Fehlen eines insoweit geeigneten Aufenthaltstitels kein aus § 10 StAG herleitbarer Anspruch auf Einbürgerung zusteht. Dies hat der Kläger ausweislich der Beschränkung seines Berufungsbegehrens akzeptiert. Sein im Berufungsverfahren weiter verfolgter Antrag, den Beklagten zu verpflichten, über seinen Einbürgerungsantrag in Anwendung des § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 StAG erneut nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ist unbegründet.

1. Ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch auf Neubescheidung setzt zunächst voraus, dass die durch die Vorschrift vorgegebenen gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ist dies zu bejahen, so steht die Einbürgerung im grundsätzlich weiten Ermessen des Beklagten als zuständiger Einbürgerungsbehörde.(Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht - GK-StAR -, Stand 25. Erg.lfg. August 2011, § 8 Rdnr. 170 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 27.5.2010 - 5 C 8/09 -, NVwZ 2010, 1502 ff.)

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 1 StAG ist geklärt, dass der Einbürgerungsbehörde ein Einbürgerungsermessen nach dieser Vorschrift nur eingeräumt ist, wenn neben den sonstigen in der Vorschrift aufgeführten und vorliegend außer Streit stehenden Voraussetzungen das auf den Nachweis der wirtschaftlichen Integration zielende Tatbestandsmerkmal der Nr. 4 erfüllt ist.(BVerwG, Urteil vom 27.2.1958 - I C 99.56 -, BVerwGE 6, 207 ff.) Hiernach muss der Ausländer im Stande sein, sich und seine Angehörigen aus eigener Kraft zu ernähren. Ist dies nicht der Fall, weil der Ausländer auf den Bezug von (ergänzenden) Sozialleistungen angewiesen ist, spielt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der obergerichtlichen Rechtsprechung(OVG Berlin, Beschluss vom 9.10.1995 - 5 M 25.95 -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.3.1996 - 13 S 1908/95 -, jeweils juris) zu § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG keine Rolle, ob der Ausländer seine Bedürftigkeit zu vertreten hat. Auf Kritik von Seiten der Kommentarliteratur(GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnr. 124), wonach dieses keine Ausnahmen zulassende Verständnis des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG den seit Inkrafttreten der Vorschrift im Jahr 1914 zu verzeichnenden sozialpolitischen Veränderungen nicht angemessen Rechnung trage, hat das Bundesverwaltungsgericht seine am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift in der Vergangenheit mehrfach bekräftigt. Es hat dies damit begründet, dass der Gesetzgeber das Staatsangehörigkeitsrecht - u.a. auch § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG - wiederholt geändert, dabei die Einbürgerung für bestimmte Personenkreise mit Wirkung zum 1.1.1991 erleichtert und geregelt habe, unter welchen Voraussetzungen die Inanspruchnahme von Sozialleistungen der Einbürgerung nicht entgegenstehe. Dies berücksichtigend verbiete es sich, die unverändert gebliebene Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG, die in diese neuere Gesetzgebung nicht einbezogen worden sei, teleologisch zu reduzieren.(BVerwG, Beschlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 94/97 -, NVwZ-RR 1997, 738 f., und vom 10.7.1997 - 1 B 141/97 -, NVwZ 1998, 183 f.; Urteil vom 22.6.1999 - 1 C 16/98 -, InfAuslR 1999, 501 ff.) Zu der Frage, wann ein Einbürgerungsbewerber sich und seine Angehörigen auf Dauer aus eigenen Mitteln ernähren kann, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.1998 - 13 S 2212/96 -, InfAuslR 1998, 509 ff.) überzeugend ausgeführt, dass er zumindest über eigene Einnahmen in Höhe der Regelsätze der Sozialhilfe verfügen muss.

Fallbezogen scheitert ein auf § 8 Abs. 1 StAG gestützter Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags am Nichtvorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung der Nr. 4 der Vorschrift, da der Kläger für sich und seine Ehefrau fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Gestalt der bedarfsorientierten Grundsicherung im Alter nach dem 4. Kapitel des SGB XII bezieht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass dieser Leistungsbezug einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG auch dann entgegensteht, wenn der Kläger den Umstand, der ihn zur Inanspruchnahme dieser Leistungen berechtigt, nicht zu vertreten hat.

Da es im Rahmen der Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG nicht darauf ankommt, ob der Einbürgerungsbewerber seine Bedürftigkeit zu vertreten hat, ist aus Rechtsgründen kein Raum für die von dem Kläger reklamierte entsprechende Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 19.2.2009 - 5 C 22/08 -, NVwZ 2009, 843 ff.) entwickelten Grundsätze zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich frühere Versäumnisse nicht mehr als wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug darstellen und daher vom Einbürgerungsbewerber nicht mehr im Sinn des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zu vertreten sind. Dies ist sachgerecht, denn die gesetzlichen Erleichterungen, die diese Vorschrift gewährt, rechtfertigen sich - wie das Bundesverwaltungsgericht in dem klägerseits zitierten Urteil vom 19.2.2009 ausdrücklich hervorgehoben hat - daraus, dass bei zurechenbar unzureichender wirtschaftlicher Integration schon die erforderliche Voraufenthaltszeit eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts oder der für den Einbürgerungsanspruch erforderliche Aufenthaltsstatus gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG nicht erreicht werden kann, weil die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) regelmäßig einen gesicherten Lebensunterhalt verlangen. Dies gilt insbesondere auch für die Ersetzung einer - wie im Fall des Klägers - nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen erteilten oder verlängerten befristeten Aufenthaltserlaubnis durch eine Niederlassungserlaubnis, da deren Erteilung nach den §§ 26 Abs. 4 i.V.m. 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ebenfalls voraussetzt, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist.

Der Kläger begründet seine Ansicht, im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG dürfe hinsichtlich der Unterhaltsfähigkeit kein strengerer Maßstab als im Rahmen des § 10 StAG angelegt werden, mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010.(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O.) Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Ausführungen, wonach die Anspruchsvoraussetzungen bzw. Ausschlussgründe der §§ 10 und 11 StAG der Sache nach bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG berücksichtigt werden dürfen, ausdrücklich unter dem Vorbehalt stehen, dass sie in § 8 Abs. 1 StAG nicht schon auf der Tatbestandsebene modifiziert sind. Gerade dies ist der Fall, denn die tatbestandlichen Anforderungen an die Unterhaltsfähigkeit sind in § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG anders - insbesondere unter Anlegung strengerer Kriterien - geregelt als in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.

Im Übrigen verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, ihm dürften die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zugerechnet werden, dass die diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht in tatsächlicher Hinsicht entwickelten Kriterien in seinem Fall nicht erfüllt sind. Denn der hiernach maßgebliche Zeitraum von acht Jahren ist noch nicht verstrichen. Dem Kläger ist entgegenzuhalten, dass er und seine Ehefrau als Bedarfsgemeinschaft seit Erreichen des Rentenalters im Juli 2008 Leistungen der Grundsicherung im Alter beziehen, weil er sich seit Erhalt seiner Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 nur unzureichend um eine Arbeitsstelle bemüht hat und daher keinen Anspruch auf eine Altersrente erwerben konnte. Ausweislich der Ausländerakte ist der Kläger seitens der Ausländerbehörde frühzeitig schriftlich darauf hingewiesen worden, dass eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden kann, wenn der Lebensunterhalt der Familie aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenem Vermögen gesichert ist (Schreiben der Ausländerbehörde vom 4.11.1992, Bl. 173 f. der Ausländerakte, und Bescheid vom 5.1.1993 betreffend die Ablehnung der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, Bl. 178 f. der Ausländerakte). Aktenkundig sind indes lediglich drei - von vornherein wenig erfolgversprechende - Versuche, eine Arbeitsstelle zu finden, nämlich seine Bewerbungen 1996 in Berlin bzw. Hamburg und 2005 erneut in Berlin. Die jeweiligen Ausländerbehörden lehnten eine Aufnahme des Klägers in ihren Zuständigkeitsbereich jeweils ab, und zwar wegen Nichtbeibringung der geforderten Einstellungszusicherung (Bl. 219 der Ausländerakte) bzw. weil nach der Höhe des voraussichtlichen Verdienstes nicht auszuschließen war, dass er weiterhin auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sein würde (Bl. 230 und 279 der Ausländerakte). Sonstige - insbesondere ortsnahe und insofern erfolgversprechendere - Bemühungen des Klägers um eine Beschäftigung trägt dieser selbst nicht vor. Er gibt lediglich an, sich wiederholt und regelmäßig bei den Arbeitsämtern in H., V. und A-Stadt als arbeitssuchend gemeldet zu haben (Bl. 176 der Einbürgerungsakte). Erfolglos gebliebene Bewerbungen behauptet er nicht. Zudem tritt er der Feststellung in dem angefochtenen, die Einbürgerung ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 3.3.2010, es könne nicht von einem unverschuldeten Bezug öffentlicher Mittel ausgegangen werden, im Klage- und Berufungsverfahren nur insoweit entgegen, als er geltend macht, mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien ihm die Fernwirkungen seines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens aktuell nicht mehr zurechenbar. Dies trifft indes gerade nicht zu. Denn der Sachverhalt stellt sich so dar, dass dem Kläger seit Erhalt einer Arbeitserlaubnis im Oktober 1991 bis zum Eintritt in das Rentenalter im Juli 2008 unzureichende Bemühungen um eine Arbeitsstelle entgegenzuhalten sind. Seit Beendigung dieser langen Zeit mangelnder Anstrengungen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes sind im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erst ca. vier Jahre verstrichen, so dass der Kläger aus der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu seinen Gunsten herleiten kann, dass er für seine jahrelang unzureichenden Bemühungen nicht mehr einzustehen habe.

2. Aus § 8 Abs. 2 StAG leitet sich ein Anspruch des Klägers auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags ebenfalls nicht her.

Nach dieser Vorschrift kann von dem Unbescholtenheitserfordernis des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG und dem Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Der Gesetzgeber hat diese Ausnahmevorschrift, die bezüglich der Nr. 4 am 1.1.2005 und bezüglich der Nr. 2 am 28.9.2007 in Kraft getreten ist, neu in das Staatsangehörigkeitsgesetz eingefügt, weil er im Hinblick auf die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG mit ihren speziellen Voraussetzungen auch bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG eine Ausnahmeregelung als erforderlich ansah. Bei den Tatbestandsvoraussetzungen „Gründe des öffentlichen Interesses“ und „Vermeidung einer besonderen Härte“ handelt es sich jeweils um unbestimmte Rechtsbegriffe, die inhaltlicher Konkretisierung bedürfen und deren Auslegung und Anwendung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Fallbezogen spricht nichts für das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands.

Die Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 StAG ist für die Auslegung der Vorschrift nicht ergiebig. Sie führt lediglich einen - hier nicht einschlägigen - Beispielsfall einer besonderen Härte an. Hinweise zum Verständnis des Tatbestandsmerkmals „Gründe des öffentlichen Interesses“ fehlen vollständig.(BT-Drs. 14/7387, S. 107, und 15/420, S. 116)

In der Rechtsprechung ist bisher nur in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der Vermeidung einer besonderen Härte geklärt, welche konkreten Anforderungen die gesetzliche Neuregelung an das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls stellt.

Das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteil vom 20.3.2012 - 5 C 5.11 -) hat vor kurzem entschieden, dass eine besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG durch atypische Umstände des Einzelfalls bedingt und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen sein muss und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden könnte. Es hat damit die bisher zu den Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte ergangene obergerichtliche Rechtsprechung(HessVGH, Beschluss vom 21.10.2008 - 5 A 1820.08.Z -, und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009 - 13 S 2428.08 -, jeweils juris), u.a. des Senats(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.6.2010 - 1 A 88/10 -, juris), bestätigt. Dies zugrundelegend kommt fallbezogen ein Einbürgerungsermessen des Beklagten zur Vermeidung einer besonderen Härte nicht in Betracht. Die Argumentation des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, eine besondere Härte liege darin, dass er wegen seines Alters außer Stande sei, an seinem Angewiesensein auf den Bezug von Sozialleistungen noch etwas zu ändern, geht fehl. Denn diese Situation wird weder durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen noch könnte sie durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest abgemildert werden. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Würdigung der Versagung der Einbürgerung als besondere Härte im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG selbst in Fällen, in denen der Betroffene den Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht zu vertreten hat, bereits mehrfach - u.a. in seinem vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Urteil vom 20.3.2012 in Bezug genommenen Beschluss vom 11.6.2009 - eine Absage erteilt.(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 11.6.2009 - OVG 5 M 30.08 -, und vom 8.2.2010 - OVG 5 M 48.09 -, jeweils juris) Auch dies überzeugt.

Zur Frage, wann die Voraussetzungen des alternativen Tatbestandsmerkmals „aus Gründen des öffentlichen Interesses“ erfüllt sind, hat sich das Bundesverwaltungsgericht noch nicht dezidiert geäußert. In seinem Urteil vom 20.3.2012 hat es allerdings beanstandet, dass das Berufungsgericht das Vorbringen des dortigen Einbürgerungsbewerbers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, in tatsächlicher Hinsicht nicht hinterfragt und nicht geprüft habe, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien.

Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich zu den Anforderungen, die an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu stellen sind, ebenfalls noch nicht festgelegt. In den Entscheidungen, in denen § 8 Abs. 2 StAG Erwähnung findet, heißt es - sofern das Vorliegen eines öffentlichen Interesses angeprüft wird - jeweils ohne nähere Darlegung, ein solches sei nicht erkennbar.(VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2009, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 21.10.2011 - 1 S 135/11 -, NVwZ-RR 2012, 160 f.) An erstinstanzlichen Entscheidungen finden sich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach(VG Ansbach, Urteil vom 10.9.2008 - AN 15 K 08.00780 -, juris) und mehrere Urteile des Verwaltungsgerichts des Saarlandes(VG des Saarlandes, Urteile vom 9.2.2010 - 2 K 530/09 -, vom 14.12.2010 - 2 K 445/09 -, vom 22.11.2011 - 2 K 560/10 - und vom 31.1.2012 - 2 K 667/10 -, jeweils juris), u.a. auch das im Verfahren des Klägers ergangene Urteil vom 27.9.2011.

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat zu der dortigen Fallgestaltung ausgeführt, Anhaltspunkte für Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn von § 8 Abs. 2 StAG lägen nicht vor, auch wenn die Beachtung einer Staatenlosigkeit wegen der Verpflichtung, die Einbürgerung so weit wie möglich zu erleichtern, hierzu gezählt werde. Auch spiele die von dem Kläger angeführte, im öffentlichen Interesse liegende einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Integration in die deutschen Verhältnisse keine ausschlaggebende Rolle. Eine klare Aussage dazu, wann Gründe des öffentlichen Interesses im Sinn des Abs. 2 vorliegen, enthalten diese Ausführungen nicht.

Nach dem in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts des Saarlandes zum Ausdruck kommenden Verständnis der in § 8 Abs. 2 StAG getroffenen Ausnahmeregelung soll das Vorliegen von Gründen des öffentlichen Interesses voraussetzen, dass der Einbürgerungsbewerber besondere Integrationsleistungen erbracht hat.

In der Kommentarliteratur wird gefordert, den Begriff des öffentlichen Interesses weit auszulegen. Anknüpfungspunkt der Argumentation sind die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht - StAR-VwV - zur Handhabung des durch § 8 Abs. 1 StAG eröffneten Ermessens und die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG, die noch einer (für die Einbürgerungsbehörden) verbindlichen Umsetzung durch Änderung der StAR-VwV bedürfen. Das öffentliche Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei im Zusammenhang zu sehen mit den vom Bundesministerium des Inneren vorgegebenen Einbürgerungserleichterungen, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen seien und das öffentliche Interesse an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck brächten. Seien die Voraussetzungen einer solchen Einbürgerungserleichterung erfüllt, sei regelmäßig auch ein Abweichen vom Unterhaltserfordernis angezeigt.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 157; Hailbronner/Renner/Maaßen, a.a.O., § 8 Rdnr. 48) Zu eng, jedenfalls nicht abschließend, seien die Vorgaben der Nr. 8.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise. Denn der Gesetzgeber habe - anders als dort gefordert - nicht ein „besonderes“ oder gar „herausragendes“ öffentliches Interesse zur Voraussetzung für die Anwendung der Ausnahmeregelung gemacht, sondern ein „schlichtes“ öffentliches Interesse. Ein solches manifestiere sich grundsätzlich in allen in der Verwaltungspraxis anerkannten und in der StAR-VwV bezeichneten Einbürgerungserleichterungen.(GK-StAG, a.a.O., § 8 Rdnr. 159 f.)

Diese Auslegung erscheint zu weitgehend. Sie beruht offenbar auf der Annahme, der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG sei identisch mit dem in den Nummern 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV umschriebenen öffentlichen Interesse, das in den Fällen des § 8 Abs. 1 StAG im Rahmen des Einbürgerungsermessens eine dem Einbürgerungsbewerber positive Entscheidung ermöglichen kann. Wenngleich die Verwendung des Begriffs „öffentliches Interesse“ in Abs. 2 der Vorschrift dieses Verständnis auf den ersten Blick durchaus rechtfertigen könnte, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die Annahme, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal „öffentliches Interesse“ im Sinn der zur Förderung einer einheitlichen Handhabung des Einbürgerungsermessens erlassenen Vorgaben der StAG-VwV zu § 8 Abs. 1 StAG verstanden wissen wollen, nicht tragfähig ist.

In Bezug auf § 8 Abs. 1 StAG verlangt das Bundesverwaltungsgericht(BVerwG, Urteile 27.2.1957 - I C 165.55 -, BVerwGE 4, 298 ff., vom 30.9.1958 - I C 20.58 -, BVerwGE 7, 237 ff., vom 21.10.1986 - 1 C 44.84 -, BVerwGE 75, 86 ff., und vom 27.5.2010, a.a.O., m.w.N.) bisher in ständiger Rechtsprechung von den Einbürgerungsbehörden, bei der Ermessensausübung darauf abzustellen, ob ein staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht. Die Behörde habe zu prüfen, ob die Einbürgerung sowohl nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers als auch nach allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten im staatlichen Interesse erwünscht ist, ohne dass eine Abwägung mit den persönlichen Interessen des Einbürgerungsbewerbers stattfinde. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner zuletzt zur Problematik ergangenen bereits in Bezug genommenen Entscheidung vom 27.5.2010 offen gelassen, ob es ungeachtet der diesbezüglichen Kritik(Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 Rdnr. 50; GK-StAR, a.a.O., § 8 Rdnrn. 178 ff.) daran festhalten wird, dass bei der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 1 StAG ohne Abwägung des privaten Interesses des Einbürgerungsbewerbers allein das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung zu berücksichtigen ist. Allerdings spricht im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 StAG - wie noch auszuführen sein wird - alles dafür, Einbürgerungserleichterungen, die den persönlichen Verhältnissen des Einbürgerungsbewerbers Rechnung tragen sollen, nicht als ausreichend zur Begründung eines öffentlichen Interesses zu erachten, sondern ein spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung als unverzichtbar zu fordern.

Die Vorgaben der StAR-VwV, insbesondere die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, die nach Ansicht der Kommentarliteratur ein öffentliches Interesse auch im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG an der Einbürgerung des durch sie privilegierten Personenkreises zum Ausdruck bringen können, sind am 1.2.2001, also lange bevor der Gesetzgeber die Einfügung des heutigen § 8 Abs. 2 StAG beschlossen hat, in Kraft getreten. Nach Nr. 8.0 StAR-VwV kann bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG eine Einbürgerung nach Ermessen der Behörde erfolgen, wenn im Einzelfall ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung festgestellt werden kann. In diesem Zusammenhang heißt es unter Nr. 8.1.2, dass die Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 allgemeine Grundsätze für die Ermessensausübung enthalten und festlegen, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung anzunehmen ist. Demgemäß sind die unter Nr. 8.1.2 StAR-VwV fixierten allgemeinen Grundsätze für die Ermessensausübung und die unter Nr. 8.1.3 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen für bestimmte Personengruppen vom Bundesministerium des Inneren mit dem Ziel konzipiert worden, den Einbürgerungsbehörden durch Konkretisierung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen Rahmen für eine einheitliche Bewältigung der speziell bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 StAG zu erwartenden Problemstellungen vorzugeben.

Dass jede zu § 8 Abs. 1 StAG anerkannte Einbürgerungserleichterung gleichzeitig ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG zum Ausdruck bringt, ist indes nicht anzunehmen.

Das öffentliche Interesse jeweils inhaltsgleich zu verstehen, hieße zunächst, dass einerseits eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 1 der Vorschrift nur in Betracht kommt, wenn u.a. die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 und gleichzeitig die im Rahmen der Ermessensbetätigung nach der StAR-VwV zu prüfenden Kriterien, von deren Vorliegen das Bestehen eines öffentlichen Interesses abhängt, allesamt erfüllt sind, dass andererseits aber eine Ermessenseinbürgerung nach Abs. 2 der Vorschrift bei Vorliegen der gleichen das öffentliche Interesse bestimmenden Kriterien ohne Weiteres auch möglich wäre, wenn der Einbürgerungsbewerber den tatbestandlichen Voraussetzungen der Nrn. 2 und/oder 4 nicht genügt. Dies kann der Gesetzgeber nicht gewollt haben. Denn die unter Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 erfassten Kriterien für das Vorliegen des im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG von der Rechtsprechung geforderten öffentlichen Interesses tragen durchaus unterschiedlichen Anliegen Rechnung, die teils primär private Belange des Einbürgerungsbewerbers und teils ausschließlich staatliche Belange im Blick haben. Die dort vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen sind von daher nicht in gleicher Weise geeignet, im Rahmen der Ausnahmevorschrift des Abs. 2 Berücksichtigung zu finden. Die Tatbestandsmerkmale der Unbescholtenheit und der Unterhaltsfähigkeit im Sinn der Nrn. 2 und 4 des § 8 Abs. 1 StAG wären bei dem von der Kommentarliteratur vertretenen Verständnis des in Abs. 2 der Vorschrift verwendeten Begriffs des öffentlichen Interesses ihrer Bedeutung als das Einbürgerungsermessen erst eröffnende Tatbestandsvoraussetzungen vollständig enthoben, ohne dass dies nach dem sachlichen Zusammenhang gerechtfertigt wäre.

Speziell mit Blick auf § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG spricht gegen eine begriffliche Identität, dass § 8 Abs. 2 StAG den Einbürgerungsbehörden die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung unabhängig davon einräumt, ob der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit selbst zu vertreten hat. In einer Vielzahl von Fällen, in denen einer positiven Entscheidung nach Abs. 1 das Nichtvorliegen der tatbestandlichen Anforderungen der Nr. 4 entgegensteht, stünde es auch im Falle rein privatnütziger, besondere persönliche Umstände berücksichtigender Einbürgerungserleichterungen im Ermessen der Einbürgerungsbehörde, ob sie grundsätzlich oder je nach den Umständen des Einzelfalls fordert, dass der Ausländer seine fehlende Unterhaltsfähigkeit nicht zu vertreten hat.

Die aufgezeigte Problematik wird anhand des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts deutlich. Ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG ist dem Beklagten mit Blick auf Nr. 4 der Vorschrift nicht eröffnet. Dessen ungeachtet genügt der Kläger allen unter Nr. 8.1.2 i.V.m. Nr. 8.1.3.7 und unter Nrn. 8.1.2.2 bis 8.1.2.6 festgelegten Kriterien, die im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG den Begriff des öffentlichen Interesses konkretisieren sollen. Denn auch dem Erfordernis ausreichender Sprachkenntnisse wäre mit Blick auf die - seinen persönlichen Belangen Rechnung tragende - Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 Genüge getan, da insoweit bei Personen, die - wie er - das 60. Lebensjahr vollendet und seit 12 Jahren ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Inland haben, ausreicht, wenn sie sich ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben mündlich in deutscher Sprache verständigen können. Zu Zweifeln, ob der Kläger sich in dieser Weise verständigen kann, besteht angesichts seiner Äußerungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine Veranlassung. Der Klarstellung halber sei angemerkt, dass der Senat der Ansicht des Beklagten, bei Anwendung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob nicht die Vita des Einbürgerungsbewerbers der Anwendung dieser Verwaltungsvorschrift entgegensteht, nicht zu folgen vermag. Sinn und Zweck dieser aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Verwaltungsvorschrift ist es, den besonderen persönlichen Verhältnissen und dem typischerweise nur noch eingeschränkten Leistungsvermögen älterer Personen im Falle eines langjährigen Inlandsaufenthalts im Rahmen der Ermessensausübung angemessen Rechnung zu tragen, und zwar unabhängig davon, ob ihnen der Erwerb weitergehender Sprachkenntnisse in jüngeren Jahren nach ihren persönlichen Fähigkeiten und ihren Lebensverhältnissen zumutbar gewesen wäre.

Die Annahme, dass der Tatbestand des öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG mit dem durch die Vorgaben der StAR-VwV zu Abs. 1 der Vorschrift konkretisierten öffentlichen Interesse identisch ist, hätte somit fallbezogen zur Folge, dass der Beklagte den Kläger auf der Grundlage des Abs. 2 wegen Eingreifens der Einbürgerungserleichterung der Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV einbürgern könnte, ohne dass er kraft Gesetzes oder auch nur kraft Verwaltungsvorschrift gehalten wäre zu prüfen, ob dieser seine fehlende Unterhaltsfähigkeit zu vertreten hat. Es erscheint fernliegend, dass dies der Intention des Gesetzgebers entspricht.

Die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Inneren vom 17.4.2009 zu § 8 Abs. 2 StAG sprechen - ungeachtet des Umstands, dass sie die Gerichte nicht zu binden vermögen und selbst im Verhältnis zu den Behörden noch einer verbindlichen Umsetzung bedürfen - ebenfalls gegen die von der Kommentarliteratur befürwortete weite Auslegung der Vorschrift. Denn deren Nr. 8.2 verweist gerade nicht auf die Gesamtheit der in Nrn. 8.1.2 bis 8.1.3.9.2 StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen, deren Vorliegen ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG rechtfertigen kann. Vielmehr soll ein Absehen von dem Unbescholtenheitserfordernis bzw. der Unterhaltsfähigkeit nach Nr. 8.2 StAR-VwV z.B. in Betracht kommen, wenn bereits Einbürgerungserleichterungen, einschließlich vorübergehender oder dauerhafter Hinnahme von Mehrstaatigkeit, bei einem besonderen (Nr. 8.1.3.5 StAR-VwV) oder herausragenden (Nr. 8.1.2.6.3.6 StAR-VwV) öffentlichen Interesse - Verkürzung der Mindestdauer des Inlandsaufenthalts bei Vorliegen eines besonderen Einbürgerungsinteresses oder Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei einem herausragenden öffentlichen Einbürgerungsinteresse - eingeräumt worden sind. In den beispielhaft genannten Anwendungsfällen setzt ein Absehen von der Unterhaltsfähigkeit mithin voraus, dass ein besonderes oder herausragendes Einbürgerungsinteresse besteht. Dazu, ob weitere, gegebenenfalls welche, Fallgestaltungen eines öffentlichen Interesses im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG denkbar sind, verhalten sich die Vorläufigen Anwendungshinweise nicht. Allerdings spricht der Umstand, dass die in der StAR-VwV vorgesehenen Einbürgerungserleichterungen nicht allesamt in Bezug genommen werden, eindeutig dafür, dass jedenfalls nach dem Verständnis des Bundesministeriums des Inneren nicht jede zu Abs. 1 der Vorschrift vorgesehene Einbürgerungserleichterung den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nahe legen soll, sondern vorrangig oder ausschließlich solche, die einem spezifisch staatlichen Interesse zu dienen bestimmt sind.

Allein ein solches Verständnis der Vorschrift erscheint aus Sicht des Senats sachgerecht. Ermessensgesichtspunkte und Einbürgerungserleichterungen, die nach der Rechtsprechung und den insoweit geltenden Verwaltungsvorschriften der StAR-VwV zwar im Rahmen des § 8 Abs. 1 StAG beachtlich und grundsätzlich dort geeignet sind, eine dem Ausländer positive Einbürgerungsentscheidung zu ermöglichen, aber nicht irgendwie gearteten staatlichen Interessen dienen, sondern vorrangig besonderen persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen des Ausländers angemessen Rechnung tragen sollen, vermögen ein öffentliches Interesse an der Einbürgerung im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nicht zu begründen.

So kann sich beispielsweise daraus, dass im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 StAG und zweifelsfrei ebenso des Absatzes 2 der Vorschrift eine Aufenthaltserlaubnis, die nach § 23 Abs. 1 AufenthG aus humanitären Gründen auf Dauer zugesagt ist, als erforderlicher Aufenthalt ausreichen soll (Nr. 8.1.2.4 StAR-VwV), kein im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG beachtliches öffentliches Interesse an der Einbürgerung ergeben. Gleiches gilt etwa hinsichtlich der die allgemein geltenden Sprachanforderungen einschränkenden Einbürgerungserleichterungen für minderjährige Kinder (Nr. 8.1.3.6 StAR-VwV) und ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV).

Nach allem ist ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz mangelnder Unbescholtenheit und/oder fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einbürgerungsbehörde die Betätigung ihres Einbürgerungsermessens ab.

Nach Einschätzung des Senats entspricht dies der - wenngleich bisher nicht ausdrücklich formulierten - Sichtweise des Bundesverwaltungsgerichts. Wie ausgeführt, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.3.2012 in einem Fall, in dem ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 1 StAG wegen Nichterfüllung des Unbescholtenheitserfordernisses ausgeschlossen war, beanstandet, dass es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehle, ob ein öffentliches Interesse im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift besteht. Denn das Berufungsgericht habe den Vortrag des Klägers, sein journalistischer Arbeitsplatz betreffe den Nahen Osten und er erfülle eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland, nicht zum Anlass genommen zu überprüfen, ob und inwieweit dies zutreffe und wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten seien. Damit hat es, ohne die tatbestandlichen Anforderungen eines öffentlichen Interesses im Sinne des Absatzes 2 näher zu definieren, deren Vorliegen jedenfalls nicht davon abhängig gemacht, ob eine der in der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Absatz 1 der Vorschrift allgemein anerkannten, das öffentliche Interesse im Sinne des Absatzes 1 kennzeichnenden Einbürgerungserleichterungen greift, sondern bezogen auf den konkreten Sachverhalt die Prüfung gefordert, ob die Wahrnehmung einer repräsentativen Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründet. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, dass im Rahmen des § 8 Abs. 2 StAG entscheidend darauf abzustellen ist, ob ein spezifisch staatliches Interesse an einem ausnahmsweisen Absehen von den strengen Voraussetzungen des Abs. 1 Nrn. 2 und/oder 4 besteht.

Mithin ist nicht zu erwarten, dass das Bundesverwaltungsgericht den Vorschlag der Kommentarliteratur, jedwede anerkannte Einbürgerungserleichterung als geeignet anzusehen, ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu begründen, aufgreifen könnte.

Demgemäß füllt allein die dem Kläger zugute kommende Einbürgerungserleichterung für ältere Personen (Nr. 8.1.3.7 StAR-VwV) den Tatbestand eines öffentlichen Interesses im Sinne der genannten Vorschrift nicht aus. Gleichzeitig ist festzustellen, dass Anhaltspunkte für das Bestehen eines durch spezifisch staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses an der Einbürgerung des Klägers, also eines Erwünschtseins seiner Einbürgerung aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher und kultureller Gesichtspunkte, weder ersichtlich noch dargetan sind. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Ansicht vertreten, für ein „Erwünschtsein“ im Sinne eines staatlichen Interesses an seiner Einbürgerung müsse ausreichen, dass er schon über 30 Jahre und damit sehr lange in Deutschland lebe und hier auf Dauer bleibeberechtigt sei. Zudem hätten seine Kinder sich ebenfalls hier niedergelassen, seien zum Teil schon lange eingebürgert und berufstätig, so dass sie als Steuerzahler zum Gemeinwohl beitrügen. Dies reicht - so erfreulich die Entwicklung der Kinder sicherlich ist - mit Blick auf den hier allein interessierenden Kläger zur Begründung eines staatlichen Interesses im vorbezeichneten Sinne nicht aus. Dass das Alter und ein langjähriger Aufenthalt im Inland einem Einbürgerungsbewerber im Sinne des § 8 Abs. 1 StAG einbürgerungserleichternd zugute kommen können, vermag - wie ausgeführt - für sich genommen nicht automatisch den Schluss auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG zu rechtfertigen, und kann auch im Zusammenspiel mit einer gelungenen Integration der Kinder ein solches Interesse nicht begründen. Denn § 8 Abs. 2 StAG enthält nach der gesetzlichen Konzeption einen Ausnahmetatbestand und setzt daher voraus, dass der konkrete Fall sich in einer spezifischen Weise von der in der Mehrzahl der Zuwandererfamilien zu beobachtenden Integration der Kinder in die hiesigen Verhältnisse - zusätzlich - positiv abhebt. Anhaltspunkte hierfür sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Dem Beklagten ist mithin ein Einbürgerungsermessen nach § 8 Abs. 2 StAG nicht eröffnet.

Wegen Fehlens diesbezüglicher tatsächlicher Anhaltspunkte und damit mangels Entscheidungsrelevanz bedarf keiner Entscheidung, ob - wie das Verwaltungsgericht annimmt - ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG auch bei besonderen Integrationsleistungen des Einbürgerungsbewerbers zu bejahen ist. Angemerkt sei lediglich, dass für eine solche Auslegung der Vorschrift die - wenngleich in anderem Zusammenhang verwendete - Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 27.5.2010 „zur Vermeidung einer Härte oder wegen anderweitiger Integrationsleistungen“(BVerwG, Urteil vom 27.5.2010, a.a.O., juris-Rdnr. 36 (vgl. auch Rdnr. 39)) sprechen mag.

3. Nach alldem bleibt festzuhalten, dass dem Kläger weder auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 StAG noch des § 8 Abs. 2 StAG ein Anspruch darauf zusteht, dass der Beklagte erneut über sein Einbürgerungsbegehren entscheidet.

Die Berufung gegen das den diesbezüglich gestellten Hilfsantrag des Klägers abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts unterliegt daher der Zurückweisung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Beschluss

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 42.1 der Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Der am ...1979 im Bundesgebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Am 25.09.1995 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Aufgrund zahlreicher Straftaten wurde der Kläger mit Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 13.01.2003 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Am 25.06.2004 wurde er in die Türkei abgeschoben. Im Rahmen eines vor dem VGH Baden-Württemberg geschlossenen Vergleichs nahm das Regierungspräsidium Stuttgart die Ausweisung zurück und verpflichtete sich zur Wiedererteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Nach der Einreise in das Bundesgebiet am 02.02.2007 wurde der Kläger zur weiteren Strafverbüßung festgenommen. Er ist mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Am 10.10.2007 wurde dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis erteilt und seit dem 04.03.2013 ist er im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU. Vom 11.01.2010 bis 17.12.2010 besuchte der Kläger die Meisterschule für Maler und Lackierer.
Der Kläger ist nach einer Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 10.01.2013 im Bundesgebiet wie folgt vorbestraft:
1.Urteil des Amtsgerichts Nürtingen vom 31.05.2001: 4 Monate und 2 Wochen Freiheitsstrafe wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tatmehrheit mit Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung.
2.Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 21.01.2002: 3 Monate Freiheitsstrafe wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung. Die Strafe wurde für 2 Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
3.Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 01.03.2004: 4 Monate Freiheitsstrafe wegen unerlaubtem Entfernen vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tatmehrheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs. Die Strafe wurde für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
4.Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.04.2004: 1 Jahr und 2 Monate Freiheitsstrafe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung. In das Strafmaß wurde die Entscheidung vom 01.03.2004 einbezogen. Durch Beschluss des Landgerichts Tübingen wurde der Strafrest zur Bewährung bis zum 03.01.2010 ausgesetzt. Mit Wirkung vom 30.01.2010 wurde der Strafrest erlassen.
Am 19.06.2015 beantragte der Kläger die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Das Bundesamt für Justiz teilte mit Schreiben vom 03.03.2016 mit, bei weiterer Straffreiheit seien die im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen am 01.05.2020 tilgungsreif.
10 
Mit Bescheid vom 27.05.2016 lehnte das Landratsamt Esslingen den Antrag auf Einbürgerung ab und führte zur Begründung aus, die abgeurteilten Strafen überstiegen die Bagatellgrenzen des § 12a Abs. 1 StAG erheblich. Ein Ermessen nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG sei deshalb nicht eröffnet. Die Verurteilungen blieben bis zur Tilgung im Bundeszentralregister einbürgerungsschädlich. Auch eine Ermessenseinbürgerung sei nicht möglich, da der Kläger die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG nicht erfülle. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 StAG seien ebenfalls nicht gegeben, da weder ein öffentliches Interesse noch eine besondere Härte vorlägen. Der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers und das gemeinsame Kind deutsche Staatsangehörige seien, stelle keine besondere Härte dar.
11 
Hiergegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 16.06.2016 Widerspruch ein und brachte zur Begründung vor, seit der Familiengründung habe er außergewöhnliche Integrationsleistungen erbracht, so dass die Versagung der Einbürgerung nicht gerechtfertigt sei. Er sichere die Existenz der deutschen Familienangehörigen und besitze als einziges Familienmitglied keine deutsche Staatsangehörigkeit. Dies stelle eine besondere Härte dar. Die Verurteilungen habe er sich zur Warnung dienen lassen und sein Leben völlig umgestellt. Er habe eine qualifizierte Berufsausbildung zum Fahrzeuglackierer absolviert und im Dezember 2010 den Meisterbrief für das Maler- und Lackierergewerbe erworben. Zwischenzeitlich übe er die Tätigkeit als Kfz-Sachverständiger aus.
12 
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.2016 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die gegen den Kläger verhängten Strafen könnten nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben, da sie die Unbeachtlichkeitsschwelle erheblich überschritten. Auch eine Ermessenseinbürgerung komme nicht in Betracht. Ein Absehen von der Straffreiheit im Wege des § 8 Abs. 2 StAG scheide aus. Ein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet und eine gelungene Integration begründeten noch kein öffentliches Interesse i.S.d. § 8 Abs. 2 StAG. Gleiches gelte für den Umstand, dass Angehörige des Klägers die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen. Auch für das Vorliegen einer besonderen Härte sei nichts ersichtlich.
13 
Am 05.09.2016 hat der Kläger Klage erhoben und auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
den Bescheid des Landratsamts Esslingen vom 27.05.2016 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 05.08.2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
16 
Der Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Er verweist im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
19 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf Fragen des Gerichts vorgetragen, seit fünf Jahren sei er Inhaber eines eigenständigen Unternehmens. Er handle mit Fahrzeugen und sei Sachverständiger bei Kfz-Schäden. Am 14.04.2004 habe er seine deutsche Ehefrau geheiratet, mit der er nach wie vor zusammenlebe.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die zur Sache gehörende Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

21 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, über seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
22 
Der geltend gemachte Anspruch beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996 - 1 B 82/95 - InfAuslR 1996, 399 und Urt. v. 20.10.2005 - 5 C 8/05 - BVerwGE 124, 268).
23 
Der Kläger erfüllt nicht sämtliche Erteilungsvoraussetzungen nach § 10 StAG. Einem Einbürgerungsanspruch steht § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG entgegen. Diese Bestimmung setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist. Dabei bleiben Verurteilungen zu einer Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist, außer Betracht (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG). Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wurde eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG).
24 
Abgesehen von den in § 12a Abs. 1 StAG aufgeführten Ausnahmen führt jede Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat zu einem materiellen Einbürgerungshindernis. Unerheblich sind die Gründe, die den Straftaten des Einbürgerungsbewerbers zu Grunde liegen. Auch der Umstand, dass es sich bei Straftaten nicht um Fälle schwerer Kriminalität handelt, ist unmaßgeblich. Der Verwertung der im Bundeszentralregister gelisteten Straftaten steht ebenso wenig entgegen, dass diese bereits längere Zeit zurückliegen; denn eine Verurteilung ist zu berücksichtigen, solange noch keine Tilgung im Zentralregister erfolgt ist (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Stand: 09.09.2016, Rn. 12 m.w.N). Die Einbürgerungsbehörde ist an die Tilgungsentscheidung des Bundeszentralregisters gebunden (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, a.a.O., Rn. 27 m.w.N).
25 
Die vom Amtsgericht Nürtingen mit Urteil vom 31.05.2001 und vom Amtsgericht Stuttgart mit Urteil vom 19.04.2004 verhängten Strafen liegen deutlich über der Bagatellgrenze von drei Monaten Freiheitsstrafe.
26 
Die im Bundeszentralregister aufgeführten Freiheitsstrafen können auch nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben. Nach dieser Bestimmung wird, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den Rahmen nach § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG geringfügig übersteigt, im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Der Kläger wurde zu Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als 21 Monaten verurteilt. Dies überschreitet den nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zulässigen Rahmen von drei Monaten um mehr als das Siebenfache. Eine solche Überschreitung ist nicht mehr geringfügig im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. HTK-StAR / § 12a StAG / zu Abs. 1 Satz 3 und 4, Stand: 02.09.2016, Rn. 8 m.w.N.), so dass sie nicht nach Ermessen außer Acht gelassen werden kann.
27 
Der Kläger kann auch nicht im Hinblick auf seine deutsche Ehefrau nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 StAG eingebürgert werden. Er erfüllt nicht - auch unter Berücksichtigung des § 12a Abs. 1 StAG - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Da es sich bei § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG um eine spiegelbildliche Regelung zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG handelt, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
28 
Von dem Erfordernis strafrechtlicher Unbescholtenheit kann der Beklagte nicht nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 StAG absehen. Nach § 8 Abs. 2 StAG kann von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers liegen weder ein öffentliches Interesse noch eine besondere Härte vor, so dass dem Beklagten ein Ermessen nicht eröffnet ist.
29 
Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG liegt nur vor, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abhebendes spezifisches staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Einbürgerungsbewerber trotz mangelnder Unbescholtenheit einzubürgern; erforderlich ist ein Erwünschtsein der Einbürgerung des Einbürgerungsbewerbers aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Gesichtspunkte (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, Stand: 08.02.2017, Rn. 9 m.w.N.).
30 
Ein derartiges öffentliches Interesse ist vorliegend nicht gegeben. Zwar hat sich der im Bundesgebiet geborene Kläger die Abschiebung in die Türkei und die Strafhaft zur Warnung dienen lassen und sein Leben erkennbar neu ausgerichtet. So hat er nach der Eheschließung durchaus beachtliche Integrationsleistungen (erfolgreicher Besuch einer Meisterschule und Gründung eines eigenen Unternehmens) erbracht. Der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet und seine mittlerweile erfolgreiche Integration erfüllen jedoch nicht die Kriterien eines durch spezifische staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O., Rn. 10). Es fehlen politische, wirtschaftliche oder kultureller Gesichtspunkte, die eine Einbürgerung des Klägers als zwingend geboten erscheinen lassen. Die vom Kläger erbrachten Integrationsleistungen sind aufgrund seines gesicherten Aufenthaltsstatus nicht in Gefahr. Besondere Integrationsleistungen können auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer „Belohnung“ ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründen.
31 
Der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers und seine Kinder deutsche Staatsangehörige sind, begründet ebenso wenig ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG. Denn dem Gebot einer erleichterten Einbürgerung zu einem deutschen Ehegatten ist schon durch die Schaffung der Sollvorschrift des § 9 StAG hinreichend Rechnung getragen (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).
32 
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer besonderen Härte.
33 
Die Annahme einer besonderen Härte setzt einen atypischen Sachverhalt voraus, der den Einbürgerungsbewerber in besonderer Weise, d.h. qualifiziert beschwert. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG soll solchen Härten begegnen, die gerade durch die Versagung der Einbürgerung entstehen würden und sich durch eine Einbürgerung vermeiden ließen. Die Härte muss also gerade durch die begehrte Einbürgerung beseitigt oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, Stand: 08.02.2017, Rn. 15 m.w.N.). Zwar ist § 8 Abs. 2 StAG auch dann anwendbar, wenn die Grenzen der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden sind (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 21 m.w.N.). Gleichwohl gelten für ein Absehen vom Erfordernis der Straffreiheit strenge Anforderungen, weil bereits die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG zu Gunsten des Einbürgerungsbewerbers eingreifen; es müssen daher beim Einbürgerungsbewerber besonders beschwerende atypische Umstände vorliegen, die im Einzelfall ein Absehen von strafrechtlichen Verurteilungen rechtfertigen (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 22 m.w.N.). Derart besonders beschwerende atypische Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
34 
Im Hinblick auf das Erfordernis der Straffreiheit kann eine besondere Härte in Betracht gezogen werden, wenn allein die letzte Straftat dazu geführt hat, dass frühere Straftaten nicht getilgt werden können, die letzte Straftat Bagatellcharakter hat und dem Einbürgerungsbewerber ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten ist (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 23 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn die letzte Straftat des Klägers (Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.04.2004) hat die Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 StAG erheblich überschritten.
35 
Der Umstand, dass die Familienangehörigen des Klägers deutsche Staatsangehörige sind, begründet keine besondere Härte. Auch wenn im Hinblick auf die Familieneinheit eine einheitliche staatsangehörigkeitsrechtliche Behandlung der Familie wünschenswert ist, gebietet der grundrechtliche Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht ein Absehen von der tatbestandlichen Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 20 m.w.N.).
36 
Es ist auch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung erhebliche negative Auswirkungen auf die eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers hätte. Der Kläger ist im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU und hat damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Er hat auch mittelfristig eine konkrete Einbürgerungsperspektive, da die im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen bei weiterer Straffreiheit am 01.05.2020 tilgungsreif sind.
37 
Liegen demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 StAG nicht vor, so besteht ein darüber hinausgehender Anspruch auf Einbürgerung unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht. Die Einbürgerungsbehörde ist nicht verpflichtet, allein wegen der Ehe des Einbürgerungsbewerbers mit einem deutschen Staatsangehörigen bei Fehlen der Voraussetzungen des § 9 StAG die Einbürgerung nach § 8 StAG vorzunehmen. Ein Absehen von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG gebietet der Schutz von Ehe und Familie nicht (vgl. HTK-StAR / § 9 StAG / zu Abs. 1, Stand: 13.02.2017, Rn. 5 m.w.N.).
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

21 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, über seinen Antrag auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
22 
Der geltend gemachte Anspruch beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996 - 1 B 82/95 - InfAuslR 1996, 399 und Urt. v. 20.10.2005 - 5 C 8/05 - BVerwGE 124, 268).
23 
Der Kläger erfüllt nicht sämtliche Erteilungsvoraussetzungen nach § 10 StAG. Einem Einbürgerungsanspruch steht § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG entgegen. Diese Bestimmung setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist. Dabei bleiben Verurteilungen zu einer Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist, außer Betracht (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG). Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wurde eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG).
24 
Abgesehen von den in § 12a Abs. 1 StAG aufgeführten Ausnahmen führt jede Verurteilung wegen einer rechtswidrigen Tat zu einem materiellen Einbürgerungshindernis. Unerheblich sind die Gründe, die den Straftaten des Einbürgerungsbewerbers zu Grunde liegen. Auch der Umstand, dass es sich bei Straftaten nicht um Fälle schwerer Kriminalität handelt, ist unmaßgeblich. Der Verwertung der im Bundeszentralregister gelisteten Straftaten steht ebenso wenig entgegen, dass diese bereits längere Zeit zurückliegen; denn eine Verurteilung ist zu berücksichtigen, solange noch keine Tilgung im Zentralregister erfolgt ist (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Stand: 09.09.2016, Rn. 12 m.w.N). Die Einbürgerungsbehörde ist an die Tilgungsentscheidung des Bundeszentralregisters gebunden (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, a.a.O., Rn. 27 m.w.N).
25 
Die vom Amtsgericht Nürtingen mit Urteil vom 31.05.2001 und vom Amtsgericht Stuttgart mit Urteil vom 19.04.2004 verhängten Strafen liegen deutlich über der Bagatellgrenze von drei Monaten Freiheitsstrafe.
26 
Die im Bundeszentralregister aufgeführten Freiheitsstrafen können auch nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG außer Betracht bleiben. Nach dieser Bestimmung wird, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den Rahmen nach § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG geringfügig übersteigt, im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Der Kläger wurde zu Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als 21 Monaten verurteilt. Dies überschreitet den nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG zulässigen Rahmen von drei Monaten um mehr als das Siebenfache. Eine solche Überschreitung ist nicht mehr geringfügig im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (vgl. HTK-StAR / § 12a StAG / zu Abs. 1 Satz 3 und 4, Stand: 02.09.2016, Rn. 8 m.w.N.), so dass sie nicht nach Ermessen außer Acht gelassen werden kann.
27 
Der Kläger kann auch nicht im Hinblick auf seine deutsche Ehefrau nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 StAG eingebürgert werden. Er erfüllt nicht - auch unter Berücksichtigung des § 12a Abs. 1 StAG - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Da es sich bei § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG um eine spiegelbildliche Regelung zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG handelt, kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
28 
Von dem Erfordernis strafrechtlicher Unbescholtenheit kann der Beklagte nicht nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 StAG absehen. Nach § 8 Abs. 2 StAG kann von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden. Entgegen der Auffassung des Klägers liegen weder ein öffentliches Interesse noch eine besondere Härte vor, so dass dem Beklagten ein Ermessen nicht eröffnet ist.
29 
Ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG liegt nur vor, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abhebendes spezifisches staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Einbürgerungsbewerber trotz mangelnder Unbescholtenheit einzubürgern; erforderlich ist ein Erwünschtsein der Einbürgerung des Einbürgerungsbewerbers aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Gesichtspunkte (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, Stand: 08.02.2017, Rn. 9 m.w.N.).
30 
Ein derartiges öffentliches Interesse ist vorliegend nicht gegeben. Zwar hat sich der im Bundesgebiet geborene Kläger die Abschiebung in die Türkei und die Strafhaft zur Warnung dienen lassen und sein Leben erkennbar neu ausgerichtet. So hat er nach der Eheschließung durchaus beachtliche Integrationsleistungen (erfolgreicher Besuch einer Meisterschule und Gründung eines eigenen Unternehmens) erbracht. Der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet und seine mittlerweile erfolgreiche Integration erfüllen jedoch nicht die Kriterien eines durch spezifische staatliche Belange vorgegebenen öffentlichen Interesses (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O., Rn. 10). Es fehlen politische, wirtschaftliche oder kultureller Gesichtspunkte, die eine Einbürgerung des Klägers als zwingend geboten erscheinen lassen. Die vom Kläger erbrachten Integrationsleistungen sind aufgrund seines gesicherten Aufenthaltsstatus nicht in Gefahr. Besondere Integrationsleistungen können auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer „Belohnung“ ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG begründen.
31 
Der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers und seine Kinder deutsche Staatsangehörige sind, begründet ebenso wenig ein öffentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG. Denn dem Gebot einer erleichterten Einbürgerung zu einem deutschen Ehegatten ist schon durch die Schaffung der Sollvorschrift des § 9 StAG hinreichend Rechnung getragen (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.).
32 
Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer besonderen Härte.
33 
Die Annahme einer besonderen Härte setzt einen atypischen Sachverhalt voraus, der den Einbürgerungsbewerber in besonderer Weise, d.h. qualifiziert beschwert. Die Ausnahmeregelung des § 8 Abs. 2 StAG soll solchen Härten begegnen, die gerade durch die Versagung der Einbürgerung entstehen würden und sich durch eine Einbürgerung vermeiden ließen. Die Härte muss also gerade durch die begehrte Einbürgerung beseitigt oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, Stand: 08.02.2017, Rn. 15 m.w.N.). Zwar ist § 8 Abs. 2 StAG auch dann anwendbar, wenn die Grenzen der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden sind (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 21 m.w.N.). Gleichwohl gelten für ein Absehen vom Erfordernis der Straffreiheit strenge Anforderungen, weil bereits die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG zu Gunsten des Einbürgerungsbewerbers eingreifen; es müssen daher beim Einbürgerungsbewerber besonders beschwerende atypische Umstände vorliegen, die im Einzelfall ein Absehen von strafrechtlichen Verurteilungen rechtfertigen (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 22 m.w.N.). Derart besonders beschwerende atypische Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich.
34 
Im Hinblick auf das Erfordernis der Straffreiheit kann eine besondere Härte in Betracht gezogen werden, wenn allein die letzte Straftat dazu geführt hat, dass frühere Straftaten nicht getilgt werden können, die letzte Straftat Bagatellcharakter hat und dem Einbürgerungsbewerber ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten ist (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 23 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Denn die letzte Straftat des Klägers (Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 19.04.2004) hat die Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 StAG erheblich überschritten.
35 
Der Umstand, dass die Familienangehörigen des Klägers deutsche Staatsangehörige sind, begründet keine besondere Härte. Auch wenn im Hinblick auf die Familieneinheit eine einheitliche staatsangehörigkeitsrechtliche Behandlung der Familie wünschenswert ist, gebietet der grundrechtliche Schutz der Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht ein Absehen von der tatbestandlichen Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 2, a.a.O. Rn. 20 m.w.N.).
36 
Es ist auch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Versagung der Einbürgerung erhebliche negative Auswirkungen auf die eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers hätte. Der Kläger ist im Besitz einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU und hat damit einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Er hat auch mittelfristig eine konkrete Einbürgerungsperspektive, da die im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen bei weiterer Straffreiheit am 01.05.2020 tilgungsreif sind.
37 
Liegen demnach die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 StAG nicht vor, so besteht ein darüber hinausgehender Anspruch auf Einbürgerung unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 GG nicht. Die Einbürgerungsbehörde ist nicht verpflichtet, allein wegen der Ehe des Einbürgerungsbewerbers mit einem deutschen Staatsangehörigen bei Fehlen der Voraussetzungen des § 9 StAG die Einbürgerung nach § 8 StAG vorzunehmen. Ein Absehen von den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StAG gebietet der Schutz von Ehe und Familie nicht (vgl. HTK-StAR / § 9 StAG / zu Abs. 1, Stand: 13.02.2017, Rn. 5 m.w.N.).
38 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Bei der Einbürgerung bleiben außer Betracht:

1.
die Verhängung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz,
2.
Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und
3.
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer wegen einer rechtswidrigen antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Tat im Sinne von § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheits-, Geld- oder Jugendstrafe verurteilt und ein solcher Beweggrund im Rahmen des Urteils festgestellt worden ist. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 und 3 sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wird eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 3, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann. Ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 61 Nr. 5 oder 6 des Strafgesetzbuches angeordnet worden, so wird im Einzelfall entschieden, ob die Maßregel der Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann.

(2) Ausländische Verurteilungen zu Strafen sind zu berücksichtigen, wenn die Tat im Inland als strafbar anzusehen ist, die Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren ausgesprochen worden ist und das Strafmaß verhältnismäßig ist. Eine solche Verurteilung kann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sie nach dem Bundeszentralregistergesetz zu tilgen wäre. Absatz 1 gilt entsprechend.

(3) Wird gegen einen Ausländer, der die Einbürgerung beantragt hat, wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt, ist die Entscheidung über die Einbürgerung bis zum Abschluss des Verfahrens, im Falle der Verurteilung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Urteils auszusetzen. Das Gleiche gilt, wenn die Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 des Jugendgerichtsgesetzes ausgesetzt ist.

(4) Im Ausland erfolgte Verurteilungen und im Ausland anhängige Ermittlungs- und Strafverfahren sind im Einbürgerungsantrag aufzuführen.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.

Tatbestand

1

Die 1939 geborene Klägerin, eine iranische Staatsangehörige, begehrt ihre Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

2

Die Klägerin reiste 1988 in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurde 1995 als Asylberechtigte anerkannt. Im gleichen Jahr erhielt sie eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die als Niederlassungserlaubnis fortgilt.

3

Ihren ersten Einbürgerungsantrag vom Oktober 2000 lehnte die Beklagte im Mai 2003 mangels ausreichender Deutschkenntnisse der Klägerin ab.

4

Im Mai 2008 beantragte die Klägerin erneut ihre Einbürgerung. Laut Bescheid des Versorgungsamtes Dortmund vom 22. Oktober 2007 wurde bei ihr ein Grad der Behinderung von 70 und die Erfüllung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festgestellt. Eine amtsärztliche Untersuchung führte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankungen und des Alters nicht in der Lage ist, eine schulische Einrichtung zu besuchen.

5

Mit Bescheid vom 21. April 2009 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag ab, da die Klägerin keine ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse nachgewiesen habe. Von diesem Erfordernis könne nicht nach § 10 Abs. 6 StAG abgesehen werden, weil sie seit ihrer Einreise ausreichend Gelegenheit gehabt habe, die deutsche Sprache zu erlernen.

6

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG - soweit von ihnen nicht abzusehen sei - erfülle. Sie habe seit mehr als acht Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und besitze eine Niederlassungserlaubnis. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII habe sie nicht zu vertreten. Von der Voraussetzung einer Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit sei abzusehen, da der Iran faktisch keine Entlassungen vornehme. Es sei unschädlich, dass die Klägerin nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge, da nach § 10 Abs. 6 StAG von den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG abzusehen sei. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass die Klägerin aufgrund ihrer körperlichen Erkrankungen die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 StAG nicht (mehr) erfüllen könne. Ohne Belang sei, ob sie sich die entsprechenden Kenntnisse früher hätte aneignen können. Nach § 10 Abs. 6 StAG komme es nur darauf an, ob die Hinderungsgründe im Zeitpunkt der Einbürgerung vorlägen. Für diese Auffassung spreche bereits der im Präsens formulierte Wortlaut des § 10 Abs. 6 StAG. Aus den Materialien ergebe sich nichts für die Auffassung der Beklagten, dass frühere Versäumnisse des Ausländers beim Spracherwerb zu berücksichtigen seien. Dagegen spreche die Systematik des Gesetzes, das bei § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG und nicht in § 10 Abs. 6 StAG auf ein Vertretenmüssen des Ausländers abstelle. Schließlich widerspreche diese Auffassung auch nicht dem Sinn und Zweck der Einbürgerung. Denn der Gesetzgeber habe mit der Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 6 StAG zu erkennen gegeben, dass er bei krankheits- oder altersbedingter Unfähigkeit zum Spracherwerb Teilintegrationsleistungen ausreichen lasse.

7

Mit der Revision rügt die Beklagte, das Berufungsgericht habe die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 6 StAG unzutreffend ausgelegt. Die nunmehr bei der Klägerin vorliegenden krankheits- und altersbedingten Einschränkungen seien nicht der Grund dafür, dass sie die Sprachanforderungen nicht erfülle, sondern ihre diesbezüglichen Versäumnisse in der Vergangenheit. Diese vom Wortlaut gedeckte Betrachtungsweise werde durch die Entstehungsgeschichte gestützt. Denn die Änderung im Jahr 2007 gehe auf eine Anregung der Innenministerkonferenz zurück, deren Überlegungen zur sprachlichen Integration und Verschärfung der Sprachanforderungen bei der Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen seien. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts spreche die systematische Auslegung nicht gegen die Auffassung der Beklagten, da die Aufnahme eines "Vertretenmüssens" in den Gesetzestext bei den Ausnahmetatbeständen der Krankheit, Behinderung oder des Alters keinen Sinn gemacht hätte. Folge man der Auffassung des Berufungsgerichts, könne die Einbürgerung ohne aktive Bemühungen des Ausländers um Spracherwerb durch bloße "Ersitzung" herbeigeführt werden.

8

Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) entschieden, dass die Klägerin gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG einen Anspruch auf die beantragte Einbürgerung hat. Gemäß § 10 Abs. 6 StAG ist wegen ihrer Erkrankungen von den Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG abzusehen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Klägerin die danach geforderten Kenntnisse in der Vergangenheit hätte erwerben können.

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1. Maßgeblich für die Prüfung des von der Klägerin mit der Verpflichtungsklage primär verfolgten Einbürgerungsanspruchs ist die gegenwärtige Rechtslage (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 5 C 8.05 - BVerwGE 124, 268 <270> = Buchholz 130 § 11 StAG Nr. 1 S. 1<2>) und damit § 10 StAG in der aktuellen Fassung des Art. 5 Nr. 7 Buchst. c des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970, zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Juni 2012, BGBl I S. 1224). Die Übergangsvorschrift des § 40c StAG ist vorliegend ohne Bedeutung, da die Klägerin den Einbürgerungsantrag am 8. Mai 2008 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag (30. März 2007) gestellt hat.

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2. Zwischen den Beteiligten steht allein im Streit, ob zugunsten der Klägerin, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht über ausreichende Sprachkenntnisse im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 StAG verfügt, die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 6 StAG eingreift. Nach dieser Vorschrift wird von den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

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Der Senat folgt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass es für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 6 StAG nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einbürgerungsantrag - bzw. in einem Gerichtsverfahren bei Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz - ankommt. Die tatsächliche Würdigung der Vorinstanz, die Klägerin werde die ihr fehlenden Sprachkompetenzen krankheitsbedingt nicht (mehr) erlangen können (BA S. 14), wird auch von der Revision nicht infrage gestellt. Sie ist jedoch der Auffassung, dass bei der Klägerin nicht die nunmehr vorliegenden krankheitsbedingten Einschränkungen der Grund dafür seien, dass diese die Sprachanforderungen nicht erfüllen könne, sondern ihre diesbezüglichen Versäumnisse in der Vergangenheit. Dieser monokausalen Betrachtungsweise, die den Blick über die gegenwärtigen Verhältnisse hinaus auf die Frage der früheren Befähigung und etwaiger Bemühungen des Ausländers zum Spracherwerb richten und ihm zurechenbare Versäumnisse in der Vergangenheit auf Dauer einbürgerungshindernd entgegenhalten will, folgt der Senat nicht (ebenso OVG Saarlouis, Urteil vom 12. Februar 2014 - 1 A 293/13 - juris; VG Stuttgart, Urteil vom 2. Dezember 2011 - 11 K 839/11 - InfAuslR 2012, 135 <136 f.>; Berlit, in: GK-StAR, Bd. I, Stand: Juli 2012, § 10 StAG Rn. 406; Geyer, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, 2008, § 10 StAG Rn. 23).

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2.1 Gegen diesen Ansatz sprechen bereits rechtssystematische Überlegungen und der strukturelle Zusammenhang, in dem die Vorschrift des § 10 Abs. 6 StAG steht. Sie enthält in Gestalt eines obligatorischen Absehensgrundes eine Ausnahmeregelung von den in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG enthaltenen Einbürgerungsvoraussetzungen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen sowohl eines Anspruchs als auch einer Ausnahmeregelung, nach der zwingend von einer einzelnen Anspruchsvoraussetzung abzusehen ist, kommt es grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung über den Antrag an, wenn das materielle Recht keine abweichende Regelung enthält. Für einen von diesem Grundsatz abweichenden Regelungswillen des Gesetzgebers gibt auch der im Präsens gehaltene Wortlaut des § 10 Abs. 6 StAG keinerlei Anhalt.

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2.2 Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die systematische Auslegung mit Blick auf die übrigen in § 10 StAG geregelten Einbürgerungsvoraussetzungen seine Auffassung stützt. Denn die Einbürgerungsvoraussetzung der selbständigen Lebensunterhaltssicherung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG stellt mit dem immanenten Ausnahmetatbestand, dass der Ausländer die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht zu vertreten hat, auch auf sein in der Vergangenheit liegendes Verhalten ab (vgl. dazu Urteil vom 19. Februar 2009 - BVerwG 5 C 22.08 - BVerwGE 133, 153 = Buchholz 130 § 10 StAG Nr. 5, jeweils Rn. 19 ff.). Wenn der Gesetzgeber eine retrospektive Betrachtung auch in § 10 Abs. 6 StAG hätte eröffnen wollen, hätte eine entsprechende Formulierung nahe gelegen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Aufnahme eines "Vertretenmüssens" in § 10 Abs. 6 StAG bei den Ausnahmetatbeständen der Krankheit, Behinderung oder des Alters keinen Sinn gemacht hätte, da diese Hinderungsgründe dem Ausländer in kaum einem Fall zurechenbar seien. Mit diesem Einwand übersieht die Revision, dass der Gesetzgeber ein "Vertretenmüssen" nicht auf den Eintritt von Krankheit, Behinderung oder Alter hätte beziehen müssen, sondern ein solches subjektives Tatbestandsmerkmal an das Unterlassen hinreichender Bemühungen des Ausländers um den Spracherwerb in der Vergangenheit hätte knüpfen können.

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2.3 Aus den Gesetzesmaterialien und dem daraus ersichtlichen Normzweck der im Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 getroffenen staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen, die die Sprachanforderungen bei der Einbürgerung betreffen, ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Auffassung der Revision. Mit dem genannten Änderungsgesetz hat der Gesetzgeber die ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache, deren Nichtvorliegen bislang einen Ausschlussgrund nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. darstellte, systematisch den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 StAG zugeordnet (BTDrucks 16/5065 S. 228). Des Weiteren wurde auf Anregung der Innenministerkonferenz vom 5. Mai 2006 mit der Legaldefinition in § 10 Abs. 4 Satz 1 StAG der Maßstab für die Sprachanforderungen im Gesetz geregelt, um eine bundeseinheitliche Auslegung dieses Begriffes zu garantieren (BTDrucks 16/5065 S. 229). Schließlich hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 6 StAG eine Ausnahmeregelung geschaffen, die im Gesetzentwurf der Bundesregierung folgendermaßen begründet worden ist (BTDrucks 16/5065 S. 229):

"Der neue Absatz 6 enthält Ausnahmeregelungen im Hinblick auf die Sprachkenntnisse und die Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland zugunsten von kranken, behinderten Personen und Personen, die diese Anforderungen aufgrund ihres Alters nicht mehr erfüllen können."

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Weder aus dieser Einzelbegründung noch aus der Gesamtschau der Regelungen des Richtlinienumsetzungsgesetzes zu den staatsangehörigkeitsrechtlichen Sprachanforderungen sowie den programmatischen Aussagen des darin in Bezug genommenen Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 5. Mai 2006 lassen sich belastbare Anhaltspunkte für die Ansicht der Revision gewinnen. Vielmehr spricht die wiedergegebene Detailbegründung zu § 10 Abs. 6 StAG mit der Wendung "... nicht mehr erfüllen können." eher gegen ihre Rechtsauffassung. Der Wortlaut der Vorschrift selbst (BTDrucks 16/5065 S. 46 ) ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens unverändert geblieben; die gegenteilige Annahme der Revision mit dem Verweis auf die angebliche Streichung des Wörtchens "mehr" verwechselt die Ebenen von Normtext und amtlicher Begründung innerhalb des Gesetzentwurfs.

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Schließlich führt auch der Hinweis der Revision auf den Gesetzentwurf des Bundesrates (BTDrucks 16/5107) nicht weiter. Die darin vorgesehene Flexibilisierung durch eine Ermessensregelung in § 10 Abs. 6 StAG, nach der von den Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 StAG hätte abgesehen werden können, soweit der Ausländer sie aufgrund einer altersbedingten Beeinträchtigung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann, ist von der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme abgelehnt worden (BTDrucks 16/5107 S. 13 f.):

"Die Ermessensregelung in Absatz 6 lehnt die Bundesregierung ab, da bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kein Raum mehr für ein Ermessen der Staatsangehörigkeitsbehörde bleibt. Wenn der Einbürgerungsbewerber aufgrund seiner Behinderung oder seiner altersbedingten Beeinträchtigung den Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse oder der staatsbürgerlichen Kenntnisse nicht erbringen kann, muss zwingend von diesen Voraussetzungen abgesehen werden."

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Die explizite Entscheidung des Gesetzgebers für einen obligatorischen und gegen einen fakultativen Absehensgrund spricht eher gegen denn für die Auffassung der Revision. Denn wie bereits oben (unter 2.1) ausgeführt, kommt es bei einer strikten Pflicht der Verwaltung, von einer Anspruchsvoraussetzung abzusehen, grundsätzlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung über den Antrag an.

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2.4 Soweit die Revision versucht, in einer Gesamtbetrachtung aus dem Charakter der von ihr als "Schlussstein der Integration" apostrophierten Einbürgerung und der gesetzlichen Entwicklung zu den Sprachanforderungen Rückschlüsse bei der Auslegung des § 10 Abs. 6 StAG zu ziehen, vermag ihr der Senat darin nicht zu folgen. Zwar ist es richtig, dass die Einbürgerung einem Ausländer mit der deutschen Staatsangehörigkeit den stärksten rechtlichen Status vermittelt und der Gesetzgeber die Sprachanforderungen bei der Einbürgerung im Laufe der Zeit kontinuierlich verschärft hat. Aus diesem Befund lassen sich jedoch mit Blick auf die Frage, ob frühere Bemühungen um einen Spracherwerb für § 10 Abs. 6 StAG von Bedeutung sind, keine tragfähigen Schlussfolgerungen im Sinne der Revision ziehen. Denn der Gesetzgeber hat mit dieser Vorschrift bewusst eine Ausnahmeregelung zugunsten von Ausländern getroffen, die diese verschärften Anforderungen aufgrund Krankheit, Behinderung oder altersbedingt nicht mehr erfüllen können. Damit hat er für begrenzte Ausnahmekonstellationen die gestiegenen Anforderungen an die Beherrschung der deutschen Sprache kompensiert und eine Schwelle markiert, jenseits derer Bemühungen um einen Spracherwerb aus staatsangehörigkeitsrechtlicher Sicht nicht zumutbar sind.

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3. Die Klägerin erfüllt die übrigen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG, soweit nicht von ihnen zwingend abzusehen ist. Sie hat seit über acht Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und besitzt eine Niederlassungserlaubnis. Strafrechtlich ist sie nicht in Erscheinung getreten. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII hat sie nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht zu vertreten. Des Weiteren ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG von der Voraussetzung einer Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG) abzusehen, da die Islamische Republik Iran nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts faktisch keine Entlassungen vornimmt. Der Anspruchseinbürgerung der Klägerin steht der fortgeltende Zustimmungsvorbehalt in Nr. II des Schlussprotokolls zum Niederlassungsabkommen (NAK) zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17. Februar 1929 (RGBl 1930 II S. 1002, 1006; Bekanntmachung vom 15. August 1955, BGBl II S. 829) nicht entgegen (Urteile vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 41.87 - BVerwGE 80, 249 <252 ff.> = Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 34 S. 10<12 ff.> und vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 52.87 - BVerwGE 80, 233 <245, 246> = Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 35 S. 16<27, 28>). Schließlich kann sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts krankheitsbedingt auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StAG nicht erfüllen, so dass auch von dieser Einbürgerungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs. 6 StAG abzusehen ist.

Auf Einbürgerungsanträge, die bis zum 30. März 2007 gestellt worden sind, sind die §§ 8 bis 14 und 40c weiter in ihrer vor dem 28. August 2007 (BGBl. I S. 1970) geltenden Fassung anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.