Verwaltungsgericht München Urteil, 07. Dez. 2017 - M 10 K 16.3769

bei uns veröffentlicht am07.12.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Herstellungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 12. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 13. Juli 2016 wird insoweit aufgehoben, als in Nr. 1 des Bescheids ein höherer Betrag als 8.391,12 € und in Nr. 2 des Bescheids ein höherer Betrag als 157,75 € festgesetzt wurden.

II. Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 1/12 und der Beklagte 11/12 zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war erforderlich.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung eines Herstellungsbeitrags für die vom Beklagten betriebene öffentliche Entwässerungseinrichtung.

Der Beklagte betreibt seit 1961 die Abwasserbeseitigung in den Gemeinden …, … und … aufgrund seiner Entwässerungssatzung (EWS), zuletzt vom 7. Dezember 2011, als öffentliche Einrichtung.

Ursprünglich hatte der Beklagte hierfür Herstellungsbeiträge aufgrund seiner Beitrags- und Gebührensatzung vom 31. Mai 1966 nach der akkumulierten Wohnfläche bzw. Nutzungsfläche und abhängig von der Anzahl der Wohnungen erhoben. Von 1976 bis 1989 wurde der Beitrag nach der Geschossfläche der vorhandenen Gebäude festgesetzt (BGS/EWS vom 16.12.1975 mit Änderungen und vom 11.12.1986). Mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom 22. Dezember 1989, in Kraft getreten zum 1. Januar 1990, wurde der Beitragsmaßstab auf die zulässige Geschossfläche umgestellt. Übergangsweise wurde in § 20 BGS/EWS geregelt, soweit bei Inkrafttreten dieser Satzung die tatsächliche Geschossfläche geringer als die zulässige Geschossfläche sei, entstehe die Beitragspflicht für diese Mehrfläche erst mit einer Veränderung des Grundstücks, der Bebauung oder der Nutzung. Diese Übergangsvorschrift findet sich auch in späteren Neufassungen der Beitrags- und Gebührensatzungen, jeweils rückwirkend zum Zeitpunkt des Wechsels des Beitragsmaßstabs 1. Januar 1990.

Derzeit erhebt der Beklagte Herstellungsbeiträge aufgrund seiner Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 11. Dezember 2014, geändert durch Satzung vom 2. Dezember 2015.

Die Klägerin ist Inhaberin eines 18,8/1.000 Teilerbbaurechtsanteils an dem Grundstück FlNr. … Gemarkung …, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts München von …, Band …, Blatt … Mit dem Anteil am Erbbaurecht ist das Sondereigentum an dem Reihenhaus und der Garage Nr. 41 des Aufteilungsplans verbunden. Das Grundstück FlNr. … hat nach zwischenzeitlichen Zu- und Wegmessungen eine Gesamtgröße von 44.213 m²; insgesamt bestehen 94 verschiedene Teilerbbaurechte mit jeweils zugeordnetem Sondereigentum an Wohnhäusern und Garagen.

Das Grundstück wurde mit dem Bebauungsplan „Änderungsplan für das Gebiet zwischen … und …, Gemeinde … für die FlStNr. … und …“, rechtsverbindlich seit dem 2. September 1969, überplant und als reines Wohngebiet ausgewiesen. Der Bebauungsplan setzt mit Baulinien und Baugrenzen unterschiedliche Bauparzellen für drei verschiedene Haustypen fest. Die Anzahl der Vollgeschosse wird bei den Haustypen A (E+1) und B (E+1) auf 2, bei dem Haustyp C (E) auf ein Geschoss zwingend festgesetzt. Die Grundflächenzahl wird bei Typ C auf maximal 0,4, bei den Typen A und B auf maximal 0,2, die Geschossflächenzahl bei Typ C auf maximal 0,4, bei den Typen A und B auf maximal 0,7 festgesetzt.

Das Grundstück FlNr. … wurde von der Bauträger-Firma … Gesellschaft für Eigenheim- und Wohnungsbau mbH ab 1969 mit der Wohnanlage …ring bebaut, die bestellten Wohnungs- und Teilerbbaurechte wurden anschließend veräußert. Das Grundstück bzw. die Wohneinheiten wurden 1971 an das öffentliche Kanalnetz des Beklagten angeschlossen. Gegenüber dem Bauträger wurde mit einem berichtigten Beitragsbescheid vom 25. August 1971 unter Anrechnung einer Vorauszahlung vom 11. November 1969 in Höhe von 150.000 DM ein noch zu bezahlender Beitrag für die öffentliche Entwässerungseinrichtung in Höhe von 39.170,45 DM festgesetzt. Die Berechnung des Beitrags erfolgte nach der Wohnfläche der errichteten Häuser (Blatt 19 der Behördenakte).

Im Jahr 2012 stellte der Beklagte fest, dass in der Wohnanlage …ring zwischenzeitlich bauliche Erweiterungen stattgefunden hatten: 1993 und 1998 jeweils Anbau eines Wintergartens am Haus …ring 74 und …ring 73, Aufstockung der Gebäude …ring 19 im Jahr 1994, …ring 74 im Jahr 2002, …ring 60 im Jahr 2003, …ring 62 im Jahr 2005 und Anbau eines Windfangs am …ring 21 im Jahr 2012. Daraufhin führte der Beklagte eine Neuberechnung von Herstellungsbeiträgen für die öffentliche Entwässerungseinrichtung für sämtliche Gebäude der Wohnanlage …ring gemäß der damals geltenden Beitrags- und Gebührensatzung der Entwässerungssatzung nach der zulässigen Geschossfläche durch.

Mit dem streitgegenständlichen Beitragsbescheid vom 12. Dezember 2012 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für das Grundstück der Wohnanlage …ring (FlNr. … Gemarkung …*) einen Herstellungsbeitrag für die öffentliche Entwässerung in Höhe von 83.100,64 € fest (Nr. 1 des Bescheids) wobei er entsprechend dem Sondereigentum der Klägerin an dem Gebäude …ring 64 einen Beitrag in Höhe von 1.936,00 € erhob (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, für das gegenständliche Grundstück sei erstmals 1970 nach damaligem Satzungsrecht ein Beitrag für die öffentliche Entwässerung erhoben worden. Aufgrund der durchgeführten Veranlagung könne eine weitere Beitragspflicht nur entstehen, wenn sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich änderten und sich dadurch der Vorteil erhöhe. Eine Änderung in diesem Sinne sei 1990 erfolgt, als der Beitragsmaßstab auf die zulässige Geschossfläche umgestellt worden sei. Der Beitrag werde seitdem für die höchstmögliche bauliche Nutzung erhoben. Grundsätzlich sei mit der Änderung für alle bereits veranlagten Grundstücke im Verbandsgebiet eine weitere Beitragsschuld für die Geschossflächendifferenz (Unterschied zwischen abgerechneter und zulässiger Geschossfläche) entstanden. Jedoch sei in der Beitragssatzung eine Übergangsregelung aufgenommen worden, nach der die Beitragspflicht für die zulässige Geschossfläche erst mit der nächsten beitragsrelevanten Veränderung entstehe. Wie sich gezeigt habe, seien seit 1990 auf dem Grundstück mehrere bauliche Veränderungen eingetreten, die eine Nacherhebung nach der zulässigen Geschossfläche ausgelöst hätten. Da eine Abgabenschuld aber nur aufgrund einer gültigen Abgabesatzung entstehen könne und die Beitragssatzungen des Beklagten nach 1990 aus verschiedenen Gründen vom Gericht für nichtig befunden worden seien, habe der Beitrag erst mit dem Inkrafttreten der Beitrags- und Gebührensatzung vom 30. April 2008 zum 1. Januar 2008 entstehen können. Die Festsetzungsfrist betrage 4 Jahre, der Beitragsanspruch sei noch nicht verjährt.

Der Beitrag werde nach der zulässigen Geschossfläche berechnet (§ 5 Abs. 1 BGS/EWS). Diese ergebe sich entweder unmittelbar aus einem Bebauungsplan oder durch Vervielfachung der jeweiligen Grundstücksfläche mit der ermittelten Geschossflächenzahl. Soweit auf dem Grundstück eine größere Geschossfläche tatsächlich vorhanden sei, oder nur eine geringere Geschossfläche zugelassen worden sei, sei diese jeweils maßgeblich. Das Grundstück liege im Geltungsbereich des Bebauungsplans für das Gebiet zwischen … und … der Gemeinde … vom 2. September 1969. Darin seien die genaue Lage der Gebäude (Baufenster) festgelegt worden und für die unterschiedlichen Haustypen jeweils eine Geschossflächenzahl festgesetzt worden. Da das Grundstück aber nie geteilt worden sei und somit die Größe der einzelnen Bauparzellen unbekannt sei, lasse sich aus der Geschossflächenzahl keine zulässige Geschossfläche ermitteln. Zudem dürfte sich die so ermittelte Geschossfläche in vielen Fällen nicht verwirklichen lassen, da die bauliche Nutzung durch Baulinien und Baufenster begrenzt werde. Vorliegend erscheine es sachgerecht, die zulässige Geschossfläche aus der Größe und der möglichen Nutzung der für die jeweiligen Haustypen festgelegten Baufenster zu ermitteln. Die zulässige Geschossfläche betrage danach auf der Teilfläche der Klägerin 252 qm. Im Vergleich hierzu sei auf dem Grundstück eine Geschossfläche inklusive Dachgeschoss von 163,7 qm tatsächlich vorhanden. Maßgeblich sei somit die zulässige Geschossfläche. Abzüglich der anteilig bereits abgerechneten Geschossfläche von 131 qm sei der Beitrag für 121 qm nachzuerheben. Bei dem anzuwendenden Beitragssatz von 16,00 € pro qm ergebe sich ein Beitrag in Höhe von 1.936,00 €. Da vorliegend Wohnungs- und Teileigentum bestehe, sei die Beitragspflicht für die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer beschränkt. Abweichend von Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG sei die jeweilige Beitragsschuld nicht nach dem Miteigentumsanteil sondern vorteilsgerecht nach dem Sondereigentum ermittelt worden.

Auch an alle anderen Teilerbbauberechtigten ergingen anteilige Beitragsbescheide.

Gegen den Bescheid legten die Klägerbevollmächtigten am 11. Januar 2013 Widerspruch ein. Bei den meisten Anwesen hätten gerade keine baulichen Veränderungen stattgefunden. Aufgrund der Einmaligkeit der Beitragserhebung könnten für diese keine weiteren Beiträge erhoben werden. Nur für Anwesen mit baulichen Veränderungen könnten Neuberechnungen erfolgen. Richtig sei, auf das Gesamtgrundstück abzustellen und nicht auf einzelne Bauparzellen wie bei einer Wohnungseigentumseinheit. Deshalb sei allenfalls von einer Differenz zwischen zulässiger und vorhandener Geschossfläche von wenigen Quadratmetern auszugehen. Jedenfalls sei die Satzung aus dem Jahr 2008 wegen der nichtigen Übergangsregelung als nichtig anzusehen.

Aufgrund der Neufassung der Regelung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegel Straße 1 KAG (maximal 25 Jahre) sei eine Nacherhebung aufgrund Fristablaufs nicht mehr möglich. Außerdem müsse eine Geschossflächenvergrößerung wohl baurechtlich nach § 20 Abs. 4 BauNVO unberücksichtigt bleiben. Es seien lediglich zulässige Nebenanlagen hinzugekommen, welche nicht auf die zulässige Geschossfläche anzurechnen seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2016 wies das Landratsamt … den Widerspruch gegen den Herstellungsbeitragsbescheid vom 12. Dezember 2012 zurück. Eine Geschossflächenmehrung stelle kraft Gesetzes (Art. 5 Abs. 2a KAG) einen Nacherhebungstatbestand dar. Nach § 5 Abs. 9 Satz 2 Buchst. a BGS/EWS entstehe eine zusätzliche Beitragspflicht, wenn sich die zulässige Geschossfläche durch die konkrete Bebauung auf dem Grundstück später vergrößere, für die zusätzlichen Flächen. Mit Umstellung des Beitragsmaßstabs zum 1. Januar 1990 sei für das Grundstück eigentlich der Beitrag in Höhe der Differenz der Mehrfläche entstanden. Aufgrund der Übergangsregelung entstehe die Beitragspflicht allerdings erst mit einer Veränderung des Maßes der baulichen Nutzung des Grundstücks, der Bebauung oder der Nutzung. Dieser Nacherhebungstatbestand sei durch die durchgeführten Baumaßnahmen Aufstockungen und Anbauten erfüllt. Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Aufgrund Nichtigkeit der Vorgängersatzungen habe die Beitragsschuld erst mit Inkrafttreten der BGS/EWS vom 11. Dezember 2014 zum 1. Januar 2015 entstehen können. Die Festsetzungsfrist ende demnach am 31. Dezember 2018. Ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld betrage die Höchstfrist für die Festsetzung eines Beitrags 30 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eingetreten sei. Da die baulichen Veränderungen seit dem Maßstabswechsel und somit auch der Eintritt der Vorteilslage noch nicht länger als 30 Jahre zurücklägen, sei die Verjährungshöchstgrenze noch nicht eingetreten. Der Beklagte habe bei der Beitragsberechnung die zulässige Geschossfläche nach den überbaubaren Flächen ermittelt, insgesamt eine zulässige Geschossfläche von 22.230,33 qm. Abzüglich der bereits abgerechneten Geschossfläche von 13.319,48 qm sei somit ein Beitrag von 8.910,85 qm nachzuerheben gewesen. Jedoch lasse sich die zulässige Geschossfläche in vielen Fällen durch die festgesetzten Baulinien und Baufenster nicht realisieren. Mit entsprechender Korrektur nach der Größe der jeweiligen Baufenster und der maximalen Anzahl der Vollgeschosse habe der Beklagte eine beitragspflichtige Geschossfläche von nur noch 18.290,94 qm ermittelt. Dadurch ergebe sich eine Nacherhebung für eine Geschossfläche von 4.971,46 qm. Die Entscheidung des Beklagten, den Beitrag nicht nach dem WEG-Anteil der Eigentümer sondern vorteilsgerecht nach ihrem Sondereigentum zu veranlagen, sei nicht zu beanstanden.

Der Widerspruchsbescheid wurde am 22. Juli 2016 zugestellt.

Die Klägerin hat am 22. August 2016 beim Verwaltungsgericht München Klage erhoben und beantragt,

den Herstellungsbeitragsbescheid des Beklagten vom 12. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 13. Juli 2016 aufzuheben.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Häuser seien auf der rechtlichen Grundlage eines einheitlichen Erbbaurechts errichtet worden, es gebe bisher keine Teilerbbaurechte. Der frühere Bauträger habe damals Erschließungskosten einheitlich für alle Einheiten bezahlt. Fraglich sei, auf welcher Rechtsgrundlage nun von einzelnen Personen Beiträge erhoben würden. Richtiger Adressat der Beitragserhebung sei die Gemeinschaft der Erbbauberechtigten. Fraglich sei, ob nach Sondereigentumsanteilen und nicht nach Miteigentumsanteilen zu veranlagen sei. Die Berechnung der jetzt erhobenen Beiträge könne nicht nachgeprüft werden. Es sei festzustellen, welcher schon bezahlte Beitrag konkret bei dem nach Auffassung des Beklagten beitragspflichtigen Gebäude anzurechnen sei. Der Beklagte habe darzulegen, inwieweit für maßgeblich erachtete Veränderungen bei einem Haustyp für die anderen Typen in gleicher Weise gälten, denn die Nacherhebung sei pauschal über alle Typen berechnet worden. Es gehe auch um die Frage der Unterscheidung Mittelhaustypen und Reiheneckhäuser.

Zur Verjährung müsse in Abrede gestellt werden, dass die Vorgängersatzungen nichtig gewesen seien. Es komme darauf an, zu welchem Zeitpunkt ein ergänzender Beitrag entstanden sein könnte. Die veränderten Verhältnisse seien bei einer Ortseinsicht im Jahr 1990 festgestellt worden. Dann wäre auch die verlängerte Verjährungsfrist jedenfalls mit Ende des Jahres 2010 abgelaufen. Es sei von einer ursprünglich wirksamen Satzung auszugehen. Im Übrigen sei die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 5. März 2013 geforderte Neuregelung nicht in verfassungskonformer Weise umgesetzt worden. Eine Frist von 20 oder 30 Jahren genüge jedenfalls dem Erfordernis ausreichender Rechtssicherheit für die Bürger nicht, soweit nicht wenigstens ein Bescheid innerhalb der regulären Verjährungsfrist erlassen worden sei.

Der Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

Es wird ausgeführt, die Bescheidadressaten seien als Erbbauberechtigte persönlich beitragspflichtig. Gegenüber der Gemeinschaft der Erbbauberechtigten habe kein Beitragsbescheid erlassen werden können. Die Heranziehung der Erbbauberechtigten entsprechend ihrem Sondereigentumsanteil wirke sich nur zu ihrem Vorteil aus, da grundsätzlich mehrere Beitragspflichtige als Gesamtschuldner hafteten. Festsetzungsverjährung oder ein Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist lägen nicht vor. Frühere Beitrags- und Gebührensatzungen seien von der erkennenden Kammer für nichtig gehalten worden, so dass jedenfalls seit 1990 erstmals mit der BGS/EWS vom 11. Dezember 2014 wirksames Satzungsrecht vorliege. Die vor 1990 vorhandenen Beitrags- und Gebührensatzungen seien ebenfalls nichtig gewesen. Die Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG komme ebenfalls nicht zum Tragen. Zwar wäre aufgrund der Umstellung des Beitragsmaßstabs von der vorhandenen auf die zulässige Geschossfläche zum 1. Januar 1990 die Vorteilslage entstanden. Die Satzung habe jedoch eine Übergangsregelung enthalten, wonach die Beitragspflicht für die Mehrfläche erst mit einer Veränderung des Maßes der baulichen Nutzung, des Grundstücks, der Bebauung oder der Nutzung entstehe. Bauliche Änderungen seien erst mit der im Jahre 1993 vorgenommenen Aufstockung erfolgt. Diese Maßnahme sei dem Beklagten unter Verstoß gegen die Meldepflicht aus der Satzung nicht angezeigt worden. Damit verlängere sich die 20jährige Ausschlussfrist auf 25 Jahre. Die im Kommunalabgabenrecht neugeregelte Ausschlussfrist stehe mit höherrangigem Recht in Einklang.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 9. März 2017 wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2017 ergänzte und vertiefte der Klägerbevollmächtigte das Klagevorbringen. Insbesondere wird zur Verjährung und zu der in Art. 13 KAG neu geregelten gesetzlichen Ausschlussfrist, die aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 eingeführt wurde, weiter ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen.

Das Gericht hat mit Beschluss vom 29. Juni 2017 dem Beklagten aufgegeben, eine Neuberechnung des auf das Teilerbbaurecht der Klägerin entfallenden Herstellungsbeitrags für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklagten durchzuführen. Für die geforderte Neuberechnung wurden ausführliche rechtliche Hinweise gegeben; hierauf wird Bezug genommen.

Der Beklagte legte mit Schriftsatz vom 3. August 2017 eine Neuberechnung der Beitragsforderungen entsprechend den gerichtlichen Hinweisen vor. Die Neuberechnung wurde mit den Beteiligten am 18. September 2017 erörtert; die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Über die Klage wird mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden, § 101 Abs. 2 VwGO.

2. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Der angefochtene Beitragsbescheid des Beklagten vom 12. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 13. Juli 2016 ist insoweit rechtswidrig, als in Ziff. 1 des Bescheids für das gesamte Grundstück ein höherer Betrag als 8.391,12 € und in Ziff. 2 des Bescheids zulasten der Klägerin ein höherer Betrag als 157,75 € festgesetzt wurden, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nur in der genannten Höhe steht dem Beklagten eine Beitragsforderung zu.

Ein Herstellungsbeitrag für die öffentliche Entwässerungseinrichtung des Beklagten nach dem Beitragsmaßstab zulässige Geschossfläche ist erstmalig mit Inkrafttreten der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Beklagten vom 11. Dezember 2014 zum 1. Januar 2015 entstanden; frühere Beitragssatzungen mit dem Beitragsmaßstab zulässige Geschossfläche ab 1990 waren unwirksam (2.1). Die Höhe des Herstellungsbeitrags errechnet sich im vorliegenden Fall nach der tatsächlich vorhandenen Geschossfläche, da diese im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld größer ist als die für das Grundstück zulässige Geschossfläche, § 5 Abs. 2 Satz 6 BGS/EWS 2014 (2.2). Die die zulässige Geschossfläche überschießende Geschossfläche kann aber nur teilweise herangezogen werden, da entweder eine Beitragsforderung längst verjährt ist (2.3), oder aber das gesetzliche Festsetzungsverbot des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegel Straße 1 KAG gilt (2.4). Von der verbleibenden Forderung kann gegenüber der Klägerin ein ihrem Teilerbbaurecht entsprechender Anteil geltend gemacht werden (2.5), Verjährung ist insoweit nicht eingetreten (2.6).

2.1 Die für die streitgegenständliche Beitragserhebung erforderliche Rechtsgrundlage ist vorliegend die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung des Beklagten vom 11. Dezember 2014, die zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist.

a) Offen bleiben kann, ob zum Zeitpunkt der Errichtung bzw. des Anschlusses der Wohnanlage …ring an die Entwässerungseinrichtung Herstellungsbeiträge nach der Wohnfläche (aufgrund der Beitrags- und Gebührensatzung vom 31. Mai 1966 bzw. Neufassung vom 24. November 1970) entstanden waren, oder ob nach den späteren Beitrags- und Gebührensatzungen zur Entwässerungssatzung (vom 16. Dezember 1975, in Kraft ab 1. Januar 1976, und vom 11. Dezember 1986, in Kraft ab 1. Oktober 1983) für den Zeitraum von 1976 bis 1989 jeweils nach dem Beitragsmaßstab der tatsächlichen Geschossfläche Herstellungsbeiträge entstanden, oder ob sämtliche Satzungen vor dem intendierten Maßstabswechsel von der tatsächlichen zur zulässigen Geschossfläche unwirksam waren.

aa) Sollten die Beitragssatzungen in diesem Zeitraum unwirksam gewesen sein, greift für die schon seit 1969 vorhandene Bebauung zweifellos das gesetzliche Festsetzungsverbot des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG für eine mehr als 20 oder auch 25 Jahre zurückliegende Vorteilslage; der Vorteil entstand spätestens 1971 mit Anschluss des Grundstücks an die öffentliche Entwässerungseinrichtung.

bb) Wenn die Beitragssatzungen in diesem Zeitraum wirksam waren, entstanden Beitragsforderungen für die ursprünglich seit 1969 vorhandene Bebauung mit dem Anschluss des Grundstücks (bzw. mit dessen Anschlussmöglichkeit) und mit Inkrafttreten einer wirksamen Abgabesatzung.

Nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 31.7.1992 - 23 B 89.2117 - BeckRS 1992,11017) war jedenfalls die Beitrags- und Gebührensatzung vom 11. Dezember 1986, rückwirkend in Kraft ab 1. Oktober 1983, wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Herstellungsbeitrags. Zwar sei die Satzung in materiell rechtlicher Hinsicht in verschiedenen Punkten zu beanstanden; dies würde aber nur zu einer Teilnichtigkeit führen, da die verbleibenden Satzungsregelungen selbständig bestehen bleiben könnten und zur Entstehung einer Beitragsforderung führen würden.

Soweit Herstellungsbeiträge für die seit 1969 tatsächlich vorhandene Bebauung entstanden, aber nicht oder nicht vollständig festgesetzt wurden, wären die Beiträge aufgrund der vierjährigen Verjährung gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 3 KAG längst verjährt, da der Beklagte auch Kenntnis vom Umfang der damaligen tatsächlichen Bebauung hatte, sodass die Beitragsforderung aus tatsächlichen Gründen auch hätte berechnet werden können, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 1 KAG.

cc) Nach dem 31. Dezember 1989 konnten keine Herstellungsbeiträge mehr aufgrund der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 11. Dezember 1986 entstehen, da diese von der neuen BGS/EWS vom 22. Dezember 1989/5. Februar 1990 aufgehoben wurde.

Nach § 20 Abs. 2 BGS/EWS 1990 ist die Satzung [BGS/EWS] vom 16. Dezember 1975, zuletzt geändert durch Satzung vom 1. Januar 1987, aufgehoben worden. Diese Aufhebungsregelung bleibt grundsätzlich auch dann wirksam, wenn die anstelle der früheren Abgabesatzung getretene neue Satzung aus materiellen Gründen ungültig ist. Der Satzungsgeber hat durch die mit der beabsichtigten Neuregelung verbundene Aufhebung der alten Satzung zu erkennen gegeben, dass er das in dieser Satzung enthaltene Recht nicht mehr angewendet wissen will. Im Hinblick auf die Möglichkeit, eine ungültige Abgabesatzung rückwirkend durch eine gültige zu ersetzen, kann dem Satzungsgeber nicht unterstellt werden, dass er für den Fall der Nichtigkeit der Neuregelung die Fortgeltung der alten Satzung gewollt habe (BayVGH, U.v. 10.12.1996 - 23 B 93.3672 - VGH n.F. 49, 203 unter Hinweis auf Wuttig/ Hürholz/Peters, Gemeindliches Satzungsrecht, Teil I Frage 11; vgl. auch Happ in Schieder/Happ, BayKAG, 16. Lfg. der 3. Aufl., Stand Juni 2016, Erl. Art. 2 Rn. 84a a.E.).

Damit wurde die Beitragserhebung nach der tatsächlichen Geschossfläche mit der BGS/EWS vom 22. Dezember 1989/5. Februar 1990 aufgegeben, auch wenn diese neue Satzung inhaltlich fehlerhaft und damit materiell nichtig war (siehe unten). Ab dem 1. Januar 1990 entstanden keine neuen Beiträge nach der tatsächlichen Geschossfläche mehr.

b) Ein Wechsel des Beitragsmaßstabs ist mit einer neuen wirksamen Abgabesatzung grundsätzlich möglich.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Wechsel des Beitragsmaßstabs von der tatsächlichen zur zulässigen Geschossfläche als solcher nicht zu beanstanden; es steht dem kommunalen Satzungsgeber frei, einen in einer früheren Satzung enthaltenen Beitragsmaßstab durch einen anderen zu ersetzen (BayVGH, U.v. 11.7.2000 - 23 B 00.412 - juris). Die Neuregelung der Beitragspflicht führt nicht zu einer gleichheitswidrigen Behandlung derjenigen Grundstückseigentümer, für die erstmals eine Beitragspflicht entstanden ist (Neuanschließer) und derjenigen, für die bereits zuvor eine Beitragspflicht begründet war (Altanschließer), da für beide Gruppen der gleiche Maßstab gilt und für die Altanschließer eine weitere Beitragsschuld in Höhe der Differenz zwischen zulässiger Geschossfläche und bereits abgegoltener, vorhandener Geschossfläche - aufgrund einer Übergangsregelung - erst dann entsteht, wenn die Geschossfläche tatsächlich vergrößert wird (BayVerfGH, E.v 8.1.2002 - Vf. 6-VII-00 - VerfGHE n.F. 55, 1).

Begrifflich liegt ein Maßstabswechsel also nur vor, wenn vorher aufgrund einer wirksamen Abgabesatzung ein bestimmter Maßstab (hier der tatsächlichen Geschossfläche) Anwendung fand, der aufgrund einer neuen wirksamen Abgabesatzung durch einen anderen Maßstab (hier der zulässigen Geschossfläche) abgelöst wird. Soweit eine frühere Satzung formell- oder materiell-rechtlich unwirksam war, war auch der frühere Maßstab wegen der Nichtigkeit der Satzung gegenstandslos, sodass begrifflich kein Wechsel des Maßstabs vorliegt, wenn nun erstmals eine wirksame Abgabesatzung einen Beitragsmaßstab festlegt. Denn nun erst kann mit der wirksamen Abgabesatzung ein Beitrag entstehen.

c) Die vom zeitlichen Geltungsbereich her für die baulichen Erweiterungsmaßnahmen auf dem streitgegenständlichen Grundstück im Zeitraum von 1993 bis 2012 anwendbaren früheren Beitragssatzungen ab dem 1. Januar 1990 waren sämtlich nichtig.

Ab 1990 galten zunächst die BGS/EWS vom 22. Dezember 1989, die rückwirkend durch die BGS/EWS vom 5. Februar 1990 ersetzt wurde. Weitere Neufassungen der BGS/EWS waren vom 26. Februar 1997 (in Kraft ab 1. Januar 1997), vom 23. Juni 1999 (in Kraft zum 1. September 1999), vom 1. August 2000 (in Kraft am 22. August 2000), vom 10. Dezember 2003 (in Kraft 1. Januar 2004), vom 2. August 2006 (in Kraft 25. August 2006), vom 27. November 2007 (in Kraft 1. Januar 2008), vom 30. April 2008 (in Kraft rückwirkend zum 1. Januar 2008) und vom 7. Dezember 2011 (in Kraft zum 1. Januar 2012). Diese Satzungen waren alle im Beitragsteil nichtig, zum Teil wegen der geschossweisen Regelung zum Anschlussbedarf (VG München, U.v. 4.12. 2003 – M 10 K 02.4056; BayVGH, U.v. 20.7.2004 – 23 BV 04.152), wegen unzulässiger Dachgeschossregelungen für Außenbereichsgrundstücke, wegen Heranziehung von Kellern im Außenbereich im Gegensatz zum Innenbereich, sowie wegen einer fehlenden Regelungen beim Beitragsmaßstab der zulässigen Geschossfläche für den Fall, dass in einem Bebauungsplan für das Maß der zulässigen Geschossfläche eine Grundflächenzahl und eine Wandhöhe festgesetzt sind, bzw. dass sich die Geschossfläche aus der Grundfläche der baulichen Anlage und der Wandhöhe ergibt (VG München, U.v. 7.4.2016 – M 10 K 15.4201). Mit dem letztgenannten Urteil vom 7. April 2016 wurde nicht mehr an der Auffassung früherer Entscheidungen (VG München, U.v. 2.12.2010 – M 10 K 10.819; U.v. 8.10.2015 – M 10 K 14.4643) festgehalten, wonach die BGS/EWS vom 30. April 2008 wirksam sei.

Damit ist die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 11. Dezember 2014 (BGS/EWS 2014), in Kraft getreten zum 1. Januar 2015, die für den maßgeblichen Zeitraum ab 1993 (erstmalige Erweiterung eines Anwesens im Wohngebiet …ring) erstmals für die Beitragserhebung wirksame Satzung, welche sowohl formell als auch materiell rechtlich nicht zu beanstanden ist (VG München, U.v. 7.4.2016 – M 10 K 15.4201). Die Klägerin hat nichts vorgetragen, was die Rechtmäßigkeit dieser Satzung infrage stellen würde.

2.2 Nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 6 BGS/EWS 2014 wird der Beitrag nach der zulässigen Geschossfläche berechnet; ist zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld eine größere Geschossfläche zugelassen oder vorhanden, so ist diese zugrunde zu legen. Vorliegend kann allerdings nur die seit 1993 hinzugekommene Geschossfläche zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen werden.

a) Nach § 17 Abs. 3 BGS/EWS 2014 entsteht, soweit die Beitragsschuld vor dem 1. Januar 1990 entstanden ist und die tatsächliche Geschossfläche geringer als die zulässige Geschossfläche ist, die Beitragspflicht für diese Mehrfläche erst mit einer Veränderung des Maßes der baulichen Nutzung, des Grundstücks, der Bebauung oder der Nutzung. Diese Übergangsregelung soll Härten infolge des Wechsels des Beitragsmaßstabs von der vorhandenen Geschossfläche (nach der BGS/EWS vom 16. Dezember 1975 bzw. vom 11. Dezember 1986) zum Maßstab der zulässigen Geschossfläche (BGS/EWS vom 22. Dezember 1989 und nachfolgende) ausgleichen. Die Übergangsregelung schützt zum einen die Beitragspflichtigen, da diese nicht sofort mit dem Beitragsmaßstabswechsel mit einem weiteren Herstellungsbeitrag belastet werden (bei einer die tatsächliche Geschossfläche übersteigenden zulässigen Geschossfläche), und schützt zum anderen auch den Beklagten als Beitragsgläubiger davor, sofort mit Inkrafttreten des Beitragswechsels zur Vermeidung von Festsetzungsverjährung sämtliche Grundstücke im Zuständigkeitsbereich auf eventuelle Beitragserhöhungen überprüfen zu müssen. Eine hinzukommende Beitragspflicht in Folge des Maßstabswechsels wird weiter hinausgeschoben bis zu einer Veränderung des Maßes der baulichen Nutzung, des Grundstücks, der Bebauung oder der Nutzung, für welche Fälle sowohl der Beitragsschuldner als auch der Beitragsgläubiger ohnehin mit einer Neuberechnung der Beitragspflicht rechnen müssen.

b) Diese Übergangsregelung ist allerdings nach den tatsächlichen Feststellungen des Beklagten im vorliegenden Fall schon deshalb nicht anwendbar, da bereits bei der ursprünglichen Bebauung des Grundstücks die tatsächliche Geschossfläche größer als die nach dem Bebauungsplan zulässige Geschossfläche war. Nach der mit Schriftsatz des Beklagten vom 3. August 2017 vorgelegten Neuberechnung ergibt sich, dass die vorhandene Geschossfläche auf dem Grundstück FlNr. … im Jahr 1971 bereits 18.231,32 m² betrug, demgegenüber wurde eine zulässige Geschossfläche nach den Festsetzungen des Bebauungsplans von 17.339,8 m² ermittelt.

c) Unabhängig von der Übergangsregelung entsteht aber mit Inkrafttreten der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 11. Dezember 2014 die Beitragsschuld für die die zulässige Geschossfläche übersteigende tatsächliche Geschossfläche gemäß § 3 Abs. 2 BGS/EWS 2014. Danach entsteht die Beitragsschuld erst mit Inkrafttreten dieser Satzung, soweit erstmals eine wirksame Satzung erlassen wird und der Beitragstatbestand vor dem Inkrafttreten dieser Satzung zum 1. Januar 2015 erfüllt ist.

aa) Nach den Feststellungen des Beklagten – auf den Aufklärungsbeschluss vom 29. Juni 2017 hin – ist im Geltungsbereich des Bebauungsplans für das streitgegenständliche Grundstück eine als Beitragsmaßstab nach § 5 Abs. 1 BGS/EWS 2014 zugrunde zu legende zulässige Geschossfläche von insgesamt 17.339,8 m² festgesetzt:

Für die Ermittlung der zulässigen Geschossfläche wurde nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 BGS/EWS 2014 der Bebauungsplan für das Gebiet zwischen … und … für die FlNr. … und … vom 2. September 1969 zugrunde gelegt, den das Gericht als rechtsgültig ansieht. Dabei wurde die zulässige Geschossfläche für das Grundstück Fl. Nr. … insgesamt (mit seiner aktuellen Fläche von 44.213 m² laut Grundbuch des Amtsgerichts München von … Bd. … Bl. …*) nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BGS/EWS 2014 mit der Geschossflächenzahl, unterschieden für die Bautypen A und B von 0,7 und für den Bautyp C von 0,4 ermittelt. Die Teilflächen, auf welchen die unterschiedlichen Bautypen A, B und C festgesetzt sind, wurden dabei nach den Außengrenzen des Grundstücks und innerhalb des Grundstücks nach den festgesetzten Verkehrsflächen als Begrenzungen ermittelt.

Soweit sich die insgesamt zulässige Geschossfläche aufgrund der Festsetzungen im Bebauungsplan zu den Baugrenzen/Baulinien in Verbindung mit den Traufhöhen und der Zahl der Vollgeschosse tatsächlich nicht verwirklichen lässt, wurde nach § 5 Abs. 2 Satz 7 BGS/EWS die geringere Geschossfläche als maßgeblich angesetzt.

bb) Für die Ermittlung der vorhandenen tatsächlichen Geschossfläche findet nach § 5 Abs. 2 Satz 8 BGS/EWS 2014 Abs. 8 Satz 2 und 3 Anwendung. Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude zu ermitteln; Dachgeschosse werden, auch wenn sie keine Vollgeschosse sind, herangezogen, jedoch nur soweit sie ausgebaut sind.

Nach den nachvollziehbaren Ermittlungen des Beklagten beträgt danach die tatsächliche Geschossfläche aktuell 18.755,76 m². Im Jahr 1971 war zunächst eine tatsächliche Geschossfläche von 18.231,32 m² errichtet worden. Infolge der Erweiterungs- und Ausbaumaßnahmen ab 1993 sind damit 524,44 m² Geschossfläche hinzugekommen.

cc) Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 Satz 6 BGS/EWS 2014 ist, wenn im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld (nach § 3 Abs. 2 BGS/EWS 2014 mit in Kraft treten dieser Satzung, s.o.) u.a. eine größere Geschossfläche [als die zulässige] vorhanden ist, diese zugrunde zu legen. Danach wäre die Differenz zwischen der aktuellen tatsächlichen Geschossfläche von 18.755,76 m² und der zulässigen Geschossfläche von 17.339,8 m², also 1.415,96 m² als überschießende tatsächliche Geschossfläche zu einem Beitrag heranzuziehen.

2.3 Wenn man von einer Gültigkeit der früheren Beitrags- und Gebührensatzung vom 11. Dezember 1986, rückwirkend in Kraft ab 1. Oktober 1983 ausgeht (s.o. 2.1 a) bb)), wäre die schon mit der erstmaligen Errichtung der Wohnanlage …ring verwirklichte damalige Geschossfläche von 18.231,32 m² nicht mehr zur Beitragsberechnung heranzuziehen, da für diese Geschossfläche mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 11. Dezember 1986 die Beitragsforderung entstanden und längst festsetzungsverjährt wäre. Damit kann nur die seit 1993 hinzugekommene Fläche von 524,44 m², für die seit dem beabsichtigten Maßstabswechsel im Jahr 1990 keine wirksame Abgabensatzung mehr vorlag, aufgrund der BGS/EWS 2014 herangezogen werden.

2.4 Sollte nach den früheren Abgabensatzungen wegen deren Unwirksamkeit keine Beitragspflicht entstanden sei, kann ebenfalls nur die seit 1993 hinzugekommene Fläche von 524,44 m² aufgrund der BGS/EWS 2014 herangezogen werden, da die ursprüngliche Geschossfläche, auch wenn eine Beitragspflicht aufgrund unwirksamer Beitragssatzungen nicht entstand, aufgrund der gesetzlichen Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG nicht mehr herangezogen werden kann. Mit dieser durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70) eingeführten Regelung ist die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2 a KAG vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Ausschlussfristregelung bestehen keinerlei Bedenken (vgl. BayVGH, U.v. 2.3.2015 - 20 B 14.1441; BVerwG, B.v. 3.9.2015 - 9 B 39/15, jeweils juris).

Für die bereits seit 1971 vorhandene Bebauung kann damit dahinstehen, ob ursprünglich auf Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzungen von 1966 bzw. 1970 ein Beitrag nach der Wohnfläche oder nach den späteren Beitragssatzungen von 1975 bis 1986 ein Beitrag nach der vorhandenen Geschossfläche entstanden war, oder ob erst aufgrund der erstmals mit dem Beitragsmaßstab zulässige Geschossfläche wirksamen BGS/EWS vom 11. Dezember 2014 ein Beitrag nach der zulässigen Geschossfläche bzw. der diese überschießenden tatsächlichen Geschossflächen entstehen konnte.

Die schon seit 1971 vorhandene tatsächliche Geschossfläche (ohne spätere Geschossflächenmehrungen seit 1993) unterfällt insgesamt der gesetzlichen Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG. Denn die Vorteilslage liegt seit der Bebauung und dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks an die öffentliche Entwässerungseinrichtung seit 1971 vor (vgl. die Gründe des Beschlusses vom 29. Juni 2017). Erst die weiteren Baumaßnahmen ab 1993 bis 2012, die vom Beklagten erst 2012 festgestellt wurden, führten insoweit zu einer beitragsrelevanten neuen Vorteilslage für die hinzugekommene Geschossfläche. Für diese neu hinzugekommene Vorteilslage findet wiederum ab dem neuen Vorteil die reguläre 20-jährige bzw. 25-jährige Ausschlussfrist Anwendung. Zum Zeitpunkt der Beitragserhebung durch den angefochtenen Bescheid vom 12. Dezember 2012 war aber die 20-jährige gesetzliche Ausschlussfrist für die hinzugekommenen Geschossflächen ab 1993 noch nicht verstrichen. Insoweit findet für diese Geschossflächenmehrung gegenüber der ursprünglichen Bebauung die gesetzliche Ausschlussfrist damit keine Anwendung. Der Beklagte konnte zu Recht für die seit 1993 neu hinzugekommenen zusätzlichen Geschossflächen einen Herstellungsbeitrag festsetzen. Dies allerdings nicht in der von ihm ursprünglich geforderten Höhe, sondern aufgrund der Neuberechnung (Schriftsatz vom 3. August 2017) nur für die tatsächlich neu hinzugekommenen Geschossflächen, ohne dass es auf frühere Wohnflächen ankäme. Für das Grundstück FlNr. … ist damit aufgrund der BGS/EWS vom 11. Dezember 2014 insgesamt ein Beitrag zur Entwässerungseinrichtung in Höhe von (524,44 qm x 16,00 € pro qm) 8.391,12 € entstanden.

Unerheblich ist dabei, dass im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids vom 12. Dezember 2012 noch keine wirksame Beitragssatzung vorlag, da die nun wirksame BGS/EWS vom 11. Dezember 2014 erst zum 1. Januar 2015 in Kraft trat. Nach ständiger Rechtsprechung wird ein nicht bestandskräftiger Beitragsbescheid, der wegen nichtiger Satzung (hier der BGS/EWS vom 7.12.2011) zunächst rechtswidrig ist, durch eine wirksame neue Satzung, auch wenn dieser keine Rückwirkung zukommt, rechtmäßig (BayVGH, U.v. 29.4.2010 - 20 BV 09.2010 - BayVBl 2011, 240; B.v. 6.4.2000 - 23 CS 99.3727 – BayVBl 2000, 472 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 25.11.1981 - 8 C 14/81 - BVerwGE 64, 218).

Die Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 2 KAG sieht zudem vor, dass für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit der Maßgabe gilt, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt. Selbst wenn man die Verfassungsmäßigkeit dieser Übergangsregelung in Frage stellt (vgl. BayVGH, U.v. 12.3.2015 – 20 B 14.1441 – juris Rn. 28; a.A. BayVGH, U.v. 24.2.2017 – 6 BV 15.1000 – juris Rn. 29 a.E.), würde wohl die 25-Jahresfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG gelten, da ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht vorlag. Diejenigen, die bauliche Erweiterungen an Gebäuden in der Wohnanlage …ring mit Auswirkungen auf die Beitragshöhe vorgenommen hatten, hätten dies nach Art. 5 Abs. 2a KAG bzw. § 18 BGS/EWS mitteilen müssen.

2.5 Der auf das Gesamtgrundstück entfallende Herstellungsbeitrag von 8.391,12 € ist auf die Wohnungs- und Teilerbbauberechtigten entsprechend ihrer im Grundbuch eingetragenen Anteile aufzuteilen, § 5 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 KAG i.V.m. § 30 Abs. 1 WEG. Nach § 30 Abs. 1 WEG können, wenn ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zusteht, die Anteile in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Mitberechtigten das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem aufgrund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird (Wohnungserbbaurecht, Teilerbbaurecht). Sinn und Zweck der Regelung des Art. 5 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 KAG getroffenen Regelungen, dass Wohnungs- und Teileigentümer nicht als Gesamtschuldner, sondern nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil beitragspflichtig sind (BayVGH, U.v. 12.1.1990 – 23 B 88.1295 – NJW-RR 1990, 718), trifft ebenso auf Wohnungs- und Teilerbbauberechtigte zu; gerade auch die Regelung von Wohnungs- und Teilerbbauberechtigungen in § 30 WEG zeigt, dass das Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) entsprechend für Wohnungs- und Teilerbbauberechtigte Anwendung findet. Damit ergibt sich für die mit einem 18,8/1.000 Erbbaurechtsanteil im Grundbuch eingetragene Klägerin eine anteilige Beitragsforderung von (18,8/1.000 x 8.391,12 € =) 157,75 €.

2.6 Die erst mit Inkrafttreten der letzten Beitrags- und Gebührensatzung zum 1. Januar 2015 entstandene Beitragsforderung, die mit dem angefochtenen Beitragsbescheid festgesetzt wurde, ist auch offensichtlich nicht nach §§ 169 ff AO festsetzungsverjährt.

Damit ist der angefochtenen Beitragsbescheid vom 12. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 13. Juli 2016 insoweit aufzuheben, als in Nr. 1 des Bescheids ein höherer Betrag als der auf das Gesamtgrundstück entfallende von 8.391,12 € und in Nr. 2 des Bescheids ein höherer Betrag als der auf die Klägerin entfallende von 157,75 € festgesetzt wurden. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten. Die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ausgesprochen.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

5. Die Zulassung der Berufung erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO, hinsichtlich der Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG.

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Verwaltungsgericht München Urteil, 07. Dez. 2017 - M 10 K 16.3769 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 20 Vollgeschosse, Geschossflächenzahl, Geschossfläche


(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden. (2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche i

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 30 Wohnungserbbaurecht


(1) Steht ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zu, so können die Anteile in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Mitberechtigten das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestim

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Tenor I. Die Verfahren werden eingestellt, soweit sie von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt worden sind. II. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen. III. Von den Kosten des Verfahrens haben die Kläger g

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(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden.

(2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Absatz 3 zulässig sind.

(3) Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind.

(4) Bei der Ermittlung der Geschossfläche bleiben Nebenanlagen im Sinne des § 14, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen (seitlicher Grenzabstand und sonstige Abstandsflächen) zulässig sind oder zugelassen werden können, unberücksichtigt.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Tenor

I.

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

II.

Der Herstellungsbeitragsbescheid des Beklagten vom ... Mai 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes ... vom ... September 2014 wird insoweit aufgehoben, als ein höherer Betrag als 1.954,06 € festgesetzt wurde.

III.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

IV.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Herstellungsbeitrag zur Entwässerungseinrichtung durch den Beklagten.

Der Beklagte betreibt eine öffentliche Entwässerungsanlage in der Rechtsform eines Zweckverbandes. Der öffentliche Kanal im ...-weg wurde im Jahr 1984 verlegt. Der Kläger ist zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des Grundstücks ...-weg 3 (Fl.Nrn. ..., ... und ...) der Gemarkung ... Die Grundstücke hatten zunächst die Fl.Nrn. ..., ... und ... (alt) und waren zum damaligen Zeitpunkt auf verschiedenen Grundbuchblättern, die Flurstücke jeweils unter einer eigenen laufenden Nummer im Grundbuch aufgeführt und standen im Eigentum der Gemeinde ... Mit Eintragung im Grundbuch am ... August 2010 wurde die Fl.Nr. ... (alt) in die Fl.Nrn. ... und ... geteilt. Mit Eigentumsübergang an den Kläger und seine Ehefrau am ... September 2010 wurden die Grundstücke Fl.Nrn. ..., ... und ... auf das Grundbuchblatt ... übertragen. Am 18. Januar 2011 entstand das gegenwärtige Grundstück ...-weg 3 durch Vereinigung der Hinterliegergrundstücke Fl.Nrn. ... und ... mit dem Vorderliegergrundstück Fl.Nr. ... Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am ... Juli 1994 in Kraft getretenen Bebauungsplanes Nr. ... der Gemeinde ... In diesem ist vorgesehen, dass die Grundstücke Fl.Nrn. ..., ..., ... und ... und das Grundstück Fl.Nr. ... (alt) jeweils eine Bauparzelle bilden.

Mit Bescheid vom ... Mai 2013 setzte der Beklagte für das streitgegenständliche Grundstück ...-weg 3 (Fl.Nrn. ..., ... und ..., Gemarkung ...) einen Herstellungsbeitrag für die öffentliche Entwässerungseinrichtung in Höhe von 6.259,06 EUR fest.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 22. Mai 2013 für sich und seine Ehefrau Widerspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass er nicht Beitragsschuldner sei, da das Grundstück bereits früher erschlossen gewesen und die Beitragsschuld somit bereits zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sei, als er noch nicht Eigentümer des Grundstücks gewesen sei. Der Beklagte legte den Widerspruch dem Landratsamt ... zur Entscheidung vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom ... September 2014 wies das Landratsamt ... als Widerspruchsbehörde den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beitragsschuld für die Hinterliegergrundstücke erst mit Vereinigung der Fl.Nrn. ... und ... mit dem Vorderliegergrundstück Fl.Nr. ... zu dem neugebildeten Grundstück ...-weg 3 entstehen habe können, da erst ab diesem Zeitpunkt die Hinterliegergrundstücke und somit das neue Grundstück ...-weg 3 durch die Entwässerungseinrichtung erschlossen gewesen seien. Mit der Fertigstellung des neu errichteten Wohngebäudes im Frühjahr 2012 sei eine beitragspflichtige Geschossfläche auf dem Grundstück geschaffen worden. Der beitragsrechtliche Vorteil habe sich dadurch erhöht. Für die neu geschaffene Geschossfläche sei daher ein Herstellungsbeitrag entstanden.

Am 13. Oktober 2014 hat der Kläger schließlich Klage zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingelegt und zuletzt beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom ... Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes ... vom ... September 2014 insoweit aufzuheben, als ein höherer Betrag als 1.954,06 € festgesetzt wurde.

Zur Begründung führt er aus, dass die Grundstücke seit 1994 baulich nutzbar seien und seit 2008 eine gültige Beitragssatzung bestehe, so dass die Grundstücke damit seit spätestens 2008 beitragspflichtig gewesen seien. Es könne nicht im Ermessen bzw. Belieben eines Eigentümers (hier: der Gemeinde) stehen, sich durch Verzicht auf dingliche Sicherung oder langfristigen Vertrag der Beitragspflicht gegenüber dem Beklagten zu entziehen. Es werde daher beantragt, festzustellen, dass der Beitragsbescheid richtigerweise an den Voreigentümer gerichtet sein müsste und der Kläger nicht Beitragsschuldner sei. Die Beitragspflicht sei vor dem Erwerb durch den Kläger entstanden, weil jegliche der Bebaubarkeit angeblich entgegenstehenden Hindernisse vom Voreigentümer hätten beseitigt werden können - auch die rechtliche Sicherung. Die fehlende dingliche Sicherung der Erschließung habe ausschließlich in der Verfügungsmacht des Voreigentümers gelegen. Es könne daher nicht im Belieben der Gemeinde stehen, durch Verweigerung der Hindernisbeseitigung die Beitragspflicht für das erschlossene Grundstück nicht entstehen zu lassen. Für die Entstehung der Beitragspflicht sei es unbeachtlich, dass sich die Gemeinde dieser Möglichkeit selbst verschlossen habe.

Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung zum Erschließungsrecht sei ein zusätzliches Argument für die Position des Klägers.

Die Fallkonstellation im vom Landratsamt im Widerspruchsbescheid zitierten Urteil (BayVGH, U. v. 25.6.1992 - 23 B 89.3448) sei komplett anders gelagert. In diesem Urteil seien die angesprochenen Flurnummern nicht verbunden gewesen, sondern vielmehr durch eine Teilfläche im Dritteigentum voneinander getrennt, so dass die Zusammenlegung der Flurnummern kein deklaratorischer Akt, sondern Folge eines Grundstückstausches und daraus resultierender Eigentümerwechsel, der dann folgerichtig zur Beitragspflicht geführt habe, gewesen sei. In diesem angesprochenen Urteil werde auf ein weiteres Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. September 1987 (Az.: 23 B 87.0896) verwiesen. Dieses verneine im betreffenden Fall ganz eindeutig die Entstehung einer Beitragspflicht, da es an der notwendigen Eigentümergleichheit fehle. Danach sei ein Grundstück durch eine leitungsgebundene Einrichtung aber nur dann erschlossen, wenn es an eine Verkehrsfläche grenze, in der eine Leitung dieser Einrichtung verlegt sei, wenn eine solche Leitung über ein fremdes Grundstück unmittelbar an seine Grenze geführt werde oder auch wenn sich zwischen ihm und der in der öffentlichen Verkehrsfläche oder einem fremden Grundstück geführten Leitung gelegenes Grundstück in der Hand desselben Eigentümers befinde. Daher sei bei einer Eigentümergleichheit von Vorder- und Hinterliegergrundstück die rechtliche Anschlussmöglichkeit an die Entwässerungseinrichtung gegeben und somit entstehe zu diesem Zeitpunkt spätestens die Beitragspflicht.

Der Beklagte beantragt dagegen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Landratsamtes ... im Widerspruchsbescheid vom ... September 2014 verwiesen. Wie dort zutreffend dargelegt sei, habe für das seinerzeitige Hinterliegergrundstück Fl.Nr. ... (alt) kein gesichertes Leitungsführungsrecht bestanden, so dass die für die Inanspruchnahme der öffentlichen Entwässerungseinrichtung erforderliche Herstellung einer Anschlussleitung sowie deren Verbleib in dem Vorderliegergrundstück nicht auf Dauer gewährleistet gewesen seien. Hierzu bedürfe es zugunsten des Hinterliegergrundstücks einer entsprechenden Grunddienstbarkeit. Dies gelte bei unbebauten Hinterliegergrundstücken auch dann, wenn Vorder- und Hinterliegergrundstück im Eigentum derselben Person stünden. Aus der Zerlegung der Fl.Nr. ... sei mit Eintragung im Grundbuch am ... August 2010 die Fl.Nr. ... neu entstanden. Erst mit der Vereinigung der Fl.Nrn. ... und ... mit dem Vorderliegergrundstück Fl.Nr. ... sei am ... Januar 2011 eine Beitragspflicht entstanden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger bereits Eigentümer des Grundstücks gewesen. Denn der Eigentümerwechsel sei am ... September 2010 erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- bzw. die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

I.

Soweit der Kläger die Klage in Höhe eines Betrages von 1.954,06 € zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.

Der Kläger hatte zunächst beantragt, den gesamten Herstellungsbeitragsbescheid vom ... Mai 2013 aufzuheben. Die Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, dass sich die Klage nur auf den Unterschiedsbetrag beziehen soll, welcher die Differenz zwischen dem von ihm verlangten Herstellungsbeitrag und dem seiner Meinung nach schon früher entstandenen Beitrag bei der Gemeinde ... ausmache, was sich auch aus seinem Widerspruchsvorbringen ergeben habe, ist als Klagerücknahme auszulegen. Der Kläger hat dadurch deutlich gemacht, dass er seine Klage in Höhe von 1.954,06 € nicht mehr weiterverfolgen will (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 92 Rn. 6).

II.

Im Übrigen hat die zulässige Klage auch in der Sache Erfolg.

Der Herstellungsbeitragsbescheid des Beklagten vom ... Mai 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes ... vom ... September 2014 ist in Höhe von 4.305,- € rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Herstellungsbeitrag für das streitgegenständliche Grundstück ist bereits am ... August 2010 entstanden, als das Grundstück Fl.Nr. ... von dem Grundstück Fl.Nr. ... (alt) abgetrennt worden und somit die neuen Grundstücke Fl.Nrn. ... und ... entstanden sind. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Grundstücke noch im Eigentum des Voreigentümers, der Gemeinde ..., so dass diese und nicht der Kläger Beitragsschuldnerin des streitigen Herstellungsbeitrags ist.

Das Entstehen der Beitragsschuld setzt eine wirksame Abgabesatzung gemäß Art. 2 Abs. 1 KAG (1.) und gemäß Art. 5 KAG ein bebaubares oder bebautes Grundstück sowie die Erschließung des Grundstücks durch die öffentliche Einrichtung voraus (2.).

1. Von der Ermächtigung des Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 KAG hat der Beklagte Gebrauch gemacht durch den Erlass seiner Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom... April 2008. Die Herstellungsbeitragserhebung im Bescheid vom ... Mai 2013 findet daher ihre Rechtsgrundlage in der BGS/EWS 2008. Zweifel an der Rechtsgültigkeit der Satzung wurden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.

2. Nach § 2 BGS/EWS ist der Beitragstatbestand erfüllt, wenn für bebaute, bebaubare oder gewerblich genutzte oder gewerblich nutzbare Grundstücke ein Recht nach § 4 EWS (Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage des Beklagten - Entwässerungssatzung vom... August 2000) zum Anschluss an die Entwässerungseinrichtung besteht. Nach § 4 Abs. 2 EWS erstreckt sich das Anschluss- und Benutzungsrecht nur auf solche Grundstücke, die durch einen Kanal erschlossen werden. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BGS/EWS entsteht die Beitragsschuld mit Verwirklichung des Beitragstatbestandes, also sobald das Grundstück an die Entwässerungseinrichtung angeschlossen werden kann. Weiter ist Beitragsschuldner, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld Eigentümer des Grundstücks ist, § 4 Abs. 1 BGS/EWS.

Danach ist im vorliegenden Fall nicht der Kläger, sondern die Gemeinde ... Beitragsschuldner, da diese am ... August 2010, als der Beitragstatbestand verwirklicht wurde, Eigentümer der streitgegenständlichen Grundstücke gewesen ist.

a. Erschlossen ist ein Grundstück durch eine Entwässerungseinrichtung nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in der Regel dann, wenn die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung gegeben ist. Das ist anzunehmen, wenn der zur öffentlichen Einrichtung gehörende Kanal in einer angrenzenden Verkehrsfläche verlegt ist oder eine solche Versorgungsleitung unmittelbar an die Grundstücksgrenze herangeführt ist (vgl. BayVGH, U. v. 29.4.2010 - 20 BV 09.2010 - juris Rn. 80; B. v. 6.2.2008 - 20 ZB 07.3082 - juris Rn. 6 m. w. N.).

Bei den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... handelte es sich zum Zeitpunkt der Entstehung des Beitragstatbestandes am ... August 2010 zwar um selbstständige Buchgrundstücke. Die beiden Flurnummern bilden jedoch eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 2 Abs. 1 EWS, so dass es für das Entstehen der Beitragsschuld ausreicht, dass eines der beiden Grundstücke des Klägers, nämlich die Fl.Nr. ..., durch eine öffentliche Versorgungsleitung erschlossen ist. Das vormalige Hinterliegergrundstück Fl.Nr. ... gilt damit ebenso als beitragsrechtlich erschlossen.

Die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Grundstückseinheit liegen vor, wenn mehrere Grundstücke des selben Eigentümers z. B. wegen der geringen Grundstücksgröße oder wegen des Grundstückszuschnitts, nicht jeweils für sich, sondern nur zusammen baulich genutzt werden können und deshalb nur einen Anschluss benötigen (st.Rspr., BayVGH, U. v. 15.5.2007 - 23 B 06.2127 - juris Rn. 47 m. w. N.).

Die beiden Grundstücke bilden danach gemäß § 2 Abs. 1 EWS eine wirtschaftliche Einheit, weil die Fl.Nr. ... ausschließlich als Zuwegung für das Grundstück Fl.Nr. ... dient. Besteht das an die öffentliche Straße unmittelbar angrenzende Grundstück (Vorderliegergrundstück) nur in einer schmalen, aber nach Baurecht genügenden Fläche, die als Zuwegung zum Hauptgrundstück (Baugrundstück) dient, sind beide Flächen, sofern sie im gleichen Eigentum stehen, grundsätzlich als wirtschaftliche Einheit zu behandeln. Bei solchen Hammergrundstücken stellt die „wirtschaftliche Einheit“ das an die öffentliche Einrichtung anzuschließende Grundstück dar, das in seiner Gesamtheit durch die am Vorderliegergrundstück, dem Hammerstiel, vorbeiführende Versorgungsleitung unmittelbar erschlossen wird. Ohne Bedeutung ist es in diesem Zusammenhang, dass das Vorderliegergrundstück Fl.Nr. ... erst am ... August 2010 aus dem Grundstück Fl.Nr. ..., das bereits erschlossen im Sinne des § 2 BGS/EWS war, gebildet wurde. Maßgebend ist allein, dass es sich nach der Herausmessung entsprechend den planerischen Vorstellungen der Gemeinde nunmehr um ein eigenständiges Baugrundstück handeln sollte, für das der Grundstückseigentümer vom Beklagten einen Anschluss an die öffentliche Entwässerungseinrichtung gemäß § 4 Abs. 1 EWS verlangen kann (vgl. BayVGH, U. v. 15.7.1999 - 23 B 98.1238 - juris Rn. 33). Erst durch diese Herausmessung und damit Erreichbarkeit und Bebaubarkeit des Grundstücks Fl.Nr. ... konnte die planerische Vorstellung der Gemeinde, im Bereich der streitgegenständlichen Grundstücke zwei eigenständige Baugrundstücke zu bilden, verwirklicht werden.

Das Grundstück Fl.Nr. ... liegt am ...-weg an. In dieser Straße verläuft eine öffentliche Versorgungsleitung. Somit ist es erschlossen und es besteht ein Recht zum Anschluss nach § 4 Abs. 2 EWS. Die Erschließung erstreckt sich auch auf die Fl.Nr. ..., da beide Grundstücke gemeinsam als ein Baugrundstück genutzt werden.

b. Zum Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld - der Abtrennung des Grundstücks Fl.Nr. ... von dem Grundstück ... (alt) und dadurch Bildung einer wirtschaftlichen Einheit der Fl.Nrn. ... und ... - lagen die Grundstücke im Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans und waren damit auch bebaubar.

Der Kläger ist damit nicht Beitragsschuldner des streitgegenständlichen Herstellungsbeitrages und die Klage daher begründet.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708, 711 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 6.259,06 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Auf den zurückgenommenen Teil der Klage entfallen hiervon 1.954,06 EUR.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung

Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Kläger erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € für einen Dachausbau heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

Während des Widerspruchsverfahrens erwiesen sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 und deren Vorgängersatzungen als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

Die vom Kläger gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2006 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005, basierend auf der Entwässerungssatzung der Beklagten vom 24. Juli 2000, geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Kläger sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 KAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab.

Mit Beschluss vom 5. März 2013 erklärte das Bundesverfassungsgericht Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) für unvereinbar und hob den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - auf und verwies die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurück.

Mit Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70), in Kraft getreten am 1. April 2014, wurden die Verjährungsvorschriften durch den bayerischen Gesetzgeber neu gefasst. Ein Beitrag ist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) Spiegelstrich 1 KAG spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres nach Eintreten der Vorteilslage zu erheben. Liegt ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandkräftigen Bescheid festgesetzt wurden, gilt nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 2 KAG eine Frist von 30 Jahren.

Auf die Nachfrage des Senats legte die Beklagte eine schriftliche Äußerung der Tochter der im Zeitpunkt des Dachausbaus eingetragenen, inzwischen verstorbenen Eigentümer vom 21. Mai 2014 vor. Danach sei der Dachausbau in den Jahren 1986/1987 fertig gestellt worden. Der Kläger war dagegen mit Schreiben vom 22. Mai 2014 der Meinung, dass das Dachgeschoss im Zeitpunkt 1991 mehr als 10 Jahre bereits ausgebaut gewesen sei.

Mit seiner durch den Senat zugelassenen Berufung beantragt der Kläger,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 zu ändern

und den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Freising vom 26. Juni 2006 aufzuheben.

Die Neuregelung des bayerischen Gesetzgebers genüge nach wie vor nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an das Gebot der Rechtssicherheit. Hierfür sei die gewählte Frist zu lange. Jedenfalls genüge sie den Anforderungen nicht, soweit es um Sachverhalte vor Erlass der Regelung gehe, bei denen eine Anpassung der Vertragsgestaltungen nicht mehr möglich sei. Zudem sei nicht klar, dass die Vorgängersatzungen tatsächlich nichtig gewesen seien. Dies sei im Berufungsverfahren aufzuklären, mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist abgelaufen sein könnte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2015 zum Thema des Zeitpunktes des Dachausbaues Beweis erhoben durch Einvernahme der Tochter der früheren Eigentümer als Zeugin. Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift sowie auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts vom 26. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl Seite 264, BayRS 2024-1-I) zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70) sowie in den Bestimmungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) der Beklagten vom 18. April 2005, rückwirkend in Kraft getreten zum 1. April 1995.

Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch öffentlich betriebene Entwässerungseinrichtungen, wie die der Beklagten. Gemäß Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG entsteht ein zusätzlicher Beitrag, wenn sich nachträglich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände ändern. So liegt es hier.

Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Beklagte mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom 18. April 2005 erstmals über eine wirksame Beitragssatzung verfügt hat. Die vorausgehenden Beitragssatzungen der Beklagten enthielten eine unzulässige Regelung zur Veranlagung einzelner Geschosse innerhalb von Gebäuden oder selbständigen Gebäudeteilen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U.v. 27.2.2003 - 23 B 02.1032 - BayVBl 2003, 373; B.v. 17.5.2006, - 23 CS 06.928 - juris) zur Nichtigkeit des gesamten Beitragsteils der Satzung führt. Die Entwässerungssatzung mit Beitrags- und Gebührenteil vom 30. Juli 1973 ist wegen einer mit dem Prinzip der gerechten Vorteilsabgeltung nicht zu vereinbarenden Begünstigung kleinerer Einfamilienhäuser beim Beitragsmaßstab Grundstücksfläche (§ 34 Abs. 2 c) im Beitragsteil als nichtig anzusehen (BayVGH, U.v. 14.4.1989 - 23 B 87.03112). Die BGS-EWS vom 12. Dezember 1960 ist allein schon wegen des nicht vorteilsgerechten Grundbeitrags mit Berücksichtigung der Geschossfläche erst ab dem dritten Vollgeschoss (§ 6 Abs. 1) nichtig (vgl. BayVGH v. 14.4.1989 a.a.O.). Diese vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung ist zutreffend und wurde vom Kläger nicht substantiell in Frage gestellt. Auf der Grundlage der rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft getretenen BGS-EWS 2005 ist die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung von 74,0 qm im Dachgeschoss des streitgegenständlichen Anwesens somit erstmals am 1. April 1995 entstanden. Die persönliche Beitragsschuld trifft den Kläger als zu diesem Zeitpunkt im Grundbuch eingetragenen Eigentümer (Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG, § 4 BGS-EWS 2005).

Die Festsetzung des Herstellungsbeitrags im Jahr 2004 war noch zulässig, da die Vorteilslage für das veranlagte Anwesen frühestens im Jahr 1987 eintrat.

Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ist § 169 der Abgabenordnung (AO) in der jeweils geltenden Fassung mit der Maßgabe anwendbar, dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, gilt Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt (vgl. Art. 19 Abs. 2 KAG). Durch die Neufassung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ist der bayerische Gesetzgeber dem Regelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichtes, welches die Vorgängerregelung, die bei einer nichtigen Beitragssatzung keine zeitliche Begrenzung der Beitragserhebung nach dem Entstehen der Vorteilslage vorsah, für verfassungswidrig erklärte (BVerfG, B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BGBl I 2013, 820 = BayVBl 2013, 465), nachgekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung Folgendes ausgeführt (a.a.O. Rn. 45, 46):

„Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.“

Gemessen an diesen Anforderungen ist die vom bayerischen Gesetzgeber gewählte zwanzigjährige Ausschlussfrist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zunächst wurde dadurch erstmals eine zeitliche Höchstgrenze für die Erhebung eines Beitrages nach Art. 5 KAG eingeführt und dem Regelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen, so dass der Bürger nunmehr eine klare Höchstfrist vor Augen hat und nicht mehr im Unklaren ist. Bei der Bestimmung der Dauer der Frist ist mit zwanzig Jahren kein unangemessen langer Zeitraum gewählt worden. Entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichts hatte der Gesetzgeber hier einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Bürgers an baldiger Rechtssicherheit und dem öffentlichen Interesse an einem Vorteilsausgleich für die Zurverfügungstellung einer öffentlichen Einrichtung der Daseinsvorsorge durchzuführen. Dem Gesetzgeber steht hier ein weiter Gestaltungsspielraum zu und die Vorteile, die die öffentliche Einrichtung vermittelt, können hier noch relativ lange fortwirken. So hält der 6. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abgesehen von der hier einschlägigen Konstellation allgemein eine 30jährige Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des Art. 53 Abs. 2 BayVwVfG für angemessen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann einem sanierungsrechtlichen Ausgleichsanspruch aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Wege des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung in Anlehnung an § 53 Abs. 2 VwVfG eine 30jährige Ausschlussfrist entgegen gehalten werden und zwar unabhängig von der Entstehung des Anspruches (BVerwG, U.v. 20.3.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211, ebenso VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.1.2015 - 2 S 1840/14 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 4.12.2014 - 4 L 220/13 - juris). Im Hinblick darauf bestehen an der Verfassungsmäßigkeit der Zwanzigjahresfrist keine Bedenken. Zum einen hat der bayerische Gesetzgeber eine im Vergleich zu vorstehenden Erwägungen wesentlich kürzere Frist gewählt, zum anderen handelt es sich um eine klar ersichtliche gesetzliche Ausschlussfrist, die den Bürgern unabhängig von den Umständen des Einzelfalls Rechtsklarheit verschafft. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung der unterschiedlichen Interessen (vgl. LT-Drs. 17/370 Nr. 2) ist von sachgerechten Erwägungen getragen und hält sich im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums.

Bei Ergänzungsbeitragen für die Verwirklichung zusätzlicher Geschossflächen kann man für den Beginn der Ausschlussfrist aber nicht auf den erstmaligen Anschluss an die öffentliche Einrichtung abstellen. Hier wird der (zusätzliche) Vorteil, den die öffentliche Einrichtung vermittelt, erst mit der tatsächlichen Fertigstellung der betreffenden Geschossflächen vermittelt und muss damit Ausgangspunkt der Betrachtung sein.

Der Dachausbau des streitgegenständlichen Anwesens wurde frühestens im Jahre 1987 fertiggestellt. Dies steht nach der in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2015 durchgeführten Beweisaufnahme durch die Vernehmung der Zeugin ... zur Überzeugung des Senats fest. Die Zeugin hat mit ihrer Aussage nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass sie sich dieser zeitlichen Einordnung ziemlich sicher sei, weil sie 1985, als sie 18 Jahre alt war, ihre Berufstätigkeit begonnen habe und sich damals die Frage stellte, ob sie ausziehen solle oder im elterlichen Haus bleiben könne. Die Familie habe sich dann entschlossen das Dach als Wohnung für die Zeugin auszubauen. Diese zu keinen Zweifeln Anlass gebende Aussage wurde auch vom Kläger bei der Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Frage gestellt. Demnach ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass der Dachausbau im Jahre 1987 fertiggestellt wurde. Folglich begann die Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit Ablauf des Jahres 1987 am 1. Januar 1988 zu laufen und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Die Festsetzung des Beitrags erfolgte jedoch mit der Bekanntgabe des Bescheids der Beklagten vom 5. April 2004, dessen Rechtsgrundlage die BGS-EWS vom 18. April 2005 ist, und damit vor Ablauf der Zwanzigjahresfrist.

Damit erfolgte die Festsetzung des Ergänzungsbeitrags noch rechtzeitig und es kommt nicht auf die Anwendung der Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 2 KAG an. Nach dieser Vorschrift gilt für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt. Diese Norm hätte zwar im hier zu entscheidenden Fall Anwendungsvorrang, weil der streitgegenständliche Ergänzungsbeitrag durch vor dem 1. April 2014 nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt worden ist. Der Senat hegt jedoch verfassungsrechtliche Bedenken, ob die Übergangsregelung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV zu vereinbaren ist. Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die Ungleichbehandlung von Beitragsfestsetzungen die vor dem 1. April 2014 mit nicht bestandskräftigem Bescheid festgesetzt worden sind und Beitragsfestsetzungen, die nach diesem Zeitpunkt erfolgt sind, erschließt sich dem Senat - jedenfalls bisher - nicht. Die im Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes gegebene Begründung (LT-Drs. 17/370 S. 18) überzeugt nicht. Sie beruht im Wesentlichen auf dem Gedanken, dass eine unterschiedliche Behandlung von (ausgesetzten) Widerspruchsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, aufgrund der unterschiedlich maßgeblichen Entscheidungszeitpunkte, vermieden werden soll. Eine solche Erwägung spielt aber erkennbar keine Rolle, weil es bei Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG maßgeblich auf die Festsetzung des Beitrags und somit auf die Bekanntgabe des Beitragsbescheids ankommt. Nachdem im hier zu entscheidenden Fall bereits die regelmäßige zwanzigjährige Ausschlussfrist eingehalten wurde, kann die Frage, ob die Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 2 KAG verfassungsgemäß ist oder gegebenenfalls einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist, jedoch dahinstehen.

2. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

 

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.197,32 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. März 2015 - Au 2 K 14.1729 - wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Stadt, wendet sich dagegen, dass die Widerspruchsbehörde ihren an den beigeladenen Landkreis gerichteten Bescheid über die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die Herstellung der Erschließungsanlage A. Straße aufgehoben hat.

1. Die als Orts Straße gewidmete A. Straße verläuft von der R. Straße im Norden durch unbeplanten Innenbereich zur H. Straße/Rainhausgasse im Süden. Sie ist nach Ansicht der Klägerin von Norden aus gesehen auf einer Länge von etwa 340 m (bis auf Höhe des Anwesens Hausnummer 8) zum Anbau bestimmt und stellt in dieser Ausdehnung eine Erschließungsanlage dar (im Folgenden verkürzt: A. Straße). In diesem Bereich grenzt auf der westlichen Straßenseite das 44.881 m2 große Grundstück FlNr. 232 an, das die Klägerin dem Beigeladenen aufgrund eines Überlassungsvertrags vom 9. August 1977 zum Neubau eines Schulzentrums übereignet hatte. Im Zusammenhang mit dem Schulneubau wurden im Jahr 1980 an der südlichen Teilstrecke der A. Straße Straßenbaumaßnahmen durchgeführt. Erreicht wurde damals - für die gesamte Teilstrecke mit Erschließungsfunktion - ein Ausbauzustand mit einer 6 m breiten Fahrbahn und beidseitigen Gehwegen mit einer Breite von jeweils 1,50 m, wobei auf der westlichen Straßenseite vor dem Anliegergrundstück Hausnummer 23 (alt) eine ca. 10 m lange Engstelle verblieb. Dort ragte ein Wohngebäude in die Fluchtlinie des Gehwegs hinein, weshalb dieser nur mit einer Breite von etwa 0,70 m angelegt wurde; zusätzlich wurde der Gehweg an zwei Stellen durch Fallrohre zur Dachentwässerung dieses Gebäudes weiter um 0,10 bis 0,15 m verengt.

Nachdem ein Bauträger das Anwesen Hausnummer 23 (alt) gekauft und das Gebäude für den Neubau von Reihenhäusern (Dreispänner) abgebrochen hatte, erwarb die Klägerin 2012 eine Fläche von 8 m2 aus dem an die A. Straße grenzenden Teilgrundstück und verbreiterte den Gehweg auf 1,50 m. Mit Bescheid vom 24. März 2014 zog sie den Beigeladenen für das (Schul-)Grundstück FlNr. 232 zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige endgültige Herstellung der A. Straße in Höhe von 160.300,23 € heran. Dieser legte Widerspruch ein und beantragte bei dem Verwaltungsgericht mit Erfolg, die aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs anzuordnen (VG Augsburg, B.v. 4.8.2014 - Au 2 S. 14.894). Der Oberbürgermeister der Klägerin stellte mit dringlicher Anordnung vom 5. August 2014 fest, dass die A. Straße in dem nach Beseitigung der Engstelle erreichten Ausbauzustand den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen entspreche und damit rechtmäßig hergestellt sei. Diese auf Art. 37 Abs. 3 GO gestützte Anordnung wurde dem Stadtrat in der nächsten Sitzung bekanntgegeben.

Das Landratsamt gab dem Widerspruch des Beigeladenen statt und hob mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2014 den Erschließungsbeitragsbescheid auf. Dieser sei rechtswidrig, weil die gesetzliche Ausschlussfrist für die Festsetzung eines Erschließungsbeitrags abgelaufen sei. Die Vorteilslage sei bereits mit der endgültigen technischen Fertigstellung der A. Straße im Jahr 1980 und damit vor mehr als 30 Jahren eingetreten.

2. Das Verwaltungsgericht hat die auf Aufhebung des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage mit Urteil vom 19. März 2015 für unbegründet erachtet und abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Das Landratsamt habe den Erschließungsbeitragsbescheid zu Recht aufgehoben, weil bei seinem Erlass die 30-jährige Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1, Art. 19 Abs. 2 KAG bereits abgelaufen gewesen sei. Der Lauf der Frist beginne mit dem Eintritt der Vorteilslage. Dieser Begriff knüpfe an für den Bürger ohne weiteres bestimmbare, rein tatsächliche Gegebenheiten an und lasse rechtliche Entstehungsvoraussetzungen für die Beitragsschuld außen vor. Die Vorteilslage trete ein, wenn die Straße insgesamt betriebsfertig, d.h. entsprechend der bekundeten Planung der Gemeinde technisch endgültig fertiggestellt sei. Das sei für die A. Straße bereits im Jahr 1980 der Fall gewesen.

Dem stehe nicht entgegen, dass der westliche Gehweg auf einer Länge von ca. 10 m bis zum Jahr 2013 lediglich mit einer durchschnittlichen Breite von 0,70 m bis 0,80 m statt von 1,50 m wie im übrigen Verlauf hergestellt worden sei. Der Herstellung läge weder ein Bebauungsplan noch eine örtliche Richtlinie oder ein förmliches Teileinrichtungs- oder Ausbauprogramm zu Grunde, aus dem sich eine verbindliche Festlegung der Gehwegbreite auf durchgängig 1,50 m ableiten lasse. Der Umstand, dass die Gehwege außerhalb der Engstelle einer Breite von 1,50 m aufweisen würden, lasse nicht zwingend den Schluss zu, dass vor dem Anwesen Hausnummer 23 (alt) noch über 30 Jahre nach der Herstellung der Straße eine Verbreiterung des Gehwegs erfolgen werde. Ein bloßer Rückschluss vom Inhalt bestehender Ausbauplanungen auf einen voraussichtlich in gleicher Weise ausgeübten Planungswillen könne die Planung nicht ersetzen. Auch der Erschließungsbeitragssatzung könne keine Vorgabe für eine Mindestbreite der Gehwege entnommen werden. Ein objektiver Beobachter habe damals den Eindruck gewinnen können und dürfen, dass die Erschließungsanlage A. Straße in dem erreichten Zustand verbleiben werde, zumal das in den Gehweg hineinragende Gebäude nicht im Eigentum der Klägerin gestanden habe und keine Anhaltspunkte für einen in absehbarer Zeit erfolgenden Erwerb zum Abbruch vorgelegen hätten.

Der Gehweg habe trotz der Engstelle noch den Mindestanforderungen genügt, die an die Funktionsfähigkeit einer solchen Verkehrseinrichtung auch an einer Straße mit erhöhter Verkehrsbedeutung zu stellen sei. Dem Umstand, dass für die A. Straße damals keine Erschließungsbeiträge erhoben worden seien, komme kein besonderes Gewicht zu, weil die Klägerin nach den vom Beigeladenen vorgelegten Presseberichten offenbar jahrzehntelang auf die Erhebung von Erschließungs- und Straßenausbaubeiträgen verzichtet habe.

3. Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt und macht geltend:

Die Vorteilslage sei nicht bereits 1980, sondern erst mit Beseitigung der Engstelle im Jahr 2013 eingetreten. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt und ihr keine Gelegenheit gegeben, zu den für entscheidungserheblich gehaltenen Umständen näher vorzutragen. Der Gehweg sei bis zur Beseitigung der Engstelle im Jahr 2013 funktionslos gewesen. Die starke Verengung auf einer Länge von mindestens 10 m sei so gravierend gewesen, dass sie auf die Funktionalität des Gehwegs zur Gänze durchgeschlagen habe. In unmittelbarer Umgebung befänden sich auf der gleichen Straßenseite drei Schulen. In den Stoßzeiten habe nur ein einzelnes Schulkind die Engstelle passieren können. Ein sicheres Begehen sei damit nicht möglich gewesen. Die Schüler hätten auf die Fahrbahn ausweichen müssen. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und der starken Frequentierung durch Fußgänger sei ein Gehweg mit einer solch langen Verengung ungeeignet, seine Funktion zu erfüllen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts habe auch schon damals ein Bauprogramm für eine durchgehende Ausbaubreite des Gehsteigs von 1,50 m vorgelegen. Dieses ergebe sich aus der Zusammenschau der diversen für die verschiedenen Bereiche der A. Straße gefertigten Planungen und Ausbauentwürfe. Seit den 1970er Jahren verfolge die Klägerin das Ziel, die A. Straße so herzustellen, dass ein ausreichender Gehweg auf beiden Seiten der Straße vorhanden sei. Dieser Plan sei nie aufgegeben worden. 1967 habe es entlang der westlichen Straßenseite nur geringe Bebauung gegeben. Daher sei auf dieser Seite ein Gehweg nur in Teilen, nämlich nur im Bereich der Einmündung zur R. Straße, vorgesehen gewesen, auf der östlichen Straßenseite habe sich jedoch bereits überwiegend ein Gehweg mit einer Breite von 1,50 m befunden. In den Jahren 1970/1971 habe sich dann die Bebauung auf der westlichen Seite vermehrt. Auf dem entsprechenden Kartenauszug lasse sich deutlich erkennen, dass der Gehweg auf der westlichen Straßenseite weiter ausgebaut worden sei. Auch die Entwicklung des Ausbauzustandes dokumentiere, wie sich die Klägerin den endgültigen Ausbau vorgestellt habe. Dementsprechend werde aus der dringlichen Anordnung vom 5. August 2014 deutlich, dass im Jahr 1980 gerade nicht von einer endgültigen Herstellung ausgegangen worden sei. Mit dieser sei die Festlegung der Gehwegbreite auf 1,50 m verbindlich und nach außen erkennbar nachgeholt worden.

Im Jahr 1977 sei im Zusammenhang mit der Überlassung von städtischen Grundstücken an den Beigeladenen zum Neubau einer Berufsschule auch die Straßenerschließung erörtert worden. In der Niederschrift über die Sitzung des Finanzausschusses am 13. Juli 1977 sei ausgeführt, dass die Straße „noch nicht fertig ausgebaut“ sei. Der Straßenausbau im Jahr 1980 betreffe den südlichen Teil der A. Straße und entspreche weitgehend der bereits 1972 gefertigten Planung. Auch insoweit sei auf der westlichen Seite ein Gehweg von 1,50 m Breite vorgesehen gewesen. Da sich die Herstellungsarbeiten stets verzögert hätten und die Planung nicht umgesetzt worden sei, könne dem Verwaltungsgericht nicht in der Annahme gefolgt werden, dass spätestens mit den Straßenbaumaßnahmen im Jahr 1980 der endgültige Ausbauzustand erreicht und damit die Vorteilslage eingetreten sei. Hätte die Klägerin den Straßenausbau komplett mit dieser Maßnahme abschließen wollen, wäre zumindest ein Ausbauplan für die gesamte Straße gefertigt worden. Die weitere Ausbauabsicht der Klägerin sei klar erkennbar gewesen. Das Zusammenspiel der Planungen und Aussagen in den Stadtrats- und Ausschusssitzungen verdeutliche, dass die Planungen für den durchgehenden Ausbau der A. Straße zwar vorhanden, jedoch unter anderem aufgrund fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht umgesetzt worden seien. Im Zuge der Überlassung mehrerer Grundstücke an den Beigeladenen zum Zweck des Schulneubaus sei entgegen der Ansicht des Beigeladenen auch kein Erlass der Erschließungskosten für die A. Straße vereinbart worden. Bis mindestens 1987 habe es Gespräche mit dem Beigeladenen im Zusammenhang mit der verkehrsmäßigen Erschließung des Schulgeländes gegeben, aus denen dieser hätte erkennen müssen, dass die Straße noch nicht vollständig fertiggebaut sei. Dieses subjektive Element müsse bei der Frage, ob und wann die Vorteilslage eingetreten sei, Berücksichtigung finden.

Das Verwaltungsgericht habe zudem die Beweislast verkannt, weil es nicht berücksichtigt habe, dass die Gemeinde, sofern sie vom festgelegten Standard abweiche, ein gesteigerter Begründungsaufwand dafür treffe, dass die Erschließungsanlage ordnungsgemäß entsprechend den anerkannten Regeln der Technik hergestellt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. März 2015 abzuändern und den Widerspruchsbescheid vom 26. November 2014 aufzuheben sowie den Widerspruch des Beigeladenen zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht sei zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Vorteilslage bereits 1980 eingetreten und deshalb die 30-jährige Ausschlussfrist abgelaufen sei. Die Klägerin habe nicht substantiiert darlegen können, dass ein Bauprogramm vorgelegen habe, das erkennbar einen Ausbau des Gehwegs durchgängig auf eine Breite von 1,50 m festlege. Ihre Ausführungen ließen vielmehr den gegenteiligen Schluss zu. Dass aus damaliger Sicht das Gebäude auf dem Anwesen Hausnummer 23 (alt) irgendwann abgerissen und die Klägerin dann den für die Gehwegverbreiterung erforderlichen Grund erwerben könne, seien Gesichtspunkte, die außerhalb einer objektiven Betrachtung lägen und deren Verwirklichung vollkommen offen seien. Im Übrigen sei bei Errichtung der Straße ein Gehweg mit einer anderen Führung nicht möglich gewesen. Selbst wenn es das von der Klägerin behauptete Bauprogramm gegeben hätte, wäre der zeitliche Horizont zu seiner Verwirklichung nicht absehbar gewesen. Der Beitragsschuldner wäre dann aber in Widerspruch zum Gebot der Rechtssicherheit im Unsicheren gelassen worden, ob und wann er zu Beiträgen herangezogen werden könne.

Das Verwaltungsgericht habe weiter zutreffend angenommen, dass der Gehweg trotz der Engstelle insgesamt funktionsfähig gewesen sei. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin werde durch die mehr als 30-jährige Nutzung mit Engstelle widerlegt. Ein objektiver Betrachter habe gerade aufgrund der Situation vor Ort nur zu dem Schluss gelangen können, dass der Gehweg vollständig hergestellt worden sei, weil er weder den Eindruck eines Provisoriums noch eines vorläufigen Ausbauzustandes vermittelt habe. Der Gehweg habe sich an den Verhältnissen vor Ort, wie sie über 30 Jahre lang bestanden hätten, orientiert. Indem die Klägerin die Straße erkennbar dem örtlichen Verkehr zur Verfügung gestellt habe, sei sie selbst von der Benutzbarkeit ausgegangen. Die dringliche Anordnung des Oberbürgermeisters vom 5. August 2014 betreffe die Rechtmäßigkeit der Herstellung als Voraussetzung des Entstehens der sachlichen Beitragsforderung. Sie gebe nichts für die streitentscheidende Frage her, wann die Vorteilslage eingetreten sei.

Der Beigeladene ist ebenfalls der Ansicht, die Vorteilslage sei bereits 1980 mit der endgültigen technischen Herstellung der A. Straße eingetreten, und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es habe damals weder einen Bebauungsplan noch ein Bauprogramm gegeben, welche den Ausbau beidseitiger Gehwege auf einer durchgängigen Breite von 1,50 m vorgesehen hätten. Insbesondere habe es für den Bereich der damaligen Engstelle keine entsprechende Planung gegeben. Eine solche hätte im Übrigen auch keinerlei Realisierungschance gehabt. Denn das Wohngebäude hätte gänzlich abgerissen werden müssen, was gegen den Willen der damaligen Eigentümerin nicht einmal im Wege der Enteignung umsetzbar gewesen wäre. Die Klägerin berufe sich in diesem Zusammenhang nicht etwa auf materialisierte Planungsvorstellungen in Form aussagefähiger Pläne, sondern auf die Aussagen von Personen, was von vornherein nicht ausreichen könne. Im Zuge der Diskussionen um die „äußere Erschließung“ des Schulzentrums habe der Landrat des Beigeladenen mit Schreiben vom 2. April 1981 an den Oberbürgermeister der Klägerin als Besprechungsergebnis wiedergegeben, dass der nördliche Teil der A. Straße nach Aussage des Stadtbauamtes endgültig hergestellt sei.

Die Entstehung der beitragsrechtlichen Vorteilslage im Jahr 1980 könne auch nicht mit der Erwägung verneint werden, der westliche Gehweg sei wegen der Engstelle nicht funktionsfähig gewesen. Der Gehweg sei in der damals angelegten Gestalt das gewesen, was den Fußgängern aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage maximal habe geboten werden können und was unter diesen Umständen auch funktional ausgereicht habe. Das ergebe sich auch daraus, dass südlich des Grundstücks Hausnummer 23 (alt) der von den Schulen her kommende Geh- und Radweg (FlNr. 233/2) in die A. Straße münde; auf diesem Weg hätten die das Schulgelände nach Süden verlassenden Schüler ungehindert durch das in die Straße ragende Gebäude in die A. Straße gelangen können, während das Schulgelände ansonsten von Norden und Westen durch andere Straßen erschlossen sei. Abgesehen davon habe die an der Engstelle verbleibende Gehwegbreite auch für sich betrachtet den Mindestanforderungen genügt.

Darüber hinaus stehe der Beitragserhebung noch entgegen, dass die Klägerin sich dem Beigeladenen gegenüber 1977 vertraglich zur Herstellung der „äußeren Erschließung“ des Schulgeländes auf eigene Kosten verpflichtet habe, während dem Beigeladenen die „innere Erschließung“ überlassen worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die von der Klägerin und vom Landratsamt vorgelegten Aktenheftungen sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 23. Februar 2017 Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Widerspruchbescheid gerichtete Anfechtungsklage (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) zu Recht abgewiesen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn die Widerspruchsbehörde hat den Erschließungsbeitragsbescheid vom 24. März 2014, mit dem die Klägerin den Beigeladenen zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige endgültige Herstellung der A. Straße herangezogen hat, zu Recht aufgehoben. Dieser Bescheid war rechtswidrig, weil die durch die A. Straße vermittelte Vorteilslage bereits 1980 eingetreten und demnach die 30-jährige Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1, Art. 19 Abs. 2 KAG für eine Beitragsfestsetzung bei Bescheidserlass bereits abgelaufen war.

1. Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ist die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 2 KAG gilt diese Regelung für Beiträge, die - wie hier - vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt.

Mit dieser Vorschrift, die durch Änderungsgesetz vom 11. März 2014 (GVBl S. 570) in das Kommunalabgabengesetz eingefügt wurde, ist der bayerische Gesetzgeber dem Regelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen, das mit Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143 ff.) die Vorgängerregelung für unvereinbar mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG erklärt hatte. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verlangt das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsgleichheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich - wie der hier in Streit stehende Erschließungsbeitrag - nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG gewährleistet eine bestimmbare zeitliche Obergrenze in Gestalt einer Ausschlussfrist, die durch den Eintritt der Vorteilslage ausgelöst wird und nach deren Ablauf eine Beitragserhebung zwingend und ausnahmslos ausscheidet, auch dann, wenn die Beitragsschuld noch nicht entstanden ist und deshalb auch noch nicht hätte festgesetzt werden dürfen und verjähren können. Die Bemessung der Ausschlussfrist mit 20 bzw. 25 Jahren begegnet ebenso wenig verfassungsrechtlichen Bedenken wie die in Art. 19 Abs. 2 KAG für Übergangsfälle einheitlich auf 30 Jahre festgelegte Zeitspanne (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2013 - 6 B 12.704 - BayVBl 2014, 70 Rn. 22; U.v. 12.3.2015 - 20 B 14.1441 - juris Rn. 25).

Der Begriff der Vorteilslage knüpft an rein tatsächliche, für den möglichen Beitragsschuldner erkennbare Gegebenheiten an und lässt rechtliche Entstehungsvoraussetzungen für die Beitragsschuld außen vor (vgl. LTDrs. 17/370 S. 13). Es kommt demnach für die Ausschlussfrist mit Blick auf eine beitragsfähige Erschließungsanlage (früher § 127 Abs. 2 BBauG/BauGB; nunmehr Art. 5a Abs. 2 KAG) auf die tatsächliche - bautechnische - Durchführung der jeweiligen Erschließungsmaßnahme an, nicht aber auf die rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten, wie die Widmung der Anlage, die planungsrechtliche Rechtmäßigkeit ihrer Herstellung, die Wirksamkeit der Beitragssatzung oder den vollständigen Grunderwerb als Merkmal der endgültigen Herstellung.

Ob eine Erschließungsmaßnahme tatsächlich durchgeführt und die Vorteilslage folglich eingetreten ist, beurteilt sich nicht nach - kaum greifbaren - allgemeinen Vorstellungen von einer „Benutzbarkeit“ und „Gebrauchsfertigkeit“ der Anlage oder einer „ausreichenden Erschließung“ der angrenzenden Grundstücke. Beurteilungsmaßstab ist vielmehr die konkrete Planung der Gemeinde für die jeweilige Anlage. Denn allein die Gemeinde entscheidet im Rahmen der ihr obliegenden Erschließungsaufgabe (§ 123 Abs. 1 BauGB) und der sich daraus ergebenden gesetzlichen Schranken über Art und Umfang der von ihr für erforderlich gehaltenen Erschließungsanlagen. Entscheidend kommt es mit anderen Worten darauf an, ob die - wirksame - konkrete gemeindliche Planung für die Erschließungsmaßnahme sowohl im räumlichen Umfang als auch in der bautechnischen Ausführung bislang nur provisorisch ausgeführt oder schon vollständig umgesetzt ist. Dementsprechend tritt die Vorteilslage bei einer A. Straße (früher § 127 Abs. 2 Nr. 1 BBauG/BauGB; nunmehr Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG), wie der Senat wiederholt entschieden hat, (erst) dann ein, wenn sie endgültig technisch fertiggestellt ist, das heißt dem gemeindlichen Bauprogramm für die flächenmäßigen und sonstigen Teileinrichtungen sowie dem technischen Ausbauprogramm vollständig entspricht (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2013 - 6 B 12.704 - BayVBl 2014, 241 Rn. 22; B.v. 30.3.2016 - 6 ZB 15.2426 - juris Rn. 9; B.v. 29.6.2016 - 6 ZB 15.2786 - juris Rn. 15). Bleibt der Ausbau hinter der Planung zurück, ist zu prüfen, ob die Gemeinde ihre weitergehende Planung - wirksam - aufgegeben hat und den erreichten technischen Ausbauzustand nunmehr als endgültig mit der Folge ansieht, dass mit Aufgabe der Planung die Vorteilslage eingetreten ist.

2. Gemessen an diesem Maßstab ist die Vorteilslage, welche die A. Straße auf der maßgeblichen, etwa 340 m langen zum Anbau bestimmten Strecke zwischen R. Straße und dem Anliegergrundstück Hausnummer 8 den anliegenden Grundstücken vermittelt, bereits 1980 eingetreten. Denn in diesem Jahr ist die Straße trotz der verbliebenen Engstelle vor dem Anwesen Hausnummer 23 (alt) endgültig technisch fertiggestellt worden.

Im Jahr 1980 war die südliche Teilstrecke der A. Straße im Zusammenhang mit dem Neubau des Schulzentrums auf dem Grundstück des Beigeladenen plangemäß an die bereits zuvor ausgebaute nördliche Teilstrecke angepasst worden. Die A. Straße wies nach Durchführung dieser Bauarbeiten durchgehend eine Fahrbahnbreite von 6 m auf, verfügte über beiderseitige Gehwege sowie die Teileinrichtungen Beleuchtung und Entwässerung und entsprach, wovon die Klägerin selbst ausgeht, in sämtlichen angelegten Teilen den bautechnischen Herstellungsmerkmalen der Erschließungsbeitragssatzung. An der nördlichen Teilstrecke verblieb lediglich die Engstelle vor dem Anwesen Hausnummer 23 (alt). Diese Engstelle ergab sich daraus, dass das Wohnhaus geringfügig in die Straßentrasse hineinragte und deshalb der westliche Gehweg an dieser Stelle mit etwa 0,70 m nur knapp halb so breit angelegt war wie auf der übrigen Strecke. Die von der Klägerin vorgelegten Bilder belegen, dass sich der Gehweg unmittelbar vor und nach dem Gebäude wieder auf die übliche Gehwegbreite von 1,50 m aufweitete. Diese Ausmaße der Engstelle werden dadurch bestätigt, dass die Klägerin für ihre Beseitigung von der Grundstückseigentümerin laut Kaufvertrag vom 19. November 2012 lediglich eine „Verkehrsfläche zu 8 m2“ (Flst. 229/5 ) erworben hat. Bei einer Gebäudelänge von ca. 10 m errechnet sich daraus ein etwa 0,80 m breiter Streifen, der dem Gehweg an dieser Stelle zu einer Breite von 1,50 m fehlte. Die an der Engstelle verbleibende Gehwegbreite von etwa 0,70 m wurde zudem an den beiden Hausecken durch zwei Fallrohre um 0,10 bis 0,15 m verringert.

Den vorliegenden Unterlagen und dem Vorbringen der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass bei Abschluss der Straßenbauarbeiten im Jahr 1980 eine hinreichend konkrete städtische Planung dafür (fort-) bestanden haben könnte, die Engstelle zu beseitigen. Vielmehr steht zur Überzeugung des Senats fest, dass mit der Anpassung der südlichen Teilstrecke die damalige Planung für die A. Straße vollständig umgesetzt und diese damit als Erschließungsanlage technisch fertiggestellt worden ist.

Ein förmliches Bauprogramm war für die A. Straße nach dem Vorbringen der Klägerin nicht beschlossen worden. Konkrete Pläne oder sonstige aktenmäßig unmissverständlich dokumentierte Aussagen über das damalige Ausbauziel für die A. Straße auf Höhe des Wohnhauses Hausnummer 23 (alt) gibt es ebenfalls nicht. Nach allen noch verfügbaren Unterlagen - auch und gerade im Zusammenhang mit der verkehrsmäßigen Erschließung des neuen Schulzentrums - ist davon auszugehen, dass mit dem 1980 erreichten Ausbauzustand das damals vom Stadtrat zumindest konkludent gebilligte Planungskonzept (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2014 - 6 ZB 13.431 - juris Rn. 10) hinsichtlich Ausdehnung und technischem Ausbauzustand der A. Straße sowohl für die nördliche als auch für die südliche Teilstrecke vollständig umgesetzt war. Die nachfolgenden Erörterungen und Maßnahmen betrafen lediglich verkehrsrechtliche Anordnungen (etwa die Sperrung für den Durchgangsverkehr), nicht aber bauliche Veränderungen oder gar die Beseitigung der Engstelle. Dass auf Seiten der Klägerin im Verlauf der 1980er Jahre noch Rechnungen im Zusammenhang mit der Straßenherstellung aktenmäßig zusammengestellt worden sind, stand dem Eintritt der Vorteilslage ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass der Beigeladene ausweislich der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Verfügung vom 2. Dezember 1982 in den Jahren 1982/83 an die Klägerin aus dem Schulgrundstück FlNr. 232 einen insgesamt 267 m2 großen Grundstücksstreifen entlang der Grenze zum Straßengrundstück der Klägerin „für die Verbreiterung der A. Straße“ (zurück-) übereignet hat; denn bei dieser Teilfläche handelt es sich, wie die Markierung im beigefügten Lageplan erkennen lässt, um die bereits 1980 überbaute Verkehrsfläche an der südlichen Teilstrecke der A. Straße.

Die 1980 verbliebene Engstelle vor Hausnummer 23 (alt) war durch ein Wohngebäude auf Privatgrund vorgegeben und der Rechtsmacht der Klägerin entzogen. Ein Bebauungsplan mit entsprechender Ausweisung als öffentliche Verkehrsfläche fehlte, wobei im Übrigen fraglich erscheint, ob eine solche Festsetzung als Voraussetzung für eine Enteignung überhaupt rechtmäßig in Betracht gekommen wäre. Es gab keinerlei sonstige auch nur ansatzweise konkretisierte und dokumentierte Planung für eine Gehwegverbreiterung oder gar Versuche zur Beschaffung der Fläche und Abbruch des Gebäudes. Dementsprechend ist in Gesprächen zwischen Mitarbeitern der Klägerin und des Beigeladenen zumindest der Eindruck vermittelt worden, die A. Straße sei fertiggestellt. So ist in dem Schreiben des damaligen Landrats des Beigeladenen vom 2. April 1981 an den früheren Oberbürgermeister der Klägerin von einem „nach Aussage des Stadtbauamtes endgültig hergestellten nördlichen Teil der A. Straße“ die Rede. Ob auf Seiten des Beigeladenen, wie die Klägerin geltend macht, gleichwohl Anlass zur Annahme hätte bestehen müssen, die endgültige Fertigstellung der A. Straße stehe noch aus, ist unerheblich. Auch kommt es nicht darauf an, ob das Landratsamt in seiner Doppelfunktion als Kreis- und Staatsbehörde die Klägerin auf die erschließungsbeitragsrechtliche Situation hätte hinweisen und möglicherweise rechtsaufsichtlich tätig werden müssen. Denn der Eintritt der Vorteilslage beurteilt sich nicht nach subjektiven Vorstellungen möglicher Beitragsschuldner und etwaigen Vertrauensschutzgesichtspunkten, sondern nach erkennbaren objektiven Umständen, nämlich der vom Stadtrat (Ausschuss) ausdrücklich oder konkludent beschlossenen - und aufrecht erhaltenen - konkreten Planung einerseits und dem Ausmaß ihrer technischen Umsetzung andererseits.

Es mag auf Seiten der Klägerin schon damals Überlegungen gegeben haben, die Engstelle zu beseitigen und den Gehweg auf die übliche Breite auszubauen, sobald sich irgendwann einmal die Gelegenheit bieten sollte. Solche allgemeinen Erwägungen können jedoch schon mangels zeitlicher Absehbarkeit und Umsetzungsmöglichkeit aus eigener Rechtsmacht nicht als konkretes Bauprogramm angesehen werden. Sie sind ungeeignet, eine im Übrigen technisch fertiggestellte Erschließungsmaßnahme beitragsrechtlich auf unabsehbare Zeit „offen zu halten“. Ein solches Verständnis widerspräche dem mit der gesetzlichen Ausschlussfrist verfolgten Ziel, sicherzustellen, dass vorteilsabgeltende Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden dürfen. Deshalb bestand kein Anlass, den Beweisanregungen der Klägerin nachzugehen und frühere Mitarbeiter zu den damaligen Vorstellungen über eine Beseitigung der Engstelle anzuhören.

Die Vorteilslage wäre allerdings erst mit Beseitigung der Engstelle im Jahr 2013 eingetreten, wenn der westliche Gehweg früher funktionslos gewesen wäre. Denn nach dem insoweit konkreten und unmissverständlichen Bauprogramm sollte die A. Straße auch bereits 1980 über beidseitige funktionsfähige Gehwege verfügen. Von einer Funktionslosigkeit kann jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin auch unter Berücksichtigung der besonderen Verkehrsverhältnisse nicht die Rede sein. Beide Gehwege verfügten mit Ausnahme der Engstelle vor dem Anwesen Hausnummer 23 (alt) über die Mindestbreite von 1,50 m und waren damit ohne weiteres funktionsgerecht (vgl. BayVGH, U.v. 11.6.2002 - 6 B 97.2354 - DVBl 2002, 1417 f.). Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung der 340 m langen A. Straße führte die Engstelle, an welcher der Gehweg auf einer geringen Länge von etwa 10 m nur eine Breite von ca. 0,70 m, an den beiden Fallrohren nur 0,55 bis 0,60 m erreichte, nicht zur Funktionsunfähigkeit der Gehweganlage. Vielmehr sind einzelne Engstellen grundsätzlich auszublenden (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2010 - 6 ZB 09.1394 - juris Rn. 5; U.v. 25.10.2012 - 6 B 10.132 - BayVBl 2013, 211 Rn. 27 zu einer etwa 80 m langen Engstelle mit einem teilweise knapp unter 0,70 m breiten Gehweg). Wenn aufgrund beengter innerörtlicher Verhältnisse nicht alle Kriterien der als Orientierungshilfe dienenden Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen (vgl. RASt 2006 bzw. EAE 85/95) eingehalten werden können, ist das unschädlich. Das gilt für die A. Straße umso mehr, als sich den Fußgängern auf beiden Straßenseiten Möglichkeiten zur Umgehung der Engstelle boten, nämlich zum einen auf dem östlichen, durchgehend 1,50 m breiten Gehweg, zum anderen auf dem selbstständigen Fußweg, der südlich des Anwesens Hausnummer 23 (alt) von der A. Straße nach Westen abzweigt und am Schulgelände nach Norden auf die R. Straße führt.

Die Vorteilslage war demnach bereits 1980 eingetreten. Die Klägerin hätte schon damals - nach Herbeiführen der übrigen Voraussetzungen für das Entstehen der Beitragspflichten - Erschließungsbeiträge für die erstmalige endgültige Herstellung der A. Straße erheben können und gemäß § 127 Abs. 1 BBauG auch müssen. Nach Ablauf der 30-jährigen Ausschlussfrist ist sie daran jedoch rechtlich gehindert. Ob der Beigeladene einer Beitragserhebung darüber hinaus die mit der Klägerin geschlossene Vereinbarung zur Übernahme der Sachträgerschaft für die Staatliche Fachoberschule entgegenhalten kann, bedarf keiner Entscheidung.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, ihr nach § 162 Abs. 3 VwGO die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

(1) Steht ein Erbbaurecht mehreren gemeinschaftlich nach Bruchteilen zu, so können die Anteile in der Weise beschränkt werden, dass jedem der Mitberechtigten das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung oder an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in einem auf Grund des Erbbaurechts errichteten oder zu errichtenden Gebäude eingeräumt wird (Wohnungserbbaurecht, Teilerbbaurecht).

(2) Ein Erbbauberechtigter kann das Erbbaurecht in entsprechender Anwendung des § 8 teilen.

(3) Für jeden Anteil wird von Amts wegen ein besonderes Erbbaugrundbuchblatt angelegt (Wohnungserbbaugrundbuch, Teilerbbaugrundbuch). Im Übrigen gelten für das Wohnungserbbaurecht (Teilerbbaurecht) die Vorschriften über das Wohnungseigentum (Teileigentum) entsprechend.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.