Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Ausbildungsförderung für den Besuch der 6. Jahrgangsstufe einer privaten Realschule mit angeschlossenem Internat in J.

Die am ... 1999 geborene Klägerin, deren Eltern in M. wohnen, besitzt die türkische Staatsangehörigkeit. Im Schuljahr 2010/2011 besuchte sie die 5. Jahrgangsstufe der Hauptschule an der ... Str. ... in München. Ausweislich des Jahreszeugnisses vom 29. Juli 2011 erreichte sie in den Pflichtfächern „Deutsch“ die Note befriedigend, in „Mathematik“ und „Englisch“ jeweils die Note ausreichend. Sie hat am „Mercator-Deutschkurs“ teilgenommen. Nach der Zeugnisbemerkung hat sie am Unterrichtsgespräch nur selten aktiv teilgenommen. Sie habe wenig Interesse am Schulstoff gezeigt und sei abgelenkt und abwesend gewesen. An dieser Lern- und Arbeitshaltung solle sie arbeiten, um ihre schulischen Leistungen zu steigern. Gestellte Aufgaben habe sie flott erledigt und ihre ordentliche Heftführung sei vorbildlich gewesen.

Am ... August 2011 beantragte die Klägerin für das Schuljahr 2011/2012 Ausbildungsförderung für den Besuch der 5. Jahrgangsstufe der Realschule der ... Privatschulen in J., einer staatlich genehmigten Ersatzschule, die ihr mit Bescheid der Beklagten vom ... August 2012 gewährt wurde.

Ausweislich des Zwischenzeugnisses für das Schuljahr 2011/2012 vom 17. Februar 2012 erreichte die Klägerin in den Fächern „Deutsch“ die Note 3, in „Englisch“ die Note 2 und in „Mathematik“ die Note 4. Die Schülerin habe am Wahlunterricht Türkisch mit gutem Erfolg teilgenommen. Sie arbeite im Unterricht meist gut mit, benötige aber oft Hilfe, um Lerninhalte zu erfassen und die ihr gestellten Aufgaben zu bewältigen. Sie sollte ihre Anstrengungen vor allem in den Fächern „Mathematik“, „Erdkunde“ und „Ethik“ noch steigern.

Ausweislich des Jahreszeugnisses für das Schuljahr 2011/2012 vom 31. Juli 2012 erreichte sie in den Fächern „Deutsch“ die Note befriedigend, in „Englisch“ die Note gut und in „Mathematik“ die Note ausreichend. Sie habe ihre Aufgaben meist sorgfältig und konzentriert erledigt; das selbstständige Arbeiten sei ihr zunehmend besser gelungen. Ihre Mitarbeit sei gut gewesen. Sie habe am Wahlunterricht „Türkisch“ mit gutem Erfolg teilgenommen. Sie habe 211 Fehlstunden gehabt, davon 38 unentschuldigt. Die Erlaubnis zum Vorrücken in die nächsthöhere Jahrgangsstufe hat sie erhalten.

Am ... Juli 2012 beantragte sie Ausbildungsförderung für den Besuch der 6. Jahrgangsstufe der Realschule der ... Privatschulen in J. im Schuljahr 2012/2013.

Auf eine Anfrage der Beklagten teilten die Bevollmächtigten der Klägerin am ... September 2012 mit, dass ein Zulassungs- oder Ablehnungsbescheid für die Anmeldung an einer öffentlichen Realschule für die 6. Jahrgangsstufe nicht vorgelegt werden könne, da die Klägerin nicht an einer Aufnahmeprüfung teilgenommen habe.

Mit Bescheid vom ... November 2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch der 6. Jahrgangsstufe der Realschule der ... Privatschulen für das Schuljahr 2012/2013 ab. Die Voraussetzungen für eine Förderung wegen notwendiger auswärtiger Unterbringung der Klägerin gemäß § 2 Abs. 1a, 4 BAföG lägen nicht vor, da Ausbildungsförderung nur für den Besuch der in § 2 Abs. 1a, 4 BAföG genannten Ausbildungsstätten gewährt werden könne.

Hiergegen ließen die Eltern der Klägerin am ... Dezember 2012 Widerspruch einlegen. Es sei nicht zumutbar, dass ein Schüler, für den die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a BAföG gegeben seien, sich jedes Jahr erneut um die Aufnahme an einer öffentlichen Schule in Wohnsitznähe bemühen müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom ... Juni 2013 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch zurück. Der Realschule der ... Privatschulen entspreche zum Beispiel die städtische ...-Realschule in München. Der Wechsel sei der Klägerin grundsätzlich zumutbar, da sie sich nicht im letzten Schuljahr der Realschule befinde. Eine auswärtige Unterbringung der Klägerin sei daher im Sinne des § 2 Abs. 1a BAföG nicht notwendig. Die Klägerin könne einen Anspruch auf Ausbildungsförderung für die 6. Jahrgangsstufe der privaten Realschule auch nicht daraus ableiten, dass sie für den Besuch der 5. Jahrgangsstufe derselben Realschule im Schuljahr 2011/2012 Ausbildungsförderung erhalten habe. Mit dem in §§ 46, 50 Abs. 1 Satz 4 BAföG normierten Antragsprinzip solle eine Bindung über den Bewilligungszeitraum hinaus gerade ausgeschlossen werden.

Hiergegen ließen die Eltern der Klägerin am 1. Juli 2013 Klage erheben und beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom ... November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom ... Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für den Zeitraum 08/2012 bis 07/2013 Ausbildungsförderung nach Art. 2 Abs. 1 BayAföG zu bewilligen.

Die Klägerin habe seinerzeit von der 5. Klasse der Hauptschule in die 5. Klasse der Realschule der ... Privatschulen gewechselt, da sie angesichts migrationstypischer Probleme mit dem Verständnis der deutschen Sprache eine auf ihre Probleme zugeschnittene Förderung erhalten sollte, welche weder an einer staatlichen Haupt- noch an staatlichen Realschulen in der von den ... Privatschulen angebotenen Form möglich sei. Die Klägerin habe nach intensiver Teilnahme an den am Nachmittag zusätzlich angebotenen Förderangeboten die 5. Klasse mit einem Notendurchschnitt von 3,2 bestanden und sei somit in die 6. Jahrgangsstufe vorgerückt. Trotz der Bewilligung von Ausbildungsförderung für die 5. Jahrgangsstufe der Realschule der ... Privatschulen habe die Beklagte für die Förderung der 6. Jahrgangsstufe die Vorlage eines Ablehnungsbescheides des Referates für Bildung und Sport bzw. einen Nachweis über die Anmeldung an einer staatlichen Realschule verlangt. Angesichts des Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a BAföG sowie des bereits im zweiten Jahr andauernden Schulbesuchs der... Privatschulen könne die Klägerin nicht auf eine Aufnahmeprüfung verwiesen werden, welche angesichts des Notendurchschnitts ohnehin ohne jegliche Erfolgsaussichten gewesen wäre. Unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs könne der Auszubildende nicht auf die wohnortnahe Ausbildungsstätte als entsprechend zumutbar im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG verwiesen werden, wenn sich der migrationstypische Förderbedarf auf der einen und die spezielle Schulstruktur und der Ausbildungsgang der auswärtigen Bildungsstätte auf der anderen Seite deckten. Dies sei etwa dann der Fall, wenn eine auswärtige Schule eine spezielle Sprach- und Studienförderung für Schüler mit Migrationshintergrund anbiete und beim Auszubildenden ein entsprechendes Defizit bestehe. Die Klägerin erhalte am Nachmittag Förderunterricht durch die entsprechenden Fachlehrer in den Fächern „Mathematik“, „Englisch“, „Deutsch“ und „Ethik“, da sie in diesen Fächern derzeit auf ausreichend stehe. Sowohl im Regelunterricht als auch bei der Förderung am Nachmittag werde zusätzlich zu einem Sprachförderunterricht immer dann, wenn es bei sprachlichen Verständnisproblemen in den jeweiligen Fächern erforderlich sei, eine ergänzende Förderung in Bezug auf die jeweiligen Verständnisprobleme angeboten. Erforderlichenfalls könne dies auch in der türkischen Muttersprache geschehen. Eine derartige Förderung könne von Seiten einer Schule am Wohnort der Eltern keinesfalls gewährt werden, so dass ein wesentlicher ausbildungsbezogener Unterschied zwischen beiden zum Vergleich stehenden Schulen zu bejahen sei. Selbst wenn an manchen staatlichen Schulen eine Sprachförderung angeboten werde, so erfolge diese keinesfalls - wie an den ... Privatschulen - jeweils individuell und punktuell dort, wo sich bei den zweisprachigen Schülern sprachliche Verständnisprobleme des in der deutschen Sprache vermittelten Stoffes auftäten. Im Übrigen verstoße die Beklagte auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da in vergleichbaren Fällen, z. B. im Falle der Schwester der Klägerin, Ausbildungsförderung seit Juli 2010 bewilligt worden sei.

Begleitend wurden Stellungnahmen des Geschäftsführers der ... Privatschulen vom 3. Juli 2013, des Ganztagsschulkoordinators der ... Privatschulen und der Klassenlehrerin der Klägerin in der 7. Jahrgangsstufe vorgelegt (Bl. 26 f., 44 der Gerichtsakte - GA).

Die Beklagte teilte mit, dass sie den Antrag der Klägerin im Hinblick auf die jüngste Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nochmals überprüft habe. Sie habe für die erforderliche Einholung von Stellungnahmen der Schulen zur Vergleichbarkeit von Lehrstoff, Schulstruktur und Bildungsgang eine Musteranfrage erstellt, die auch an die Schule der Klägerin geschickt worden sei. Mit Schreiben vom ... August 2013 sei die Schule der Klägerin außerdem um eine Stellungnahme zum Förderbedarf der Klägerin ersucht worden. Beide Anforderungen seien unbeantwortet geblieben. Nachdem drei Anhörungstermine für die Klägerin und deren Eltern zur Feststellung des speziellen Förderbedarfs der Klägerin nicht wahrgenommen worden seien, habe am ... September 2013 schließlich ein Anhörungstermin mit dem Vater der Klägerin stattgefunden (Bl. 113 der Behördenakte - BA). Der Vater der Klägerin habe dabei angegeben, die Klägerin sowie ihre Schwestern sprächen Türkisch besser als Deutsch; beide Sprachen würden jedoch beherrscht. Er selbst sei mit 7 Jahren nach Deutschland gekommen und habe bis zu 9. Klasse das Gymnasium besucht. Die Mutter der Klägerin habe in der Türkei die Schule besucht, verfüge über keinen Abschluss, spreche jedoch Deutsch. Die Kinder hätten von den Eltern in den letzten Jahren Nachhilfe bekommen; beide Töchter nähmen am Ergänzungsunterricht und an der Hausaufgabenbetreuung in deutscher Sprache teil. Die Klägerin besuche den Wahlunterricht Türkisch.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung der beantragten Ausbildungsförderung, da von der Wohnung der Eltern aus die städtische ...-Realschule oder die städtische Realschule an der ...-straße, jeweils in München, erreichbar seien. Da für die Klägerin keine nach Lehrstoff, Schulstruktur und Bildungsgang relevanten, individuell zu berücksichtigenden ausbildungsbezogenen Unterschiede einer wohnortnahen Bildungsstätte gegenüber der gewählten auswärtigen Schule bestünden, habe die Klägerin auf eine wohnortnahe Bildungsstätte verwiesen werden können. Die Beklagte habe bei der Klägerin keinen individuellen Förderbedarf, insbesondere keine sprachlichen oder andere spezielle migrationstypische Defizite festgestellt (Bl. 118 BA); ihre schulischen Defizite entsprächen dem Regelfall. Ihr Förderbedarf orientiere sich somit am Regelbedarf. Die Klägerin beherrsche die deutsche Sprache gut, wie ihre Noten in der Vergangenheit zeigten. Die Klägerin habe in der Vergangenheit ab dem Schuljahr 2010/2011 bis zum Jahreszeugnis des Schuljahres 2012/2013 im Fach „Deutsch“ immer die Note 3 (befriedigend) erreicht; nur im Zwischenzeugnis für das Schuljahr 2012/2013 habe sie einmalig die Note 4 (ausreichend) gehabt. Auch der Vater der Klägerin habe bei der Anhörung mitgeteilt, dass die Klägerin die deutsche Sprache beherrsche. Dies zeige, dass die schulischen Probleme der Klägerin nicht auf einer mangelnden Beherrschung der deutschen Sprache beruhten. Ein schulisches Defizit bestehe bei der Klägerin ausweislich ihrer Noten höchstens im Fach „Mathematik“, bei dem migrationstypische Defizite höchstens eine zu vernachlässigende Rolle spielen dürften. Die schulischen Leistungen der Klägerin hätten sich zudem an der Realschule der ... Privatschulen nicht wesentlich gebessert. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin an der Realschule der ... Privatschulen die 5. Jahrgangsstufe zum 2. Mal besucht habe. Ein migrationstypisches Defizit bestehe auch nicht im Hinblick auf die Unterstützung und Förderung der Klägerin durch ihre Eltern. Der Vater der Klägerin habe in der persönlichen Anhörung angegeben, dass die Eltern den Kindern „Nachhilfe gegeben“ hätten. Beide Eltern sprächen Deutsch; der Vater habe in Deutschland bis zu 9. Klasse das Gymnasium besucht. Die Klägerin nehme am Ergänzungsunterricht sowie der Hausaufgabenbetreuung teil. Beides finde in deutscher Sprache statt. Ausweislich der Stellungnahme des Ganztagsschulkoordinators werde der Nachhilfeunterricht von Nachhilfelehrern und nicht von den Fachlehrern durchgeführt. Diese Zusatzangebote seien schon nicht ausbildungsbezogen, da sie nicht unmittelbar mit der Ausbildung verbunden seien, sondern nur neben der Ausbildung angeboten würden. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass auch öffentliche Realschulen Maßnahmen der individuellen Förderung anbieten könnten, wie sich aus § 3 RSO i. V. m. Anlage 1 zur Realschulordnung ergebe. Insbesondere stellten diese auch Maßnahmen der Individualförderung dar.

Hinsichtlich der für den vorangegangenen Bewilligungszeitraum gewährten Ausbildungsförderung wurde auf § 50 Abs. 1 Satz 4 BAföG hingewiesen.

Hierauf erwiderten die Bevollmächtigten der Klägerin am 2. Dezember 2013. Es sei nicht zutreffend, dass die Eltern der Klägerin ihren Kindern in den letzten Jahren Nachhilfe gegeben hätten. Vielmehr habe die Klägerin externe Nachhilfe erhalten, die die Eltern bezahlt hätten. Aufgrund der eingeschränkten Deutschkenntnisse wären die Eltern gar nicht in der Lage gewesen, ihren Kindern in den entsprechenden Fächern in den höheren Klassen der Realschule Nachhilfe zu erteilen. Die konstante Note 3 im Fach „Deutsch“ sei nur durch die spezielle Unterstützung der ... Privatschulen erreicht worden. Ausweislich der hierzu vorgelegten Stellungnahme der Klassenleitung der 7. Klasse (Bl. 44 GA) habe die Klägerin mit sprachbedingten Problemen zu kämpfen, da Türkisch ihre Muttersprache sei und Deutsch als Zweitsprache erlernt worden sei bzw. immer noch erlernt werde. Die Besonderheit der besuchten Schule seien die sog. Fichtelklassen in den Hauptfächern. Dies bedeute, dass die Klassen in Fächern wie „Deutsch“ oder „Französisch“ geteilt würden, um in einer kleineren Gruppe optimal gefördert werden zu können. Auch die Klägerin profitiere von dieser „Fichtelung“, da sie in „Deutsch“ mit 11 weiteren Schülerinnen unterrichtet werde. Die Schülerinnen kämen so mündlich viel öfter zum Zug und eine Fehleranalyse könne gezielt und individuell vorgenommen werden. Des Weiteren gebe es zusätzliche Intensivierungsstunden, zum Beispiel in „Deutsch“, so dass typische grammatikalische Schwierigkeiten und auch Rechtschreibprobleme intensiv und vor allem auch gezielter besprochen werden könnten. Ein weiteres Angebot der Schule seien Nachhilfestunden, um schulische Probleme, die viel zu häufig sprachbedingt seien, behandeln zu können. Die Klägerin profitiere deutlich von den zusätzlichen Fördermaßnahmen der Schule.

Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2014 erwiderte die Beklagte, dass Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit nicht zwingend einen speziellen migrationsbedingten Förderbedarf begründe. Bei einer aktuellen Abfrage zur Mehrsprachigkeit bei Schülern an Münchner Realschulen sei festgestellt worden, dass 48,49% aller Münchner Realschüler zwei- oder mehrsprachig seien. Mehrsprachigkeit stelle daher keine Ausnahme dar. Die schulischen Regelangebote seien darauf abgestimmt. Die Beklagte habe bei der Klägerin keinen speziellen und individuellen Förderbedarf ermitteln können. Es werde bestritten, dass die Eltern der Klägerin aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht in der Lage seien, der Klägerin auch in den höheren Klassen der Realschule Nachhilfe zu geben. Vergleichbare, entsprechend zumutbare Realschulen am Wohnort der Eltern seien beispielsweise die städtische A-Realschule in München oder die J-Schule - Staatliche Realschule München. Beide genannten Schulen böten die Ausbildungsrichtung (Wahlpflichtfächergruppe) IIIa mit Schwerpunkt in der zweiten Fremdsprache „Französisch“ an.

Die A-Realschule sei eine Mädchenrealschule und seit dem Schuljahr 2012/2013 im Ganztag, d. h. im Jahr 2012/2013 habe es insbesondere eine Ganztagsklasse für die 6. Jahrgangsstufe gegeben. Der pädagogische Schwerpunkt des umfassenden Schulkonzeptes im Ganztag liege im Lernen in heterogenen Gruppen, das in der vertikalen Lernhausstruktur umgesetzt werde. Im Vordergrund für die ganzheitliche Förderung der Schülerinnen stünden dabei kognitive Fähigkeiten, aber auch emotionale, künstlerische und soziale Fähigkeiten. Durch das Arbeiten in Lernbüros und mit Logbüchern würden die Schülerinnen erfolgreich zum eigenverantwortlichen und selbstständigen Lernen erzogen. Die A-Realschule sei gerade für den deutschen Schulpreis sowie für den i. S.i. - Innere Schulentwicklung Innovationspreis - nominiert. Der Wettbewerb des Deutschen Schulpreises zeichne besonders gute Schulen aus, um ihre innovativen Ideen und Konzepte sichtbar zu machen und sie für ihre Leistungen zu belohnen. Für den Deutschen Schulpreis hätten sich etwa 120 Schulen beworben. Die städtische A...Realschule sei bayernweit die einzige öffentliche Schule, die unter den Top 20 der nominierten Schulen sei. Der i. S.i. sei ein Qualitätssiegel für Schulqualität und Schulentwicklung an Bayerns Schulen. 100 Schulen aller Schularten hätten sich um den i. S.i. 2014 beworben; 19 davon seien nominiert. Mit dem Preis würden bayerische Schulen gewürdigt, die einen Schwerpunkt auf die Schulentwicklung legten und mit Begeisterung sowie großem Einsatz neue Wege ausprobierten und mit modernen Konzepten die Unterrichtsqualität nachhaltig verbesserten.

Bei der J.-Schule handele es sich um eine offene Ganztagesschule mit gebundenen Ganztagsklassen in den Jahrgangsstufen 5 und 6. Im gebundenen Ganztagsangebot bestehe für die Schüler ein durchgehend strukturierter Aufenthalt in der Schule an mindestens 4 Wochentagen mit täglich mindestens 8 Zeitstunden (inkl. Mittagspause). Außerdem stünden die vormittäglichen und nachmittäglichen Aktivitäten der Schüler in einem konzeptionellen Zusammenhang. Der Pflichtunterricht werde auf den Vormittag und den Nachmittag verteilt. Über den ganzen Tag hinweg wechselten Unterrichtsstunden mit Übungs- und Studierzeiten sowie sportlich, musisch oder künstlerisch orientierten Fördermaßnahmen. In Zusammenarbeit mit der Schülerbetreuung F. e.V. biete die J-Schule für die Jahrgangsstufen 7 mit 9 eine offene Nachmittagsbetreuung von 13.05 Uhr bis maximal 16.10 Uhr an. Nach einem gemeinsamen Mittagsessen und einer Bewegungspause würden in Kleingruppen Hausaufgaben unter Anleitung angefertigt. Nach dieser Arbeitsphase könnten sich die Schüler sportlich oder musisch-künstlerisch betätigen. Das Angebot richte sich besonders an Schüler, deren Eltern beide berufstätig seien und die häusliche Vorbereitung für die Schule selbst nur schwer leisten könnten oder an Schüler, die einfach nur die Freizeitangebote im sportlich-musischen Bereich wahrnehmen wollten.

Die beiden genannten Schulen seien daher im Hinblick auf die geltend gemachte spezielle Förderung von Schülerinnen mit Migrationshintergrund entsprechend vergleichbar mit der Realschule der ... Privatschulen im Sinne der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Beide Schulen böten ein innovatives Schulkonzept mit rhythmisiertem Unterricht, Unterrichtsdifferenzierungen wie Teamteaching oder Klassenaufteilung, Lernkompetenztraining, besonderen Fördermöglichkeiten und einer weitreichenden Methodenvielfalt. Die Schüler würden zu selbstorganisiertem und individualisiertem Lernen angeleitet, aber auch die nötige Unterstützung werde durch die Schule als Lernbegleiter angeboten. Durch die Heterogenität beim Lernen sowie die ganzheitliche Erziehung werde gleichzeitig die Integration und das Selbstvertrauen der Schüler gefördert. Die Vergleichbarkeit einer Schule mit denen der ... Privatschulen sei auch dann gegeben, wenn die Fördermöglichkeiten der zu vergleichenden Schulen sich zwar unterschieden, aber den Schülern im gleichen Maß zugute kämen oder den Förderumfang der ... Privatschulen sogar überträfen. Dies sei hinsichtlich der A-Realschule und der J.-Schule der Fall. Die zusätzlichen Förderangebote der Realschule der ... Privatschulen verliehen dem Schulbesuch keine besondere Prägung. Der zusätzliche türkische Wahlunterricht sei zwar für Muttersprachler - insbesondere aus Sicht der Eltern - eine erfreuliche Ergänzung. Auch die zusätzliche Hausaufgabenbetreuung sowie Nachhilfestunden (1 - 4 Stunden/Woche), welche jedoch nicht von den Klassenlehrern, sondern von eigenen Nachhilfelehrern durchgeführt würden, seien nicht als primär schulische Veranstaltungen zu sehen und könnten auch beim Besuch öffentlicher Schulen zusätzlich in Anspruch genommen werden. Bezogen auf Schulstruktur und Bildungsgang stelle es insbesondere auch kein maßgebliches Kriterium der Ausbildungsstätte dar, ob an der Schule Lehrkräfte mit der Mutter- oder Zweitsprache Türkisch vorhanden seien. Da der Lehrkräftestamm einem stetigen Wechsel unterliege, verleihe dieser Umstand dem Förderangebot der ... Privatschulen keine Prägung und sei auch nicht in der besonderen Schulstruktur verortet.

Hierzu wurden Stellungnahmen der Schulleitungen der A...Realschule vom 2. Oktober 2013 und 10. Februar 2014 (Bl. 64 f. und Bl. 100 ff. GA) sowie der J...Schule vom 18. September 2013 und vom 13. Februar 2014 (Bl. 66 und Bl. 128 ff. GA) vorgelegt.

Ergänzende Fragen des Gerichts beantworteten die Schulleitungen der A...Realschule mit Schreiben vom 12. Februar 2014 (Bl. 91 GA), der J...Schule mit Schreiben vom 24. Februar 2014 (Bl. 139 f. GA) und der ... Privatschulen mit Schreiben vom 20. Februar 2014 (Bl. 136 ff. GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten, insbesondere auf die genannten Stellungnahmen der Schulen, sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. März 2014 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom ... November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 12. Juni 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch der 6. Jahrgangsstufe der Realschule der ... Privatschulen im Schuljahr 2012/2013 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Bayerischen Ausbildungsförderungsgesetzes (BayAföG) wird Ausbildungsförderung für den Besuch der Klassen 5 - 9 von Realschulen gewährt, wenn die Ausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer staatlich anerkannten oder genehmigten Ersatzschule durchgeführt wird. Gemäß Art. 4 Abs. 1, 5 BayAföG gilt § 2 Abs. 1a BAföG entsprechend.

Gemäß § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da es mit der städtischen A...Realschule und der staatlichen J.-Schule mindestens zwei der besuchten Privatschule entsprechende zumutbare öffentliche Realschulen gegeben hätte, die von der Wohnung der Eltern aus erreichbar sind.

Eine der tatsächlich besuchten Ausbildungsstätte entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG liegt grundsätzlich dann vor, wenn sie nach Lehrstoff und Bildungsgang zu dem erstrebten Ausbildungs- und Erziehungsziel führt. Hierfür reicht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch die Möglichkeit des Erwerbs des gleichen Bildungsabschlusses an beiden Ausbildungsstätten allein nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1976 - V C 43.75 - BVerwGE 51, 354; B.v. 20.9.1996 - 5 B 177/95 - juris Rn. 4). Abzustellen ist vielmehr darauf, ob bei der wohnortnahen Bildungsstätte nach Lehrstoff, Schulstruktur und Bildungsgang relevante Unterschiede gegenüber der gewählten auswärtigen Schule bestehen, die einem Verweis des Auszubildenden auf den Besuch der wohn-ortnahen Bildungsstätte entgegenstehen (BayVGH, z. B. B.v. 18.6.2013 - 12 B 13.593 - juris Rn. 18 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 16.12.1976 - V C 43.75 - BVerwGE 51, 354; U.v. 31.3.1980 - V C 41.78 - FamRZ 1980, 837; U.v. 12.2.1981 - V C 43.79 - FamRZ 1981, 610; U.v. 21.6.1990 - V C 3/88 - NVwZ-RR 1990, 611; OVG NRW, B.v. 28.10.2011 - 12 A 1955/11 - juris Rn. 3; B.v. 28.2.2012 - 12 A 1456/11 - juris Rn. 3; B.v. 16.10.2012 - 12 A 1628/12 - juris Rn. 7).

Für den danach anzustellenden Vergleich der beiden in Betracht zu ziehenden Ausbildungsstätten besitzen indes nur ausbildungsbezogene Gesichtspunkte Relevanz. Außer Betracht zu bleiben haben ferner unwesentliche Unterschiede bezogen auf Schulstruktur und Bildungsgang. Demgegenüber liegen wesentliche, beachtliche Unterschiede zwischen zwei Ausbildungsstätten dann vor, wenn die Ausrichtung des Auszubildenden an einem bestimmten, nur an der von ihm gewählten und nicht auch an der wohnortnahen Ausbildungsstätte verwirklichten ausbildungsbezogenen Umstand sinnvoll ist (BayVGH, z. B. B.v. 18.6.2013 - 12 B 13.593 - juris Rn. 18 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 21.6.1990 - 5 C 3/88 - NVwZ-RR 1990, 611; OVG NRW, B.v. 28.10.2011 - 12 A 1955/11 - juris Rn. 3; B.v. 28.2.2012 - 12 A 1456/11 - juris Rn. 3; B.v. 16.10.2012 - 12 A 1628/12 - juris Rn. 7).

Derartige wesentliche Unterschiede zwischen zwei Bildungsstätten bejaht die Rechtsprechung etwa dann, wenn die besuchte Ausbildungsstätte eine konfessionelle oder weltanschauliche Prägung besitzt und der Auszubildende seine Ausbildung hieran orientiert (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.1978 - V C 49.77 - BVerwGE 57, 198). Den maßgeblichen Bezugspunkt bildet dabei jedoch allein die Ausbildungsstätte selbst, nicht hingegen lediglich mit ihr verbundene Einrichtungen, wie beispielsweise externe Wohnheime (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.1980 - 5 C 41/78 - FamRZ 1980, 837). Darüber hinaus kann auch die spezielle Ausrichtung einer Ausbildungsstätte am Förderbedarf von Migranten einen relevanten, ausbildungsbezogenen Unterschied zwischen zwei Ausbildungsstätten ausmachen (BayVGH, z. B. B.v. 18.6.2013 - 12 B 13.593 - juris Rn. 20 unter Verweis auf OVG NRW, B.v. 28.2.2012 - 12 A 1456/11 - juris Rn. 3; B.v. 16.10.2012 - 12 A 1628/12 - juris Rn. 7 und 12; VG Trier, U.v. 20.12.2007 - 6 K 439/07.TR - juris Rn. 17 und 19). Bietet die wohnortnahe Schule, die den gleichen Schulabschluss vermittelt wie die gewählte Ausbildungsstätte, eine spezielle Betreuung für Migranten, beispielsweise eine Sprachförderung oder eine Hilfestellung bei den Hausaufgaben, die migrationstypische Defizite ausgleicht, nicht an, so kann je nach Ausgestaltung der migrationstypischen Förderung im Einzelfall die Annahme einer entsprechenden, zumutbaren Ausbildungsstätte abgelehnt werden (BayVGH, z. B. B.v. 18.6.2013 - 12 B 13.593 - juris Rn. 20; B.v. 5.12.2012 - 12 BV 11.1377 - juris Rn. 14; VG Trier, U.v. 20.12.2007 - 6 K 439/07.TR - juris Rn. 17 und 19).

Von einem wesentlichen Unterschied zwischen der gewählten und der wohnortnahen Ausbildungsstätte kann insbesondere dann ausgegangen werden, wenn das prägende Profil der gewählten Bildungseinrichtung dem individuellen Förderbedarf des Auszubildenden - im Gegensatz zur wohnortnahen Ausbildungsstätte - im konkreten Fall entspricht. Decken sich Förderbedarf auf der einen und spezielle Schulstruktur und Bildungsgang der auswärtigen Bildungsstätte auf der anderen Seite und trifft dies auf die wohnortnahe Ausbildungsstätte nicht zu, so kann der Auszubildende auf die wohnortnahe Ausbildungsstätte als entsprechende zumutbare im Sinne von § 2 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BAföG nicht verwiesen werden (BayVGH, z. B. B.v. 18.6.2013 - 12 B 13.593 - juris Rn. 21 unter Verweis auf OVG NRW, B.v. 16.10.2012 - 12 A 1628/12 - juris Rn. 12; VG Trier, U.v. 20.12.2007 - 6 K 439/07.TR - juris Rn. 19).

Anders verhält es sich hingegen dann, wenn eine auswärtige Schule eine spezielle Sprach- und Studienförderung für Schüler mit Migrationshintergrund zwar anbietet, beim Auszubildenden jedoch ein entsprechendes Defizit nicht besteht (BayVGH, z. B. B.v. 18.6.2013 - 12 B 13.593 - juris Rn. 22; B.v. 5.12.2012 - 12 BV 11.1377 - juris Rn. 15).

Für die Feststellung des individuellen Förderbedarfs der Klägerin war die Stellungnahme der Schulleitung der von ihr in der 5. Jahrgangsstufe zuletzt besuchten Schule einzuholen. Die Beklagte hatte ferner durch eine persönliche Anhörung der Klägerin und durch Berücksichtigung der von ihr erbrachten Leistungen festzustellen, ob bei ihr ein bestimmter, ausbildungsbezogener migrationstypischer Förderbedarf besteht, der dem speziellen Profil der Realschule der ... Privatschulen entspricht, oder ob dieser Förderbedarf auch an der städtischen A...Realschule bzw. der staatlichen J...Schule in München hätte befriedigt werden können. Die von den Schulen angebotenen Fördermaßnahmen waren durch formlose (schriftliche) Anfragen zu ermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2013 - 12 B 13.593 - juris Rn. 26).

Gemessen an diesem Maßstab hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch der 6. Jahrgangsstufe der Realschule der ... Privatschulen in J. im Schuljahr 2012/2013 zu Recht abgelehnt, da bei ihr zu dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt am Ende des Schuljahres 2011/2012 kein bestimmter, ausbildungsbezogener migrationstypischer Förderbedarf festzustellen war. Wollte man der Klägerin dennoch das vorgetragene spezifische migrationsbedingte Defizit unterstellen, wäre dieses jedenfalls auch über die in der städtischen A...Realschule und der staatlichen J.-Schule angebotenen Förderkonzepte auszugleichen gewesen.

Zwar hat die Schulleitung der ... Privatschulen mit Schreiben vom 20. Februar 2014 (Bl. 138 GA) der Klägerin zum Ende des Schuljahres 2011/2012 (Ende der 5. Klasse) einen „deutlichen“ Förderbedarf bescheinigt, der auf der Tatsache beruht habe, dass die Deutschkenntnisse der Klägerin nicht auf dem erforderlichen Niveau gewesen seien. Die Note 4 in Mathematik sei der Tatsache geschuldet, dass die Klägerin bei Textaufgaben Verständnisschwierigkeiten gehabt habe, weshalb ihre Rechenleistungen nicht dem Niveau entsprochen hätten, das mit einem besseren Textverständnis hätte erreicht werden können. Die Klägerin könne an den ... Privatschulen durch intensive Förderung ihre Potentiale besser nutzen als dies an einer staatlichen Schule möglich wäre. Damit werde ein wesentlicher Beitrag zur Integration von Jugendlichen aus Migrantenfamilien geleistet. Auch nach der von den Bevollmächtigten der Klägerin vorgelegten Stellungnahme der Klassenleitung der derzeit von der Klägerin besuchten 7. Jahrgangsstufe der ... Privatschulen (Bl. 44 GA) habe die Klägerin mit sprachbedingten Problemen zu kämpfen, da Türkisch ihre Muttersprache sei und Deutsch als Zweitsprache erlernt worden sei bzw. immer noch erlernt werde. Auch die Klägerin profitiere von der Teilung der Klasse in Deutsch und Französisch, da sie in Deutsch mündlich viel öfter zum Zug komme und eine Fehleranalyse gezielter und individueller vorgenommen werden könne. In den zusätzlichen Intensivierungsstunden in Deutsch könnten typische grammatikalische Schwierigkeiten und auch Rechtschreibprobleme intensiver und vor allem auch gezielter besprochen werden. Die Klägerin profitiere deutlich von den zusätzlichen Fördermaßnahmen der Schule.

Demgegenüber ist allerdings festzustellen, dass sich die Noten der Klägerin in den Fächern „Deutsch“ und „Mathematik“ durch den Besuch der 5. Jahrgangsstufe der ... Privatschulen nicht verbessert haben, obgleich sie die 5. Jahrgangsstufe - wenn auch in einer höheren Schulart - sogar wiederholt hat. Vielmehr hatte die Klägerin im Fach „Mathematik“ und teilweise auch in anderen Fächern im Jahreszeugnis der Hauptschule an der ... Straße ... für das Schuljahr 2010/2011 sowie im Zwischenzeugnis und Jahreszeugnis für die 5. Klasse der Realschule der ... Privatschulen für das Schuljahr 2011/2012 die Note 4 (ausreichend). Dagegen hat die Klägerin im Fach „Deutsch“ in dem genannten Zeitraum durchgängig die Note 3 (befriedigend) erreicht. Dass die Klägerin in der 5. Klasse der Hauptschule sowie in der 5. Klasse der Realschule der ... Privatschulen im Fach „Deutsch“ jeweils die Note 3 (befriedigend) erreicht hat, spricht gegen ein spezifisches migrationsbedingtes Defizit, das durch spezielle migrationsspezifische Förderangebote hätte ausgeglichen werden müssen.

Auch dass die Klägerin nach Angabe der Schulleitung und der Klassenleitung der 7. Klasse von den individuellen, speziell auch auf das bessere Textverständnis ausgerichteten Förderangeboten der ... Privatschulen besonders profitiert habe, wird durch die Notenentwicklung in „Deutsch“ und „Mathematik“ gerade nicht bestätigt. Während die Noten der Klägerin in der 5. Jahrgansstufe der Hauptschule und der privaten Realschule in „Deutsch“ und „Mathematik“ gleich geblieben sind, hat sich die Klägerin in der 6. Jahrgangsstufe, also im zweiten Schuljahr auf der privaten Realschule, zeitweise in „Deutsch“ und dauerhaft in „Mathematik“ verschlechtert, obwohl sie nach Angabe der Schulleitung der ... Privatschulen im Schuljahr 2011/2012 an den Intensivierungsstunden in „Deutsch“, „Mathematik“ und „Englisch“ teilgenommen und zudem die Nachhilfe in „Deutsch“ und „Mathematik“ besucht habe. Im Zwischenzeugnis der 6. Jahrgangsstufe der ... Privatschulen im Schuljahr 2012/2013 hat sich die Klägerin in „Deutsch“ auf die Note 4 und in „Mathematik“ auf die Note 5 verschlechtert, im Jahreszeugnis des Schuljahres 2012/2013 konnte sie sich in „Deutsch“ dann wieder auf die Note befriedigend verbessern, in „Mathematik“ erhielt sie die Note mangelhaft. Damit erscheinen die Ende 2013 bzw. im Februar 2014 rückwirkend vorgenommenen Einschätzungen der Schulleitung und der Klassenleitung zum ausbildungsbezogenen migrationsbedingten Defizit der Klägerin insgesamt zweifelhaft.

Auch die Beklagte hat im Verwaltungsverfahren zu dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt am Ende des Schuljahres 2011/2012 auf der Grundlage der von der Klägerin gezeigten Leistungen und der Anhörung des Vaters keinen individuellen migrationsbedingten Förderbedarf der Klägerin festgestellt. Zwar konnte die Beklagte die Klägerin nicht persönlich anhören, da diese trotz mehrmaliger Aufforderung nicht zu einem Anhörungstermin erschienen ist, jedoch gab der Vater der Klägerin an, diese spreche zwar besser Türkisch als Deutsch, beherrsche aber beide Sprachen. Der Vater wolle seinen Kindern eine gute Bildung vermitteln, doch seine Töchter hätten in vielen Fächern Probleme.

In der mündlichen Verhandlung gab der Vater der Klägerin ergänzend an, dass er ihr früher über Jahre hinweg Nachhilfestunden bezahlt, ihr aber nicht selbst bei den Hausaufgaben geholfen habe. Durch die Nachhilfestunden seien die Noten der Klägerin aber nicht besser geworden. Erst als die Klägerin die ... Privatschulen besucht habe, sei eine deutliche Leistungssteigerung erfolgt.

Aus den Äußerungen des Vaters lassen sich keine Rückschlüsse auf ein migrationsbedingtes Defizit als Ursache für die von ihm angeführten schlechten Noten der Klägerin (Bl. 19 BA) in „Mathematik“ und „Englisch“ (sowie „Physik/Chemie/Biologie“, „Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde“ und „Arbeit-Wirtschaft-Technik“) vor dem Wechsel auf die private Realschule ziehen. Die durchgängig auf mittlerem Niveau liegende Benotung der Klägerin im Fach „Deutsch“ mit der Note 3 (befriedigend) spricht gegen einen sich auf die nur ausreichenden Leistungen in den anderen Fächern, wie „Mathematik“ und „Englisch“, auswirkenden migrationsbedingten Nachteil. Läge die Ursache für die schlechten schulischen Leistungen der Klägerin in der mangelnden Beherrschung der deutschen Sprache, wäre sie dort kaum durchgängig mit einer Notenstufe besser benotet worden als in fast allen anderen Fächern, in denen sie jeweils nur die Note ausreichend erreichte.

Auch dass der Vater der Klägerin dieser nicht selbst bei den Hausaufgaben geholfen, sondern ihr über Jahre hinweg Nachhilfestunden bezahlt hat, trägt nichts zur Annahme des Vorliegens eines spezifischen migrationsbedingten Förderbedarfs der Klägerin bei. Die Situation der Familie der Klägerin unterscheidet sich damit nicht wesentlich von einer Vielzahl anderer familiärer Situationen, in denen die Eltern aus Zeitgründen (weil beide berufstätig sind) oder aus anderen Gründen (weil sie beispielsweise selbst über keine entsprechende Bildung verfügen oder die Noten der Kinder trotz Hilfe der Eltern nachhaltig schlecht sind) ihren Kindern nicht selbst bei den Hausaufgaben helfen, sondern externe Nachhilfe in Anspruch nehmen. Dass bei der Klägerin in der Realschule der ... Privatschulen eine deutliche Leistungssteigerung erfolgt sei, wird im Übrigen, wie bereits dargelegt, durch die Notenentwicklung widerlegt.

Auch nach dem persönlichen Eindruck, den sich die Kammer bei der Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung machen konnte, bestehen bei der Klägerin keine Defizite in der deutschen Sprache. Sie spricht fließend Deutsch und hatte keinerlei Schwierigkeiten, der Verhandlung zu folgen und Fragen flüssig zu beantworten. Dass die Klägerin nach der Stellungnahme der Klassenleitung der von ihr derzeit besuchten 7. Jahrgangsstufe nach wie vor mit sprachbedingten Problemen zu kämpfen habe - die nach der Stellungnahme der Schulleitung der ... Privatschulen vom 20. Februar 2014 so massiv (gewesen) seien, dass sie sich auf das Verständnis der Textaufgaben in Mathematik, Sachtexte in Biologie usw. auswirken sollen - und dass die Klägerin deshalb besonders von den zusätzlichen Fördermaßnahmen der privaten Realschule profitiere, sieht die Kammer sowohl aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindrucks, der Rückschlüsse auf das Vorliegen eines spezifischen migrationsbedingten Defizits zum maßgeblichen Zeitpunkt am Ende des Schuljahres 2011/2012 zulässt, als auch aufgrund der Notenentwicklung der Klägerin in den Fächern „Deutsch“ und „Mathematik“ trotz der individuellen Fördermaßnahmen der ... Privatschulen als widerlegt an. Die Kammer geht vielmehr aufgrund der Gesamtschau davon aus, dass bei der Klägerin kein spezifischer migrationstypischer Förderbedarf vorliegt, sondern dass ihr Förderbedarf sich nicht von demjenigen eines leistungsschwächeren Schülers ohne Migrationshintergrund unterscheidet.

So hat auch die Schulleitung bzw. Klassenleitung der Hauptschule an der ... Str. ... die schlechten Leistungen der Klägerin im Jahreszeugnis der 5. Jahrgangsstufe darauf zurückgeführt, dass sie wenig Interesse am Schulstoff gezeigt habe und abgelenkt und häufig abwesend gewesen sei. An dieser Lern- und Arbeitshaltung sollte sie arbeiten, um ihre schulischen Leistungen zu steigern. Im Zwischenzeugnis der 5. Jahrgangsstufe der ... Privatschulen wurde festgestellt, dass die Klägerin im Unterricht meist gut mitarbeite, aber oft Hilfe benötige, um Lerninhalte zu erfassen und die ihr gestellten Aufgaben zu bewältigen. Sie solle ihre Anstrengungen vor allem in den Fächern „Mathematik“, „Erdkunde“ und „Ethik“ noch steigern. Im Jahreszeugnis der 6. Jahrgangsstufe der ... Privatschulen, in dem sich die Klägerin notenmäßig teilweise deutlich verschlechtert hatte, wurde festgestellt, dass ihre Mitarbeit im Unterricht im 2. Halbjahr deutlich nachgelassen habe. Demnach sind die schulischen Leistungen der Klägerin nach Überzeugung der Kammer nicht auf ihre mangelnden Deutschkenntnisse oder andere migrationstypische Defizite zurückzuführen, sondern auf mangelnde Konzentration und Mitarbeit im Unterricht sowie andere Faktoren, die auf eine Vielzahl „schwächerer Schüler“ zutreffen.

Nach einer aktuellen Umfrage der Beklagten bei Schülern der Münchener Realschulen zur Mehrsprachigkeit sind etwa 48% aller städtischen Realschüler zwei- oder mehrsprachig. Mehrsprachigkeit stellt demnach gemessen an der Gesamtzahl der Münchner Realschüler keine Ausnahme dar und begründet auch nicht zwingend einen speziellen migrationsbedingten Förderbedarf. Andernfalls müsste davon ausgegangen werden, dass das schulische Regelangebot für knapp die Hälfte der Münchner Realschüler kein zumutbares Ausbildungskonzept darstellt.

Selbst wenn man entgegen der oben getroffenen Feststellungen dennoch davon ausgehen wollte, dass bei der Klägerin der von der Schulleitung der ... Privatschulen attestierte migrationstypische Förderbedarf besteht, hätte dieser - unterstellte - Förderbedarf auch in der städtischen A.-Realschule und der staatlichen J.-Schule in München befriedigt werden können. Beide genannten Schulen bieten die Ausbildungsrichtung (Wahlpflichtfächergruppe) IIIa mit Schwerpunkt in der zweiten Fremdsprache „Französisch“ an.

Die A.-Realschule ist ebenso wie die Realschule der ... Privatschulen eine Mädchenschule. Im Schuljahr 2012/2013 waren 12 von 23 Klassen im Ganztag, insbesondere bestand eine Ganztagsklasse für die 6. Jahrgangsstufe. Die A.-Realschule ist eine gebundene Ganztagsschule, in der die Schülerinnen täglich von 7.55 Uhr - 16.05 Uhr, freitags von 8.40 Uhr - 13.50 Uhr lernen. Im Gegensatz zu einer offenen Ganztagesschule wird am Vormittag und am Nachmittag unterrichtet. In den Ganztagsklassen gibt es keine Hausaufgaben und somit keine Hausaufgabenbetreuung. Es finden verschiedene Förderangebote statt. In den Jahrgangsstufen 5 und 6 wird „Deutsch als Zweitsprache“, „Lesen und Rechtschreibung“, „Englisch“ oder „Mathematik“ mit 1 Stunde je Woche gefördert, wobei die Schülerinnen nach Bedarf einer Gruppe zugeordnet werden. Die Gruppen bestehen aus 15 - 20 Schülerinnen. In den höheren Jahrgangsstufen findet die Förderung in „Deutsch“ während 2 Wochenstunden durch sog. Teamteaching statt, bei dem ein zweiter Lehrer in die Klasse kommt. Ebenfalls zum Förderkonzept gehört der überwiegend rhythmisierte Unterricht in Doppelstunden. In diesen Doppelstunden wird Neues erlernt, vertieft und eingeübt. Zusätzlich zum regulären Unterricht lernen die Schülerinnen der Ganztagsklassen zweimal in der Woche jeweils in einer Doppelstunde in den sog. Lernbüros, die in den Fächern „Deutsch“, „Mathematik“ und „Englisch“ stattfinden. Die Schülerinnen lernen dort selbstständig und eigenverantwortlich mit Selbstlern- und Übungsmaterialien, die von den Lehrkräften erstellt wurden. Die Lernbüros werden von Fachlehrkräften betreut. Die Lernbüro-Gruppen bestehen aus heterogenen Schülerinnen-Gruppen, d. h. aus jeder Jahrgangsstufe sind ca. 3 Schülerinnen in dieser Gruppe, bei einer Gruppenstärke von ca. 18 Schülerinnen insgesamt. Die Schülerinnen wählen selbst, in welches Lernbüro sie jeweils gehen, müssen aber im Halbjahr mindestens zwölfmal jedes Lernbürofach (D, M, E) besucht haben, das bedeutet eine zusätzliche Förderung von mindestens 72 Stunden pro Halbjahr. Begleitet wird die Arbeit in den Lernbüros durch das sog. Logbuch. Darin dokumentieren die Schülerinnen ihren individuellen Lernfortschritt, planen und reflektieren diesen. Ein wesentliches Element, das die Lernbegleitung und die Arbeit mit dem Logbuch unterstützt, ist die wöchentliche Logbuch-Stunde, in der die Schülerinnen in einem ca. zweiwöchigen Rhythmus ein fünf- bis siebenminütiges Gespräch mit einem der beiden Lehrkräfte des Klassenleitungsteams führen. Darin wird der Lernfortschritt, die Selbsteinschätzung und das Verhalten der jeweiligen Schülerin besprochen und am Ende eine Vereinbarung getroffen, die im folgenden Gespräch überprüft und erneuert wird. Darüber hinaus sieht das Konzept der A.-Realschule die Förderung der Schülerinnen in „Naturwissenschaften“ und „Technik“ vor. Hierzu finden in jeder Jahrgangsstufe fächerübergreifende Projekte mit Präsentation statt. Weiterhin hat die A.-Realschule ein umfangreiches Berufsfelderweiterungskonzept, bei dem die Schülerinnen Unterstützung bei ihrer Berufsfindung erhalten. Zusätzlich finden einmal in der Woche Neigungsgruppen mit künstlerischem, kreativem oder sozialem Schwerpunkt statt (vgl. zum Ganzen: Stellungnahmen der A.-Realschule v. 2.10.2013, 10.2.2014 und 12.2.2014: Bl. 64 f., 91, 100 ff. GA).

Insbesondere durch das Förderangebot „Deutsch als Zweitsprache“ und „Lesen und Rechtschreibung“ sowie durch die zusätzlichen Doppelstunden jeweils zwölfmal im Halbjahr in den Fächern „Deutsch“, „Mathematik“ und „Englisch“ hätte ein individueller - auch migrationsspezifischer - Förderbedarf der Klägerin abgedeckt werden können, zumal die Lernbüros individuell am jeweiligen Lernbedarf der Schülerinnen orientiert sind, auch wenn sie nicht speziell auf migrationstypische Defizite abgestimmt sind. Der konkrete Lernbedarf wird in den Logbuchgesprächen individuell ermittelt und kann sich somit auch auf den Ausgleich migrationsspezifischer Nachteile beziehen. Damit bietet die A.-Realschule ein umfassendes, für zwei Schulpreise nominiertes Förderkonzept an, das geeignet ist, sowohl sprachbedingte als auch auf mangelnder Unterstützung durch das Elternhaus beruhende Nachteile auszugleichen.

Auch die J.-Schule wäre geeignet gewesen, einen - unterstellten - migrationstypischen Förderbedarf der Klägerin abzudecken. Es gibt dort in den Jahrgangsstufen 5 und 6 gebundene Ganztagsklassen, in den höheren Jahrgangsstufen offene Ganztagsgruppen. In den beiden gebunden Ganztagsklassen 5a bzw. 6a wird eine Betreuung von Montag bis Donnerstag von 7.50 Uhr - 16.05 Uhr angeboten. Sie umfasst eine konzeptionelle Verknüpfung von Vormittags- und Nachmittagsunterricht, eine verstärkte Rhythmisierung des Unterrichts sowie eine Entlastung durch tägliche Differenzierungs- und Übungsphasen und durch eine erhöhte Wochenstundenzahl, je nach Jahrgangsstufe in unterschiedlichen Fächern, in der 6. Jahrgangsstufe im Hauptfach „Deutsch“. Es werden in fast allen Jahrgangsstufen und Klassen, z. B. in „Deutsch“ oder „Mathematik“, 1 - 2 Stunden pro Woche Unterrichtsdifferenzierungen durch Beiordnung einer zweiten Lehrkraft ermöglicht. Unterricht und Betreuung erfolgen ausschließlich durch Lehrkräfte. Da der Ergänzungsunterricht in kleinen Gruppen (10 Schüler) stattfindet, kann auch auf etwaige sprachbedingte Probleme in begrenztem Umfang eingegangen werden. Außerdem gibt es von Montag bis einschließlich Donnerstag jeweils 60 Minuten Zeit für eine Vertiefung und Übung /Hausaufgabenbetreuung (VTÜ), die ausschließlich von Lehrkräften durchgeführt wird. Für diese Vertiefung und Übung bzw. Hausaufgabenbetreuung werden die Klassen mehrmals pro Woche geteilt, d. h. die Betreuung erfolgt dann durch 2 Lehrkräfte pro Klasse. Die betreuenden Lehrkräfte beaufsichtigen die Schüler nicht nur während der Hausaufgabenphase, sondern geben auch Hilfestellung bei Verständnisproblemen. Im Rahmen der offenen Ganztagsbetreuung der höheren Klassen kann am Nachmittag die Hausaufgabenbetreuung jederzeit zulasten des Freizeitprogramms verlängert werden. Die Gruppengröße der Hausaufgabenbetreuung in den offenen Ganztagsgruppen der höheren Jahrgangsstufen umfasst durchschnittlich 10 - 15 Schüler.

An der J.-Schule gibt es darüber hinaus auch zwei türkischsprachige Lehrkräfte, von denen einer eine Zusatzqualifikation für Sprachergänzungskurse in „Deutsch“ für Schüler mit Migrationshintergrund besitzt. Deshalb wird regelmäßig das Wahlfach „Sprachergänzung Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund“ angeboten.

Damit bietet auch die J.-Schule die Möglichkeit, speziell sprachbedingte Defizite im Ergänzungsunterricht „Deutsch“ aufgrund der Gruppengröße von nur 10 Schülern gezielt auszugleichen. Zusätzlich kann in der sog. Hausaufgabenbetreuung bzw. VTÜ auf einen individuellen - auch migrationsbedingten - Förderbedarf eingegangen werden, mag er auf mangelnde Unterstützung durch das Elternhaus, sprachliche Defizite oder andere Ursachen zurückzuführen sein, die sich mittelbar oder unmittelbar auf die schulischen Leistungen auswirken. Hierzu wird die VTÜ in eine Stillarbeitsphase von etwa 25 Minuten, eine Flüsterfragephase von ca. 15 Minuten und eine Gruppen-/Partnerarbeitsphase von ca. 15 Minuten aufgeteilt. Der Lehrer kontrolliert den Lernfortschritt mittels der Hausaufgabenhefteinträge und gibt Hilfestellungen und Anleitungen zum selbstständigen Arbeiten. Die Schüler werden nach Beendigung der Hausaufgabe zum Vertiefen, Üben und Wiederholen des Lernstoffes angehalten. Bei Problemen ist der entsprechende Fachlehrer, Klassenlehrer oder Erziehungsberechtigte zu informieren. Da die Klassen zusätzlich - wann immer organisatorisch möglich - zur intensiveren Betreuung und Förderung geteilt werden, besteht die Möglichkeit, etwaige sprachbedingte oder andere - auch migrationsspezifische - Defizite auszugleichen (vgl. zum Ganzen: Stellungnahmen der J.-Schule v. 18.9.2013, 13.2.2014 und 24.2.2014: Bl. 66, 128 ff., 139 f. GA).

Demgegenüber bietet die Realschule der ... Privatschulen noch ein anderes Konzept an, in dem nach den vorliegenden Stellungnahmen der Schule vom 3. Juli 2013 (Bl. 26 f. GA), 27. September 2013 (Bl. 48 GA), November 2013 (Bl. 44 GA) und 20. Februar 2014 (Bl. 136 ff. GA) und nach Angabe der Klägerin in der mündlichen Verhandlung der Unterricht vornehmlich vormittags stattfindet, während nachmittags eine mehrstündige Hausaufgabenbetreuung/Studierzeit vorgesehen ist. Teilweise werden die Klassen in den Hauptfächern geteilt, um gezielter auf individuelle Defizite eingehen zu können. Die Lehrer sind gehalten, die Schülerinnen konsequent zu einer besseren Beherrschung der deutschen Sprache und so zu einem besseren Textverständnis in allen Fächern hinzuführen. Am Nachmittag kann zusätzlich Nachhilfe in Anspruch genommen werden. Erläuterungen in türkischer Sprache gibt es im Unterricht nicht. Die Klägerin hat im Schuljahr 2011/2012 an den Intensivierungen „Deutsch“, „Mathematik“ und „Englisch“ teilgenommen und Nachhilfeunterricht in „Deutsch“ und „Mathematik“ besucht. Die Nachhilfegruppen werden von den Fachlehrern zusammengestellt, jedoch durch ausgebildete Nachhilfelehrer und nicht von den Fachlehrern unterrichtet. Nach Angabe der Klägerin wird zusätzlich zur Ganztagsschule im Internat nach dem Abendessen noch 1 Stunde Hausaufgabenbetreuung/Studierzeit angeboten, die sie regelmäßig wahrnimmt. Letzteres Angebot wird jedoch nicht durch die Schule, sondern neben der Schule im angegliederten Internat angeboten und gehört somit nicht zum Ausbildungsinhalt der privaten Realschule.

Zusammenfassend liegen mit den drei genannten Realschulen drei unterschiedliche Konzepte vor, die alle auf ihre Art geeignet sind, eventuell vorhandene migrationstypische Defizite durch zusätzlichen Unterricht in „Deutsch“ sowie Vertiefungs- und Übungsstunden bzw. Hausaufgabenbetreuung in Kleingruppen bzw. Lernbüros etc. auszugleichen. Bezogen auf die Intention der öffentlichen Ausbildungsförderung, den Auszubildenden das Erreichen des angestrebten Ausbildungszieles zu ermöglichen, würde es auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtes auf Bildung ausreichen, wenn die Klägerin an einer der beiden genannten öffentlichen Schulen eine - ihrem unterstellten migrationsbedingten Bedarf - entsprechende Förderung erhielte. Leistungen einer Privatschule, die über den individuellen ausbildungsbezogenen Förderbedarf hinausgehen, müssen - auch, wenn sie für sich gesehen nützlich und sinnvoll sein sollten - nicht mit Mitteln der Ausbildungsförderung finanziert werden (vgl. OVG NRW, U.v. 28.5.2013 - 12 A 1277/12 - juris Rn. 45).

Der Aufnahme der Klägerin in die 6. Jahrgangsstufe einer wohnortnahen öffentlichen Realschule und damit der Annahme einer entsprechenden zumutbaren Ausbildungsstätte stand auch kein unüberwindliches rechtliches oder tatsächliches Hindernis entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 21.6.1990 - 5 C 3/88 - NVwZ-RR 1990, 611 m. w. N.). Anders als in dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 1990 (a. a. O.) zugrunde liegenden Fall wäre die Aufnahme der Klägerin in die 6. Jahrgangsstufe einer der genannten öffentlichen Realschulen möglich gewesen, wenn sie gemäß §§ 34 Abs. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 der Schulordnung für die Realschulen (Realschulordnung - RSO) Aufnahmeprüfung und Probezeit bestanden hätte (vgl. VG Augsburg vom 12.6.2012 - Au 3 K 12.340 - juris Rn. 20). Demgegenüber sah § 2 der Landesverordnung über die Gestaltung der Fachgymnasien in Schleswig-Holstein vom 19. Mai 1983, die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Juni 1990 (a. a. O.) zugrunde lag, eine solche Möglichkeit nicht vor, da der Zugang dort allein an die Notensumme bzw. an die Herkunft aus anderen Schulbereichen anknüpfte. Demnach steht in dem hier zu entscheidenden Fall kein absolutes Zugangshindernis inmitten, weil die Klägerin das Zugangshindernis durch das Bestehen der Aufnahmeprüfung und der Probezeit hätte überwinden können. Dies hat die Klägerin jedoch nicht versucht, obwohl ihr ein Wechsel der Schule nach der 5. Jahrgangsstufe im Hinblick auf die in § 2 Abs. 1a BAföG zum Ausdruck kommende Nachrangigkeit der staatlichen Schülerförderung zumutbar gewesen wäre. Da die von der Klägerin besuchte private Realschule ihrem Unterricht die gleichen Lehrpläne zugrunde legt und dieselbe Ausbildungsrichtung anbietet wie die genannten öffentlichen Realschulen, zöge ein Schulwechsel - v.a. in einem so frühen Stadium der Ausbildung - keine wesentliche Beeinträchtigung der Ausbildung nach sich (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.1978 - V C 49.77 - BVerwGE 57, 198; OVG NRW, U.v. 28.5.2013 - 12 A 1277/12 - juris Rn. 48; Rothe/Blanke, BAföG, Stand September 2013, § 2 Rn. 16.2.3 m. w. N.). Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Aufnahme in die 6. Jahrgangsstufe bei allen Realschulen die gleichen (Schul-)Kenntnisse voraussetzt.

Schließlich kann die Klägerin einen Anspruch auf Ausbildungsförderung auch nicht daraus ableiten, dass die Beklagte ihr für den Besuch der 5. Jahrgangsstufe der privaten Realschule im Schuljahr 2011/2012 Ausbildungsförderung bewilligt hat.

Aus dem diesen Zeitraum betreffenden Bewilligungsbescheid ist der Klägerin keine fortdauernde Rechtsposition erwachsen, vor deren Entzug sie im streitgegenständlichen Zeitraum unter Vertrauensschutzgesichtspunkten mit einer an den Kriterien der Verhältnismäßigkeit und der Zumutbarkeit ausgerichteten Einzelfallprüfung und -abwägung hätte geschützt werden müssen (vgl. BVerfG, B.v.10.10.2012 - 1 BvL 6/07 - juris m. w. N.). Ausbildungsförderungsrechtlichen Bewilligungsbescheiden kommt grundsätzlich keine über den jeweiligen Bewilligungszeitraum hinausgehende Bindungswirkung zu (vgl. § 50 Abs. 3 BAföG). Etwas anderes gilt nur in den - hier nicht gegebenen - Fällen des § 46 Abs. 5 BAföG - Vorabentscheidung - und des § 50 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 bis 3 BAföG - weitere Ausbildung nach § 7 Abs. 2 BAföG, andere Ausbildung nach § 7 Abs. 3 BAföG oder Ausbildung nach Überschreiten der Altersgrenze des §10 Abs. 3 BAföG (OVG NRW, U.v. 28.5.2013 - 12 A 1277/12 - juris Rn. 37).

Dass die Beklagte im Fall der Schwester der Klägerin Ausbildungsförderung bewilligt hat, führt auch unter Gleichbehandlungsgrundsätzen nicht zu einer für die Klägerin günstigeren Beurteilung. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt es nicht (OVG NRW, U.v. 28.5.2013 - 12 A 1277/12 - juris Rn. 41).

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

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Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 2 Ausbildungsstätten


(1) Ausbildungsförderung wird geleistet für den Besuch von1.weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen, einschließlich der Klassen aller Formen der beruflichen Grundbildung, ab Klasse 10 sowie von Fach- und Fachoberschulklassen,

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 7 Erstausbildung, weitere Ausbildung


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(1) (weggefallen) (2) (weggefallen) (3) Ausbildungsförderung wird nicht geleistet, wenn Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den sie Ausbildungsförderung beantragen, das 45. Lebensjahr vollendet haben. Satz 1 gilt nicht, we

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(1) Über die Leistung von Ausbildungsförderung wird auf schriftlichen oder elektronischen Antrag entschieden. (2) Der Antrag ist an das örtlich zuständige Amt für Ausbildungsförderung zu richten. (3) Die zur Feststellung des Anspruchs erforde

Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG | § 50 Bescheid


(1) Die Entscheidung ist dem Antragsteller schriftlich oder elektronisch mitzuteilen (Bescheid). Unter dem Vorbehalt der Rückforderung kann ein Bescheid nur ergehen, soweit dies in diesem Gesetz vorgesehen ist. Ist in einem Bescheid dem Grunde nach ü

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Bundesverfassungsgericht Beschluss, 10. Okt. 2012 - 1 BvL 6/07

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Tenor § 36 Absatz 4 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 3858) verstößt gege

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1.
weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen, einschließlich der Klassen aller Formen der beruflichen Grundbildung, ab Klasse 10 sowie von Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, wenn der Auszubildende die Voraussetzungen des Absatzes 1a erfüllt,
2.
Berufsfachschulklassen und Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, sofern sie in einem zumindest zweijährigen Bildungsgang einen berufsqualifizierenden Abschluss vermitteln,
3.
Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt,
4.
Abendhauptschulen, Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen, Abendgymnasien und Kollegs,
5.
Höheren Fachschulen sowie von Akademien, die Abschlüsse verleihen, die nicht nach Landesrecht Hochschulabschlüssen gleichgestellt sind,
6.
Hochschulen sowie von Akademien, die Abschlüsse verleihen, die nach Landesrecht Hochschulabschlüssen gleichgestellt sind.
Maßgebend für die Zuordnung sind Art und Inhalt der Ausbildung. Ausbildungsförderung wird geleistet, wenn die Ausbildung an einer öffentlichen Einrichtung – mit Ausnahme nichtstaatlicher Hochschulen – oder einer genehmigten Ersatzschule durchgeführt wird.

(1a) Für den Besuch der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Ausbildungsstätten wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und

1.
von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist,
2.
einen eigenen Haushalt führt und verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft verbunden ist oder war,
3.
einen eigenen Haushalt führt und mit mindestens einem Kind zusammenlebt.
Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass über Satz 1 hinaus Ausbildungsförderung für den Besuch der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Ausbildungsstätten auch in Fällen geleistet wird, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist.

(2) Für den Besuch von Ergänzungsschulen und nichtstaatlichen Hochschulen sowie von nichtstaatlichen Akademien im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die zuständige Landesbehörde anerkennt, dass der Besuch der Ausbildungsstätte dem Besuch einer in Absatz 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gleichwertig ist. Die Prüfung der Gleichwertigkeit nach Satz 1 erfolgt von Amts wegen im Rahmen des Bewilligungsverfahrens oder auf Antrag der Ausbildungsstätte.

(3) Das Bundesministerium für Bildung und Forschung kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass Ausbildungsförderung geleistet wird für den Besuch von

1.
Ausbildungsstätten, die nicht in den Absätzen 1 und 2 bezeichnet sind,
2.
Ausbildungsstätten, an denen Schulversuche durchgeführt werden,
wenn er dem Besuch der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Ausbildungsstätten gleichwertig ist.

(4) Ausbildungsförderung wird auch für die Teilnahme an einem Praktikum geleistet, das in Zusammenhang mit dem Besuch einer der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten oder nach Absatz 3 bestimmten Ausbildungsstätten gefordert wird und dessen Inhalt in Ausbildungsbestimmungen geregelt ist. Wird das Praktikum in Zusammenhang mit dem Besuch einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gefordert, wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt.

(5) Ausbildungsförderung wird nur geleistet, wenn

1.
der Ausbildungsabschnitt mindestens ein Schul- oder Studienhalbjahr dauert und
2.
die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt.
Ausbildungsabschnitt im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit, die an Ausbildungsstätten einer Ausbildungsstättenart einschließlich der im Zusammenhang hiermit geforderten Praktika bis zu einem Abschluss oder Abbruch verbracht wird. Ein Masterstudiengang nach § 7 Absatz 1a gilt im Verhältnis zu dem Studiengang, auf den er aufbaut, in jedem Fall als eigener Ausbildungsabschnitt.

(6) Ausbildungsförderung wird nicht geleistet, wenn der Auszubildende

1.
Unterhaltsgeld, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch oder Bürgergeld bei beruflicher Weiterbildung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhält,
2.
Leistungen von den Begabtenförderungswerken erhält,
3.
als Beschäftigter im öffentlichen Dienst Anwärterbezüge oder ähnliche Leistungen aus öffentlichen Mitteln erhält oder
4.
als Strafgefangener Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe nach einer Landesvorschrift für den Strafvollzug hat.

(1) Über die Leistung von Ausbildungsförderung wird auf schriftlichen oder elektronischen Antrag entschieden.

(2) Der Antrag ist an das örtlich zuständige Amt für Ausbildungsförderung zu richten.

(3) Die zur Feststellung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen sind auf den Formblättern anzugeben, die die Bundesregierung durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt hat.

(4) (weggefallen)

(5) Auf Antrag hat das Amt für Ausbildungsförderung dem Grunde nach vorab zu entscheiden, ob die Förderungsvoraussetzungen für eine nach Fachrichtung und Ausbildungsstätte bestimmt bezeichnete

1.
Ausbildung im Ausland nach § 5 Absatz 2 und 5,
2.
Ausbildung nach § 7 Absatz 1a,
3.
weitere Ausbildung nach § 7 Absatz 2,
4.
andere Ausbildung nach § 7 Absatz 3,
5.
Ausbildung nach Überschreiten der Altersgrenze nach § 10 Absatz 3
vorliegen. Die Entscheidung nach den Nummern 2 bis 5 ist für den ganzen Ausbildungsabschnitt zu treffen. Das Amt ist an die Entscheidung nicht mehr gebunden, wenn der Auszubildende die Ausbildung nicht binnen eines Jahres nach Antragstellung beginnt.

(1) Die Entscheidung ist dem Antragsteller schriftlich oder elektronisch mitzuteilen (Bescheid). Unter dem Vorbehalt der Rückforderung kann ein Bescheid nur ergehen, soweit dies in diesem Gesetz vorgesehen ist. Ist in einem Bescheid dem Grunde nach über

1.
eine Ausbildung nach § 7 Absatz 1a,
2.
eine weitere Ausbildung nach § 7 Absatz 2,
3.
eine andere Ausbildung nach § 7 Absatz 3 oder
4.
eine Ausbildung nach Überschreiten der Altersgrenze nach § 10 Absatz 3
entschieden worden, so gilt diese Entscheidung für den ganzen Ausbildungsabschnitt.

(2) In dem Bescheid sind anzugeben

1.
die Höhe und Zusammensetzung des Bedarfs,
2.
die Höhe des Einkommens des Auszubildenden, seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern sowie des Vermögens des Auszubildenden,
3.
die Höhe der bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigten Steuern und Abzüge zur Abgeltung der Aufwendungen für die soziale Sicherung,
4.
die Höhe der gewährten Freibeträge und des nach § 11 Absatz 4 auf den Bedarf anderer Auszubildender angerechneten Einkommens des Ehegatten oder Lebenspartners und der Eltern,
5.
die Höhe der auf den Bedarf angerechneten Beträge von Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie vom Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern.
Satz 1 gilt nicht, wenn der Antrag auf Ausbildungsförderung dem Grunde nach abgelehnt wird. Auf Verlangen eines Elternteils oder des Ehegatten oder Lebenspartners, für das Gründe anzugeben sind, entfallen die Angaben über das Einkommen dieser Personen mit Ausnahme des Betrages des angerechneten Einkommens; dies gilt nicht, soweit der Auszubildende im Zusammenhang mit der Geltendmachung seines Anspruchs auf Leistungen nach diesem Gesetz ein besonderes berechtigtes Interesse an der Kenntnis hat. Besucht der Auszubildende eine Hochschule oder eine Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6, so ist in jedem Bescheid das Ende der Förderungshöchstdauer anzugeben.

(3) Über die Ausbildungsförderung wird in der Regel für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden.

(4) Endet ein Bewilligungszeitraum und ist ein neuer Bescheid nicht ergangen, so wird innerhalb desselben Ausbildungsabschnitts Ausbildungsförderung nach Maßgabe des früheren Bewilligungsbescheids unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Dies gilt nur, wenn der neue Antrag im Wesentlichen vollständig zwei Kalendermonate vor Ablauf des Bewilligungszeitraums gestellt war und ihm die erforderlichen Nachweise beigefügt wurden.

(1) Ausbildungsförderung wird geleistet für den Besuch von

1.
weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen, einschließlich der Klassen aller Formen der beruflichen Grundbildung, ab Klasse 10 sowie von Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, wenn der Auszubildende die Voraussetzungen des Absatzes 1a erfüllt,
2.
Berufsfachschulklassen und Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, sofern sie in einem zumindest zweijährigen Bildungsgang einen berufsqualifizierenden Abschluss vermitteln,
3.
Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt,
4.
Abendhauptschulen, Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen, Abendgymnasien und Kollegs,
5.
Höheren Fachschulen sowie von Akademien, die Abschlüsse verleihen, die nicht nach Landesrecht Hochschulabschlüssen gleichgestellt sind,
6.
Hochschulen sowie von Akademien, die Abschlüsse verleihen, die nach Landesrecht Hochschulabschlüssen gleichgestellt sind.
Maßgebend für die Zuordnung sind Art und Inhalt der Ausbildung. Ausbildungsförderung wird geleistet, wenn die Ausbildung an einer öffentlichen Einrichtung – mit Ausnahme nichtstaatlicher Hochschulen – oder einer genehmigten Ersatzschule durchgeführt wird.

(1a) Für den Besuch der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Ausbildungsstätten wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und

1.
von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist,
2.
einen eigenen Haushalt führt und verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft verbunden ist oder war,
3.
einen eigenen Haushalt führt und mit mindestens einem Kind zusammenlebt.
Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass über Satz 1 hinaus Ausbildungsförderung für den Besuch der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Ausbildungsstätten auch in Fällen geleistet wird, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist.

(2) Für den Besuch von Ergänzungsschulen und nichtstaatlichen Hochschulen sowie von nichtstaatlichen Akademien im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die zuständige Landesbehörde anerkennt, dass der Besuch der Ausbildungsstätte dem Besuch einer in Absatz 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gleichwertig ist. Die Prüfung der Gleichwertigkeit nach Satz 1 erfolgt von Amts wegen im Rahmen des Bewilligungsverfahrens oder auf Antrag der Ausbildungsstätte.

(3) Das Bundesministerium für Bildung und Forschung kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass Ausbildungsförderung geleistet wird für den Besuch von

1.
Ausbildungsstätten, die nicht in den Absätzen 1 und 2 bezeichnet sind,
2.
Ausbildungsstätten, an denen Schulversuche durchgeführt werden,
wenn er dem Besuch der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Ausbildungsstätten gleichwertig ist.

(4) Ausbildungsförderung wird auch für die Teilnahme an einem Praktikum geleistet, das in Zusammenhang mit dem Besuch einer der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten oder nach Absatz 3 bestimmten Ausbildungsstätten gefordert wird und dessen Inhalt in Ausbildungsbestimmungen geregelt ist. Wird das Praktikum in Zusammenhang mit dem Besuch einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gefordert, wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt.

(5) Ausbildungsförderung wird nur geleistet, wenn

1.
der Ausbildungsabschnitt mindestens ein Schul- oder Studienhalbjahr dauert und
2.
die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt.
Ausbildungsabschnitt im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit, die an Ausbildungsstätten einer Ausbildungsstättenart einschließlich der im Zusammenhang hiermit geforderten Praktika bis zu einem Abschluss oder Abbruch verbracht wird. Ein Masterstudiengang nach § 7 Absatz 1a gilt im Verhältnis zu dem Studiengang, auf den er aufbaut, in jedem Fall als eigener Ausbildungsabschnitt.

(6) Ausbildungsförderung wird nicht geleistet, wenn der Auszubildende

1.
Unterhaltsgeld, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch oder Bürgergeld bei beruflicher Weiterbildung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhält,
2.
Leistungen von den Begabtenförderungswerken erhält,
3.
als Beschäftigter im öffentlichen Dienst Anwärterbezüge oder ähnliche Leistungen aus öffentlichen Mitteln erhält oder
4.
als Strafgefangener Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe nach einer Landesvorschrift für den Strafvollzug hat.

(1) Die Entscheidung ist dem Antragsteller schriftlich oder elektronisch mitzuteilen (Bescheid). Unter dem Vorbehalt der Rückforderung kann ein Bescheid nur ergehen, soweit dies in diesem Gesetz vorgesehen ist. Ist in einem Bescheid dem Grunde nach über

1.
eine Ausbildung nach § 7 Absatz 1a,
2.
eine weitere Ausbildung nach § 7 Absatz 2,
3.
eine andere Ausbildung nach § 7 Absatz 3 oder
4.
eine Ausbildung nach Überschreiten der Altersgrenze nach § 10 Absatz 3
entschieden worden, so gilt diese Entscheidung für den ganzen Ausbildungsabschnitt.

(2) In dem Bescheid sind anzugeben

1.
die Höhe und Zusammensetzung des Bedarfs,
2.
die Höhe des Einkommens des Auszubildenden, seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern sowie des Vermögens des Auszubildenden,
3.
die Höhe der bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigten Steuern und Abzüge zur Abgeltung der Aufwendungen für die soziale Sicherung,
4.
die Höhe der gewährten Freibeträge und des nach § 11 Absatz 4 auf den Bedarf anderer Auszubildender angerechneten Einkommens des Ehegatten oder Lebenspartners und der Eltern,
5.
die Höhe der auf den Bedarf angerechneten Beträge von Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie vom Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern.
Satz 1 gilt nicht, wenn der Antrag auf Ausbildungsförderung dem Grunde nach abgelehnt wird. Auf Verlangen eines Elternteils oder des Ehegatten oder Lebenspartners, für das Gründe anzugeben sind, entfallen die Angaben über das Einkommen dieser Personen mit Ausnahme des Betrages des angerechneten Einkommens; dies gilt nicht, soweit der Auszubildende im Zusammenhang mit der Geltendmachung seines Anspruchs auf Leistungen nach diesem Gesetz ein besonderes berechtigtes Interesse an der Kenntnis hat. Besucht der Auszubildende eine Hochschule oder eine Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6, so ist in jedem Bescheid das Ende der Förderungshöchstdauer anzugeben.

(3) Über die Ausbildungsförderung wird in der Regel für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden.

(4) Endet ein Bewilligungszeitraum und ist ein neuer Bescheid nicht ergangen, so wird innerhalb desselben Ausbildungsabschnitts Ausbildungsförderung nach Maßgabe des früheren Bewilligungsbescheids unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Dies gilt nur, wenn der neue Antrag im Wesentlichen vollständig zwei Kalendermonate vor Ablauf des Bewilligungszeitraums gestellt war und ihm die erforderlichen Nachweise beigefügt wurden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ausbildungsförderung wird geleistet für den Besuch von

1.
weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsfachschulen, einschließlich der Klassen aller Formen der beruflichen Grundbildung, ab Klasse 10 sowie von Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, wenn der Auszubildende die Voraussetzungen des Absatzes 1a erfüllt,
2.
Berufsfachschulklassen und Fachschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, sofern sie in einem zumindest zweijährigen Bildungsgang einen berufsqualifizierenden Abschluss vermitteln,
3.
Fach- und Fachoberschulklassen, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt,
4.
Abendhauptschulen, Berufsaufbauschulen, Abendrealschulen, Abendgymnasien und Kollegs,
5.
Höheren Fachschulen sowie von Akademien, die Abschlüsse verleihen, die nicht nach Landesrecht Hochschulabschlüssen gleichgestellt sind,
6.
Hochschulen sowie von Akademien, die Abschlüsse verleihen, die nach Landesrecht Hochschulabschlüssen gleichgestellt sind.
Maßgebend für die Zuordnung sind Art und Inhalt der Ausbildung. Ausbildungsförderung wird geleistet, wenn die Ausbildung an einer öffentlichen Einrichtung – mit Ausnahme nichtstaatlicher Hochschulen – oder einer genehmigten Ersatzschule durchgeführt wird.

(1a) Für den Besuch der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Ausbildungsstätten wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und

1.
von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist,
2.
einen eigenen Haushalt führt und verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft verbunden ist oder war,
3.
einen eigenen Haushalt führt und mit mindestens einem Kind zusammenlebt.
Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass über Satz 1 hinaus Ausbildungsförderung für den Besuch der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Ausbildungsstätten auch in Fällen geleistet wird, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist.

(2) Für den Besuch von Ergänzungsschulen und nichtstaatlichen Hochschulen sowie von nichtstaatlichen Akademien im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die zuständige Landesbehörde anerkennt, dass der Besuch der Ausbildungsstätte dem Besuch einer in Absatz 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gleichwertig ist. Die Prüfung der Gleichwertigkeit nach Satz 1 erfolgt von Amts wegen im Rahmen des Bewilligungsverfahrens oder auf Antrag der Ausbildungsstätte.

(3) Das Bundesministerium für Bildung und Forschung kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass Ausbildungsförderung geleistet wird für den Besuch von

1.
Ausbildungsstätten, die nicht in den Absätzen 1 und 2 bezeichnet sind,
2.
Ausbildungsstätten, an denen Schulversuche durchgeführt werden,
wenn er dem Besuch der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Ausbildungsstätten gleichwertig ist.

(4) Ausbildungsförderung wird auch für die Teilnahme an einem Praktikum geleistet, das in Zusammenhang mit dem Besuch einer der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten oder nach Absatz 3 bestimmten Ausbildungsstätten gefordert wird und dessen Inhalt in Ausbildungsbestimmungen geregelt ist. Wird das Praktikum in Zusammenhang mit dem Besuch einer in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gefordert, wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt.

(5) Ausbildungsförderung wird nur geleistet, wenn

1.
der Ausbildungsabschnitt mindestens ein Schul- oder Studienhalbjahr dauert und
2.
die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt.
Ausbildungsabschnitt im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit, die an Ausbildungsstätten einer Ausbildungsstättenart einschließlich der im Zusammenhang hiermit geforderten Praktika bis zu einem Abschluss oder Abbruch verbracht wird. Ein Masterstudiengang nach § 7 Absatz 1a gilt im Verhältnis zu dem Studiengang, auf den er aufbaut, in jedem Fall als eigener Ausbildungsabschnitt.

(6) Ausbildungsförderung wird nicht geleistet, wenn der Auszubildende

1.
Unterhaltsgeld, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch oder Bürgergeld bei beruflicher Weiterbildung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhält,
2.
Leistungen von den Begabtenförderungswerken erhält,
3.
als Beschäftigter im öffentlichen Dienst Anwärterbezüge oder ähnliche Leistungen aus öffentlichen Mitteln erhält oder
4.
als Strafgefangener Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe nach einer Landesvorschrift für den Strafvollzug hat.

Tenor

§ 36 Absatz 4 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 3858) verstößt gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes aus Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes und ist nichtig, soweit er § 8 Nummer 5 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts auf Dividendenvorabausschüttungen für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12. Dezember 2001 verbindlich beschlossen wurden und der mit weniger als 10% an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind.

§ 36 Absatz 4 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit er § 8 Nummer 5 des Gewerbesteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts auf Dividendenvorabausschüttungen für anwendbar erklärt, die nach dem 11. Dezember 2001 zugeflossen sind.

Gründe

A.

1

Die Vorlage betrifft die Frage, ob § 36 Abs. 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG -, BGBl I S. 3858), der mittlerweile nicht mehr im Gewerbesteuergesetz enthalten ist (im Folgenden: § 36 Abs. 4 GewStG a.F.), die Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes mit verfassungsrechtlich unzulässiger Rückwirkung bereits für den Erhebungszeitraum 2001 anordnet.

I.

2

1. § 8 Nr. 5 GewStG steht im Zusammenhang mit dem Systemwechsel im Körperschaftsteuerrecht vom früheren Anrechnungsverfahren zum sogenannten Halbeinkünfteverfahren (vgl. BVerfGE 125, 1 <2 ff.>; 127, 224 <227 ff.>). Auch das Gewerbesteuerrecht war davon mittelbar betroffen. Die Vorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG bestimmt die Auswirkungen des für das neue Körperschaftsteuersystem wesentlichen § 8b des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auf die Gewerbesteuer.

3

§ 8b KStG regelt die steuerliche Behandlung der Erträge von Körperschaften aus Beteiligungen an anderen Körperschaften (Bezüge und Veräußerungsgewinne) und der mit diesen Erträgen zusammenhängenden Aufwendungen und Gewinnminderungen. Nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG sind die Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften grundsätzlich bei der Einkommensermittlung der empfangenden Gesellschaft "außer Ansatz" zu lassen. Hierdurch wird zur Vermeidung von wirtschaftlichen Doppelbelastungen die Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinnen sichergestellt, solange die Erträge im Bereich von Kapitalgesellschaften verbleiben.

4

Die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 GewStG haben den Zweck, Folgewirkungen zu korrigieren, die sich aus der in § 7 Satz 1 GewStG geregelten Übernahme der einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlung in das Gewerbesteuerrecht ergeben, die jedoch bei der Gewerbesteuer nach Auffassung des Gesetzgebers unerwünscht sind. Dadurch, dass § 7 Satz 1 GewStG für die Ermittlung des gewerblichen Gewinns als Grundlage des Gewerbeertrags auf die Ergebnisrechnung nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) und dem Körperschaftsteuergesetz verweist, bleiben nach inzwischen klargestellter Rechtslage Gewinnanteile (Dividenden) und ähnliche Bezüge aus Kapitalanteilen auch bei der Gewerbesteuer zunächst außer Ansatz, soweit sie bei der Einkommensteuer nach § 3 Nr. 40 EStG oder bei der Körperschaftsteuer nach § 8b KStG steuerfrei sind (vgl. den Ende 2004 eingefügten § 7 Satz 4 GewStG).

5

Zur Zeit des körperschaftsteuerlichen Systemwechsels enthielt das Gewerbesteuerrecht mit den Kürzungsvorschriften des § 9 Nr. 2a und 7 GewStG bereits Regelungen darüber, inwieweit eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung von Gewinnanteilen vermieden werden sollte. Eine doppelte Gewerbebesteuerung wurde bei sogenannten Schachtelbeteiligungen von mindestens 10% durch entsprechende Kürzung des Gewinns und der Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) ausgeschlossen, nicht dagegen bei sogenannten Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10%.

6

Mit der durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz eingefügten Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG neutralisierte der Gesetzgeber für die Gewerbesteuer die in § 3 Nr. 40 EStG und § 8b KStG eingeführten teilweisen oder vollständigen Steuerfreistellungen von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer. Zu diesem Zweck ordnete er in § 8 Nr. 5 Satz 1 GewStG an, dass die nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b Abs. 1 KStG über § 7 Satz 1 GewStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und ähnlichen Bezüge aus Kapitalanteilen dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzugerechnet werden. Die Hinzurechnung erfolgt, soweit nicht die Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2a und 7 GewStG erfüllt sind, das heißt nur bei Streubesitzbeteiligungen von weniger als 10% (seit 2008 weniger als 15%). Im Ergebnis wurde und wird eine gewerbesteuerliche Doppelbelastung damit lediglich bei Schachtelbeteiligungen von mindestens 10% (seit 2008 mindestens 15%) vermieden. Bei Erträgen aus bloßen Streubesitzbeteiligungen blieb die gewerbesteuerliche Doppelbelastung entsprechend der bisherigen Rechtslage erhalten.

7

2. § 8 Nr. 5 GewStG wurde durch Art. 4 Nr. 3 UntStFG in das Gewerbesteuergesetz eingefügt. Art. 4 Nr. 5 UntStFG enthielt die Regelung des § 36 Abs. 4 GewStG zum zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung.

8

Die für das Vorlageverfahren maßgeblichen Vorschriften unter Berücksichtigung der Änderungen durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz lauten:

9

§ 7 GewStG

Gewerbeertrag

Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge. ...

10

§ 8 GewStG

Hinzurechnungen

Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:

Nr. 5 die nach § 3 Nr. 40 des Einkommensteuergesetzes oder § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen, Bezügen und erhaltenen Leistungen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben, soweit sie nach § 3c des Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 5 des Körperschaftsteuergesetzes unberücksichtigt bleiben. 2 Dies gilt nicht für Gewinnausschüttungen, die unter § 3 Nr. 41 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes fallen.

11

§ 9 GewStG

Kürzungen

Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird gekürzt um

Nr. 2a die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2, einer Kreditanstalt des öffentlichen Rechts, einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft oder einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft im Sinne des § 3 Nr. 23, wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens ein Zehntel des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind. 2 Ist ein Grund- oder Stammkapital nicht vorhanden, so ist die Beteiligung an dem Vermögen, bei Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften die Beteiligung an der Summe der Geschäftsguthaben, maßgebend;

Nr. 7 die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes, an deren Nennkapital das Unternehmen seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens zu einem Zehntel beteiligt ist (Tochtergesellschaft) und die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 des Außensteuergesetzes fallenden Tätigkeiten und aus Beteiligungen an Gesellschaften bezieht, an deren Nennkapital sie mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt ist, wenn...

12

§ 36 GewStG

Zeitlicher Anwendungsbereich

(1) Die vorstehende Fassung dieses Gesetzes ist, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden.

(4) § 8 Nr. 5 ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden.

13

3. Das Gesetzgebungsverfahren zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz begann mit einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 14/6882), der dem Bundesrat am 17. August 2001 zugeleitet und am 10. September 2001 beim Deutschen Bundestag eingebracht wurde. Er sah keine Regelung zu der Frage vor, wie nach § 8b KStG steuerfreie Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne gewerbesteuerlich behandelt werden sollten. Der Bundesrat griff diese bereits zuvor diskutierte Frage in einer Stellungnahme vom 27. September 2001 mit dem Vorschlag auf, die körperschaftsteuerfreien Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne in voller Höhe der Gewerbesteuer zu unterwerfen (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 4 f.).

14

Die Bundesregierung stimmte dem nicht zu (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 8). Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestages vom 7. November 2001 (BTDrucks 14/7343) enthielt dazu keinen Vorschlag  ; die Forderung des Bundesrates nach einer "Gewerbesteuerpflicht der Gewinne von Kapitalgesellschaften aus (Streubesitz-)Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft" wird lediglich im Bericht erwähnt (vgl. BTDrucks 14/7344, S. 2). Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses stimmte der Bundestag dem Entwurf des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes am 9. November 2001 zu (vgl. BRDrucks 893/01).

15

Der Bundesrat rief daraufhin am 30. November 2001 den Vermittlungsausschuss an (vgl. BRDrucks 893/01 und BTDrucks 14/7742). Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 enthielt den Entwurf des § 8 Nr. 5 GewStG in der später Gesetz gewordenen Fassung und sah eine erstmalige Anwendung für den Erhebungszeitraum 2001 vor (vgl. BTDrucks 14/7780, S. 5; Rödder/Schumacher, DStR 2002, S. 105 <108 f.>). Der Bundestag stimmte am 14. Dezember 2001 der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu. Am 20. Dezember 2001 stimmte der Bundesrat zu (BRDrucks 1061/01).

16

Am 24. Dezember 2001 wurde das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl I S. 3858).

II.

17

1. Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine im Juli 2000 errichtete Beteiligungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Streitjahr 2001 hielt die Klägerin eine Streubesitzbeteiligung von weniger als 10% des Stammkapitals einer anderen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Gesellschafterversammlung dieser anderen Gesellschaft (im Folgenden: ausschüttende Gesellschaft) beschloss, nachdem zuvor ausweislich eines Protokolls vom 19. Oktober 2001 eine entsprechende Absicht bekundet worden war, am 15. Dezember 2001 eine Vorabausschüttung in Höhe von 3,75 Mio. DM. Hiervon entfiel auf die Klägerin ein Bruttobetrag von 257.953,56 DM, welcher ihr nach den Feststellungen des vorlegenden Finanzgerichts "spätestens am 19. Dezember 2001" durch Kontogutschrift zufloss. Nach Abzug anteiliger Betriebsausgaben ergibt sich ein der Höhe nach zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens unstreitiger Nettobetrag von 232.200 DM.

18

2. Das Finanzamt erfasste im Gewerbesteuermessbetragsbescheid für das Jahr 2001 diesen Betrag als Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb. Ihr hiergegen gerichteter Einspruch blieb ohne Erfolg. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin Klage, mit der sie im Kern geltend machte, sie habe als Gesellschafterin der ausschüttenden Gesellschaft eine wirtschaftliche Disposition in dem Vertrauen darauf getroffen, dass die erhaltene Dividende nicht der Gewerbesteuer unterfallen werde. Durch die Gesetzesänderung sei das Halten der Beteiligung wirtschaftlich uninteressant geworden. Die Klägerin habe sie deshalb mittlerweile veräußert. Nach eigenem Bekunden hätte die Klägerin die Veräußerung ihrer Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft noch vor der Ausschüttung vorgenommen, wenn die Gesetzesänderung früher bekannt geworden wäre.

III.

19

1. Das Finanzgericht Münster hatte das Klageverfahren durch Beschluss vom 2. März 2007 ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die zu § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes ergangene Anwendungsregelung des § 36 Abs. 4 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes mit Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1 GG insoweit vereinbar ist, als die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des KStG, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 GewStG erfüllen, unter den in dieser Vorschrift weiter genannten Voraussetzungen auch dann dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss der ausschüttenden Körperschaft vor dem 20. Dezember 2001 gefasst und der auf die als Gesellschafterin beteiligte Körperschaft entfallende Betrag auch vor dem 20. Dezember 2001 ausgezahlt wurde sowie das im Zeitpunkt der Beschlussfassung und Auszahlung geltende Gesetz eine Hinzurechnung zum Gewinn nicht vorsah.

20

2. Das vorlegende Gericht fasste am 1. September 2011 einen neuen Vorlagebeschluss, mit dem es an seiner Vorlagefrage festhält, die Begründung dafür aber mit Rücksicht auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückwirkung im Steuerrecht neu formuliert. Das Finanzgericht ist weiterhin überzeugt von der Verfassungswidrigkeit des § 36 Abs. 4 GewStG in Verbindung mit § 8 Nr. 5 GewStG, jeweils in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2001.

21

a) Im Zeitpunkt des Zuflusses der Gewinnausschüttung bei der Klägerin habe noch ein verfassungsrechtlich schützenswertes Vertrauen in die bestehende Rechtslage bestanden. Zwingende öffentliche Interessen an einer rückwirkenden Gesetzesänderung, die das Vertrauen der Steuerpflichtigen überwögen, lägen nicht vor. Da für die Entscheidung im Ausgangsverfahren nur erheblich sei, ob bereits vor der Zustimmung des Bundesrates am 20. Dezember 2001 realisierte Einkünfte dazu führten, das Vertrauen der Klägerin als grundsätzlich schützenswert anzusehen, beziehe sich die Vorlagefrage nur auf dieses Datum. Unerheblich sei für das Ausgangsverfahren, ob der Vertrauensschutz schon mit der Zustimmung des Bundesrates am 20. Dezember 2001 oder erst im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt am 24. Dezember 2001 entfallen sei. In jedem Fall sei der Sachverhalt durch den Ausschüttungsbeschluss vom 15. Dezember 2001, die Überweisung der Dividende am 17. Dezember 2001 und deren Zufluss spätestens am 19. Dezember 2001 vor dem 20. Dezember 2001 abgeschlossen gewesen.

22

b) Nach zumindest ganz herrschender Meinung seien in einfachrechtlicher Hinsicht die Befreiungen nach § 8b Abs. 1, 2 KStG auch im Bereich der Gewerbesteuer anwendbar. Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG wirke sich auf den körperschaftsteuerlichen Gewinn und damit vorbehaltlich der Hinzurechnungen und Kürzungen gemäß §§ 8, 9 GewStG auch auf den Gewerbeertrag im Sinne des § 7 Satz 1 GewStG aus. Das Gericht teile insofern nicht die Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen. Eine verfassungskonforme Auslegung dahin, dass § 8b Abs. 1 KStG sich nicht auf § 7 GewStG auswirke und § 8 Nr. 5 in Verbindung mit § 36 Abs. 4 GewStG deshalb nur eine Klarstellung bedeute, sei nicht möglich. Die Hinzurechnung durch den neu in das Gesetz eingefügten § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes wirke konstitutiv und nicht nur deklaratorisch.

23

c) Bei der verfassungsrechtlichen Würdigung geht das vorlegende Gericht in seinem neuen Vorlagebeschluss nun von den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1; 127, 31; 127, 61) aus. Danach könne ein im Zeitpunkt des Mittelzuflusses bereits schwebendes Gesetzgebungsverfahren die Gewährleistungsfunktionen des geltenden Rechts nicht von vornherein suspendieren. Diesen Grundsätzen folge das vorlegende Gericht. Insbesondere halte das Gericht es in der Regel nicht für zumutbar, dass Steuerpflichtige sich im Zeitpunkt der Verwirklichung eines Einkünfterealisierungstatbestandes auf das alte Recht "nicht mehr" und auf das neue Recht "noch nicht" verlassen dürften und sich deshalb nicht nur über den jeweiligen Stand des Gesetzgebungsverfahrens informieren müssten, sondern darüber hinaus bei einem schwebenden Gesetzgebungsverfahren unter Umständen selbst bei den laufenden Geschäften über Monate hinaus nicht wüssten, welche Rechtslage letztlich gelten werde. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt einer zugeflossenen Gewinnausschüttung unterscheide sich in seinen relevanten Merkmalen nicht von dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall einer zugeflossenen Arbeitnehmerabfindung (BVerfGE 127, 31). Mit dem Zufluss sei der Einkünfteerzielungstatbestand bereits verwirklicht.

24

Die neuen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts seien als Weiterentwicklung der bisherigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu verstehen, und zwar unter Abwägung der in den dortigen Verfahren vorgebrachten Argumente. Den Beschlüssen vom 7. Juli 2010 (BVerfGE 127, 1 <22>; 127, 61 <80>) sei auch darin zu folgen, dass es nicht auf die konkrete Motivations- und Entscheidungslage der einzelnen Steuerpflichtigen bei der Disposition und ihrer Umsetzung ankomme, sondern für die Frage der Verfassungsmäßigkeit die generalisierende Sicht des Gesetzgebers maßgeblich sei. Der erhöhte Rechtfertigungsbedarf folge bereits aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts. Die Steuerpflichtigen dürften bei ihren Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investition der erzielten Einnahmen darauf vertrauen, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu ihren Lasten verändere und dadurch den Nettoertrag der Einkünfte erheblich mindere (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 f.>).

25

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liege im Streitfall des Ausgangsverfahrens eine verfassungswidrige unechte Rückwirkung vor, da der Sachverhalt (Einkünfteerzielungstatbestand) mit der dem Gewinnausschüttungsbeschluss nachfolgenden tatsächlichen Überweisung des entsprechenden Betrages am 17./19. Dezember 2001 bereits vor der Verkündung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes im Bundesgesetzblatt vom 24. Dezember 2001 abgeschlossen gewesen sei.

26

d) Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung sehe sich das vorlegende Gericht in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Finanzgerichts Berlin vom 13./26. Februar 2004 (6 B 6314/03, EFG 2004, S. 1146). Auch im Schrifttum seien - wenngleich mit unterschiedlicher und teilweise aufgrund der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts überholter Begründung - Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Geltung des § 8 Nr. 5 GewStG geäußert worden. Der gegenteiligen Auffassung des Finanzgerichts Köln im Urteil vom 1. Juni 2006 (15 K 5537/03, EFG 2007, S. 1345, Revisionsverfahren anhängig beim Bundesfinanzhof unter I R 14/07) folge das Gericht nicht.

IV.

27

Das Bundesministerium der Finanzen hat namens der Bundesregierung zu beiden Vorlagebeschlüssen Stellung genommen; der Präsident des Bundesfinanzhofs hat eine Stellungnahme des I. Senats des Bundesfinanzhofs zum ursprünglichen Vorlagebeschluss übersandt.

28

1. a) Die Bundesregierung hielt die ursprüngliche Vorlage für unzulässig und jedenfalls unbegründet.

29

aa) Das Finanzgericht habe sich nicht mit einer sich aufdrängenden verfassungskonformen Auslegung auseinandergesetzt. Es beziehe sich auf die herrschende Meinung, wonach die Änderung im Körperschaftsteuergesetz vor Inkrafttreten des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. auf die Gewerbesteuer durchgeschlagen habe. Auf der Basis der dem Finanzgericht bekannten Gegenmeinung, wonach sich die Änderung im Körperschaftsteuerrecht nicht auf das Gewerbesteuerrecht ausgewirkt habe, würde § 36 Abs. 4 GewStG a.F. keine rückwirkende Belastung, sondern lediglich eine - unter Rückwirkungsgesichtspunkten unproblematische - Klarstellung der geltenden Rechtslage bedeuten. Eine verfassungskonforme Auslegung auch von Vorschriften, die mit der vorgelegten in engem Sachzusammenhang stünden, sei insbesondere dann geboten, wenn offensichtlich mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kämen und mindestens eine von ihnen nicht in gleicher Weise den verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts ausgesetzt sei.

30

bb) Im Fall ihrer Zulässigkeit sei die Vorlage jedenfalls unbegründet. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens habe nicht auf die alte Gesetzeslage vertrauen können. § 36 Abs. 4 GewStG a.F. sei nach Auffassung der Bundesregierung im Ausgangsfall unbedenklich, weil es hier von vornherein an einem schutzwürdigen Vertrauen in die alte Rechtslage fehle. Der maßgebliche Beschluss über die Vor-abausschüttung sei erst nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages getroffen worden. Das maßgebliche Datum für den Vertrauensschutz sei der Tag des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages.

31

Das Bundesverfassungsgericht habe dies mit seiner neueren Rechtsprechung (Hinweis auf BVerfGE 127, 31) bestätigt. Im Ausgangsverfahren sei die Ausschüttung erst einen Tag nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages beschlossen worden. Insofern unterscheide sich der vorgelegte Fall von dem Ausgangsfall zu BVerfGE 127, 31. Jedenfalls auf den Tag des Gesetzesbeschlusses hätte der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die neue Rechtsfolge rückwirkend anordnen dürfen. Zumindest insoweit müsste der in § 36 Abs. 4 GewStG a.F. zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille zur rückwirkenden Regelung respektiert werden. Es erscheine ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber, hätte er nicht über den Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses hinaus rückwirkend eingreifen können, nicht zumindest diesen Zeitpunkt als maßgeblich benannt hätte. Darüber hinaus bestehe zur Vermeidung von Ankündigungseffekten ein Interesse des Gesetzgebers an einer möglichst früh geltenden Regelung, um Vorverlegungen von Dividendenausschüttungen zu begegnen, da es sich hierbei um einen besonders einfach gestaltbaren Vorgang handele.

32

b) Die Bundesregierung hat auch zum neuen Vorlagebeschluss Stellung genommen und dabei ihren bisherigen Standpunkt bekräftigt.

33

Die zu § 8 Nr. 5 GewStG ergangene Anwendungsvorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. sei kein Fall echter Rückwirkung. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens könne sich aus den bereits in der ursprünglichen Stellungnahme der Bundesregierung vorgetragenen Gründen entgegen der Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen.

34

2. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs hat mitgeteilt, er habe sich mit der erstmaligen Anwendung von § 8 Nr. 5 GewStG in Verbindung mit § 36 Abs. 4 GewStG a.F. und einem dadurch möglicherweise bedingten Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip bislang noch nicht auseinandersetzen müssen. Ein anhängiges Revisionsverfahren (Aktenzeichen I R 14/07) sei mit Blick auf das Vorlageverfahren zum Ruhen gebracht worden.

35

Der Senat habe mehrheitlich Zweifel, dass dem vorlegenden Finanzgericht beizupflichten sei. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Beschränkung der steuerlichen Entlastung von Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen unter anderem insoweit gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoße, als die Entschädigung vor der Verkündung des neuen Rechts ausgezahlt worden sei (Hinweis auf BVerfGE 127, 31 <56 ff.>). Hier betreffe die in Rede stehende Ausschüttung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft nur deren (Minderheits-)Anteilseigner als Empfänger der Ausschüttung. Er habe den Zeitpunkt, in welchem die Ausschüttung beschlossen worden sei, nicht beeinflussen können. Im Unterschied zur Entschädigungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gebe es deswegen auch keinen Anlass, sein Vertrauen im Zeitpunkt des Ausschüttungszuflusses als schützenswert zu erachten.

B.

36

Die Vorlagefrage bedarf der geringfügigen Präzisierung und Erweiterung. Die Frage, ob die zu § 8 Nr. 5 GewStG ergangene, die Regelung für ab dem 1. Januar 2001 anwendbar erklärende Vorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG a.F., jeweils in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes, mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG insoweit vereinbar ist, als die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) bei Streubesitzbeteiligungen auch dann dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind, wenn der Gewinnverwendungsbeschluss der ausschüttenden Körperschaft vor dem 20. Dezember 2001 gefasst und der auf die als Gesellschafterin beteiligte Körperschaft entfallende Betrag auch vor dem 20. Dezember 2001 ausgezahlt wurde, ist zum einen auf Vorabausschüttungsbeschlüsse zu beschränken und zum anderen auf den Zeitraum bis zur Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt vom 24. Dezember 2001 zu erweitern.

37

Bei normalen Gewinnverwendungsbeschlüssen (Beschlüsse über offene Ausschüttungen von in bereits abgelaufenen Kalenderjahren entstandenen Gewinnen) fand der im Zuge des körperschaftsteuerlichen Systemwechsels neu gefasste § 8b Abs. 1 KStG im Jahr 2001 noch keine Anwendung (vgl. § 34 Abs. 7 Sätze 1 und 2 KStG sowie Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 28. April 2003 - IV A 2 - S 2750 a - 7/03 -, BStBl I S. 292, Rn. 60 ff.). Die Vorlagefrage wird daher auf Vorabausschüttungen beschränkt.

38

Für die verfassungsrechtliche Beurteilung kommt es allenfalls darauf an, ob die Vorabausschüttung vor der Verkündung der Neuregelung am 24. Dezember 2001 erfolgt ist, statt, wie angefragt, vor dem 20. Dezember 2001, dem Tag der Zustimmung des Bundesrates zu dem Beschluss des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes durch den Bundestag.

39

Schließlich ist die Vorlagefrage des Finanzgerichts mit Rücksicht auf die Befriedungsfunktion des Normenkontrollverfahrens (vgl. dazu BVerfGE 44, 322 <337 f.>; 62, 354 <364>; 78, 132 <143>) über den für das Ausgangsverfahren unmittelbar erheblichen Zeitraum hinaus darauf zu erstrecken, inwieweit es mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar ist, auch weiter zurückliegende Ausschüttungsvorgänge bis zum Beginn des Rückwirkungszeitraums am 1. Januar 2001 der neuen Gewinnanrechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG zu unterwerfen.

C.

40

Das rückwirkende Inkraftsetzen der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes ist verfassungsgemäß, soweit es den Zeitraum nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses für den neuen § 8 Nr. 5 GewStG vom 11. Dezember 2001 betrifft; soweit hingegen bis zu diesem Zeitpunkt beschlossene und zugeflossene Vorabausschüttungen hiervon erfasst werden, ist die Anwendungsregel des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. mit den Grundsätzen des Vertrauensschutzes unvereinbar.

I.

41

1. Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>). Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte (BVerfGE 101, 239 <262>). Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 63, 343 <356 f.>; 72, 200 <242>; 97, 67 <78 f.>). Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde Einzelne in ihrer Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an ihr Verhalten oder an sie betreffende Umstände ohne Weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt ihres rechtserheblichen Verhaltens galten (vgl. BVerfGE 30, 272 <285>; 63, 343 <357>; 72, 200 <257 f.>; 97, 67 <78>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300 f.>; 127, 1 <16>).

42

2. Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift (vgl. BVerfGE 101, 239 <263>; 123, 186 <257>). Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"; vgl. BVerfGE 127, 1 <17>). Normen mit echter Rückwirkung sind grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 101, 239 <263>). Erst mit der Verkündung, das heißt mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfGE 97, 67 <78 f.> m.w.N.), müssen von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass ihre auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfGE 63, 343 <353 f.>; 67, 1 <15>; 72, 200 <241 f.>; 97, 67 <78 f.>; 114, 258 <300>; 127, 1 <16 f.>).

43

3. a) Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet (vgl. BVerfGE 101, 239 <263>; 123, 186 <257>), so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"; vgl. BVerfGE 63, 343 <356>; 72, 200 <242>; 97, 67 <79>; 105, 17 <37 f.>; 127, 1 <17>). Sie ist grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 122, 374 <394 f.>; stRspr).

44

b) Im Steuerrecht liegt eine echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (vgl. BVerfGE 127, 1 <18 f.>; 127, 31 <48 f.>; 127, 61 <77 f.>). Für den Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, das heißt des Kalenderjahres (§ 25 Abs. 1 EStG; vgl. BVerfGE 72, 200 <252 f.>; 97, 67 <80>; vgl. auch bereits BVerfGE 13, 261 <263 f., 272>; 13, 274 <277 f.>; 19, 187 <195>; 30, 272 <285>). Entsprechendes gilt für das Gewerbesteuerrecht im Hinblick auf den regelmäßig mit dem Kalenderjahr endenden Erhebungszeitraum (§§ 14, 18 GewStG).

45

c) Sofern eine Steuerrechtsnorm nach diesen Grundsätzen über den Veranlagungs- oder Erhebungszeitraum unechte Rückwirkung entfaltet, gelten für deren Vereinbarkeit mit der Verfassung im Verhältnis zu sonstigen Fällen unechter Rückwirkung gesteigerte Anforderungen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass rückwirkende Regelungen innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums, die danach der unechten Rückwirkung zugeordnet werden, in vielerlei Hinsicht den Fällen echter Rückwirkung nahe stehen. Freilich ist auch in diesem Fall eine unechte Rückwirkung nicht grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfGE 127, 1 <17>; 127, 31 <47 f.>; 127, 61 <76>). Die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde andernfalls den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 105, 17 <40>; 114, 258 <301>). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 <331>; 67, 1 <15>; 71, 255 <272>; 76, 256 <349 f.>). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 125, 104 <135>).

46

Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte innerhalb des nicht abgeschlossenen Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen der Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen (vgl. BVerfGE 30, 392 <404>; 50, 386 <395>; 67, 1 <15>; 75, 246 <280>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300>). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein (vgl. BVerfGE 72, 200 <242 f.>; 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 116, 96 <132>; 122, 374 <394>; 123, 186 <257>). Soweit daher an zurückliegende Sachverhalte innerhalb des nicht abgeschlossenen Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums angeknüpft wird, ist diese unechte Rückwirkung mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 127, 1 <17 f.>; 127, 31 <47 f.>; 127, 61 <76 f.>). Wenn der Gesetzgeber das Gewerbesteuerrecht während des laufenden Erhebungszeitraums umgestaltet und die Rechtsänderungen auf dessen Beginn bezieht, bedürfen die belastenden Wirkungen einer Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens deshalb stets einer hinreichenden Begründung nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. Hier muss der Normadressat eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 127, 1 <20>; 127, 31 <48 f.>).

II.

47

Die Regelung des § 36 Abs. 4 GewStG a.F., nach der die Hinzurechnung von Dividenden und gleichgestellten Leistungen zum Gewerbeertrag gemäß § 8 Nr. 5 GewStG erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden ist, führt zu einer unechten Rückwirkung (1). Sie ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit sie Vorabausschüttungen erfasst, die erst nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 beschlossen oder abgewickelt wurden (2), verstößt hingegen gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit sie Vorabausschüttungen betrifft, die in dem Zeitraum bis einschließlich 11. Dezember 2001 beschlossen und abgewickelt wurden (3).

48

1. Der durch das am 24. Dezember 2001 verkündete Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz vom 20. Dezember 2001 neu eingefügte § 8 Nr. 5 GewStG bestimmt, dass dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die nach dem Einkommensteuerrecht oder Körperschaftsteuerrecht außer Ansatz gebliebenen Gewinnanteile (Dividenden) und gleichgestellten Bezüge und Leistungen aus Streubesitzbeteiligungen (vgl. den Verweis auf § 9 Nr. 2a und 7 GewStG in § 8 Nr. 5 GewStG und zum Zusammenhang der Normen BFH, Beschluss vom 9. November 2011 - I B 62/11 -, BFH/NV 2012, S. 449) wieder hinzugerechnet werden. Damit hat der Gesetzgeber die Auswirkung des im Zuge des Systemwechsels im Körperschaftsteuerrecht (vgl. BVerfGE 125, 1 <2 ff.>) durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl I S. 1433) neu gefassten und später mehrfach geänderten § 8b KStG auf die Gewinnermittlung im Gewerbesteuerrecht korrigiert. Die neue Vorschrift (vgl. zu der ursprünglichen Fassung BVerfGE 127, 224 <229>) sah bei Anteilen an inländischen Gesellschaften zunächst eine vollständige Freistellung für Beteiligungserträge und Veräußerungsgewinne von der Körperschaft-steuer vor. Nach der im Einklang mit der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. Eilers/Wienands, GmbHR 2000, S. 957 <963>; Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8b Rn. 74; Gröning/Siegmund, DStR 2003, S. 617; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 8 Nr. 5, Rn. 1 [5. Aufl. 2002, 7. Aufl. 2009]; Prinz/Simon, DStR 2002, S. 149; Ritzer/Stangl, INF 2002, S. 131 <133 ff.>; Roser, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 7 Rn. 75 [Stand: Juli 2009]) stehenden Auffassung des vorlegenden Finanzgerichts führte die Befreiungsvorschrift des § 8b KStG über die Verknüpfungsnorm in § 7 GewStG - vorbehaltlich einer im Gesetz zunächst nicht enthaltenen Hinzurechnung nach § 8 GewStG - im Vergleich zur früheren Rechtslage zu einer entsprechenden Verringerung des Gewerbeertrags.

49

Für die vom Bundesministerium der Finanzen geforderte verfassungskonforme Auslegung des § 7 Satz 1 GewStG im Sinne einer Nichtberücksichtigung des § 8b KStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags ist angesichts der eindeutigen, auch von den Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks 14/2683, S. 124) gestützten Rechtslage kein Raum. Unabhängig davon bietet das Mittel der verfassungskonformen Auslegung keine Handhabe dafür, ein vorlegendes Gericht zu einer bestimmten einfachrechtlichen Auslegung eines anderen, dem verfahrensgegenständlichen vorangegangenen Gesetzes nur deshalb anzuhalten, um so eine verfassungswidrige Rückwirkung der vorgelegten Norm zu vermeiden.

50

Indem § 36 Abs. 4 GewStG a.F. die erstmalige Anwendung des § 8 Nr. 5 GewStG für den noch nicht abgeschlossenen Erhebungszeitraum 2001 und damit beginnend mit dem 1. Januar 2001 anordnete, änderte er die Vorschriften über die Ermittlung des zu versteuernden Gewerbeertrags im Sinne einer unechten Rückwirkung.

51

2. Die Anwendungsvorschrift des § 36 Abs. 4 GewStG a.F. verstößt nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit sie rückwirkend Vorabausschüttungen im Jahr 2001 erfasst, die erst nach dem Vermittlungsvorschlag vom 11. Dezember 2001 beschlossen oder abgewickelt wurden, selbst wenn sie dem Empfänger der Vorabausschüttung noch vor der Verkündung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes im Bundesgesetzblatt zugeflossen sind. Dies gilt erst recht für Beschlüsse über Vorabausschüttungen, die nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss vom 14. Dezember 2001 gefasst wurden.

52

a) Gewinnausschüttungen beruhen zwar nicht zwingend auf einer besonderen Vertrauensdisposition der Streubesitzbeteiligten (aa). Letztere können sich aber gleichwohl auf Vertrauensschutz berufen (bb).

53

aa) Ausschüttungen oder - wie im Ausgangsfall - Vorabausschüttungen von Erträgen aus einer Beteiligung im Sinne des § 8 Nr. 5 GewStG, die nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben, sind bei Streubesitzbeteiligungen, um die es hier allein geht (vgl. § 8 Nr. 5 in Verbindung mit § 9 Nr. 2a und 7 GewStG), typischerweise nicht Ausfluss einer Dispositionsentscheidung des Minderheitsgesellschafters, die besonderen Vertrauensschutz verdient. Der gewerbesteuerpflichtige Minderheitsgesellschafter trifft in diesen Fällen im Allgemeinen keine von ihm maßgeblich verantwortete Dispositionsentscheidung über die Gewinnausschüttung, die Vertrauensschutz begründen könnte. Sein Einfluss in der Gesellschafterversammlung dürfte allenfalls gering sein. Er wird die Entscheidung der Gesellschafterversammlung über das Ob und Wie einer Ausschüttung oder Vorabausschüttung daher regelmäßig lediglich hinnehmen. Zudem ist die Entscheidung über eine Gewinnausschüttung per se keine Maßnahme, die - wie etwa eine Investitionsentscheidung - im Vertrauen auf den längerfristigen Bestand einer Rechtslage erfolgt. Auch das der Vorlage zugrunde liegende Ausgangsverfahren bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die in Streit stehende Vorabausschüttung auf Maßnahmen der Klägerin zurückginge, die in besonderer Weise schutzwürdiges Vertrauen begründeten.

54

bb) Berechtigtes Vertrauen für den die Ausschüttung entgegennehmenden Minderheitsgesellschafter besteht danach vorrangig im Hinblick auf die Gewährleistungsfunktion der Rechtsordnung (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 f.>). Steuerpflichtige müssen grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass die zum Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses eines steuerrelevanten Geschäftsvorgangs geltende Steuerrechtslage nicht ohne hinreichend gewichtigen Rechtfertigungsgrund rückwirkend geändert wird. Andernfalls wäre das Vertrauen in die Rechtssicherheit und Rechtsbeständigkeit der Rechtsordnung als Garanten einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung ernsthaft gefährdet (vgl. BVerfGE 109, 133 <180>; 126, 369 <393>; 127, 1 <16>). Die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, genießt zwar, sofern keine besonderen Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 127, 1 <17>). Das diesen Grundsatz rechtfertigende Anliegen, die notwendige Flexibilität der Rechtsordnung zu wahren, zielt indes auf künftige Rechtsänderungen und relativiert nicht ohne Weiteres die Verlässlichkeit der Rechtsordnung innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums.

55

b) Die Einbringung eines Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag stellt das Vertrauen in den zukünftigen Bestand einer Rechtslage in Frage (aa), jedenfalls der endgültige Beschluss des Bundestages über das rückwirkende Gesetz zerstört es grundsätzlich (bb). Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses hat hier das Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage beseitigt (cc).

56

aa) Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ werden geplante Gesetzesänderungen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt sind mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb können Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde auch in Zukunft, insbesondere im Folgejahr, unverändert fortbestehen; es ist ihnen vielmehr grundsätzlich möglich, ihre wirtschaftlichen Dispositionen durch entsprechende Anpassungsklauseln auf mögliche zukünftige Änderungen einzustellen (vgl. BVerfGE 127, 31 <50>).

57

bb) Jedenfalls ab dem endgültigen Beschluss des Deutschen Bundestages über einen Gesetzentwurf müssen die Betroffenen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Verkündung und dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen, weshalb es ihnen von diesem Zeitpunkt an zuzumuten ist, ihr Verhalten auf die beschlossene Gesetzeslage einzurichten. Der Gesetzgeber kann deshalb berechtigt sein, den zeitlichen Anwendungsbereich einer Norm sogar im Sinne einer echten Rückwirkung auch auf den Zeitraum von dem Gesetzesbeschluss bis zur Verkündung zu erstrecken (vgl. BVerfGE 13, 261 <273>; 30, 272 <286 f.>; 72, 200 <260 ff.>; 95, 64 <86 f.>; 97, 67 <79>; 127, 31 <58>). Diese Zuordnung hat das Bundesverfassungsgericht als den "verhältnismäßig besten Ausgleich" zwischen den denkbaren Positionen - Abstellen auf die Einbringung des Gesetzentwurfs einerseits und die Verkündung der Neuregelung andererseits - bezeichnet (vgl. BVerfGE 72, 200 <261 f.>; 127, 31 <58>).

58

cc) (1) Der durch die Bundesregierung in den Deutschen Bundestag eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (BTDrucks 14/6882) enthielt noch keine den späteren § 8 Nr. 5 GewStG und § 36 Abs. 4 GewStG a.F. entsprechenden Bestimmungen. Die Anregung des Bundesrates in seiner Stellungnahme vom 27. September 2001 zu dem Gesetzentwurf, die Hinzurechnung von Bezügen und Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG und von Bezügen und Gewinnen nach § 8b KStG zum Gewerbeertrag ausdrücklich zu regeln (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 4 f.), wurde von der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung mit dem Argument abgelehnt, dass die Umsetzung des Vorschlags die Wiedereinführung der mit dem Steuersenkungsgesetz gerade abgeschafften Doppelbelastung von Streubesitz mit Gewerbesteuer bedeuten würde (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 8). Zu diesem Zeitpunkt mussten potenziell Betroffene ihr Verhalten daher noch nicht auf eine solche Regelung einstellen.

59

Erst nach Einleitung des Vermittlungsverfahrens und jedenfalls mit dessen Abschluss änderte sich dies. In der in der Bundestagsdrucksache 14/7780 vom 11. Dezember 2001 veröffentlichten Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses an den Bundestag zum Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz waren nunmehr Formulierungsvorschläge zu einem neuen § 8 Nr. 5 GewStG und zu § 36 Abs. 4 GewStG a.F. enthalten, die den später Gesetz gewordenen Regelungen entsprachen (vgl. BTDrucks 14/7780, S. 5). Hinsichtlich ihrer das Vertrauen in den Fortbestand der geltenden Rechtslage beeinträchtigenden Wirkung entspricht die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nicht nur derjenigen der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ, sondern geht sogar noch darüber hinaus. Die Annahme eines solchen Vermittlungsvorschlags durch den Bundestag ist regelmäßig erheblich wahrscheinlicher als die Verwirklichungschancen eines Gesetzentwurfs zu Beginn der parlamentarischen Beratungen, weil der Vermittlungsvorschlag am Ende des parlamentarischen Entscheidungsfindungsprozesses einschließlich der Kompromissbemühungen des Vermittlungsausschusses steht und deren Ergebnis markiert.

60

Es kann daher hier offen bleiben, ob die Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ stets der maßgebliche Zeitpunkt ist, ab dem sich die Betroffenen nicht mehr auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der bisherigen Rechtslage berufen können (s.o. aa, vgl. auch BVerfGE 127, 31 <50>). Mit dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 ist die Zerstörung schutzwürdigen Vertrauens hier jedenfalls eingetreten. Dies folgt aus der besagten hohen Wahrscheinlichkeit der Annahme des Vermittlungsvorschlags auf der einen Seite und der geringen Schutzwürdigkeit des Minderheitsgesellschafters im Hinblick auf einen Gewinnausschüttungsbeschluss der Gesellschaft (s. dazu oben 2 a) auf der anderen Seite  . 

61

(2) Schutzwürdiges Vertrauen in den künftigen Bestand der bisherigen Rechtslage besteht erst recht nicht mehr ab der Zustimmung des Bundestages zum Vermittlungsvorschlag des Vermittlungsausschusses (vgl. Art. 77 Abs. 2 Satz 5 GG) vom 14. Dezember 2001 (vgl. BRDrucks 1061/01). Dieser Zeitpunkt entspricht in jeder Hinsicht dem des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages über einen Gesetzentwurf, der nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - auch in den Fällen echter Rückwirkung - den zeitlichen Endpunkt eines schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der bisherigen Rechtslage bestimmt (s. vorstehend bb).

62

(3) Der Wegfall schutzwürdigen Vertrauens bereits durch den Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 führt dazu, dass Vorabausschüttungsbeschlüsse, die nach dem 11. Dezember 2001 gefasst worden sind, keinen verfassungsrechtlichen Schutz vor der Hinzurechnung der Vorabausschüttung zum Gewerbeertrag nach dem später in das Gewerbesteuergesetz eingefügten § 8 Nr. 5 GewStG genießen. Da es insoweit schon an einem schutzwürdigen Vertrauen auf das Nichtbestehen einer solchen Hinzurechnungsvorschrift fehlt, kommt eine Abwägung, ob das Interesse der Allgemeinheit an dem rückwirkenden Inkraftsetzen des § 8 Nr. 5 GewStG bis zum 11. Dezember 2001 dem Vertrauen Einzelner auf die Fortgeltung der Rechtslage über diesen Zeitpunkt hinaus unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (zu diesem Maßstab vgl. BVerfGE 127, 31 <47 f.> und oben I 3 c) vorgeht, nicht in Betracht.

63

Das der Vorlage des Finanzgerichts zugrunde liegende Ausgangsverfahren betrifft einen solchen Fall; der Vorabausschüttungsbeschluss in jenem Verfahren datiert vom 15. Dezember 2001, liegt also zeitlich sowohl nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 als auch nach dem Gesetzesbeschluss des Bundestages vom 14. Dezember 2001.

64

c) Das rückwirkende Inkraftsetzen von § 8 Nr. 5 GewStG ist mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes auch insoweit vereinbar, als die Regelung Vorab-ausschüttungen erfasst, die zwar erst nach dem 11. Dezember 2001 beschlossen wurden, jedoch - wie im Ausgangsverfahren - dem Steuerpflichtigen noch vor der Verkündung der Neuregelung am 24. Dezember 2001 zugeflossen sind.

65

Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in seinem Beschluss vom 7. Juli 2010 zur sogenannten "Fünftel-Regelung" des § 34 Abs. 1 EStG (BVerfGE 127, 31<57 ff.>) die Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Betroffenen in die Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts unabhängig von der Schutzwürdigkeit ihrer Dispositionen zum Zeitpunkt der zugrunde liegenden Vereinbarungen für den Fall bejaht, dass der Mittelzufluss vor Verkündung der Neuregelung erfolgt ist. Dabei ging es um Abfindungsvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmern. Bei den Entscheidungen über Sparen, Konsum oder Investition der erzielten Einnahmen durften die Arbeitnehmer nach dem Beschluss vom 7. Juli 2010 darauf vertrauen, dass der Steuergesetzgeber nicht ohne sachlichen Grund von hinreichendem Gewicht die Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend zu ihren Lasten verändere und dadurch den Nettoertrag der erhaltenen Abfindungszahlung erheblich mindere. Die Vorhersehbarkeit einer möglichen zukünftigen Gesetzesänderung bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Entschädigungsvereinbarung und zum Zeitpunkt der Erfüllung des materiellen steuerbegründenden Tatbestands durch den Zufluss des Abfindungsbetrags stehe der Anerkennung grundrechtlich geschützten Vertrauens in geltendes Recht zum Zeitpunkt der Erfüllung nicht grundsätzlich entgegen (vgl. BVerfGE 127, 31 <57 f.>). Selbst wenn der Geldzufluss erst nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss über die beabsichtigte Steuererhöhung erfolgt sei und die Betroffenen sich deshalb grundsätzlich schon auf die Neuregelung hätten einstellen können, bleibe in diesen Fällen des Mittelzuflusses vor Verkündung der Neuregelung das berechtigte Vertrauen der Steuerpflichtigen in die Gewährleistungsfunktion des Rechts, das nur durch überwiegende Gemeinwohlinteressen an einer rückwirkenden Neuregelung überwunden werden könne (vgl. BVerfGE 127, 31 <58 f.>).

66

Die Grundsätze dieser Fallgruppe sind auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Dort ging es um zweiseitige Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, auf deren Gültigkeit und Werthaltigkeit der Arbeitnehmer unter Umständen existenziell angewiesen war. Mit der Zustimmung zu einer Abfindungsvereinbarung disponiert der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsvertrags und damit über Teile seiner wirtschaftlichen Existenz. Dabei handelt er in einer gewissen Zwangslage. Er verliert seine Rechte zwar nicht ohne seinen Willen, gibt sie aber doch unter einem erheblichen wirtschaftlichen, rechtlichen oder tatsächlichen Druck auf (vgl. BVerfGE 127, 31 <52, 60>). In dieser besonderen Situation verdient das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des verfügbaren Werts einer solchen Vereinbarung in weitergehendem Umfang Schutz, selbst wenn sie erst nach der Zustimmung des Bundestages zu einem Steuererhöhungsgesetz geschlossen wurde, sofern die Abfindung noch vor der Verkündung des Gesetzes ausgezahlt wurde (vgl. BVerfGE 127, 31 <58 f.>).

67

Damit ist die Lage bei der Ausschüttung von Gewinnanteilen an Streubesitzbeteiligte in der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Art nicht vergleichbar. Eine Vertrauensschutz erfordernde Disposition über Teile seines Vermögens hat der Minderheitsgesellschafter hier nicht in einer dem Arbeitnehmer bei der Abfindungsvereinbarung vergleichbaren Weise getätigt. Als Streubesitzbeteiligter ist er im Fall einer Ausschüttung im Wesentlichen auf deren Entgegennahme beschränkt; schutzwürdiges Vertrauen investiert er dabei regelmäßig in allenfalls geringfügigem Umfang (s. dazu bereits oben 2 a aa). Nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur rückwirkenden Einführung der Hinzurechnungsregelung vom 11. Dezember 2001, erst recht nach dem endgültigen Beschluss des Bundestages, im vorliegenden Fall nach der Zustimmung des Bundestages vom 14. Dezember 2001 zum Vermittlungsvorschlag, konnten sich die Begünstigten eines Vorabausschüttungsbeschlusses ohne Weiteres auf die sich konkret abzeichnende neue Rechtslage einstellen. Selbst bei Abwicklung dieses Beschlusses vor der Verkündung des Gesetzes am 24. Dezember 2001 ändert der dadurch erreichte "gesteigerte Grad an Abgeschlossenheit" (vgl. BVerfGE 127, 31 <59>) nichts am Fehlen schutzwürdigen Vertrauens in den Bestand der noch geltenden Steuerrechtslage für die Vorabausschüttung. Allein die Gewährleistungsfunktion des zum Zeitpunkt des Mittelzuflusses geltenden Rechts vermag das Fehlen schutzwürdigen Vertrauens wegen der bereits konkret absehbaren Neuregelung in solchen Fällen nicht zu kompensieren.

68

Fehlt es für die Zeit nach dem 11. Dezember 2001 an schutzwürdigem Vertrauen in das Fortbestehen der Steuerrechtslage zur Übertragbarkeit der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG auf das Gewerbesteuerrecht, bedarf die Zulässigkeit der Rückwirkung keiner Abwägung mehr unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und insbesondere der Zumutbarkeit (s.o. I 3 c).

69

3. § 36 Abs. 4 GewStG a.F. ist mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbar und verstößt gegen Art. 20 Abs. 3 GG, soweit er die Anwendung des neuen § 8 Nr. 5 GewStG auf den Erhebungszeitraum 2001 auch mit Wirkung vor dem 12. Dezember 2001 erstreckt und dabei bis einschließlich 11. Dezember 2001 beschlossene und zugeflossene Vorabausschüttungen erfasst.

70

a) Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses vom 11. Dezember 2001 zur Einfügung des § 8 Nr. 5 in das Gewerbesteuergesetz, erst recht aber der Beschluss des Deutschen Bundestages hierzu vom 14. Dezember 2001 haben zwar das Vertrauen in den zukünftigen Bestand der bisherigen Rechtslage zur gewerbesteuerlichen Freistellung von Erträgen im Sinne des § 8b Abs. 1 KStG aus Streubesitzbeteiligungen zerstört. Berechtigtes Vertrauen in den Bestand der Steuerrechtslage für den davor liegenden Zeitraum wird durch diese Vorgänge im Gesetzgebungsverfahren allerdings nicht beseitigt. Dies gilt auch dann, wenn es sich dabei um zurückliegende Zeiten innerhalb des laufenden Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums handelt. Denn die Behandlung steuerlich relevanter Vorgänge als bis zum Ende des Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bedeutet lediglich, dass Gesetze, die während, insbesondere gegen Ende eines Veranlagungszeitraums mit Wirkung für den gesamten Zeitraum erlassen werden, nach den für ein Gesetz mit unechter Rückwirkung anzuwendenden verfassungsrechtlichen Maßstäben beurteilt werden. Daraus folgt aber nicht, dass vor dem Gesetzeserlass getätigte Dispositionen des Steuerschuldners deshalb keinen Vertrauensschutz genössen. Hier ist eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinzunehmen, soweit dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 127, 1 <20>).

71

Vertrauen erwächst in den von der Vorlage des Finanzgerichts angesprochenen Fällen der Vorabausschüttung nicht in erster Linie durch in besonderer Weise schützenswerte Dispositionen des gewerbesteuerpflichtigen, mit weniger als 10% beteiligten Minderheitsgesellschafters, sondern im Wesentlichen aus der Gewährleistungsfunktion des geltenden Rechts (s.o. 2 a). Um Vertrauensschutz gegen rückwirkende Gesetzesänderungen auslösen zu können, bedarf ein Geschäftsvorgang eines erkenn- und belegbaren gesteigerten Grades der Abgeschlossenheit. Diese liegt nicht allein in dem Gesellschafterbeschluss über die Vorabausschüttung. Da er keinen besonderen Formbindungen unterliegt und deshalb weder hinsichtlich seines Inhalts noch hinsichtlich des Beschlusszeitpunktes ohne Weiteres objektiv gesichert ist, vermittelt er allein hier noch keine Rechtsbeständigkeit gegenüber einer Gesetzesänderung. Erst der in Umsetzung des Gesellschafterbeschlusses erfolgte Zufluss der Ausschüttung beim Empfänger verschafft dem Sachverhalt einen gesteigerten Grad an Abgeschlossenheit, der Schutz gegen eine rückwirkende Änderung der Rechtslage bietet (vgl. BVerfGE 127, 31 <59>). Die Anknüpfung an den Zufluss der Ausschüttung gewährleistet zudem eine einheitliche Handhabung solcher Rückwirkungsfälle unabhängig von der Geltung des Zu- und Abflussprinzips (vgl. § 4 Abs. 3, § 11 EStG), das heißt unabhängig von der Methode der Einkünfteermittlung und insbesondere auch unabhängig von einer etwaigen im Fall der Bilanzierung erfolgenden Aktivierung des Anspruchs auf die Vorabausschüttung schon im Zeitpunkt der Beschlussfassung der ausschüttenden Gesellschaft.

72

b) Besondere Gründe, welche die nachträgliche Belastung vor dem 12. Dezember 2001 beschlossener und ausgezahlter Vorabausschüttungen mit einer höheren Gewerbesteuer rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar.

73

Die allgemeinen Ziele der Umgestaltung des Steuerrechts und der Erhöhung des Steueraufkommens rechtfertigen die rückwirkende Steuerbelastung nicht (vgl. BVerfGE 127, 1 <26>; 127, 31 <59>).

74

Ein spürbarer Ankündigungs- oder Mitnahmeeffekt mit Blick auf die drohende Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer, der durch die Rückwirkung verhindert werden sollte, ist - zumal für die Zeit bis zum 11. Dezember 2001 - nicht erkennbar. Eine rein steuerlich motivierte Vorabausschüttung zu Gunsten einer mit weniger als 10% beteiligten Minderheitsgesellschafterin erscheint zudem generell eher ungewöhnlich. Es ist ferner nicht unüblich, dass Vorabausschüttungen kurz vor Jahresende beschlossen und durchgeführt werden. Auch das vorlegende Finanzgericht hat im konkreten Fall festgestellt, dass bei der Körperschaft, an der die Klägerin des Ausgangsverfahrens beteiligt war, in den Vorjahren regelmäßig Vorabausschüttungen erfolgt waren.

75

Der im Jahr 2001 vollzogene Systemwechsel im Körperschaftsteuerrecht (vgl. dazu BVerfGE 125, 1 <2 ff.>) bietet ebenfalls keinen Rechtfertigungsgrund für das rückwirkende Inkraftsetzen des § 8 Nr. 5 GewStG. Insbesondere war die sich vor Einfügung des § 8 Nr. 5 GewStG ergebende Rechtslage nicht systemwidrig. Die unmittelbare Auswirkung der körperschaftsteuerlichen Freistellung von Beteiligungserträgen und Veräußerungsgewinnen nach § 8b KStG auf das Gewerbesteuerecht war und ist eine systemgerechte Folge aus der Übernahme der einkommen- oder körperschaftsteuerlichen Gewinnermittlungsregelungen in das Gewerbesteuerrecht (§ 7 Satz 1 GewStG). Um dies zu ändern, bedurfte es einer ausdrücklichen Korrektur durch den Gesetzgeber, wie sie durch den neuen § 8 Nr. 5 GewStG für Erträge aus Streubesitzbeteiligungen dann auch erfolgt ist. Die zwischenzeitlich im Jahr 2001 geltende Rechtslage war damit keineswegs offensichtlich so ungerecht oder auch nur im Hinblick auf das Gewerbesteuerrecht so systemwidrig, dass eine rückwirkende Änderung durch den Gesetzgeber als unabweisbar hätte erscheinen müssen. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung auf den Vorschlag des Bundesrates vom 27. September 2001, die Hinzurechnung von Bezügen und Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG und von Bezügen und Gewinnen nach § 8b KStG zum Gewerbeertrag ausdrücklich zu regeln (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 4 f.), ihre Ablehnung damit begründet, dass die Umsetzung des Vorschlags die Wiedereinführung der mit dem Steuersenkungsgesetz gerade abgeschafften Doppelbelastung von Streubesitz mit Gewerbesteuer bedeuten würde (vgl. BTDrucks 14/7084, S. 8). Die neue Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG war daher keine überfällige Fehlerkorrektur, mit der Steuerpflichtige ohne Weiteres hätten rechnen müssen, sondern eine bewusst die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer abweichend von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer gestaltende Entscheidung des Gesetzgebers.

76

Liegen keine Gründe vor, welche die Rückwirkung der Regelung für bis einschließlich 11. Dezember 2001 erfolgte Vorabausschüttungen rechtfertigen könnten, erübrigt sich die Prüfung, ob eine darauf gestützte Rückwirkungsanordnung verhältnismäßig wäre. Eine Interessenabwägung kommt nicht in Betracht, wenn verfassungsrechtlich bereits kein für die Rückwirkung sprechendes öffentliches Interesse anzuerkennen ist.

III.

77

Soweit § 36 Abs. 4 GewStG a.F. den § 8 Nr. 5 GewStG auf Dividendenvorab-ausschüttungen an Minderheitsgesellschafter für anwendbar erklärt, die von der ausschüttenden Gesellschaft vor dem 12. Dezember 2001 verbindlich beschlossen wurden und der mit weniger als 10% beteiligten Körperschaft vor diesem Zeitpunkt zugeflossen sind, verstößt diese Anwendungsvorschrift gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig (§ 78 Satz 1 i.V.m. § 82 Abs. 1 BVerfGG).

78

Die Entscheidung über die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes des Vorschlags des Vermittlungsausschusses anstelle des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages (C II) ist mit 5:3 Stimmen ergangen.

(1) Die Entscheidung ist dem Antragsteller schriftlich oder elektronisch mitzuteilen (Bescheid). Unter dem Vorbehalt der Rückforderung kann ein Bescheid nur ergehen, soweit dies in diesem Gesetz vorgesehen ist. Ist in einem Bescheid dem Grunde nach über

1.
eine Ausbildung nach § 7 Absatz 1a,
2.
eine weitere Ausbildung nach § 7 Absatz 2,
3.
eine andere Ausbildung nach § 7 Absatz 3 oder
4.
eine Ausbildung nach Überschreiten der Altersgrenze nach § 10 Absatz 3
entschieden worden, so gilt diese Entscheidung für den ganzen Ausbildungsabschnitt.

(2) In dem Bescheid sind anzugeben

1.
die Höhe und Zusammensetzung des Bedarfs,
2.
die Höhe des Einkommens des Auszubildenden, seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern sowie des Vermögens des Auszubildenden,
3.
die Höhe der bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigten Steuern und Abzüge zur Abgeltung der Aufwendungen für die soziale Sicherung,
4.
die Höhe der gewährten Freibeträge und des nach § 11 Absatz 4 auf den Bedarf anderer Auszubildender angerechneten Einkommens des Ehegatten oder Lebenspartners und der Eltern,
5.
die Höhe der auf den Bedarf angerechneten Beträge von Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie vom Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern.
Satz 1 gilt nicht, wenn der Antrag auf Ausbildungsförderung dem Grunde nach abgelehnt wird. Auf Verlangen eines Elternteils oder des Ehegatten oder Lebenspartners, für das Gründe anzugeben sind, entfallen die Angaben über das Einkommen dieser Personen mit Ausnahme des Betrages des angerechneten Einkommens; dies gilt nicht, soweit der Auszubildende im Zusammenhang mit der Geltendmachung seines Anspruchs auf Leistungen nach diesem Gesetz ein besonderes berechtigtes Interesse an der Kenntnis hat. Besucht der Auszubildende eine Hochschule oder eine Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6, so ist in jedem Bescheid das Ende der Förderungshöchstdauer anzugeben.

(3) Über die Ausbildungsförderung wird in der Regel für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden.

(4) Endet ein Bewilligungszeitraum und ist ein neuer Bescheid nicht ergangen, so wird innerhalb desselben Ausbildungsabschnitts Ausbildungsförderung nach Maßgabe des früheren Bewilligungsbescheids unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Dies gilt nur, wenn der neue Antrag im Wesentlichen vollständig zwei Kalendermonate vor Ablauf des Bewilligungszeitraums gestellt war und ihm die erforderlichen Nachweise beigefügt wurden.

(1) Über die Leistung von Ausbildungsförderung wird auf schriftlichen oder elektronischen Antrag entschieden.

(2) Der Antrag ist an das örtlich zuständige Amt für Ausbildungsförderung zu richten.

(3) Die zur Feststellung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen sind auf den Formblättern anzugeben, die die Bundesregierung durch Allgemeine Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrates bestimmt hat.

(4) (weggefallen)

(5) Auf Antrag hat das Amt für Ausbildungsförderung dem Grunde nach vorab zu entscheiden, ob die Förderungsvoraussetzungen für eine nach Fachrichtung und Ausbildungsstätte bestimmt bezeichnete

1.
Ausbildung im Ausland nach § 5 Absatz 2 und 5,
2.
Ausbildung nach § 7 Absatz 1a,
3.
weitere Ausbildung nach § 7 Absatz 2,
4.
andere Ausbildung nach § 7 Absatz 3,
5.
Ausbildung nach Überschreiten der Altersgrenze nach § 10 Absatz 3
vorliegen. Die Entscheidung nach den Nummern 2 bis 5 ist für den ganzen Ausbildungsabschnitt zu treffen. Das Amt ist an die Entscheidung nicht mehr gebunden, wenn der Auszubildende die Ausbildung nicht binnen eines Jahres nach Antragstellung beginnt.

(1) Die Entscheidung ist dem Antragsteller schriftlich oder elektronisch mitzuteilen (Bescheid). Unter dem Vorbehalt der Rückforderung kann ein Bescheid nur ergehen, soweit dies in diesem Gesetz vorgesehen ist. Ist in einem Bescheid dem Grunde nach über

1.
eine Ausbildung nach § 7 Absatz 1a,
2.
eine weitere Ausbildung nach § 7 Absatz 2,
3.
eine andere Ausbildung nach § 7 Absatz 3 oder
4.
eine Ausbildung nach Überschreiten der Altersgrenze nach § 10 Absatz 3
entschieden worden, so gilt diese Entscheidung für den ganzen Ausbildungsabschnitt.

(2) In dem Bescheid sind anzugeben

1.
die Höhe und Zusammensetzung des Bedarfs,
2.
die Höhe des Einkommens des Auszubildenden, seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern sowie des Vermögens des Auszubildenden,
3.
die Höhe der bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigten Steuern und Abzüge zur Abgeltung der Aufwendungen für die soziale Sicherung,
4.
die Höhe der gewährten Freibeträge und des nach § 11 Absatz 4 auf den Bedarf anderer Auszubildender angerechneten Einkommens des Ehegatten oder Lebenspartners und der Eltern,
5.
die Höhe der auf den Bedarf angerechneten Beträge von Einkommen und Vermögen des Auszubildenden sowie vom Einkommen seines Ehegatten oder Lebenspartners und seiner Eltern.
Satz 1 gilt nicht, wenn der Antrag auf Ausbildungsförderung dem Grunde nach abgelehnt wird. Auf Verlangen eines Elternteils oder des Ehegatten oder Lebenspartners, für das Gründe anzugeben sind, entfallen die Angaben über das Einkommen dieser Personen mit Ausnahme des Betrages des angerechneten Einkommens; dies gilt nicht, soweit der Auszubildende im Zusammenhang mit der Geltendmachung seines Anspruchs auf Leistungen nach diesem Gesetz ein besonderes berechtigtes Interesse an der Kenntnis hat. Besucht der Auszubildende eine Hochschule oder eine Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6, so ist in jedem Bescheid das Ende der Förderungshöchstdauer anzugeben.

(3) Über die Ausbildungsförderung wird in der Regel für ein Jahr (Bewilligungszeitraum) entschieden.

(4) Endet ein Bewilligungszeitraum und ist ein neuer Bescheid nicht ergangen, so wird innerhalb desselben Ausbildungsabschnitts Ausbildungsförderung nach Maßgabe des früheren Bewilligungsbescheids unter dem Vorbehalt der Rückforderung geleistet. Dies gilt nur, wenn der neue Antrag im Wesentlichen vollständig zwei Kalendermonate vor Ablauf des Bewilligungszeitraums gestellt war und ihm die erforderlichen Nachweise beigefügt wurden.

(1) Ausbildungsförderung wird für die weiterführende allgemeinbildende und zumindest für drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung im Sinne der §§ 2 und 3 bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, längstens bis zum Erwerb eines Hochschulabschlusses oder eines damit gleichgestellten Abschlusses. Berufsqualifizierend ist ein Ausbildungsabschluss auch dann, wenn er im Ausland erworben wurde und dort zur Berufsausübung befähigt. Satz 2 ist nicht anzuwenden, wenn der Auszubildende eine im Inland begonnene Ausbildung fortsetzt, nachdem er im Zusammenhang mit einer nach § 5 Absatz 2 Nummer 1 und 2 dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben hat.

(1a) Für einen Master- oder Magisterstudiengang oder für einen postgradualen Diplomstudiengang sowie jeweils für vergleichbare Studiengänge in Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz wird Ausbildungsförderung geleistet, wenn

1.
er auf einem Bachelor- oder Bakkalaureusabschluss aufbaut oder im Rahmen einer Ausbildung nach § 5 Absatz 2 Nummer 1 oder 3 erfolgt und auf einem noch nicht abgeschlossenen einstufigen Inlandsstudium aufbaut, das von der aufnehmenden Hochschule oder der aufnehmenden Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 als einem Bachelorabschluss entsprechend anerkannt wird, und
2.
der Auszubildende bislang ausschließlich einen Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengang abgeschlossen oder im Sinne der Nummer 1 eine Anerkennung des bisherigen Studiums als einem solchen Abschluss entsprechend erreicht hat.
Für nach Satz 1 förderungsfähige Ausbildungen findet Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 keine Anwendung. Auszubildenden, die von der Ausbildungsstätte auf Grund vorläufiger Zulassung für einen nach Satz 1 förderungsfähigen Studiengang eingeschrieben worden sind, wird für die Dauer der vorläufigen Zulassung, längstens jedoch für zwölf Monate, Ausbildungsförderung unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall geleistet, dass bis dahin keine endgültige Zulassung erfolgt. Der Rückforderungsvorbehalt gilt nur für den Zeitraum nach Ablauf der für den noch nicht abgeschlossenen Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengang geltenden Förderungshöchstdauer oder der nach § 15 Absatz 3 verlängerten Förderungsdauer.

(1b) Für einen Studiengang, der ganz oder teilweise mit einer staatlichen Prüfung abschließt (Staatsexamensstudiengang), wird Ausbildungsförderung auch geleistet, nachdem Auszubildende einen Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengang abgeschlossen haben. Voraussetzung der Leistung ist, dass der Studiengang durch Studien- oder Prüfungsordnung in der Weise vollständig in den Staatsexamensstudiengang integriert ist, dass innerhalb der Regelstudienzeit des Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengangs auch sämtliche Ausbildungs- und Prüfungsleistungen zu erbringen sind, die für den Staatsexamensstudiengang in der Studien- oder Prüfungsordnung für denselben Zeitraum vorgesehen sind.

(2) Für eine einzige weitere Ausbildung wird Ausbildungsförderung längstens bis zu einem berufsqualifizierenden Abschluss geleistet,

1.
(weggefallen)
2.
wenn sie eine Hochschulausbildung oder eine dieser nach Landesrecht gleichgestellte Ausbildung insoweit ergänzt, als dies für die Aufnahme des angestrebten Berufs rechtlich erforderlich ist,
3.
wenn im Zusammenhang mit der vorhergehenden Ausbildung der Zugang zu ihr eröffnet worden ist, sie in sich selbständig ist und in derselben Richtung fachlich weiterführt,
4.
wenn der Auszubildende
a)
eine Fachoberschulklasse, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, eine Abendhauptschule, eine Berufsaufbauschule, eine Abendrealschule, ein Abendgymnasium oder ein Kolleg besucht oder
b)
die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde weitere Ausbildung an einer in Buchstabe a genannten Ausbildungsstätte, durch eine Nichtschülerprüfung oder durch eine Zugangsprüfung zu einer Hochschule oder zu einer Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 erworben hat oder
5.
wenn der Auszubildende als erste berufsbildende eine zumindest dreijährige Ausbildung an einer Berufsfachschule oder in einer Fachschulklasse, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht voraussetzt, abgeschlossen hat.
Im Übrigen wird Ausbildungsförderung für eine einzige weitere Ausbildung nur geleistet, wenn die besonderen Umstände des Einzelfalles, insbesondere das angestrebte Ausbildungsziel, dies erfordern.

(3) Hat der Auszubildende

1.
aus wichtigem Grund oder
2.
aus unabweisbarem Grund
die Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, so wird Ausbildungsförderung für eine andere Ausbildung geleistet; bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen gilt Nummer 1 nur bis zum Beginn des vierten Fachsemesters. Ein Auszubildender bricht die Ausbildung ab, wenn er den Besuch von Ausbildungsstätten einer Ausbildungsstättenart einschließlich der im Zusammenhang hiermit geforderten Praktika endgültig aufgibt. Ein Auszubildender wechselt die Fachrichtung, wenn er einen anderen berufsqualifizierenden Abschluss oder ein anderes bestimmtes Ausbildungsziel eines rechtlich geregelten Ausbildungsganges an einer Ausbildungsstätte derselben Ausbildungsstättenart anstrebt. Beim erstmaligen Fachrichtungswechsel oder Abbruch der Ausbildung wird in der Regel vermutet, dass die Voraussetzungen nach Nummer 1 erfüllt sind; bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen gilt dies nur, wenn der Wechsel oder Abbruch bis zum Beginn des dritten Fachsemesters erfolgt. Bei der Bestimmung des nach den Sätzen 1 und 4 maßgeblichen Fachsemesters wird die Zahl der Semester abgezogen, die nach Entscheidung der Ausbildungsstätte aus der ursprünglich betriebenen Fachrichtung auf den neuen Studiengang angerechnet werden.

(4) (weggefallen)

(1) (weggefallen)

(2) (weggefallen)

(3) Ausbildungsförderung wird nicht geleistet, wenn Auszubildende bei Beginn des Ausbildungsabschnitts, für den sie Ausbildungsförderung beantragen, das 45. Lebensjahr vollendet haben. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Auszubildende die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde Ausbildung an einer in § 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe a genannten Ausbildungsstätte, durch eine Nichtschülerprüfung oder durch eine Zugangsprüfung zu einer Hochschule oder zu einer Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 erworben hat,
1a.
der Auszubildende ohne Hochschulzugangsberechtigung auf Grund seiner beruflichen Qualifikation an einer Hochschule oder an einer Akademie im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 eingeschrieben worden ist,
1b.
der Auszubildende eine weitere Ausbildung nach § 7 Absatz 2 Nummer 2 oder 3 aufnimmt,
2.
Auszubildende, die das 45. Lebensjahr während eines zuvor abgeschlossenen Bachelor- oder Bakkalaureusstudiengangs vollendet haben, danach unverzüglich einen nach § 7 Absatz 1a förderungsfähigen Studiengang beginnen,
3.
Auszubildende aus persönlichen oder familiären Gründen gehindert waren, den Ausbildungsabschnitt rechtzeitig zu beginnen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie bei Erreichen der Altersgrenzen bis zur Aufnahme der Ausbildung ein eigenes Kind unter 14 Jahren ohne Unterbrechung erziehen und während dieser Zeit bis zu höchstens 30 Wochenstunden im Monatsdurchschnitt erwerbstätig sind; Alleinerziehende dürfen auch mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig sein, um dadurch Unterstützung durch Leistungen der Grundsicherung zu vermeiden, oder
4.
der Auszubildende infolge einer einschneidenden Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse bedürftig geworden ist und noch keine Ausbildung, die nach diesem Gesetz gefördert werden kann, berufsqualifizierend abgeschlossen hat.
Satz 2 Nummer 1, 1b, 3 und 4 gilt nur, wenn der Auszubildende die Ausbildung unverzüglich nach Erreichen der Zugangsvoraussetzungen, dem Wegfall der Hinderungsgründe oder dem Eintritt einer Bedürftigkeit infolge einschneidender Veränderungen seiner persönlichen Verhältnisse aufnimmt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.