Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 29. Juni 2015 - 8 B 7/15

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2015:0629.8B7.15.0A
bei uns veröffentlicht am29.06.2015

Gründe

1

1.) Die Antragstellerin ist als verbeamtete Verwaltungsleiterin des Zentralen Einsatzdienstes (ZED) im Rang einer Regierungsoberinspektorin bei der Antragsgegnerin beschäftigt. Mit Wirkung vom 17.02.2014 wurde die Antragstellerin nach § 38 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) vorläufig des Dienstes enthoben. Mit Verfügung vom 13.05.2014 erfolgte die Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 17 %. Im Rahmen der Prüfung nach § 61 Abs. 2 DG LSA hob das Verwaltungsgericht Magdeburg die Bescheide durch Beschluss vom 27.08.2014 (8 B 13/14) auf. Mit Beschluss vom 11.12.2014 gab das Oberverwaltungsgericht der Beschwerde der Antragsgegnerin statt und lehnte den Antrag der Antragstellerin nach § 61 Abs. 1 DG LSA ab.

2

Mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 28.03.2015 verfügte die Antragsgegnerin erneut die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA in Höhe von 15 %. Den dagegen eingelegten Antrag nach § 61 DG LSA begründet die Antragstellerin damit, dass das Kindergeld und der von dem geschiedenen Ehemann gezahlte Kindesunterhalt nicht auf ihr Einkommen angerechnet werden dürfe.

3

2.) Der zulässige Antrag ist nach § 61 Abs. 2 DG LSA unbegründet.

4

Nach § 38 Abs. 2 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

5

Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Einbehaltung von 15 % der Dienstbezüge nicht aufzuheben ist. Ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen nicht.

6

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die Einbehaltung von Dienstbezügen dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Ermessensentscheidung des Dienstherrn hinsichtlich der Höhe des Einbehaltungsanteils nicht an dem Grundsatz der angemessenen Alimentation des Beamten ausrichtet, aber auch dann, wenn der Dienstherr die Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird, nicht oder nicht hinreichend stellt.

7

a.) Vorliegend führt die Antragsgegnerin in dem streitbefangenen Bescheid aus, „dass der Beamtin derart schwerwiegende Pflichtverletzungen vorgeworfen [werden], dass es bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich ist, dass als disziplinarrechtliche Maßnahme die Entfernung aus dem Dienst folgen wird.“ Das Disziplinargericht weist erneut darauf hin, dass die notwendige Prüfung und Prognoseentscheidung zum voraussichtlichen Ausgang des anhängigen Disziplinarverfahrens als Tatbestandsvoraussetzung der Rechtmäßigkeit der Kürzung nach § 38 Abs. 2 DG LSA genauso sorgfältig zu erfolgen hat, wie in der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 DG LSA selbst (VG Magdeburg, Beschluss v. 25.02.2015, 8 B 20/14; juris). Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge meistens gleichzeitig mit der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung verbunden wird, wie dies auch vom Gesetz als zulässig angesehen wird. Eine Verweisung auf die Gründe der Suspendierungsverfügung muss daher grundsätzlich aus Effektivitätsgründen als zulässig angesehen werden. Dementsprechend sieht das Disziplinargericht die in dem streitgegenständlichen Bescheid vorgenommene Anlehnung an die Gründe der Suspendierung und schließlich die Verweisung auf die vorangegangenen gerichtlichen Verfahren als noch ausreichend an. Auch wenn die Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts vom 10.12.2014 (10 M 7/14) wegen der fehlenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 27.08.2014 (8 B 13/14; juris) und den Ausführungen der Staatsanwaltschaft nicht überzeugend erscheint und sich in Behauptungen erschöpft, kommt das erstinstanzliche Gericht nicht daran vorbei, dass die notwendige Prognoseentscheidung rechtskräftig entschieden ist. Belastend für die Antragstellerin kommt hinzu, dass das anhängige Disziplinarverfahren zwischenzeitlich ausgedehnt wurde (Überzahlung der Bezüge, widersprüchliche Angaben zur Finanzierung des Treppenliftes, Zulassen/Anordnen des Führens eines Kraftfahrzeuges trotz Fahrverbot bezüglich des Sohnes) und ein Strafverfahren läuft. Demnach hält das Disziplinargericht die von der Antragsgegnerin in der Zusammenschau der Bescheide und gerichtlichen Entscheidungen zu sehende Prognoseentscheidung hinsichtlich der Schwere des Dienstvergehens, zumal auch die Antragstellerin diese nicht (mehr) angreift, sondern allein die Höhe der Kürzung der Bezüge zur gerichtlichen Überprüfung stellt.

8

b.) Die von den Beteiligten zur Überprüfung gestellte Berechnung und Festlegung des Kürzungsteils der Bezüge ist nicht zu beanstanden. Dabei muss die Dienstbehörde berücksichtigen, dass die vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen keinen Strafcharakter hat, sondern mit Rücksicht auf die fortbestehende Alimentationspflicht des Dienstherrn allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abzustellen ist. Der vorläufig des Dienstes enthobene Beamte muss gewisse Einschränkungen in seiner Lebenshaltung hinnehmen. Jedoch darf die Einbehaltung wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen (vgl. zusammenfassend: BVerwG, U. v. 13.08.1979, 1 DB 14.79; VG Berlin, B. v. 02.02.2007, 80 Dn 59.06; VG Magdeburg, B. v. 27.11.2006, 8 A 17/06 und v. 19.05.2009, 8 B 7/09; Beschluss v. 25.02.2015, 8 B 20/14; alle juris).

9

Gemessen daran, ist das Ermessen der Einleitungsbehörde fehlerfrei ausgeübt worden. Denn bei der Berechnung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin als Grundlage für den prozentualen Kürzungsanteil durfte sich die Behörde zu Recht an den Sozialhilfegrundsätzen orientieren das staatliche Kindergeld sowie die Kindsunterhaltszahlungen des Kindsvaters als Einkommen berücksichtigen. Dabei hat sie berücksichtigt, dass der Regelsatz der Sozialhilfe aufgrund des Alimentationsgrundsatzes angemessen zu erhöhen ist. Diese pauschale Erhöhung von 10 % ist zur Wahrung des Abstandsgebotes nicht zu beanstanden. Dementsprechend ist das Kindergeld und der Kindesunterhalt zutreffend als Einkommen berücksichtigt worden. Denn auch dieses gilt als Einkommen der Beamtin und nicht etwa als Einkommen Dritter (VG Magdeburg, Beschluss vom 25.02.2015, 8 B 20/14 mit Verweis auf: Sächs. OVG, Beschluss v. 02.02.2013, D 6 B 147/12 mit Verweis auf: BVerwG, Urteil v. 17.06.2004, 2 C 34.02; alle juris). Richtig ist zwar, dass diese Zahlungen primär dem Kindeswohl zugute kommen; gleichwohl steht es gerade in der Verantwortung der Antragstellerin als erziehungsberechtigte Mutter diese Zahlungen entsprechend dem Gesamteinkommen zum Wohle des Kindes zu bewirtschaften und zu verwenden. Das Gericht folgt demnach der Berechnung der Antragsgegnerin in dem Bescheid und der Antragserwiderung vom 04.06.2015 und darf zur weiteren Begründung darauf verweisen (§ 3 DG LSA; 117 Abs. 5 VwGO).


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Gründe

1

Die Antragstellerin ist als verbeamtete Verwaltungsleiterin des Zentralen Einsatzdienstes (ZED) im Rang einer Regierungsoberinspektorin bei der Antragsgegnerin beschäftigt. Unter dem 14.02.2014 leitete die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin ein Disziplinarverfahren ein und enthob sie vorläufig des Dienstes. Mit Verfügung vom 13.05.2014 verfügte die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin die Einbehaltung von 17 % ihrer Dienstbezüge. Dem lagen vier disziplinarrechtliche Pflichtenverstöße zugrunde. Nämlich der Verdacht der Vorteilsnahme nach § 331 StGB, weil der Antragstellerin nach einer Falschbetankung eines Dienstfahrzeuges die Kosten für das Kraftstoffablassen in Höhe von 25,00 Euro erlassen worden seien (1.), gegenüber POR Z. und POM T. unwahre Angaben über die bei der Falschbetankung entstandenen Kosten und deren Begleichung gemacht habe (2.), eine Strafanzeige wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeuges nach § 248 b StGB vorliege (3.) und seit Mai 2013 mehrere Unregelmäßigkeiten bei der Dokumentation der Dienstzeiten der Antragstellerin gegeben seien (4.).

2

Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ist begründet.

3

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Zudem kann sie nach § 38 Abs. 2 DG LSA mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

4

1.) Bei der vorläufigen Dienstenthebung stützt sich die Antragsgegnerin erkennbar (nur) auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA, da ihrer Meinung nach im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

5

Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.

6

a.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige Dienstenthebung aufzuheben ist. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.

7

a. a.) Die auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu: Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; zuletzt: Beschl. v. 31.03.2014, 8 B 2/14 und v. 26.08.2013, 8 B 13/13; OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13; alle juris).

8

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden.

9

Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

10

Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

11

b. b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach derSchwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

12

Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

13

Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. nur: VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

14

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

15

b.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen folgt die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen, sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand nicht der von der Antragsgegnerin angestellten Prognoseentscheidung. Danach ist gegenwärtig nicht mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches aufgrund des damit einhergehenden Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu ihrer Entfernung aus dem Dienst führt.

16

a. a.) Die Antragsgegnerin stützt die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich darauf, dass die Antragstellerin gegen die ihr obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten nach § 34 Sätze 2 und 3 sowie § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) dadurch verstoßen habe, dass sie entgegen bestehender Weisung regelmäßig dass Zeiterfassungsgerät in der Außenstelle in H… benutzt und sodann ohne dienstliche Veranlassung ein Dienstfahrzeug zu ihrem Dienstort nach C-Stadt genutzt habe. So sei die Fahrzeit von H. nach C-Stadt bzw. die Rückfahrt als Arbeitszeit erfasst und die Fahrtkosten seien der Antragsgegnerin aufgelastet worden. Der sehr lange Zeitraum von acht Monaten (23. Mai 2013 bis zur vorläufigen Dienstenthebung), die sehr hohe Anzahl der in Rede stehenden Fälle (99 falsche Dienstantritte und -beendigungen, 55 unbefugte Benutzungen von Dienstkraftfahrzeugen, ca. 82,5 erschlichene Dienststunden) sowie das gezeigte Maß an fehlendem Unrechtsbewusstsein, rechfertige voraussichtlich die Entfernung.

17

Damit wirft die Antragsgegnerin der Beamtin im Kern vor, ihr Amt unter Verstoß gegen dienstliche Weisungen nicht uneigennützig wahrgenommen zu haben und stützt sich dabei sowohl auf bestehende - aber weder in der Disziplinarverfügung noch in ihren gerichtlichen Einlassungen näher bezeichnete - allgemeinen Dienstanweisungen (z. B. zu ZEUS) als auch auf das Gespräch von Herrn POR Z. mit der Antragstellerin am 22.05.2013.

18

Auch den Inhalt des Gesprächs vom 22.05.2013, der auch von der Antragstellerin nicht im vollen Umfang bestritten wird, unterstellt, stehen dagegen jedoch die täglichen Gepflogenheiten in dem ZED C-Stadt im Raum. Diese können und dürfen bei der Beurteilung des der Antragstellerin vorgeworfenen Dienstvergehens insbesondere deshalb nicht ausgeblendet werden, weil - sofern es überhaupt ihrem Verhalten entgegenstehende Weisungen gegeben haben sollte - das Verhalten der Beamtin jedenfalls dann davon gedeckt ist, mithin es allein ihr oblag, die dienstlichen Notwendigkeiten des Dienstantritts in H. mit der Folge der Benutzung eines Dienst-Kfz zu beurteilen. Diese Betrachtung würde ein gänzlich anderes Licht insbesondere auf die Schwere des Dienstvergehens werfen.

19

b. b.) Dem Disziplinargericht erscheint es vor diesem Hintergrund nach augenblicklichem Kenntnisstand nicht nachvollziehbar, dass diese Art und Weise des täglichen Dienstantritts und dessen Beendigung ohne Kenntnis des unmittelbaren Dienstvorgesetzten bzw. der Behördenleitung geschehen konnten. Denn wie die Antragsgegnerin ausführt, handelt es sich um einen Zeitraum von 8 Monaten mit 99 falschen Dienstantritten und -beendigungen und 55 unbefugten Benutzungen von Dienstkraftfahrzeugen mit ca. 82,8 „erschlichenen“ Dienststunden. Derartiges Verhalten kann nicht unbemerkt von Kollegen und Vorgesetzten geschehen, zumal der Antragstellerin nicht vorgehalten wird, dass sie quasi im Geheimen gehandelt und ihre Dienstantritte verschleiert habe. Es ist unverständlich, wie die praktische Umsetzung dieses Verhalten unbemerkt erfolgen sollte, wenn dies doch die tägliche Verfügbarkeit von Dienstkraftfahrzeugen und die Bedienung der Zeiterfassung ohne jedwede Kontrolle voraussetzt.

20

So führt die Antragstellerin aus, dass dem POR Z. seit seiner Übernahme der Leitung des ZED ihr Dienstantritt in H. und die Dienstwagenfahrten nach C-Stadt bekannt gewesen seien. Die Antragstellerin sei ausdrücklich für das Zeiterfassungssystem in H. freigeschaltet gewesen. Erst am 13.01.2014 habe Herr Z. die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass wegen eines vergleichbaren Falles das Dienstverhalten einzustellen sei. Dem sei die Antragstellerin sofort nachgekommen und habe seitdem keine Dienstfahrzeuge mehr benutzt. Die Antragstellerin ist auch in der Lage, den Vorhaltungen zur unbefugten Benutzung eines Dienst-Kfz substantiiert entgegen zu treten und hat durchaus schlüssige Erklärungen für ihr Verhalten und die Notwendigkeit des Transportes von Dienstgütern durch sie mittels eines Dienstfahrzeuges außerhalb der normalen behördlichen Kurierfahrten. Ebenso wird ihr Verhalten nicht in der aktuellen und durchgängig mit der Note „B“ bewerteten dienstlichen Beurteilung aus dem Jahre 2012 bemerkt. Noch deutlicher werden die Besonderheiten, wenn in dem Bescheid zur vorläufigen Dienstenthebung geäußert wird, dass ab dem Jahr 2009 durch die unbefugte Benutzung von Dienstfahrzeugen dem Land ein Schaden in Höhe von ca. 5.400,00 Euro und eine als Dienstzeit angerechnete Fahrtzeit in Höhe von ca. 630 Stunden entstanden sei, wobei unklar ist, ob dies der Antragstellerin vorgehalten wird.

21

Dabei darf das Disziplinargericht an dieser Stelle die Antragsgegnerin darauf hinweisen, dass die disziplinarrechtlichen Vorwürfe hinreichend konkret und substantiiert gehalten sein müssen, damit der Beamte wie auch das Disziplinargericht in die Lage der Überprüfung gesetzt werden können (vgl. zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 04.06.2014, 8 A 16/13; juris gemeldet; Urteil v. 14.01.2014, 8 A 12/13 mit Verweis auf BVerwG, Urteil v. 27.06.2013, 2 WD 5.12; alle juris). In den disziplinarrechtlichen Verfügungen der Antragsgegnerin ist wiederholt festzustellen, dass die vorgehaltenen Pflichtenverstöße nicht hinreichend substantiiert im Sinne eines Anklagesatzes formuliert werden, sondern im Sachverhalt gestreut sind.

22

Demnach könnte vorliegend entscheidend sein und müsste im laufenden Disziplinarverfahren geprüft werden, inwieweit das Verhalten der Beamtin den Dienstvorgesetzten und der Behördenleitung bekannt war und geduldet wurde. Denselben Ermittlungsansatz hat nämlich der Oberstaatsanwalt T. in dem Ermittlungsverfahren wegen der missbräuchlichen Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen geäußert, indem er darum bat, den Sachverhalt zunächst weiter aufzuklären, insbesondere dahingehend unter welchen Umständen die Beschuldigte die Dienstfahrzeuge zur Nutzung erhalten habe, ob jemand die Fahrten genehmigt und aufgrund welcher Informationen ggf. die Genehmigung erfolgt sei. Von erheblicher Bedeutung sei auch, ob und welche Prüfung nach Durchführung der Fahrten erfolgt sei, wer hier Prüfungen durchgeführt habe und was entscheiden worden sei (Ermittlungsakte der StA MD 141 Js 10750/14; zitiert nach Vortrag der Antragstellerin). Dieses Verfahren ist im Übrigen laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 18.08.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Diese Ermittlungsergebnisse werden ebenso wie die Modalitäten der Benutzung des Zeiterfassungssystems ZEUS in das dazu zu Recht ausgesetzte Disziplinarverfahren einfließen müssen.

23

Ebenso müssen die weiteren von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 28.07.2014 zitierten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu dem Vorwurf der Vorteilnahme (642 Js 6797/14) einbezogen werden. Bei dem Verweis der Antragsgegnerin auf einen disziplinarrechtlichen Überhangs, gilt es die Unterschiede bei der Einstellung der Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO und nach § 153 ff StPO zu beachten.

24

Demnach bestehen augenblicklich ernstliche Zweifel daran, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens tatsächlich die Entfernung als Höchstmaßnahme ansteht. Dabei betont die Disziplinarkammer aber, dass die der Antragstellerin vorgehaltenen Pflichtenverstöße in ihrer Gesamtheit aber auch im Einzelnen dem Grunde nach durchaus geeignet sein können, ein schwerwiegendes Dienstvergehen anzunehmen. Aufgrund der oben dargestellten Besonderheiten des Einzelfalls, überwiegen aber – jedenfalls zum augenblicklichen Prüfungszeitpunkt – die Zweifel daran, dass tatsächlich auf eine Entfernung erkannt werden wird. Im Übrigen kann die Antragsgegnerin dem laufende Ermittlungen in jedem Stadium durch erneute Entscheidungen nach § 38 DG LSA nachkommen.

25

2.) Ist demnach – augenblicklich – nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Ergebnis des Disziplinarverfahrens prognostisch den Ausspruch der Höchstmaßnahme rechtfertigt, ist auch der nach § 38 Abs. 2 DG LSA verfügte Einbehalt der Dienstbezüge nach § 61 Abs. 2 DG LSA aufzuheben. Dabei fällt auch hier auf, dass die Verfügung vom 13.05.2014 keinerlei Ausführungen und Prüfungen zu den vorgehaltenen Pflichtenverstößen enthält, sondern nur ausführt, dass der Beamtin „derart schwerwiegende Pflichtverletzungen vorgeworfen {werden}, dass es bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich ist, dass als disziplinarrechtliche Maßnahme die Entfernung aus dem Dienst folgen wird.“ Dies stellt nur eine Behauptung auf, ohne die Dienstpflichtverletzungen auch nur zu nennen. Sodann beschäftigt sich die Verfügung nur mit der Prüfung des Einbehaltungssatzes, ohne aber die Voraussetzung für den Einbehalt nach § 38 Abs. 2 DG LSA, nämlich die voraussichtliche Entfernung, zu prüfen. Mag diese Tatbestandsvoraussetzung und die Prüfung derselben auch aus der zeitlich zuvor ergangenen Verfügung vom 14.02.2014, welche mit einer Anhörung zu der beabsichtigten Einbehaltung schließt, auch für die Antragstellerin ersichtlich sein, so fehlt in der Einbehaltungsverfügung jedenfalls jedweder Verweis auf diese Verfügung, was sie rechtlich angreifbar erscheinen lässt.

26

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


Gründe

1

I.) Die Antragstellerin ist Polizeivollzugsbeamtin im Rang einer Kriminalkommissarin und wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.09.2014 ausgesprochene teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 31 %. Zuvor wurde die Beamtin mit Bescheid vom 11.08.2014 vorläufig des Dienstes enthoben. Den dagegen bei dem Disziplinargericht gestellten Antrag nach § 61 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt - DG LSA - (8 B 17/14) hat sie zurückgenommen. Die vorläufige Dienstenthebung führt aus, dass die Beamtin ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe. Denn aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung durch das Landgericht A-Stadt vom 12.11.2013 wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung sei damit zu rechnen, dass die Beamtin im Fortgang des Disziplinarverfahrens aus dem Dienst entfernt werde. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen die Berechnung und die Höhe des Kürzungsteils.

2

II.) Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist unbegründet.

3

Nach § 38 Abs. 2 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

4

Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Einbehaltung von 31 % der Dienstbezüge nicht aufzuheben ist. Ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen nicht.

5

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die Einbehaltung von Dienstbezügen dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Ermessensentscheidung des Dienstherrn hinsichtlich der Höhe des Einbehaltungsanteils nicht an dem Grundsatz der angemessenen Alimentation des Beamten ausrichtet, aber auch dann, wenn der Dienstherr die Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird, nicht oder nicht hinreichend stellt.

6

1.) Vorliegend führt die Antragsgegnerin in dem streitbefangenen Bescheid aus, dass die Beamtin vorläufig des Dienstes enthoben wurde und bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich sei, dass als disziplinarrechtliche Maßnahme die Entfernung aus dem Dienst folgen werde. In der Antragserwiderung vom 01.12.2014 verweist die Antragstellerin auf die Begründung der vorläufigen Dienstenthebung.

7

Das Disziplinargericht weist darauf hin, dass die notwendige Prüfung und Prognoseentscheidung zum voraussichtlichen Ausgang des anhängigen Disziplinarverfahrens als Tatbestandsvoraussetzung der Rechtmäßigkeit der Kürzung nach § 38 Abs. 2 DG LSA genauso sorgfältig zu erfolgen hat, wie in der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 DG LSA selbst. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge meistens gleichzeitig mit der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung verbunden wird, wie dies auch vom Gesetz als zulässig angesehen wird. Eine Verweisung auf die Gründe der Suspendierungsverfügung muss daher grundsätzlich aus Effektivitätsgründen als zulässig angesehen werden. Dementsprechend sieht das Disziplinargericht die vorliegende Anlehnung an die Gründe der Suspendierung in dem streitbefangenen Bescheid und schließlich die Verweisung darauf in der Antragserwiderung als noch ausreichend an.

8

Diese Ausführungen zum Dienstvergehen und insbesondere zur Schwere des Dienstvergehens tragen die von der Antragsgegnerin angestellte Prognoseentscheidung, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Letztendlich wendet sich die Antragstellerin auch nicht gegen diese Prognoseentscheidung.

9

Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

10

Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

11

Vorliegend wird die Schwere des Dienstvergehens zutreffend darin gesehen, dass die Beamtin rechtskräftig wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten zur Bewährung verurteilt wurde. Zutreffend wertet die Antragsgegnerin diese außerdienstlich begangene Straftat als in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen und welche zu einem schweren Ansehensverlust in der Öffentlichkeit führt. Von einer Polizeibeamtin muss und darf erwartet werden, dass sie Straftaten verhindert und nicht selbst begeht. Dies gilt gerade für solche der vorliegenden Art. Denn wie auch das Strafgericht ausgeführt hat, war der Antragstellerin als Polizeibeamtin bekannt, dass Zeugenaussagen dieser Personen- und Berufsgruppe vor Gericht eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Landgericht den Strafausspruch verschärfte.

12

2.) Die Berechnung und Festlegung des Kürzungsteils ist nicht zu beanstanden. Dabei muss die Dienstbehörde berücksichtigen, dass die vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen keinen Strafcharakter hat, sondern mit Rücksicht auf die fortbestehende Alimentationspflicht des Dienstherrn allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abzustellen ist. Der vorläufig des Dienstes enthobene Beamte muss gewisse Einschränkungen in seiner Lebenshaltung hinnehmen. Jedoch darf die Einbehaltung wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen (vgl. zusammenfassend: BVerwG, U. v. 13.08.1979, 1 DB 14.79; VG Berlin, B. v. 02.02.2007, 80 Dn 59.06; VG Magdeburg, B. v. 27.11.2006, 8 A 17/06 und v. 19.05.2009, 8 B 7/09; alle juris).

13

Gemessen daran, ist das Ermessen der Einleitungsbehörde fehlerfrei ausgeübt worden. Denn bei der Berechnung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin als Grundlage für den prozentualen Kürzungsanteil durfte sich die Behörde zu Recht an den Sozialhilfegrundsätzen orientieren. Dabei hat sie berücksichtigt, dass der Regelsatz der Sozialhilfe aufgrund des Alimentationsgrundsatzes angemessen zu erhöhen ist. Diese pauschale Erhöhung von 10 % ist nicht zu beanstanden. Zudem wurde ihr als Alleinerziehende mit zwei Kindern ein 36%iger Mehrbedarf zugesprochen. Dementsprechend ist das Kindergeld zutreffend als Einkommen berücksichtigt worden. Denn auch dieses gilt als Einkommen der Beamtin und nicht etwa als Einkommen Dritter oder einer Bedarfsgemeinschaft (Sächs. OVG, Beschluss v. 02.02.2013, D 6 B 147/12 mit Verweis auf: BVerwG, Urteil v. 17.06.2004,2 C 34.02; juris). Dem weiteren Vortrag der Antragstellerin, dass die Kürzungen es ihr nicht ermöglichen, notwendige Ausgaben für die Kinder zu tätigen, kann deshalb nicht gefolgt werden. Mit der Antragsgegnerin geht die Kammer davon aus, dass der Sozialhilfesatz zuzüglich der Zuschläge die notwendigen Ausgaben gewährleistet. Die von der Antragsgegnerin nicht anerkannten Ausgaben werden nicht bestritten. Das Gericht folgt demnach der Berechnung der Antragsgegnerin in dem Bescheid und der Antragserwiderung vom 01.12.2014 und darf zur weiteren Begründung darauf verweisen (§ 3 DG LSA; 117 Abs. 5 VwGO).

14

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg - Disziplinarkammer - vom 27. August 2014 geändert.

Die Anträge auf Aufhebung der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und auf Aufhebung der Einbehaltung von Bezügen werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

1

Gegenstand dieses Verfahrens ist die Verfügung der Antragsgegnerin vom 14.02.2014, mit welcher deren Präsident die Antragstellerin gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 DG LSA vorläufig des Dienstes enthoben hat, ergänzt durch Verfügung vom 13.05.2014 über die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge (17 v. H.) der Antragstellerin gem. § 38 Abs. 2 DG LSA.

2

Der Suspendierungsverfügung liegt vor allem der Vorwurf zugrunde, die in B-Stadt wohnende und als Verwaltungsleiterin des ZED der Antragsgegnerin mit Hauptsitz in A-Stadt verwendete Antragstellerin habe gegen die ihr am 22.05.2013 und erneut am 13.01.2014 im Rahmen eines Personalgesprächs durch ihren Dienstvorgesetzten POR (.E.) - wiederholt - erteilten dienstlichen Weisungen folgenden Inhalts verstoßen:

3

o Dienstort der Antragstellerin sei A-Stadt, mithin habe der Dienstantritt grundsätzlich in A-Stadt zu erfolgen,

4

o die Anreise nach A-Stadt habe mit dem privaten PKW zu erfolgen; ein Dienst-Kfz stehe nicht zur Verfügung,

5

o in besonderen Ausnahmefällen könne Dienstbeginn und Dienstende nach Genehmigung durch den Leiter ZED in der Außenstelle Harz erfolgen.

6

Zur Begründung führt die Suspendierungsverfügung aus, es habe sich im Rahmen einer Kontrolle am 03.02.2014 herausgestellt, dass die Antragstellerin in dem Zeitraum vom 23.05.2013 bis zum 03.02.2014 (101 Arbeitstage) an 99 Arbeitstagen den Dienst verbotswidrig in der Außenstelle Halberstadt begonnen und beendet habe. Zudem habe sie an 55 Tagen ein Dienst-Kfz für die Fahrten von Halberstadt nach A-Stadt und zurück benutzt, ohne hierfür eine Genehmigung eingeholt zu haben. Es sei danach davon auszugehen, dass die Antragstellerin die Weisung bezüglich des Dienstantritts in A-Stadt bewusst ignoriert habe, um die Kosten für die Hin- und Rückfahrt von und zu ihrem Wohnort zu sparen (ca. 700,00 Euro in dem o. g. Zeitraum) und sich die Fahrtzeiten als Dienstzeiten anrechnen lassen zu können (ca. 82,5 Stunden in dem o. g. Zeitraum).

7

Das Verwaltungsgericht hat sowohl die Suspendierungsverfügung als auch diejenige über die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge mit folgender Begründung aufgehoben: Es sei „wiederholt festzustellen, dass die vorgehaltenen Pflichtenverstöße nicht hinreichend subsumiert im Sinne eines Anklagesatzes formuliert, sondern im Sachverhalt gestreut“ seien. In der Sache bestünden gegenwärtig ernstliche Zweifel daran, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens tatsächlich die Entfernung als Höchstmaßnahme anstehe; es sei nicht nachvollziehbar, dass „diese Art und Weise des täglichen Dienstantritts und dessen Beendigung ohne Kenntnis des unmittelbaren Dienstvorgesetzten bzw. der Behördenleitung geschehen konnten“. Es müsse daher im weiteren Verfahren geprüft werden, „inwieweit das Verhalten der Antragstellerin den Dienstvorgesetzten bekannt war und geduldet wurde“. Schließlich ließen beide streitgegenständlichen Verfügungen die für die Bejahung der Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA erforderlichen Ausführungen dazu vermissen, weshalb voraussichtlich auf eine Entfernung der Antragstellerin aus dem Dienst erkannt werde.

II.

8

Die gem. §§ 65 Abs. 1 DG LSA i. V. m. 146, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet.

9

Der Senat stellt zunächst klar, dass die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung in der Verfügung vom 14.02.2014 ausdrücklich auf das Vorliegen der Voraussetzungen von § 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 DG LSA gestützt worden ist.

10

In formaler Hinsicht vermag sich der Senat nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts anzuschließen, es fehle den zugrunde liegenden Verfügungen an der gebotenen Substantiierung der gegen die Antragstellerin erhobenen Vorwürfe. Zum einen ist zu bemerken, dass es zur Begründung einer Suspendierungsverfügung eines „Anklagesatzes“ grundsätzlich nicht bedarf; zum anderen wird der Vorwurf der Verletzung von Dienstpflichten wegen verbotswidriger Zeiterfassung und privater Nutzung von Dienst-Kfz.- einschließlich deren rechtlicher Bewertung - durchaus in der erforderlichen Weise konkretisiert; dies ergibt sich schon aus der differenzierten Aufstellung in der Anlage 1 zur Suspendierungsverfügung vom 14.02.2014.

11

Im Übrigen bemerkt der Senat, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Dienstenthebung gem. § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DG LSA nebeneinander stehen, d. h. nicht kumulativ erfüllt sein müssen. Während Satz 1 die Prognose erfordert, dass voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird, erfordert Satz 2 - lediglich - die Feststellung, dass durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Es bedarf somit nicht der Feststellung des Vorliegens beider Alternativen des § 38 Abs. 1 DG LSA.

12

1) Unter Berücksichtigung des Vorbringens beider Beteiligter im Beschwerdeverfahren bestehen keine ernstlichen Zweifel gem. § 61 Abs. 2 DG LSA an der Rechtmäßigkeit der Suspendierungsverfügung.

13

a) Für die im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 DG LSA erforderliche Prognoseentscheidung hinsichtlich der „voraussichtlichen“ Erkennung auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis genügt es, dass aufgrund der summarischen Prüfung des dem Beamten vorgeworfenen Sachverhalts überwiegend wahrscheinlich ist, dass gegen ihn die disziplinare Höchstmaßnahme verhängt werden wird. Diese überwiegende Wahrscheinlichkeit ist vorliegend gegeben:

14

Es besteht aufgrund der dem Senat bisher vorliegenden Unterlagen kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Antragstellerin schon angesichts des ihr übertragenen Dienstpostens - Verwaltungsleiterin des zentralen Einsatzdienstes (ZED) der Polizeidirektion Nord in A-Stadt - ihren Dienst regelmäßig in A-Stadt anzutreten und dort auch zu beenden hatte und dass ihr diese Verpflichtung auch bewusst war. Insofern bedurfte es keiner ausdrücklichen - wiederholten - Belehrung durch Dienstvorgesetzte. Nur aus besonderen dienstlichen Gründen war es der Antragstellerin gestattet, ihren Dienst in der Außenstelle Halberstadt zu beginnen bzw. zu beenden.

15

Gleiches gilt für die Benutzung eines Dienst-Kfz für Fahrten von Halberstadt nach A- Stadt und zurück: Auch insoweit besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass es der Antragstellerin regelmäßig nicht gestattet war, für ihre nach verbotswidrig selbst bestimmtem Dienstantritt in Halberstadt durchgeführten Fahrten zum Dienstort A-Stadt und zurück den Dienstwagen zu benutzen. Für die Fahrten von ihrem Wohnort B-Stadt zu ihrem Dienstort A-Stadt und zurück nach Hause hatte sie vielmehr regelmäßig ihren Privat-Pkw zu benutzen. Es stand auch keineswegs im Ermessen der Antragstellerin, selbst über die Benutzung eines Dienstfahrzeugs zu befinden; hierzu bedurfte es - wie es allgemein bekannt ist - der jeweiligen Genehmigung im Einzelfall. Der Senat geht davon aus, dass diese Genehmigungspflicht insbesondere einer langjährig erfahrenen Beamtin des gehobenen Verwaltungsdienstes präsent ist, so dass es einer gesonderten Belehrung hierüber gar nicht bedurft hätte. Auch der Umstand, dass es der Antragstellerin aufgrund der Anordnung vom 22.05.2013 noch bis zum 12.01.2014 gestattet gewesen sein mag, ein Dienst-Kfz.- allerdings nur bei dienstlicher Notwendigkeit - zu benutzen, konnte sie erkennbar nicht dazu berechtigen, mit diesem in dem von der Antragsgegnerin festgestellten Umfang die Fahrten nach A-Stadt und zurück durchzuführen; insbesondere gilt dies für den Zeitraum nach dem 12.01.2014, in dem der Antragstellerin die Benutzung des Dienst-Kfz. dezidiert nur „in besonderen Ausnahmefällen“ gestattet war. Die Einlassung der Antragstellerin, sie habe Material von Halberstadt nach A-Stadt transportiert, vermag die Benutzung des Dienst-Kfz. schon deswegen nicht zu rechtfertigen, weil - worauf die Antragsgegnerin mit Recht hinweist - insoweit ein regelmäßiger Kurierdienst zur Verfügung steht.

16

Es ist danach derzeit davon auszugehen, dass die Antragstellerin in dem hier maßgeblichen Zeitraum in einer Vielzahl von Fällen ihren Dienst unerlaubt in Halberstadt angetreten bzw. beendet und für die Fahrten von und nach A-Stadt unerlaubt ein Dienst-Kfz. benutzt hat. Es kommt letztlich auch nicht darauf an, ob das Verhalten der Antragstellerin etwa durch mangelnde Kontrollen durch die Behördenleitung ermöglicht bzw. gefördert worden ist. Vielmehr ist zu bemerken, dass sich der Dienstherr grundsätzlich auf das korrekte Verhalten seiner Bediensteten verlassen muss und sich insoweit auf stichprobenartige Kontrollen beschränken kann. Dies gilt insbesondere in einem Bereich, der durch klare Richtlinien bzw. Genehmigungsvorbehalte geregelt ist. In der hier zugrunde liegenden Konstellation kommt hinzu, dass die Antragstellerin mehrfach über ihre Pflichten zur Erfassung ihrer Arbeitszeit und zur Benutzung ihres Privat-Kfz. ausdrücklich belehrt worden ist. Schließlich hat der Dienstherr seiner Kontrollpflicht mit der am 03.02.2014 durch POR (.E.) getroffenen Feststellung durchaus genügt.

17

Anhaltspunkte dafür, dass dem unmittelbaren Dienstvorgesetzten der Antragstellerin oder der Behördenleitung das unerlaubte Verhalten der Antragstellerin in einer solchen Weise bekannt war, dass von einer Duldung dieses Verhaltens auszugehen ist, liegen nicht vor. Die Vermutung des Verwaltungsgerichts, dieses Verhalten könne nicht "unbemerkt von Kollegen und Vorgesetzten" geschehen, ist nicht ausreichend. Ebenfalls nicht genügend ist die bloße Behauptung der Antragstellerin, POR (.E.) seien ihr Dienstantritt in Halberstadt und die Dienstwagenfahrten nach A-Stadt bekannt gewesen, sowie ihr Hinweis, sie sei ausdrücklich für das Zeiterfassungssystem in Halberstadt freigeschaltet gewesen.

18

Angesichts des Umstandes, dass die Antragstellerin unmittelbar nach der ihr - nach dem Vermerk des POR (.E.) - am 22.05.2013 wiederholt erteilten Belehrung wiederum den Dienst verbotswidrig in Halberstadt antrat, indem sie dort das Zeiterfassungsgerät betätigte und ab dem 18.06.2013 wiederholt verbotswidrig den Dienstwagen für Fahrten nach A-Stadt und zurück benutzte, kommt ihrem Verhalten ein Maß an Pflichtwidrigkeit zu, welches sich durchaus als eine hartnäckige Negierung dienstlicher Pflichten aus rein privatem Interesse bezeichnen lässt. In einem derartigen Verhalten liegt ein ohne Zweifel gravierender Verstoß gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur Befolgung dienstlicher Weisungen gem. § 35 Satz 2 BeamtStG und damit ein Dienstvergehen gem. § 77 Abs. 1 BG LSA, welches durchaus geeignet ist, die Achtung und das Vertrauen in einer für das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

19

b) Ohne dass es hier entscheidend darauf ankommt, erscheint auch die von der Antragsgegnerin für die Anordnung der Suspendierung unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA gegebene Begründung durchaus nachvollziehbar. Die Antragstellerin nimmt als Beamtin des gehobenen Dienstes, vor allem in ihrer Funktion als Verwaltungsleiterin, eine Führungsaufgabe mit zahlreichen Kontakten zu anderen (Polizei-)Dienststellen wahr; die Wahrnehmung dieser Führungsaufgabe erfordert insbesondere ein ungestörtes Vertrauensverhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen sowie zur Behördenleitung. Ihr Verbleiben im Dienst - bis zur endgültigen Klärung der gegen sie erhobenen massiven Vorwürfe - würde den Dienstbetrieb der Antragsgegnerin in nicht unerheblichem Maß beeinträchtigen. Die vorläufige Dienstenthebung steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme.

20

(2) Die von der Antragsgegnerin angeordnete Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge der Antragstellerin gem. § 38 Abs. 2 DG LSA begegnet - auch der Höhe nach - keinen rechtlichen Bedenken. Die Prognose der Antragsgegnerin, wonach im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird, erscheint nach dem Vorstehenden nicht unberechtigt. Der Einbehaltungssatz von 17 v. H. berücksichtigt die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin auf der Basis der von ihr hierzu gemachten Angaben, auch soweit es die mit der Schwerbehinderung der Tochter Emily verbundenen besonderen Belastungen betrifft. Hinsichtlich der Aufwendungen für einen Treppenlift hat die Antragstellerin bisher der Aufforderung der Antragsgegnerin, insoweit Nachweise für die Zahlung des Kaufpreises durch sie selbst bzw. für die Rückerstattung des angeblich durch die Eltern vorgeschossenen Betrages an diese vorzulegen, nicht entsprochen. Dementsprechend sieht auch der Senat derzeit - bei allem Verständnis für die mit der Betreuung der schwerbehinderten Tochter verbundenen Belastungen - keine Veranlassung, den Einbehaltungssatz zu mindern bzw. die Antragsgegnerin zu einem vollständigen Absehen von einer Einbehaltung zu veranlassen. Vielmehr kann die Antragsgegnerin selbst den Einbehaltungssatz verringern oder ganz von der Einbehaltung abgesehen werden, wenn die Antragstellerin ihr die noch für erforderlich gehaltenen Belege beibringt (§ 38 Abs. 4 DG LSA); es besteht kein Anlass zu der Annahme, dass einem solchen Anliegen nicht entsprochen würde.

III.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.  Die Gerichtsgebührenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 73 Abs. 1 Satz 1 DG LSA.

22

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 3 DG LSA i. V. m. 152 Abs. 1 VwGO.


Gründe

1

Die Antragstellerin ist als verbeamtete Verwaltungsleiterin des Zentralen Einsatzdienstes (ZED) im Rang einer Regierungsoberinspektorin bei der Antragsgegnerin beschäftigt. Unter dem 14.02.2014 leitete die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin ein Disziplinarverfahren ein und enthob sie vorläufig des Dienstes. Mit Verfügung vom 13.05.2014 verfügte die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin die Einbehaltung von 17 % ihrer Dienstbezüge. Dem lagen vier disziplinarrechtliche Pflichtenverstöße zugrunde. Nämlich der Verdacht der Vorteilsnahme nach § 331 StGB, weil der Antragstellerin nach einer Falschbetankung eines Dienstfahrzeuges die Kosten für das Kraftstoffablassen in Höhe von 25,00 Euro erlassen worden seien (1.), gegenüber POR Z. und POM T. unwahre Angaben über die bei der Falschbetankung entstandenen Kosten und deren Begleichung gemacht habe (2.), eine Strafanzeige wegen unbefugten Gebrauchs eines Fahrzeuges nach § 248 b StGB vorliege (3.) und seit Mai 2013 mehrere Unregelmäßigkeiten bei der Dokumentation der Dienstzeiten der Antragstellerin gegeben seien (4.).

2

Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ist begründet.

3

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Zudem kann sie nach § 38 Abs. 2 DG LSA mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

4

1.) Bei der vorläufigen Dienstenthebung stützt sich die Antragsgegnerin erkennbar (nur) auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA, da ihrer Meinung nach im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

5

Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.

6

a.) Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige Dienstenthebung aufzuheben ist. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.

7

a. a.) Die auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Dabei handelt es sich um die denkbar schwerste Sanktion für dienstliche Verfehlungen, welche nach der Rechtsprechung besondere Umstände voraussetzt. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu: Köhler/Ratz, BDO, 2. Aufl., § 91 Rz. 10: vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschl. v. 10.02.2007, 8 B 22/06; Beschl. v. 03.03.2010, 8 B 21/09; zuletzt: Beschl. v. 31.03.2014, 8 B 2/14 und v. 26.08.2013, 8 B 13/13; OVG Lüneburg, Beschluss v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13; alle juris).

8

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden.

9

Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

10

Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

11

b. b.) Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach derSchwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).

12

Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).

13

Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. nur: VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).

14

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).

15

b.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen folgt die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen, sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand nicht der von der Antragsgegnerin angestellten Prognoseentscheidung. Danach ist gegenwärtig nicht mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin ein derart schweres Dienstvergehen begangen hat, welches aufgrund des damit einhergehenden Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu ihrer Entfernung aus dem Dienst führt.

16

a. a.) Die Antragsgegnerin stützt die vorläufige Dienstenthebung maßgeblich darauf, dass die Antragstellerin gegen die ihr obliegenden beamtenrechtlichen Pflichten nach § 34 Sätze 2 und 3 sowie § 35 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) dadurch verstoßen habe, dass sie entgegen bestehender Weisung regelmäßig dass Zeiterfassungsgerät in der Außenstelle in H… benutzt und sodann ohne dienstliche Veranlassung ein Dienstfahrzeug zu ihrem Dienstort nach C-Stadt genutzt habe. So sei die Fahrzeit von H. nach C-Stadt bzw. die Rückfahrt als Arbeitszeit erfasst und die Fahrtkosten seien der Antragsgegnerin aufgelastet worden. Der sehr lange Zeitraum von acht Monaten (23. Mai 2013 bis zur vorläufigen Dienstenthebung), die sehr hohe Anzahl der in Rede stehenden Fälle (99 falsche Dienstantritte und -beendigungen, 55 unbefugte Benutzungen von Dienstkraftfahrzeugen, ca. 82,5 erschlichene Dienststunden) sowie das gezeigte Maß an fehlendem Unrechtsbewusstsein, rechfertige voraussichtlich die Entfernung.

17

Damit wirft die Antragsgegnerin der Beamtin im Kern vor, ihr Amt unter Verstoß gegen dienstliche Weisungen nicht uneigennützig wahrgenommen zu haben und stützt sich dabei sowohl auf bestehende - aber weder in der Disziplinarverfügung noch in ihren gerichtlichen Einlassungen näher bezeichnete - allgemeinen Dienstanweisungen (z. B. zu ZEUS) als auch auf das Gespräch von Herrn POR Z. mit der Antragstellerin am 22.05.2013.

18

Auch den Inhalt des Gesprächs vom 22.05.2013, der auch von der Antragstellerin nicht im vollen Umfang bestritten wird, unterstellt, stehen dagegen jedoch die täglichen Gepflogenheiten in dem ZED C-Stadt im Raum. Diese können und dürfen bei der Beurteilung des der Antragstellerin vorgeworfenen Dienstvergehens insbesondere deshalb nicht ausgeblendet werden, weil - sofern es überhaupt ihrem Verhalten entgegenstehende Weisungen gegeben haben sollte - das Verhalten der Beamtin jedenfalls dann davon gedeckt ist, mithin es allein ihr oblag, die dienstlichen Notwendigkeiten des Dienstantritts in H. mit der Folge der Benutzung eines Dienst-Kfz zu beurteilen. Diese Betrachtung würde ein gänzlich anderes Licht insbesondere auf die Schwere des Dienstvergehens werfen.

19

b. b.) Dem Disziplinargericht erscheint es vor diesem Hintergrund nach augenblicklichem Kenntnisstand nicht nachvollziehbar, dass diese Art und Weise des täglichen Dienstantritts und dessen Beendigung ohne Kenntnis des unmittelbaren Dienstvorgesetzten bzw. der Behördenleitung geschehen konnten. Denn wie die Antragsgegnerin ausführt, handelt es sich um einen Zeitraum von 8 Monaten mit 99 falschen Dienstantritten und -beendigungen und 55 unbefugten Benutzungen von Dienstkraftfahrzeugen mit ca. 82,8 „erschlichenen“ Dienststunden. Derartiges Verhalten kann nicht unbemerkt von Kollegen und Vorgesetzten geschehen, zumal der Antragstellerin nicht vorgehalten wird, dass sie quasi im Geheimen gehandelt und ihre Dienstantritte verschleiert habe. Es ist unverständlich, wie die praktische Umsetzung dieses Verhalten unbemerkt erfolgen sollte, wenn dies doch die tägliche Verfügbarkeit von Dienstkraftfahrzeugen und die Bedienung der Zeiterfassung ohne jedwede Kontrolle voraussetzt.

20

So führt die Antragstellerin aus, dass dem POR Z. seit seiner Übernahme der Leitung des ZED ihr Dienstantritt in H. und die Dienstwagenfahrten nach C-Stadt bekannt gewesen seien. Die Antragstellerin sei ausdrücklich für das Zeiterfassungssystem in H. freigeschaltet gewesen. Erst am 13.01.2014 habe Herr Z. die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass wegen eines vergleichbaren Falles das Dienstverhalten einzustellen sei. Dem sei die Antragstellerin sofort nachgekommen und habe seitdem keine Dienstfahrzeuge mehr benutzt. Die Antragstellerin ist auch in der Lage, den Vorhaltungen zur unbefugten Benutzung eines Dienst-Kfz substantiiert entgegen zu treten und hat durchaus schlüssige Erklärungen für ihr Verhalten und die Notwendigkeit des Transportes von Dienstgütern durch sie mittels eines Dienstfahrzeuges außerhalb der normalen behördlichen Kurierfahrten. Ebenso wird ihr Verhalten nicht in der aktuellen und durchgängig mit der Note „B“ bewerteten dienstlichen Beurteilung aus dem Jahre 2012 bemerkt. Noch deutlicher werden die Besonderheiten, wenn in dem Bescheid zur vorläufigen Dienstenthebung geäußert wird, dass ab dem Jahr 2009 durch die unbefugte Benutzung von Dienstfahrzeugen dem Land ein Schaden in Höhe von ca. 5.400,00 Euro und eine als Dienstzeit angerechnete Fahrtzeit in Höhe von ca. 630 Stunden entstanden sei, wobei unklar ist, ob dies der Antragstellerin vorgehalten wird.

21

Dabei darf das Disziplinargericht an dieser Stelle die Antragsgegnerin darauf hinweisen, dass die disziplinarrechtlichen Vorwürfe hinreichend konkret und substantiiert gehalten sein müssen, damit der Beamte wie auch das Disziplinargericht in die Lage der Überprüfung gesetzt werden können (vgl. zuletzt: VG Magdeburg, Urteil v. 04.06.2014, 8 A 16/13; juris gemeldet; Urteil v. 14.01.2014, 8 A 12/13 mit Verweis auf BVerwG, Urteil v. 27.06.2013, 2 WD 5.12; alle juris). In den disziplinarrechtlichen Verfügungen der Antragsgegnerin ist wiederholt festzustellen, dass die vorgehaltenen Pflichtenverstöße nicht hinreichend substantiiert im Sinne eines Anklagesatzes formuliert werden, sondern im Sachverhalt gestreut sind.

22

Demnach könnte vorliegend entscheidend sein und müsste im laufenden Disziplinarverfahren geprüft werden, inwieweit das Verhalten der Beamtin den Dienstvorgesetzten und der Behördenleitung bekannt war und geduldet wurde. Denselben Ermittlungsansatz hat nämlich der Oberstaatsanwalt T. in dem Ermittlungsverfahren wegen der missbräuchlichen Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen geäußert, indem er darum bat, den Sachverhalt zunächst weiter aufzuklären, insbesondere dahingehend unter welchen Umständen die Beschuldigte die Dienstfahrzeuge zur Nutzung erhalten habe, ob jemand die Fahrten genehmigt und aufgrund welcher Informationen ggf. die Genehmigung erfolgt sei. Von erheblicher Bedeutung sei auch, ob und welche Prüfung nach Durchführung der Fahrten erfolgt sei, wer hier Prüfungen durchgeführt habe und was entscheiden worden sei (Ermittlungsakte der StA MD 141 Js 10750/14; zitiert nach Vortrag der Antragstellerin). Dieses Verfahren ist im Übrigen laut Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 18.08.2014 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Diese Ermittlungsergebnisse werden ebenso wie die Modalitäten der Benutzung des Zeiterfassungssystems ZEUS in das dazu zu Recht ausgesetzte Disziplinarverfahren einfließen müssen.

23

Ebenso müssen die weiteren von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 28.07.2014 zitierten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu dem Vorwurf der Vorteilnahme (642 Js 6797/14) einbezogen werden. Bei dem Verweis der Antragsgegnerin auf einen disziplinarrechtlichen Überhangs, gilt es die Unterschiede bei der Einstellung der Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO und nach § 153 ff StPO zu beachten.

24

Demnach bestehen augenblicklich ernstliche Zweifel daran, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens tatsächlich die Entfernung als Höchstmaßnahme ansteht. Dabei betont die Disziplinarkammer aber, dass die der Antragstellerin vorgehaltenen Pflichtenverstöße in ihrer Gesamtheit aber auch im Einzelnen dem Grunde nach durchaus geeignet sein können, ein schwerwiegendes Dienstvergehen anzunehmen. Aufgrund der oben dargestellten Besonderheiten des Einzelfalls, überwiegen aber – jedenfalls zum augenblicklichen Prüfungszeitpunkt – die Zweifel daran, dass tatsächlich auf eine Entfernung erkannt werden wird. Im Übrigen kann die Antragsgegnerin dem laufende Ermittlungen in jedem Stadium durch erneute Entscheidungen nach § 38 DG LSA nachkommen.

25

2.) Ist demnach – augenblicklich – nicht hinreichend wahrscheinlich, dass das Ergebnis des Disziplinarverfahrens prognostisch den Ausspruch der Höchstmaßnahme rechtfertigt, ist auch der nach § 38 Abs. 2 DG LSA verfügte Einbehalt der Dienstbezüge nach § 61 Abs. 2 DG LSA aufzuheben. Dabei fällt auch hier auf, dass die Verfügung vom 13.05.2014 keinerlei Ausführungen und Prüfungen zu den vorgehaltenen Pflichtenverstößen enthält, sondern nur ausführt, dass der Beamtin „derart schwerwiegende Pflichtverletzungen vorgeworfen {werden}, dass es bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich ist, dass als disziplinarrechtliche Maßnahme die Entfernung aus dem Dienst folgen wird.“ Dies stellt nur eine Behauptung auf, ohne die Dienstpflichtverletzungen auch nur zu nennen. Sodann beschäftigt sich die Verfügung nur mit der Prüfung des Einbehaltungssatzes, ohne aber die Voraussetzung für den Einbehalt nach § 38 Abs. 2 DG LSA, nämlich die voraussichtliche Entfernung, zu prüfen. Mag diese Tatbestandsvoraussetzung und die Prüfung derselben auch aus der zeitlich zuvor ergangenen Verfügung vom 14.02.2014, welche mit einer Anhörung zu der beabsichtigten Einbehaltung schließt, auch für die Antragstellerin ersichtlich sein, so fehlt in der Einbehaltungsverfügung jedenfalls jedweder Verweis auf diese Verfügung, was sie rechtlich angreifbar erscheinen lässt.

26

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.


Gründe

1

I.) Die Antragstellerin ist Polizeivollzugsbeamtin im Rang einer Kriminalkommissarin und wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.09.2014 ausgesprochene teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge in Höhe von 31 %. Zuvor wurde die Beamtin mit Bescheid vom 11.08.2014 vorläufig des Dienstes enthoben. Den dagegen bei dem Disziplinargericht gestellten Antrag nach § 61 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt - DG LSA - (8 B 17/14) hat sie zurückgenommen. Die vorläufige Dienstenthebung führt aus, dass die Beamtin ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen habe. Denn aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung durch das Landgericht A-Stadt vom 12.11.2013 wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung sei damit zu rechnen, dass die Beamtin im Fortgang des Disziplinarverfahrens aus dem Dienst entfernt werde. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Antrag gegen die Berechnung und die Höhe des Kürzungsteils.

2

II.) Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist unbegründet.

3

Nach § 38 Abs. 2 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 v. H. der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird.

4

Die nach § 61 Abs. 2 DG LSA vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Einbehaltung von 31 % der Dienstbezüge nicht aufzuheben ist. Ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen nicht.

5

Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die Einbehaltung von Dienstbezügen dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Ermessensentscheidung des Dienstherrn hinsichtlich der Höhe des Einbehaltungsanteils nicht an dem Grundsatz der angemessenen Alimentation des Beamten ausrichtet, aber auch dann, wenn der Dienstherr die Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird, nicht oder nicht hinreichend stellt.

6

1.) Vorliegend führt die Antragsgegnerin in dem streitbefangenen Bescheid aus, dass die Beamtin vorläufig des Dienstes enthoben wurde und bei summarischer Prüfung überwiegend wahrscheinlich sei, dass als disziplinarrechtliche Maßnahme die Entfernung aus dem Dienst folgen werde. In der Antragserwiderung vom 01.12.2014 verweist die Antragstellerin auf die Begründung der vorläufigen Dienstenthebung.

7

Das Disziplinargericht weist darauf hin, dass die notwendige Prüfung und Prognoseentscheidung zum voraussichtlichen Ausgang des anhängigen Disziplinarverfahrens als Tatbestandsvoraussetzung der Rechtmäßigkeit der Kürzung nach § 38 Abs. 2 DG LSA genauso sorgfältig zu erfolgen hat, wie in der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 DG LSA selbst. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge meistens gleichzeitig mit der Entscheidung über die vorläufige Dienstenthebung verbunden wird, wie dies auch vom Gesetz als zulässig angesehen wird. Eine Verweisung auf die Gründe der Suspendierungsverfügung muss daher grundsätzlich aus Effektivitätsgründen als zulässig angesehen werden. Dementsprechend sieht das Disziplinargericht die vorliegende Anlehnung an die Gründe der Suspendierung in dem streitbefangenen Bescheid und schließlich die Verweisung darauf in der Antragserwiderung als noch ausreichend an.

8

Diese Ausführungen zum Dienstvergehen und insbesondere zur Schwere des Dienstvergehens tragen die von der Antragsgegnerin angestellte Prognoseentscheidung, dass bei Fortgang des Disziplinarverfahrens der Ausspruch der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Letztendlich wendet sich die Antragstellerin auch nicht gegen diese Prognoseentscheidung.

9

Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120;Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).

10

Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden. Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).

11

Vorliegend wird die Schwere des Dienstvergehens zutreffend darin gesehen, dass die Beamtin rechtskräftig wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten zur Bewährung verurteilt wurde. Zutreffend wertet die Antragsgegnerin diese außerdienstlich begangene Straftat als in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen und welche zu einem schweren Ansehensverlust in der Öffentlichkeit führt. Von einer Polizeibeamtin muss und darf erwartet werden, dass sie Straftaten verhindert und nicht selbst begeht. Dies gilt gerade für solche der vorliegenden Art. Denn wie auch das Strafgericht ausgeführt hat, war der Antragstellerin als Polizeibeamtin bekannt, dass Zeugenaussagen dieser Personen- und Berufsgruppe vor Gericht eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Landgericht den Strafausspruch verschärfte.

12

2.) Die Berechnung und Festlegung des Kürzungsteils ist nicht zu beanstanden. Dabei muss die Dienstbehörde berücksichtigen, dass die vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen keinen Strafcharakter hat, sondern mit Rücksicht auf die fortbestehende Alimentationspflicht des Dienstherrn allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abzustellen ist. Der vorläufig des Dienstes enthobene Beamte muss gewisse Einschränkungen in seiner Lebenshaltung hinnehmen. Jedoch darf die Einbehaltung wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen (vgl. zusammenfassend: BVerwG, U. v. 13.08.1979, 1 DB 14.79; VG Berlin, B. v. 02.02.2007, 80 Dn 59.06; VG Magdeburg, B. v. 27.11.2006, 8 A 17/06 und v. 19.05.2009, 8 B 7/09; alle juris).

13

Gemessen daran, ist das Ermessen der Einleitungsbehörde fehlerfrei ausgeübt worden. Denn bei der Berechnung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin als Grundlage für den prozentualen Kürzungsanteil durfte sich die Behörde zu Recht an den Sozialhilfegrundsätzen orientieren. Dabei hat sie berücksichtigt, dass der Regelsatz der Sozialhilfe aufgrund des Alimentationsgrundsatzes angemessen zu erhöhen ist. Diese pauschale Erhöhung von 10 % ist nicht zu beanstanden. Zudem wurde ihr als Alleinerziehende mit zwei Kindern ein 36%iger Mehrbedarf zugesprochen. Dementsprechend ist das Kindergeld zutreffend als Einkommen berücksichtigt worden. Denn auch dieses gilt als Einkommen der Beamtin und nicht etwa als Einkommen Dritter oder einer Bedarfsgemeinschaft (Sächs. OVG, Beschluss v. 02.02.2013, D 6 B 147/12 mit Verweis auf: BVerwG, Urteil v. 17.06.2004,2 C 34.02; juris). Dem weiteren Vortrag der Antragstellerin, dass die Kürzungen es ihr nicht ermöglichen, notwendige Ausgaben für die Kinder zu tätigen, kann deshalb nicht gefolgt werden. Mit der Antragsgegnerin geht die Kammer davon aus, dass der Sozialhilfesatz zuzüglich der Zuschläge die notwendigen Ausgaben gewährleistet. Die von der Antragsgegnerin nicht anerkannten Ausgaben werden nicht bestritten. Das Gericht folgt demnach der Berechnung der Antragsgegnerin in dem Bescheid und der Antragserwiderung vom 01.12.2014 und darf zur weiteren Begründung darauf verweisen (§ 3 DG LSA; 117 Abs. 5 VwGO).

14

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 72 Abs. 4, 73 Abs. 1 DG LSA, 154 Abs. 1 VwGO.