Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 30. Jan. 2014 - 8 A 22/13

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2014:0130.8A22.13.0A
30.01.2014

Gründe

1

Der Antrag auf gerichtliche Fristsetzung zum Abschluss des Verfahrens nach § 60 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ist zulässig und begründet.

2

§ 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA bestimmt, dass „der Beamte beim Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen“ kann, wenn „ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Einleitung durch Erlass einer Einstellungsverfügung oder Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden“ ist. Liegt ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss vor, ist der Antrag abzulehnen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 DG LSA).

3

Zur Überzeugung des Disziplinargerichts liegt zum augenblicklichen Zeitpunkt, d. h. zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht (mehr) vor, so dass eine gerichtliche Fristsetzung geboten ist.

4

Die gerichtliche Fristsetzung dient der Beachtung des dem Disziplinarrecht innewohnenden Beschleunigungsgebotes (§ 4 DG LSA). Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist die Frage des zureichenden Grundes für den fehlenden Abschuss des behördlichen Disziplinarverfahrens. Dies entspricht inhaltlich der unangemessenen Verzögerung, die sprachlich treffender ist (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 62 BDG Rz. 10). Unangemessen ist eine über sechs Monate hinausgehende Verzögerung, wenn die Sachaufklärung bzw. Verfahrenshandlungen nicht mit der gebotenen und möglichen Beschleunigung durchgeführt worden sind. Dabei hat das Gericht einerseits die Unabhängigkeit des mit den Ermittlungen betrauten Beamten (Ermittlungsführer) und dessen Beurteilungsspielraum zu den einzelnen Aufklärungspunkten und Aufklärungsmitteln sowie die notwendige Bearbeitungs- und Prüfungszeit, andererseits das Recht des Beschuldigten auf beschleunigte Bearbeitung zu berücksichtigen.

5

Ob unangemessen verzögert wurde, lässt sich nicht durch den bloßen Vergleich einer pauschalen Prognose der notwendigen Gesamtbearbeitungszeit mit dem Sechsmonatszeitraum beantworten, sondern nur durch die konkrete Nachprüfung des bisherigen realen Bearbeitungszeitaufwandes feststellen. Sinn des zeitlichen Rahmens im Sinne der Beschleunigung ist nicht, eine fiktive Bearbeitungszeit zu errechnen und daran die Einhaltung des Beschleunigungsgebotes zu messen. Das wäre nicht nur utopisch, sondern würde auch in rechtlich bedenklicher Weise in die Disziplinarbefugnisse des Dienstherrn eingreifen. Der Zweck der Fristsetzung zielt allein darauf ab, die - auf der Grundlage der zu akzeptierenden Aufklärungserwägungen - tatsächlich erfolgte Verfahrensverzögerungen zu erfassen. Bei der Feststellung des Arbeitsaufwandes ist nicht von dem Arbeitsaufwand auszugehen, den das Gericht nach seiner Beurteilung der Rechtslage annehmen würde, sondern von demjenigen, der sich aus der Aufklärungsbeurteilung des Ermittlungsführers ergibt. Hierbei ist Großzügigkeit geboten. Unangemessene Verzögerung ist gleichbedeutend mit sachlich nicht gerechtfertigter Untätigkeit der jeweils befassten Disziplinarorgane. Untätigkeit des Ermittlungsführers liegt nicht in den Einarbeitungs- und Überlegungszeiten, in den unvermeidbaren Zwischenzeiten zwischen Ladung und Anhörungs- oder Beweistermin in den üblichen Bürolaufzeiten, in den durch die Beschuldigten selbst veranlassten Unterbrechungen oder Vertagungen von Terminen oder Fristverlängerung für Schriftsätze, in den Urlaubs- oder Krankheitsbedingten Abwesenheiten der Beteiligten. Ergibt aber die genaue Nachprüfung, dass das jeweils zuständige Organ auf der Basis seiner Aufklärungsbeurteilung längere Zeiten ohne sachlichen Grund untätig geblieben ist, so liegt darin eine unangemessene Verzögerung.

6

Das sodann weiter erforderliche Verschulden ergibt sich daraus, dass die Organe nicht für die ihnen mögliche Beschleunigung des Verfahrens sorgten. So ist der Ermittlungsführer, zur Aufbietung all seiner Kräfte und seiner Zeit zur vorrangigen Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens verpflichtet. Die Einleitungsbehörde muss dafür sorgen, dass er nach Bedarf so weit von den Aufgaben seines Hauptamtes freigestellt wird, dass er sich mit Vorrang den behördlichen Ermittlungen widmen kann (vgl. BVerwG, Beschluss v. 23.05.1977, I DB 4.77; juris). Ebenso muss die Einleitungsbehörde qualitativ und quantitativ personell ausgestattet sein. Eine sachgerechte Organisation der Verwaltungsabläufe muss gewährleistet sein (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss v. 11.08.2009, 2 AV 3.09; VG Magdeburg, Beschluss v. 28.03.2012, 8 A 2/12; Beschluss v. 21.03.2013, 8 A 4/13; Beschluss v. 26.11.2013, 8 A 18/13; zuletzt; Beschluss v. 15.01.2014, 8 A 20/13, mit Verweis auf: Hummel/Köhler/Mayer; BDG 4. Auflage 2009, § 62 Rz 10 ff.; VG Wiesbaden, Beschluss v. 04.02.2013, 25 L 1251/12.WI.D; alle juris; Urban/Wittkowski, BDG, § 62 Rz. 10).

7

Die Vorschrift steht damit in einem Spannungsverhältnis zu der gleichfalls bestehenden Pflicht, den disziplinarrechtlich relevanten Sachverhalt umfassend zu ermittelt (§ 21 ff DG LSA) und dem Beamten, gegen den ermittelt wird, die Möglichkeit zur Äußerung zu geben (§ 30 DG LSA). Gestalten sich die Ermittlungen schwierig oder umfangreich, so lässt sich die Bearbeitungsfrist nicht einhalten, ohne die Aufklärungs- und die Anhörungspflicht zu verletzten (BVerwG, Beschluss v. 11.08.2009, 2 AV 3.09; juris). Darüber hinaus sind vom Disziplinargesetz vorgesehene behördeninterne Beteiligungen und Zustimmungen zu beachten (vgl. §§ 35, 76 DG LSA), wobei dortige großzügige Fiktionswirkungen, etwa in § 35 Abs. 1 Satz 2 DG LSA, ebenso im Widerspruch zum Beschleunigungsgebot stehen und somit in dem Disziplinargesetz des Bundes (BDG) und anderer Länder fehlen. Soweit ersichtlich hat nur noch Sachsen eine gleichlautende Zustimmungsregelung; Schleswig-Holstein sieht eine Fiktionswirkung von einem Monat vor.

8

Gemessen an diesen Voraussetzungen, muss vorliegend von einer - schuldhaften - verzögerten Bearbeitung ausgegangen werden.

9

Dem Kläger wird mit dem unter dem 11.06.2012 eingeleiteten behördlichen Disziplinarverfahren vorgeworfen, als Referatsleiter eine ihm dienstlich unterstellte Sachbearbeiterin unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und seiner Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten, sexuell belästigt zu haben. Nach Studium der dem Disziplinargericht vorgelegten Ermittlungsvorgänge ist festzustellen, dass das Ermittlungsverfahren bearbeitet wurde. Ein ausdrücklicher Stillstand der Bearbeitung ist nicht feststellbar (vgl. Auflistung der Tätigkeiten: Bl 180 Beiakte A). Ebenso teilt das Disziplinargericht die Ansicht des Beklagten, dass es sich wegen der höchstpersönlichen Betroffenheit der Beteiligten um ein schwieriges und sensibel zu betreibendes Verfahren mit hohem Ermittlungsaufwand handelt. Dazu wird auf die zahlreichen (ca. 14) Zeugenvernehmungen und gewechselten Schriftsätze verwiesen. Durch zahlreiche persönliche Eingaben und Hinweise, nahm der anwaltlich vertretende Kläger sein Recht auf rechtliches Gehör wahr. Es wurden Befangenheitsanträge gegen die Ermittlungsführerin und Beweisanträge gestellt sowie ein Glaubwürdigkeitsgutachten der Belastungszeugin und deren Handy-Überprüfung durch das LKA beantragt. All dies führt zu einem - der Sache nach gerechtfertigten - erhöhten Ermittlungs- und Bearbeitungsaufwand.

10

Gleichwohl ist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung festzustellen, dass seit der Vorlage des Berichts der Ermittlungsführerin vom 18.03.2013 das Verfahren nicht effektiv und damit nicht hinreichend organisatorisch planvoll im Sinne der oben beschriebenen Voraussetzungen betrieben wurde. Dabei fällt zunächst auf, dass die Ermittlungsführerin den umfassenden 46 Seiten langen Bericht als „abschließend“ bezeichnete (Bl. 102 ff Beiakte A) und der Präsident der Einleitungsbehörde „nur“ die formelle Überarbeitung erbat (Bl. 125 Beiakte A). Aufgrund dieser vom Präsidenten bemängelten Vorgehensweise wurde ein Befangenheitsantrag gegen die Ermittlungsführerin gestellt, dessen Bearbeitung vom 18.04.2013 bis 09.07.2013 andauerte. Ebenso hatte dies zur Folge, dass die Abberufung der Ermittlungsführerin wegen Ungeeignetheit (§ 21 Abs. 1 Satz 2 DG LSA) beantragt wurde. Über die Entscheidungen wurden die Ermittlungsführerin am 11.07.2013 und der Bevollmächtigte des Klägers unter dem 14.07.2013 benachrichtigt.

11

Soweit der Beklagte dem Gericht gegenüber unter dem 07.01.2014 mitteilt (Bl. 55 GA), dass dies keine Unterbrechung der Bearbeitung des Disziplinarverfahrens verursacht habe, ist dem nicht zu folgen. Denn bereits dem im Verwaltungsvorgang befindlichen Vermerk über die chronologischen Ereignisse (Bl. 181 Beiakte A), sind in diesem Zeitraum der Prüfung der Befangenheit und der Geeignetheit der Ermittlungsführerin von annähernd drei Monaten keine nennenswerten Aktivitäten in dem Disziplinarverfahren zu verzeichnen. Die Ermittlungsführerin hat erst unter dem 21.06.2013 (Bl. 141 Beiakte A) zu den Vorwürfen Stellung genommen. Dabei ist entscheidend, dass nach § 21 Abs. 1 Satz 1 letzter HS VwVfG - anders als etwa bei der Richterablehnung (Vgl. § 47 ZPO) - sich der Beamte erst und nur auf Anordnung des Leiters der Behörde der Mitwirkung zu enthalten hat.

12

Ebenso ist unklar, wieso die vom Präsidenten erbetene - nur - formelle Überarbeitung des Ermittlungsberichtes seit März 2013 nicht erfolgt ist. Soweit dieser „Ermittlungsbericht“ nunmehr als „vorläufig“ bezeichnet wird, ist anzumerken, dass das Disziplinargesetz eine solche Vorläufigkeit nicht vorsieht. Ausweislich des Anschreibens der Ermittlungsführerin vom 18.03.2013 (Bl. 102 Beiakte A) und der Bezeichnung „Abschlussbericht“ ging sie vielmehr von dem Abschluss der Ermittlungen aus. Stattdessen wurden nach der Bitte um formelle Überarbeitung des Berichtes die Ermittlungen erneut aufgenommen. Wenn in diesem Zusammenhang dem Gericht gegenüber im Schriftsatz vom 07.01.2014 mitgeteilt wird, dass der Abschlussbericht nunmehr im Januar 2014 zu erwarten sei und dann – erneut – dem Präsidenten und dem Personalreferat zur „Prüfung“ vorzulegen seien, beinhaltet dies ein Vorgehen, welches dem disziplinarrechtlichen Beschleunigungsgebot nicht gerecht wird. Mit weiterem Schriftsatz vom 17.01.2014 (BL. 86 GA) wird der Abgabetermin erneut hinausgezögert. Wie oben ausgeführt, müssen die Ermittlungen zügig und unter Bereitstellung der organisatorischen und personellen Mittel durchgeführt werden. Dies schließt stückweise, in ein „vorläufiges Ergebnis“ endende Ermittlungen aus. Hierin liegen die Verzögerung und der fehlende „zureichende Grund“ im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 DG LSA.

13

Ausweislich des Vermerks (Bl. 180 Beiakte A) dauert die Bearbeitung von Disziplinarvorgängen bei dem Beklagten durchschnittlich zwei Jahre. Diese pauschale Betrachtungs- und Bearbeitungsweise verletzt den Beschleunigungsgrundsatz. Denn in dem Vermerk heißt es weiter, dass Hintergrund dessen sei, dass Ermittlungsführer, also geeignete Beschäftigte, die im Übrigen anspruchsvolle Aufgaben wahrnehmen würden, nicht in bemerkenswertem Umfang von ihrem Hauptamt entlastet werden könnten und somit insgesamt stärker mit dienstlichen Aufgaben belastet seien. Gegenüber dem Disziplinargericht bestätigt der Beklagte dies im Schriftsatz vom 07.01.2014 (Bl. 55 GA) und vom 29.01.2014 und teilt mit, dass eine ausdrückliche Entlastung der Ermittlungsführerin im Hauptamt aufgrund der Aufgabenverdichtung und Personalknappheit nicht vorgenommen werde. Eine vorübergehende vollumfängliche Freistellung von ihrer hauptamtlichen Tätigkeit sei - erst - Ende November/Anfang Dezember erfolgt.

14

Darin liegt auch das weiter notwendige Verschulden für die zögerliche Bearbeitung. Denn - wie oben dargestellt – muss der Dienstherr die notwendigen qualitativen und quantitativen personellen Voraussetzungen für die zügige Bearbeitung der behördlichen Disziplinarverfahren gewährleisten. Dies ist hier nicht geschehen. Dabei merkt das Disziplinargericht an, dass es für die – internen - personellen Probleme bei dem Beklagten durchaus Verständnis zeigt. Die ausweislich des Schreibens des Beklagten vom Juni 2012 (Bl. 60 Beiakte A) an das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt herangetragene Bitte um personelle Unterstützung und Auswahl bzw. Bereitstellung eines Ermittlungsführers, wurde unter dem 06.07.2012 (Bl. 80 Beiakte A) von dort abgelehnt. Soweit der Beklagte in Bezug auf die in § 35 Abs. 1 Satz 1 DG LSA geforderte Beteiligung der obersten Dienstbehörde und der genannten Fiktionsfrist von zwei Monaten eine weitere Verzögerungen befürchtet, darf dies dem Kläger nicht zur Last fallen. Der Kläger sieht sich seit Beginn des Disziplinarverfahrens im Juni 2012 den disziplinarrechtlichen Vorwürfen ausgesetzt und wurde in das Innenministerium abgeordnet, wobei er durch Neubesetzung Gefahr läuft, seine bisherige Referatsleiterstelle zu verlieren (vgl. E-Mail vom 20.11.2013; Bl. 188 Beiakte A). Demnach muss auch die gesetzlich notwendige Beteiligung der obersten Dienstbehörde kurzfristiger geschehen, sodass auf die Fiktionswirkung - die mit dem Beschleunigungsgrundsatz unvereinbar erscheint - nicht gewartet werden muss.

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Bei Abwägung aller Interessen, sieht das Disziplinargericht in dem vorliegenden Einzelfall die Notwendigkeit, den Abschluss des Verfahrens bis zu einem bestimmten, angemessen zu bestimmenden Zeitpunkt vorzugeben. Für die Bestimmung der Frist kann das Gericht, anders als bei der Feststellung der Verzögerung, nur eine summarische Beurteilung des weiteren Aufklärungsaufwandes vornehmen und prognostizieren, innerhalb welche Zeitraums im Rahmen einer geordneten Untersuchung der Abschluss des Verfahrens erreicht werden kann (BVerwG, Beschluss v. 22.07.1998, 1 DB 2.98; juris). Da nunmehr die Ermittlungsführerin von ihren sonstigen Aufgaben befreit wurde und sich vollumfänglich der Bearbeitung des Disziplinarverfahrens widmen kann sowie die Beweiserhebungen abgeschlossen sein dürften und der Ermittlungsbericht in Aussicht gestellt wurde, erscheint dem Disziplinargericht die im Tenor bezeichnete Zeitspanne als ausreichend aber auch als angemessen. Auf die kurzfristige Beteiligung und Zustimmung der obersten Dienstbehörde wurde bereits hingewiesen. Weiter muss den Beteiligten bewusst sein, dass das weitere Verfahren und neuer Ermittlungsaufwand naturgemäß auch von etwaigen Verfahrenshandlungen und -anträgen des Klägers abhängt, auf die der Beklagte sodann verfahrensrechtlich zutreffend reagieren muss. Dabei ist die Frage, ob Verfahrensfehler - und dazu erhebliche - die Rechtmäßigkeit einer etwaig folgenden Disziplinarmaßnahme berühren, in dem dann sich anschließenden gerichtlichen Verfahren zu klären wären. Auf das weitere Antragsrecht nach §§ 60 Abs. 2 Satz 3, 50 Abs. 2 Satz 3 bis 5 DG LSA wird hingewiesen.

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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.


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(1) Ist ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten seit der Einleitung durch Einstellung, durch Erlass einer Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden, kann der Beamte bei dem Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen. Die Frist des Satzes 1 ist gehemmt, solange das Disziplinarverfahren nach § 22 ausgesetzt ist.

(2) Liegt ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens innerhalb von sechs Monaten nicht vor, bestimmt das Gericht eine Frist, in der es abzuschließen ist. Anderenfalls lehnt es den Antrag ab. § 53 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(3) Wird das behördliche Disziplinarverfahren innerhalb der nach Absatz 2 bestimmten Frist nicht abgeschlossen, ist es durch Beschluss des Gerichts einzustellen.

(4) Der rechtskräftige Beschluss nach Absatz 3 steht einem rechtskräftigen Urteil gleich.

Gründe

1

Der Antrag auf gerichtliche Fristsetzung zum Abschluss des Verfahrens nach § 60 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ist zulässig und begründet.

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Zur Überzeugung des Disziplinargerichts liegt zum augenblicklichen Zeitpunkt, d. h. zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht (mehr) vor, so dass eine gerichtliche Fristsetzung geboten ist.

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Die gerichtliche Fristsetzung dient der dem Disziplinarrecht innewohnenden Beschleunigungsgebot (§ 4 DG LSA). Unangemessen ist eine über sechs Monate hinausgehende Verzögerung, wenn die Sachaufklärung bzw. Verfahrenshandlungen nicht mit der gebotenen und möglichen Beschleunigung durchgeführt worden sind. Dabei hat das Gericht einerseits die Unabhängigkeit des mit den Ermittlungen betrauten Beamten (Ermittlungsführer) und dessen Beurteilungsspielraum zu den einzelnen Aufklärungspunkten und Aufklärungsmitteln sowie die notwendige Bearbeitungs- und Prüfungszeit, andererseits das Recht des Beschuldigten auf beschleunigte Bearbeitung zu berücksichtigen.

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Ob unangemessen verzögert wurde, lässt sich nicht durch bloßen Vergleich einer pauschalen Prognose der notwendigen Gesamtbearbeitungszeit mit dem Sechsmonatszeitraum beantworten, sondern nur durch konkrete Nachprüfung des bisherigen realen Bearbeitungszeitaufwandes feststellen. Sinn des zeitlichen Rahmens im Sinne der Beschleunigung ist nicht, eine fiktive Bearbeitungszeit zu errechnen und daran die Einhaltung des Beschleunigungsgebotes zu messen. Das wäre nicht nur utopisch, sondern würde auch in rechtlich bedenklicher Weise in die Disziplinarbefugnisse des Dienstherrn eingreifen. Der Zweck der Fristsetzung zielt allein darauf ab, die - auf der Grundlage der zu akzeptierenden Aufklärungserwägungen - tatsächlich erfolgte Verfahrensverzögerungen zu erfassen. Bei der Feststellung des Arbeitsaufwandes ist nicht von dem Arbeitsaufwand auszugehen, den das Gericht nach seiner Beurteilung der Rechtslage annehmen würde, sondern von demjenigen, der sich aus der Aufklärungsbeurteilung des Ermittlungsführers ergibt. Hierbei ist Großzügigkeit geboten. Unangemessene Verzögerung ist gleichbedeutend mit sachlich nicht gerechtfertigter Untätigkeit der jeweils befassten Disziplinarorgane. Untätigkeit des Ermittlungsführers liegt nicht in den Einarbeitungs- und Überlegungszeiten, in den unvermeidbaren Zwischenzeiten zwischen Ladung und Anhörungs- oder Beweistermin in den üblichen Bürolaufzeiten, in den durch die Beschuldigten selbst veranlassten Unterbrechungen oder Vertagungen von Terminen oder Fristverlängerung für Schriftsätze, in den Urlaubs- oder Krankheitsbedingten Abwesenheiten der Beteiligten. Ergibt aber die genaue Nachprüfung, dass das jeweils zuständige Organ auf der Basis seiner Aufklärungsbeurteilung längere Zeiten ohne sachlichen Grund untätig geblieben ist, so liegt darin eine unangemessene Verzögerung. Das sodann weiter erforderliche Verschulden ergibt sich daraus, dass die Organe nicht für die ihnen mögliche Beschleunigung des Verfahrens sorgten (vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschluss v. 28.03.2012, 8 A 2/12; juris mit Verweis auf: Hummel/Köhler/Mayer; BDG 4. Auflage 2009, § 62 Rz 10 ff.).

6

Gemessen an diesen Vorraussetzungen muss vorliegend von einer verzögerten Bearbeitung ausgegangen werden. Das behördliche Disziplinarverfahren zieht sich nunmehr bereits zwei Jahre seit seiner Einleitung unter dem 13.01.2011 hin. Die sodann eingetretenen Verzögerungen sind zwar verfahrensbedingt, aber unter den besonderen disziplinarrechtlichen verfahrensökonomischen Gründen nicht mehr vertretbar.

7

Dem Disziplinarvorwurf liegen im Wesentlichen Verstöße gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht und Weisungsgebundenheit bei der dienstlichen Aufgabenerledigung zugrunde. Unter dem 21.11.2011 hatte der Ermittlungsführer seinen Ermittlungsbericht gefertigt, welcher nach Einwendungen des Beamten und weiteren Ermittlungen am 27.07.2012 überarbeitet wurde. Sodann sollte im August 2012 die Schlussanhörung nach § 30 DG LSA erfolgen, welche jedoch nach Anträgen des Beamten in den Oktober 2012 verschoben wurde. Dem Antrag des Beamten an das Ministerium des Inneren und Sport des Landes Sachsen-Anhalt vom 20.11.2012 zur Übernahme des Disziplinarverfahrens wurde unter dem 14.12.2012 nicht entsprochen. Zwischenzeitlich stellte der Beamte im November 2012 weitere Beweisanträge und verwies umfassend auf sein Äußerungsrecht nach § 20 DG LSA. Zudem wiederholte er wohl unter dem 27.11.2012 (Bl. 6 des Schriftsatzes; Bl 466, BD II; hier Beiakte B) einen Befangenheitsantrag gegen den Ermittlungsführer vom 07.11.2012, über den (wohl) noch nicht entschieden ist. Schließlich hob die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts C-Stadt mit Urteil vom 07.01.2013 (5 A 207/11) die zwischenzeitlich erfolgte beamtenrechtliche Umsetzung des Beamten auf. Sodann fand zwischen den Beteiligten am 16.01.2013 ein Gespräch statt. In Folge dessen stellte der Beamte erneut unter dem 24.02.2013 mit Verweis auf sein Schreiben vom 09.02.2013 Beweisanträge und äußerte sich umfangreich auch zur Notwendigkeit der Begründung der Ablehnung von Beweisanträgen und beantragte statistische Unterlagen zu seinen Arbeitsergebnissen und Arbeitsbelastungen. Der Befangenheitsantrag gegen den Ermittlungsführer wurde erneut aufrechterhalten. Auf den beim Disziplinargericht erhobenen Antrag nach § 60 DG LSA vom 25.02.2013 (Eingang: 28.02.2013) erwiderte die Einleitungsbehörde, dass nunmehr zeitnah die Anträge abgearbeitet werden sollen.

 

8

Aufgrund dieser zeitlichen Darstellung des Disziplinarvorganges und der Ermittlungen ist das in § 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vorgesehene Zeitfenster von sechs Monaten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei weitem, nämlich um 1 ½ Jahre überschritten. Dem Disziplinargericht drängt sich der Eindruck auf, dass die Einleitungsbehörde nicht mehr „Herr des Verfahrens“ ist und zurzeit mit den Ermittlungen und Anträgen des Beamten überfordert scheint. So ist der Abschlussbericht des Ermittlungsführers vom 10.11.2011 bereits unter dem 27.07.2012 überarbeitet worden und derzeit ist unklar, in welchem Stadium sich die Bearbeitung des Disziplinarverfahrens befindet. Denn die nach dem Abschluss der Ermittlungen vom Disziplinargesetz vorgesehene Schlussanhörung nach § 30 DG LSA ist wiederholt auf Antrag des Beamten verschoben worden und aus den Akten ist nicht erkennbar, ob diese nunmehr überhaupt stattgefunden hat.

9

Dabei ist zwar festzustellen, dass gerade der Antragsteller selbst durch seine wiederholten Anträge und umfassenden Stellungnahmen zur verzögerten Bearbeitung beiträgt. Gerade deshalb obliegt es der Einleitungsbehörde mit den ihr zur Verfügung stehenden verfahrensrechtlichen Mitteln, wie Fristsetzungen und konsequenter Bearbeitung der Anträge sowie erhöhtem Personaleinsatz dem Beschleunigungsgebot Rechnung zu tragen. Auch dies schuldet der Dienstherr seinen Beamten. Personal muss      dafür vorgehalten werden. So ist aus der Akte nicht erkennbar, ob die wiederholt gestellten Befangenheits- und Beweisanträge unter Angabe von Gründen erneut bzw. abschließend beschieden wurden. Zudem sind (wohl) andere Verfahren nicht abzuwarten, so dass sich auch nicht die Möglichkeit und Zwangsläufigkeit der Aussetzung oder der Ruhestellung des behördlichen Disziplinarverfahrens aufdrängt (zur Notwendigkeit der Aussetzung oder der Ruhensstellung eines Disziplinarverfahrens; vgl. nur: VG Magdeburg, B. v. 14.04.2011, 8 A 20/10, B. v. 05.10.2009, 8 B 16/09; beide juris). Soweit eine Abhängigkeit zu dem beamtenrechtlichen Klageverfahren 5 A 207/11 gesehen wurde, hätte das Disziplinarverfahren zur Vermeidung des Fristlaufs ausgesetzt werden müssen. Auch ist zu befürchten, dass die Ermittlungen zwischenzeitlich überhand nehmen, das heißt, nicht mehr von dem ursprünglichen Disziplinarvorwurf der Einleitungsverfügung gedeckt sind. Dies zu überprüfen obliegt dem Disziplinargericht zum augenblicklichen Zeitpunkt jedoch nicht. Andererseits müssen notwendige Ermittlungen und gerade solche, die sich aus neuerlichen Anträgen des Beamten ergeben, selbstverständlich ohne Verkürzung des Verfahrens durchgeführt werden.

10

Gerade deswegen sieht das Disziplinargericht in dem vorliegenden Einzelfall die Notwendigkeit, den Abschluss des Verfahrens bis zu einem bestimmten, großzügig bemessenen Zeitpunkt vorzugeben. Dies hält das Gericht für erforderlich, um die Antragsgegnerin nachdrücklich anzuhalten, ihr verfahrens- und prozessualrechtliches Verhalten darauf einzustellen. Dies bedeutet für die Antragsgegnerin, die Anträge nunmehr konsequent und rechtssicher abzuarbeiten und zu entscheiden. So kann sie als „Herrin des Verfahrens“ auch zeitnah auf weitere Anträge reagieren und diese, bei rechtssicherer Verfahrensgestaltung, auch kurzfristig (abschlägig) bescheiden. Die Frist soll jedoch auch dem Beamten anhalten, rechzeitig Verfahrens- und Sachanträge zu stellen, um nicht seinerseits eine weitere Verzögerung zu bewirken, die ein Antragsrecht nach §§ 60 Abs. 2 Satz 3, 50 Abs. 2 Satz 3 bis 5 DG LSA begründen kann.        Schließlich wird die Rechtmäßigkeit der verfahrensrechtlichen Entscheidungen der Antragsgegnerin im spätern Vorverfahren bzw. gerichtlichen Verfahren geprüft, so es dann zu einer Disziplinarmaßnahme kommen sollte.

11

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.


Gründe

1

Der Antrag auf gerichtliche Fristsetzung zum Abschluss des Verfahrens nach § 60 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ist zulässig und begründet.

2

§ 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA bestimmt, dass „der Beamte beim Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen“ kann, wenn „ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Einleitung durch Erlass einer Einstellungsverfügung oder Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden“ ist. Liegt ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss vor, ist der Antrag abzulehnen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 DG LSA).

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Zur Überzeugung des Disziplinargerichts liegt zum augenblicklichen Zeitpunkt, d. h. zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht (mehr) vor, so dass eine gerichtliche Fristsetzung geboten ist.

4

Die gerichtliche Fristsetzung dient der dem Disziplinarrecht innewohnenden Beschleunigungsgebot (§ 4 DG LSA). Unangemessen ist eine über sechs Monate hinausgehende Verzögerung, wenn die Sachaufklärung bzw. Verfahrenshandlungen nicht mit der gebotenen und möglichen Beschleunigung durchgeführt worden sind. Dabei hat das Gericht einerseits die Unabhängigkeit des mit den Ermittlungen betrauten Beamten (Ermittlungsführer) und dessen Beurteilungsspielraum zu den einzelnen Aufklärungspunkten und Aufklärungsmitteln sowie die notwendige Bearbeitungs- und Prüfungszeit, andererseits das Recht des Beschuldigten auf beschleunigte Bearbeitung zu berücksichtigen.

5

Ob unangemessen verzögert wurde, lässt sich nicht durch bloßen Vergleich einer pauschalen Prognose der notwendigen Gesamtbearbeitungszeit mit dem Sechsmonatszeitraum beantworten, sondern nur durch konkrete Nachprüfung des bisherigen realen Bearbeitungszeitaufwandes feststellen. Sinn des zeitlichen Rahmens im Sinne der Beschleunigung ist nicht, eine fiktive Bearbeitungszeit zu errechnen und daran die Einhaltung des Beschleunigungsgebotes zu messen. Das wäre nicht nur utopisch, sondern würde auch in rechtlich bedenklicher Weise in die Disziplinarbefugnisse des Dienstherrn eingreifen. Der Zweck der Fristsetzung zielt allein darauf ab, die - auf der Grundlage der zu akzeptierenden Aufklärungserwägungen - tatsächlich erfolgte Verfahrensverzögerungen zu erfassen. Bei der Feststellung des Arbeitsaufwandes ist nicht von dem Arbeitsaufwand auszugehen, den das Gericht nach seiner Beurteilung der Rechtslage annehmen würde, sondern von demjenigen, der sich aus der Aufklärungsbeurteilung des Ermittlungsführers ergibt. Hierbei ist Großzügigkeit geboten. Unangemessene Verzögerung ist gleichbedeutend mit sachlich nicht gerechtfertigter Untätigkeit der jeweils befassten Disziplinarorgane. Untätigkeit des Ermittlungsführers liegt nicht in den Einarbeitungs- und Überlegungszeiten, in den unvermeidbaren Zwischenzeiten zwischen Ladung und Anhörungs- oder Beweistermin in den üblichen Bürolaufzeiten, in den durch die Beschuldigten selbst veranlassten Unterbrechungen oder Vertagungen von Terminen oder Fristverlängerung für Schriftsätze, in den Urlaubs- oder Krankheitsbedingten Abwesenheiten der Beteiligten. Ergibt aber die genaue Nachprüfung, dass das jeweils zuständige Organ auf der Basis seiner Aufklärungsbeurteilung längere Zeiten ohne sachlichen Grund untätig geblieben ist, so liegt darin eine unangemessene Verzögerung. Das sodann weiter erforderliche Verschulden ergibt sich daraus, dass die Organe nicht für die ihnen mögliche Beschleunigung des Verfahrens sorgten (vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschluss v. 28.03.2012, 8 A 2/12; zuletzt: Beschluss v. 21.03.2013, 8A 4/13; juris mit Verweis auf: Hummel/Köhler/Mayer; BDG 4. Auflage 2009, § 62 Rz 10 ff.).

6

Gemessen an diesen Vorraussetzungen muss vorliegend von einer verzögerten Bearbeitung ausgegangen werden. Das behördliche Disziplinarverfahren zieht sich bereits über ein Jahr seit seiner Einleitung unter dem 20.08.2012 hin ohne dass konkrete Verfahrensfortschritte zu verzeichnen sind. Der disziplinarrechtliche Vorwurf resultiert vom 05.07.2012. Der Kläger äußerte sich fristgerecht unter dem 20.12.2012. Seit dem ist seitens der Beklagten nichts geschehen und der Kläger verzögert nicht etwa selbst durch Anträge und Schriftsätze das Verfahren. Auch ist nicht ersichtlich, dass das Disziplinarverfahren wegen des vor dem VG B-Stadt (5 A 129/12) bis zum Urteil vom 06.12.2012 anhängig gewesenen Gerichtsverfahrens wegen der Dienstzeit des Klägers eine Verzögerung begründet hätte. Zudem war das Disziplinarverfahren nicht dazu ausgesetzt (zur Notwendigkeit der Aussetzung oder der Ruhensstellung eines Disziplinarverfahrens; vgl. nur: VG Magdeburg, B. v. 14.04.2011, 8 A 20/10, B. v. 05.10.2009, 8 B 16/09; beide juris). Erst im Zuge des bei Gericht gestellten Antrages vom 05.11.2013 nahm die Beklagte Ermittlungen zu dem Vorfall am 05.07.2012 auf. Dabei handelt es sich um Erstermittlungen, die längst hätten geschehen müssen. Die Beklagte räumt nunmehr eine endgültige Bescheidung bis Ende März 2014 ein.

7

Aufgrund dieser zeitlichen Darstellung des Disziplinarvorganges und der Ermittlungen ist das in § 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vorgesehene Zeitfenster von sechs Monaten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei weitem, nämlich um 1 ¼ Jahre überschritten.

8

Die Beklagte räumt selbst die verzögerte Bearbeitung ein und rechtfertigt dies mit dem enormen Arbeitsanfalls und dem krankheitsbedingten Ausfall einer der beiden Sachbearbeiterinnen. Dazu ist festzustellen, dass der Dienstherr seinem Beamten die vom Gesetz vorgesehene beschleunigte Bearbeitung des Disziplinarverfahrens schuldet. Personal muss dafür vorgehalten werden (VG Magdeburg, Beschluss v. 21.03.2013, 8 A 4/13; juris).

9

Bei Abwägung aller Interessen, sieht das Disziplinargericht in dem vorliegenden Einzelfall die Notwendigkeit, den Abschluss des Verfahrens bis zu einem bestimmten, großzügig bemessenen Zeitpunkt vorzugeben. Auf das weitere Antragsrecht nach §§ 60 Abs. 2 Satz 3, 50 Abs. 2 Satz 3 bis 5 DG LSA wird hingewiesen.

10

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.


Gründe

1

Der Antrag auf gerichtliche Fristsetzung zum Abschluss des Verfahrens nach § 60 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 DG LSA hat keinen Erfolg.

2

§ 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA bestimmt, dass „der Beamte beim Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen“ kann, wenn „ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Einleitung durch Erlass einer Einstellungsverfügung oder Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden“ ist. Liegt ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss vor, ist der Antrag abzulehnen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 DG LSA).

3

Zur Überzeugung des Disziplinargerichts liegt zum augenblicklichen Zeitpunkt, d. h. zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (noch) ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens vor, so dass (noch) keine gerichtliche Fristsetzung geboten ist.

4

Die gerichtliche Fristsetzung dient der Gewährleistung des dem Disziplinarrecht innewohnenden Beschleunigungsgebots (§ 4 DG LSA). Unangemessen ist eine über sechs Monate hinausgehende Dauer des behördlichen Disziplinarverfahrens, wenn die Sachaufklärung bzw. Verfahrenshandlungen nicht mit der gebotenen und möglichen Beschleunigung durchgeführt worden sind. Dabei hat das Disziplinargericht einerseits die Unabhängigkeit des mit den Ermittlungen betrauten Beamten (Ermittlungsführer) und dessen Beurteilungsspielraum zu den einzelnen Aufklärungspunkten und Aufklärungsmitteln sowie die notwendige Bearbeitungs- und Prüfungszeit, andererseits das Recht des Beschuldigten auf beschleunigte Bearbeitung zu berücksichtigen.

5

Ob unangemessen verzögert wurde, lässt sich nicht durch den bloßen Vergleich einer pauschalen Prognose der notwendigen Gesamtbearbeitungszeit mit dem Sechsmonatszeitraum beantworten, sondern nur durch konkrete Nachprüfung des bisherigen realen Bearbeitungszeitaufwandes feststellen. Sinn des zeitlichen Rahmens im Sinne der Beschleunigung ist nicht, eine fiktive Bearbeitungszeit zu errechnen und daran die Einhaltung des Beschleunigungsgebotes zu messen. Das wäre nicht nur utopisch, sondern würde auch in rechtlich bedenklicher Weise in die Disziplinarbefugnisse des Dienstherrn eingreifen. Der Zweck der Fristsetzung zielt allein darauf ab, die - auf der Grundlage der zu akzeptierenden Aufklärungserwägungen - tatsächlich erfolgten Verfahrensverzögerungen zu erfassen. Bei der Feststellung des Arbeitsaufwandes ist nicht von dem Arbeitsaufwand auszugehen, den das Disziplinargericht nach seiner Beurteilung der Rechtslage annehmen würde, sondern von demjenigen, der sich aus der Aufklärungsbeurteilung des Ermittlungsführers ergibt. Hierbei ist Großzügigkeit geboten. Unangemessene Verzögerung ist gleichbedeutend mit sachlich nicht gerechtfertigter Untätigkeit der jeweils befassten Disziplinarorgane. Untätigkeit des Ermittlungsführers liegt nicht in den Einarbeitungs- und Überlegungszeiten, in den unvermeidbaren Zwischenzeiten zwischen Ladung und Anhörungs- oder Beweistermin in den üblichen Bürolaufzeiten, in den durch die Beschuldigten selbst veranlassten Unterbrechungen oder Vertagungen von Terminen oder Fristverlängerung für Schriftsätze, in den urlaubs- oder krankheitsbedingten Abwesenheiten der Beteiligten. Ergibt aber die genaue Nachprüfung, dass das jeweils zuständige Organ auf der Basis seiner Aufklärungsbeurteilung längere Zeiten ohne sachlichen Grund untätig geblieben ist, so liegt darin eine unangemessene Verzögerung. Das sodann weiter erforderliche Verschulden ergibt sich daraus, dass die Organe nicht für die ihnen mögliche Beschleunigung des Verfahrens sorgten (vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschluss v. 26.11.2013, 8 A 18/13; Beschluss v. 21.03.2013, 8 A 4/13; Beschluss v. 28.03.2012, 8 A 2/12; alle juris; Hummel/Köhler/Mayer; BBG 4. Auflage 2009, § 62 Rz 10 ff.).

6

Gemessen an diesen Vorraussetzungen kann vorliegend nicht von einer verzögerten Bearbeitung ausgegangen werden. Unter dem 09.04.2013 teilte die Beklagte dem Beamten mit, dass gegen ihn ein Disziplinarverfahren eröffnet werde. Es bestehe der Verdacht, dass der Beamte bei der Manipulation des Zeiterfassungssystems zu Gunsten seiner Lebensgefährtin seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt habe. Zugleich wurde die Aussetzung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 22 Abs. 3 DG LSA wegen zeitgleicher laufender strafrechtlicher Ermittlungen angeordnet. Mit Verfügung vom 03.05.2013 ordnete die Beklagte die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens an. Es folgten Verfügungen nach § 38 DG LSA zur vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung der Dienstbezüge sowie deren gerichtliche Überprüfung. In der Folgezeit fand beim Kläger ein Anwaltswechsel statt. Im August 2013 nahm die Ermittlungsführerin Einsicht in die Personalakte des Klägers und nahm umfangreiche Zeugenvernehmungen vor, wobei der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter Beweisanträge stellten bzw. ankündigten. Mit Verfügung vom 12.10.2013 bestellte die Beklagte einen anderen Ermittlungsführer, der ebenso bis in den Dezember 2013 umfassende Ermittlungen vornahm.

7

Schließlich stellte der Kläger mit Schriftsatz vom 28.11.2013 Antrag auf gerichtliche Fristsetzung nach § 60 DG LSA. Die Beklagte äußerte sich unter dem 23.12.2013 zu den zeitlichen Gegebenheiten. Die Erstellung des Ermittlungsberichtes stehe nunmehr an.

8

Aufgrund dieser zeitlichen Darstellung des Disziplinarvorganges und der Ermittlungen ist zwar das in § 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vorgesehene Zeitfenster von sechs Monaten seit der Einleitung des Disziplinarverfahrens zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung um nahezu weitere drei Monate überschritten. Dabei ist aber bereits zu berücksichtigen, dass die Ermittlungen bis zum 03.05.2013 ordnungsgemäß nach § 22 Abs. 3 DG LSA ausgesetzt waren, so dass effektiv nur von einem Überschreitungszeitraum von zwei Monaten ausgegangen werden muss (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 2 DG LSA). Diese zeitliche Überschreitung ist zur Überzeugung des Disziplinargerichts aber hinnehmbar und zudem nicht ungewöhnlich. Vielmehr sind gerade keine ungewöhnlichen, nicht der sachgerechten Durchführung des Verfahrens geschuldete Verzögerungen zu verzeichnen, wie es etwa der Stillstand der Bearbeitung bedeuten würde. Die aufwendigen und zeitraubenden Ermittlungen sind allein der sorgfältigen Aufklärung des Disziplinarvorwurfs geschuldet.

9

Dabei hat auch die Auswechselung des Ermittlungsführers nicht zu einer der Beklagten vorzuwerfenden unangemessenen Zeitverzögerung geführt. Denn dieser hat umgehend die Ermittlungen aufgenommen und fortgeführt. Ob diese Auswechselung nach disziplinarrechtlichen Grundsätzen zulässig und geboten war, ist hier nicht zu klären, sondern bleibt dem eventuell folgenden gerichtlichen Disziplinarverfahren vorbehalten.

10

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.


(1) Ein abgelehnter Richter hat vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten.

(2) Wird ein Richter während der Verhandlung abgelehnt und würde die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern, so kann der Termin unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden. Wird die Ablehnung für begründet erklärt, so ist der nach Anbringung des Ablehnungsgesuchs liegende Teil der Verhandlung zu wiederholen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.