Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 26. Nov. 2013 - 8 A 18/13

ECLI: ECLI:DE:VGMAGDE:2013:1126.8A18.13.0A
published on 26/11/2013 00:00
Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 26. Nov. 2013 - 8 A 18/13
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Gründe

1

Der Antrag auf gerichtliche Fristsetzung zum Abschluss des Verfahrens nach § 60 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) ist zulässig und begründet.

2

§ 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA bestimmt, dass „der Beamte beim Gericht die gerichtliche Bestimmung einer Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens beantragen“ kann, wenn „ein behördliches Disziplinarverfahren nicht innerhalb von sechs Monaten nach der Einleitung durch Erlass einer Einstellungsverfügung oder Disziplinarverfügung oder durch Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden“ ist. Liegt ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss vor, ist der Antrag abzulehnen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 DG LSA).

3

Zur Überzeugung des Disziplinargerichts liegt zum augenblicklichen Zeitpunkt, d. h. zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein zureichender Grund für den fehlenden Abschluss des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht (mehr) vor, so dass eine gerichtliche Fristsetzung geboten ist.

4

Die gerichtliche Fristsetzung dient der dem Disziplinarrecht innewohnenden Beschleunigungsgebot (§ 4 DG LSA). Unangemessen ist eine über sechs Monate hinausgehende Verzögerung, wenn die Sachaufklärung bzw. Verfahrenshandlungen nicht mit der gebotenen und möglichen Beschleunigung durchgeführt worden sind. Dabei hat das Gericht einerseits die Unabhängigkeit des mit den Ermittlungen betrauten Beamten (Ermittlungsführer) und dessen Beurteilungsspielraum zu den einzelnen Aufklärungspunkten und Aufklärungsmitteln sowie die notwendige Bearbeitungs- und Prüfungszeit, andererseits das Recht des Beschuldigten auf beschleunigte Bearbeitung zu berücksichtigen.

5

Ob unangemessen verzögert wurde, lässt sich nicht durch bloßen Vergleich einer pauschalen Prognose der notwendigen Gesamtbearbeitungszeit mit dem Sechsmonatszeitraum beantworten, sondern nur durch konkrete Nachprüfung des bisherigen realen Bearbeitungszeitaufwandes feststellen. Sinn des zeitlichen Rahmens im Sinne der Beschleunigung ist nicht, eine fiktive Bearbeitungszeit zu errechnen und daran die Einhaltung des Beschleunigungsgebotes zu messen. Das wäre nicht nur utopisch, sondern würde auch in rechtlich bedenklicher Weise in die Disziplinarbefugnisse des Dienstherrn eingreifen. Der Zweck der Fristsetzung zielt allein darauf ab, die - auf der Grundlage der zu akzeptierenden Aufklärungserwägungen - tatsächlich erfolgte Verfahrensverzögerungen zu erfassen. Bei der Feststellung des Arbeitsaufwandes ist nicht von dem Arbeitsaufwand auszugehen, den das Gericht nach seiner Beurteilung der Rechtslage annehmen würde, sondern von demjenigen, der sich aus der Aufklärungsbeurteilung des Ermittlungsführers ergibt. Hierbei ist Großzügigkeit geboten. Unangemessene Verzögerung ist gleichbedeutend mit sachlich nicht gerechtfertigter Untätigkeit der jeweils befassten Disziplinarorgane. Untätigkeit des Ermittlungsführers liegt nicht in den Einarbeitungs- und Überlegungszeiten, in den unvermeidbaren Zwischenzeiten zwischen Ladung und Anhörungs- oder Beweistermin in den üblichen Bürolaufzeiten, in den durch die Beschuldigten selbst veranlassten Unterbrechungen oder Vertagungen von Terminen oder Fristverlängerung für Schriftsätze, in den Urlaubs- oder Krankheitsbedingten Abwesenheiten der Beteiligten. Ergibt aber die genaue Nachprüfung, dass das jeweils zuständige Organ auf der Basis seiner Aufklärungsbeurteilung längere Zeiten ohne sachlichen Grund untätig geblieben ist, so liegt darin eine unangemessene Verzögerung. Das sodann weiter erforderliche Verschulden ergibt sich daraus, dass die Organe nicht für die ihnen mögliche Beschleunigung des Verfahrens sorgten (vgl. zum Ganzen: VG Magdeburg, Beschluss v. 28.03.2012, 8 A 2/12; zuletzt: Beschluss v. 21.03.2013, 8A 4/13; juris mit Verweis auf: Hummel/Köhler/Mayer; BDG 4. Auflage 2009, § 62 Rz 10 ff.).

6

Gemessen an diesen Vorraussetzungen muss vorliegend von einer verzögerten Bearbeitung ausgegangen werden. Das behördliche Disziplinarverfahren zieht sich bereits über ein Jahr seit seiner Einleitung unter dem 20.08.2012 hin ohne dass konkrete Verfahrensfortschritte zu verzeichnen sind. Der disziplinarrechtliche Vorwurf resultiert vom 05.07.2012. Der Kläger äußerte sich fristgerecht unter dem 20.12.2012. Seit dem ist seitens der Beklagten nichts geschehen und der Kläger verzögert nicht etwa selbst durch Anträge und Schriftsätze das Verfahren. Auch ist nicht ersichtlich, dass das Disziplinarverfahren wegen des vor dem VG B-Stadt (5 A 129/12) bis zum Urteil vom 06.12.2012 anhängig gewesenen Gerichtsverfahrens wegen der Dienstzeit des Klägers eine Verzögerung begründet hätte. Zudem war das Disziplinarverfahren nicht dazu ausgesetzt (zur Notwendigkeit der Aussetzung oder der Ruhensstellung eines Disziplinarverfahrens; vgl. nur: VG Magdeburg, B. v. 14.04.2011, 8 A 20/10, B. v. 05.10.2009, 8 B 16/09; beide juris). Erst im Zuge des bei Gericht gestellten Antrages vom 05.11.2013 nahm die Beklagte Ermittlungen zu dem Vorfall am 05.07.2012 auf. Dabei handelt es sich um Erstermittlungen, die längst hätten geschehen müssen. Die Beklagte räumt nunmehr eine endgültige Bescheidung bis Ende März 2014 ein.

7

Aufgrund dieser zeitlichen Darstellung des Disziplinarvorganges und der Ermittlungen ist das in § 60 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vorgesehene Zeitfenster von sechs Monaten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bei weitem, nämlich um 1 ¼ Jahre überschritten.

8

Die Beklagte räumt selbst die verzögerte Bearbeitung ein und rechtfertigt dies mit dem enormen Arbeitsanfalls und dem krankheitsbedingten Ausfall einer der beiden Sachbearbeiterinnen. Dazu ist festzustellen, dass der Dienstherr seinem Beamten die vom Gesetz vorgesehene beschleunigte Bearbeitung des Disziplinarverfahrens schuldet. Personal muss dafür vorgehalten werden (VG Magdeburg, Beschluss v. 21.03.2013, 8 A 4/13; juris).

9

Bei Abwägung aller Interessen, sieht das Disziplinargericht in dem vorliegenden Einzelfall die Notwendigkeit, den Abschluss des Verfahrens bis zu einem bestimmten, großzügig bemessenen Zeitpunkt vorzugeben. Auf das weitere Antragsrecht nach §§ 60 Abs. 2 Satz 3, 50 Abs. 2 Satz 3 bis 5 DG LSA wird hingewiesen.

10

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 72 Abs. 4 DG LSA i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.