Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 26. Jan. 2016 - 8 A 108/16
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015, mit welchem der Asylantrag gemäß § 27 a AsylG wegen der Zuständigkeit Maltas als unzulässig abgelehnt sowie die Abschiebung nach Malta angeordnet wurde. Der Kläger verweist auf die systemischen Mängel im maltesischen Asylsystem, begehrt das Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland für sein Asylverfahren und beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2015 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und verweist auf den streitbefangenen Bescheid.
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Im Eilverfahren (8 B 107/16 MD) wurde mit Beschluss vom 07.01.2016 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter (§ 87 Abs. 2, 3 VwGO) entschieden werden konnte, hat Erfolg.
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1.) Das klägerische Begehren ist im Wege der Anfechtungsklage zulässig (vgl. nur: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 05.08.2015, 1 A 11020/14; juris).
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2.) Die Klage ist begründet. Der streitbefangene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat zu Unrecht festgestellt, dass der Asylantrag in Deutschland unzulässig ist und die daran anknüpfende Anordnung seiner Abschiebung nach Malta angeordnet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund des sogenannten Selbsteintrittsrechts.
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Gemäß § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wen ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (Dublin-Verordnungen) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
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Gleichwohl dieser prinzipiellen Zuständigkeit Maltas hat der Kläger einen Anspruch auf Prüfung und Entscheidung seines Asylbegehrens in Deutschland. Denn in Malta bestehen sogenannte systemische Mängel des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen, wonach dem Kläger im Falle seiner Abschiebung in Malta eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK droht.
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Das Gericht hat bereits in dem vorläufigen Rechtsschutzantrag 8 B 107/16 in dem Beschluss vom 07.01.2016 ausgeführt, dass die Zuständigkeit Maltas wegen des Bestehens systemischer Mängel entfallen ist. Das Gericht führt in dem Beschluss aus:
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„a.) Dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 83/389 vom 30. März 2010), des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. II 1953, S. 559) sowie der Europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952, S. 685, ber. S. 953, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Oktober 2010 (BGBl. II S. 1198)) behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - und der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK - zukommt. Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (EuGH, Urt. v. 21. 12. 2011 - C-411/10 u. C-493/10 -; ders.: Urt. v. 14. November 2013 - C-4/11 -, beide juris) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (BVerfG, Urt. v. 14.05. 1996 - 2 BvR 1938/93 u. 2315/93 -, BVerfGE 94, S. 49, juris) zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn den Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem zuständigen Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urt. v. 14.11. 2013, a.a.O.). In einem solchen Fall ist die Prüfung anhand der Zuständigkeitskriterien der Dublin-Verordnungen fortzuführen, um festzustellen, ob anhand der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrages zuständig bestimmt werden kann; ist zu befürchten, dass durch ein unangemessen langes Verfahren eine Situation, in der Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, verschlimmert wird, muss der angegangene Mitglied-staat den Asylantrag selbst prüfen (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a.a.O.; ders.: Urteil vom 14.11. 2013, a.a.O.).
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Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. Bank/Hruschka, Die EuGH-Entscheidung zu Überstellungen nach Griechenland und ihre Folgen für Dublin-Verfahren (nicht nur) in Deutschland, ZAR 2012, S. 182; OVG Rheinland-Platz, Urt. v. 21.02.2014, 10 A 10656/13, juris), wobei nicht jede Verletzung eines Grundrechts und jeder geringe Verstoß gegen gemeinsame Vorschriften geeignet ist, das Dublin-System in Frage zu stellen (vgl. VG Oldenburg, B. v. 21.01.2014, 3 B 6802/13, juris). Beurteilungsgrundlage bilden die Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichter der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn.90 ff.). Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse geboten, wobei bei der unterschiedlichen Behandlung von bestimmten Personengruppen vorrangig auf die Verhältnisse für diejenige Gruppe abzustellen ist, der der Asylbewerber angehört; gleichwohl sind auch die Umstände, die andere Gruppenangehörige betreffen, mittelbar für die Beurteilung systemischer Mängel geeignet (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, 1 A 21/12, juris).
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Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Art. 4 GR-Charta ist gem. Art. 52 Abs. 3 S. 1 GR-Charta einschließlich der Erläuterungen hierzu (ABL. C 303/17 vom 14. Dezember 207) i. V.m. Art. 6 Abs. 1 S. 3 EUV vom 7. Februar 1992 (ABl. C 191, S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 des Vertrages von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 C 111 S. 56 u. ABl. 2009 C 290 S. 1) an Art. 3 EMRK auszurichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR (Urt. v. 21.01.2011 - 30696/09 - (M.S.S.), EuGRZ 2011, 243) ist eine Behandlung dann erniedrigend, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen. Die Behandlung/Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.
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Werden Dublin-Rückkehrer - ebenso wie Asylbewerber - regelmäßig in Haft genommen, so sind die dem zugrunde liegenden Umständen in den Blick zu nehmen. In seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (- 30696/10) hat der EGMR eine Überstellung nach Griechenland als nicht mit Artikel 3 EMRK vereinbar angesehen, da die systematische Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade auch solcher in Haftzentren ohne Angabe von Gründen, eine weit verbreitete Praxis der griechischen Behörden darstellte. Unter Berücksichtigung der zudem vorhandenen übereinstimmenden Zeugenaussagen zu den völlig unzureichenden Haftbedingungen sah der Gerichtshof bereits die vergleichsweise kurze Haftdauer im entschiedenen Fall von einmal vier Tagen und einmal einer Woche als nicht unbedeutend an. Die Gefühle der Willkür und die oft damit verbundenen Gefühle der Unterlegenheit und Angst sowie die tiefgreifenden Wirkungen auf die Würde einer Person, die solche Inhaftierungsumstände zweifellos hätten, bewertete er zusammengenommen als eine gegen Artikel 3 EMRK verstoßende erniedrigende Behandlung deshalb, weil Artikel 3 EMRK die Staaten verpflichte, sich zu vergewissern, dass die Haftbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar seien und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid und Härten unterwerfe, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteige. Sind die Mitgliedstaaten noch dazu aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben zur Einhaltung bestimmter Mindeststandards der Aufnahmebedingungen verpflichtet, sind die konkreten Anforderungen an die Schwere der Schlechtbehandlung im Sinne der EMRK niedriger anzusetzen bzw. kommt umgekehrt einem Verstoß gegen diese unionsrechtlichen Verpflichtungen oder ihrer Umsetzung im nationalen Recht für die Annahme einer relevanten Grundrechtsverletzung nach Artikel 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ein besonderes Gewicht zu (zitiert nach VG Düsseldorf, B. v. 16.06.2014, 13 L 141/14, juris).
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Prognosemaßstab für das Vorliegen derart relevanter Mängel ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit. Die Annahme systemischer Mängel setzt somit voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedsstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylsuchenden im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.03.2014, 10 B 6.14, juris). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten - nicht rein quantitativen - Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss ihnen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d.h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 07.03.2014, a.a.O.; OVG Sachsen Anhalt, B. v. 14.03.2013. 4 L 44/13, juris; BVerwG, Urt. v. 20.02.2013, 10 C 23/12, alle juris; OVG Rheinland-Pfalz, a.a.O.).
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b.) In Ansehung dessen folgt für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dass bezüglich Maltas zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 2 AsylG [analog]) ernst zu nehmende Anhaltspunkte für das Bestehen systemischer Mängel insbesondere wegen der in Malta bestehenden Inhaftierungspraxis von Dublin-Rückkehrern vorliegen. Das VG Hannover führt dazu jüngst aus (Urteil v. 05.11.2015, 10 A 5157/15; juris):
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"Nach diesem Maßstab liegen im Asylsystem Maltas systemische Mängel vor, weil es an rechtlichen Regelungen fehlt, die die Einhaltung der europarechtlichen Mindestanforderungen an die Bearbeitung von Asylanträgen sicherstellen.
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Nach dem periodischen Bericht der Europäischen AsylinformationsdatenbankAIDAvomFebruar2015http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_-_malta_thirdupdate_final.pdf, abgerufen am 26.10.2015) gibt es in Malta keine gesetzlichen Regelungen, die den Rechtsrahmen der Dublin-Verordnungen umsetzen, sondern nur behördliche Verfahrensvorschriften (AIDA report – a. a. O. – S. 21).
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Dabei stellt sich insbesondere die Situation der Dublin-Rückkehrer als problematisch dar. Wenn ein Antragsteller Malta durch Flucht aus behördlichem Gewahrsam oder irreguläre Ausreise verlässt, wird sein Asylantrag nach Art. 13 der örtlichen Verfahrensvorschriften, die insofern Art. 28 der Richtlinie 2013/32/EU – Asylverfahrensrichtlinie 2013 – aufgreifen, als stillschweigend zurückgenommen betrachtet. Bei einer Rücküberstellung nach Malta als dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedsstaat ist das Verfahren daher in fast allen Fällen bereits eingestellt und der Antragsteller ausreisepflichtig. Er hat zwar die Möglichkeit, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu beantragen, diese erfolgt jedoch im Wege eines Zweitantrags unter der Voraussetzung, dass er Wiederaufnahmegründe darlegt. Während des Verfahrens können Antragsteller in ihre Heimatstaaten abgeschoben werden (vgl. AIDA report– a. a. O. – S. 22). Diese Praxis stand zum Berichtszeitpunkt in Widerspruch zu Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2005/85/EU (Asylverfahrensrichtlinie 2005 –; nunmehr Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie 2013 –) und zu Art. 18 Abs. 2 UA 2 der Dublin III-VO. Danach haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass ein Antragsteller, der sich nach Einstellung der Antragsprüfung wegen stillschweigender Rücknahme wieder bei der zuständigen Behörde meldet, berechtigt ist, um Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht als Folgeantrag geprüft wird. Durch den Verstoß gegen diese Vorschriften laufen Antragsteller Gefahr, selbst tatsächlich vorliegende Gründe für einen Anspruch auf internationalen Schutz nicht wirksam vortragen zu können.
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Während der Bearbeitungsdauer über das Wiederaufnahmeersuchen, die vollständig im Ermessen der Behörde steht, sind die Antragsteller der Gefahr einer vorzeitigen Abschiebung ausgesetzt und befinden sich häufig in Haft oder Arrest, die den Zugang zu rechtlicher Hilfe zusätzlich erschwert. Die Möglichkeit, Antragsteller noch vor oder während der Prüfung des Folgeantrags abzuschieben, verstößt zudem gegen das Gebot des Non-Refoulement, das ebenfalls in Art. 20 Abs. 2 UA 3 der Asylverfahrensrichtlinie 2005 bzw. Art. 28 Abs. 2 UA 3 der Asylverfahrensrichtlinie 2013 und Art. 18 Abs. 2 UA 3 Dublin III-VO seinen Niederschlag gefunden hat.
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Übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 9.4.2015 – 8 L 1100/15.A –, juris) geht das Gericht außerdem davon aus, dass die Haftpraxis Maltas Asylbewerbern gegenüber nicht im Einklang mit internationalem und europäischem Recht steht. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte hierzu ausgeführt (vgl. Beschluss vom 2.2.2015 – 13 L 2852/14.A –):
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„Ausweislich verschiedener dem Gericht vorliegender Auskünfte werden in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, systematisch und routinemäßig inhaftiert. Rechtsgrundlage hierfür sei das Migrationsgesetz Maltas (Immigration Act, Chapter 217 of the Laws of Malta, im Folgenden: "Immigration Act"), welches nicht zwischen Migranten und Flüchtlingen, die um internationalen Schutz nachsuchen, bzw. Asylbewerbern unterscheide. Danach gelten alle irregulär Eingereisten ("prohibited immigrant" i.S.v. Artikel 5 Immigration Act) als Personen ohne Einreise- bzw. Aufenthaltsbefugnis. Ihnen gegenüber ergehe auf der weiteren Grundlage der Verwaltungsvorschrift "Policy Documents 2005" eine Zugangsverweigerungs- oder Ausweisungsverfügung mit Haftanordnung von unbestimmter Dauer (vgl. Artikel 14 Absatz 2 Immigration Act). Anders sehe es nur - bei einem kleinen Prozentsatz - der Ausländer aus, die Asyl beantragen, bevor sie von der Ausländerbehörde wegen illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt festgenommen werden. Insoweit werde von einer Inhaftierung bis zum Vorliegen der Entscheidung über ihren Asylantrag abgesehen. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung treffe (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen ("Verletzliche") wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern könne. Dabei würden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne weiteres erkennbar sei, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Das Migrationsgesetz enthalte keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Sei über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden, erfolge die Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkenne. Abschiebehaft sei ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt.(vgl. AIDA, Asylum Information Database, "National Country Report Malta" vom Mai 2014, S. 49 f.; Gemeinsame Publikation UNHCRs und des Europäischen Parlaments "know the facts" vom 9. April 2014, S. 8; Global Detention Project "Immigration Detention in Malta" vom Januar 2014, S. 4 ff.; UNHCR "UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta" vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) "Protection Interrupted, National Report Malta" vom Juni 2013 S. 5 ff.)"
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Diese Feststellungen hat der jüngste AIDA-Bericht von Februar 2015 im Wesentlichen bestätigt. Zwar begründet die Inhaftierung einer Person als solche keine Verletzung von Art. 3 EMRK. Indes verpflichtet Art. 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind (vgl. EGMR, Urteile vom 21.1.2011 – 30696/09 –, juris, Rn 221, und 15.7.2002 – 47095/99 –, Rn. 95)."
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Ähnlich äußerte sich bereits die vormals zuständige 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Magdeburg in den Urteilen vom 25.11.2014 (5 A 118/13, 5 A 191/12 und 5 A 201/12; alle n.v.) und vom 19.10.2015 (5 A 180/15; n.v.). Dem schließt sich das hiesige Gericht auch im Hauptsacheverfahren an und darf zur weiteren Begründung auf die Entscheidungen verweisen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
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3.) Aufgrund des Selbsteintrittsrechts entfällt auch die Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung.
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4.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter hat schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen. Er kann insbesondere
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die Beteiligten zur Erörterung des Sach- und Streitstandes und zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits laden und einen Vergleich entgegennehmen; - 2.
den Beteiligten die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden Schriftsätze, die Vorlegung von Urkunden, die Übermittlung von elektronischen Dokumenten und die Vorlegung von anderen zur Niederlegung bei Gericht geeigneten Gegenständen aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen; - 3.
Auskünfte einholen; - 4.
die Vorlage von Urkunden oder die Übermittlung von elektronischen Dokumenten anordnen; - 5.
das persönliche Erscheinen der Beteiligten anordnen; § 95 gilt entsprechend; - 6.
Zeugen und Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden. - 7.
(weggefallen)
(2) Die Beteiligten sind von jeder Anordnung zu benachrichtigen.
(3) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einzelne Beweise erheben. Dies darf nur insoweit geschehen, als es zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Gericht sachdienlich und von vornherein anzunehmen ist, daß das Gericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag.
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 14. August 2014 – 2 K 426/14.TR – wird der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Februar 2014 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit seines in Deutschland gestellten Asylantrages festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird.
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Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge am … 1976 geboren und iranischer Staatsangehöriger. Im Jahre 2011 reiste er – ebenfalls nach eigener Darstellung – zunächst über die Türkei und Griechenland nach Italien, wo er sich etwa 17 Monate aufhielt und Asyl beantragte. Im März 2013 reiste er über Frankreich nach Deutschland und stellte dort am 23. April 2013 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 30. April 2013 gab der Kläger im Wesentlichen an, im Iran zusammen mit Freunden an Demonstrationen teilgenommen und Parolen gegen die Regierung geschrieben zu haben, woraufhin ein Teil der Freunde verhaftet worden sei. Zudem sei er vom Militärdienst desertiert.
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Die Beklagte stellte, nachdem ihr durch eine Mitteilung aus dem EURODAC-System die illegale Einreise des Klägers nach Italien und die dortige Asylantragstellung bekannt geworden waren, am 12. Dezember 2013 ein Wiederaufnahmegesuch an Italien, auf das die italienischen Behörden nicht reagierten.
- 5
Mit Bescheid vom 14. Februar 2014 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers für unzulässig und ordnete dessen Abschiebung nach Italien an.
- 6
Einen am 24. Februar 2014 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Trier mit Beschluss vom 6. März 2014 – 2 L 353/14.TR – ab.
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Am 5. März 2014 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass zwischenzeitlich die in Art. 20 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung festgelegte 6-monatige Frist für eine Überstellung nach Italien abgelaufen und der Bescheid vom 14. Februar 2014 deswegen rechtswidrig geworden und aufzuheben sei.
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Das Verwaltungsgericht Trier hat die Klage mit Urteil vom 14. August 2014 – 2 K 426/14.TR – abgewiesen. Systemische Mängel des italienischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen seien nicht festzustellen. Auch sei die Beklagte vorliegend nicht wegen einer unangemessen langen Dauer des Verwaltungsverfahrens verpflichtet, das ihr eingeräumte Selbsteintrittsrecht auszuüben. Die 6-monatige Überstellungsfrist nach der Dublin II-Verordnung sei ebenfalls noch nicht verstrichen, sondern habe mit Abschluss des Eilverfahrens erneut zu laufen begonnen. Abgesehen davon könne sich der Kläger auf einen Verstoß gegen die entsprechenden Fristenregelungen auch gar nicht berufen, da hieraus keine subjektiven Rechte ableitbar seien.
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Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 3. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Oktober 2014 die Zulassung der Berufung beantragt. Die mit Beschluss des Senats vom 6. November 2014 – 1 A 10928/14.OVG – wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung hat der Kläger am 8. Dezember 2014 begründet.
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Er macht geltend, Art. 20 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung begründe eine subjektive Berechtigung des Asylbewerbers, wenn die dort festgelegte Frist abgelaufen und eine Überstellung nicht erfolgt sei. Dies sei hier der Fall. Das erfolglos durchgeführte Eilverfahren führe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dazu, dass die Überstellungsfrist erneut zu laufen beginne. Ferner seien sehr wohl systemische Mängel des italienischen Asylverfahrens festzustellen.
- 11
Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 14. August 2014 – 2 K 426/13.TR – den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Februar 2014 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen.
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I. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig.
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Sie ist als solche insbesondere statthaft, da sie den erforderlichen wie auch ausreichenden Rechtsschutz bietet, so dass es einer weitergehenden Klage auf Verpflichtung der Beklagten nicht bedarf (vgl. hierzu ausführlich OVG Münster, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, sowie etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Juni 2015 – 11 LB 248/14 –, VGH München, Beschluss vom 18. Mai 2015 – 11 ZB 14.50080 –, OVG Hamburg, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 Bf 208/14.AU –, OVG Saarlouis, Beschluss vom 12. September 2014 – 2 A 191/14 –, VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, und OVG Magdeburg, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, alle in juris, m. w. N.).
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II. Die Klage ist auch begründet.
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Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
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1. Nach § 27a Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
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An einer derartigen anderweitigen Zuständigkeit fehlt es jedoch im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG für die der Entscheidung zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.
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Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erfolgt vorliegend gemäß Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L 180 S. 31 – Dublin III-VO) nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EG L 50 S. 1 – Dublin II-VO), da sowohl der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland wie auch der Wiederaufnahmeantrag an Italien noch vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. hierzu näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, juris, Rn. 27).
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Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO ist zunächst Griechenland als der Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden, dessen Grenze der Kläger aus einem Drittstaat – hier der Türkei – kommend im Jahr 2011 illegal überschritten hat. Diese Zuständigkeit endete indessen gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II–VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertrittes, so dass Italien, wo sich der Kläger von Ende 2011 bis Anfang 2013 aufgehalten und einen Asylantrag gestellt hat, in Abhängigkeit von dem – den Verwaltungsakten nicht zu entnehmenden – genauen Zeitpunkt der dortigen Antragstellung entweder bereits nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO oder aber nach Art. 13 Dublin II-VO zuständig geworden ist.
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Die so begründete Zuständigkeit Italiens ist jedoch zwischenzeitlich auf die Beklagte übergegangen. Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO legt nämlich fest, dass – von zwei hier nicht einschlägigen Ausnahmetatbeständen abgesehen – in den Fällen eines vom ersuchten Mitgliedstaat nach den Modalitäten des Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO akzeptierten Wiederaufnahmegesuchs die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung des Asylbewerbers an den ersuchten Staat nicht innerhalb der in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO vorgesehenen Frist von sechs Monaten erfolgt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben:
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Die Beklagte hat am 12. Dezember 2013 per elektronischer Post ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Dublin II-VO an Italien gestellt. Da der Antrag auf Angaben aus dem EURODAC-System gestützt war, nach Buchst. b somit eine verkürzte Frist zur Beantwortung von zwei Wochen galt und binnen dieser Frist von den italienischen Behörden keine Antwort auf das Gesuch erteilt worden ist, war nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO davon auszugehen, dass Italien die Wiederaufnahme des Klägers akzeptiert. Damit war die Überstellung gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den ersuchten Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, vorzunehmen.
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Richtiger Anknüpfungspunkt für die Berechnung dieser Frist ist vorliegend die nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO wegen unterbliebener Beantwortung binnen zwei Wochen fingierte Annahme des Wiederaufnahmegesuchs mit Ablauf des 26. Dezember 2013. Denn nach zutreffender Auffassung (vgl. ausführlich OVG Münster, Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, juris, Rn. 5 ff., sowie etwa VG Hannover, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 6 B 9277/14 –, VG Karlsruhe, Beschluss vom 15. April 2014 – A 1 K 25/14 –, VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, VG Magdeburg, Urteil vom 28. Februar 2014 – 1 A 413/13 –, und VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 3 B 7136/13 –, alle in juris) handelt es sich bei dem erfolglos gebliebenen Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht um einen mit aufschiebender Wirkung versehenen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO, so dass die Entscheidung hierüber auch nicht einen neuen Lauf der 6-Monats-Frist eröffnet hat.
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Hierfür sprechen zunächst bereits der Wortlaut und die Systematik der Dublin II-VO. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 muss dem Rechtsbehelf selbst aufschiebende Wirkung zukommen. Dies ist bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil nicht der Antrag als solcher, sondern allein die auf einen solchen Antrag ergehende stattgebende gerichtliche Entscheidung zum Eintritt der aufschiebenden Wirkung führt. Zudem ist der in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO in Bezug genommene Rechtsbehelf eindeutig der, der nach Buchst. e Satz 4 der Vorschrift gegen die Mitteilung der Entscheidung an den Asylbewerber eingelegt werden kann, nach deutschem Recht also die Klage. Für diesen Rechtsbehelf sieht Buchst. e Satz 5 ausdrücklich vor, dass er keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung hat; eine Ausnahme hiervon soll nur dann in Betracht kommen, wenn die Gerichte oder zuständigen Stellen dies im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders entscheiden. Im Einklang hiermit legt § 75 AsylVfG fest, dass die Klage gegen Entscheidungen nach dem AsylVfG – abgesehen von den Fällen der §§ 38 Abs. 1, 73, 73b und 73c AsylVfG – keine aufschiebende Wirkung hat; in Betracht kommt lediglich die ausnahmsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Hauptsacheklage im Einzelfall gemäß § 80 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
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Die Richtigkeit dieser Überlegungen wird auch durch eine Folgenbetrachtung bestätigt: Wollte man den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO als Rechtsbehelf im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO ansehen, so würde auch bei einer Stattgabe die Überstellungsfrist zu laufen beginnen und möglicherweise oder sogar regelmäßig vor einer Entscheidung in der Hauptsache ablaufen. Dies wäre sinnwidrig und stünde zudem im Widerspruch dazu, dass nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 – [Petrosian], juris) sowie mehrerer Obergerichte (OVG Münster, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 A 827/14.A –, OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, VGH Mannheim, Urteil vom 19. Juni 2012 – A 2 S 1355/11 –, alle in juris) bei Aussetzung der Vollziehung der Überstellung die Frist erst mit der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren beginnt.
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Dass auch das Unionsrecht klar zwischen dem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung und dem Antrag, die Durchführung einer Überstellungsentscheidung auszusetzen, unterscheidet, ergibt sich im Übrigen aus Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO, insbesondere Buchst. c Satz 1, wonach die betreffende Person „zum Zwecke eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung … die Möglichkeit (hat), bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs … zu beantragen.“
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Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Überstellungsfrist. Diese soll den Mitgliedstaaten Zeit geben, die Modalitäten der Überstellung zu regeln, wozu ihnen grundsätzlich die vollen sechs Monate zur Verfügung stehen sollen (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009, a. a. O.). Als den Fristlauf in Gang setzendes Ereignis sieht Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO regelmäßig die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch den ersuchten Staat an und nur ausnahmsweise dann, wenn dem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung aufschiebende Wirkung zukommt, die abschließende gerichtliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Zwar führt vor diesem Hintergrund § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG, wonach bei rechtzeitiger Stellung des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO die Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig ist, dazu, dass die Beklagte während der bereits laufenden 6-Monats-Frist für die Dauer des Eilverfahrens an der Durchführung der Überstellung gehindert ist. Dadurch wird der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO jedoch noch nicht zu einem Rechtsbehelf im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO. Ein solcher ist – wie bereits dargelegt – nach deutschem Recht allein die Klage. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG alsgesetzlich angeordnetes Vollziehungshindernis vermag insoweit bereits von daher keine andere Betrachtungsweise zu rechtfertigen, als Art. 20 Abs. 1 Buchst. e Satz 5 Dublin II-VO eine ausnahmsweise aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung nur ausnahmsweise für den Fall zulässt, dass die Gerichte oder zuständigen Stellen dies im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts so entscheiden, d. h. eine konkret-individuelle gerichtliche oder behördliche Entscheidung verlangen. Zudem führt § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG aber auch nicht zu einer nach Sinn und Zweck der 6-Monats-Frist ins Gewicht fallenden Schlechterstellung der Beklagten in Bezug auf die ihr für die Organisation und Durchführung der Überstellung zur Verfügung stehende Zeit. Zum einen hindert die bloße Hemmung der Vollziehung die Ausländerbehörde nicht, bis zur Entscheidung über den Eilantrag bereits mit der Vorbereitung der weiterhin zulässigen und lediglich noch nicht durchführbaren Überstellung zu beginnen. Zum anderen beruht die Verkürzung des für die Überstellung zur Verfügung stehenden Zeitraums von sechs Monaten um die Dauer des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auf einer Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, die durch die Dublin II-VO nicht vorgegeben war. § 34a Abs. 2 AsylVfG ist zur Anpassung des AsylVfG an die Vorgaben des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c der Dublin III-VO nämlich bereits durch Gesetz vom 28. August 2013 mit Wirkung vom 6. September 2013 geändert worden, obwohl die entsprechende Regelung der Dublin III-VO erst zum 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist.
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Abgesehen davon wäre im vorliegenden Fall die 6-monatige Frist des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aber auch dann abgelaufen, wenn man mit der Gegenauffassung (vgl. etwa VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, VG Hamburg, Beschluss vom 4. Juni 2014 – 10 AE 2414/14 –, VG München, Gerichtsbescheid vom 28. April 2014 – M 21 K 13.31396 –, VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. April 2014 – 2 L 55/14.A –, VG Ansbach, Beschluss vom 31. März 2014 – AN 9 S 13.31028 –, VG Regensburg, Beschluss vom 13. Dezember 2013 – RO 9 S 13.30618 –, und VG Göttingen, Beschluss vom 28. November 2013 – 2 B 887/13 –, alle in juris) als Rechtsbehelf im Sinne dieser Vorschrift auch den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ansehen oder aber für die Zeit zwischen der Zustellung des Bescheids und der Zustellung der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in entsprechender Anwendung des § 209 BGB eine Ablaufhemmung annehmen wollte (so VGH Mannheim, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, juris, Rn. 36 ff.).
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Danach ist vorliegend im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, so dass weder die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Asylantrages als unzulässig gemäß § 27a AsylVfG noch die für den Erlass einer hieran anknüpfenden Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gegeben sind.
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2. Der sonach rechtwidrige Bescheid bewirkt auch eine Rechtsverletzung des Klägers.
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Zwar besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass es sich bei den Zuständigkeitsregelungen der hier noch anwendbaren Dublin II-VO wie auch der Dublin III-VO vom Grundsatz her um objektive zwischenstaatliche Regelungen handelt, die keine individuelle Rechtsposition begründen.
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Ein Asylbewerber hat demnach grundsätzlich kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, auch der nach der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO zuständige Staat ist.
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Ebenfalls allgemein anerkannt ist, dass etwas anderes jedenfalls dann gilt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem zur Aufnahme bereiten Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel so defizitär sind, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall bei einer Überstellung nach dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde (vgl. dazu etwa EuGH, Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – [Abdullahi], und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6/14 –, mit Anmerkung Berlit, jeweils in juris).
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Ob darüber hinaus weitere Ausnahmen anzuerkennen sind, ist in der Rechtsprechung umstritten.
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Teilweise wird dazu festgestellt, dass der Asylbewerber seiner Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten könne (so etwa EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, a. a. O., BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014, a. a. O., OVG Schleswig, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 2 LA 15/14 –, OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 –, VGH Kassel, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 A 976/14.A –, VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, und OVG Koblenz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13 –, alle in juris).
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Andere lassen demgegenüber bereits den bloßen Ablauf der Überstellungsfrist nach der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO und den hierdurch bewirkten Zuständigkeitsübergang ausreichen, um eine eigene Rechtsverletzung des Betroffenen zu bejahen (so etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 6. August 2013 – 12 S 675/13 –, VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 K 500/14 –, VG Karlsruhe, Beschluss vom 30. November 2014 – A 5 K 2026/14 –, VG Münster, Urteil vom 19. November 2014 – 1 K 1136/14.A –, VG Augsburg, Urteil vom 11. September 2014 – Au 7 K 14.50016 –, VG Köln, Urteil vom 27. August 2014 – 3 K 411/14.A –, VG Cottbus, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 1 L 174/14.A –, VG Göttingen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 B 86/14 –, VG Magdeburg, Urteil vom 28. Februar 2014 – 1 A 413/13 –, und VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012 – 10 A 227/11 –, alle in juris).
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Wieder andere stellen darauf ab, ob die Überstellung trotz Fristablaufs noch zeitnah möglich ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, juris Rn 59), das Verfahren sich als überlang erweist (so etwa VG Oldenburg, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 11 B 454/15 –, VG Augsburg, Urteil vom 15. Mai 2015 – Au 5 K 15.50002 –, und VG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2014 – A 12 K 383/14 –, alle in juris) oder der ursprünglich zuständige Mitgliedstaat trotz der abgelaufenen Überstellungsfrist noch zur Übernahme des Betroffenen bereit ist (VGH München, Urteil vom 20. Mai 2015 – 11 ZB 14.50036 –, VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 3. November 2014 – RO 9 K 14.30260 –, VG Würzburg, Beschluss vom 30. Oktober 2014 – W 3 E 14.50144 –, VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, und VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, alle in juris).
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Zum Teil wird schließlich zur Begründung einer subjektiven Rechtsverletzung auch unmittelbar an eine durch die Unzulässigkeitsentscheidung drohende Gefährdung oder Verletzung des Asylgrundrechts angeknüpft (VG Hannover, Beschluss vom 10. November 2014 – 1 B 12764/14 –, VG Ansbach, Urteil vom 8. Oktober 2014 – AN 10 K 14.30043 –, und VG Osnabrück, Beschluss vom 19. Februar 2014 – 5 B 12/14 –, alle in juris).
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Unter Berücksichtigung aller in der vorgenannten Rechtsprechung diskutierten Aspekte gelangt der erkennende Senat zu der Auffassung, dass vorliegend der Kläger angesichts des zwischenzeitlichen Übergangs der Zuständigkeit auf die Beklagte durch die Unzulässigkeitsentscheidung und die Anordnung der Abschiebung nach Italien in seinen Rechten verletzt ist.
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Dabei kann offen bleiben, ob bereits die Regelungen der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO als solche generell oder jedenfalls in Ausnahmesituationen Individualschutz entfalten.
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Hierfür lässt sich immerhin anführen, dass mit den Zuständigkeitsregeln der Dublin II-VO (vgl. dort Erwägung 4) wie auch der Dublin III-VO (dort Erwägung 5) ausdrücklich bezweckt wird, einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft bzw. zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, a. a. O., Rn 53:
- 47
„... wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (Urteil N. S. u. a., Randnr. 79)“.
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Zwar kommt der EuGH in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a. a. O.) zu dem Ergebnis, dass Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO in der dort entschiedenen Fallkonstellation einer vorliegenden Zustimmung des ersuchten Mitgliedsstaates zur Aufnahme des Betroffenen nur insoweit individualschützende Wirkung entfalte, als systemische Mängel des Asylerfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedsstaat geltend gemacht würden:
- 50
„62. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 dahin auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise des Asylbewerbers in das Unionsgebiet, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden.“
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Der EuGH hat damit jedoch nicht zu der Frage Stellung genommen, welche Rechtspositionen einem Asylbewerber in den Fällen zustehen, in denen die durch ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung begründete Zuständigkeit eines um Aufnahme bzw. Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaates wegen der Nichteinhaltung von Überstellungsfristen auf den ersuchenden Staat übergegangen ist. Es kann auch nicht angenommen werden, dass der ersuchte Mitgliedstaat, der eine Zustimmungserklärung abgegeben hat, unbefristet zur Aufnahme des Asylbewerbers bereit ist. Die Zustimmungsklärung ist vielmehr im Kontext der Bestimmungen der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO zu sehen, wonach Zuständigkeiten auch wieder entfallen, wenn Fristen nicht eingehalten werden (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 K 500/14 –, juris, Rn. 34 f.). Die Feststellungen des EuGH schließen es mithin nicht aus, dass der Asylbewerber in den Fällen, in denen von einer Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaates nicht mehr ausgegangen werden kann, auch sonstige Gründe gegen die Entscheidung über den zuständigen Mitgliedsstaat geltend machen kann, so z. B. einen Anspruch auf Prüfung seines Schutzgesuches in der Sache in angemessener Zeit.
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Eine entsprechende Sichtweise hat auch der Generalanwalt in seinem Schlussantrag vom 11. Juli 2013 zur Rechtssache C-394/12 (Abdullahi), vertreten. Dort heißt in den Randnummern 44 und 46 wie folgt:
- 53
„Meines Erachtens kann dieser Rechtsbehelf nur die Einhaltung der Verordnung im Hinblick auf zwei Aspekte zum Gegenstand haben: (A) das Vorliegen von Umständen, die die Vermutung der Wahrung der Grundrechte widerlegen können, auf der das System der Union beruht, und (B) die Anerkennung bestimmter spezieller Rechte durch die Verordnung Nr. 343/2003, die mit dem eigentlichen Asylrecht einhergehen, und ihre entsprechende Gewährleistung.“
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„Der zweite Aspekt besteht meines Erachtens in den Rechten, die die Verordnung Nr. 343/2003 dem Asylbewerber speziell im Verlauf des Verfahrens zur Bestimmung des für die Prüfung seines Antrags zuständigen Mitgliedsstaats gewährt. So verhält es sich mit den Rechten im Hinblick auf die Familienzusammenführung (Art. 7, 8, 14, 15), den Rechten bei Minderjährigkeit (Art. 6) oder den Rechten im Zusammenhang mit einem zügigen Verfahren (Einhaltung von Fristen und Umsetzung der in jedem einzelnen Fall vorgesehenen Rechtsfolgen, wie z.B. Art. 19 Abs. 4). Alles dieses sind Rechte, die letztlich über die Rechtsstellung der Mitgliedsstaaten im Bereich der durch die Verordnung Nr. 343/2003 geregelten Beziehungen hinausgehen und die dem Asylbewerber ein spezifisches und eigenes subjektives Recht verleihen, das sich zudem stets auf einen durch eine Grundrechtsgarantie geschützten Bereich bezieht: das Recht auf Schutz des Familienlebens (Art. 7 und 33 der Charta der Grundrechte), das Recht auf Schutz von Kindern (Art. 24 der Charta der Grundrechte) und das Recht auf eine gute Verwaltung (Art. 41 der Charta der Grundrechte). Es handelt sich bei diesen Rechten letzten Endes nicht um einen bloßen Anspruch auf ordnungsgemäße Abwicklung eines Verfahrens, in dem hauptsächlich die Mitgliedsstaaten betreffende Fragen gelöst werden, sondern um den Anspruch darauf, dass bei der Lösung dieser Fragen bestimmte Rechte und Interessen beachtet werden, die Schutzgegenstand bestimmter Grundrechte sind.“
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Letztlich bedarf die Frage nach einem bereits aus der Dublin II-VO selbst ableitbaren Individualschutz vorliegend aber keiner abschließenden Klärung, da sich ein solcher bereits aus dem materiellen Recht, namentlich dem Asylrecht, ergibt.
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Hat nämlich das Bundesamt einen Asylantrag unter Hinweis auf die nach der Dublin II-VO bzw. Dublin III-VO bestehende Zuständigkeit eines anderen Staates in Anwendung des § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und ist im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Zuständigkeit wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen, so kann der Betroffene dann, wenn man ihm insoweit kein subjektives Recht zuerkennt und dementsprechend die Klage gegen die Entscheidung nach § 27a AsylVfG mangels Rechtsverletzung abweist, letztlich seinen Anspruch auf die ihm durch Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) sowie Art. 3 Abs. 1 der Dublin II-VO bzw. Dublin III-VO garantierte Überprüfung seines Begehrens durch einen Mitgliedstaat nicht mehr wirksam durchsetzen: Die Beklagte kann sich auf die bestandskräftige Ablehnung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Antrages als unzulässig berufen. Eine Rückkehr in den ursprünglich zuständigen Staat hilft ihm ebenfalls nicht weiter, da er dort wegen der auf die Beklagte übergegangenen Zuständigkeit keinen Anspruch auf Prüfung seines Antrages mehr hat. Und auch ein Weiterwandern in einen dritten Mitgliedstaat führt nicht weiter, weil auch dieser sich auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland berufen kann (vgl. zum Ganzen etwa VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 K 500/14 –, VG Würzburg, Urteil vom 30. Oktober 2014 – W 3 14.50144 –, VG Ansbach, Urteil vom 8. Oktober 2014 – AN 10 K 14.30043 –, VG Köln, Urteil vom 27. August 2014 – 3 K 411/14.A –, VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, und VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –).
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Bereits von daher muss dem Betroffenen auch dann, wenn man eine entsprechende subjektiv-rechtliche Berechtigung nicht bereits unmittelbar den Regelungen der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO entnehmen will, eine solche letztlich jedenfalls als notwendiger Bestandteil des materiellen Asylrechts zuerkannt werden (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 – 22 K 2262/14.A –, VG Hannover, Beschluss vom 10. November 2014 – 1 B 12764/14 –, VG Regensburg, Urteil vom 23. Oktober 2014 – RN 3 K 14.30180 –, alle in juris, sowie BeckOK AuslR / Günther AsylVfG § 27a Rn. 39).
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Soweit dem in der Rechtsprechung teilweise entgegen gehalten wird, dass der ursprünglich zuständige Staat ja möglicherweise trotz des Zuständigkeitswechsels noch zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit sei – etwa, weil unklar sei, wie sich ein zwischenzeitlich durchgeführtes Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auf die Überstellungsfrist auswirke – und sich der Betroffene dann, wenn ihn dieser ursprünglich zuständige Mitgliedstaat (wieder) aufnehme, nach der Rechtsprechung des EuGH auch nicht auf dessen fehlende Zuständigkeit berufen könne (so etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Juni 2015 – 11 LB 248/11 –, OVG Schleswig, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 2 LA 17/15 –, VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, und VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, alle in juris), erscheint dies zwar im Einzelfall durchaus denkbar.
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Der Regelfall wird dies jedoch – insbesondere auch unter den im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aktuell obwaltenden tatsächlichen Umständen – nicht sein.
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Dagegen spricht bereits generell die praktische Erwägung, dass ein Mitgliedstaat sich schon im Hinblick auf die mit jedem Asylverfahren verbundenen finanziellen und administrativen Belastungen schwerlich entschließen wird, Asylbewerber auch dann noch aufzunehmen, wenn er hierfür nach den einschlägigen Vorschriften gar nicht mehr zuständig ist (VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, juris, Rn. 44).
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Daran ändert auch eine möglicherweise auf das Wiederaufnahmeersuchen hin ergangene Zustimmungserklärung nichts, da diese – wie bereits ausgeführt – im Kontext der Bestimmungen der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO zu sehen ist, wonach Zuständigkeiten auch wieder entfallen, wenn Fristen nicht eingehalten werden.
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Zusätzliches Gewicht erhält die daraus resultierende Annahme, dass in einer Vielzahl der Aufnahme-/Wiederaufnahmeverfahren, in denen die Überstellungsfrist abgelaufen ist, der ursprünglich zuständige Mitgliedstaat sich hierauf auch berufen und eine Übernahme des Betroffenen ablehnen wird, angesichts der in den letzten Monaten stark angestiegenen und auch aktuell weiterhin ansteigenden Asylbewerberzahlen (vgl. etwa dpa-Meldung vom 31. Juli 2015 „Asylbewerber-Zahl steigt im Juli auf Rekordhoch“) und einer damit einhergehenden Erschöpfung der Aufnahmekapazitäten insbesondere der an den südlichen Außengrenzen der EU gelegenen Mitgliedstaaten. Dies gilt umso mehr, als es sich dabei in der Praxis häufig – wie auch hier – zugleich um die nach der Dublin II-VO bzw. nach der Dublin III-VO ursprünglich zuständigen Mitgliedstaaten handelt. Insoweit wird derzeit diskutiert, Flüchtlinge von dort auf andere Mitgliedstaaten umzuverteilen (siehe z. B. Spiegel Online vom 20. Juli 2015 „EU-Minister verpassen Einigung in Flüchtlingsfrage“). Dass die betreffenden Staaten das so angestrebte Ziel ihrer Entlastung durch die (Wieder-)Aufnahme von Flüchtlingen konterkarieren werden, für deren Verfahren sie nach den Dublin-Verordnungen gar nicht mehr zuständig sind, steht nach der Lebenserfahrung kaum zu erwarten.
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Danach kann nicht quasi von einer Vermutung einer über das Erlöschen seiner Zuständigkeit nach der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO hinaus fortbestehenden Aufnahmebereitschaft des ursprünglich zuständigen Mitgliedstaates ausgegangen werden. Im Gegenteil wird man für den Regelfall vielmehr davon auszugehen haben, dass der wegen Ablaufs der Überstellungsfrist nunmehr nicht mehr zuständige Mitgliedstaat sich auch entsprechend der Zuständigkeitsregelung verhalten, d. h. den Betroffenen nach Erlöschen seiner Verpflichtung hierzu nicht (wieder) aufnehmen wird, und mithin im Falle einer Bestandskraft der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 27a AsylVfG diesem die materielle Überprüfung seines Asylbegehrens letztlich insgesamt versagt bleiben könnte.
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Nach alledem wird man letztlich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 10. Dezember 2013 – C 394/12 – [Abdullahi]) eine Rechtsverletzung des Asylbewerbers durch eine objektiv rechtswidrige Entscheidung des Bundesamtes nach § 27a AsylVfG in den Fällen einer nach vorheriger Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates abgelaufenen Überstellungsfrist nur dann verneinen können, wenn der ursprünglich zuständige Staat im gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt in hinreichend eindeutiger Weise – in allgemeiner Form wie z. B. einem Abkommen für bestimmte Fälle oder aber im Einzelfall – zu erkennen gegeben hat, weiterhin zur Aufnahme bereit zu sein (in diesem Sinne auch etwa VGH München, Urteil vom 20. Mai 2015 – 11 ZB 14.50036 –, VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 – A 11 S 121/15 –, VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 K 500/14 –, VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, alle in juris).
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist für den vorliegenden Fall in Ermangelung jeglichen Hinweises auf eine möglicherweise auch nach dem Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte noch fortbestehende Aufnahmebereitschaft des italienischen Staates von einer durch den objektiv rechtswidrigen Bescheid des Bundesamtes vom 14. Februar 2014 bewirkten Verletzung des Klägers in seinen Rechten auszugehen.
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3. Der angefochtene Bescheid kann schließlich nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. etwa VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 – A 11 S 121/15 –, VGH München, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 13a ZB 14.50068 –, OVG Hamburg, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 Bf 208/14.AZ –, OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 –, OVG Saarlouis, Beschluss vom 12. September 2014 – 2 A 191/14 –, OVG Münster, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, sowie z. B. VG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2015 – 33 K 386.13 A –, juris, Rn. 17 ff., mit weiteren Nachweisen), der sich der Senat anschließt, auch nicht in eine rechtmäßige Ablehnung eines Zweitantrages nach § 71a AsylVfG in Verbindung mit einer Abschiebungsanordnung oder einer Abschiebungsandrohung gemäß § 71a Abs. 4 i. V. m. § 34a bzw. § 34 AsylVfG umgedeutet werden.
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Dem steht in Bezug auf Ziffer 1 des Bescheides schon in prozessualer Hinsicht entgegen, dass die Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 27a AsylVfG – wie bereits eingangs dargelegt – nach ganz herrschender Meinung als Anfechtungsklage zulässig ist. Im Falle der Ablehnung eines Zweitantrages wäre die statthafte Klageart demgegenüber die Verpflichtungsklage, so dass bei einer entsprechenden Umdeutung über den gemäß § 88 VwGO allein von der Klägerseite zu bestimmenden Streitgegenstand hinausgegriffen würde (vgl. VGH München und OVG Saarlouis, jeweils a. a. O.).
- 68
Überdies ginge dem Kläger ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien wie der Verpflichtung zur persönlichen Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG und dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ausgestattet ist (VGH München, Urteil vom 28. Februar 2014 – 13a B 13.30295 –, juris, Rn. 6) und das Gericht würde im Ergebnis nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren, sondern sich anstelle der Exekutive erstmals mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden, was unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung zumindest bedenklich erschiene (VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20 m. w. N.).
- 69
Zudem sind aber auch die Voraussetzungen für eine Umdeutung gemäß § 47 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – nicht gegeben. Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Nicht zulässig ist eine Umdeutung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts.
- 70
Demgegenüber sind die Feststellung der Unzulässigkeit nach § 27a AsylVfG und die Entscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG bereits nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Während erstere der Feststellung dient, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern ein anderer Staat für die Durchführung zuständig ist, das Asylbegehren also nicht inmitten steht, hat die zweite Variante die Prüfung zum Gegenstand, ob Gründe im Sinne des § 51 Abs. 1 – 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vorliegen (VGH München, VGH Mannheim, jeweils a. a. O.).
- 71
Nicht auf das gleiche Ziel gerichtet wäre im Falle einer Umdeutung auch die Ziffer 2 des Bescheides. Diese würde sich nunmehr nicht mehr auf Italien als den ursprünglich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat beziehen können, sondern müsste in der Situation eines abgelehnten Zweitantrages gemäß § 71a Abs. 4 i. V. m. den §§ 34 bis 36 AsylVfG als Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat – hier also den Iran – ausgelegt werden (VG Kassel, Urteil vom 10. Juni 2015 – 3 K 211/14.KS.A. –, juris; VG Berlin, a. a. O., Rn. 18).
- 72
Darüber hinaus würde eine entsprechende Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht widersprechen, den Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell zu prüfen (VGH München, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 13a ZB 14.50068 –, VG Regensburg, Urteil vom 21. Oktober 2014 – RO 9 K 14.30217, beide in juris).
- 73
Zudem wären schließlich im Falle der Umdeutung der Unzulässigkeitsentscheidung in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG dessen Rechtsfolgen ungünstiger als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Während ein Verwaltungsakt nach § 27a AsylVfG gemäß § 34a AsylVfG die Anordnung der Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat zur Folge hat, wo der Betroffene – etwa durch Stellung eines Folgeantrages – nach Maßgabe entsprechender nationaler Regelungen weiterhin um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachsuchen kann, geht mit dem Erlass eines die Voraussetzungen des § 71a AsylVfG verneinenden Bescheids die in aller Regel unmittelbar den Herkunftsstaat benennende Abschiebungsandrohung einher (VGH München, Urteil vom 18. Mai 2015 – 11 ZB 14.50080 –, juris, Rn. 13, VGH Mannheim, a. a. O., Rn. 41).
- 74
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
- 75
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat die Sache im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die Berufung bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung mehr, weil die Dublin III-VO mittlerweile seit mehr als 18 Monaten in Kraft ist und sich deshalb die Frage nach einem durch die Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO bewirkten Individualschutz schon von daher allenfalls noch in einer überschaubaren Zahl weiterhin anhängiger Verfahren stellen dürfte.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 2400/15.A hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Februar 2015 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Die Einzelrichterin ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für die Entscheidung zuständig (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG).
3Der am 10. Februar 2015 gestellte Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 2400/15.A hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Februar 2015 anzuordnen,
5hat Erfolg.
6Er ist zulässig, insbesondere hat der Antragsteller die Wochenfrist zur Stellung des Antrages gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG eingehalten. Der Bescheid vom 26. Februar 2015 wurde ihm erst am 18. März 2015 entsprechend der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG persönlich zugestellt, weil der Asylantrag inhaltlich nach § 27a AsylVfG abgelehnt wurde. Der Antragsteller hat am 25. März 2015 und damit fristgerecht den Eilantrag bei Gericht gestellt.
7Er ist auch begründet.
8Die vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich - nicht ausschließlich - an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen,
9vgl. zum Maßstab VG Düsseldorf, Beschluss vom 1. August 2014 – 8 L 1195/14.A – m.w.N..
10Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten der Antragsgegnerin aus, denn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) kann die Einzelrichterin bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend feststellen, ob die angegriffene Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag des Antragstellers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abzulehnen und gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG seine Abschiebung nach Malta anzuordnen, rechtmäßig ist oder nicht. Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage sind aus den nachfolgenden Gründen vielmehr als offen zu bezeichnen. Eine Klärung muss insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
11Die 13. Kammer des beschließenden Gerichts hat hierzu mit Beschluss vom 2. Februar 2015 (13 L 2852/14.A) wie folgt ausgeführt:
12„Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt, wenn der Antragsteller in einen nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
13Zwar ist die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass Malta grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständige Mitgliedstaat ist (1.). Dagegen ist derzeit als offen anzusehen, ob der Antragsteller deshalb nicht in den an sich zuständigen Mitgliedstaat Malta abgeschoben werden darf, die Abschiebung also rechtlich unmöglich i.S.v. § 34a Absatz 1 Satz 1 a.E. AsylVfG ist, weil systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Malta ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) bzw. Artikel 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgesetzt zu werden (2.).
141. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), welche gemäß ihres Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung findet, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden. Der Antragsteller hat seinen Asylantrag am 3. Juli 2014 gestellt.
15Nach den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO ist Malta der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags.
16Der Antragsteller hat ausweislich der Meldung aus der Eurodac-Datenbank (Treffer MT10938/11) in Malta einen Asylantrag gestellt. Auf das vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Antragstellers vom 3. September 2014 hat Malta am 16. September 2014, und damit innerhalb der nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 Dublin III-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für den Asylantrag des Antragstellers erklärt. Malta ist daher gemäß Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
172. Allerdings bedarf es vorliegend weiterer – dem Hauptsacheverfahren vorbehaltener – Aufklärung, ob die Antragsgegnerin deshalb an der Überstellung des Antragstellers nach Malta gehindert ist, weil das maltesische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufweist,
18EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C/411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
19Zwar besteht kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. Denn die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 ff. Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
20vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 57 f.
21Eine Rückführung von Asylbewerbern in einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens ist aber – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO – dann unzulässig, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK ausgesetzt zu werden,
22EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
23Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
24EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
25Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
26Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
27Im Eilverfahren bedeutet dies, dass das erkennende Gericht bei der nur möglichen summarischen Prüfung anhand der tatsächlichen Erkenntnislage im Zeitpunkt seiner Entscheidung festzustellen hat, ob der aufnehmende Mitgliedstaat trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens seine Verpflichtungen jedenfalls soweit einhält, dass eine Rückführung zumutbar erscheint.
28Verwaltungsgericht Berlin, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 23 L 899.14 A –, juris, Rn. 6 m.w.N. und 4. August 2014 – 34 L 78.14 A –, juris, Rn. 9.
29Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
30EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
31Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen.
32Bei der Bewertung der in Malta anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
33vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
34Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die wie der Antragsteller vor der Ausreise aus Malta dort bereits einen ersten Asylantrag gestellt haben.
35Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort,
36vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C 411/10 et. al. –, juris, Rn. 90 ff.
37Auf der Grundlage der der Kammer vorliegenden sowie sonstiger veröffentlichter und leicht zugänglicher Erkenntnisse ergeben sich bei der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung Anhaltspunkte für mit europäischem Recht nicht in Einklang stehende Aufnahmebedingungen in Malta, die weiterer – dem Hauptsacheverfahren vorbehaltener – Aufklärung bedürfen.
38Dabei geht das Gericht bei der Bewertung der aktuellen Erkenntnismittel von den sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebenden Maßstäben für eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-GR-Charta aus.
39Sowohl Artikel 3 EMRK als auch Artikel 4 EU-GR-Charta verbieten eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Eine Behandlung ist „unmenschlich”, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. „Erniedrigend” ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. Es kann ausreichen, dass ein Opfer in seinen Augen erniedrigt ist, auch wenn andere das nicht so sehen. Ob Zweck der Behandlung war, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, ist zu berücksichtigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließt das die Feststellung einer Verletzung von Artikel 3 EMRK nicht zwingend aus.
40EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.
41Die Inhaftierung einer Person begründet als solche keine Verletzung des Artikels 3 EMRK. Indes verpflichtet Artikel 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind.
42Vgl. EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, juris, Rn 221, und 15. Juli 2002 – 47095/99 –, Rn. 95.
43Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards. Haft darf danach nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, bei Fluchtgefahr im Falle notwendiger Beweissicherung, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Artikel 8 Absatz 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Artikel 9 Absatz 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Artikel 9 Absatz 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Artikel 10 Absatz 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Artikel 11 AufnahmeRL).
44Gemessen hieran liegen nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln erhebliche Anhaltpunkte dafür vor, dass jedenfalls die Haftpraxis Maltas Asylbewerbern gegenüber nicht im Einklang mit internationalem und europäischem Recht steht.
45Zu der zusätzlichen Annahme unzureichender Haftbedingungen vgl. Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2014 – A 8 K 345/14 –, juris, Rn. 11; Verwaltungsgericht Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 23. Juli 2014 – 12 B 1217/14 –, juris, Rn. 27 m.w.N.
46Zu der Inhaftierungspraxis Maltas lassen sich derzeit folgende – vorläufige – Feststellungen treffen:
47Ausweislich verschiedener dem Gericht vorliegender Auskünfte werden in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, systematisch und routinemäßig inhaftiert. Rechtsgrundlage hierfür sei das Migrationsgesetz Maltas (Immigration Act, Chapter 217 of the Laws of Malta, im Folgenden: „Immigration Act“), welches nicht zwischen Migranten und Flüchtlingen, die um internationalen Schutz nachsuchen, bzw. Asylbewerbern unterscheide. Danach gölten alle irregulär Eingereisten („prohibited immigrant“ i.S.v. Artikel 5 Immigration Act) als Personen ohne Einreise- bzw. Aufenthaltsbefugnis. Ihnen gegenüber ergehe auf der weiteren Grundlage der Verwaltungsvorschrift „Policy Documents 2005“ eine Zugangsverweigerungs- oder Ausweisungsverfügung mit Haftanordnung von unbestimmter Dauer (vgl. Artikel 14 Absatz 2 Immigration Act). Anders sehe es nur – bei einem kleinen Prozentsatz – der Ausländer aus, die Asyl beantragen, bevor sie von der Ausländerbehörde wegen illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt festgenommen werden. Insoweit werde von einer Inhaftierung bis zum Vorliegen der Entscheidung über ihren Asylantrag abgesehen. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung treffe (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen („Verletzliche“) wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern könne. Dabei würden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne Weiteres erkennbar sei, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Das Migrationsgesetz enthalte keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Sei über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden, erfolge die Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkenne. Abschiebehaft sei ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt.
48vgl. AIDA, Asylum Information Database, “National Country Report Malta” vom Mai 2014, S. 49 f.; Gemeinsame Publikation UNHCRs und des Europäischen Parlaments „know the facts“ vom 9. April 2014, S. 8; Global Detention Project „Immigration Detention in Malta“ vom Januar 2014, S. 4 ff.; UNHCR „UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta“ vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) „Protection Interrupted, National Report Malta“ vom Juni 2013 S. 5 ff.
49Zudem deuten die dem Gericht vorliegenden Auskünfte darauf hin, dass die bestehenden gesetzlichen und administrativen Regelungen keine effektiven und zügig durchgeführten Verfahren zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit und Angemessenheit der Inhaftierung bieten. Das maltesische Recht sehe keine automatische gerichtliche Überprüfung der Haft vor. Gemäß Artikel 25A Immigration Act bestehe lediglich die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Abschiebungsanordnung einzulegen. Eine solche ist binnen 3 Tagen seit der Ausstellung der Abschiebungsanordnung bei der Beschwerdeinstanz, bestehend aus einem Anwalt, einer in Einwanderungsfragen versierten Person und einer dritten Person, einzulegen. In der Praxis gebe es keine Frist, innerhalb derer über die Beschwerde zu entscheiden sei. Entscheidungen hätten bis zu dreieinhalb Monaten gedauert und es werde nur in Ausnahmefällen die Haftanordnung aufgehoben. Daneben bestehe gemäß Artikel 409A des maltesischen Strafgesetzbuchs („Criminal Code“ von 1854, Chapter 9 of Laws of Malta) die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung vor dem Amtsgericht („Court of Magistrates“) anzufechten. Aber auch dieser Rechtsbehelf sei wenig effektiv, weil das Gericht davon ausgehe, dass die Inhaftierung auf Grundlage des Immigration Act rechtmäßig sei. Nach Auffassung des Gerichts sei eine weitergehende Überprüfung hinsichtlich anderer Umstände (wie zum Beispiel die Grundrechte), die zur Rechtswidrigkeit der Inhaftierung führten, nicht vom Prüfungsumfang erfasst. Schließlich könne die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung auch im Hinblick auf Artikel 34 der maltesischen Verfassung angefochten werden. Allerdings werde die Inhaftierung für erforderlich gehalten, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten. Gerichtsverfahren dieser Art würde Monate, wenn nicht Jahre, dauern. Hinzu komme, dass Asylsuchende von den bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten nicht hinreichend informiert seien und kein ausreichender Zugang zu Rechtsanwälten bestünde.
50AIDA, Asylum Information Database, “National Country Report Malta” vom Mai 2014, S. 55 ff.; Global Detention Project „Immigration Detention in Malta“ vom Januar 2014, S. 7; UNHCR „UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta“ vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) „Protection Interrupted, National Report Malta“ vom Juni 2013, S. 5 f.; Vgl. EGMR, Urteil vom 9. Dezember 2013 – 55352/12 –, Rn. 108 m.w.N.
51Zu der speziellen – und vorliegend allein maßgeblichen – Situation von Dublin- Rückkehreren liegen dem Gericht lediglich folgende vorläufige Erkenntnisse vor:
52Verlasse ein Asylsuchender Malta ohne eine entsprechende Genehmigung, gebe es Schwierigkeiten nach der Rücküberstellung Zugang zum Asylverfahren zu erhalten. Denn der in Malta gestellte Asylantrag gelte infolge der Ausreise als stillschweigend zurückgenommen. Zwar bestehe für Dublin-Rückkehrer die Möglichkeit, die Wiedereröffnung ihres Verfahrens zu beantragen (Folgeantrag). Während der – zum Teil mehrere Monate dauernden – Überprüfung des Folgeantrags durch die zuständige Flüchtlingskommission könnten die Antragsteller indes in ihren Heimatstaat abgeschoben werden. Hinzukomme, dass Asylbewerber, die auf irreguläre Weise Malta verlassen, Gefahr liefen, auf der Grundlage des Zuwanderungsgesetzes verhaftet und vor dem Strafgericht angeklagt zu werden. Während der Dauer des Strafverfahrens blieben die Asylbewerber in der Justizvollzugsanstalt inhaftiert.
53vgl. AIDA, Asylum Information Database, “National Country Report Malta” vom Mai 2014, S. 21 f.
54Dahingestellt bleiben kann, ob und inwieweit die strafrechtliche Inhaftierung aufgrund einer illegalen Ausreise aus Malta die Annahme von systemischen Mängeln des Asylverfahrens zu begründen vermag bzw. inwieweit Dublin-Rückkehrer stattdessen infolge der Versetzung in den Stand vor ihrer Ausreise wegen illegaler Einreise inhaftiert werden.
55Vgl. insoweit VG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2014 – A 8 K 345/14 –, juris, Rn. 11.
56Jedenfalls bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Ankunft in Malta grundsätzlich einem hohen Risiko längerfristiger Inhaftierung ohne hinreichende Rechtschutzmöglichkeiten und der Gefahr entgegen des Refoulement-Verbots in ihr Herkunftsland, ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag, abgeschoben zu werden, ausgesetzt sind. Vorbehaltlich der Bestätigung und Konkretisierung dieser Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren ist daher jedenfalls im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass eine solche Behandlung von Asylbewerbern, mit der sie der Willkür der zuständigen Behörden ausgesetzt werden und letztlich zum reinen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt werden, die für eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-Gr-Charta erforderliche Schwere aufweisen dürfte, sodass es jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht mehr darauf ankommt, ob auch die konkreten Haftbedingungen selbst inhaftierten Asylbewerbern weiteren Leiden und Härten unterwerfen, die das mit einer Haft unvermeidbare Maß übersteigen.“
57Dem schließt sich die Einzelrichterin der beschließenden Kammer an.
58Vor diesem Hintergrund überwiegt das Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung der Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse.
59Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
60Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Tenor
1. Dem Kläger wird für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt I. aus Bad C. bewilligt.
2. Die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Klage (13 K 8054/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. November 2014 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 25. November 2014 sinngemäß bei Gericht gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage (13 K 8054/14.A) gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. November 2014 anzuordnen,
4hat Erfolg. Er ist zulässig (I.) und begründet (II.).
5I. Der hier gestellte Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Absatz 2 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nummer 27 Buchstabe b des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Absatz 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsanordnung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO in Verbindung mit § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 14. November 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde wurde der streitgegenständliche Bescheid dem Antragsteller am 18. November 2014 gemäß §§ 31 Absatz 1 Satz 4, 10 Absatz 5 in Verbindung mit § 180 Zivilprozessordnung durch Einlegen in den zur Wohnung des Antragstellers gehörenden Briefkasten persönlich zugestellt. Die einwöchige Antragsfrist begann demnach gemäß §§ 57 Absatz 2 VwGO, 222 Absatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) und 187 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) am 19. November 2014 zu laufen und endete gemäß §§ 57 Absatz 2 VwGO, 222 Absatz 1 ZPO und 188 Absatz 1 BGB mit Ablauf des 25. November 2014. Der Antragsteller hat am 25. November 2014 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt und am 2. Dezember – mithin innerhalb der zweiwöchigen Klagefrist des § 74 AsylVfG – Klage erhoben.
7II. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
8Die im summarischen Eilverfahren gebotene Abwägung des öffentlichen Interesses der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers fällt zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Absatz 1 Satz 1 AsylVfG) kann das Gericht bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht abschließend feststellen, ob die angegriffene Entscheidung des Bundesamtes, den Asylantrag des Antragstellers gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abzulehnen und gemäß § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG seine Abschiebung nach Malta anzuordnen, rechtmäßig ist oder nicht. Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage sind aus den nachfolgenden Gründen vielmehr als offen zu bezeichnen. Eine Klärung muss insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Eine Abwägung der widerstreitenden Belange, nämlich einer Gefährdung der Rechtsgüter des Antragstellers einerseits und des nur zeitlich gefährdeten Abschiebungsinteresses der Antragsgegnerin andererseits, führt aber bei offenem Ausgang der streitigen Frage zu einem Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers. Denn jenes Interesse hat gegenüber dem Anspruch des Antragstellers auf einen Schutz entsprechend den im Europäischen Unionssrecht vereinbarten Mindeststandards zurückzutreten.
9Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Absatz 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt, wenn der Antragsteller in einen nach § 27a AsylVfG für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
10Zwar ist die Antragsgegnerin zutreffend davon ausgegangen, dass Malta grundsätzlich der für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständige Mitgliedstaat ist (1.). Dagegen ist derzeit als offen anzusehen, ob der Antragsteller deshalb nicht in den an sich zuständigen Mitgliedstaat Malta abgeschoben werden darf, die Abschiebung also rechtlich unmöglich i.S.v. § 34a Absatz 1 Satz 1 a.E. AsylVfG ist, weil systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Malta ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) bzw. Artikel 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgesetzt zu werden (2.).
111. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), welche gemäß ihres Artikel 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung findet, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden. Der Antragsteller hat seinen Asylantrag am 3. Juli 2014 gestellt.
12Nach den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO ist Malta der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags.
13Der Antragsteller hat ausweislich der Meldung aus der Eurodac-Datenbank (Treffer MT10938/11) in Malta einen Asylantrag gestellt. Auf das vom Bundesamt gestellte Ersuchen um Wiederaufnahme des Antragstellers vom 3. September 2014 hat Malta am 16. September 2014, und damit innerhalb der nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 Dublin III-VO im Falle eines Eurodac-Treffers maßgeblichen Frist von 2 Wochen nach Stellung des Wiederaufnahmeersuchens, seine Zuständigkeit für den Asylantrag des Antragstellers erklärt. Malta ist daher gemäß Artikel 29 Absatz 1 Unterabsatz 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
142. Allerdings bedarf es vorliegend weiterer – dem Hauptsacheverfahren vorbehaltener – Aufklärung, ob die Antragsgegnerin deshalb an der Überstellung des Antragstellers nach Malta gehindert ist, weil das maltesische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufweist,
15EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C/411/10 et al. –, juris, Rn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413.
16Zwar besteht kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. Denn die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Artikel 9 ff. Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
17vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11 –, juris, Rn. 57 f.
18Eine Rückführung von Asylbewerbern in einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens ist aber – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO – dann unzulässig, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass Asylbewerber tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK ausgesetzt zu werden,
19EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
20Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
21EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 86.
22Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
23Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rn. 6 m.w.N.
24Im Eilverfahren bedeutet dies, dass das erkennende Gericht bei der nur möglichen summarischen Prüfung anhand der tatsächlichen Erkenntnislage im Zeitpunkt seiner Entscheidung festzustellen hat, ob der aufnehmende Mitgliedstaat trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens seine Verpflichtungen jedenfalls soweit einhält, dass eine Rückführung zumutbar erscheint.
25Verwaltungsgericht Berlin, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 – 23 L 899.14 A –, juris, Rn. 6 m.w.N. und 4. August 2014 – 34 L 78.14 A –, juris, Rn. 9.
26Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Artikel 4 EU-GR-Charta bzw. Artikel 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
27EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rn. 94.
28Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem er die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen.
29Bei der Bewertung der in Malta anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei vorliegend diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können),
30vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris, Rn. 130.
31Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehren zu betrachten, die wie der Antragsteller vor der Ausreise aus Malta dort bereits einen ersten Asylantrag gestellt haben.
32Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort,
33vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C 411/10 et. al. –, juris, Rn. 90 ff.
34Auf der Grundlage der der Kammer vorliegenden sowie sonstiger veröffentlichter und leicht zugänglicher Erkenntnisse ergeben sich bei der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung Anhaltspunkte für mit europäischem Recht nicht in Einklang stehende Aufnahmebedingungen in Malta, die weiterer – dem Hauptsacheverfahren vorbehaltener – Aufklärung bedürfen.
35Dabei geht das Gericht bei der Bewertung der aktuellen Erkenntnismittel von den sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebenden Maßstäben für eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-GR-Charta aus.
36Sowohl Artikel 3 EMRK als auch Artikel 4 EU-GR-Charta verbieten eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Eine Behandlung ist „unmenschlich”, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. „Erniedrigend” ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. Es kann ausreichen, dass ein Opfer in seinen Augen erniedrigt ist, auch wenn andere das nicht so sehen. Ob Zweck der Behandlung war, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, ist zu berücksichtigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließt das die Feststellung einer Verletzung von Artikel 3 EMRK nicht zwingend aus.
37EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.
38Die Inhaftierung einer Person begründet als solche keine Verletzung des Artikels 3 EMRK. Indes verpflichtet Artikel 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind.
39Vgl. EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 – 30696/09 –, juris, Rn 221, und 15. Juli 2002 – 47095/99 –, Rn. 95.
40Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards. Haft darf danach nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, bei Fluchtgefahr im Falle notwendiger Beweissicherung, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Artikel 8 Absatz 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Artikel 9 Absatz 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Artikel 9 Absatz 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Artikel 10 Absatz 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Artikel 11 AufnahmeRL).
41Gemessen hieran liegen nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln erhebliche Anhaltpunkte dafür vor, dass jedenfalls die Haftpraxis Maltas Asylbewerbern gegenüber nicht im Einklang mit internationalem und europäischem Recht steht.
42Zu der zusätzlichen Annahme unzureichender Haftbedingungen vgl. Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2014 – A 8 K 345/14 –, juris, Rn. 11; Verwaltungsgericht Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 23. Juli 2014 – 12 B 1217/14 –, juris, Rn. 27 m.w.N.
43Zu der Inhaftierungspraxis Maltas lassen sich derzeit folgende – vorläufige – Feststellungen treffen:
44Ausweislich verschiedener dem Gericht vorliegender Auskünfte werden in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, systematisch und routinemäßig inhaftiert. Rechtsgrundlage hierfür sei das Migrationsgesetz Maltas (Immigration Act, Chapter 217 of the Laws of Malta, im Folgenden: „Immigration Act“), welches nicht zwischen Migranten und Flüchtlingen, die um internationalen Schutz nachsuchen, bzw. Asylbewerbern unterscheide. Danach gölten alle irregulär Eingereisten („prohibited immigrant“ i.S.v. Artikel 5 Immigration Act) als Personen ohne Einreise- bzw. Aufenthaltsbefugnis. Ihnen gegenüber ergehe auf der weiteren Grundlage der Verwaltungsvorschrift „Policy Documents 2005“ eine Zugangsverweigerungs- oder Ausweisungsverfügung mit Haftanordnung von unbestimmter Dauer (vgl. Artikel 14 Absatz 2 Immigration Act). Anders sehe es nur – bei einem kleinen Prozentsatz – der Ausländer aus, die Asyl beantragen, bevor sie von der Ausländerbehörde wegen illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt festgenommen werden. Insoweit werde von einer Inhaftierung bis zum Vorliegen der Entscheidung über ihren Asylantrag abgesehen. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung treffe (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen („Verletzliche“) wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern könne. Dabei würden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne Weiteres erkennbar sei, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Das Migrationsgesetz enthalte keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Sei über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden, erfolge die Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkenne. Abschiebehaft sei ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt.
45vgl. AIDA, Asylum Information Database, “National Country Report Malta” vom Mai 2014, S. 49 f.; Gemeinsame Publikation UNHCRs und des Europäischen Parlaments „know the facts“ vom 9. April 2014, S. 8; Global Detention Project „Immigration Detention in Malta“ vom Januar 2014, S. 4 ff.; UNHCR „UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta“ vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) „Protection Interrupted, National Report Malta“ vom Juni 2013 S. 5 ff.
46Zudem deuten die dem Gericht vorliegenden Auskünfte darauf hin, dass die bestehenden gesetzlichen und administrativen Regelungen keine effektiven und zügig durchgeführten Verfahren zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit und Angemessenheit der Inhaftierung bieten. Das maltesische Recht sehe keine automatische gerichtliche Überprüfung der Haft vor. Gemäß Artikel 25A Immigration Act bestehe lediglich die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Abschiebungsanordnung einzulegen. Eine solche ist binnen 3 Tagen seit der Ausstellung der Abschiebungsanordnung bei der Beschwerdeinstanz, bestehend aus einem Anwalt, einer in Einwanderungsfragen versierten Person und einer dritten Person, einzulegen. In der Praxis gebe es keine Frist, innerhalb derer über die Beschwerde zu entscheiden sei. Entscheidungen hätten bis zu dreieinhalb Monaten gedauert und es werde nur in Ausnahmefällen die Haftanordnung aufgehoben. Daneben bestehe gemäß Artikel 409A des maltesischen Strafgesetzbuchs („Criminal Code“ von 1854, Chapter 9 of Laws of Malta) die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung vor dem Amtsgericht („Court of Magistrates“) anzufechten. Aber auch dieser Rechtsbehelf sei wenig effektiv, weil das Gericht davon ausgehe, dass die Inhaftierung auf Grundlage des Immigration Act rechtmäßig sei. Nach Auffassung des Gerichts sei eine weitergehende Überprüfung hinsichtlich anderer Umstände (wie zum Beispiel die Grundrechte), die zur Rechtswidrigkeit der Inhaftierung führten, nicht vom Prüfungsumfang erfasst. Schließlich könne die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung auch im Hinblick auf Artikel 34 der maltesischen Verfassung angefochten werden. Allerdings werde die Inhaftierung für erforderlich gehalten, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten. Gerichtsverfahren dieser Art würde Monate, wenn nicht Jahre, dauern. Hinzu komme, dass Asylsuchende von den bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten nicht hinreichend informiert seien und kein ausreichender Zugang zu Rechtsanwälten bestünde.
47AIDA, Asylum Information Database, “National Country Report Malta” vom Mai 2014, S. 55 ff.; Global Detention Project „Immigration Detention in Malta“ vom Januar 2014, S. 7; UNHCR „UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta“ vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) „Protection Interrupted, National Report Malta“ vom Juni 2013, S. 5 f.; Vgl. EGMR, Urteil vom 9. Dezember 2013 – 55352/12 –, Rn. 108 m.w.N.
48Zu der speziellen – und vorliegend allein maßgeblichen – Situation von Dublin- Rückkehreren liegen dem Gericht lediglich folgende vorläufige Erkenntnisse vor:
49Verlasse ein Asylsuchender Malta ohne eine entsprechende Genehmigung, gebe es Schwierigkeiten nach der Rücküberstellung Zugang zum Asylverfahren zu erhalten. Denn der in Malta gestellte Asylantrag gelte infolge der Ausreise als stillschweigend zurückgenommen. Zwar bestehe für Dublin-Rückkehrer die Möglichkeit, die Wiedereröffnung ihres Verfahrens zu beantragen (Folgeantrag). Während der – zum Teil mehrere Monate dauernden – Überprüfung des Folgeantrags durch die zuständige Flüchtlingskommission könnten die Antragsteller indes in ihren Heimatstaat abgeschoben werden. Hinzukomme, dass Asylbewerber, die auf irreguläre Weise Malta verlassen, Gefahr liefen, auf der Grundlage des Zuwanderungsgesetzes verhaftet und vor dem Strafgericht angeklagt zu werden. Während der Dauer des Strafverfahrens blieben die Asylbewerber in der Justizvollzugsanstalt inhaftiert.
50vgl. AIDA, Asylum Information Database, “National Country Report Malta” vom Mai 2014, S. 21 f.
51Dahingestellt bleiben kann, ob und inwieweit die strafrechtliche Inhaftierung aufgrund einer illegalen Ausreise aus Malta die Annahme von systemischen Mängeln des Asylverfahrens zu begründen vermag bzw. inwieweit Dublin-Rückkehrer stattdessen infolge der Versetzung in den Stand vor ihrer Ausreise wegen illegaler Einreise inhaftiert werden.
52Vgl. insoweit VG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2014 – A 8 K 345/14 –, juris, Rn. 11.
53Jedenfalls bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Ankunft in Malta grundsätzlich einem hohen Risiko längerfristiger Inhaftierung ohne hinreichende Rechtschutzmöglichkeiten und der Gefahr entgegen des Refoulement-Verbots in ihr Herkunftsland, ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag, abgeschoben zu werden, ausgesetzt sind. Vorbehaltlich der Bestätigung und Konkretisierung dieser Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren ist daher jedenfalls im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass eine solche Behandlung von Asylbewerbern, mit der sie der Willkür der zuständigen Behörden ausgesetzt werden und letztlich zum reinen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt werden, die für eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-Gr-Charta erforderliche Schwere aufweisen dürfte, sodass es jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht mehr darauf ankommt, ob auch die konkreten Haftbedingungen selbst inhaftierten Asylbewerbern weiteren Leiden und Härten unterwerfen, die das mit einer Haft unvermeidbare Maß übersteigen.
54Ob darüber hinaus auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Absatz 1 AsylVfG Bedenken bestehen, insbesondere ein Abschiebungshindernis nach § 60 Absatz 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in Verbindung mit Artikel 8 EMRK bzw. § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Artikel 6 Grundgesetz (GG) und Artikel 8 EMRK besteht, kann daher im Ergebnis – jedenfalls im summarischen Eilverfahren – dahingestellt bleiben.
55Da die Rechtsverfolgung aus den vorstehenden Gründen Aussicht auf Erfolg bietet, war auch dem Prozesskostenhilfeantrag stattzugeben (§ 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung – ZPO).
56Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
57Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.
(2) Das Urteil enthält
- 1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren, - 2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, - 3.
die Urteilsformel, - 4.
den Tatbestand, - 5.
die Entscheidungsgründe, - 6.
die Rechtsmittelbelehrung.
(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.
(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.
(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.