Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 26. Mai 2016 - 15 B 8/16
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
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Der 1961 geborene Antragsteller ist seit dem 22.09.2005 gewählter hauptamtlicher Bürgermeister der Stadt A-Stadt. Zuvor war er langjährig ehrenamtlicher Bürgermeister. Er wendet sich gegen die durch den Antragsgegner unter dem 26.11.2015 ausgesprochene vorläufige Dienstenthebung und teilweise Einbehaltung seiner Dienstbezüge in Höhe von 50 % sowie weitere Nebenentscheidungen wie Hausverbot und Herausgabe von Dienstausweis, Schlüsseln und sonstigen dienstlichen Berechtigungen.
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Mit Beschluss vom 18.12.2014 beschloss der Stadtrat der Stadt A-Stadt gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren nach § 17 Abs. 1 Disziplinargesetz Sachsen-Anhalt (DG LSA) einzuleiten. Weiterhin wurde beschlossen, die Kommunalaufsicht zu bitten, einen Verfahrensführer zu benennen oder das Verfahren an sich zu ziehen. Unter dem 22.01.2015 unterrichtete der Landkreis S.. dem Stadtratsvorsitzenden, dass eine Heranziehung des Verfahrens nicht beabsichtigt sei und die obere Kommunalaufsichtsbehörde um Benennung eines Ermittlungsführers gebeten werde. Am 30.01.2015 leitete der Stadtrat der Stadt A-Stadt das Disziplinarverfahren gegen den Bürgermeister ein. Gegenstand dessen waren die Nebentätigkeit des Bediensteten H... als Geschäftsführer der E... der Verkauf des Projektes "S…", fehlerhafte Beteiligungsberichte, eine Darlehensvergabe aus den Jahren 2010 - 2012 der Stadt A- Stadt an die E..., die wirtschaftliche Betätigung der E..., die fehlerhafte Bestellung von Traktoren im Fuhrpark der Stadt A-Stadt, Grundstücksgeschäfte sowie Vorgänge um die Änderung der Satzung des Abwasserbetriebes A-Stadt AöR.
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Mit Verfügung vom 15.04.2015 zog der Landkreis ...das Disziplinarverfahren nach § 76 Abs. 2 DG LSA an sich. Denn der Stadtrat der Stadt A-Stadt habe es unterlassen die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
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Unter dem 22.04.2015 zog der Antragsgegner das Disziplinarverfahren nach § 17 Abs. 1 DG LSA an sich.
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Mit Vermerken vom 11.12.2015 wurde das Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller auf weitere Handlungen ausgedehnt und zugleich auf einige Sachverhalte beschränkt.
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Unter dem 26.11.2015 erließ der Antragsgegner die streitbefangene Verfügung und enthob den Antragsteller vorläufig seines Dienstes als Bürgermeister der Stadt A-Stadt und aller Ämter, die damit in Verbindung stehen (Ziffer 1), ordnete die Einbehaltung von 50 % der monatlichen Dienstbezüge ab dem 01.12.2015 an (Ziffer 2) und untersagte dem Antragsteller für die Dauer der vorläufigen Dienstenthebung Gebäude oder Grundstücke, die von der Stadt A-Stadt genutzt werden und durch diese verwaltet werden, zu betreten mit Ausnahme der Wahrnehmung persönlicher Rechte gegenüber der Stadt A-Stadt (Ziffer 3) sowie die Abgabe des Dienstausweises, sonstiger dienstlicher Berechtigungen und Schlüssel für das Dienstgebäude (Ziffer 4).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller habe mehrere schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen begangen, welche in der Gesamtheit die Prognose rechtfertigten, dass bei Fortgang der Ermittlungen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen sei. Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Dienstherren und der Allgemeinheit sei endgültig zerstört. Die Verfügung werde auf § 38 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 DG LSA gestützt. Zu den einzelnen Pflichtenverstößen heißt es:
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1. Grundstücksgeschäfte "Jüngst/Zeigermann": Der Antragsteller habe die Beschlussfassungen des Stadtrates nicht pflichtgemäß vorbereitet. Die Grundstücksverkäufe hätten nur zum vollen Wert und unter Durchführung eines transparenten Bieterverfahrens und einer Wertermittlung durchgeführt werden dürfen. Darüber hinaus sei den Erwerbern eine nach dem Vertrag unzulässige Kaufpreisminderung zugestanden worden, wonach die Stadt A-Stadt durch beide Grundstücksgeschäfte nur 57.066,50 € und damit ⅓ dessen, was nach Bodenrichtwert möglich gewesen wäre, eingenommen habe. Das erst nachträglich eingeholte Verkehrswertgutachten entlaste den Antragsteller nicht. Denn dieses sei offensichtlich mangelhaft.
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2. Aufwandsentschädigung Gesellschafterversammlung: Der Antragsteller habe 3.450,00 € monatliche Aufwandsentschädigung für seine Tätigkeit in der Gesellschafterversammlung der E... unrechtmäßig erhalten. Denn die Wahrnehmung dieser Aufgabe habe dem Antragsteller kraft Gesetzes (§ 131 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA bzw. § 119 Abs. 1 Satz 1 GO LSA) oblegen.
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3. Ernennungen: Die Ernennung des Bediensteten H… zum Beamten auf Lebenszeit sei unter Verstoß gegen die Probezeitregelungen vorgenommen worden.
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4. Urkundenfälschung: Durch das Aufdrücken des Eingangsstempels mit einem in der Vergangenheit liegenden Datum auf einem näher bezeichneten Schriftstück sowie das Abzeichnen mit Namenskürzel habe der Antragsteller eine Urkundenfälschung begangen.
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5. Versagen als Dienstvorgesetzter: Der Antragsteller habe in seiner Funktion als Leiter der Verwaltung der Stadt A-Stadt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA) und als Dienstvorgesetzter des Bediensteten H... (§ 66 Abs. 5 KVG LSA) schwerwiegend und schuldhaft versagt. Dies sei in der Nebentätigkeit des Herrn H... und der nicht vorgenommenen Durchsetzung der Ablieferungspflicht der diesbezüglichen Einkünfte begründet.
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6. Dienstwagennutzung: Die unentgeltliche Überlassung des Dienstwagens an Herrn H... sei ohne Rechtsgrund erfolgt.
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7. Grundstücksverkauf an Frau A...: Die diesbezügliche durch den Antragsteller bewirkte Minderung des Kaufpreises sei mangels vertraglicher Grundlage für das Minderungsbegehren ein Dienstvergehen.
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8. Darlehensvergabe an die E...: Die Vergabe eines entsprechenden Darlehens hätte nach der Hauptsatzung der Stadt A-Stadt eines vorherigen Beschlusses des Hauptausschusses bedurft.
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9. Vorlage der Analyse gem. § 135 KVG LSA: Der entsprechenden Pflicht zur Erstellung der Analyse und deren Vorlage bezüglich des Betriebes und Bewirtschaftung des Felsenbades habe dem Antragsteller oblegen. Dem sei er nicht nachgekommen.
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10. Leasing Traktoren: Die Leasingverträge über Traktoren aus den Jahren 2009, 2010 und 2013 seien unter Verletzung der Ausschreibungspflicht nach § 30 des Gesetzes über die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes und der Länder geschehen.
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Die Dienstenthebung zur Sicherung des Dienstbetriebes nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA begründe sich daraus, weil der Antragsteller für die Stadtratssitzung am 25.06.2015 einen Beschluss über die Beschaffung einer bestimmten Feuerwehr-Drehleiter herbeiführen wollte. Dies hätte einen Verstoß gegen die Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung ausgelöst. Von einer Beschlussfassung sei nur aufgrund der Intervention der Kommunalaufsichtsbehörde des Landkreises S… abgesehen worden. Dieser Vorgang zeige, dass der Dienstbetrieb durch ein rechtswidriges Verwaltungshandeln des Antragstellers aktiv gefördert und ein reibungsloser Dienstbetrieb aufgrund vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen den kommunalen Organen nicht möglich sei.
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Die Einbehaltung von 50 % der Dienstbezüge sei ermessensgerecht. Aufgrund der Einwohnerzahl der Stadt A-Stadt werde der Antragsteller nach der Besoldungsgruppe B 2 Landesbesoldungsgesetz LSA besoldet. Selbst bei einer Einhaltung von 50 % werde der zu wahrende Abstand vom Regelsatz der Sozialhilfe eingehalten. Einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung oder der Gefahr nicht wiedergutzumachender Nachteile sei der Antragsteller daher nicht ausgesetzt. Denn die ihm verbleibenden Dienstbezüge seien noch oberhalb der Besoldungsgruppe A 12 Landesbesoldungsgesetz anzusiedeln.
II.
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Der zulässige Antrag nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist unbegründet. Die vom Disziplinargericht vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die vorläufige disziplinarrechtliche Dienstenthebung nicht aufzuheben ist. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit.
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1.) Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird. Ferner kann die vorläufige Dienstenthebung ausgesprochen werden, wenn durch ein Verbleiben des Beamten im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung nicht unverhältnismäßig ist (§ 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA).
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Bei der Anordnung der Suspendierung handelt es sich nicht um eine Disziplinarmaßnahme im Sinne des Maßnahmenkataloges, sondern um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts (Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 1). Ihre Berechtigung ergibt sich aus dem funktionalen Bedürfnis, noch vor der endgültigen Klärung des Vorliegens eines Dienstvergehens und der abschließenden Entscheidung über die angemessene Maßregelung des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende vorübergehende Sicherungsregel zu treffen.
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Eine auf § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA gestützte Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde entsprechen. Den Beamten auch nur vorläufig vom Dienst zu entheben, setzt voraus, dass ein Verbleiben des Beamten im Dienst schlechthin untragbar wäre. Für die konkrete Entscheidung im Einzelfall sind grundsätzlich das dienstliche Bedürfnis an der einstweiligen Fernhaltung des Beschuldigten vom Dienst und dessen Recht auf amtsentsprechende dienstliche Beschäftigung abzuwägen (vgl. dazu nur: VG Magdeburg zuletzt: Beschluss v. 11.02.2015, 8 B 19/14 m. w. Nachw.; juris).
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2.) Nach § 61 Abs. 2 DG LSA ist die vorläufige Dienstenthebung dann aufzuheben, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind schon dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Anordnung nach § 38 Abs. 1 DG LSA rechtmäßig oder rechtswidrig ist (vgl. nur: Bay. VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DC 11.985; OVG Lüneburg Beschluss vom 13.5.2005, 3 ZD 1/05; alle juris). Neben der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung ist somit zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden.
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Diese Prognose trägt nur dann, wenn nach dem Kenntnisstand eines Eilverfahrens die Möglichkeit des Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind ernstliche Zweifel durch das Gericht zu bejahen (BVerwG, Besch. v. 16.07.2009, 2 AV 4.09; BayVGH, Beschl. v. 20.04.2011, 16b DS 10.1120; Sächs. OVG, B. 19.08.2010, D 6 B115/10 mit Verweis auf Beschluss vom 08.07.2010, D6A116/10; alle juris; Müller, Grundzüge des Beamtendisziplinarrechts, § 38 Abs. 1 BDG, 2010, Rz. 370 m. w. N.; GKÖD, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, § 38 BDG, Rz. 51). Anders gewendet, es müssen hinreichend gewichtige Gründe dafür sprechen, dass die Entfernung aus dem Dienst im Ergebnis des - noch durchzuführenden - Disziplinarverfahrens nicht in Betracht kommt. Dies beinhaltet eine vom Gericht vorzunehmende summarische Prüfung des zurzeit bekannten Sachverhaltes und eine daran orientierte Wahrscheinlichkeitsprognose. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass das Dienstvergehen bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.09.1997, 2 WDB 3.97; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.09.2009, 83 DB 1.09; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 17.06.2009, 6 B 289/09; alle juris).
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Die Beurteilung im Verfahren nach § 61 DG LSA erfordert keine gesonderten Beweiserhebungen, sondern ist in der Lage, in der sich das Disziplinarverfahren jeweils befindet, anhand der bis dahin zu Tage getretenen Tatsachen zu treffen. Für eine vorläufige Dienstenthebung können u. U. selbst durch Aktenvermerke untermauerte Erkenntnisse ausreichen (vgl. Müller a. a. O.). Dabei ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 22.07.2002, 2 WDB 1.02; OVG Berlin-Brandenburg; Beschl. v. 18.08.2005, 80 SN 1.05; Bay VGH, Beschl. v. 11.04.2012, 16b DCV 11.985; alle juris). Jedoch muss für die gerichtliche Überprüfung der vorläufigen Dienstenthebung maßgeblich auf die von dem Dienstherrn in dem Bescheid herangezogenen Gründe der Pflichtenverletzung abgestellt werden.
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Ähnlich wie bei der Bestimmtheit des Tatvorwurfs als inhaltliche Anforderung an die - spätere - Disziplinarklageschrift, müssen die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, aus sich heraus verständlich und nachvollziehbar geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben, die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden (vgl. nur: BVerwG, Urteile v. 23.11.2006, 1 D 1.06, v. 25.01.2007, 2 A 3.05; Beschlüsse v. 13.03.2006, 1 D 3.06, v. 18.11.2008, 2 B 63.08 und v. 21.04.2010, 2 B 101.09; alle juris). Nur diese können durch das Disziplinargericht im Rahmen der Würdigung durch Akteninhalte und sonstige - evtl. auch später, im Laufe des Verfahrens nach § 61 DG LSA hinzutretende - Erkenntnisse untermauert werden, um so die Prognoseentscheidung, das heißt die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens durch den Dienstherrn, zu überprüfen (VG Magdeburg, Beschl. v. 12.06.2012, 8 B 5/12, juris). Hingegen ist es dem Disziplinargericht verwehrt, anstelle der Disziplinarbehörde eine eigene Ermessenserwägung anzustellen (OVG Saarland, Beschluss v. 18.05.2011, 6 B 211/11; juris).
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Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 DG LSA nach der Schwere des Dienstvergehens und des unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten eingetretenen Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. § 13 Abs. 2 DG LSA bestimmt, dass ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (Satz 1). Die Feststellung des verloren gegangenen Vertrauens ist verwaltungsgerichtlich voll inhaltlich nachprüfbar (Satz 2).
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Demnach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) und zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Betrieb und für Dritte (vgl. zum gleichlautenden § 13 BDG, BVerwG, Urt. v. 20.10.2005, 2 C 12.04; Urt. v. 03.05.2007, 2 C 9.06; B. v. 10.09.2010, 2 B 97/09; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; alle juris).
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Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus disziplinarrechtlicher Sicht noch erziehbar erscheint oder ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. nur: VG Magdeburg, U. v. 04.11.2009, 8 A 19/08 m. w. N.; juris).
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Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt demnach voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung der belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht und gewisse Besonderheiten des Einzelfalls mildernd zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2004, 2 BvR 52/02; BVerwG, U. v. 14.02.2007, 1 D 12.05 mit Verweis auf Urteil vom 20.10.2005, 2 C 12.04; OVG Lüneburg, U. v. 20.11.2009, 6 LD 1/09; VGH Bad.-Württ., U. v. 16.09.2010, DL 16 S 579/10; VG Saarland, U. v. 17.09.2010, 7 K 238/09; alle juris).
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3.) Unter diesen rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen folgt die Disziplinarkammer nach dem derzeitigen, sich aus der Begründung der Suspendierung, dem Aktenmaterial und dem Vorbringen der Beteiligten ergebenden Sach- und Rechtsstand der von dem Antragsgegner angestellten Prognoseentscheidung. Danach ist gegenwärtig mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller ein schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat, welches aufgrund der Schwere die Prognose rechtfertigt, dass im Anschluss an die disziplinarrechtlichen Ermittlungen und bei Erhebung der Disziplinarklage auf die Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird.
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a.) Als Bürgermeister war und ist der Antragsteller "(hauptamtlicher) Beamter auf Zeit" und unterliegt den beamten- und disziplinarrechtlichen Regelungen (§ 6 BeamtStG; § 7 LBG LSA; §§ 57 Abs. 1 Satz 2, 65 Abs. 1 GO LSA, § 60 Abs. 1 KVG LSA, 1 Abs. 1 DG LSA; vergleiche: VG Magdeburg, Urteil vom 06.11.2013, 8 A 9/12 MD mit weiteren Nachweisen auch zu ehrenamtlichen Bürgermeistern; juris).
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b.) Verfahrensfehler in behördlichen Disziplinarverfahren, welche auch auf die streitbefangene Suspendierungsverfügung und die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge durchschlagen würden, sind nicht ersichtlich.
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a. a.) Die vom Antragsteller gerügten Fehler bei der Heranziehung des behördlichen Disziplinarverfahrens durch die Kommunalaufsicht und letztendlich den Antragsgegner liegen nicht vor. Dabei ist zunächst entscheidend, dass der Landkreis ...als zuständige Kommunalaufsichtsbehörde das behördliche Disziplinarverfahren nach § 76 Abs. 2 DG LSA – und nicht nach § 76 Abs. 1 DG LSA – rechtmäßig an sich gezogen hat. Diese Zuständigkeit ist - anders als nach § 76 Abs. 1 DG LSA - an keine Frist gebunden. Als Voraussetzung sieht § 76 Abs. 2 DG LSA vielmehr vor, dass es der zuständige Dienstvorgesetzte unterlassen hat oder außerstande ist, die angezeigte disziplinarrechtliche Maßnahme zu treffen. Diese tatbestandlichen Voraussetzungen lagen vor. Denn der Stadtrat der Stadt A-Stadt lehnte mit Beschluss vom 26.03.2015 die Bestellung eines Ermittlungsführers ab. Bereits zuvor hatte der Stadtrat die Kommunalaufsicht gebeten, einen Verfahrensführer zu benennen oder das Verfahren zu übernehmen. Der Stadtrat der Stadt A-Stadt ist zwar zugleich Dienstvorgesetzter, höherer Dienstvorgesetzter und oberste Dienstbehörde (§ 45 Abs. 5 KVG LSA) gegenüber dem Bürgermeister und zur Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Bürgermeister nach § 17 Abs. 1 DG LSA berufen. Von dieser Einleitungsbefugnis unabhängig ist aber das Anziehungsrecht der Kommunalaufsicht nach § 76 Abs. 2 DG LSA zu sehen. Danach ist die Kommunalaufsichtsbehörde berechtigt, ein bereits eingeleitetes Disziplinarverfahren zu übernehmen oder ein Disziplinarverfahren selbst einzuleiten und durchzuführen, wenn der Dienstherr - im Gegensatz zum Fall des Absatzes 1 – nicht (weiter) tätig geworden ist (vgl. Gesetzesbegründung zu § 76 Abs. 2 DG LSA LT-Drs. 4/2364, S. 120). Die Benachrichtigungen darüber an den Dienstvorgesetzen und den Beamten nach § 76 Abs. 3 DG LSA sind geschehen. Dementsprechend ist die Entscheidung des Landkreises S… zur Übernahme des behördlichen Disziplinarverfahrens rechtmäßig ergangen.
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Da sich aber auch der Landkreis ...als untere Kommunalaufsichtsbehörde personell außerstande sah, das Verfahren mit der gebotenen Dringlichkeit zu führen, wurde der Antragsgegner als obere Kommunalaufsichtsbehörde um Heranziehung gem. § 17 Abs. 1 DG LSA gebeten. Mit Verfügung vom 22.04.2015 kam der Antragsgegner dem nach. Diese nunmehr nach § 17 Abs. 1 Satz 2 DG LSA vorgenommene Heranziehung ist ebenso rechtlich nicht zu beanstanden. Denn danach kann die oberste Dienstbehörde das – bereits eingeleitete - Disziplinarverfahren jederzeit an sich ziehen, eine Disziplinarmaßnahme selbst erlassen oder die Disziplinarverfolgung aufnehmen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz DG LSA). Der Landkreis ist durch die Heranziehung des Verfahrens Dienstvorgesetzter des Antragstellers geworden. In den Fällen des § 76 Abs. 2 Satz 1 DG LSA tritt an die Stelle des höheren Dienstvorgesetzten und der obersten Dienstbehörde (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 DG LSA) die obere Kommunalaufsichtsbehörde (§ 76 Abs. 4 DG LSA), mithin der Antragsgegner. Damit durfte der Antragsgegner nach § 17 Abs. 1 Satz 2; 2. HS DG LSA auch im Rahmen des § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA als für die Erhebung der Disziplinarklage nach § 34 Abs. 2 Satz 1 DG LSA zuständige Behörde tätig werden.
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b. b.) Ebenso liegt die vom Antragsteller vorgetragene fehlerhafte Vorgehensweise bei der Sachverhaltsaufklärung beziehungsweise der Bestellung geeigneter Bediensteter nach § 21 Abs. 1 DG LSA nicht vor. Soweit der Antragsteller diesbezüglich von Befangenheit bzw. Vorbefassung spricht, ist fraglich, ob dies im Verfahren zur vorläufigen Dienstenthebung überhaupt beanstandet werden kann (vgl. zur Befangenheit des Ermittlungsführers: VG Magdeburg, Urteil vom 13.12.2012, 8 A 7/11; BDiG Frankfurt, Beschluss vom 06.09.1983, VII BK 15/83; bei der juris). Denn diesbezüglich ist von Bedeutung, dass das behördliche Disziplinarverfahren noch nicht abgeschlossen ist und gerade noch keine abschließende disziplinarrechtliche Entscheidung vorliegt. Dies dahingestellt, macht der Antragsteller eine Befangenheit auch nicht glaubhaft. Nach § 21 Abs. 1 DG LSA ist im Sinne eines fairen Verfahrens entscheidend, dass es sich um "geeignete Bedienstete" handeln muss. Grundlegend ist dabei zu beachten, dass es sich um ein faires Disziplinarverfahren handeln muss. Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass die mit der Durchführung der Ermittlungen beauftragten Personen bereits seit dem 17.04.2014 der Arbeitsgruppe "… A-Stadt Gesellschaft" im Landesverwaltungsamt angehören. Besteht diese Mitgliedschaft daher bereits vor der Einleitung der disziplinarrechtlichen Ermittlungen, so ist gegen diese Personenauswahl auch im Disziplinarverfahren gleichwohl nichts einzuwenden. Denn insoweit ist von Bedeutung, dass der Aufgabenbereich dieser Arbeitsgruppe auch Teil des disziplinarrechtlichen Vorwurfes ist und insoweit gerade von einer Sachkunde der Personen ausgegangen werden kann. Es wäre gerade unökonomisch diese besondere Sachkunde nicht zu berücksichtigen. Daher ist nichts dagegen einzuwenden, dass aufgrund der langjährigen Verwaltungs- und Berufserfahrungen, des Umfangs der Ermittlungen und unter dem Aspekt des Beschleunigungsgrundsatzes weiterhin die Mitglieder der Arbeitsgruppe A-Stadt, Herr B… und Frau D…z als auch Herr W… als geeignete Bedienstete mit der Aufklärung des erforderlichen Sachverhaltes in dem Disziplinarverfahren betraut wurden. Darüber hinaus wurde auch Herr Kriminaloberrat U… vom Landeskriminalamt als geeigneter Bediensteter betraut. Da § 21 Abs. 1 Satz 1 DG LSA ausdrücklich den Plural benutzt, ist gegen eine aus mehreren geeigneten Bediensteten bestehende Arbeitsgruppe – entgegen dem früher unter der Disziplinarordnung verwendeten Begriffs des singulären Ermittlungsführers – nichts einzuwenden.
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c.) Materiell-rechtlich betrachtet hat der Antragsteller im Zusammenhang mit den beiden Grundstücksgeschäften mit den Erwerbern Frau J…t und Herrn Z… ein schweres Dienstvergehen verwirklicht, da er hierbei schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzte.
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Mit notariellem Kaufvertrag vom 13.01.2012 erfolgte die Veräußerung der insgesamt rund 2.800 m² großen Anteile an den Flurstücken 130/2 und 130/4 (nach Vermessung Nrn. 1875 und 1884) an Frau F… und Herrn C…, welche beruflich selbst als Projektentwickler bzw. Grundstücksverkäufer tätig waren. Hierzu wurde in der Beschlussvorlage vom 11.10.2011 für die Sitzung des Stadtrates am 27.10.2011 durch den Antragsteller ohne Einholung eines Verkehrswertgutachtens ein Verkaufspreis in Höhe von 35,00 € je m² vorgeschlagen, welchen dieser damit begründete, dass vor einer Bebauung noch umfassende Erschließungsarbeiten erforderlich seien. Der Stadtrat folgte dem Vorschlag. Tatsächlich wies die Bodenrichtwertkarte vom 31.12.2010 für die betroffenen Grundstücke einen Bodenrichtwert in Höhe von 50,00 € je m² aus. Anstatt eines Verkaufserlöses in Höhe von 140.000,00 € wurde so nur 98.000,00 € erzielt.
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Denselben Erwerbern wurde zudem ein zweites, die Flurstücke 1883, 1876 und 1878 umfassendes Grundstück mit einer Gesamtfläche von 957 m² verkauft. Als Verkaufspreis legte der Antragsteller in der Beschlussvorlage 5,50 € je m², mithin 5.263,50 € fest. Auch diesbezüglich holte der Antragsteller kein Verkehrswertgutachten ein. Der Antragsteller qualifizierte das Grundstück als Gartengrundstück. Ein erheblicher Anteil des Grundstückes (870 m² für die Flurstücke 1883 und 1876) entstand jedoch überhaupt nur deshalb, weil dieser entgegen dem Stadtratsbeschluss zum 1. Grundstücksverkauf nicht in vorbezeichneten Kaufvertrag einbezogen wurde. Wäre dies bei – zumindest und lediglich insofern - rechtmäßiger Vorgehensweise geschehen, so wäre auch hierfür ein zwar nicht dem Bodenrichtwert entsprechender, aber doch noch signifikant höherer Verkaufspreis erzielt worden, nämlich wiederum in Höhe von 35,00 € je m². Die Differenz zu Lasten der Stadt A-Stadt beträgt also – mindestens - 25.665,00 €. Geht man entsprechend dem ursprünglichen Bodenrichtwert von einem Quadratmeterpreis in Höhe von 50,00 € je m² aus, so liegt die Differenz sogar bei 38.715,00 €.
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Zudem bereitete er die Beschlussfassungen des Stadtrates entgegen §§ 62, 63 GO LSA
nicht pflichtgemäß vor. Nach §§ 90 Abs. 2, 105 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 GO LSA dürfen Grundstücksverkäufe nur zum vollen Wert erfolgen und setzen die Durchführung eines transparenten Bieterverfahrens mit zumindest einer Wertermittlung nach den Vorschriften der §§ 192 ff. Baugesetzbuch (BauGB) voraus. Davon darf nur abgewichen werden, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung oder Beeinträchtigung zum Ansatz eines geringeren Wertes besteht oder die Veräußerung unterhalb des vollen Wertes durch ein besonderes öffentliches Interesse gerechtfertigt werden kann, welches sich wiederum aus der Aufgabenstellung der Kommune und dem Gesamtzusammenhang des Kommunalverfassungsgesetzes ableiten lassen muss. Zudem muss die Veräußerung unterhalb des vollen Wertes willkürfrei erfolgen und für Dritte nachvollziehbar begründet sein (vergleiche insoweit auch die interne Verwaltungsanweisung der Stadt A-Stadt beim Verkauf von Grundstücken).
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Bei dem damals aktuellen Bodenrichtwert hätte bei beiden Grundstücksgeschäften über insgesamt 3.757 m² ein Verkaufspreis von 187.850,00 € erzielt werden können. Weiter räumte der Antragsteller den Erwerbern eine nach dem Vertrag ausgeschlossene Kaufpreisminderung ein. Im notariellen Kaufvertrag war vereinbart, dass die Stadt A-Stadt gegenüber den Erwerbern nur für die Bebaubarkeit nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften haftet; nicht jedoch für eine bestimmte Art der Bebauung. Diesbezüglich wurde den Erwerbern ein Rücktrittsrecht eingeräumt; eine Kaufpreisminderung sowie Schadensersatz wurden ausdrücklich ausgeschlossen. In der Folge des Grundstücksverkaufes traten die Erwerber mit einem Minderungsbegehren an die Stadt heran und begründeten dies damit, dass auf dem 1.566 m² großen Teilstück des Flurstücks 130/4 ein Starkstromkabel des Energieversorgers im Erdreich verlegt sei und damit eine Bebaubarkeit nur eingeschränkt gegeben sei. Daraufhin stimmte der Antragsteller einer Kaufpreisminderung für das betroffene Flurstück auf nunmehr 5,50 € je m² zu. Auf Veranlassung des Antragstellers hin wurde durch notarielle Zusatzvereinbarung vom 04.04.2012 ein Kaufpreis in Höhe von 51.832,00 € vereinbart. Eine Beschlussfassung des Stadtrates hierüber führte der Antragsteller nicht herbei.
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Somit ist zusammenfassend disziplinarrechtlich festzustellen, dass der Antragsteller als Bürgermeister der Stadt A-Stadt die entsprechenden Stadtratsbeschlüsse pflichtwidrig nicht ordnungsgemäß vorbereitete und den Stadtrat als Entscheidungsträger nicht hinreichend informierte. So führte er über die eigenmächtig mit den Grundstückserwerbern vereinbarte Kaufpreisminderung keine Beschlussfassung des Stadtrates herbei. Auch lag dem Verkauf kein Wertermittlungsgutachten zugrunde. Soweit der Antragsteller dies im Nachhinein und nach dem Beginn der disziplinarrechtlichen Ermittlungen in Auftrag gab, kann ihn dies nicht entlasten. Denn insoweit führt der Antragsgegner zu Recht aus, dass die Annahme des Gutachters bezüglich der Verkehrswertminderung aufgrund der Lage des Starkstromkabels sowie dem Vorhandensein einer alten Silo-Mauer zumindest als fragwürdig angesehen werden kann und die Wertermittlung fehlerhaft erscheint. Entscheidend ist jedenfalls, dass die Wertermittlung nicht vor der Beschlussfassung durch den Rat erfolgte und somit dieser nicht hinreichend informiert wurde. Dadurch hat er als Bürgermeister zugleich die ihm gegenüber der Stadt A-Stadt obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch der Stadt A-Stadt treuwidrig einen Schaden zugefügt. Dies geschah zumindest fahrlässig.
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Milderungs- und Entlastungsgründe, wonach zum jetzigen Zeitpunkt die spätere Entfernung nicht prognostiziert werden könnte, sind gegenwärtig nicht erkennbar. Der Antragsteller kann sich nicht dadurch entlasten, dass er mangels eigener juristischer Kenntnisse anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen hätte. Zwar bestand zwischen der Stadt A-Stadt und der Rechtsanwaltskanzlei D… seit dem 14.02.2005 ein "Vertrag über laufende Rechtsberatung" (Bl. A 155, Beiakte O). Jedoch wird dem Vortrag des Antragsgegners (Antragserwiderung vom 15.12.2015, Seite 16; GA Blatt 87) nicht widersprochen, dass bezüglich der vorgehaltenen Grundstücksgeschäfte diese anwaltliche Beratung gerade nicht in Anspruch genommen wurde. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 10.05.2016 (GA Bl. 172 ff) beschränken sich allein auf den Vorwurf der unerlaubten Nebentätigkeit des Bediensteten H... und eine diesbezüglich eingeholte Rechtseinschätzung vom 16.07.2013. Ebenso ist nichts bekannt über die Inanspruchnahme einer rechtlichen Hilfe durch die Kommunalaufsicht. Demnach kann erschwerend angenommen werden, dass der Antragsteller gerade und trotz bestehender juristischer Unterstützung, diese bei den Grundstücksgeschäften der Gemeinde nicht wahrgenommen hat. Zudem hatte sich der Antragsteller gegenüber der Kommunalaufsicht gegen die Kündigung des Beratungsvertrages ausgesprochen (Bl. A 54, Beiakte O).
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Dem Antragsgegner ist auch darin zu folgen, dass gerade aufgrund der Begründung des Antragstellers, wegen etwaiger Mängel und der Grundstückssituation die Bodenrichtwertkarte nicht anwendbar gewesen sei, ein Verkehrswertgutachten hätte eingeholt werden müssen. Ebenso gilt es zu berücksichtigen, dass aufgrund des Baubeginns die Erschließung gesichert gewesen sein muss und eine Baugenehmigung vorgelegen haben muss. Soweit sodann erst die verlegte Starkstromleitung gefunden wurde, wäre weiter zu prüfen gewesen, ob die Verlegung der Starkstromleitung durch den Versorger hätte vorgenommen werden müssen bzw. wer die Kosten dafür übernimmt. Dies wäre zwischen den Beteiligten zu klären gewesen und eventuell gegenüber dem Versorger hätte geltend gemacht werden müssen. Einer Einstandspflicht im Sinne einer Minderung des Kaufpreises durch die Stadt A-Stadt vermag dies zunächst nicht offensichtlich zu begründen, zumal die Minderung im Kaufvertrag ausdrücklich ausgeschlossen war.
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d.) Inwieweit die weiteren in der Suspendierungsverfügung vorgetragenen Pflichtenverletzungen vorliegen und tragend sind, mag dahinstehen. Denn insgesamt kommt es zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Gerichtes hinsichtlich der Prognoseentscheidung der späteren Disziplinarmaßnahme auf diese weiteren vorgehaltenen Dienstpflichtverletzungen nicht an. Denn zur Überzeugung des Disziplinargerichts sind – nach augenblicklichem Kenntnisstand - die Vorgänge um die Grundstücksgeschäfte und der daraus resultierende potentiell hohe finanzielle Schaden für die Stadt A-Stadt und damit die öffentliche Kasse als entscheidungserheblich für die Wahrscheinlichkeit des Ausspruchs der Höchstmaßnahme maßgeblich.
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e.) Halten daher die für die Suspendierung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA angegeben Gründe der rechtlichen Überprüfung stand, kommt es nicht darauf an, ob die zusätzlich auf § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA vorgetragene Gründe rechtlich zutreffen. Die vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 2 DG LSA erweist sich dann als ermessensgerecht und verhältnismäßig, wenn ohne diesen Eingriff der Dienstbetrieb oder die ordnungsgemäße Tätigkeit der Verwaltung durch die Anwesenheit des Beamten empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 01.09.2000, 1 DB 16.00; Beschl. v. 04.01.1996, 1 DB 16.95; Hummel/Köhler/Mayer, BDG, 5. Auflage 2012, § 38 Rz. 4). Eine wesentliche Beeinträchtigung des Dienstbetriebes ist vor allem dann zu besorgen, wenn auf Grund von Umständen, die mit dem mutmaßlich begangenen Dienstvergehen in Zusammenhang stehen, eine gedeihliche, der Dienstverrichtung dienende Zusammenarbeit mit dem Beamten gefährdet ist und herunter die Aufgabenerledigung ernsthaft leiden kann. Anhaltspunkte hierfür können sich aus den bereits eingetretenen Folgen des mutmaßlichen Dienstvergehens ergeben. Auswirkungen auf den Dienstbetrieb sind weiterhin zu befürchten, wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte mit einer Fortsetzung der Begehung des Dienstvergehens zu rechnen ist (OVG Lüneburg, Beschl. v. 25.03.2013, 19 ZD 4/13, juris). Ob diese Voraussetzungen tatsächlich bereits aufgrund der Vorkommnisse um den Stadtratsbeschluss vom 25.06.2015 bezüglich der Anschaffung einer bestimmten Feuerwehr-Drehleiter vorliegen, mag bezweifelt werden. Denn insoweit muss die Einlassung des Antragstellers berücksichtigt und gewürdigt werden, dass es sich bei dem Feuerwehrfahrzeug um ein Modell handele, für welches lediglich eine Firma Drehleitern herstelle. Entscheidend wäre, dass der Antragsteller durch sein Verhalten zu erkennen geben würde, sich wiederholt und fortgesetzt nicht an seine dienstlichen Pflichten halten zu wollen. Dazu dürfte dieses Vorkommnis nicht genügen (vgl. zu den Voraussetzungen: VG Magdeburg, Beschluss v. 11.02.2015, 8 B 19/14 m. w. Nachw.; juris).
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4.) Wegen der prognostizierten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erweist sich auch die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 DG LSA als rechtmäßig. Bezüglich der Bestimmung der Höhe des Einbehaltungssatzes hat der Antragsgegner sein Ermessen gesehen und ausgeübt. Dabei muss die Dienstbehörde berücksichtigen, dass die vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen keinen Strafcharakter hat, sondern mit Rücksicht auf die fortbestehende Alimentationspflicht des Dienstherrn allein auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten abzustellen ist. Der vorläufig des Dienstes enthobene Beamte muss gewisse Einschränkungen in seiner Lebenshaltung hinnehmen. Jedoch darf die Einbehaltung wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen (vgl. zusammenfassend: BVerwG, U. v. 13.08.1979, 1 DB 14.79; VG Berlin, B. v. 02.02.2007, 80 Dn 59.06; VG Magdeburg, B. v. 27.11.2006, 8 A 17/06 und v. 19.05.2009, 8 B 7/09; Beschluss v. 25.02.2015, 8 B 20/14, Beschluss v. 17.09.2015, 8 B 10/15; alle juris). Dass diese Voraussetzungen nicht eingehalten worden wären, ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht substantiiert vorgetragen.
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5.) Aufgrund dessen das Disziplinargericht in der Suspendierungsverfügung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 DG LSA und der vorläufigen Einbehaltung von Teilen der Dienstbezügen keine ernstlichen Zweifel im Sinne der Prüfung nach § 61 Abs. 2 DG LSA sieht, vermag es auch nicht die übrigen Regelungen der streitbefangenen Verfügung, nämlich das Hausverbot sowie die Abgabe des Dienstausweises sowie sonstiger dienstlicher Berechtigungen und Schlüssel aufzuheben. Zwar ist festzustellen, dass diesbezüglich keine spezielle Rechtsgrundlage im Disziplinargesetz bzw. Disziplinarrecht ersichtlich ist. Jedoch muss es dem Dienstherrn im Rahmen seiner allgemeinen organisationsrechtlichen Befugnis erlaubt sein, derartige mit der Suspendierungsverfügung verbundenen Nebenentscheidungen zu regeln. Denn auch bei der Suspendierungsverfügung selbst handelt es sich um eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts. Dementsprechend muss es dem Dienstherrn erlaubt sein in einer disziplinarrechtlichen Entscheidung die notwendigen Nebenentscheidungen zu treffen.
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Dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen muss eine Öffentliche Ausschreibung oder eine Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Teilnahmewettbewerb ist ein Verfahren, bei dem der öffentliche Auftraggeber nach vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme eine beschränkte Anzahl von geeigneten Unternehmen nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien auswählt und zur Abgabe von Angeboten auffordert.
(1) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgen wird. Sie kann den Beamten außerdem vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.
(2) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass dem Beamten bis zu 50 Prozent der monatlichen Dienst- oder Anwärterbezüge einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Das Gleiche gilt, wenn der Beamte im Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Widerruf voraussichtlich nach § 5 Abs. 3 Satz 2 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 37 Abs. 1 Satz 1 des Bundesbeamtengesetzes entlassen werden wird.
(3) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens anordnen, dass dem Ruhestandsbeamten bis zu 30 Prozent des Ruhegehalts einbehalten werden, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.
(4) Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann die vorläufige Dienstenthebung, die Einbehaltung von Dienst- oder Anwärterbezügen sowie die Einbehaltung von Ruhegehalt jederzeit ganz oder teilweise aufheben.
(1) Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.
(2) Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dem Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn er als noch im Dienst befindlicher Beamter aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen.
Für die Rechtsverhältnisse der Beamtinnen auf Zeit und Beamten auf Zeit gelten die Vorschriften für Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit entsprechend, soweit durch Landesrecht nichts anderes bestimmt ist.
Kommt eine Abfindung in Land in Betracht, können die in den Ländern tätigen gemeinnützigen Siedlungsunternehmen im Sinne des Reichssiedlungsgesetzes mit der Beschaffung des Ersatzlands und der Durchführung der Umsiedlung beauftragt werden.