Verwaltungsgericht Köln Urteil, 18. Feb. 2016 - 7 K 6462/14
Tenor
1. Das Verfahren wird eingestellt soweit die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
2. Das beklagte Versorgungswerk wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin auf Rücknahme vom 07.04.2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist Rechtsanwältin und seit dem 09.04.2013 Pflichtmitglied im beklagten Versorgungswerk. Die Klägerin war ab 01.08.2013 bei den Rechtsanwälten N. N1. & Q. und ab 11.09.2013 bei der H. T. GmbH abhängig beschäftigt. Seit dem 01.08.2014 ist die Klägerin arbeitssuchend.
3Mit Beitragsbescheid vom 04.08.2014 veranlagte das beklagte Versorgungswerk die Klägerin zu Beiträgen für den Zeitraum 01.08.2013 bis 10.09.2013 in Höhe von 1.461,60 Euro (Bescheid A). Mit einem weiteren Beitragsbescheid vom 04.08.2014 veranlagte das beklagte Versorgungswerk die Klägerin zu Beiträgen für den Zeitraum 11.09.2013 bis 30.09.2013 in Höhe von 730,80 Euro, für den Zeitraum 01.10.2013 bis 31.12.2013 von 1.096,20 Euro monatlich und ab 01.01.2014 von 1.124,56 Euro monatlich (Bescheid B). Zur Begründung verwies es darauf, dass die Klägerin die angeforderten Einkommensnachweise nicht vorgelegt habe und die Festsetzung daher nach § 30 Abs. 1 ihrer Satzung erfolge. Die Bescheide wurden gegen Zustellungsurkunde am 09.09.2014 an die von der Klägerin angegebene C/O Anschrift zugestellt.
4Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten am 21.11.2014 Klage erhoben und beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Klage war als Anlage K 2 der angefochtene Bescheid beigefügt. Dieser Bescheid betrifft den Zeitraum 01.08.2013 bis 10.09.2013 (Bescheid A). Den Wiedereinsetzungsantrag begründet die Klägerin im Wesentlichen damit, dass die Post ihrer Zustellungsbevollmächtigten, Frau C. , am 09.09.2014 gestohlen worden sei. Dies habe sie am selben Tag um 16 Uhr durch Frau C. mitgeteilt bekommen. Erst aufgrund der Mahnungs- und Vollstreckungsandrohung vom 06.11.2014, die ihr am 07.11.2014 zugestellt wurde, habe sie von den Beitragsbescheiden erfahren. Zur Glaubhaftmachung hat die Klägerin eine eidesstattliche Versicherungen abgegeben sowie eine eidesstattliche Versicherung von Frau P. C. vom 05.12.2014 eingereicht.
5Das Gericht wies mit Schreiben vom 24.11.2014 darauf hin, dass davon ausgegangen werde, dass sich die Klage nur gegen den als Anlage eingereichten Bescheid richte und bat um vollständige Übersendung des angefochtenen Bescheides mit der Anlage. Mit Schreiben vom 02.12.2014 überreichte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Anlage des Bescheides A. Erst mit Schreiben vom 11.02.2015 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, die Klage habe sich auf den Beitragsbescheid B betreffend den Zeitraum ab 11.09.2013 und nicht auf den eingereichten Bescheid A beziehen sollen. Dies ergebe sich auch aus dem Vortrag in der Klageschrift. Zugleich wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Diesen Wiedereinsetzungsantrag begründete der Prozessbevollmächtigte der Klägerin damit, dass die bislang immer zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte B. N. die Klageschrift angefertigt und er ihr nach Durchsicht der Akte den Bescheid B als beizufügende Anlage gezeigt habe. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe bei der Vorbereitung des Versandes jedoch die Beitragsbescheide verwechselt. Zur Glaubhaftmachung wurde eine eidesstattliche Versicherung von Frau B. N2. vom 20.02.2015 eingereicht. Die Übersendung der Anlage des Bescheides A sei durch die Auszubildende Frau T1. B1. erfolgt. Erst im Rahmen der Klagebegründung sei ihm der Fehler aufgefallen. Der gerichtliche Hinweis vom 24.11.2014 sei nicht klar und unmissverständlich gewesen.
6Zur Klarstellung teilte der Prozessbevollmächtigte auf gerichtliche Nachfrage mit, er habe nur den Bescheid B mit der Klageschrift vom 21.11.2014 anfechten wollen, während die Klägerin die Anfechtung beider Beitragsbescheide begehre.
7Zur Begründung der Sache trägt die Klägerin vor, sie sei sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen und seit dem 01.08.2014 arbeitslos. Während ihrer Beschäftigung ab 11.09.2013 sei sie nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit gewesen. Sie habe daher nach § 30 Abs. 7 der Satzung des beklagten Versorgungswerkes behandelt werden müssen. Neben ihrer abhängigen Beschäftigung habe sie im Jahr 2013 lediglich Einnahmen aus Messetätigkeiten erzielt. Zu Unrecht gezahlte Rentenversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.08.2013 bis 10.09.2013 seien in Höhe von 630,00 Euro von der Techniker Krankenkasse an das beklagte Versorgungswerk gezahlt worden.
8Unter dem 07.04.2015 stellte die Klägerin einen Antrag auf Rücknahme des Bescheides B gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bei dem beklagten Versorgungswerk und hat diesbezüglich ihre Klage unter dem 24.11.2015 erweitert.
9In der mündlichen Verhandlung am 18.02.2016 haben die Beteiligten übereinstimmend die Erledigung hinsichtlich der Anfechtung des Bescheides A erklärt.
10Die Klägerin beantragt nunmehr,
111) den Beitragsbescheid B der Beklagten vom 04.08.2014 aufzuheben,
122) hilfsweise den Bescheid der Beklagten vom 04.08.2014, der die Zeiträume ab dem 11.09.2013 betrifft, zurückzunehmen und das beklagte Versorgungswerk zu verpflichten, die Klägerin für die streitgegenständlichen Zeiträume unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
13Das beklagte Versorgungswerk beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Es führt aus, trotz mehrfachem Hinweis auf die Auskunfts- und Mitteilungspflicht nach § 3 Abs. 1 ihrer Satzung und Aufforderung einkommensbezogene Unterlagen vorzulegen, habe die Klägerin erst mit Schreiben vom 11.11.2014 die erforderlichen Unterlagen eingereicht. Mit Bescheid vom 17.11.2014 sei die Beitragsschuld der Klägerin ab dem 01.11.2014 auf den Mindestbeitrag festgesetzt worden. Eine Rücknahme nach § 48 VwVfG scheide für die Bescheide vom 04.08.2014 aus. Die Bescheide seien zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Soweit das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war es in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
19Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid B ist unzulässig, da die Klägerin die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht gewahrt hat und ihr weder bezüglich der versäumten Klagefrist noch bezüglich der versäumten Wiedereinsetzungsantragsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann.
20Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben, wenn - wie vorliegend gemäß § 110 Abs. 1 Gesetz über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen - ein Widerspruch nach § 68 VwGO nicht erforderlich ist. Der Bescheid B wurde durch Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten am 09.09.2014 wirksam gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Landeszustellungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen i.V.m. § 180 Zivilprozessordnung (ZPO) an die von der Klägerin angegebene C/O Andresse zugestellt, so dass die Klagefrist gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 ff. Bürgerliches Gesetzbuch mit Ablauf des 09.10.2014 endete. Die Anfechtungsklage hinsichtlich des Bescheides B wurde jedoch erst am 11.02.2015 eingereicht.
21Der Klägerin kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO wegen Versäumung der Klagefrist nicht gewährt werden.
22Soweit die Klägerin unter Einreichung einer entsprechenden eidesstattlichen Erklärung von Frau C. vorträgt, die Post ihrer Zustellungsbevollmächtigten sei am 09.09.2014 gestohlen worden und sie habe erst durch die Zustellung der Mahnungs- und Vollstreckungsandrohung am 07.11.2014 von dem Bescheid B erfahren, liegt hierfür eine glaubhaft gemachte, unverschuldete Verhinderung im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO vor. Insoweit wurde jedoch die Antragsfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO versäumt. Die Antragsfrist von zwei Wochen nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, das heißt mit dem Zeitpunkt, in dem die Ursache der Verhinderung oder aber ihr Fortbestand nicht mehr unverschuldet ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Klägerin die Fristversäumung bekannt ist oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bekannt sein musste.
23Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage, 2013, § 60 Rn. 26.
24Die Versäumung der Klagefrist wurde der Klägerin mit Zustellung der Mahnungs- und Vollstreckungsandrohung am 07.11.2014 bekannt. Der Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich des Bescheides B wurde jedoch erst unter dem 11.02.2015 gestellt und damit weit nach Ablauf der Antragsfrist.
25Der Wiedereinsetzungsantrag, der mit der Klageschrift vom 21.11.2014 gestellt wurde, bezog sich nicht auf den Bescheid B, sondern auf den Bescheid A. Gemäß § 88 VwGO ist das Gericht an das Klagebegehren gebunden. Dieses ergibt sich nicht alleine aus dem Antrag, sondern aus dem gesamten Parteivorbringen. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung sind auch die mit der Klage vorgelegten Bescheide für die Ermittlung des Rechtsschutzziels von Bedeutung,
26vgl. BVerwG, Urteil vom 18. 11.1982 - 1 C 62/81 -, Urteil vom 17.05.2004 - 9 B 29/04 -.
27Die Klageschrift vom 21.11.2014 richtete sich ausdrücklich nur gegen einen Bescheid vom 04.08.2014, dessen Aufhebung beantragt wurde. Dem Antrag in der Klageschrift vom 21.11.2014 ist kein Zeitraum zu entnehmen, für den die Beitragsfestsetzung angefochten werden soll. Als Anlage K 2 wurde der Klageschrift jedoch der angefochtene Bescheid beigefügt. Dabei handelte es sich um den Bescheid A, der den Zeitraum 01.08.2013 bis 10.09.2013 betrifft. In der kurzen Klagebegründung vom 21.11.2014 wurde angegeben, die Klägerin sei seit dem 11.09.2013 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Da sich die Klagebegründung auf einen Zeitraum nach dem 10.09.2013 bezieht, erging gemäß § 82 Abs. 2 VwGO unter dem 24.11.2014 ein gerichtlicher Hinweis. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde mitgeteilt, das Gericht gehe davon aus, dass sich die Klage gegen den eingereichten Beitragsbescheid vom 04.08.2014 richte. Weiterhin wurde um Übersendung der Anlage des angefochtenen Bescheides gebeten. Mit Schriftsatz vom 02.12.2014 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Anlage des Bescheides A. Aufgrund dieser Umstände, richtete sich die am 21.11.2014 erhobene Klage und der Wiedereinsetzungsantrag gegen den Bescheid A.
28Wegen der Versäumung der Wiedereinsetzungsantragsfrist ist gleichfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich. Diesbezüglich ist jedoch ebenfalls die Antragsfrist gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO versäumt. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend macht, er habe die stets zuverlässig arbeitende Rechtsanwaltsfachangestellte B. N2. angewiesen, der Klageschrift vom 21.11.2014 den Bescheid B beizufügen und die Rechtsanwaltsfachangestellte habe bei Übersendung der Klageschrift die Bescheide aus Versehen verwechselt, stellt dies ein Verschulden einer Hilfsperson des Bevollmächtigten dar. Das Verschulden einer Hilfskraft ist der Klägerin nicht zurechenbar, soweit die Hilfsperson von dem Bevollmächtigten mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewählt und angeleitet wurde,
29vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage, 2013, § 60 Rn. 21.
30Insoweit beginnt die zweiwöchige Antragsfrist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO mit dem Eingang des gerichtlichen Hinweises vom 24.11.2014 und war daher bei Stellung des Antrages unter dem 11.02.2015 versäumt. Denn die Verwechslung der Bescheide durch die Rechtsanwaltsfachangestellte hätte dem Prozessbevollmächtigten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nach Eingang des gerichtlichen Hinweises vom 24.11.2014 bekannt werden müssen. Aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 24.11.2014 bestand für den Prozessbevollmächtigten die Pflicht, im Nachhinein zu überprüfen, welcher Bescheid der Klageschrift tatsächlich durch die Rechtsanwaltsfachangestellte beigefügt worden war. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte insbesondere davon Kenntnis, dass zwei Beitragsbescheide vom 04.08.2014 existierten. Beide Bescheide lagen ihm vor. Soweit vorgetragen wird, der gerichtliche Hinweis sei nicht deutlich gewesen, so kann dem nicht gefolgt werden. Aufgrund der Kenntnis des Prozessbevollmächtigten, dass zwei Bescheide vom 04.08.2014 existieren und dem Umstand, dass bereits die Klagefrist versäumt war und Wiedereinsetzung beantragt wurde, bestand eine Sorgfaltspflicht zur Sicherstellung, dass der richtige Bescheid angefochten wird. Spätestens nach dem gerichtlichen Hinweis, bedurfte es einer Überprüfung durch den Prozessbevollmächtigen, welcher Bescheid als Anlage der Klageschrift beigefügt worden war. Auch die Aufforderung des Gerichts, die Anlage des Bescheides zu übersenden, hätte den Prozessbevollmächtigten zu einer Nachprüfung veranlassen müssen. Denn nur der Bescheid A hat eine Anlage. Für Bescheid B, den der Prozessbevollmächtigte anfechten wollte, gibt es keine Anlage. Die Verwechslung der Bescheide hätte dem Prozessbevollmächtigten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt eines ordentlichen Anwalts nach Eingang des gerichtlichen Hinweises bekannt werden müssen. Das Fortbestehen seiner Unkenntnis über die Verwechslung der Bescheide ist von dem Prozessbevollmächtigten verschuldet. Das Verschulden eines Prozessbevollmächtigten ist der Klägerin gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Da die Antragsfrist gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO versäumt ist, ist der Wiedereinsetzungsantrag abzulehnen.
31Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid B ist somit unzulässig.
32Da der Hauptantrag unzulässig ist, ist über den Hilfsantrag zu entscheiden. Die nachträgliche Erweiterung der Klage ist gemäß § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich, da der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageerweiterung die endgültige Beilegung des Streites fördert.
33Die Verpflichtungsklage auf Bescheidung des Antrages auf Rücknahme des Bescheides B unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ist gemäß § 75 VwGO auch zulässig. Eine Klage nach § 75 VwGO ist zulässig, wenn die Behörde ohne zureichenden Grund nicht binnen einer angemessener Frist über einen Antrag entscheidet. Die Klägerin hat einen Antrag auf Rücknahme des Bescheides B unter dem 07.04.2015 gestellt und ihre Klage mit Schriftsatz vom 24.11.2015 auf die Verpflichtung zur Bescheidung des Antrages unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erweitert. Das anhängige Klageverfahren hinsichtlich der Anfechtung des Bescheides B stellte keinen zureichenden Grund für eine Nichtentscheidung dar. Denn das Rücknahmeverfahren und das Anfechtungsverfahren sind voneinander unabhängig und können nebeneinander durchgeführt werden. Die Anhängigkeit eines Rechtsbehelfsverfahrens steht einer Rücknahme nicht entgegen.
34Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Auflage, 2013, § 48 Rn. 35.
35Zum Zeitpunkt der Klageerweiterung lagen auch alle Unterlagen vor, die das beklagte Versorgungswerk für eine Entscheidung benötigt. Im Verwaltungsverfahren wurde bereits ein Schreiben der Deutschen Rentenversicherung vom 05.05.2014 über die Ablehnung der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung für die Tätigkeit ab 11.09.2013 sowie die Lohnsteuerbescheinigungen 2013 und 2014 eingereicht. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 wurde im Klageverfahren am 12.08.2015 vorgelegt. Da die Klägerin erst seit dem 13.09.2013 Pflichtmitglied bei dem beklagten Versorgungswerk ist, war hinsichtlich ihres Arbeitseinkommens entgegen § 30 Abs. 4 Nr. 4 a) der Satzung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen (SVR) nicht der Einkommensteuerbescheid für das vorletzte Jahr, sondern der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 nach Auskunft der Prozessbevollmächtigten des beklagten Versorgungswerkes in der mündlichen Verhandlung maßgeblich. Da Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2013 lediglich in Höhe von 2.220,00 Euro vorlagen, liegen diese weit unter der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2013 in Höhe von monatlich 5.800,00 Euro bzw. 69.600,00 Euro jährlich. Auf ihre Herkunft konnte es nicht ankommen.
36Es liegt daher kein zureichender Grund vor, weshalb das beklagte Versorgungswerk ab der Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 am 12.08.2015 nicht über den Antrag auf Rücknahme entschieden hat.
37Die Verpflichtungsklage ist auch gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO begründet.
38Die Klägerin hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des beklagten Versorgungswerkes über den Antrag auf Rücknahme des Beitragsbescheides B gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG. Vorliegend findet § 48 Abs. 1 VwVfG Anwendung, da der Bescheid B rechtswidrig ergangen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des aufzuhebenden Verwaltungsaktes ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses,
39Kopp/Ramsauer, VwGO, 14. Auflage 2013, § 48 Rn. 57.
40Das beklagte Versorgungswerk hat seine Entscheidung auf § 30 Abs. 1 SVR gestützt. Gemäß § 30 Abs. 1 SVR sind die Mitglieder des beklagten Versorgungswerkes verpflichtet, einen monatlichen Regelpflichtbeitrag zu zahlen, soweit in der Satzung nichts anderes bestimmt ist. Nach § 30 Abs. 7 SVR leisten Mitglieder, die als abhängig Beschäftigte Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichten, für ihre Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk. Nach § 30 Abs. 2 SVR zahlen Mitglieder, deren Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze nicht erreicht, den Beitrag nach ihrem Einkommen gemäß dem Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung. Unabhängig hiervon hat jedes Mitglied, welches die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hat und nicht Rente bezieht, einen Beitrag in Höhe von 1/10 des Regelpflichtbeitrages zu leisten.
41Fehlt es zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses an Nachweisen zur Einkommenshöhe und setzt das beklagte Versorgungswerk daher einen Beitrag nach § 30 Abs. 1 SVR fest, ist die Festsetzung rechtswidrig, soweit das tatsächliche Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze nicht erreicht. Der Wortlaut der Regelung in § 30 Abs. 2 SVR stellt auf die tatsächlichen Umstände und damit auf die objektive Höhe des Einkommens ab („Mitglieder, deren Einkommen (...) die Beitragsbemessungsgrenze nicht erreicht“). Die Beitragshöhe bestimmt sich daher anhand des objektiv erzielten Einkommens. Die Regelungen in § 30 Abs. 4 SVR betreffen dagegen nur den Nachweis der Einkommenshöhe. Für die Frage, ob ein Beitragsbescheid rechtmäßig oder rechtswidrig erlassen wurde, ist jedoch gemäß dem Wortlaut der Vorschrift nicht der subjektiv zu erbringende Nachweis des Einkommens, sondern die objektive Einkommenssituation maßgeblich.
42Im Zeitraum vom 11.09.2013 bis 31.07.2014 war die Klägerin abhängig bei der H. StG GmbH angestellt und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Sie erzielte im Jahr 2013 lediglich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.220,00 Euro aufgrund einer Messetätigkeit. Die Beitragsfestsetzung war daher gemäß § 30 Abs. 7 i.V.m. Abs. 3 SVR zu treffen. Vom 01.08.2013 bis 31.10.2014 war die Klägerin arbeitslos, so dass § 30 Abs. 2 und 3 SVR Anwendung finden.
43Im Rahmen des § 48 Abs. 1 VwVfG steht dem beklagten Versorgungswerk hinsichtlich der Entscheidung über die Aufhebung des Bescheides ein Ermessen zu. Bei der Ausübung des Ermessens kann das beklagte Versorgungswerk grundsätzlich berücksichtigen, ob die erforderlichen Einkommensnachweise gemäß § 30 Abs. 4 SVR vollständig vorgelegt wurden. Vorliegend wird jedoch auch zu beachten sein, dass dem beklagten Versorgungswerk zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bekannt war, dass die Klägerin abhängig beschäftigt ist und die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung abgelehnt wurde. Das beklagte Versorgungswerk stellte mit Anhörungsschreiben vom 22.05.2014 nur auf eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung ab 01.08.2013 ab und forderte Gehaltsbescheinigungen für August und September 2013, die Meldung zur Sozialversicherung und die Jahresmeldung zur Sozialversicherung für die Zeit vom 11.09.2013 bis 31.12.2013. Es wurde jedoch weder die Vorlage eines Einkommensteuerbescheides verlangt noch angefragt, ob die Klägerin neben ihrer abhängigen Beschäftigung Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Die Klägerin ging daher davon aus, dass für den Zeitraum ab 11.09.2013 keine Unterlagen oder Angaben fehlen. Insbesondere bei einem dem beklagten Versorgungswerk bekannten Wechsel der Einkommenssituation, erscheint es angebracht, vor Erlass eines Bescheides unter Festsetzung von Beiträgen nach § 30 Abs. 1 SVR auf die noch fehlenden Einkommensunterlagen hinzuweisen. Gemäß § 25 Abs. 2 VwVfG hat eine Behörde mit einem Antragsteller zu erörtern, welche Nachweise und Unterlagen zu erbringen sind. Auch § 40 SVR bestimmt eine allgemeine Aufklärungspflicht des beklagten Versorgungswerkes gegenüber den Leistungsberechtigten über deren Pflichten.
44Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Bei der Verteilung der Verfahrenskosten ist zwar hinsichtlich der Erledigung des Verfahrens § 161 Abs. 2 VwGO heranzuziehen. Da die im Beitragsbescheid A festgesetzten Beiträge jedoch im Vergleich zu den mit Bescheid B festgesetzten Beiträgen nur geringfügig sind, verbleibt es bei der Kostenentscheidung nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
45Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, da lediglich außergerichtliche Kosten vorläufig vollstreckbar sind und diese gegeneinander aufgehoben wurden.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 18. Feb. 2016 - 7 K 6462/14
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Referenzen - Gesetze
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn
- 1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Die Klage muß den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der Widerspruchsbescheid sollen in Abschrift beigefügt werden.
(2) Entspricht die Klage diesen Anforderungen nicht, hat der Vorsitzende oder der nach § 21g des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Berufsrichter (Berichterstatter) den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern. Er kann dem Kläger für die Ergänzung eine Frist mit ausschließender Wirkung setzen, wenn es an einem der in Absatz 1 Satz 1 genannten Erfordernisse fehlt. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 60 entsprechend.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung, des Antrags auf Zulassung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Beschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.
(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.
(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.
Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Die Behörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.
(2) Die Behörde erörtert, soweit erforderlich, bereits vor Stellung eines Antrags mit dem zukünftigen Antragsteller, welche Nachweise und Unterlagen von ihm zu erbringen sind und in welcher Weise das Verfahren beschleunigt werden kann. Soweit es der Verfahrensbeschleunigung dient, soll sie dem Antragsteller nach Eingang des Antrags unverzüglich Auskunft über die voraussichtliche Verfahrensdauer und die Vollständigkeit der Antragsunterlagen geben.
(3) Die Behörde wirkt darauf hin, dass der Träger bei der Planung von Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können, die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig über die Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen, und die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens unterrichtet (frühe Öffentlichkeitsbeteiligung). Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung soll möglichst bereits vor Stellung eines Antrags stattfinden. Der betroffenen Öffentlichkeit soll Gelegenheit zur Äußerung und zur Erörterung gegeben werden. Das Ergebnis der vor Antragstellung durchgeführten frühen Öffentlichkeitsbeteiligung soll der betroffenen Öffentlichkeit und der Behörde spätestens mit der Antragstellung, im Übrigen unverzüglich mitgeteilt werden. Satz 1 gilt nicht, soweit die betroffene Öffentlichkeit bereits nach anderen Rechtsvorschriften vor der Antragstellung zu beteiligen ist. Beteiligungsrechte nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.
(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.