Verwaltungsgericht Köln Urteil, 26. Jan. 2016 - 7 K 3354/14
Tenor
Der Widerspruchsbescheid des BfArM vom 13.06.2014 betreffend das Arzneimittel „E. N. 750 mg Tabletten“ (Zul.-Nr. 00000.00.00) wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Mit Bescheid vom 02.09.2005, zugestellt am 09.09.2005, wurde der Fa. C. -X. -GmbH im sogenannten Nachzulassungsverfahren eine Verlängerung der Zulassung gemäß § 105 AMG für das Arzneimittel „P. “ Tabletten (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) erteilt. Dieses Arzneimittel enthält als Wirkstoff 750 mg Methocarbamol pro Tablette und wurde für das Anwendungsgebiet „Symptomatische Behandlung schmerzhafter Muskelverspannungen, insbesondere des unteren Rückenbereichs (Lumbago)“ zugelassen. Im Jahr 2008 wurde die Zulassung auf die Beigeladene übertragen.
3Unter dem 15.08.2008 erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – der Klägerin eine generische Zulassung für das Arzneimittel „E. N. 750 mg Tabletten“ unter Bezugnahme auf das Referenzarzneimittel „P. “ Tabletten. Unter dem 20.01.2009 wurde der Klägerin eine weitere generische Zulassung für das Arzneimittel „N. N. 750 mg Tabletten“ erteilt, wobei ebenfalls das Arzneimittel „P. “-Tabletten als Referenzarzneimittel diente.
4Nachdem die Beigeladene Widerspruch gegen die generischen Zulassungen erhoben hatte, ordnete das BfArM im Oktober 2009 die sofortige Vollziehung der Zulassungen an. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wies das BfArM die Widersprüche als unbegründet zurück.
5Auf die Anfechtungsklage der Beigeladenen vom 12.04.2010 – 7 K 2148/10 – gegen die generischen Zulassungen der Klägerin wurden diese durch Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – aufgehoben, weil die generischen Zulassungen unter Verletzung der Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin aus § 24 b AMG erteilt worden waren. Der Rechtsauffassung der Beklagten, dass die Unterlagenschutzfrist abgelaufen sei, weil diese nach dem Prinzip der Globalzulassung mit der französischen Zulassung des Arzneimittels „M. 500 mg“ im Jahr 1996 begonnen habe, konnte das Gericht nicht folgen. Mit Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 – 13 A 2756/12 – wurde der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil abgelehnt.
6Nach Erhebung des Widerspruchs der Beigeladenen gegen die generischen Zulassungen der Klägerin im Januar 2009 stellte die Klägerin am 29.04.2009 einen Antrag auf Zulassung eines identischen Arzneimittels mit der Bezeichnung „N. 750 mg Tabletten“ auf der Grundlage eines bibliographischen Antrags nach § 22 Abs. 3 AMG. Mit dem Antrag legte die Klägerin unter anderem eine Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 vor, in der die Durchführung und die Ergebnisse der toxikologischen und klinischen Studien beschrieben wurden, die die Fa. C. -X. im Nachzulassungsverfahren für „P. “ Tabletten zur Mängelbeseitigung vorgelegt hatte.
7Unter dem 15.06.2010 wurde der Klägerin die bibliographische Zulassung für „N. 750 mg Tabletten“ (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) antragsgemäß erteilt. Hiergegen erhob die Beigeladene am 24.06.2010 Widerspruch und machte geltend, dass die Zulassung vermutlich auf Unterlagen der Beigeladenen für „P. “ gestützt worden sei, die noch der Unterlagenschutzfrist unterfielen, und damit rechtswidrig sei.
8Daraufhin beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 08.07.2010 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung und vertrat die Auffassung, der Widerspruch sei wegen Fehlens der Antragsbefugnis offensichtlich unzulässig und habe daher keine aufschiebende Wirkung.
9Mit Schreiben der Beigeladenen vom 22.07.2010 an das BfArM verzichtete diese auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, hielt aber ausdrücklich an der Erhebung des Widerspruchs fest.
10Das BfArM ordnete mit Bescheid vom 29.07.2010 die sofortige Vollziehung der bibliographischen Zulassung vom 15.06.2010 an. Mit Änderungsanzeige vom 16.08.2010 zeigte die Klägerin eine Änderung der Bezeichnung des mit Bescheid vom 15.06.2010 zugelassenen Arzneimittels in „E. N1. 750 mg Tabletten“ an.
11Nachdem das OVG NRW mit Beschluss vom 11.10.2013 im Verfahren 13 A 2756/12 das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – und damit die Aufhebung der generischen Zulassungen der Klägerin bestätigt hatte, entschied das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 über den Widerspruch der Beigeladenen gegen die bibliographische Zulassung für das streitgegenständliche Arzneimittel vom 15.06.2010 und hob die Zulassung auf.
12In der Begründung wurde ausgeführt, der Widerspruch der Beigeladenen sei zulässig und begründet. Die Zulassung sei rechtswidrig und verletze die Beigeladene in ihren subjektiven Rechten aus § 22 Abs. 3 Satz 1 AMG. Daher sei die Zulassung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG und § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG zurückzunehmen. Die von der Klägerin eingereichten Unterlagen der Beigeladenen bzw. ihrer Rechtsvorgängerin hätten bei Erteilung der bibliographischen Zulassung nicht verwertet werden dürfen, weil dies zu einer Umgehung der generischen Unterlagenschutzfrist führe. Ohne diese Unterlagen sei aber das übrige vorgelegte bibliographische Material zum Beleg von Wirksamkeit und Verträglichkeit nach § 22 Abs. 3 AMG nicht ausreichend.
13Am 17.06.2014 erhob die Klägerin im vorliegenden Verfahren Klage gegen die Rücknahme der Zulassung vom 15.06.2010 durch den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014. Daraufhin beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 09.07.2014 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung. Der Antrag wurde durch Bescheid des BfArM vom 30.07.2014 abgelehnt.
14Daher stellte die Beigeladene beim erkennenden Gericht einen Antrag nach § 80 a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 VwGO, die Rücknahmeentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 für sofort vollziehbar zu erklären. Durch Beschluss vom 15.12.2014 – 7 L 1502/14 – ordnete das Gericht die sofortige Vollziehung der Rücknahmeentscheidung für die bibliographische Zulassung des Arzneimittels an. Diese Entscheidung war maßgeblich auf die Erwägung gestützt, dass sich die Klage der Klägerin auf Aufhebung der Rücknahmeentscheidung voraussichtlich als erfolglos erweisen würde, weil die Aufhebung als rechtmäßig anzusehen sei. Denn die der Klägerin erteilte bibliographische Zulassung vom 15.06.2010 sei wegen einer Verletzung der Rechte der Beigeladenen auf Schutz der Zulassungsunterlagen für „P. “ aus §§ 24 a AMG a.F., 141 Abs. 5 AMG rechtswidrig, weil sie auf einer mittelbaren Verwertung der Studien der Beigeladenen beruhe, die mittels einer Broschüre der Fa. C. -X. aus dem Jahr 2006 im bibliographischen Zulassungsverfahren vorgelegt worden seien.
15Die gegen die Anordnung des Sofortvollzugs gerichtete Beschwerde der Klägerin wurde durch Beschluss des OVG NRW vom 27.04.2015 – 13 B 1484/14 – zurückgewiesen. Das Gericht schloss sich im Grundsatz der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts an und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung. In der Begründung wurde ausgeführt, dass eine zehnjährige Unterlagenschutzfrist bei analoger Anwendung von § 24 b AMG auch gegenüber einer mittelbaren Verwertung von Unterlagen einer gemischt-bibliographischen Erstzulassung im Rahmen eines bibliographischen Zweitantrages bestehe.
16Mit Schriftsatz vom 25.08.2015 beantragte die Klägerin, den Beschluss des VG Köln vom 15.12.2014 im Verfahren 7 L 1502/14 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO abzuändern und den Antrag der Beigeladenen auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 erfolgten Aufhebung der Zulassung für „E. N1. “ abzulehnen, 7 L 2095/15. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klage der Klägerin habe wegen des bevorstehenden Ablaufs der Unterlagenschutzfrist für „P. “ am 09.09.2015 nunmehr Aussicht auf Erfolg. Denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides komme es nach der Rechtsprechung des OVG NRW (Urteil vom 25.02.2015 – 13 A 137/14 – ) im Fall eines Widerrufs einer arzneimittelrechtlichen Zulassung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an. Dies müsse wegen des erheblichen Grundrechtseingriffs und der erschwerten Möglichkeit der Wiedererlangung einer Zulassung nicht nur für einen Widerruf, sondern auch für die hier streitgegenständliche Rücknahme einer Zulassung gelten.
17Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die Frage des Beurteilungszeitpunkts nach dem materiellen Recht zu entscheiden (BVerwG, Urteil vom 13.04.2010 – 1 C 10/09 – juris, Rn. 11). Dies gelte auch für Rücknahme- und Widerrufsentscheidungen. Insbesondere bei Nachbarklagen im Bereich des Baurechts seien nach der Rechtsprechung nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen (OVG NRW, Beschluss vom 04.06.1998 – 10 A 1318/97 - ).
18.
19Der Aufhebungsanspruch der Beigeladenen entfalle jedoch mit dem Ablauf der Unterlagenschutzfrist im September 2015 mit der Folge, dass die Rücknahme des Zulassungsbescheides rechtswidrig geworden sei. Nach der Rechtsprechung des OVG NRW sei der Inhaber einer Erstzulassung nach Ablauf der Frist nicht mehr berechtigt, die Aufhebung oder Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zweitzulassung zu verlangen (OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 – 13 A 2801/10 – juris, Rn. 165, 169). Die Aufhebung der streitgegenständlichen Zulassung der Klägerin würde zu einer faktischen Verlängerung der Unterlagenschutzes für „P. “ bis zur Erlangung einer erneuten Zulassung führen, die nicht in Einklang mit dem materiellen Recht stehe. Die Unterlagenschutzfrist stehe einer Antragstellung und –bearbeitung vor Ablauf der Frist nicht entgegen. Es genüge, wenn der 10-Jahreszeitraum im Zeitpunkt der Erteilung der Zweitzulassung abgelaufen sei (OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1171/08 - ).
20Die „Broschüre“ der Fa. C. -X. mit der Wiedergabe der maßgeblichen Studienergebnisse sei somit nunmehr zu berücksichtigen. Es handele sich auch um anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG. Dieser Text sei von der Fa. C. -X. veröffentlicht worden und damit öffentlich zugänglich. Eine besondere wissenschaftliche Anerkennung sei nicht erforderlich. Diese enthalte auch inhaltlich eine hinreichende Beschreibung der Studienergebnisse. Ungeachtet dessen müsse die Beklagte die Broschüre auch nach § 24 d AMG berücksichtigen, nachdem der Unterlagenschutz abgelaufen sei.
21Die Beklagte und die Beigeladene widersprachen dem Antrag mit der Begründung, bei der streitgegenständlichen Rücknahme einer Zulassungsentscheidung komme es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung an. Mit dem Widerruf einer arzneimittelrechtlichen Zulassung sei dieser Fall nicht zu vergleichen. Daher sei der Verstoß gegen den Unterlagenschutz der Beigeladenen weiterhin zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Rechtsprechung zum Nachbarschutz im Baurecht auf den Unterlagenschutz im Arzneimittelrecht nicht übertragbar. Denn der Makel der rechtswidrigen Zulassungserteilung hafte der relevanten Zulassung dauerhaft an, auch nachdem die Unterlagenschutzfrist abgelaufen sei.
22Auf die Entscheidung des OVG NRW vom 04.07.2013, wonach nach dem Ablauf der Unterlagenschutzfrist keine Rechte des Erstantragstellers mehr bestünden, könne die Klägerin sich nicht berufen, weil das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 17.11.2014 – 3 B 67.13 – die Revision gegen das Urteil zugelassen habe.
23Die Klägerin dürfe für ihr rechtswidriges Verhalten, das zu der rechtwidrigen Erteilung der bibliographischen Zweitzulassung während der Unterlagenschutzfrist geführt habe, nicht dadurch belohnt werden, dass die Rechtswidrigkeit nach Ablauf der Frist als unbeachtlich angesehen würde. Dies führe zu einer Umgehung des Verwertungsverbots während der Schutzfristen. Bei einer rechtmäßigen Vorgehensweise sei eine Verwendung der Unterlagen und damit eine Zulassungsantragstellung nämlich erst ab dem Ablauf der Frist möglich.
24Aus § 24 d AMG ergebe sich nicht, dass die Beklagte nunmehr verpflichtet sei, die Unterlagen der Beigeladenen zu verwerten. Vielmehr steht die Verwertung im Ermessen der Behörde. Im Übrigen sei es nicht Aufgabe der Bundesoberbehörde, die Zulassungsfähigkeit des Arzneimittels der Klägerin herzustellen. Vielmehr obliege der Klägerin der Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels.
25Es sei auch nicht richtig, dass eine Aufhebung einer ursprünglich rechtswidrigen Zulassung, die nach Ablauf der Schutzfrist fortbestehe, zu einer Verlängerung der Schutzfrist führe. Denn es sei jedermann freigestellt, nach Ablauf der Frist einen Zulassungsantrag zu stellen.
26Unabhängig von den Rechten der Beigeladenen sei die streitgegenständliche Zulassung auch im jetzigen Zeitpunkt rechtswidrig, weil eine Bezugnahme auf die „Broschüre“ der Fa. C. -X. grundsätzlich nicht möglich sei. Denn es handele sich nicht um anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG, weil die beschriebenen Studien bisher nicht veröffentlicht worden seien. Die Broschüre sei keine öffentlich zugängliche und anerkannte Quelle. Im Ergebnis enthalte die Broschüre nur eine nicht aussagekräftige Zusammenfassung der durchgeführten Studien. Die übrigen Literaturdaten allein seien jedoch für die Feststellung von Wirksamkeit und Verträglichkeit des Arzneimittels unzureichend. Insofern wird auf eine Stellungnahme des BfArM vom 18.08.2015 Bezug genommen.
27Am 09.09.2015 lief die Unterlagenschutzfrist für das Arzneimittel „P. “ der Beigeladenen ab. Die Klägerin stellte danach bei der Beklagten einen erneuten Antrag auf eine generische Zulassung unter Bezugnahme auf die Unterlagen von „P. “ sowohl im nationalen Verfahren als auch im dezentralisierten Verfahren mit Deutschland als „reference member state“ (RMS). In diesem Verfahren wurde wegen einer Änderung der Leitlinien eine neue Bioäquivalenzstudie vorgelegt. In beiden Verfahren sind noch keine Entscheidungen ergangen.
28Im Klageverfahren hat sich die Klägerin auf ihren Vortrag in den Verfahren 7 L 1502/14 und 7 L 2095/15 berufen. Ergänzend hat sie ausgeführt, es treffe nicht zu, dass die klinische Studie, die im Rahmen des Nachzulassungsverfahrens für das Arzneimittel „P. “ vorgelegt worden sei, nicht veröffentlicht sei und damit nicht als anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG anerkannt werden könne. In der Zeitschrift „MMW-Fortschritte der Medizin“ sei die Studie zwischenzeitlich durch die Autoren O. F. , K.A. N2. , M. T. unter der Überschrift „N1. bei akuten Rückenschmerzen“ beschrieben worden (Ausgabe 2015, 157). Soweit diese Publikation noch Fragen offen lasse, sei die Beklagte gemäß § 24 d AMG verpflichtet, diese durch Rückgriff auf den vorliegenden Abschlussbericht der Studie zu beantworten. Die der Klägerin erteilte bibliographische Zulassung sei daher nunmehr rechtmäßig.
29Der Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Beiladung vom 13.01.2016 wurde durch Beschluss der Kammer vom 22.01.2016 abgelehnt.
30Die Klägerin beantragt,
31den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 betreffend das Arzneimittel „E. N1. 750 mg Tabletten“ (Zul.-Nr. 00000.00.00) aufzuheben.
32Die Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
35die Klage abzuweisen.
36Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und in den Verfahren 7 K 2148/10, 7 L 1502/14 und 7 L 2095/15 sowie auf die von der Beklagten in diesen Verfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge und sämtliche von den Beteiligten in diesen Verfahren vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
37E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38Die Klage ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO zulässig und begründet. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13.06.2014 erweist sich im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
39Welcher Zeitpunkt bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes zugrunde zu legen ist, beurteilt sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach dem anwendbaren materiellen Recht,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2007 - 4 C 9.07 - , BVerwGE 130, 113-122; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO-Großkommentar, 3. Aufl. 2010, § 113 Rn. 91 ff.
41Hierbei gilt als Regelfall, dass bei eingreifenden Verwaltungsakten - wie der Rücknahme oder dem Widerruf von Genehmigungen - grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, wenn nicht das anwendbare materielle Recht die Berücksichtigung späterer Änderungen von Sach- oder Rechtslage gebietet. Dies ist beispielweise der Fall im Bereich des Aufenthaltsrechts und des Baurechts. Hier sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wegen der Grundrechtsintensität des betreffenden Eingriffs und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Rücknahme oder dem Widerruf einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch spätere Veränderungen der Sach- oder Rechtslage zu berücksichtigen,
42BVerwG, Urteil vom 13.04.2010 – 1 C 10/09 – juris, Rn. 11 ff.
43Insbesondere ist nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bei der Prüfung einer Aufhebung der Baugenehmigung, die auf einen Nachbarwiderspruch hin erfolgt ist, der gleiche materielle Beurteilungsmaßstab anzulegen, der auch im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Genehmigungserteilung Anwendung finden würde. In diesem Verfahren sind aber zwischenzeitlich ergangene Rechtsänderungen zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen, da es nicht verhältnismäßig wäre, eine bei Erlass rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste,
44vgl. OVG NRW, Beschluss vom 04.06.1998 – 10 A 1318/97 – juris, Rn. 6 ff.; Wolff, in Sodan/Ziekow, VwGO-Großkommentar, 4. Auflage 2014, § 113 Rn. 119.
45Diese für die baurechtliche Nachbarklage geltenden Maßstäbe können nach Auffassung der Kammer auch bei der Anfechtung von Zulassungsentscheidungen durch Dritte, insbesondere durch Vorantragsteller, im Arzneimittelrecht Anwendung finden. Sie können daher auch auf den hier streitgegenständlichen Fall einer Aufhebung einer Zulassung im Drittwiderspruchsverfahren, die vom Zulassungsinhaber angefochten wird, übertragen werden, weil die Interessenlage vergleichbar ist. Insbesondere ist die Aufhebung einer Zulassung eine Maßnahme mit besonderer Eingriffsintensität in die Rechte des pharmazeutischen Unternehmers aus Art. 12 GG, weil die Neuerteilung einer Zulassung wegen des zeitlichen und finanziellen Aufwands, gegebenenfalls gestiegener Anforderungen und weiterreichender Versagungsgründe erheblich erschwert ist,
46vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.02.2015 – 13 A 1371/14 – „Kava-Kava“, juris: für den Widerruf einer arzneimittelrechtlichen Zulassung.
47Es wäre daher nicht verhältnismäßig, die Aufhebung einer rechtswidrigen Zulassung in einem Drittwiderspruchsverfahren gerichtlich zu bestätigen, wenn wegen einer Änderung der Sach- oder Rechtslage feststeht, dass die Zulassung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtskonform ist, weil sie nicht mehr gegen Rechte des Dritten verstößt.
48Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob die Rechtsprechung zur baurechtlichen Nachbarklage auch insoweit im Arzneimittelrecht Anwendung finden kann, als nach Genehmigungserteilung eintretende Umstände, die für den Bauherrn – bzw. den Inhaber der Zweitgenehmigung - nachteilig sind, nicht berücksichtigt werden. Zweifel an einer Übertragung dieser Praxis auf die arzneimittelrechtliche Drittanfechtung ergeben sich aus dem Grundsatz der Arzneimittelsicherheit, der die Beachtung aller aktuellen Umstände und Erkenntnisse bei einer gerichtlichen Entscheidung über die Erteilung und den Bestand einer Zulassung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln erfordert. Daher ist beim Widerruf einer arzneimittelrechtlichen Zulassung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich,
49vgl. OVG NRW, Urteil vom 25.02.2015 – 13 A 1371/14 – juris; VG Köln, Urteil vom 20.05.2014 – 7 K 6969/11 – juris: für den Widerruf einer arzneimittelrechtlichen Zulassung.
50Ob dies auch generell für die Rücknahme einer arzneimittelrechtlichen Zulassung gilt, kann hier offen bleiben. Nach Auffassung der Kammer kann jedenfalls in dem hier vorliegenden Konkurrentenstreit der Klägerin nicht verwehrt werden, sich auf den für sie günstigen Umstand des Ablaufs der Unterlagenschutzfrist zu berufen, der nach Erlass der streitgegenständlichen Rücknahme der Zulassung erfolgte.
51Dies folgt aus einer Auslegung des materiellen Rechts, das die Beachtung des Endes des Unterlagenschutzes zugunsten des Inhabers der Zweitzulassung gebietet. Maßgeblich sind insoweit die Rechtsvorschriften des Arzneimittelrechts, die die Bezugnahme oder die Verwendung von Unterlagen eines Vorantragstellers im Rahmen eines nachfolgenden generischen oder bibliographischen Zulassungsantrages für ein vergleichbares Arzneimittel regeln. Nach den hier anwendbaren Vorschriften, insbesondere § 24 a Abs. 1 Satz 3 AMG a.F., besteht nach dem Ende der Unterlagenschutzfrist kein Anspruch des Erstantragstellers auf Aufhebung der Zulassung mehr, selbst wenn die Zulassung noch während der Schutzfrist und damit rechtswidrig erteilt worden ist,
52vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 – 13 A 2801/10 - „Clopidogrel“.
53Diese Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts bezieht sich zwar unmittelbar auf die Unterlagenschutzfrist nach Art. 13 Abs. 4 VO (EWG) Nr. 2309/93 im zentralen Zulassungsverfahren, die hier nicht anwendbar ist. Art. 13 Abs. 4 verweist aber auf Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a) iii) der Richtlinie 65/65/EWG in der Fassung der Richtlinie 87/21/EWG, die später in Art. 10 Abs. 1 Buchstabe a) iii) der Richtlinie 2001/83/EG vom 22.12.2001 übernommen wurde. Diese gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen sind wiederum Grundlage der nationalen Vorschrift des § 24 a Abs. 1 Satz 3 AMG in der bis zum 05.09.2005 geltenden Fassung. Die hier festgelegte 10-jährige Schutzfrist ist auch im vorliegenden nationalen Zulassungsverfahren nach § 22 Abs. 3 AMG auf der Grundlage einer analogen Anwendung des § 24 b i.V.m.. § 141 Abs. 5 AMG zu beachten.
54Die o.g. Entscheidung des OVG NRW, die sich auch mit der Auslegung der hier anwendbaren Vorschriften befasst, kann daher auf das vorliegende Verfahren übertragen werden.
55Daher war die streitgegenständliche Zulassung der Klägerin vom 15.06.2010, die auf § 22 Abs. 3 AMG beruhte, wegen einer mittelbaren Verwertung der Unterlagen der Beigeladenen für das am 02.09.2005 zugelassene Arzneimittel „P. “ innerhalb der zehnjährigen Schutzfrist wegen eines Verstoßes gegen § 24 b, § 141 Abs. 5 AMG i.V.m. § 24 a AMG rechtswidrig,
56vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27.04.2015 - 13 B 1484/14 - und VG Köln, Beschluss vom 15.12.2014 - 7 L 1502/14 - .
57Infolgedessen war der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 13.06.2014 im Drittwiderspruchsverfahren der Beigeladenen gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und § 73 Abs. 1 VwGO im Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig. Auf die Gründe der o. g. Beschlüsse wird in vollem Umfang Bezug genommen.
58Nachdem jedoch die Unterlagenschutzfrist am 09.09.2015 – zehn Jahre nach der Zustellung des Zulassungsbescheides für „P. “ – abgelaufen ist, wird die Beigeladene durch die streitgegenständliche Zulassung nicht mehr in ihren Unterlagenschutzrechten verletzt. Der Aufhebungsbescheid kann daher nicht mehr auf einen Verstoß gegen § 24 b AMG gestützt werden (hierzu 1.). Er kann aber auch nicht mehr auf die Verletzung von § 22 Abs. 3 AMG und die Rücknahmevorschriften des § 30 Abs. 1 und Abs. 2 AMG gestützt werden (hierzu 2.). Der Aufhebungsbescheid vom 13.06.2014 ist daher im nun maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtswidrig und aufzuheben.
591.
60Eine Verletzung von Unterlagenschutzrechten der Beigeladenen nach Ablauf der Schutzfrist kommt nicht mehr in Betracht. Denn innerhalb der Zehnjahresfrist des hier analog anwendbaren § 24 b, § 141 Abs. 5 AMG i.V.m. § 24 a Abs. 1 Satz 3 AMG a.F. ist zwar die Erteilung einer Zulassung nicht zulässig und damit eine gleichwohl erteilte Zulassung rechtswidrig. Die Frist steht aber einer Antragstellung und Bearbeitung eines Zulassungsantrages für ein wesentlich gleiches Arzneimittel vor Fristablauf nicht entgegen,
61OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2801/10 - juris, Rn. 161 ff.
62Diese Auslegung gilt nicht nur für die Unterlagenschutzrechte des Erstantragstellers gemäß Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65/EWG in der Fassung der Richtlinie 87/21/EWG, die für Referenzarzneimittel Anwendung findet, deren Genehmigung im zentralen Zulassungsverfahren vor dem 20.11.2005 beantragt wurde,
63vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2801/10 – „Clopidogrel“.
64Sie ist gleichermaßen zutreffend für die Auslegung der hier anwendbaren Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 Buchstabe a) iii) der Richtlinie 2001/83/EG in der bis zum 30.11.2005 geltenden Fassung und der darauf beruhenden nationalen Regelung des § 24 a Abs. 1 Satz 3 AMG a. F., die für Referenzarzneimittel gilt, deren Zulassung im nationalen Verfahren vor dem 30.10.2005 beantragt wurde. Denn diesen Regelungen liegen ebenfalls die Bestimmungen in Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65/EWG in der Fassung der Richtlinie 87/21/EWG zugrunde. Die Rechtsprechung des OVG NRW kann daher auf die hier anwendbaren Vorschriften übertragen werden.
65Gemäß Art. 10 Abs. 1 Buchstabe a) iii) der Richtlinie 2001/83/EG war der Antragsteller nicht verpflichtet, die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen konnte, dass das Arzneimittel im Wesentlichen einem Arzneimittel gleicht, das seit mindestens 6 Jahren in der Gemeinschaft nach den Gemeinschaftvorschriften zugelassen und im Verkehr ist. Die Mitgliedsstaaten konnten diese Frist auf zehn Jahre verlängern. Davon hatte der nationale Gesetzgeber in § 24 a Abs. 1 Satz 3 AMG a.F. Gebrauch gemacht. Nach dieser Vorschrift war die Bezugnahme auf die vorklinischen und klinischen Prüfungen eines Referenzarzneimittels ohne die Zustimmung des Vorantragstellers zulässig, wenn der Antragsteller nachwies, dass die erstmalige Zulassung des Arzneimittels in der EG länger als zehn Jahre zurücklag.
66Der Nachweis für den Ablauf der 10-Jahres Frist kann daher - ebenso wie der Nachweis der wesentlichen Gleichheit - als materiell-rechtliche Voraussetzung der Erteilung der Zulassung aufgefasst werden. Diese durfte nicht vor Ablauf der Frist erfolgen. Dagegen enthielten diese Bestimmungen keine ausdrückliche Regelung für das Zulassungsverfahren, insbesondere kein Verbot für die Einreichung des Antrags oder die behördeninterne Bearbeitung vor Ablauf der Frist. Daher gibt es auch kein korrespondierendes Recht des Erstantragstellers, die Verletzung einer Antragsfrist nach Ablauf des Schutzzeitraums noch geltend zu machen,
67vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2801/10 - juris Rn. 162 f.; VG Berlin, Beschluss vom 19.03.1990 - 14 A 78.90 - juris Rn. 21, OVG Berlin, Beschluss vom 06.04.1990 - 5 S 34.90 – juris, Rn. 3.
68Eine Auslegung dieser Regelung dahingehend, dass erst nach Ablauf der zehnjährigen Schutzfrist die Stellung und Bearbeitung eines Zulassungsantrages gestattet ist, ist auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des innovativen Unternehmers nicht erforderlich. Denn die zehnjährige Schutzfrist ab der Erstzulassung sichert dem Erstantragsteller einen erheblichen und genau kalkulierbaren Zeitraum, in dessen Verlauf er Konkurrenz durch Nachahmerpräparate nicht fürchten muss. Eine Erweiterung dieser Frist durch einen unbestimmten zusätzlichen Zeitraum, der für die Bearbeitung eines Zweitantrages erforderlich ist, ist dagegen nicht geboten,
69vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08, 13 B 1171/08 und 13 B 1202/08 - juris; VG Köln, Urteil vom 20.10.2010 - 24 K 7534/08 - .
70Dies würde zu unterschiedlichen Schutzfristen für die Erstantragsteller führen, die vom jeweiligen Bearbeitungsbedarf abhängig und somit nicht berechenbar wären.
71Auch die Änderung und Differenzierung der Unterlagenschutzfristen bei generischen Anträgen durch die Richtlinie 2004/27/EG vom 31.03.2004, die durch das 14. Änderungsgesetz vom 29.08.2005 (BGBl. I S. 2570) in Gestalt des § 24 b AMG umgesetzt wurde, führt nicht zu einer abweichenden Auslegung. Nach § 24 b Abs. 1 AMG gilt nun eine achtjährige Frist, in der eine Bezugnahme und damit auch eine Antragstellung und Bearbeitung unzulässig ist und eine zehnjährige Vermarktungssperre, mit der Folge, dass ein Zulassungsbescheid bereits vor Ablauf von 10 Jahren erteilt, aber nicht ausgenutzt werden kann,
72vgl. Kortland, in Kügel/Müller/Hofmann, Arzneimittelgesetz 2012, § 24 b Rn. 42; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 121. Akt.-Lief. 2012, § 24 b Anm. 28; Ambrosius, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 211.
73Der Gesetzgebungsgeschichte kann aber nicht entnommen werden, dass durch diese Änderung eine bereits zuvor geltende zehnjährige Frist für die Antragstellung um zwei Jahre verkürzt werden sollte. Vielmehr sollten die Zulassung für Generika vereinfacht und unterschiedliche Schutzfristen in den Mitgliedsstaaten harmonisiert werden,
74vgl. Erwägungsgründe der Richtlinie 2004/27/EG vom 31.03.2004.
75Eine Absicht zur Reduzierung der Unterlagenschutzfrist lässt sich dieser Begründung nicht entnehmen,
76OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 – 13 B 1169/08 – juris, Rn. 51.
77Demnach kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber sowohl nach der früheren Regelung in § 24 a Abs. 1 Satz 3 AMG a.F. als auch nach der neuen Regelung in § 24 b Abs. 1 AMG für generische Zulassungsanträge dem Erstantragsteller eine insgesamt zehnjährige Frist für die exklusive Vermarktung eines Arzneimittels zugestehen wollte, dessen Zulassung er durch erhebliche Investitionen in die Zulassungsunterlagen erwirkt hat. Diese Frist kann nur durch die Erweiterung der Zulassung um neue Anwendungsgebiete um 1 Jahr verlängert werden, § 24 b Abs. 1 Satz 3 AMG. Gleiches gilt für die mindestens zehnjährige allgemeine medizinische Verwendung des Wirkstoffs nach § 22 Abs. 3 AMG i.V.m. Art. 10 a der Richtlinie 2001/83/EG i.d.F. der Richtlinie 2004/27/EG. Auch diese räumt dem Erstantragsteller nur das subjektive Recht ein, gegen die Erteilung einer bibliographischen Zulassung während der Zehn-Jahres-Frist vorzugehen, nicht aber gegen eine Antragstellung und Bearbeitung vor Ablauf der Frist,
78vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2801/10 - juris, Rn. 163; Beschlüsse vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 und 13 B 1202/08 - ; VG Köln, Beschlüsse vom 25.07.2008 - 7 L 1009/08 u.a. - ; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, 123. Akt.-Liefg. 2012, § 22 Anm. 87.
79Aus Sicht der Kammer spricht insbesondere diese einheitliche Auslegung der Unterlagenschutzfristen im Sinne eines zehnjährigen Vermarktungsschutzes dafür, an der Rechtsprechung des OVG NRW im Urteil vom 04.07.2013 trotz Zulassung der Revision durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2014 – 3 B 67/13 – zunächst festzuhalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem genannten Beschluss auch nicht zum Ausdruck gebracht, dass insoweit erhebliche rechtliche Bedenken bestehen. Vielmehr wollte der Senat das Revisionsverfahren zum Anlass nehmen, grundsätzlich zu klären, welche Rechtspositionen dem Inhaber der Zulassung eines Referenzarzneimittels gegenüber einer späteren rechtswidrigen Zulassung eines Generikums zustehen. Somit erscheint auch eine Bestätigung der Rechtsprechung des OVG NRW im Revisionsverfahren möglich.
80Demnach war die der Klägerin am 15.06.2010 erteilte bibliographische Zulassung nur deshalb rechtswidrig, weil sie innerhalb der noch bis zum 09.09.2005 laufenden Unterlagenschutzfrist für „P. “ erfolgte. Ein Rechtsfehler wegen der vor Fristablauf erfolgenden Stellung des Zulassungsantrages lag jedoch nicht vor. Nur eine verfrühte Antragstellung könnte aber dazu führen, dass die Zulassung auch aktuell noch rechtswidrig ist, weil dieser Verfahrensfehler durch den Ablauf der Schutzfrist nicht geheilt werden kann. Daraus folgt, dass nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist im September 2005 Rechte der Beigeladenen durch die streitgegenständliche Zulassung nicht mehr verletzt werden. Ein weiterhin anhaftender „Makel“ einer verfrühten Antragstellung liegt aber gerade nicht vor.
81Ist aber ein materieller Anspruch der Beigeladenen auf Aufhebung einer generischen Zulassung nach Ablauf der Schutzfrist nicht mehr begründet, ist dies auch im Rahmen einer Klage gegen die Aufhebung dieser Zulassung zu berücksichtigen. Daher ist der Aufhebungsbescheid vom 13.06.2014 nunmehr rechtswidrig, weil die Zulassung nicht mehr gegen Rechte der Beigeladenen verstößt.
822.
83Der Aufhebungsbescheid ist auch nicht als Rücknahme einer Zulassung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder nach § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AMG rechtmäßig. Die Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage liegen nicht mehr vor.
84Nach diesen Vorschriften ist eine Zulassung zurückzunehmen, wenn bei ihrem Erlass das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 AMG nicht dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprach. Sie kann zurückgenommen werden, wenn in den Unterlagen nach § 22 Abs. 3 AMG unvollständige Angaben gemacht worden sind.
85Der Beklagten kann zwar darin gefolgt werden, dass bei Erlass der streitgegenständlichen Zulassung am 15.06.2010 die Unterlagen nach § 22 Abs. 3 AMG nicht für die Begründung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des beantragten Arzneimittels ausreichten und die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Zulassung daher im Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung am 13.06.2014 vorlagen. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Unterlagenschutzfrist für „P. “ noch nicht abgelaufen und die „Broschüre“ der Fa. C. -X. GmbH, die wesentliche Untersuchungsergebnisse aus dem Zulassungsverfahren für „P. “ enthielt, durfte analog § 24 b AMG nicht berücksichtigt werden. Die übrigen bibliographischen Unterlagen waren aber für die erstrebte Zulassung nach § 22 Abs. 3 AMG nicht ausreichend, wie das BfArM erneut in seiner Stellungnahme vom 18.08.2015 belegt hat. Dies hat auch die Klägerin nicht substantiiert bestritten.
86Diese Sachlage hat sich aber durch den Ablauf der Unterlagenschutzfrist geändert. Die Beigeladene kann der Zulassung nicht mehr entgegenhalten, dass ihre Unterlagenschutzrechte verletzt werden. Dieser Umstand ist auch, wie ausgeführt, im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die Aufhebung zu berücksichtigen. Es ist daher folgerichtig, wenn auch bei der gerichtlichen Überprüfung der Rücknahme der Zulassung nach § 30 AMG der Wegfall des Unterlagenschutzes zu beachten ist, soweit er auf die Rücknahmeentscheidung eine Auswirkung hat. Andernfalls wären die Unterlagen des Erstantragstellers auf dem Umweg über § 30 AMG über den Fristablauf hinaus geschützt, was nicht dem Gesetzeszweck entspricht.
87Wegen des Wegfalls des Unterlagenschutzes kann die vorgelegte „Broschüre“ mit den maßgeblichen Studienergebnissen nun als „anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial“ im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG in die Beurteilung von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels einbezogen werden.
88Der Einwand der Beklagten, die „Broschüre“ erfülle nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung als „anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial“, vermag nicht zu überzeugen. Dem steht schon entgegen, dass die Beklagte diese Unterlagen bei der Erteilung der Zulassung am 15.06.2010 als ausreichend bewertet hat. Andernfalls hätte sie die Zulassung nicht erteilen dürfen.
89Darüber hinaus lässt sich auch auf der Grundlage einer Auslegung des § 22 Abs. 3 AMG i.V.m. Art. 10 a der Richtlinie 2001/83/EG nicht begründen, dass dieses Schriftstück die Anforderungen nicht erfüllt.
90In § 22 Abs. 3 AMG ist das „andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial“ nicht definiert. Erkenntnisse zur Auslegung ergeben sich aus dem Anhang zur Richtlinie 2001/83/EG bzw. den hiermit übereinstimmenden Arzneimittelprüfrichtlinien sowie aus der Rechtsprechung des EuGH zur bibliographischen Zulassung.
91In Teil II Ziff. 1 des Anhangs I der Richtlinie 2001/83/EG sind die Anforderungen an Zulassungsanträge gemäß Art. 10 a der Richtlinie beschrieben. Dort heißt es, anstelle der Module 4 und 5 sei anhand einer ausführlichen wissenschaftlichen Bibliographie auf präklinische und klinische Fragen einzugehen. Unter dem Buchstaben b) wird gefordert, dass die eingereichten Unterlagen alle Aspekte der Unbedenklichkeits- und /der Wirksamkeitsbewertung abdecken und einen Überblick über die einschlägigen Veröffentlichungen umfassen müssen. Dabei seien vor und nach dem Inverkehrbringen durchgeführte Studien und wissenschaftliche Veröffentlichungen über die vorliegenden Erfahrungen in Form von epidemiologischen Studien zu berücksichtigen.
92Nach der Rechtsprechung des EuGH schwächt das sog. abgekürzte Verfahren im Sinne des Art. 10 a der Richtlinie 2001/83/EG in keiner Weise die Anforderungen ab, denen die Arzneimittel in Bezug auf Sicherheit und Wirksamkeit genügen müssen, sondern entbindet den Antragsteller lediglich von der nochmaligen Durchführung der erforderlichen Versuche. Stattdessen ist dieser verpflichtet, durch eine eingehende Bezugnahme auf wissenschaftliche Veröffentlichungen nachzuweisen, dass die im Anhang der Richtlinie beschriebenen Versuche zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt worden sind und den Nachweis erbracht haben, das der Wirkstoff des Arzneimittels die in Art. 4 (der Richtlinie 65/65/EWG, heute Art. 8 der Richtlinie 2001/83/EG) genannten Kriterien für eine Zulassung erfüllt,
93vgl. EuGH, Urteil vom 05.10.1995 – C-440/93 – juris, Rn. 17; Urteil vom 23.10.2014 – C-104/13 – juris, Rn. 29.
94Demnach ist von dem vorgelegten Erkenntnismaterial zu fordern, dass es nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufbereitet und veröffentlicht ist und hinreichende Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Verträglichkeit des Arzneimittels enthält, sodass die Durchführung neuer Studien überflüssig ist.
95Dies ist bei der Broschüre der Fa. C. -X. der Fall. Diese enthält insbesondere die Ergebnisse der notwendigen klinischen und präklinischen Studien der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen. Bei wissenschaftlichen Studien, die mit einem vergleichbaren Arzneimittel zu einem früheren Zeitpunkt durchgeführt worden sind, handelt es sich um einen typischen Fall des „anderen Erkenntnismaterials“. Dieses wurde auch veröffentlicht, weil die Broschüre mit Wissen und Willen der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen in den Verkehr gelangt ist, auch wenn diese Veröffentlichung nicht in einer Fachzeitschrift erfolgte. Dass die Studie nach wissenschaftlichen Erkenntnissen angefertigt und dokumentiert wurde, ist nicht zweifelhaft. Fraglich könnte allenfalls sein, ob die in der Broschüre enthaltenen, zusammengefassten Aussagen inhaltlich ausreichend sind, um die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels zu beurteilen.
96Es ist jedoch gerade charakteristisch für die Publikation einer Studie – auch in einer Fachzeitschrift – dass diese nicht den Studienbericht in allen Einzelheiten wiedergibt, sondern eine Zusammenfassung von Studiendesign, Studienverlauf und Studienergebnissen enthält. Wenn die Beklagte eine derartige Darstellung als unzureichend beurteilt, muss sie im Einzelnen darlegen, welche Mängel vorhanden sind, die eine Beurteilung der Studienergebnisse nicht zulassen. Eine derartige substantiierte Darstellung der Mängel der Broschüre hat die Beklagte jedoch nicht vorgelegt. Hierzu ist sie aber verpflichtet, wenn sie sich auf den Versagungsgrund nicht vollständiger bzw. nicht ausreichender Unterlagen beruft,
97vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.2010 – 3 C 25.09 – juris, Rn. 19.
98Demgegenüber kann die Beklagte sich auch nicht darauf berufen, man habe sich in der Arbeitsgruppe für das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren (CMDh) darauf geeinigt, nur noch Veröffentlichungen in Fachzeitschriften als bibliographisches Erkenntnismaterial zu akzeptieren, wie die Vertreterinnen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erklärt haben. Eine derartige Absprache ist für das Gericht nicht verbindlich, solange diese nicht in einer Änderung des Anhangs I der Richtlinie 2001/83/EG oder den hierzu ergangenen wissenschaftlichen Leitlinien ihren Niederschlag findet.
99Im Übrigen ist die Beklagte nach dem Ablauf der Unterlagenschutzfrist auch ohne eine entsprechende Bezugnahme der Klägerin berechtigt, ergänzend die ihr vorliegenden originalen Studienberichte zur „P. “ zur Beurteilung der vorgelegten Broschüre heranzuziehen, § 24 d AMG. Es spricht daher viel dafür, dass sie sich auf eine eventuelle unvollständige Darstellung der Untersuchungsergebnisse in den vorgelegten Unterlagen nicht mehr berufen kann.
100Da die Beklagte somit die Mängel der eingereichten bibliographischen Unterlagen in Form der Broschüre der Fa. C. -X. nicht dargelegt und auch keine weiteren Rücknahmegründe angeführt hat, liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Zulassung im Sinne des § 30 Abs. 1 oder Abs. 2 AMG im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr vor.
101Der angefochtene Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 war somit aufzuheben.
102Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 159 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
103Die Kammer hat die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.
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(1) Fertigarzneimittel, die sich am 1. Januar 1978 im Verkehr befinden, gelten als zugelassen, wenn sie sich am 1. September 1976 im Verkehr befinden oder auf Grund eines Antrags, der bis zu diesem Zeitpunkt gestellt ist, in das Spezialitätenregister nach dem Arzneimittelgesetz 1961 eingetragen werden.
(2) Fertigarzneimittel nach Absatz 1 müssen innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit dem 1. Januar 1978 der zuständigen Bundesoberbehörde unter Mitteilung der Bezeichnung der wirksamen Bestandteile nach Art und Menge und der Anwendungsgebiete angezeigt werden. Bei der Anzeige homöopathischer Arzneimittel kann die Mitteilung der Anwendungsgebiete entfallen. Eine Ausfertigung der Anzeige ist der zuständigen Behörde unter Mitteilung der vorgeschriebenen Angaben zu übersenden. Die Fertigarzneimittel dürfen nur weiter in den Verkehr gebracht werden, wenn die Anzeige fristgerecht eingeht.
(3) Die Zulassung eines nach Absatz 2 fristgerecht angezeigten Arzneimittels erlischt abweichend von § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 am 30. April 1990, es sei denn, dass ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung oder auf Registrierung vor dem Zeitpunkt des Erlöschens gestellt wird, oder das Arzneimittel durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder von der Registrierung freigestellt ist. § 31 Abs. 4 Satz 1 findet auf die Zulassung nach Satz 1 Anwendung, sofern die Erklärung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis zum 31. Januar 2001 abgegeben wird.
(3a) Bei Fertigarzneimitteln nach Absatz 1 ist bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung eine Änderung nach § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, soweit sie die Anwendungsgebiete betrifft, und Nr. 3 nur dann zulässig, sofern sie zur Behebung der von der zuständigen Bundesoberbehörde dem Antragsteller mitgeteilten Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich ist; im Übrigen findet auf Fertigarzneimitteln nach Absatz 1 bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 keine Anwendung. Ein Fertigarzneimittel nach Absatz 1, das nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt ist, darf bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung abweichend von § 29 Abs. 3
- 1.
in geänderter Zusammensetzung der arzneilich wirksamen Bestandteile nach Art und Menge, wenn die Änderung sich darauf beschränkt, dass ein oder mehrere bislang enthaltene arzneilich wirksame Bestandteile nach der Änderung nicht mehr oder in geringerer Menge enthalten sind, - 2.
mit geänderter Menge des arzneilich wirksamen Bestandteils und innerhalb des bisherigen Anwendungsbereiches mit geänderter Indikation, wenn das Arzneimittel insgesamt dem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis angepasst wird, - 3.
(weggefallen) - 4.
mit geänderter Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile, soweit es sich um ein Arzneimittel mit mehreren wirksamen Bestandteilen handelt, deren Anzahl verringert worden ist, oder - 5.
mit geänderter Art oder Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer Anzahl innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung, wenn das Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis oder einem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorgelegten Muster für ein Arzneimittel angepasst und das Arzneimittel durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wird,
(4) Dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung sind abweichend von § 31 Abs. 2 die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 beizufügen. Den Zeitpunkt der Einreichung der Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 7 bis 15, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3a sowie das analytische Gutachten nach § 24 Abs. 1 bestimmt die zuständige Bundesoberbehörde im Einzelnen. Auf Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde sind ferner Unterlagen einzureichen, die die ausreichende biologische Verfügbarkeit der arzneilich wirksamen Bestandteile des Arzneimittels belegen, sofern das nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist. Ein bewertendes Sachverständigengutachten ist beizufügen. § 22 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 bis 7 und § 23 Abs. 3 finden entsprechende Anwendung. Die Unterlagen nach den Sätzen 2 bis 5 sind innerhalb von vier Monaten nach Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde einzureichen.
(4a) Zu dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 sind die Unterlagen nach § 22 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie die Gutachten nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 bis zum 1. Februar 2001 nachzureichen, soweit diese Unterlagen nicht bereits vom Antragsteller vorgelegt worden sind; § 22 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung. Satz 1 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt sind. Für Vollblut, Plasma und Blutzellen menschlichen Ursprungs bedarf es abweichend von Satz 1 nicht der Unterlagen nach § 22 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 sowie des Gutachtens nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, es sei denn, dass darin Stoffe enthalten sind, die nicht im menschlichen Körper vorkommen. Ausgenommen in den Fällen des § 109a erlischt die Zulassung, wenn die in den Sätzen 1 bis 3 genannten Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht worden sind.
(4b) (weggefallen)
(4c) Ist das Arzneimittel nach Absatz 3 bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum entsprechend der Richtlinie 2001/83/EG zugelassen, ist die Verlängerung der Zulassung zu erteilen, wenn
- 1.
sich das Arzneimittel in dem anderen Mitgliedstaat im Verkehr befindet und - 2.
der Antragsteller - a)
alle in § 22 Abs. 6 vorgesehenen Angaben macht und die danach erforderlichen Kopien beifügt und - b)
schriftlich erklärt, dass die eingereichten Unterlagen nach den Absätzen 4 und 4a mit den Zulassungsunterlagen übereinstimmen, auf denen die Zulassung in dem anderen Mitgliedstaat beruht,
(4d) Dem Antrag auf Registrierung sind abweichend von § 38 Abs. 2 die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 beizufügen. Die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 7 bis 15 und Abs. 2 Nr. 1 sowie das analytische Gutachten nach § 24 Abs. 1 sind der zuständigen Bundesoberbehörde auf Anforderung einzureichen. § 22 Abs. 4 bis 7 mit Ausnahme des Entwurfs einer Fachinformation findet entsprechende Anwendung. Die Unterlagen nach den Sätzen 2 und 3 sind innerhalb von zwei Monaten nach Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde einzureichen.
(4e) Für die Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der Zulassung oder Registrierung nach Absatz 3 Satz 1 finden § 25 Abs. 5 Satz 5 und § 39 Abs. 1 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(4f) Die Zulassung nach Absatz 1 ist auf Antrag nach Absatz 3 Satz 1 um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 vorliegt; für weitere Verlängerungen findet § 31 Anwendung. Die Besonderheiten einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) sind zu berücksichtigen.
(4g) Bei Arzneimitteln, die Blutzubereitungen sind, findet § 25 Abs. 8 entsprechende Anwendung.
(5) Bei Beanstandungen hat der Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von zwölf Monaten nach Mitteilung der Beanstandungen, den Mängeln abzuhelfen; die Mängelbeseitigung ist in einem Schriftsatz darzulegen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen. Die zuständige Bundesbehörde hat in allen geeigneten Fällen keine Beanstandung nach Satz 1 erster Halbsatz auszusprechen, sondern die Verlängerung der Zulassung auf der Grundlage des Absatzes 5a Satz 1 und 2 mit einer Auflage zu verbinden, mit der dem Antragsteller aufgegeben wird, die Mängel innerhalb einer von ihr nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmenden Frist zu beheben.
(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 mit Auflagen verbinden. Auflagen können neben der Sicherstellung der in § 28 Abs. 2 genannten Anforderungen auch die Gewährleistung von Anforderungen an die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit zum Inhalt haben, es sei denn, dass wegen gravierender Mängel der pharmazeutischen Qualität, der Wirksamkeit oder der Unbedenklichkeit Beanstandungen nach Absatz 5 mitgeteilt oder die Verlängerung der Zulassung versagt werden muss. Im Bescheid über die Verlängerung ist anzugeben, ob der Auflage unverzüglich oder bis zu einem von der zuständigen Bundesoberbehörde festgelegten Zeitpunkt entsprochen werden muss. Die Erfüllung der Auflagen ist der zuständigen Bundesoberbehörde unter Beifügung einer eidesstattlichen Erklärung eines unabhängigen Gegensachverständigen mitzuteilen, in der bestätigt wird, dass die Qualität des Arzneimittels dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. § 25 Abs. 5 Satz 5, 6 und 8 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zweite Alternative gelten entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten entsprechend für die Registrierung nach Absatz 3 Satz 1.
(5b) Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen die Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 nicht statt. Die sofortige Vollziehung soll nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung angeordnet werden, es sei denn, dass die Vollziehung für den pharmazeutischen Unternehmer eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5c) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 erlischt die Zulassung eines nach Absatz 2 fristgerecht angezeigten Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bis zum 31. Dezember 1999 erklärt hat, dass er den Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 zurücknimmt am 1. Februar 2001, es sei denn, das Verfahren zur Verlängerung der Zulassung ist nach Satz 2 wieder aufzugreifen. Hatte der pharmazeutische Unternehmer nach einer vor dem 17. August 1994 ausgesprochenen Anforderung nach Absatz 4 Satz 2 die nach Absatz 4 erforderlichen Unterlagen fristgerecht eingereicht oder lag der Einreichungszeitpunkt für das betreffende Arzneimittel nach diesem Datum oder ist die Anforderung für das betreffende Arzneimittel erst nach diesem Datum ausgesprochen worden, so ist das Verfahren zur Verlängerung der Zulassung von der zuständigen Bundesoberbehörde auf seinen Antrag wieder aufzugreifen; der Antrag ist bis zum 31. Januar 2001 unter Vorlage der Unterlagen nach Absatz 4a Satz 1 zu stellen.
(5d) Die Absatz 3 Satz 2 und Absätze 3a bis 5c gelten entsprechend für Arzneimittel, für die gemäß § 4 Abs. 2 der EG-Rechts-Überleitungsverordnung vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2915) Anlage 3 zu § 2 Nr. 2 Kapitel II Nr. 1 und 2 bis zum 30. Juni 1991 ein Verlängerungsantrag gestellt wurde.
(6) (weggefallen)
(7) (weggefallen)
(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
(1) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt die Zulassung schriftlich unter Zuteilung einer Zulassungsnummer. Die Zulassung gilt nur für das im Zulassungsbescheid aufgeführte Arzneimittel und bei Arzneimitteln, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt sind, auch für die in einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis genannten und im Zulassungsbescheid aufgeführten Verdünnungsgrade.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde darf die Zulassung nur versagen, wenn
- 1.
die vorgelegten Unterlagen, einschließlich solcher Unterlagen, die auf Grund einer Verordnung der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union vorzulegen sind, unvollständig sind, - 2.
das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht, - 3.
das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt wird oder nicht die angemessene Qualität aufweist, - 4.
dem Arzneimittel die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit fehlt oder diese nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Antragsteller unzureichend begründet ist, - 5.
das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungünstig ist, - 5a.
bei einem Arzneimittel, das mehr als einen Wirkstoff enthält, eine ausreichende Begründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind, - 6.
das Inverkehrbringen des Arzneimittels gegen gesetzliche Vorschriften oder gegen eine Verordnung oder eine Richtlinie oder eine Entscheidung oder einen Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union verstoßen würde.
(3) Die Zulassung ist für ein Arzneimittel zu versagen, das sich von einem zugelassenen oder bereits im Verkehr befindlichen Arzneimittel gleicher Bezeichnung in der Art oder der Menge der Wirkstoffe unterscheidet. Abweichend von Satz 1 ist ein Unterschied in der Menge der Wirkstoffe unschädlich, wenn sich die Arzneimittel in der Darreichungsform unterscheiden.
(4) Ist die zuständige Bundesoberbehörde der Auffassung, dass eine Zulassung auf Grund der vorgelegten Unterlagen nicht erteilt werden kann, teilt sie dies dem Antragsteller unter Angabe von Gründen mit. Dem Antragsteller ist dabei Gelegenheit zu geben, Mängeln innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von sechs Monaten abzuhelfen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen.
(5) Die Zulassung ist auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen und auf der Grundlage der Sachverständigengutachten zu erteilen. Zur Beurteilung der Unterlagen kann die zuständige Bundesoberbehörde eigene wissenschaftliche Ergebnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern. Die zuständige Bundesoberbehörde kann in Betrieben und Einrichtungen, die Arzneimittel entwickeln, herstellen, prüfen oder klinisch prüfen, zulassungsbezogene Angaben und Unterlagen, auch im Zusammenhang mit einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß Artikel 3 Abs. 1 oder 2 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 überprüfen. Zu diesem Zweck können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten, Unterlagen einsehen sowie Auskünfte verlangen. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner die Beurteilung der Unterlagen durch unabhängige Gegensachverständige durchführen lassen und legt deren Beurteilung der Zulassungsentscheidung und, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, dem der Zulassungskommission nach Absatz 6 Satz 1 vorzulegenden Entwurf der Zulassungsentscheidung zugrunde. Als Gegensachverständiger nach Satz 5 kann von der zuständigen Bundesoberbehörde beauftragt werden, wer die erforderliche Sachkenntnis und die zur Ausübung der Tätigkeit als Gegensachverständiger erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Dem Antragsteller ist auf Antrag Einsicht in die Gutachten zu gewähren. Verlangt der Antragsteller, von ihm gestellte Sachverständige beizuziehen, so sind auch diese zu hören. Für die Berufung als Sachverständiger, Gegensachverständiger und Gutachter gilt Absatz 6 Satz 5 und 6 entsprechend.
(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde erstellt ferner einen Beurteilungsbericht über die eingereichten Unterlagen zur Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit und gibt darin eine Stellungnahme hinsichtlich der Ergebnisse von pharmazeutischen und vorklinischen Versuchen, von klinischen Prüfungen sowie zum Risikomanagement- und zum Pharmakovigilanz-System ab. Der Beurteilungsbericht ist zu aktualisieren, wenn hierzu neue Informationen verfügbar werden.
(5b) Absatz 5a findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt werden, sofern diese Arzneimittel dem Artikel 16 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG unterliegen.
(6) Vor der Entscheidung über die Zulassung eines Arzneimittels, das den Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie oder Anthroposophie zuzurechnen ist und das der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegt, ist eine Zulassungskommission zu hören. Die Anhörung erstreckt sich auf den Inhalt der eingereichten Unterlagen, der Sachverständigengutachten, der angeforderten Gutachten, die Stellungnahmen der beigezogenen Sachverständigen, das Prüfungsergebnis und die Gründe, die für die Entscheidung über die Zulassung wesentlich sind, oder die Beurteilung durch die Gegensachverständigen. Weicht die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung über den Antrag von dem Ergebnis der Anhörung ab, so hat sie die Gründe für die abweichende Entscheidung darzulegen. Das Bundesministerium beruft die Mitglieder der Zulassungskommission unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Kammern der Heilberufe, der Fachgesellschaften der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Heilpraktiker sowie der für die Wahrnehmung ihrer Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenverbände der pharmazeutischen Unternehmer, Patienten und Verbraucher. Bei der Berufung sind die jeweiligen Besonderheiten der Arzneimittel zu berücksichtigen. In die Zulassungskommissionen werden Sachverständige berufen, die auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben.
(7) Für Arzneimittel, die nicht der Verschreibungspflicht nach § 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 unterliegen, werden bei der zuständigen Bundesoberbehörde Kommissionen für bestimmte Anwendungsgebiete oder Therapierichtungen gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann zur Vorbereitung der Entscheidung über die Verlängerung von Zulassungen nach § 105 Abs. 3 Satz 1 die zuständige Kommission beteiligen. Betrifft die Entscheidung nach Satz 3 Arzneimittel einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie), ist die zuständige Kommission zu beteiligen, sofern eine vollständige Versagung der Verlängerung nach § 105 Abs. 3 Satz 1 beabsichtigt oder die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist; sie hat innerhalb von zwei Monaten Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung nach Satz 4 die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar.
(7a) Zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit für Kinder und Jugendliche wird beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Kommission für Arzneimittel für Kinder und Jugendliche gebildet. Absatz 6 Satz 4 bis 6 findet entsprechende Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels, das auch zur Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen bestimmt ist, beteiligt die zuständige Bundesoberbehörde die Kommission. Die zuständige Bundesoberbehörde kann ferner zur Vorbereitung der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung eines anderen als in Satz 3 genannten Arzneimittels, bei dem eine Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen in Betracht kommt, die Kommission beteiligen. Die Kommission hat Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Bundesoberbehörde bei der Entscheidung die Stellungnahme der Kommission nicht berücksichtigt, legt sie die Gründe dar. Die Kommission kann ferner zu Arzneimitteln, die nicht für die Anwendung bei Kindern oder Jugendlichen zugelassen sind, den anerkannten Stand der Wissenschaft dafür feststellen, unter welchen Voraussetzungen diese Arzneimittel bei Kindern oder Jugendlichen angewendet werden können. Für die Arzneimittel der Phytotherapie, Homöopathie und anthroposophischen Medizin werden die Aufgaben und Befugnisse nach den Sätzen 3 bis 7 von den Kommissionen nach Absatz 7 Satz 4 wahrgenommen.
(8) Bei Sera, Impfstoffen, Blutzubereitungen, Gewebezubereitungen, Allergenen, xenogenen Arzneimitteln, die keine Arzneimittel nach § 4 Absatz 9 sind, erteilt die zuständige Bundesoberbehörde die Zulassung entweder auf Grund der Prüfung der eingereichten Unterlagen oder auf Grund eigener Untersuchungen oder auf Grund der Beobachtung der Prüfungen des Herstellers. Dabei können Beauftragte der zuständigen Bundesoberbehörde im Benehmen mit der zuständigen Behörde Betriebs- und Geschäftsräume zu den üblichen Geschäftszeiten betreten und in diesen sowie in den dem Betrieb dienenden Beförderungsmitteln Besichtigungen vornehmen. Auf Verlangen der zuständigen Bundesoberbehörde hat der Antragsteller das Herstellungsverfahren mitzuteilen. Bei diesen Arzneimitteln finden die Absätze 6, 7 und 7a keine Anwendung.
(8a) (weggefallen)
(9) Werden verschiedene Stärken, Darreichungsformen, Verabreichungswege oder Ausbietungen eines Arzneimittels beantragt, so können diese auf Antrag des Antragstellers Gegenstand einer einheitlichen umfassenden Zulassung sein; dies gilt auch für nachträgliche Änderungen und Erweiterungen. Dabei ist eine einheitliche Zulassungsnummer zu verwenden, der weitere Kennzeichen zur Unterscheidung der Darreichungsformen oder Konzentrationen hinzugefügt werden müssen. Für Zulassungen nach § 24b Abs. 1 gelten Einzelzulassungen eines Referenzarzneimittels als einheitliche umfassende Zulassung.
(10) Die Zulassung lässt die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit des pharmazeutischen Unternehmers unberührt.
(1) Die Zulassung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, 3, 5, 5a oder 7 bei der Erteilung vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 7 nachträglich eingetreten ist. Die Zulassung ist ferner zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn
- 1.
sich herausstellt, dass dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt, - 2.
in den Fällen des § 28 Abs. 3 die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist.
(1a) Die Zulassung ist ferner ganz oder teilweise zurückzunehmen oder zu widerrufen, soweit dies erforderlich ist, um einer Entscheidung oder einem Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach Artikel 34 der Richtlinie 2001/83/EG zu entsprechen. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der zuständigen Bundesoberbehörde nach Satz 1 nicht statt. In den Fällen des Satzes 1 kann auch das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung
- 1.
zurücknehmen, wenn in den Unterlagen nach § 22 oder § 24 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, - 2.
widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nachträglich eingetreten ist oder wenn eine der nach § 28 angeordneten Auflagen nicht eingehalten und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Bundesoberbehörde zu setzenden angemessenen Frist abgeholfen worden ist; dabei sind Auflagen nach § 28 Abs. 3 und 3a jährlich zu überprüfen, - 3.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn die für das Arzneimittel vorgeschriebenen Prüfungen der Qualität nicht oder nicht ausreichend durchgeführt worden sind, - 4.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist.
(2a) In den Fällen der Absätze 1 und 1a ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt oder der in Absatz 1a genannten Entscheidung entsprochen wird. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Zulassung durch Auflage geändert werden, wenn dies ausreichend ist, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen.
(3) Vor einer Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 2a muss der Inhaber der Zulassung gehört werden, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Änderung der Zulassung, Auflagen zur Zulassung, den Widerruf, die Rücknahme oder das Ruhen der Zulassung auf einer Einigung der Koordinierungsgruppe nach Artikel 107g, 107k oder Artikel 107q der Richtlinie 2001/83/EG beruht. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet in den Fällen des Satzes 2 nicht statt. In den Fällen des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ist die Entscheidung sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es
Die Rückgabe des Arzneimittels an den pharmazeutischen Unternehmer ist unter entsprechender Kenntlichmachung zulässig. Die Rückgabe kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden.(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
Tenor
1. Die sofortige Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 13.06.2014 erfolgten Aufhebung der mit Bescheid vom 15.06.2010 erteilten Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ (Zul-Nr. 00000.00.00) wird angeordnet.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 636.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Mit Bescheid vom 02.09.2005, zugestellt am 09.09.2005, wurde der Fa. C. -X. -GmbH im sogenannten Nachzulassungsverfahren eine Verlängerung der Zulassung gemäß § 105 AMG für das Arzneimittel „P. “ Tabletten (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) erteilt. Dieses Arzneimittel enthält als Wirkstoff 750 mg Methocarbamol pro Tablette und wurde für das Anwendungsgebiet „Symptomatische Behandlung schmerzhafter Muskelverspannungen, insbesondere des unteren Rückenbereichs (Lumbago)“ zugelassen. Im Jahr 2008 wurde die Zulassung auf die Antragstellerin übertragen.
4Unter dem 15.08.2008 erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – der Beigeladenen eine generische Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ unter Bezugnahme auf das Referenzarzneimittel „P. “ Tabletten. Unter dem 20.01.2009 wurde der Beigeladenen eine weitere generische Zulassung für das Arzneimittel „N1. N. 750 mg Tabletten“ erteilt, wobei ebenfalls das Arzneimittel „P. “-Tabletten als Referenzarzneimittel diente.
5Auf den Widerspruch der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen ordnete das BfArM im Oktober 2009 die sofortige Vollziehung der beiden generischen Zulassungen an. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wies das BfArM die Widersprüche als unbegründet zurück.
6Auf die Klage der Antragstellerin auf Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen vom 12.04.2010 – 7 K 2148/10 – wurden diese durch Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – aufgehoben, weil die generischen Zulassungen unter Verletzung der Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin aus § 24 a AMG a.F. erteilt worden waren. Der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, dass die Unterlagenschutzfrist abgelaufen sei, weil diese nach dem Prinzip der Globalzulassung mit der französischen Zulassung des Arzneimittels „Lumirelax 500 mg“ im Jahr 1996 begonnen habe, konnte das Gericht nicht folgen. Mit Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 – 13 A 2756/12 – wurde der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil abgelehnt.
7Nach Erhebung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen der Beigeladenen im Januar 2009 stellte die Beigeladene am 29.04.2009 einen Antrag auf Zulassung eines identischen Arzneimittels mit der Bezeichnung „N. 750 mg Tabletten“ auf der Grundlage eines bibliographischen Antrags nach § 22 Abs. 3 AMG. Mit dem Antrag legte die Beigeladene unter anderem eine Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 vor, in der die Durchführung und die Ergebnisse der toxikologischen und klinischen Studien beschrieben wurden, die die Fa. C. im Nachzulassungsverfahren für „P. “ Tabletten zur Mängelbeseitigung vorgelegt hatte.
8Unter dem 15.06.2010 wurde der Beigeladenen die bibliographische Zulassung für „N. 750 mg Tabletten“ (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) antragsgemäß erteilt. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 24.06.2010 Widerspruch und machte geltend, dass die Zulassung vermutlich auf Unterlagen der Antragstellerin für „P. “ gestützt worden sei, die noch der Unterlagenschutzfrist unterfielen, und damit rechtswidrig sei.
9Daraufhin beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 08.07.2010 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung und vertrat die Auffassung, der Widerspruch sei wegen Fehlens der Antragsbefugnis offensichtlich unzulässig und habe daher keine aufschiebende Wirkung.
10Mit Schreiben der Antragstellerin vom 22.07.2010 an das BfArM verzichtete diese auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, hielt aber ausdrücklich an der Erhebung des Widerspruchs und dem gestellten Antrag auf Akteneinsicht fest.
11Das BfArM ordnete mit Bescheid vom 29.07.2010 die sofortige Vollziehung der Zulassung vom 15.06.2010 an. Mit Änderungsanzeige vom 16.08.2010 zeigte die Beigeladene eine Änderung der Bezeichnung des mit Bescheid vom 15.06.2010 zugelassenen Arzneimittels in „E. W. N. 750 mg Tabletten“ an.
12Nachdem das OVG NRW mit Beschluss vom 11.10.2013 im Verfahren 13 A 2756/12 das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – und damit die Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen bestätigt hatte, entschied das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 über den Widerspruch der Antragstellerin gegen die bibliographische Zulassung für das streitgegenständliche Arzneimittel vom 15.06.2010 und nahm die Zulassung zurück.
13In der Begründung wurde ausgeführt, der Widerspruch der Antragstellerin sei zulässig und begründet. Die Zulassung sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten aus § 22 Abs. 3 Satz 1 AMG. Daher sei die Zulassung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG und § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG zurückzunehmen. Die von der Beigeladenen eingereichten Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin hätten bei Erteilung der bibliographischen Zulassung nicht verwertet werden dürfen, weil dies zu einer Umgehung der generischen Unterlagenschutzfrist führe. Ohne diese Unterlagen sei aber das übrige vorgelegte bibliographische Material zum Beleg von Wirksamkeit und Verträglichkeit nach § 22 Abs. 3 AMG nicht ausreichend.
14Am 17.06.2014 erhob die Beigeladene Klage gegen die Rücknahme der Zulassung vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 (7 K 3354/13). Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.07.2014 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung. Durch Bescheid vom 30.07.2014 lehnte das BfArM jedoch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ab, weil die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe und im Übrigen die Erfolgsaussichten der Klage der Beigeladenen gegen den Rücknahmebescheid offen seien.
15Am 11.08.2014 stellte die Antragstellerin den vorliegenden Antrag nach § 80 a Abs. 3, Abs. 2 VwGO, die Rücknahmeentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 für sofort vollziehbar zu erklären.
16Mit der Antragsbegründung macht sie geltend, sie werde durch die bibliographische Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels in ihren Rechten auf Unterlagenschutz verletzt, weil die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen sei. Das Antragsrecht sei durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht verwirkt worden. Die Rechtslage habe sich durch das rechtskräftige Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – zu Gunsten der Antragstellerin geändert.
17Die Antragstellerin beantragt,
18die Antragsgegnerin zu verpflichten, die mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 gegen die Beigeladene ergangene Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Arzneimittelzulassung mit der Zulassungs-Nr. 00000.00.00 für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ für sofort vollziehbar zu erklären.
19Die Antragsgegnerin beantragt,
20den Antrag abzulehnen.
21Sie beruft sich auf die Gründe des Bescheides vom 30.07.2014 und schließt sich im Übrigen der Auffassung der Beigeladenen an.
22Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
23den Antrag abzulehnen.
24Sie macht geltend, dass die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe, weil sie seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs verzichtet habe und das Antragsrecht somit nach einem Zeitablauf von 4 Jahren nicht mehr geltend machen könne. Der Antrag sei auch unbegründet. Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin seien bei Erteilung der Zulassung nicht verletzt worden. Die von der Beigeladenen vorgelegte Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 sei eine wissenschaftliche Veröffentlichung im Sinne von § 22 Abs. 3 AMG, die nicht zu den Zulassungsunterlagen von „P. “ gehöre. Im Verfahren des § 22 Abs. 3 AMG habe allein die zehnjährige allgemeine medizinische Verwendung des Wirkstoffs nach Erteilung einer Zulassung drittschützende Wirkung. Die 10-jährige Schutzfrist für Methocarbamol sei aber abgelaufen, weil der Wirkstoff schon seit Jahrzehnten in der EU zugelassen sei (Lumirelax, Robaxin).
25II.
26Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu einer Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung vom 13.06.2014 zu verpflichten, ist im erkennbaren Interesse der Antragstellerin an einer zügigen und effektiven Durchsetzung ihrer Rechte dahingehend auszulegen, dass auch eine eigene Vollziehungsanordnung des Gerichts nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO davon umfasst ist, § 88 VwGO.
27Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 a Abs. 3 Satz 1, letzte Alternative i.V.m. Abs. 2 VwGO statthaft. Danach kann das Gericht auf Antrag eines Dritten die sofortige Vollziehung anordnen, wenn ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der den Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf einlegt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beigeladene hat gegen den sie belastenden Rücknahmebescheid im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 in zulässiger Weise Anfechtungsklage erhoben, die grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat. Die Antragstellerin kann daher die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Zulassung beantragen, weil sie durch diese begünstigt wird. Durch die Rücknahme der bibliographischen Zulassung der Beigeladenen kann die Antragstellerin die Zulassung für das vergleichbare Fertigarzneimittel „P. “ wieder ohne Konkurrenz durch die Beigeladene vermarkten.
28Der Antragstellerin steht auch die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis zu. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die Antragstellerin in ihrem subjektiven Recht auf Unterlagenschutz aus § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG durch die Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung für E. W. N. vor Ablauf der 10-jährigen Schutzfrist am 09.09.2015 verletzt worden ist. Zwar gelten die genannten Vorschriften unmittelbar nur für das generische Antragsverfahren. Sie sind jedoch erweiternd dahingehend auszulegen, dass Unterlagenschutzfristen auch bei der Stellung von gemischt-bibliographischen Zulassungsanträgen nach § 22 Abs. 3 AMG für wesentlich gleiche Arzneimittel zu beachten sind, da der Unterlagenschutz sonst leicht durch die Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen werden könnte,
29OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
30Im vorliegenden Verfahren erscheint es möglich, dass die Rechte der Antragstellerin auf alleinige Verwertung der Versuchsergebnisse, die sie im Zulassungsverfahren für P. erarbeitet hat, bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist dadurch verletzt worden sind, dass die Beigeladene diese Ergebnisse in einer mittelbaren Form durch Vorlage einer Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 zur Erlangung der bibliographischen Zulassung für ein wesentlich gleiches Arzneimittel genutzt hat.
31Das Antragsrecht ist auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung des Rechts auf vorläufigen Rechtsschutz kommt dann in Betracht, wenn der Antragsteller seit der ersten Möglichkeit der Antragstellung eine längere Zeit hat verstreichen lassen und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Antragstellung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen,
32vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 15.
33Eine Verwirkung ergibt sich weder aus dem Zeitablauf seit der Möglichkeit der Antragstellung noch aus dem Umstand, dass die Antragstellerin seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs verzichtet hat.
34Zwar sind seit der Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 80 a VwGO nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zulassung am 29.07.2010 bis zum Eingang des vorliegenden Eilantrags im August 2014 fast 4 Jahre vergangen. Dieser Zeitablauf ist jedoch nicht auf eine Untätigkeit der Antragstellerin zurückzuführen. Vielmehr hat die Antragstellerin die Entscheidung des BfArM über ihren Widerspruch abgewartet. Auf dessen Bearbeitungsdauer hatte sie keinen Einfluss. Sie konnte auch bei ihrem anfänglichen Verzicht auf vorläufigen Rechtsschutz im Widerspruchsverfahren nicht mit dieser langen Bearbeitungszeit durch das BfArM rechnen, das wiederum den Ausgang des Rechtsstreits über die generischen Zulassungen der Beigeladenen abgewartet hat.
35Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin während dieses gesamten Zeitraums untätig war. Sie hat nach dem Urteil des VG Köln vom 30.10.2012 im generischen Verfahren mit Schreiben vom 28.11.2012 beim BfArM eine Entscheidung über den Widerspruch beantragt, am 14.01.2013 einen weiteren Antrag auf Akteneinsicht gestellt und am 17.04.2014 unter Hinweis auf den Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 erneut um eine Entscheidung über den Widerspruch gebeten.
36Es ist auch nicht ersichtlich, dass hier besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Antragsrechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Insbesondere hat die Antragstellerin durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht für alle Zeit auf Rechtsschutz gegen die Zulassung der Beigeladenen verzichtet. Der Verzicht beschränkte sich erkennbar auf die Zeitdauer des Widerspruchsverfahrens und war auf die unsichere Rechtslage hinsichtlich des Bestehens und Umfangs von Unterlagenschutzrechten der Antragstellerin zurückzuführen. Die Beigeladene konnte daraus nicht ableiten, dass die Antragstellerin auch bei einer Bestätigung ihrer Rechtsansicht im Widerspruchsverfahren bzw. im gleichzeitig anhängigen Klageverfahren gegen die generischen Zulassungen weiterhin auf ihre Rechte verzichtet. Sie hat stets betont, dass sie auch die bibliographische Zulassung für rechtswidrig hält und diese Auffassung während des Verfahrens durchgängig aufrechterhalten.
37Die Beigeladene kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie auf die weitere Untätigkeit der Antragstellerin vertraut und im Hinblick darauf erhebliche Investitionen in die Vermarktung ihres Arzneimittels getätigt habe, die sich nun als vergeblich erwiesen. Die Beigeladene musste wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens damit rechnen, dass ihre Zulassung letztlich keinen Bestand haben könnte und hat daher die Investitionen auf eigenes Risiko getätigt. Im Übrigen kann von einer Vergeblichkeit der Investitionen keine Rede sein, da die Beigeladene seit 2010 Umsätze in Millionenhöhe mit dem streitgegenständlichen Arzneimittel erwirtschaftet hat (vgl. Bl. 84 d. A.).
38Der Antrag ist auch begründet. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in arzneimittelrechtlichen Verfahren richtet sich die Begründetheit eines Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung im Rahmen des § 80 a Abs. 3 VwGO in Anlehnung an die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nach einer Interessenabwägung. Bei dieser Abwägung kommt es vornehmlich darauf an, ob der in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird,
39vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 31.03.2009 - 13 B 278/09 - .
40Diese Rechtsprechung, die für die Fälle des § 80 a Abs. 3 i.V.m. Abs.1 Nr. 1 VwGO gilt, in denen ein belasteter Dritter gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt, z.B. die arzneimittelrechtliche Zulassung, einen Rechtsbehelf eingelegt hat, kann in einer modifizierten Form auch auf die hier vorliegende Konstellation des § 80 a Abs. 2 VwGO angewendet werden.
41Maßstab ist auch hier in erster Linie die Erfolgsaussicht der Klage des belasteten Adressaten, da der vorläufige Rechtsschutz nur dazu dient, die Zeit bis zur Entscheidung über die Klage zu überbrücken. Die Erfolgsaussichten sind hier allerdings – in Abweichung zu den Fällen der Drittanfechtung – in vollem Umfang zu prüfen, da die Klage vom Adressaten des Verwaltungsakts erhoben wird und deshalb eine Beschränkung des Prüfungsumfangs auf drittschützende Normen nicht besteht.
42Ist die Klage voraussichtlich erfolgreich und wird der Verwaltungsakt im Klageverfahren wahrscheinlich wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben, kann kein überwiegendes Interesse eines begünstigten Dritten an der vorzeitigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. In diesem Fall wäre der Antrag abzulehnen. Ist hingegen die Klage voraussichtlich erfolglos, weil der Verwaltungsakt sich als rechtmäßig erweist, oder sind die Erfolgsaussichten offen, ist die Frage der Verletzung von Rechten des Dritten in die Interessenabwägung einzubeziehen. Denn die Verletzung von Drittrechten kann es rechtfertigen, den Verwaltungsakt schon vor der Entscheidung in der Hauptsache zu vollziehen und damit das Interesse des Adressaten an der aufschiebenden Wirkung der Klage zu verdrängen,
43vgl. Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 26.
44Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ist festzustellen, dass die durch die Beigeladene erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 sich mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweisen wird (hierzu 1.). Da die bibliographische Zulassung der Beigeladenen unter Verstoß gegen die drittschützenden Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes über den Unterlagenschutz des Erstinhabers einer Zulassung erteilt worden ist und die Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin leerzulaufen drohen, überwiegt im Ergebnis das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der rechtswidrigen Zulassung (hierzu 2.).
451.
46Die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 ist rechtmäßig. Zwar ist unklar, auf welche Rechtsgrundlage die Antragsgegnerin die Entscheidung gestützt hat. Die Wahl der Form des Widerspruchsbescheides und die ersten Ausführungen zur Begründung legen nahe, dass die Antragsgegnerin die Befugnis des BfArM als Widerspruchsbehörde zur Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes wegen des Verstoßes gegen drittschützende Rechtsnormen nach §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 VwGO in Anspruch genommen hat. Die Angabe von § 30 Abs. 1 Satz 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG als Ermächtigungsgrundlage und die Subsumtion unter diese Vorschriften deuten darauf hin, dass das BfArM sich in seiner Eigenschaft als Ausgangsbehörde (auch) auf die Rücknahmevorschriften des Arzneimittelgesetzes gestützt hat, die neben einem gleichzeitig anhängigen Widerspruchsverfahren eines Dritten angewendet werden können, vgl. § 50 VwVfG.
47Es spricht vieles dafür, dass die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen auf beide Rechtsgrundlagen gestützt werden kann. Jedenfalls ist diese Zulassung aber auf den Drittwiderspruch der Antragstellerin hin aufzuheben, weil bei ihrer Erteilung die Rechte der Antragstellerin auf den Schutz ihrer im Zulassungsverfahren für „P. “ Tabletten eingereichten Versuchsergebnisse aus §§ 24 a AMG a.F., 141 Abs. 5 AMG verletzt worden sind.
48Das Recht des Inhabers der ersten Zulassung eines Arzneimittels auf einen Schutz der von ihm eingereichten Unterlagen gegen die Verwertung durch andere Antragsteller besteht nicht nur gegenüber einer Bezugnahme auf diese Unterlagen im Rahmen eines generischen Verfahrens. Ein derartiges Verwertungsverbot ist ausdrücklich in § 24 b Abs. 1 AMG bzw. in der hier nach § 141 Abs. 5 VwGO anwendbaren Vorgängerfassung des § 24 a AMG a.F. angeordnet. Es muss aber auch dann gelten, wenn Unterlagen eines Erstanmelders innerhalb der Schutzfrist im Rahmen eines bibliographischen Antrags vorgelegt werden. Denn auch in diesem Fall werden die Unterlagen zur Erlangung einer Zweitzulassung durch einen anderen Antragsteller genutzt und damit die Erstzulassung wirtschaftlich entwertet. Damit würde der Unterlagenschutz durch die Möglichkeit der Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen. Der Sinn und Zweck der Unterlagenschutzrechte gebietet daher eine erweiternde Auslegung des § 24 b Abs. 1 AMG/§ 24 a AMG a.F. bzw. eine einschränkende Auslegung des § 22 Abs. 3 AMG. Das entspricht auch der Auffassung der Europäischen Kommission zur Auslegung von Art. 10 und Art. 10 a der Richtlinie 2001/83/EG,
49OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
50Die Voraussetzungen des § 24 a AMG a.F. für einen Schutz der Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin sind erfüllt. Die von der Rechtsvorgängerin im Zulassungsverfahren für „P. “-Tabletten eingereichten selbst erarbeiteten Studien unterliegen einer 10-jährigen Unterlagenschutzfrist, die noch bis zum 09.09.2015 läuft. Dies wurde durch das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – rechtskräftig festgestellt.
51Die der Beigeladenen am 15.06.2010 erteilte Zulassung war somit im Zeitpunkt ihrer Erteilung und bis heute rechtswidrig, weil die Beigeladene mit den Antragsunterlagen eine Zusammenfassung der geschützten Versuchsergebnisse (Broschüre der Fa. C. -X. von 2006, Anlage 4, Beiakte 2) vorgelegt und in ihrem klinischen Gutachten (Clinical Overwiew, Anlage 3, Beiakte 2)) verarbeitet hat, obwohl die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen war.
52Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 ist nicht deshalb vom Unterlagenschutz ausgenommen, weil sie sich nicht im Antragsdossier für das Original-Arzneimittel „P. “ Tabletten befand. Der Unterlagenschutz ist nicht auf die im Erstzulassungsverfahren vorgelegten Original-Unterlagen, hier die Studienberichte über toxikologische und klinische Studien, beschränkt,
53vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
54Vielmehr erfordern Sinn und Zweck eines effektiven Unterlagenschutzes, dass auch Dokumente, die in einer hinreichend ausführlichen Form die im Erstverfahren vorgelegten Versuchsverfahren und –ergebnisse beschreiben und die daher für eine mittelbare Nutzung dieser Ergebnisse herangezogen werden können, von einer Verwertung ausgeschlossen sind. Andernfalls würden die Rechte des Originators auf Unterlagenschutz ausgehöhlt.
55Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 enthält u. a. eine eingehende Beschreibung der tierexperimentellen Versuche mit P. zur Toxizität (S. 14 f.), zur Mutagenität (S. 15) und zur Sicherheitspharmakologie (S. 16). Insbesondere werden dort auch das Studiendesign und die Ergebnisse (einschließlich der erstellten Diagramme) zweier randomisierter, placebokontrollierter, doppelblinder, klinischer Studien der Phase IV mit dem Arzneimittel „P. “ im beantragten Anwendungsgebiet (Beschwerden einer schmerzhaften Muskelverspannung im Becken/Lendenbereich, Lumbago) dargestellt (S. 18 – 23).
56Diese Studienergebnisse werden auch in dem von der Beigeladenen vorgelegten Modul 2.5 „Clinical Overview“ vom 15.04.2009 (Anlage 3, Beiakte 2, S. 23 – 26f.) des bibliographischen Antrags ausführlich wiedergegeben und maßgeblich für die Begründung von Wirksamkeit und Verträglichkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels herangezogen. Damit hat die Beigeladene die von der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin erstellten Unterlagen verwertet.
57Zwar mag es sich hierbei um veröffentlichtes bibliographisches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG handeln. Gleichwohl darf dieses in einem bibliographischen Antrag nicht verarbeitet werden, wenn insoweit noch Unterlagenschutz besteht. Die Vorschrift des § 22 Abs. 3 AMG, die dem Antragsteller eine Vorlage von „anderem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial“ ermöglicht, wenn eine allgemeine medizinische Verwendung eines bekannten Stoffes in der EU seit mindestens 10 Jahren besteht, geht stillschweigend davon aus, dass bei derartigen Wirkstoffen die Unterlagenschutzfristen in der Regel längst abgelaufen sind. Wenn – wie hier – noch Unterlagenschutzfristen laufen, können auch zugängliche wissenschaftliche Publikationen auf der Grundlage von geschützten Studienberichten nicht zur Begründung eines derartigen Antrags herangezogen werden,
58vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - : für einen wissenschaftlichen Bewertungsbericht einer außereuropäischen Zulassungsbehörde mit maßgeblichen Studiendaten; Beschluss vom 31.03.2009 – 13 B 278/09 - : für eine Fachinformation mit Ergebnissen von reproduktionstoxikologischen Versuchen.
59Ein Unterlagenschutz ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Fa. C. -X. die Ergebnisse der Studien im Jahr 2006 selbst veröffentlicht hat. Darin liegt keine Zustimmung zur Verwertung oder ein Verzicht auf den Schutzzeitraum. Vielmehr dient eine Veröffentlichung von Studiendaten – neben der Vermarktung des eigenen Arzneimittels – auch der Information der Öffentlichkeit und der Fachkreise. Diese Informationen würden aber missbraucht, wenn sie trotz laufender Unterlagenschutzfristen für Zweitanträge eingesetzt werden.
60Für diese Sichtweise spricht nunmehr auch § 42 b AMG, wonach der Inhaber eine Zulassung 6 Monate nach der Zulassung sogar verpflichtet ist, die Ergebnisse von Studien zu veröffentlichen. In § 42 b Abs. 3 Satz 7 AMG ist ausdrücklich bestimmt, dass die Vorschriften über den Unterlagenschutz davon unberührt bleiben, somit nach diesen Vorschriften veröffentlichte Studienberichte nicht für Zweitanträge für wesentlich gleiche Arzneimittel innerhalb der Schutzfristen genutzt werden dürfen.
61Dem Unterlagenschutz steht nicht entgegen, dass der Wirkstoff „Methocarbamol“ im Zeitpunkt der Zulassung von „P. “ 2005 möglicherweise kein „neuer Stoff“ mehr war. Nach dem rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – besteht keine Einschränkung des Unterlagenschutzes auf Zulassungen für neue Stoffe. Vielmehr können auch bibliographische Zulassungen oder gemischt-bibliographische Zulassungen einen Schutz der eingereichten Unterlagen auslösen.
62Dies gilt jedenfalls dann, wenn die bibliographische Zulassung nicht allein auf der Grundlage von früheren wissenschaftlichen Publikationen erteilt wurde, sondern wenn das vorgelegte Material durch eigene Studien des Antragstellers ergänzt wurde. Es besteht kein Grund dafür, warum diese, mit eigenem finanziellen Aufwand erarbeiteten, Erkenntnisse einen geringeren Schutz genießen sollen als Unterlagen, die im Rahmen einer sog. „Full application“ nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AMG bzw. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG eingereicht worden sind.
63Darüberhinaus hat der EuGH in einem aktuellen Urteil vom 23.10.2014 – C-104/13 – entschieden, dass auch rein bibliographische Zulassungen Referenzzulassungen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG (generische Anträge) sein können. Dies hat zur Folge, dass auch der Inhaber einer solchen, auf einem well-established use beruhenden Arzneimittelzulassung, Unterlagenschutz gegenüber einem generischen Zweitantragsteller genießt. Diese Entscheidung des EuGH ist auf das vorliegende Verfahren zwar nicht unmittelbar übertragbar. Sie zeigt jedoch, dass Unterlagenschutz auch für bereits allgemein medizinisch verwendete Stoffe begründet werden kann.
64Demnach ist es für den hier festgestellten Verstoß gegen die Unterlagenschutzvorschrift des § 24 a AMG a.F. unerheblich, dass es sich bei dem Wirkstoff des streitgegenständlichen Arzneimittels möglicherweise bereits 2005 wegen der früheren Zulassungen von Methocarbamol in Frankreich (Lumirelax 1996) und im Vereinigten Königreich (Robaxin 1982) um einen allgemein medizinisch verwendeten Stoff gehandelt hat.
65Da die streitgegenständliche Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 unter Vorlage von geschützten Unterlagen der Antragstellerin erwirkt worden ist, verstößt diese jedenfalls gegen § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG und damit gegen die darin geschützten subjektiven Rechte der Antragstellerin. Die Rechtsverletzung setzt nicht voraus, dass sich die nicht erlaubte Vorlage von geschützten Unterlagen auf die Entscheidungsfindung der Bundesoberbehörde ausgewirkt hat. Der Fehler könnte allenfalls dann unbeachtlich sein, wenn offenkundig ist, dass er sich nicht auf die Erteilung der Zulassung ausgewirkt hat,
66vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
67Dies kann auf den Rechtsgedanken des § 46 VwVfG zurückgeführt werden, wonach die Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zu einer Aufhebung eines Verwaltungsakts führt, wenn sie offensichtlich die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Im vorliegenden Verfahren spricht alles dafür, dass die Verwertung der geschützten Unterlagen der Fa. C. -X. ursächlich für die Erteilung der bibliographischen Zulassung war und sich damit auf die Entscheidungsfindung der Antragsgegnerin ausgewirkt hat. Denn das BfArM hat in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2014 klar zum Ausdruck gebracht, dass die bibliographische Zulassung ohne die Einbeziehung der geschützten Unterlagen der Antragstellerin nicht erteilt worden wäre. Denn die übrigen vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse reichten für die Begründung der Wirksamkeit und Verträglichkeit des beantragten Arzneimittels nach Auffassung des BfArM nicht aus.
68Dies ist nachvollziehbar, da die Antragsgegnerin das vorgelegte ältere wissenschaftliche Erkenntnismaterial für den Wirkstoff Methocarbamol aus den Jahren 1959 bis 1996 bereits im Mängelbeseitigungsverfahren für das Originalarzneimittel „P. “ durch das Mängelschreiben vom 04.07.2002 als völlig unzureichend beanstandet hatte. Im Rahmen des bibliographischen Antrags vom 29.04.2009 hat die Beigeladene gegenüber diesem Erkenntnisstand keine aktuellen neuen Studien – mit Ausnahme der geschützten Studien für „P. “ - vorgelegt. Alle neueren Publikationen aus den Jahren 2004 bis 2008 sind entweder Reviews oder Lehrbücher, Arzneimittellexika und andere Sekundärliteratur, die keine neuen Erkenntnisse enthalten.
69Da somit bereits aus dem Verstoß gegen § 24 a AMG a.F. eine Verletzung von subjektiven Rechten der Antragstellerin durch die streitgegenständliche Zulassung folgt, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch ein Verstoß gegen die drittschützenden Merkmale des § 22 Abs. 3 AMG vorliegt.
70Es kommt ebenfalls nicht darauf an, ob die Rücknahme der streitgegenständlichen Zulassung auch nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG rechtmäßig ist. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass viel dafür spricht, dass das von der Beigeladenen vorgelegte bibliographische Erkenntnismaterial – ohne die Studienergebnisse der Fa. C. -X. - als Beleg für eine anerkannte Wirksamkeit und annehmbare Verträglichkeit aus den vom BfArM benannten Gründen nicht geeignet bzw. unvollständig war. Dieser Bewertung hat auch die Beigeladene bisher nicht widersprochen.
712.
72Die erforderliche Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Beigeladenen an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung der Zulassung und dem berechtigten Interesse der Antragstellerin auf Durchsetzung ihrer Rechte auf Unterlagenschutz fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Die Klage der Beigeladenen gegen den Aufhebungsbescheid wird zunächst erfolglos bleiben, da der streitgegenständliche Zulassungsbescheid der Beigeladenen vom 15.06.2010 wegen eines Verstoßes gegen die drittschützende Vorschrift des § 24 a AMG a.F. rechtswidrig war und noch ist.
73Die Kammer lässt offen, ob die Klage nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist am 09.09.2015 automatisch Erfolg haben wird oder ob die Beigeladene einen neuen Antrag auf eine generische oder bibliographische Zulassung stellen muss, über den dann unter zulässiger Berücksichtigung der Antragsunterlagen für „P. “ voraussichtlich positiv zu entscheiden ist. Denn es ist fraglich, ob der Wegfall des Unterlagenschutzes 2015 und damit eine nachträgliche günstige Veränderung der Sachlage bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides berücksichtigt werden kann.
74Jedenfalls steht der Antragstellerin noch bis zum September 2015 ein Recht auf Unterlagenschutz zu, das leer laufen würde, wenn nicht die sofortige Vollziehung der Aufhebung angeordnet würde. Die Antragstellerin hat aber ein berechtigtes Interesse daran, die bisherige rechtswidrige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels der Beigeladenen zu stoppen und ihr eigenes Arzneimittel – jedenfalls bis zum Ende der Unterlagenschutzfrist – ohne die Konkurrenz durch die Beigeladene zu vermarkten.
75Der Umstand, dass die verbleibende Schutzfrist kurz ist und die Antragstellerin die bisherige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels durch die Beigeladene vor dem Hintergrund der unsicheren Rechtslage nicht gerichtlich verhindert hat, ändert nichts daran, dass sie sich auf ihr Recht zur Alleinvermarktung bis zum Ende der Frist berufen kann. Ihr kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie ausweislich der eingereichten Umsatzübersicht (Bl. 77 d. A.) durch den Markteintritt des Arzneimittels der Beigeladenen keinen Umsatzeinbruch erlitten hat, vielmehr die Umsätze aufgrund anderer Umstände kontinuierlich angestiegen sind. Es ist nämlich davon auszugehen, dass ihr durch die rechtswidrige Konkurrenz der Beigeladenen ein erheblicher Gewinn entgangen ist und weiter entgehen wird.
76Das Interesse der Beigeladenen, von einer rechtswidrigen Zulassung noch zumindest bis September 2015 Gebrauch zu machen, muss demgegenüber zurücktreten. Dieses Interesse ist schon deshalb nicht schutzwürdig, weil die Beigeladene den Unterlagenschutz der Antragstellerin durch die Stellung des bibliographischen Antrags gezielt umgangen hat. Das ergibt sich schon aus ihrem Zulassungsantrag vom 28.04.2009, in dem erklärt wird, dass die Unterlagen mit den Unterlagen des zuvor gestellten generischen Antrags praktisch identisch sind und die Verkehrsfähigkeit des generischen Arzneimittels trotz des eingelegten Drittwiderspruchs der Antragstellerin erhalten werden soll. Diese Absicht wurde dann später auch durch die Übertragung der Arzneimittelbezeichnung „E. W. N. 750 mg Tabletten“ von dem generischen auf das bibliographische Arzneimittel umgesetzt, sodass ein Arzneimittel der Beigeladenen mit diesem Namen seit 2008 bis heute ununterbrochen in den Verkehr gebracht werden konnte.
77Es dürfte der Beigeladenen auch zumutbar sein, das streitgegenständliche Arzneimittel vorerst vom Markt zu nehmen, obwohl schon absehbar ist, dass sie das Arzneimittel nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist bzw. der Erteilung einer neuen Zulassung wieder vermarkten darf. Den hiermit verbundenen Umsatzeinbruch wird man ihr zumuten können, da sie das Arzneimittel nun seit 4 Jahren unter Verletzung drittschützender Normen vertreibt und damit erhebliche Umsätze erzielt hat (Bl. 84 d.A.).
78Ihr Vortrag, dass sich nun die Investitionen in das Arzneimittel als vergeblich erwiesen, ist nicht nachvollziehbar. Die Investitionen haben sich zum einen bereits durch die erzielten Gewinne ausgezahlt. Zum anderen ist sie das Risiko der Vermarktung einer angefochtenen Zulassung bewusst eingegangen. Schließlich kann sie das Arzneimittel auch nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist, ggfs. nach Erteilung einer neuen Zulassung, weiter vermarkten. Im Ergebnis überwiegt daher das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Durchsetzung ihrer Unterlagenschutzrechte, zumal auch das öffentliche Interesse für den sofortigen Vollzug einer rechtmäßigen Verwaltungsentscheidung spricht.
79Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 159 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, hat sie die Kosten anteilig mit der ebenfalls unterlegenen Antragsgegnerin zu tragen. Eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf die Antragsgegnerin oder die Staatskasse aus Gründen der Billigkeit war nicht veranlasst.
80Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
81Das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen ist darauf gerichtet, die Beigeladene an der weiteren Vermarktung ihres Produktes zu hindern, um die eigenen Gewinneinbußen durch die Konkurrenz des Produktes zu vermeiden. Der Streitwert ist daher auf den entgangenen Jahresgewinn im Jahr der Antragstellung gerichtet,
82vgl. OVG NRW, Streitwertbeschluss vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
83Die Antragstellerin hat die Höhe des entgangenen Gewinns nicht beziffert. Sie kann jedoch in etwa geschätzt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Jahresumsatz der Beigeladenen für 2014 ausweislich der vorgelegten Übersicht 3,821 Mio Euro betragen wird (Bl. 84 d.A.), und dass dieser Umsatz der Antragstellerin entgangen ist, da die Beigeladene nach einer Recherche im Internet ihr Produkt zu demselben Preis wie die Antragstellerin vertreibt. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster kann mangels konkreter Anhaltspunkte angenommen werden, dass der Gewinn ca. ein Drittel des Umsatzes beträgt. Demnach ist der Antragstellerin im Jahr der Antragstellung 2014 ein Gewinn von 3,821 Mio Euro, dividiert durch 3, also 1,273 Mio Euro entgangen. Da im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Betrag zu halbieren, also auf 636.500 Euro.
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 636.500 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin ist Inhaberin der Zulassung des unter dem 9. September 2005 (gemischt-bibliografisch) zugelassenen Arzneimittels “P. ” Tabletten, das als Wirkstoff 750 mg Methocarbamol pro Tablette enthält. Die Beigeladene erhielt unter dem 15. August 2008 zwei generische Zulassungen unter Bezugnahme hierauf (“E. Methocarbamol 750 mg Tabletten”, “N. Methocarbamol 750 mg Tabletten”), die auf die Klage der Antragstellerin durch Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. Oktober 2012 - 7 K 2148/10 - mit der Begründung aufgehoben wurden, sie seien unter Verletzung ihrer Unterlagenschutzrechte ergangen. Unter dem 15. Juni 2010 erteilte das BfArM der Beigeladenen die hier streitgegenständliche bibliografische Zulassung für das identische Arzneimittel “N. 750 mg Tabletten”, seit Änderungsanzeige vom 16. August 2010 bezeichnet als “E. Methocarbamol 750 mg Tabletten”. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und berief sich auf ihre Unterlagenschutzrechte. Mit Schreiben vom 22. Juli 2010 teilte die Antragstellerin dem BfArM mit, sie verzichte auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs. Auf Antrag der Beigeladenen ordnete das BfArM am 29. Juli 2010 die sofortige Vollziehung der Zulassung an. Nachdem das Oberverwaltungsgericht den Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. Oktober 2012 abgelehnt hatte (OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2013 - 13 A 2756/12 -), entschied das BfArM über den Widerspruch der Antragstellerin und nahm mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2014 die bibliografische Zulassung der Beigeladenen zurück. Am 17. Juni 2014 hat die Beigeladene Klage gegen die Rücknahme der Zulassung erhoben. Den Antrag der Antragstellerin vom 9. Juli 2014, die sofortige Vollziehung der Rücknahmeentscheidung anzuordnen, lehnte das BfArM ab. Auf Antrag der Antragstellerin vom 11. August 2014 hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 15. Dezember 2014 die sofortige Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 13. Juni 2014 erfolgten Aufhebung der Zulassung angeordnet.
4Dagegen hat die Beigeladene Beschwerde erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragstellerin ihr Antragsrecht nach § 80a VwGO verwirkt habe. Seit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zulassung bis zum Eingang des Eilantrags bei Gericht seien vier Jahre vergangen. Damit, dass die Antragstellerin auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs verzichtet habe, habe sie zum Ausdruck gebracht, dass sie sich nicht außerhalb des Hauptsacheverfahrens gegen den Vertrieb des Arzneimittels durch die Beigeladene zur Wehr setzen wolle. Der Antrag sei auch unbegründet. Der Unterlagenschutz nach § 24b Abs. 1 AMG/§ 24a AMG a. F. begründe kein Verwertungsverbot von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, wenn es sich um einen allgemein medizinisch verwendeten, nicht von der Antragstellerin entwickelten Wirkstoff handele, für den die Zehnjahresfrist des § 22 Abs. 3 Nr. 1 AMG bereits abgelaufen sei. Aus dem Unterlagenschutzrecht folge nur ein Schutz vor generischen Anträgen bis zum Ablauf der Schutzfrist. Die allgemeine Interessenabwägung sei defizitär, weil das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen habe, dass bereits eine generische Zulassung aufgrund einer britischen Referenzzulassung erteilt worden sei und der Antragstellerin Marktexklusivität ohnehin nicht ermöglicht werden könne. Im Übrigen seien die Interessen des Inhabers der Referenzzulassung und des Wettbewerbers gleich gewichtig.
5II.
6Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Beigeladenen dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat nach diesem Maßstab zu Recht die sofortige Vollziehung der Rücknahme der Zulassung für das Arzneimittel “E. Methocarbamol 750 mg Tabletten” angeordnet.
71. Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin nach § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2, § 80 Abs. 5 VwGO, die sofortige Vollziehung des Rücknahmebescheids anzuordnen, ist nicht wegen Verwirkung des Antragsrechts unzulässig.
8Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Ob von einer Verwirkung auszugehen ist, entscheidet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles.
9Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. März 2008 – 2 BvR 2111/07, 2 BvR 22 BvR 2112/07 -, juris, Rn. 25; BVerwG, Urteile vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 (343), Beschluss vom 7. März 2013 - 4 BN 33.12 -, juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2009 - 8 B 1344/09.AK ‑, juris, Rn. 34.
10Hiervon ausgehend hat die Antragstellerin das Antragsrecht in Bezug auf den hier streitgegenständlichen Antrag nicht verwirkt. Es fehlt schon an einer längeren Dauer der Untätigkeit in Bezug auf den Antrag nach § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2, § 80 Abs. 5 VwGO, auf den für die Beurteilung abzustellen ist. Der Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehung die Antragstellerin damit erstreiten möchte, ist der Rück-nahmebescheid vom 13. Juni 2014. Die Antragstellerin hat aber bereits am 9. Juli 2014 beim BfArM einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung dieses Bescheids gestellt und, nachdem die Antragsgegnerin diesen abgelehnt hatte, am 11. August 2014 beim Verwaltungsgericht einen entsprechenden Antrag gestellt.
11Abgesehen davon ist aber auch ein Umstandsmoment nicht ersichtlich. In der Zeit seit Ergehen des Rücknahmebescheids haben sich keine besonderen Umstände ergeben, die die Antragstellung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Zwar kann das Umstandsmoment auch in einer Handlung liegen, die vor Beginn des Zeitmoments liegt.
12Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 7. März 2013 - 4 BN 33.12 -, juris, Rn. 6.
13Das Verhalten der Antragstellerin nach der Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels im Juni 2010 rechtfertigt aber nicht die Annahme, sie werde nichts mehr gegen den Vertrieb des Arzneimittels durch die Beigeladene unternehmen, jedenfalls keine vorläufige Regelung erwirken. Die Beigeladene konnte nicht deshalb auf das Ausbleiben eines vorläufigen Rechtsschutzantrags nach § 80a VwGO vertrauen, weil die Antragstellerin im Widerspruchsverfahren gegen die Zulassung des Arzneimittels auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs verzichtet und bis zum Ergehen des Widerspruchs- und Rücknahmebescheids keinen vorläufigen Rechtsschutzantrag bei Gericht gestellt hat. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen, denen der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens folgt.
14Mit Blick auf die Ausführungen der Beigeladenen ist zu ergänzen: Die Antragstellerin hat lediglich gegenüber dem BfArM – bei sachgerechter Auslegung für die Dauer des behördlichen Widerspruchsverfahrens – auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Zulassung verzichtet. Diese Erklärung ließ aber weder den Schluss zu, sie sei bis zum Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung mit dem Vertrieb des Arzneimittels einverstanden, noch den Schluss, sie würde auch bei ‑ wie hier ‑ erfolgreichem Drittwiderspruch auf die sofortige Verwirklichung ihrer Rechte verzichten. Die Antragstellerin hat insbesondere zu keiner Zeit erkennen lassen, dass sie die Zulassung und die darin nach ihrer Sicht liegende Verletzung ihrer Unterlagenschutzrechte akzeptieren wird und ist damit durch die vorliegende Antragstellung nicht von einer zuvor eingenommenen gegenteiligen Rechtsposition abgerückt. Die Beigeladene kann auch nicht geltend machen, sie habe im Vertrauen darauf, dass die Antragstellerin nicht um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen werde, das Arzneimittel markteingeführt. Die Vermarktung in Ausnutzung der Zulassung ist nicht durch den Verzicht möglich geworden, sondern durch die kurz darauf erfolgende Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das BfArM. Anders als von der Beigeladenen dargestellt, ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch nicht durch den Verzicht der Antragstellerin auf die aufschiebende Wirkung des Drittwiderspruchs „überhaupt erst ermöglicht“ worden, sondern ist der Behörde nach § 80a Abs. 1 VwGO unabhängig davon auf Antrag des Begünstigten möglich. Einen solchen Antrag hatte die Beigeladene hier auch gestellt. Dass das BfArM hier zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung lediglich den Verzicht der Antragstellerin auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs angeführt hat, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Ferner war die Investitionsentscheidung von vornherein risikobehaftet. Die Beigeladene konnte auf den Bestand der Zulassung nicht vertrauen, solange sie nicht bestandskräftig war, d. h. solange über den Widerspruch der Antragstellerin nicht entschieden war. Im Übrigen hat die Beigeladene in der Zwischenzeit auch erhebliche Umsätze in Millionenhöhe mit dem Arzneimittel erzielt.
152. Die nach § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2, § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, an den Erfolgsaussichten ausgerichtete Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts wird durch das Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht durchgreifend in Frage gestellt.
16a. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Rücknahme rechtmäßig ist, weil die Zulassung die Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin verletzt. Die Beigeladene zieht nicht in Zweifel, dass bezüglich des Produkts „P. “ der Antragstellerin die zehnjährige, drittschützende Unterlagenschutzfrist der §§ 24b Abs. 1, 141 Abs. 5 AMG i. V. m. § 24a Abs. 1 Satz 3 AMG in der bis zum Ablauf des 5. Sep-tember 2005 geltenden Fassung noch nicht verstrichen ist, weil das Arzneimittel erst im September 2005 zugelassen worden ist. Sie erhebt ferner keine substantiierten Einwände dagegen, dass auch im Falle einer gemischt-bibliografischen Zulassung - hier: der für „P. “ - Unterlagenschutzrechte begründet werden, nämlich für die eigenen Studien, die in Ergänzung zum anderen wissenschaftlichen Erkenntnismaterial – hier: durch die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin – vorgelegt worden sind und die Zulassung erst ermöglicht haben.
17Vgl. auch EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – Rs. C-104/13 (Olainfarm) -, EuZW 2015, 31.
18Die Beigeladene macht der Sache nach lediglich geltend, der Unterlagenschutz stehe nur generischen Zulassungen, nicht aber der hier streitgegenständlichen bibliografischen Zulassung entgegen (aa.). Er gelte ferner nicht für anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial wie die hier von der Beigeladenen verwendete Veröffentlichung zum Arzneimittel „P. “ der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin (bb.). Dem ist nicht zu folgen. Es muss auch nicht festgestellt werden, inwieweit die Vorlage geschützter Erkenntnisse sich konkret auf die Entscheidungsfindung des BfArM über den Zulassungsantrag ausgewirkt hat (cc.).
19aa. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung ausgeführt hat, besteht das Recht des Inhabers der Erstzulassung eines Arzneimittels auf Schutz seiner Unterlagen nicht nur im Rahmen eines generischen, sondern auch bei der Wahl eines bibliografischen Zulassungsverfahrens für im Wesentlichen gleiche Arzneimittel.
20Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 92 ff.
21Dies ergibt sich für nach altem Recht zentral zugelassene Arzneimittel aus Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 i. V. m. Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65/EWG. Die Vorschriften gewähren dem Inhaber der zentral erteilten Erstzulassung für zehn Jahre ein Recht auf Schutz vor Zweitzulassungen, die auf den Nachweis der wesentlichen Gleichheit mit dem erstzugelassenen Arzneimittel gestützt sind. Dieser Schutz gilt nach dem Wortlaut und nach dem Zweck dieser Vorschriften nicht nur gegenüber generischen Anträgen, sondern auch vor Zulassungen, zu deren Erlangung u. a. Dokumente über Ergebnisse pharmakologischer, toxikologischer, ärztlicher oder klinischer Versuche des Erstantragstellers vorgelegt werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 100 f.
23Dem Inhaber einer national durch das BfArM erteilten Zulassung stehen ebenfalls Unterlagenschutzrechte zu, die bei bibliographischen Zulassungsanträgen nach § 22 Abs. 3 AMG zu beachten sind. Auch bei einem Wirkstoff, der im Sinne des § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG seit mindestens zehn Jahren allgemein medizinisch verwendet wird, darf ein Dritter erst nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist Unterlagen des Zulassungsinhabers eines wirkstoffgleichen Arzneimittels zur Erlangung einer Zulassung verwenden. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 24b Abs. 1 AMG. Diese Vorschrift ist in Bezug auf das bereits im September 2005 national zugelassene Arzneimittel „P. “ der Antragstellerin einschlägig, weil § 141 Abs. 5 AMG keine Tatbestandsverweisung auf § 24a AMG a.F. enthält, sondern nur hinsichtlich der Dauer der Schutzfrist die Fortgeltung alten Rechts anordnet.
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2014 - 13 B 950/14 -, PharmR 2015, 76 = juris, Rn. 9.
25Dies zugrundegelegt gilt hier: Bei einem Generikum kann ohne Zustimmung des Vorantragstellers auf die Unterlagen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 und § 23 Abs. 1 AMG einschließlich der Sachverständigengutachten nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 AMG des Arzneimittels des Vorantragstellers (Referenzarzneimittel) Bezug genommen werden, sofern die erstmalige Zulassung des Referenzarzneimittels in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union länger als zehn Jahre zurückliegt.
26§ 24b Abs. 1 AMG ist hier nicht unmittelbar anwendbar. Die Vorschrift regelt die Zulassung von Generika und bestimmt dementsprechend den Unterlagenschutz nur für generische Anträge. § 22 Abs. 3 AMG, der die bibliografische Antragstellung regelt, weist aber hinsichtlich des Unterlagenschutzes eine planwidrige Regelungslücke auf. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG müssen die Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der EU allgemein medizinisch verwendet werden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sein. Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass mit der geregelten, drittschützenden,
27vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2008 - 13 B 1169/08 -, PharmR 2008, 607 = juris, Rn. 24 ff. und vom 5. Oktober 2011 - 13 B 881/11 -, A & R 2011, 282 = juris, Rn. 12, 23, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 144,
2810-Jahres-Frist für die Verwendung auch der Unterlagenschutz für das vorzulegende wissenschaftliche Erkenntnismaterial gewährleistet ist. Ergeben sich die allgemeine medizinische Verwendung, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit aus den Zulassungsunterlagen zu einem seit mindestens zehn Jahren zugelassenen Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und gleicher Indikation, ist ein Gleichlauf der Frist für die Verwendung und den Schutz der Unterlagen gegeben. Für den Fall, dass dies nicht zutrifft, hat der Gesetzgeber keine Regelung getroffen. Weder aus der Entstehungsgeschichte,
29vgl. zu § 24a AMG a. F. BT-Drs. 12/6480, S. 20, und zu § 24b Abs. 1 AMG BT-Drs. 15/5316, S. 38,
30noch aus der Vorschrift bzw. dem Normengefüge selbst ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass dies bewusst geschah und der pharmazeutische Unternehmer hier nicht in gleicher Weise wie bei Generika vor der Ausnutzung seiner Innovationen durch andere für eine bestimmte Zeit geschützt werden soll.
31Die Regelungslücke ist durch analoge Anwendung des § 24b Abs. 1 AMG i. V. m. § 24a Abs. 1 Satz 3 AMG a. F. zu schließen, weil der Gesetzgeber, wenn er daran gedacht hätte, die Frage des Unterlagenschutzes bei bibliografischen Anträgen mutmaßlich entsprechend geregelt hätte. Die zehnjährige Verwendungsdauer allein reicht nicht aus, um die effektive Durchsetzung der Vorschriften über den Unterlagenschutz zu gewährleisten und damit die Interessen pharmazeutischer Unternehmen, die innovative Arzneimittel entwickeln und auf den Markt bringen, hinreichend zu schützen. Eine Umgehung im Rahmen eines bibliografischen Antrags und die Gewährleistung der berechtigten Interessen der „Innovationsfirmen“ kann nur durch die entsprechende Anwendung der generischen Unterlagenschutzfristen auch im Rahmen des § 22 Abs. 3 AMG gesichert werden. Der Gesetzgeber wollte dem innovativen pharmazeutischen Unternehmer ein Ausschließlichkeitsrecht an den pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen und klinischen Unterlagen einräumen. Mit der Etablierung des Unterlagenschutzes sollen die innovativen Arzneimittelhersteller geschützt werden, die für die Erstzulassung (oder auch für eine gemischt-bibliografische Zulassung) umfangreiche und kostenintensive Versuche durchführen lassen müssen. Die Wahl des bibliografischen Antragsverfahrens darf nicht zu einer Immunisierung gegenüber den Vorschriften des Unterlagenschutzes führen. Ansonsten würden die Schutzrechte des Inhabers der Erstzulassung an einer – zeitlich begrenzten – exklusiven Nutzung der Ergebnisse seiner Versuche ausgehöhlt.
32Bestünde die Möglichkeit, bei „gesperrten“ generischen Anträgen bibliografische Anträge zu stellen, könnten innovatorische Unternehmer von einer Veröffentlichung der Ergebnisse ihrer Forschungen abgehalten werden. Diese ist aber zur Information der (Fach-)Öffentlichkeit und Herstellung von Transparenz erwünscht und nunmehr auch hinsichtlich der Ergebnisse klinischer Prüfungen in § 42b AMG gesetzlich gefordert. Die Veröffentlichung trägt ferner, auch wenn die Unterlagen vorübergehend nicht durch Dritte verwendet werden dürfen, zu dem Ziel bei, unnötige Tests an Menschen und/oder Tieren, die ohne erkennbaren Nutzen für die öffentliche Gesundheit wären, zu vermeiden.
33Vgl. Erwägungsgründe 9 und 10 der Richtlinie 2001/83/EG, Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2004/27/EG; EuGH, Urteile vom 18. Juni 2009 - Rs. C-527/07 (Generics) -, Rn. 22 f.; EuGH, und vom 23. Oktober 2014 - Rs. C-104/13 (Olainfarm) -, Rn. 29; Schlussanträge des Generalanwalts Wahl vom 20. Mai 2014 in der Rs. C-104/13, Rn. 25; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 1995 - Rs. C-40/93 (Scotia) -, Slg. I-2870, Rn. 17, vom 3. Dezember 1998 - Rs. C- 368/96 (Generics) -, Rn. 22 f., 71, 83, und vom 29. April 2004 - Rs. C-106/01 (Novartis) -, juris, Rn. 46; OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 108, Beschluss vom 27. November 2014 - 13 B 950/14 -, juris, Rn. 29.
34Die Unternehmer sollen – soweit sie nicht zwischenzeitlich ohnehin verpflichtet sind – zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Erkenntnisse ermutigt werden, indem sie sich auf die Einhaltung eines zehnjährigen Schutzzeitraums verlassen können.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 - 13 B 1169/08 -, juris, Rn. 31.
36Dieses weite Verständnis des Unterlagenschutzes entspricht auch dem Unionsrecht. § 24b Abs. 1 AMG sowie § 24a Abs. 1 Satz 3 AMG a. F. sind in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht, dessen Umsetzung sie dienen bzw. dienten, auszulegen und anzuwenden.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2014 - 13 B 950/14 -, juris, Rn. 11.
38Art. 10a der Richtlinie 2001/83/EG enthält wie § 22 Abs. 3 AMG keine Vorgaben zum Unterlagenschutz bei bibliografischen Anträgen, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG regelt den Unterlagenschutz nur für die Zulassung von Generika. Die von der Beigeladenen angeführten Bestimmungen in Anhang I, Teil II, Ziffer 1 der Richtlinie 2001/83/EG betreffen den Nachweis der „allgemeinen medizinischen Verwendung“ und verhalten sich nicht zum Unterlagenschutz. Wenn danach auch vor dem Inverkehrbringen durchgeführte Studien zu berücksichtigen sind, verdeutlich dies allerdings, dass auch der Richtliniengeber von der allgemeinen medizinischen Verwendung in einem (seit mindestens zehn Jahren) zugelassenen wirkstoffgleichen Arzneimittel ausgegangen ist, dessen Unterlagen nunmehr vorgelegt werden. Dann aber stellen sich keine Fragen des Unterlagenschutzes. Ferner enthält der 9. Erwä-gungsgrund der Richtlinie 2001/83/EG die Vorgabe, dass bei der Zulassung von Arzneimitteln, die im Wesentlichen einem bereits zugelassenen Arzneimittel gleichen, darauf zu achten ist, dass innovative Unternehmen nicht benachteiligt werden. Der Grundsatz des „effet utile“ verlangt, dass den unionsrechtlichen Vorgaben und den nationalen Umsetzungsnormen über den Unterlagenschutz zur tatsächlichen Wirksamkeit verholfen wird. Dies erfordert es, sie auch auf quasi-generische Bezugnahmen in Form der Vorlage von Unterlagen eines Erstzulassungsverfahrens anzuwenden, auch wenn dies im Rahmen eines bibliografischen Zulassungsantrags erfolgt.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 129.
40In diesem Sinne versteht auch die EU-Kommission (Pharmaceutial Committee) in einer offenbar zum Fall „Clopidogrel“ (Senatsurteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -) ergangenen Stellungnahme die Vorgaben zum Unterlagenschutz. Die Vertreter der Kommission erklären ausdrücklich, der Unterlagenschutz gelte unabhängig davon, ob es sich um ein Verfahren nach Art. 10 oder 10a der Richtlinie 2001/83/EG handele. Stütze sich ein Antragsteller oder die Behörde auf solche Unterlagen, sei dies eine Umgehung der Unterlagenschutzbestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG.
41EU-Kommission, Pharmaceutical Committee - Human, Summary Record, 65. Treffen, 16. März 2009, Brüssel, S. 5.
42Das Vorbringen der Beigeladenen zum Urteil des EuGH vom 23. Oktober 2014 - Rs. C-104/13 (Olainfarm) -, schließlich verhilft der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil die Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu nicht entscheidungstragend sind. Wie die Beigeladene selbst einräumt, kann sie für die vorliegende Fallgestaltung daraus jedenfalls nichts zu ihren Gunsten ableiten.
43bb. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen scheidet der Unterlagenschutz auch nicht deshalb aus, weil es sich bei der von ihr im Zulassungsverfahren vorgelegten Schrift um veröffentlichtes wissenschaftliches Erkenntnismaterial sowie nicht um Unterlagen aus dem Zulassungsverfahren zu „P. “ handelt. Es kann offen bleiben, ob die Schrift ferner, wie von der Beigeladenen geltend gemacht, als anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG einzuordnen ist. All diese Umstände schließen das Bestehen von Unterlagenschutz nicht aus. Zwar regelt § 24b Abs. 1 AMG i. V. m. § 24a AMG a. F. unmittelbar nur den Schutz von Zulassungsunterlagen zum Referenzarzneimittel. Die hier – ohnehin nur entsprechend anwendbare Vorschrift – bedarf aus den oben ausgeführten Gründen aber einer erweiternden Auslegung, um eine Umgehung des Unterlagenschutzes zu vermeiden und ihm auch in Ansehung der unionsrechtlichen Vorgaben zur tatsächlichen Wirksamkeit zu verhelfen. Der Zulassungsinhaber hat bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist ein Recht auf alleinige Verwertung der Unterlagen, die er im Zulassungsverfahren erstellt hat. Denn die Vorleistungen des innovatorischen Unternehmers, der die erstmalige Zulassung erhalten hat, sollen für zehn Jahre vor der Verwendung mit dem Ziel der Zulassung gleicher Arzneimittel geschützt werden.
44Hiervon ausgehend ist der Unterlagenschutz, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht auf die im Zulassungsverfahren vorgelegten Original-Unterlagen beschränkt.
45Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 105 ff., 125; s. auch schon OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 – 13 B 1169/08 -, juris, Rn. 38.
46Auch eine mittelbare Nutzung des geistigen Eigentums des pharmazeutischen Unternehmers an seinen Studien, etwa durch die Vorlage behördlicher Wiedergaben und Bewertungen der Studien im Zulassungsverfahren,
47vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 105 f.,
48oder durch die Einreichung von Veröffentlichungen der Studienergebnisse, verletzt die Unterlagenschutzrechte. Der Unterlagenschutz erlischt aus den oben zur Veröffentlichung ausgeführten Gründen ferner nicht dadurch, dass der Antragsteller die Studien oder sonstiges wissenschaftliches Erkenntnismaterial, das er erarbeitet und in seinem Zulassungsverfahren vorgelegt hat, veröffentlicht.
49Hiervon ausgehend sind die Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin verletzt worden, weil die Beigeladene vor Ablauf der Unterlagenschutzfrist die Publikation der Ergebnisse von Studien verwendet hat, die der Zulassung von „P. “ zugrundelagen. In der Veröffentlichung der Firma C. , der damaligen Zulassungsinhaberin von „P. “, aus dem Jahr 2006 mit dem Titel „P. “ („Bei Rückenschmerzen“, „durchbricht den Teufelskreis“) finden sich Ausführungen zur Chemie, zur Pharmakologie, Toxikologie, zu Klinik und therapeutischen Erfahrungen, zur Verträglichkeit und Verkehrssicherheit. Unter anderem werden zwei placebokontrollierte klinische Studien zu „P. “ beschrieben, die auch ausweislich des Literaturverzeichnisses anderweitig nicht veröffentlicht waren. Hierauf hat die Beigeladene in ihren Antragsunterlagen verschiedentlich Bezug genommen (Modul 2.5, Clinical Overview, 15. April 2009, S. 23, 28, 33, Literaturverzeichnis). Die Unterlagenschutzrechte würden ausgehöhlt, wenn die Beigeladene die Studienergebnisse mittelbar durch die Vorlage der Veröffentlichung der vorherigen Zulassungsinhaberin nutzen dürfte, um eine Zulassung zu erlangen. Die Veröffentlichung dient offenbar in erster Linie der Information über das Arzneimittel und der Bewerbung des Produkts, vor allem in Fachkreisen. Darin liegt aber kein Verzicht auf den Unterlagenschutz.
50Mit dem Einwand, diese auch vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung werde praktischen Anforderungen nicht gerecht, kann die Beigeladene nicht durchdringen. Es mag im Einzelfall nicht ohne Weiteres festzustellen sein, ob wissenschaftliche Publikationen Studien wiedergeben, die Eingang in Zulassungsverfahren gefunden haben und deshalb noch dem Unterlagenschutz unterliegen. Dies gilt aber jedenfalls nicht für die hier in Rede stehende Veröffentlichung, die unter dem Produktnamen „P. “ vom (damaligen) Zulassungsinhaber herausgegeben worden ist und detaillierte Beschreibungen eigener Studien enthält. Dass diese Gegenstand eines Zulassungsverfahrens waren, wusste die Beigeladene zudem deshalb, weil sie zunächst generische Anträge gestellt hatte, ehe sie nach dem Drittwiderspruch der Antragstellerin, die sich auf die Verletzung ihrer Unterlagenschutzrechte berief, unter Vorlage derselben Unterlagen für ein identisches Präparat die bibliografische Zulassung beantragte.
51cc. Schließlich hätte das Verwaltungsgericht auch nicht prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung vorgelegen haben. Mit diesem Einwand macht die Beigeladene der Sache nach geltend, das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob die bibliografische Zulassung nach § 22 Abs. 3 Nr. 1 AMG auch ohne die streitigen Unterlagen hätte erteilt werden müssen. Wie im angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt wird, reicht es für die Bejahung der Rechtswidrigkeit und der Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin aus, dass die Zulassung unter Vorlage von geschützten Unterlagen der Antragstellerin erwirkt worden ist. Hingegen muss nicht festgestellt werden, inwieweit die Vorlage geschützter Erkenntnisse sich konkret auf die Entscheidungsfindung des BfArM über den Zulassungsantrag ausgewirkt hat. Die Zulassung ist im Falle eines Verstoßes gegen den Unterlagenschutz allenfalls dann nicht aufzuheben, wenn offenkundig ist, dass der Verstoß sich auf das Ergebnis des Zulassungsvorgangs nicht ausgewirkt hat.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, Rn. 130.
53Das ist hier nicht der Fall. Das BfArM hätte die Zulassung ohne die geschützten Unterlagen nicht erteilt, weil das übrige bibliografische Material nach seiner Auffassung Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht ausreichend belegte. Dies folgt daraus, dass „P. “ nach erheblichen Beanstandungen schließlich gemischt-bibliografisch, d. h. erst nach Vorlage eigener Studien, zugelassen worden ist, und ist behördeninternen Vermerken in den Verwaltungsvorgängen (siehe nur Bl. 454, 481, 483 ff. zu 77978.00.00) sowie dem Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2014 zu entnehmen. Die substantiierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu werden mit der Beschwerde nicht angegriffen. Auf die Frage, ob im Übrigen die Voraussetzungen eines well-established-use gegeben sind, insbesondere ob wegen der Zulassungen in Frankreich (M. , 1996) und Großbritannien (S. , 1982) von einer allgemeinen medizinischen Verwendung auszugehen ist, kommt es deshalb nicht mehr an.
54b. Ist danach von der Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids auszugehen, fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus. Die Einwände der Beigeladenen gegen die Interessenabwägung unter Ziffer 3 der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe greifen nicht durch. Nach den vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegten Entscheidungsmaßstäben ist bei der im Rahmen des § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 VwGO vorzunehmenden Abwägung der kollidierenden Interessen auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen; sind diese – wie hier hinsichtlich der Klage der Beigeladenen gegen den Rücknahmebescheid – wegen der Verletzung drittschützender Vorschriften durch die Zulassung vom 15. Juni 2010 zu verneinen, geht die Interessenabwägung regelmäßig zugunsten des Dritten aus.
55Vgl. zum Prüfungsmaßstab OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2008 - 13 B 1169/08 -, juris, Rn. 9 ff., vom 31. März 2009 - 13 B 278/09 -, juris, Rn. 7 ff., und vom 27. November 2014 - 13 B 950/14 -, juris, Rn. 4.
56Denn wie die Beigeladene zutreffend betont, sind die wirtschaftlichen, grundrechtlich geschützten Interessen des Inhabers der Referenzzulassung und des Wettbewerbers gleich gewichtig, ein Vorrang kann sich nur ausnahmsweise aus einer fallbezogenen Abwägung der gegenläufigen Interessen ergeben.
57Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. September 2008 - 13 B 1013/08 -, juris, Rn. 37, und vom 26. September 2008 ‑ 13 B 1169/08 -, juris, Rn. 60.
58Hiervon ausgehend überwiegt das aus der Verletzung ihrer Unterlagenschutzrechte resultierende Interesse der Antragstellerin, die Vollziehung der Rücknahme der Zulassung zu erreichen, das wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen, von einer rechtswidrigen Zulassung weiterhin Gebrauch zu machen, sowie das öffentliche Interesse an einem Preiswettbewerb mit generischen bzw. quasi-generischen Arzneimitteln. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Unterlagenschutzrechte – und damit auch der Vermarktungsschutz – der Antragstellerin, die (nur) noch bis September 2015 bestehen, leer liefen, wenn nicht die sofortige Vollziehung der Aufhebung angeordnet würde. Es sind auch mit der Beschwerde keine Umstände dargetan, die es ausnahmsweise gebieten würden, trotz offensichtlicher Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids und bestehender Drittrechtsverletzung von einem Überwiegen der wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen auszugehen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Interesse der Beigeladenen, die bereits seit vier Jahren bestehende Zulassung auch für die relativ kurze Zeit bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist im September 2015 weiterhin ausnutzen zu dürfen, wegen ihrer Rechtswidrigkeit und der gezielten Umgehung des Unterlagenschutzes nicht schutzbedürftig ist. Dass, wie die Beigeladene mit der Beschwerde geltend macht, wegen anderweitiger ausländischer und generischer Zulassungen die Antragstellerin keine absolute Marktexklusivität genießt, mag den wirtschaftlichen Wert der Unterlagenschutzrechte mindern, ändert aber nichts an der Schutzwürdigkeit ihres Interesses, diejenigen Arzneimittel vom Markt fernzuhalten, die unter Verletzung ihrer Rechte zugelassen worden sind.
594. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
60Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
1. Die sofortige Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 13.06.2014 erfolgten Aufhebung der mit Bescheid vom 15.06.2010 erteilten Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ (Zul-Nr. 00000.00.00) wird angeordnet.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 636.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Mit Bescheid vom 02.09.2005, zugestellt am 09.09.2005, wurde der Fa. C. -X. -GmbH im sogenannten Nachzulassungsverfahren eine Verlängerung der Zulassung gemäß § 105 AMG für das Arzneimittel „P. “ Tabletten (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) erteilt. Dieses Arzneimittel enthält als Wirkstoff 750 mg Methocarbamol pro Tablette und wurde für das Anwendungsgebiet „Symptomatische Behandlung schmerzhafter Muskelverspannungen, insbesondere des unteren Rückenbereichs (Lumbago)“ zugelassen. Im Jahr 2008 wurde die Zulassung auf die Antragstellerin übertragen.
4Unter dem 15.08.2008 erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – der Beigeladenen eine generische Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ unter Bezugnahme auf das Referenzarzneimittel „P. “ Tabletten. Unter dem 20.01.2009 wurde der Beigeladenen eine weitere generische Zulassung für das Arzneimittel „N1. N. 750 mg Tabletten“ erteilt, wobei ebenfalls das Arzneimittel „P. “-Tabletten als Referenzarzneimittel diente.
5Auf den Widerspruch der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen ordnete das BfArM im Oktober 2009 die sofortige Vollziehung der beiden generischen Zulassungen an. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wies das BfArM die Widersprüche als unbegründet zurück.
6Auf die Klage der Antragstellerin auf Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen vom 12.04.2010 – 7 K 2148/10 – wurden diese durch Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – aufgehoben, weil die generischen Zulassungen unter Verletzung der Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin aus § 24 a AMG a.F. erteilt worden waren. Der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, dass die Unterlagenschutzfrist abgelaufen sei, weil diese nach dem Prinzip der Globalzulassung mit der französischen Zulassung des Arzneimittels „Lumirelax 500 mg“ im Jahr 1996 begonnen habe, konnte das Gericht nicht folgen. Mit Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 – 13 A 2756/12 – wurde der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil abgelehnt.
7Nach Erhebung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen der Beigeladenen im Januar 2009 stellte die Beigeladene am 29.04.2009 einen Antrag auf Zulassung eines identischen Arzneimittels mit der Bezeichnung „N. 750 mg Tabletten“ auf der Grundlage eines bibliographischen Antrags nach § 22 Abs. 3 AMG. Mit dem Antrag legte die Beigeladene unter anderem eine Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 vor, in der die Durchführung und die Ergebnisse der toxikologischen und klinischen Studien beschrieben wurden, die die Fa. C. im Nachzulassungsverfahren für „P. “ Tabletten zur Mängelbeseitigung vorgelegt hatte.
8Unter dem 15.06.2010 wurde der Beigeladenen die bibliographische Zulassung für „N. 750 mg Tabletten“ (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) antragsgemäß erteilt. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 24.06.2010 Widerspruch und machte geltend, dass die Zulassung vermutlich auf Unterlagen der Antragstellerin für „P. “ gestützt worden sei, die noch der Unterlagenschutzfrist unterfielen, und damit rechtswidrig sei.
9Daraufhin beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 08.07.2010 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung und vertrat die Auffassung, der Widerspruch sei wegen Fehlens der Antragsbefugnis offensichtlich unzulässig und habe daher keine aufschiebende Wirkung.
10Mit Schreiben der Antragstellerin vom 22.07.2010 an das BfArM verzichtete diese auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, hielt aber ausdrücklich an der Erhebung des Widerspruchs und dem gestellten Antrag auf Akteneinsicht fest.
11Das BfArM ordnete mit Bescheid vom 29.07.2010 die sofortige Vollziehung der Zulassung vom 15.06.2010 an. Mit Änderungsanzeige vom 16.08.2010 zeigte die Beigeladene eine Änderung der Bezeichnung des mit Bescheid vom 15.06.2010 zugelassenen Arzneimittels in „E. W. N. 750 mg Tabletten“ an.
12Nachdem das OVG NRW mit Beschluss vom 11.10.2013 im Verfahren 13 A 2756/12 das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – und damit die Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen bestätigt hatte, entschied das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 über den Widerspruch der Antragstellerin gegen die bibliographische Zulassung für das streitgegenständliche Arzneimittel vom 15.06.2010 und nahm die Zulassung zurück.
13In der Begründung wurde ausgeführt, der Widerspruch der Antragstellerin sei zulässig und begründet. Die Zulassung sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten aus § 22 Abs. 3 Satz 1 AMG. Daher sei die Zulassung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG und § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG zurückzunehmen. Die von der Beigeladenen eingereichten Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin hätten bei Erteilung der bibliographischen Zulassung nicht verwertet werden dürfen, weil dies zu einer Umgehung der generischen Unterlagenschutzfrist führe. Ohne diese Unterlagen sei aber das übrige vorgelegte bibliographische Material zum Beleg von Wirksamkeit und Verträglichkeit nach § 22 Abs. 3 AMG nicht ausreichend.
14Am 17.06.2014 erhob die Beigeladene Klage gegen die Rücknahme der Zulassung vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 (7 K 3354/13). Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.07.2014 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung. Durch Bescheid vom 30.07.2014 lehnte das BfArM jedoch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ab, weil die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe und im Übrigen die Erfolgsaussichten der Klage der Beigeladenen gegen den Rücknahmebescheid offen seien.
15Am 11.08.2014 stellte die Antragstellerin den vorliegenden Antrag nach § 80 a Abs. 3, Abs. 2 VwGO, die Rücknahmeentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 für sofort vollziehbar zu erklären.
16Mit der Antragsbegründung macht sie geltend, sie werde durch die bibliographische Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels in ihren Rechten auf Unterlagenschutz verletzt, weil die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen sei. Das Antragsrecht sei durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht verwirkt worden. Die Rechtslage habe sich durch das rechtskräftige Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – zu Gunsten der Antragstellerin geändert.
17Die Antragstellerin beantragt,
18die Antragsgegnerin zu verpflichten, die mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 gegen die Beigeladene ergangene Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Arzneimittelzulassung mit der Zulassungs-Nr. 00000.00.00 für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ für sofort vollziehbar zu erklären.
19Die Antragsgegnerin beantragt,
20den Antrag abzulehnen.
21Sie beruft sich auf die Gründe des Bescheides vom 30.07.2014 und schließt sich im Übrigen der Auffassung der Beigeladenen an.
22Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
23den Antrag abzulehnen.
24Sie macht geltend, dass die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe, weil sie seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs verzichtet habe und das Antragsrecht somit nach einem Zeitablauf von 4 Jahren nicht mehr geltend machen könne. Der Antrag sei auch unbegründet. Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin seien bei Erteilung der Zulassung nicht verletzt worden. Die von der Beigeladenen vorgelegte Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 sei eine wissenschaftliche Veröffentlichung im Sinne von § 22 Abs. 3 AMG, die nicht zu den Zulassungsunterlagen von „P. “ gehöre. Im Verfahren des § 22 Abs. 3 AMG habe allein die zehnjährige allgemeine medizinische Verwendung des Wirkstoffs nach Erteilung einer Zulassung drittschützende Wirkung. Die 10-jährige Schutzfrist für Methocarbamol sei aber abgelaufen, weil der Wirkstoff schon seit Jahrzehnten in der EU zugelassen sei (Lumirelax, Robaxin).
25II.
26Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu einer Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung vom 13.06.2014 zu verpflichten, ist im erkennbaren Interesse der Antragstellerin an einer zügigen und effektiven Durchsetzung ihrer Rechte dahingehend auszulegen, dass auch eine eigene Vollziehungsanordnung des Gerichts nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO davon umfasst ist, § 88 VwGO.
27Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 a Abs. 3 Satz 1, letzte Alternative i.V.m. Abs. 2 VwGO statthaft. Danach kann das Gericht auf Antrag eines Dritten die sofortige Vollziehung anordnen, wenn ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der den Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf einlegt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beigeladene hat gegen den sie belastenden Rücknahmebescheid im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 in zulässiger Weise Anfechtungsklage erhoben, die grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat. Die Antragstellerin kann daher die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Zulassung beantragen, weil sie durch diese begünstigt wird. Durch die Rücknahme der bibliographischen Zulassung der Beigeladenen kann die Antragstellerin die Zulassung für das vergleichbare Fertigarzneimittel „P. “ wieder ohne Konkurrenz durch die Beigeladene vermarkten.
28Der Antragstellerin steht auch die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis zu. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die Antragstellerin in ihrem subjektiven Recht auf Unterlagenschutz aus § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG durch die Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung für E. W. N. vor Ablauf der 10-jährigen Schutzfrist am 09.09.2015 verletzt worden ist. Zwar gelten die genannten Vorschriften unmittelbar nur für das generische Antragsverfahren. Sie sind jedoch erweiternd dahingehend auszulegen, dass Unterlagenschutzfristen auch bei der Stellung von gemischt-bibliographischen Zulassungsanträgen nach § 22 Abs. 3 AMG für wesentlich gleiche Arzneimittel zu beachten sind, da der Unterlagenschutz sonst leicht durch die Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen werden könnte,
29OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
30Im vorliegenden Verfahren erscheint es möglich, dass die Rechte der Antragstellerin auf alleinige Verwertung der Versuchsergebnisse, die sie im Zulassungsverfahren für P. erarbeitet hat, bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist dadurch verletzt worden sind, dass die Beigeladene diese Ergebnisse in einer mittelbaren Form durch Vorlage einer Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 zur Erlangung der bibliographischen Zulassung für ein wesentlich gleiches Arzneimittel genutzt hat.
31Das Antragsrecht ist auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung des Rechts auf vorläufigen Rechtsschutz kommt dann in Betracht, wenn der Antragsteller seit der ersten Möglichkeit der Antragstellung eine längere Zeit hat verstreichen lassen und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Antragstellung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen,
32vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 15.
33Eine Verwirkung ergibt sich weder aus dem Zeitablauf seit der Möglichkeit der Antragstellung noch aus dem Umstand, dass die Antragstellerin seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs verzichtet hat.
34Zwar sind seit der Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 80 a VwGO nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zulassung am 29.07.2010 bis zum Eingang des vorliegenden Eilantrags im August 2014 fast 4 Jahre vergangen. Dieser Zeitablauf ist jedoch nicht auf eine Untätigkeit der Antragstellerin zurückzuführen. Vielmehr hat die Antragstellerin die Entscheidung des BfArM über ihren Widerspruch abgewartet. Auf dessen Bearbeitungsdauer hatte sie keinen Einfluss. Sie konnte auch bei ihrem anfänglichen Verzicht auf vorläufigen Rechtsschutz im Widerspruchsverfahren nicht mit dieser langen Bearbeitungszeit durch das BfArM rechnen, das wiederum den Ausgang des Rechtsstreits über die generischen Zulassungen der Beigeladenen abgewartet hat.
35Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin während dieses gesamten Zeitraums untätig war. Sie hat nach dem Urteil des VG Köln vom 30.10.2012 im generischen Verfahren mit Schreiben vom 28.11.2012 beim BfArM eine Entscheidung über den Widerspruch beantragt, am 14.01.2013 einen weiteren Antrag auf Akteneinsicht gestellt und am 17.04.2014 unter Hinweis auf den Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 erneut um eine Entscheidung über den Widerspruch gebeten.
36Es ist auch nicht ersichtlich, dass hier besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Antragsrechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Insbesondere hat die Antragstellerin durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht für alle Zeit auf Rechtsschutz gegen die Zulassung der Beigeladenen verzichtet. Der Verzicht beschränkte sich erkennbar auf die Zeitdauer des Widerspruchsverfahrens und war auf die unsichere Rechtslage hinsichtlich des Bestehens und Umfangs von Unterlagenschutzrechten der Antragstellerin zurückzuführen. Die Beigeladene konnte daraus nicht ableiten, dass die Antragstellerin auch bei einer Bestätigung ihrer Rechtsansicht im Widerspruchsverfahren bzw. im gleichzeitig anhängigen Klageverfahren gegen die generischen Zulassungen weiterhin auf ihre Rechte verzichtet. Sie hat stets betont, dass sie auch die bibliographische Zulassung für rechtswidrig hält und diese Auffassung während des Verfahrens durchgängig aufrechterhalten.
37Die Beigeladene kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie auf die weitere Untätigkeit der Antragstellerin vertraut und im Hinblick darauf erhebliche Investitionen in die Vermarktung ihres Arzneimittels getätigt habe, die sich nun als vergeblich erwiesen. Die Beigeladene musste wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens damit rechnen, dass ihre Zulassung letztlich keinen Bestand haben könnte und hat daher die Investitionen auf eigenes Risiko getätigt. Im Übrigen kann von einer Vergeblichkeit der Investitionen keine Rede sein, da die Beigeladene seit 2010 Umsätze in Millionenhöhe mit dem streitgegenständlichen Arzneimittel erwirtschaftet hat (vgl. Bl. 84 d. A.).
38Der Antrag ist auch begründet. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in arzneimittelrechtlichen Verfahren richtet sich die Begründetheit eines Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung im Rahmen des § 80 a Abs. 3 VwGO in Anlehnung an die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nach einer Interessenabwägung. Bei dieser Abwägung kommt es vornehmlich darauf an, ob der in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird,
39vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 31.03.2009 - 13 B 278/09 - .
40Diese Rechtsprechung, die für die Fälle des § 80 a Abs. 3 i.V.m. Abs.1 Nr. 1 VwGO gilt, in denen ein belasteter Dritter gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt, z.B. die arzneimittelrechtliche Zulassung, einen Rechtsbehelf eingelegt hat, kann in einer modifizierten Form auch auf die hier vorliegende Konstellation des § 80 a Abs. 2 VwGO angewendet werden.
41Maßstab ist auch hier in erster Linie die Erfolgsaussicht der Klage des belasteten Adressaten, da der vorläufige Rechtsschutz nur dazu dient, die Zeit bis zur Entscheidung über die Klage zu überbrücken. Die Erfolgsaussichten sind hier allerdings – in Abweichung zu den Fällen der Drittanfechtung – in vollem Umfang zu prüfen, da die Klage vom Adressaten des Verwaltungsakts erhoben wird und deshalb eine Beschränkung des Prüfungsumfangs auf drittschützende Normen nicht besteht.
42Ist die Klage voraussichtlich erfolgreich und wird der Verwaltungsakt im Klageverfahren wahrscheinlich wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben, kann kein überwiegendes Interesse eines begünstigten Dritten an der vorzeitigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. In diesem Fall wäre der Antrag abzulehnen. Ist hingegen die Klage voraussichtlich erfolglos, weil der Verwaltungsakt sich als rechtmäßig erweist, oder sind die Erfolgsaussichten offen, ist die Frage der Verletzung von Rechten des Dritten in die Interessenabwägung einzubeziehen. Denn die Verletzung von Drittrechten kann es rechtfertigen, den Verwaltungsakt schon vor der Entscheidung in der Hauptsache zu vollziehen und damit das Interesse des Adressaten an der aufschiebenden Wirkung der Klage zu verdrängen,
43vgl. Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 26.
44Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ist festzustellen, dass die durch die Beigeladene erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 sich mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweisen wird (hierzu 1.). Da die bibliographische Zulassung der Beigeladenen unter Verstoß gegen die drittschützenden Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes über den Unterlagenschutz des Erstinhabers einer Zulassung erteilt worden ist und die Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin leerzulaufen drohen, überwiegt im Ergebnis das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der rechtswidrigen Zulassung (hierzu 2.).
451.
46Die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 ist rechtmäßig. Zwar ist unklar, auf welche Rechtsgrundlage die Antragsgegnerin die Entscheidung gestützt hat. Die Wahl der Form des Widerspruchsbescheides und die ersten Ausführungen zur Begründung legen nahe, dass die Antragsgegnerin die Befugnis des BfArM als Widerspruchsbehörde zur Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes wegen des Verstoßes gegen drittschützende Rechtsnormen nach §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 VwGO in Anspruch genommen hat. Die Angabe von § 30 Abs. 1 Satz 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG als Ermächtigungsgrundlage und die Subsumtion unter diese Vorschriften deuten darauf hin, dass das BfArM sich in seiner Eigenschaft als Ausgangsbehörde (auch) auf die Rücknahmevorschriften des Arzneimittelgesetzes gestützt hat, die neben einem gleichzeitig anhängigen Widerspruchsverfahren eines Dritten angewendet werden können, vgl. § 50 VwVfG.
47Es spricht vieles dafür, dass die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen auf beide Rechtsgrundlagen gestützt werden kann. Jedenfalls ist diese Zulassung aber auf den Drittwiderspruch der Antragstellerin hin aufzuheben, weil bei ihrer Erteilung die Rechte der Antragstellerin auf den Schutz ihrer im Zulassungsverfahren für „P. “ Tabletten eingereichten Versuchsergebnisse aus §§ 24 a AMG a.F., 141 Abs. 5 AMG verletzt worden sind.
48Das Recht des Inhabers der ersten Zulassung eines Arzneimittels auf einen Schutz der von ihm eingereichten Unterlagen gegen die Verwertung durch andere Antragsteller besteht nicht nur gegenüber einer Bezugnahme auf diese Unterlagen im Rahmen eines generischen Verfahrens. Ein derartiges Verwertungsverbot ist ausdrücklich in § 24 b Abs. 1 AMG bzw. in der hier nach § 141 Abs. 5 VwGO anwendbaren Vorgängerfassung des § 24 a AMG a.F. angeordnet. Es muss aber auch dann gelten, wenn Unterlagen eines Erstanmelders innerhalb der Schutzfrist im Rahmen eines bibliographischen Antrags vorgelegt werden. Denn auch in diesem Fall werden die Unterlagen zur Erlangung einer Zweitzulassung durch einen anderen Antragsteller genutzt und damit die Erstzulassung wirtschaftlich entwertet. Damit würde der Unterlagenschutz durch die Möglichkeit der Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen. Der Sinn und Zweck der Unterlagenschutzrechte gebietet daher eine erweiternde Auslegung des § 24 b Abs. 1 AMG/§ 24 a AMG a.F. bzw. eine einschränkende Auslegung des § 22 Abs. 3 AMG. Das entspricht auch der Auffassung der Europäischen Kommission zur Auslegung von Art. 10 und Art. 10 a der Richtlinie 2001/83/EG,
49OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
50Die Voraussetzungen des § 24 a AMG a.F. für einen Schutz der Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin sind erfüllt. Die von der Rechtsvorgängerin im Zulassungsverfahren für „P. “-Tabletten eingereichten selbst erarbeiteten Studien unterliegen einer 10-jährigen Unterlagenschutzfrist, die noch bis zum 09.09.2015 läuft. Dies wurde durch das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – rechtskräftig festgestellt.
51Die der Beigeladenen am 15.06.2010 erteilte Zulassung war somit im Zeitpunkt ihrer Erteilung und bis heute rechtswidrig, weil die Beigeladene mit den Antragsunterlagen eine Zusammenfassung der geschützten Versuchsergebnisse (Broschüre der Fa. C. -X. von 2006, Anlage 4, Beiakte 2) vorgelegt und in ihrem klinischen Gutachten (Clinical Overwiew, Anlage 3, Beiakte 2)) verarbeitet hat, obwohl die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen war.
52Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 ist nicht deshalb vom Unterlagenschutz ausgenommen, weil sie sich nicht im Antragsdossier für das Original-Arzneimittel „P. “ Tabletten befand. Der Unterlagenschutz ist nicht auf die im Erstzulassungsverfahren vorgelegten Original-Unterlagen, hier die Studienberichte über toxikologische und klinische Studien, beschränkt,
53vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
54Vielmehr erfordern Sinn und Zweck eines effektiven Unterlagenschutzes, dass auch Dokumente, die in einer hinreichend ausführlichen Form die im Erstverfahren vorgelegten Versuchsverfahren und –ergebnisse beschreiben und die daher für eine mittelbare Nutzung dieser Ergebnisse herangezogen werden können, von einer Verwertung ausgeschlossen sind. Andernfalls würden die Rechte des Originators auf Unterlagenschutz ausgehöhlt.
55Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 enthält u. a. eine eingehende Beschreibung der tierexperimentellen Versuche mit P. zur Toxizität (S. 14 f.), zur Mutagenität (S. 15) und zur Sicherheitspharmakologie (S. 16). Insbesondere werden dort auch das Studiendesign und die Ergebnisse (einschließlich der erstellten Diagramme) zweier randomisierter, placebokontrollierter, doppelblinder, klinischer Studien der Phase IV mit dem Arzneimittel „P. “ im beantragten Anwendungsgebiet (Beschwerden einer schmerzhaften Muskelverspannung im Becken/Lendenbereich, Lumbago) dargestellt (S. 18 – 23).
56Diese Studienergebnisse werden auch in dem von der Beigeladenen vorgelegten Modul 2.5 „Clinical Overview“ vom 15.04.2009 (Anlage 3, Beiakte 2, S. 23 – 26f.) des bibliographischen Antrags ausführlich wiedergegeben und maßgeblich für die Begründung von Wirksamkeit und Verträglichkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels herangezogen. Damit hat die Beigeladene die von der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin erstellten Unterlagen verwertet.
57Zwar mag es sich hierbei um veröffentlichtes bibliographisches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG handeln. Gleichwohl darf dieses in einem bibliographischen Antrag nicht verarbeitet werden, wenn insoweit noch Unterlagenschutz besteht. Die Vorschrift des § 22 Abs. 3 AMG, die dem Antragsteller eine Vorlage von „anderem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial“ ermöglicht, wenn eine allgemeine medizinische Verwendung eines bekannten Stoffes in der EU seit mindestens 10 Jahren besteht, geht stillschweigend davon aus, dass bei derartigen Wirkstoffen die Unterlagenschutzfristen in der Regel längst abgelaufen sind. Wenn – wie hier – noch Unterlagenschutzfristen laufen, können auch zugängliche wissenschaftliche Publikationen auf der Grundlage von geschützten Studienberichten nicht zur Begründung eines derartigen Antrags herangezogen werden,
58vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - : für einen wissenschaftlichen Bewertungsbericht einer außereuropäischen Zulassungsbehörde mit maßgeblichen Studiendaten; Beschluss vom 31.03.2009 – 13 B 278/09 - : für eine Fachinformation mit Ergebnissen von reproduktionstoxikologischen Versuchen.
59Ein Unterlagenschutz ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Fa. C. -X. die Ergebnisse der Studien im Jahr 2006 selbst veröffentlicht hat. Darin liegt keine Zustimmung zur Verwertung oder ein Verzicht auf den Schutzzeitraum. Vielmehr dient eine Veröffentlichung von Studiendaten – neben der Vermarktung des eigenen Arzneimittels – auch der Information der Öffentlichkeit und der Fachkreise. Diese Informationen würden aber missbraucht, wenn sie trotz laufender Unterlagenschutzfristen für Zweitanträge eingesetzt werden.
60Für diese Sichtweise spricht nunmehr auch § 42 b AMG, wonach der Inhaber eine Zulassung 6 Monate nach der Zulassung sogar verpflichtet ist, die Ergebnisse von Studien zu veröffentlichen. In § 42 b Abs. 3 Satz 7 AMG ist ausdrücklich bestimmt, dass die Vorschriften über den Unterlagenschutz davon unberührt bleiben, somit nach diesen Vorschriften veröffentlichte Studienberichte nicht für Zweitanträge für wesentlich gleiche Arzneimittel innerhalb der Schutzfristen genutzt werden dürfen.
61Dem Unterlagenschutz steht nicht entgegen, dass der Wirkstoff „Methocarbamol“ im Zeitpunkt der Zulassung von „P. “ 2005 möglicherweise kein „neuer Stoff“ mehr war. Nach dem rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – besteht keine Einschränkung des Unterlagenschutzes auf Zulassungen für neue Stoffe. Vielmehr können auch bibliographische Zulassungen oder gemischt-bibliographische Zulassungen einen Schutz der eingereichten Unterlagen auslösen.
62Dies gilt jedenfalls dann, wenn die bibliographische Zulassung nicht allein auf der Grundlage von früheren wissenschaftlichen Publikationen erteilt wurde, sondern wenn das vorgelegte Material durch eigene Studien des Antragstellers ergänzt wurde. Es besteht kein Grund dafür, warum diese, mit eigenem finanziellen Aufwand erarbeiteten, Erkenntnisse einen geringeren Schutz genießen sollen als Unterlagen, die im Rahmen einer sog. „Full application“ nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AMG bzw. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG eingereicht worden sind.
63Darüberhinaus hat der EuGH in einem aktuellen Urteil vom 23.10.2014 – C-104/13 – entschieden, dass auch rein bibliographische Zulassungen Referenzzulassungen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG (generische Anträge) sein können. Dies hat zur Folge, dass auch der Inhaber einer solchen, auf einem well-established use beruhenden Arzneimittelzulassung, Unterlagenschutz gegenüber einem generischen Zweitantragsteller genießt. Diese Entscheidung des EuGH ist auf das vorliegende Verfahren zwar nicht unmittelbar übertragbar. Sie zeigt jedoch, dass Unterlagenschutz auch für bereits allgemein medizinisch verwendete Stoffe begründet werden kann.
64Demnach ist es für den hier festgestellten Verstoß gegen die Unterlagenschutzvorschrift des § 24 a AMG a.F. unerheblich, dass es sich bei dem Wirkstoff des streitgegenständlichen Arzneimittels möglicherweise bereits 2005 wegen der früheren Zulassungen von Methocarbamol in Frankreich (Lumirelax 1996) und im Vereinigten Königreich (Robaxin 1982) um einen allgemein medizinisch verwendeten Stoff gehandelt hat.
65Da die streitgegenständliche Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 unter Vorlage von geschützten Unterlagen der Antragstellerin erwirkt worden ist, verstößt diese jedenfalls gegen § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG und damit gegen die darin geschützten subjektiven Rechte der Antragstellerin. Die Rechtsverletzung setzt nicht voraus, dass sich die nicht erlaubte Vorlage von geschützten Unterlagen auf die Entscheidungsfindung der Bundesoberbehörde ausgewirkt hat. Der Fehler könnte allenfalls dann unbeachtlich sein, wenn offenkundig ist, dass er sich nicht auf die Erteilung der Zulassung ausgewirkt hat,
66vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
67Dies kann auf den Rechtsgedanken des § 46 VwVfG zurückgeführt werden, wonach die Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zu einer Aufhebung eines Verwaltungsakts führt, wenn sie offensichtlich die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Im vorliegenden Verfahren spricht alles dafür, dass die Verwertung der geschützten Unterlagen der Fa. C. -X. ursächlich für die Erteilung der bibliographischen Zulassung war und sich damit auf die Entscheidungsfindung der Antragsgegnerin ausgewirkt hat. Denn das BfArM hat in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2014 klar zum Ausdruck gebracht, dass die bibliographische Zulassung ohne die Einbeziehung der geschützten Unterlagen der Antragstellerin nicht erteilt worden wäre. Denn die übrigen vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse reichten für die Begründung der Wirksamkeit und Verträglichkeit des beantragten Arzneimittels nach Auffassung des BfArM nicht aus.
68Dies ist nachvollziehbar, da die Antragsgegnerin das vorgelegte ältere wissenschaftliche Erkenntnismaterial für den Wirkstoff Methocarbamol aus den Jahren 1959 bis 1996 bereits im Mängelbeseitigungsverfahren für das Originalarzneimittel „P. “ durch das Mängelschreiben vom 04.07.2002 als völlig unzureichend beanstandet hatte. Im Rahmen des bibliographischen Antrags vom 29.04.2009 hat die Beigeladene gegenüber diesem Erkenntnisstand keine aktuellen neuen Studien – mit Ausnahme der geschützten Studien für „P. “ - vorgelegt. Alle neueren Publikationen aus den Jahren 2004 bis 2008 sind entweder Reviews oder Lehrbücher, Arzneimittellexika und andere Sekundärliteratur, die keine neuen Erkenntnisse enthalten.
69Da somit bereits aus dem Verstoß gegen § 24 a AMG a.F. eine Verletzung von subjektiven Rechten der Antragstellerin durch die streitgegenständliche Zulassung folgt, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch ein Verstoß gegen die drittschützenden Merkmale des § 22 Abs. 3 AMG vorliegt.
70Es kommt ebenfalls nicht darauf an, ob die Rücknahme der streitgegenständlichen Zulassung auch nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG rechtmäßig ist. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass viel dafür spricht, dass das von der Beigeladenen vorgelegte bibliographische Erkenntnismaterial – ohne die Studienergebnisse der Fa. C. -X. - als Beleg für eine anerkannte Wirksamkeit und annehmbare Verträglichkeit aus den vom BfArM benannten Gründen nicht geeignet bzw. unvollständig war. Dieser Bewertung hat auch die Beigeladene bisher nicht widersprochen.
712.
72Die erforderliche Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Beigeladenen an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung der Zulassung und dem berechtigten Interesse der Antragstellerin auf Durchsetzung ihrer Rechte auf Unterlagenschutz fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Die Klage der Beigeladenen gegen den Aufhebungsbescheid wird zunächst erfolglos bleiben, da der streitgegenständliche Zulassungsbescheid der Beigeladenen vom 15.06.2010 wegen eines Verstoßes gegen die drittschützende Vorschrift des § 24 a AMG a.F. rechtswidrig war und noch ist.
73Die Kammer lässt offen, ob die Klage nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist am 09.09.2015 automatisch Erfolg haben wird oder ob die Beigeladene einen neuen Antrag auf eine generische oder bibliographische Zulassung stellen muss, über den dann unter zulässiger Berücksichtigung der Antragsunterlagen für „P. “ voraussichtlich positiv zu entscheiden ist. Denn es ist fraglich, ob der Wegfall des Unterlagenschutzes 2015 und damit eine nachträgliche günstige Veränderung der Sachlage bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides berücksichtigt werden kann.
74Jedenfalls steht der Antragstellerin noch bis zum September 2015 ein Recht auf Unterlagenschutz zu, das leer laufen würde, wenn nicht die sofortige Vollziehung der Aufhebung angeordnet würde. Die Antragstellerin hat aber ein berechtigtes Interesse daran, die bisherige rechtswidrige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels der Beigeladenen zu stoppen und ihr eigenes Arzneimittel – jedenfalls bis zum Ende der Unterlagenschutzfrist – ohne die Konkurrenz durch die Beigeladene zu vermarkten.
75Der Umstand, dass die verbleibende Schutzfrist kurz ist und die Antragstellerin die bisherige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels durch die Beigeladene vor dem Hintergrund der unsicheren Rechtslage nicht gerichtlich verhindert hat, ändert nichts daran, dass sie sich auf ihr Recht zur Alleinvermarktung bis zum Ende der Frist berufen kann. Ihr kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie ausweislich der eingereichten Umsatzübersicht (Bl. 77 d. A.) durch den Markteintritt des Arzneimittels der Beigeladenen keinen Umsatzeinbruch erlitten hat, vielmehr die Umsätze aufgrund anderer Umstände kontinuierlich angestiegen sind. Es ist nämlich davon auszugehen, dass ihr durch die rechtswidrige Konkurrenz der Beigeladenen ein erheblicher Gewinn entgangen ist und weiter entgehen wird.
76Das Interesse der Beigeladenen, von einer rechtswidrigen Zulassung noch zumindest bis September 2015 Gebrauch zu machen, muss demgegenüber zurücktreten. Dieses Interesse ist schon deshalb nicht schutzwürdig, weil die Beigeladene den Unterlagenschutz der Antragstellerin durch die Stellung des bibliographischen Antrags gezielt umgangen hat. Das ergibt sich schon aus ihrem Zulassungsantrag vom 28.04.2009, in dem erklärt wird, dass die Unterlagen mit den Unterlagen des zuvor gestellten generischen Antrags praktisch identisch sind und die Verkehrsfähigkeit des generischen Arzneimittels trotz des eingelegten Drittwiderspruchs der Antragstellerin erhalten werden soll. Diese Absicht wurde dann später auch durch die Übertragung der Arzneimittelbezeichnung „E. W. N. 750 mg Tabletten“ von dem generischen auf das bibliographische Arzneimittel umgesetzt, sodass ein Arzneimittel der Beigeladenen mit diesem Namen seit 2008 bis heute ununterbrochen in den Verkehr gebracht werden konnte.
77Es dürfte der Beigeladenen auch zumutbar sein, das streitgegenständliche Arzneimittel vorerst vom Markt zu nehmen, obwohl schon absehbar ist, dass sie das Arzneimittel nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist bzw. der Erteilung einer neuen Zulassung wieder vermarkten darf. Den hiermit verbundenen Umsatzeinbruch wird man ihr zumuten können, da sie das Arzneimittel nun seit 4 Jahren unter Verletzung drittschützender Normen vertreibt und damit erhebliche Umsätze erzielt hat (Bl. 84 d.A.).
78Ihr Vortrag, dass sich nun die Investitionen in das Arzneimittel als vergeblich erwiesen, ist nicht nachvollziehbar. Die Investitionen haben sich zum einen bereits durch die erzielten Gewinne ausgezahlt. Zum anderen ist sie das Risiko der Vermarktung einer angefochtenen Zulassung bewusst eingegangen. Schließlich kann sie das Arzneimittel auch nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist, ggfs. nach Erteilung einer neuen Zulassung, weiter vermarkten. Im Ergebnis überwiegt daher das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Durchsetzung ihrer Unterlagenschutzrechte, zumal auch das öffentliche Interesse für den sofortigen Vollzug einer rechtmäßigen Verwaltungsentscheidung spricht.
79Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 159 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, hat sie die Kosten anteilig mit der ebenfalls unterlegenen Antragsgegnerin zu tragen. Eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf die Antragsgegnerin oder die Staatskasse aus Gründen der Billigkeit war nicht veranlasst.
80Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
81Das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen ist darauf gerichtet, die Beigeladene an der weiteren Vermarktung ihres Produktes zu hindern, um die eigenen Gewinneinbußen durch die Konkurrenz des Produktes zu vermeiden. Der Streitwert ist daher auf den entgangenen Jahresgewinn im Jahr der Antragstellung gerichtet,
82vgl. OVG NRW, Streitwertbeschluss vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
83Die Antragstellerin hat die Höhe des entgangenen Gewinns nicht beziffert. Sie kann jedoch in etwa geschätzt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Jahresumsatz der Beigeladenen für 2014 ausweislich der vorgelegten Übersicht 3,821 Mio Euro betragen wird (Bl. 84 d.A.), und dass dieser Umsatz der Antragstellerin entgangen ist, da die Beigeladene nach einer Recherche im Internet ihr Produkt zu demselben Preis wie die Antragstellerin vertreibt. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster kann mangels konkreter Anhaltspunkte angenommen werden, dass der Gewinn ca. ein Drittel des Umsatzes beträgt. Demnach ist der Antragstellerin im Jahr der Antragstellung 2014 ein Gewinn von 3,821 Mio Euro, dividiert durch 3, also 1,273 Mio Euro entgangen. Da im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Betrag zu halbieren, also auf 636.500 Euro.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
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die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Tatbestand
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Der Kläger, ein 1965 geborener irakischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Rücknahme seiner unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und die Androhung der Abschiebung in den Irak.
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Er reiste im Juni 1995 nach Deutschland ein und beantragte hier die Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (damals: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) - Bundesamt - erkannte ihn mit Bescheid vom 6. Dezember 1995 als Asylberechtigten an und stellte zugleich fest, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Daraufhin erteilte die zuständige Ausländerbehörde dem Kläger unter dem 23. Januar 1996 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 68 AsylVfG 1992.
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1998 stellte sich im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens heraus, dass der Kläger im Dezember 1990 unter einem anderen Namen nach Österreich eingereist war, sich dort bis 1995 aufgehalten und erfolglos ein Asylverfahren betrieben hatte. Zudem wurde festgestellt, dass er sich im Herbst 1996 im Irak aufgehalten hatte.
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Im Februar 2000 nahm das Bundesamt die Asylanerkennung des Klägers wegen unrichtiger Angaben und nicht mehr bestehender Gefährdungslage im Nordirak zurück und widerrief die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Ferner wurde festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Göttingen im März 2002 rechtskräftig ab.
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Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 2. Oktober 2002 die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des Klägers, forderte ihn zur Ausreise auf und drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung in den Irak an. Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung mit Bescheid vom 17. November 2003 zurück und änderte zugleich den Bescheid der Beklagten, indem sie die dem Kläger erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Zukunft zurücknahm. Seit Aufhebung seiner asylrechtlichen Aufenthaltserlaubnis hält sich der Kläger ohne Aufenthaltstitel in Deutschland auf.
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Mit seiner gegen die ausländerbehördliche Entscheidung gerichteten Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht: Sein persönliches Interesse, im Bundesgebiet zu verbleiben, sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Er habe alle Beziehungen im Irak außer derjenigen zu seinem Vater vollständig abgebrochen. Kinder habe er nicht, der gegenteilige Vortrag seines Bevollmächtigten sei unzutreffend. Bei seinem Besuch im Jahr 1996 habe er nach seiner Ehefrau geforscht, sie jedoch nicht mehr gefunden, weil sie wohl infolge einer großen Kurdenverfolgungsaktion verschwunden sei. In Deutschland habe er enge persönliche Bindungen zu seinem Großcousin und dessen Lebensgefährtin. Er habe von 1996 bis 1999 und dann wieder ab September 2003 in Deutschland gearbeitet und sei hier integriert, während er im Irak keine Existenzgrundlage für sich finden könne.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 10. September 2008 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Sein Urteil hat es im Wesentlichen wie folgt begründet: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen der angefochtenen Verfügung sei derjenige der letzten behördlichen Entscheidung - also der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2003 - und nicht der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung von Ausweisungsverfügungen sei auf die hier zu beurteilende Aufhebung eines Aufenthaltstitels nicht zu übertragen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Zukunft sei die Widerrufsvorschrift des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG. Zwar habe sich die Widerspruchsbehörde unter Abänderung des Ausgangsbescheids auf § 48 Abs. 1 VwVfG gestützt und statt eines Widerrufs eine Rücknahme verfügt. Gegen die Anwendbarkeit von § 48 Abs. 1 VwVfG spreche aber, dass § 43 Abs. 1 AuslG für die dort genannten Fallgruppen eine ausdrückliche Regelung enthalte, die gegenüber der allgemeinen Rücknahmevorschrift spezieller sei. Die behördliche Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Die Behörde dürfe grundsätzlich davon ausgehen, dass in den Fällen des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG ein gewichtiges öffentliches Interesse an dem Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung bestehe, falls nicht aus anderen Rechtsgründen ein gleichwertiger - asylunabhängiger - Aufenthaltstitel zu gewähren sei. Bei ihrer Ermessensausübung müsse die Ausländerbehörde allerdings auch die schutzwürdigen Belange des Ausländers an einem weiteren Verbleib in Deutschland in den Blick nehmen. Das behördliche Ermessen sei auch nicht dadurch eingeschränkt, dass der Kläger unabhängig von seiner entfallenen Asylberechtigung aus anderen Rechtsgründen einen Anspruch auf ein dem entzogenen Recht gleichwertiges Aufenthaltsrecht habe. Dem Kläger habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung kein derartiges Daueraufenthaltsrecht zugestanden. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 35 AuslG stelle kein asylunabhängiges Aufenthaltsrecht dar, weil die dafür erforderliche Dauer des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis gerade auf der asylrechtlichen Rechtsstellung des Klägers beruht habe. Im Übrigen sei der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt am 17. November 2003 auch nicht acht Jahre im Besitz seiner Aufenthaltserlaubnis gewesen, wie das § 35 Abs. 1 AuslG fordere.
- 8
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Das angegriffene Urteil verletze Bundesrecht dadurch, dass es erhebliche Ermessensfehler der behördlichen Entscheidung verkenne. Insbesondere habe das Berufungsgericht auf die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abstellen müssen und nicht - wie geschehen - auf den der letzten behördlichen Entscheidung. Mittlerweile habe er einen längeren Zeitraum in Deutschland verbracht, zugleich hätten sich die Lage im Nordirak und damit die Rückkehrbedingungen für ihn verschlechtert. Die ursprünglich erhobene Gehörsrüge wegen fehlender Hinzuziehung eines Dolmetschers durch das Oberverwaltungsgericht hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fallengelassen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie vertritt die Auffassung, selbst wenn zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht abzustellen sei, sei weder dargelegt noch erkennbar, dass eine solche Zeitpunktverlagerung zu einer anderen Sachentscheidung geführt hätte. Der Kläger habe auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung nicht nachgewiesen, dass sein Lebensunterhalt nachhaltig gesichert sei. Im Übrigen habe er die Passpflicht nicht erfüllt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Rücknahmebescheids nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung zu beurteilen ist. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 10. September 2008. Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens auf Aufhebung des Rücknahmebescheids ist daher auf die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) und gemäß § 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - NVwVfG - auf die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl I S. 102) abzustellen. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids, durch den eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen oder widerrufen wird, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts zugrunde zu legen. Der Senat hält insoweit an seiner Rechtsprechung, wonach in diesen Fällen der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich ist (vgl. Urteil vom 20. Februar 2003 - BVerwG 1 C 13.02 - BVerwGE 117, 380 <388>), nicht weiter fest. Er überträgt vielmehr seine bereits für die Zeitpunktverlagerung bei Ausweisungen entwickelte (vgl. Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 14 ff.) und auf Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen erstreckte Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329, Rn. 37 f.) nunmehr auch auf die Aufenthaltsbeendigung durch Rücknahme und Widerruf eines Aufenthaltstitels.
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Maßgebend ist für den Senat die Erwägung, dass die Aufhebung eines Aufenthaltstitels durch Rücknahme oder Widerruf wie die Ausweisung und die Versagung oder Nichtverlängerung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel zu einer Aufenthaltsbeendigung führt. Vor allem in diesen Fällen kommt dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie bei familiären Bindungen dem Grundrecht aus Art. 6 GG eine besondere Bedeutung zu. Diese Rechte gewähren nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts materiell zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Die zuständigen Behörden und Gerichte haben bei ausländerrechtlichen Entscheidungen aber deren Auswirkungen auf das Privatleben des Betroffenen und seine familiären Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu beachten. Für den betroffenen Ausländer macht es im Ergebnis häufig keinen Unterschied, ob der Aufenthalt durch Ausweisung oder durch Aufhebung oder Nichterteilung einer Aufenthaltserlaubnis beendet wird. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Rechtmäßigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach Art. 8 EMRK kommt es letztlich auf den Erfolg an, nämlich den Verlust des Aufenthaltsrechts, wie dieser auch immer rechtstechnisch herbeigeführt wird. Deshalb hält es der Senat für geboten, die Zeitpunktverlagerung auch auf Fälle der Aufenthaltsbeendigung durch Rücknahme und Widerruf eines unbefristeten Aufenthaltstitels zu erstrecken, zumal hier - anders als im Fall der versagten Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels - in ein bestehendes Aufenthaltsrecht eingegriffen wird. Zwar trifft der Hinweis des Berufungsgerichts zu, dass Widerruf und Rücknahme eines Aufenthaltstitels - anders als die Ausweisung - kein Einreiseverbot und keine Sperre für die erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 11 Abs. 1 AufenthG begründen. Diese über die Aufenthaltsbeendigung hinausgehenden Folgen einer Ausweisung waren aber für die vom Senat für geboten erachtete Zeitpunktverlagerung nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, dass es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der potentiellen Grundrechtsrelevanz von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gebietet, dass die Verwaltungsgerichte ihrer Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit eine möglichst aktuelle, d.h. nicht bereits überholte Tatsachengrundlage zugrunde legen. Ob etwas anderes bei der Aufhebung von befristeten Aufenthaltstiteln gilt, deren Gültigkeit vor der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abgelaufen ist, kann offen bleiben (vgl. hierzu VGH Mannheim, Urteil vom 15. Juli 2009 - 13 S 2372/08 - NVwZ 2009, 1380 <1381>).
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Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von revisiblem Recht, weil es bei der Überprüfung des Rücknahmebescheids der Beklagten, der eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis betraf, auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung im November 2003 und nicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht im September 2008 abgestellt hat. Dieser Rechtsverstoß führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache. Denn der Senat kann mangels jeglicher Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Lebensumständen des Klägers seit November 2003 nicht selbst entscheiden, ob die Rücknahme auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse im September 2008 als rechtmäßig anzusehen war. Andererseits kann der Senat auch nicht abschließend zugunsten des Klägers entscheiden, weil der angefochtene Bescheid - abgesehen von der noch ausstehenden Feststellung und Bewertung der aktuellen Verhältnisse - im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden ist (siehe 2.).
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2. Der angefochtene Bescheid ist zu Recht auf § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz gestützt (a). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 VwVfG liegen vor (b). Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist - mit der Einschränkung einer etwaigen Notwendigkeit zur Aktualisierung - frei von Ermessensfehlern (c).
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a) Die Beklagte stützt ihren Rücknahmebescheid zu Recht auf § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz, der auf die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) verweist. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die Rücknahmevorschrift nicht durch die für den Widerruf von Aufenthaltstiteln maßgebliche Vorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (zuvor: § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG 1990) verdrängt. Die aufenthaltsrechtliche Widerrufsvorschrift stellt keine Spezialregelung für alle Fälle der Aufhebung eines Aufenthaltstitels infolge Wegfalls der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung dar. Vielmehr ist § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auch dann als Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Aufenthaltserlaubnis heranzuziehen, wenn diese nicht mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern nur für die Zukunft aufgehoben wird. Im Aufenthaltsrecht stellen Rücknahme und Widerruf - wie im allgemeinen Verwaltungsrecht - zwei unterschiedliche Formen der Aufhebung von Verwaltungsakten dar, die gleichberechtigt in § 51 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AufenthG genannt werden. Es bestehen zudem sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Aufenthaltstiteln, die von Anfang an rechtswidrig waren, und solchen, deren Voraussetzungen erst nachträglich entfallen sind. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 23. Mai 1995 - BVerwG 1 C 3.94 - BVerwGE 98, 298 <304 f.>).
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG liegen vor.
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Die dem Kläger mit Bescheid vom 23. Januar 1996 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1992 war wegen ihres mit der materiellen Rechtslage nicht übereinstimmenden Inhalts von Anfang an rechtswidrig. Die Asylanerkennung des Klägers ist bestandskräftig nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zurückgenommen worden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht rechtskräftig abgewiesen. Die Rücknahme der Asylanerkennung wurde auch mit Wirkung für die Vergangenheit ausgesprochen. Der bestandskräftige Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (damals: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) - Bundesamt - vom 18. Februar 2000 trifft hierzu zwar keine ausdrückliche Aussage. Es ergibt sich aber aus dem Inhalt des Bescheids, der die Rücknahme auf unrichtige Angaben des Klägers wie auf das Verschweigen wesentlicher Tatsachen stützt, die maßgeblich für die Anerkennung waren, dass eine Aufhebung mit ex tunc Wirkung beabsichtigt war. Auch die allgemeine Rücknahmevorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG sieht durch den Verweis auf Satz 3 und dessen Nr. 2 für Fälle wie den vorliegenden in der Regel die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit vor (vgl. hierzu auch Urteil vom 9. September 2003 - BVerwG 1 C 6.03 - BVerwGE 119, 17 <23>). Diese Regel lässt sich auf den nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ergangenen Rücknahmebescheid übertragen und führt dazu, dass hier von einer rückwirkenden Aufhebung der durch falsche Angaben erwirkten Asylanerkennung auszugehen ist. Eine Rücknahme der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG mit Wirkung für die Vergangenheit ist auch nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 24. November 1998 (BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>) darauf hingewiesen, dass die Wirkung einer Rücknahme der Asylanerkennung gegenüber einem Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG in zeitlicher Hinsicht differieren kann, und ist damit von einer Zulässigkeit der rückwirkenden Rücknahme ausgegangen.
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Der Kläger kann sich gegenüber der Rücknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er inzwischen unabhängig von der Asylberechtigung einen Anspruch auf Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels erworben habe. Zwar trifft es zu, dass die Behörde einen Aufenthaltstitel, den sie dem Ausländer aus anderen Rechtsgründen sogleich wieder erteilen müsste, weder widerrufen noch mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen darf (vgl. zum Widerruf nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG 1990: Urteil vom 20. Februar 2003 a.a.O. S. 384 f.). Ein Anspruch auf Erteilung eines gleichwertigen Aufenthaltstitels aus anderen Rechtsgründen stand dem Kläger aber weder zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu. Der vom Kläger insoweit allein geltend gemachte "Anspruch" auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 26 Abs. 4 AufenthG, die der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG 1990 weitgehend entspricht, vermittelt zum einen schon deshalb keinen die Rücknahme ausschließenden Rechtsanspruch, weil die Vorschrift die Erteilung eines solchen Daueraufenthaltsrechts in das Ermessen der Behörde stellt und deshalb nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung einräumt. Zum anderen würde - die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG unterstellt - eine Niederlassungserlaubnis nach dieser Vorschrift im Fall des Klägers auch nicht auf anderen Rechtsgründen beruhen, sondern letztlich auf seiner (aufgehobenen) Asyl- und Flüchtlingsanerkennung. Denn der erforderliche siebenjährige Besitz eines Aufenthaltstitels nach dieser Vorschrift würde seine maßgebliche Grundlage in der zwar nicht zurückgenommenen, aber doch widerrufenen Flüchtlingsanerkennung finden. Ein derartiges zeitlich auf einem vorangegangenen asylbedingten Aufenthaltsrecht aufbauendes Daueraufenthaltsrecht wäre selbst asylbedingt und stünde der Rücknahme der asylbedingten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch deshalb nicht von vornherein entgegen (vgl. entsprechend zum Widerruf nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG 1990: Urteil vom 20. Februar 2003 a.a.O. S. 384 f.; Hailbronner, AuslR, Stand Oktober 2008, § 52 AufenthG Rn. 34; a.A. Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 73 Rn. 288 ff. <296>). Allerdings ist der Umstand, dass ein Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG erfüllt, gegebenenfalls bei Ausübung des Rücknahmeermessens zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
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Im Übrigen erfüllte der Kläger weder zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung die Voraussetzungen für ein solches humanitäres Daueraufenthaltsrecht. Der Kläger kann sich, wie von der Beklagten korrekt berechnet und vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht mehr in Frage gestellt, auf der Grundlage seiner flüchtlingsrechtlichen Anerkennung auf Besitzzeiten einer humanitären Aufenthaltserlaubnis von sieben Jahren und knapp drei Monaten - unter Anrechnung des vorangegangenen Asylverfahrens - berufen. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts endete mit der Bekanntgabe des ausländerbehördlichen Widerrufsbescheids im Oktober 2002 (vgl. Hailbronner, § 84 AufenthG, Stand Februar 2010, Rn. 38 m.w.N.). Damit würde der Kläger zwar die zeitlichen Anforderungen des § 26 Abs. 4 AufenthG erfüllen. Für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG genügt jedoch nicht, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt sieben Jahre lang im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, er müsste es auch noch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewesen sein (vgl. Urteil vom 10. November 2009 - BVerwG 1 C 24.08 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 13). Diese Voraussetzung erfüllt er nicht. Denn ihm sind nach Aufhebung seiner asylrechtlichen Aufenthaltserlaubnis im Oktober 2002 keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr erteilt worden und es sind auch keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, wonach er einen Anspruch darauf gehabt hätte. Das Bundesamt hatte nicht nur seine asylrechtliche Anerkennung zurückgenommen, sondern auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG 1990 verneint, so dass ihm auch unter diesen Gesichtspunkten kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zustand. Zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung erfüllte er auch nicht die zeitlichen Voraussetzungen für ein humanitäres Aufenthaltsrecht nach dem damals maßgeblichen § 35 Abs. 1 AuslG 1990, da die Vorschrift den achtjährigen Besitz eines Aufenthaltstitels verlangt, den der Kläger nicht vorweisen kann.
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c) Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist - vorbehaltlich einer etwa notwendigen Aktualisierung - rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Beklagte hat ihr Ermessen betätigt. Das wird aus der Wortwahl und dem Inhalt des Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids klar erkennbar. Bereits aus den gewählten Obersätzen ergibt sich, dass der Bezirksregierung bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen. Sie hat auch im Einzelnen die Gesichtspunkte benannt, die in die Ermessensabwägung einzustellen sind, und nach deren Abwägung die ermessensgeleitete Entscheidung getroffen, die Aufenthaltserlaubnis zurückzunehmen.
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Soweit das Berufungsgericht - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - die Ermessensentscheidung der Beklagten nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids als rechtsfehlerfrei angesehen hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Ausübung ihres Rücknahmeermessens ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass bei einer durch Täuschung erlangten Asylberechtigung in der Regel ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Rücknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis besteht. Sie hat mit Blick auf die rechtmäßig erteilte Flüchtlingsanerkennung die Rücknahme nur mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen. Ferner hat sie die Dauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und seine hier entwickelten persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen schützenswerten Bindungen eingehend gewürdigt. Auch hat sie die Folgen mit bedacht, die sich für den Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ergeben. Da der Kläger, wie oben ausgeführt, allein aufgrund seiner rechtmäßigen Flüchtlingsanerkennung nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Daueraufenthaltsrechts aus humanitären Gründen erfüllt, brauchte die Beklagte auf diesen Gesichtspunkt bei ihren Ermessenserwägungen nicht einzugehen. Ihre Wertung, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung hier überwog, ist - vorbehaltlich etwaiger wegen der Zeitpunktverlagerung noch nicht berücksichtigter neuer Umstände - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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3. Zur Aktualisierung der Ermessenserwägungen nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bemerkt der Senat:
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Allein der Umstand, dass zwischen der ablehnenden Behördenentscheidung und dem maßgeblichen Zeitpunkt für ihre Überprüfung ein gewisser Zeitraum verstrichen ist, zwingt die Behörde regelmäßig noch nicht zu einer Aktualisierung der Ermessenserwägungen. Sollte sich im neuen Berufungsverfahren indes herausstellen, dass sich die Sachlage nach der Rücknahmeentscheidung vom November 2003 in entscheidungserheblicher Weise zugunsten des Klägers geändert hat, müsste der Beklagten Gelegenheit gegeben werden, ihre Ermessenserwägungen entsprechend zu aktualisieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich aus der Zeitpunktverlagerung sowohl für den Kläger als auch für die Behörde entsprechende Mitwirkungspflichten ergeben. Sind im Rahmen des Klagebegehrens während des gerichtlichen Verfahrens neu eingetretene Tatsachen zu berücksichtigen, ist es primär Aufgabe des Klägers, auf etwaige zu seinen Gunsten eingetretene Tatsachenänderungen hinzuweisen. Hierzu wird der Kläger im neuen Berufungsverfahren Gelegenheit haben. Sollten vom Kläger neue zu seinen Gunsten sprechende Tatsachen vorgetragen werden, hat die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung zu überprüfen und gegebenenfalls der neuen Sachlage anzupassen. In diesem Zusammenhang hat sie auch die Möglichkeit, in Erfüllung ihrer Obliegenheit zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle die Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO im laufenden Verfahren zu aktualisieren (vgl. Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - a.a.O. Rn. 42). In diesem Rahmen bestünde auch die Gelegenheit, den aufgrund der Zeitpunktverlagerung neu zu bemessenden Aufenthalt des Klägers in Deutschland zu seinem 25-jährigen Aufenthalt im Irak in Beziehung zu setzen.
(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
Tenor
1. Die sofortige Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 13.06.2014 erfolgten Aufhebung der mit Bescheid vom 15.06.2010 erteilten Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ (Zul-Nr. 00000.00.00) wird angeordnet.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 636.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Mit Bescheid vom 02.09.2005, zugestellt am 09.09.2005, wurde der Fa. C. -X. -GmbH im sogenannten Nachzulassungsverfahren eine Verlängerung der Zulassung gemäß § 105 AMG für das Arzneimittel „P. “ Tabletten (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) erteilt. Dieses Arzneimittel enthält als Wirkstoff 750 mg Methocarbamol pro Tablette und wurde für das Anwendungsgebiet „Symptomatische Behandlung schmerzhafter Muskelverspannungen, insbesondere des unteren Rückenbereichs (Lumbago)“ zugelassen. Im Jahr 2008 wurde die Zulassung auf die Antragstellerin übertragen.
4Unter dem 15.08.2008 erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – der Beigeladenen eine generische Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ unter Bezugnahme auf das Referenzarzneimittel „P. “ Tabletten. Unter dem 20.01.2009 wurde der Beigeladenen eine weitere generische Zulassung für das Arzneimittel „N1. N. 750 mg Tabletten“ erteilt, wobei ebenfalls das Arzneimittel „P. “-Tabletten als Referenzarzneimittel diente.
5Auf den Widerspruch der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen ordnete das BfArM im Oktober 2009 die sofortige Vollziehung der beiden generischen Zulassungen an. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wies das BfArM die Widersprüche als unbegründet zurück.
6Auf die Klage der Antragstellerin auf Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen vom 12.04.2010 – 7 K 2148/10 – wurden diese durch Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – aufgehoben, weil die generischen Zulassungen unter Verletzung der Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin aus § 24 a AMG a.F. erteilt worden waren. Der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, dass die Unterlagenschutzfrist abgelaufen sei, weil diese nach dem Prinzip der Globalzulassung mit der französischen Zulassung des Arzneimittels „Lumirelax 500 mg“ im Jahr 1996 begonnen habe, konnte das Gericht nicht folgen. Mit Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 – 13 A 2756/12 – wurde der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil abgelehnt.
7Nach Erhebung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen der Beigeladenen im Januar 2009 stellte die Beigeladene am 29.04.2009 einen Antrag auf Zulassung eines identischen Arzneimittels mit der Bezeichnung „N. 750 mg Tabletten“ auf der Grundlage eines bibliographischen Antrags nach § 22 Abs. 3 AMG. Mit dem Antrag legte die Beigeladene unter anderem eine Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 vor, in der die Durchführung und die Ergebnisse der toxikologischen und klinischen Studien beschrieben wurden, die die Fa. C. im Nachzulassungsverfahren für „P. “ Tabletten zur Mängelbeseitigung vorgelegt hatte.
8Unter dem 15.06.2010 wurde der Beigeladenen die bibliographische Zulassung für „N. 750 mg Tabletten“ (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) antragsgemäß erteilt. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 24.06.2010 Widerspruch und machte geltend, dass die Zulassung vermutlich auf Unterlagen der Antragstellerin für „P. “ gestützt worden sei, die noch der Unterlagenschutzfrist unterfielen, und damit rechtswidrig sei.
9Daraufhin beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 08.07.2010 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung und vertrat die Auffassung, der Widerspruch sei wegen Fehlens der Antragsbefugnis offensichtlich unzulässig und habe daher keine aufschiebende Wirkung.
10Mit Schreiben der Antragstellerin vom 22.07.2010 an das BfArM verzichtete diese auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, hielt aber ausdrücklich an der Erhebung des Widerspruchs und dem gestellten Antrag auf Akteneinsicht fest.
11Das BfArM ordnete mit Bescheid vom 29.07.2010 die sofortige Vollziehung der Zulassung vom 15.06.2010 an. Mit Änderungsanzeige vom 16.08.2010 zeigte die Beigeladene eine Änderung der Bezeichnung des mit Bescheid vom 15.06.2010 zugelassenen Arzneimittels in „E. W. N. 750 mg Tabletten“ an.
12Nachdem das OVG NRW mit Beschluss vom 11.10.2013 im Verfahren 13 A 2756/12 das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – und damit die Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen bestätigt hatte, entschied das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 über den Widerspruch der Antragstellerin gegen die bibliographische Zulassung für das streitgegenständliche Arzneimittel vom 15.06.2010 und nahm die Zulassung zurück.
13In der Begründung wurde ausgeführt, der Widerspruch der Antragstellerin sei zulässig und begründet. Die Zulassung sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten aus § 22 Abs. 3 Satz 1 AMG. Daher sei die Zulassung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG und § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG zurückzunehmen. Die von der Beigeladenen eingereichten Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin hätten bei Erteilung der bibliographischen Zulassung nicht verwertet werden dürfen, weil dies zu einer Umgehung der generischen Unterlagenschutzfrist führe. Ohne diese Unterlagen sei aber das übrige vorgelegte bibliographische Material zum Beleg von Wirksamkeit und Verträglichkeit nach § 22 Abs. 3 AMG nicht ausreichend.
14Am 17.06.2014 erhob die Beigeladene Klage gegen die Rücknahme der Zulassung vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 (7 K 3354/13). Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.07.2014 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung. Durch Bescheid vom 30.07.2014 lehnte das BfArM jedoch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ab, weil die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe und im Übrigen die Erfolgsaussichten der Klage der Beigeladenen gegen den Rücknahmebescheid offen seien.
15Am 11.08.2014 stellte die Antragstellerin den vorliegenden Antrag nach § 80 a Abs. 3, Abs. 2 VwGO, die Rücknahmeentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 für sofort vollziehbar zu erklären.
16Mit der Antragsbegründung macht sie geltend, sie werde durch die bibliographische Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels in ihren Rechten auf Unterlagenschutz verletzt, weil die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen sei. Das Antragsrecht sei durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht verwirkt worden. Die Rechtslage habe sich durch das rechtskräftige Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – zu Gunsten der Antragstellerin geändert.
17Die Antragstellerin beantragt,
18die Antragsgegnerin zu verpflichten, die mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 gegen die Beigeladene ergangene Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Arzneimittelzulassung mit der Zulassungs-Nr. 00000.00.00 für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ für sofort vollziehbar zu erklären.
19Die Antragsgegnerin beantragt,
20den Antrag abzulehnen.
21Sie beruft sich auf die Gründe des Bescheides vom 30.07.2014 und schließt sich im Übrigen der Auffassung der Beigeladenen an.
22Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
23den Antrag abzulehnen.
24Sie macht geltend, dass die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe, weil sie seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs verzichtet habe und das Antragsrecht somit nach einem Zeitablauf von 4 Jahren nicht mehr geltend machen könne. Der Antrag sei auch unbegründet. Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin seien bei Erteilung der Zulassung nicht verletzt worden. Die von der Beigeladenen vorgelegte Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 sei eine wissenschaftliche Veröffentlichung im Sinne von § 22 Abs. 3 AMG, die nicht zu den Zulassungsunterlagen von „P. “ gehöre. Im Verfahren des § 22 Abs. 3 AMG habe allein die zehnjährige allgemeine medizinische Verwendung des Wirkstoffs nach Erteilung einer Zulassung drittschützende Wirkung. Die 10-jährige Schutzfrist für Methocarbamol sei aber abgelaufen, weil der Wirkstoff schon seit Jahrzehnten in der EU zugelassen sei (Lumirelax, Robaxin).
25II.
26Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu einer Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung vom 13.06.2014 zu verpflichten, ist im erkennbaren Interesse der Antragstellerin an einer zügigen und effektiven Durchsetzung ihrer Rechte dahingehend auszulegen, dass auch eine eigene Vollziehungsanordnung des Gerichts nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO davon umfasst ist, § 88 VwGO.
27Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 a Abs. 3 Satz 1, letzte Alternative i.V.m. Abs. 2 VwGO statthaft. Danach kann das Gericht auf Antrag eines Dritten die sofortige Vollziehung anordnen, wenn ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der den Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf einlegt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beigeladene hat gegen den sie belastenden Rücknahmebescheid im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 in zulässiger Weise Anfechtungsklage erhoben, die grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat. Die Antragstellerin kann daher die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Zulassung beantragen, weil sie durch diese begünstigt wird. Durch die Rücknahme der bibliographischen Zulassung der Beigeladenen kann die Antragstellerin die Zulassung für das vergleichbare Fertigarzneimittel „P. “ wieder ohne Konkurrenz durch die Beigeladene vermarkten.
28Der Antragstellerin steht auch die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis zu. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die Antragstellerin in ihrem subjektiven Recht auf Unterlagenschutz aus § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG durch die Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung für E. W. N. vor Ablauf der 10-jährigen Schutzfrist am 09.09.2015 verletzt worden ist. Zwar gelten die genannten Vorschriften unmittelbar nur für das generische Antragsverfahren. Sie sind jedoch erweiternd dahingehend auszulegen, dass Unterlagenschutzfristen auch bei der Stellung von gemischt-bibliographischen Zulassungsanträgen nach § 22 Abs. 3 AMG für wesentlich gleiche Arzneimittel zu beachten sind, da der Unterlagenschutz sonst leicht durch die Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen werden könnte,
29OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
30Im vorliegenden Verfahren erscheint es möglich, dass die Rechte der Antragstellerin auf alleinige Verwertung der Versuchsergebnisse, die sie im Zulassungsverfahren für P. erarbeitet hat, bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist dadurch verletzt worden sind, dass die Beigeladene diese Ergebnisse in einer mittelbaren Form durch Vorlage einer Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 zur Erlangung der bibliographischen Zulassung für ein wesentlich gleiches Arzneimittel genutzt hat.
31Das Antragsrecht ist auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung des Rechts auf vorläufigen Rechtsschutz kommt dann in Betracht, wenn der Antragsteller seit der ersten Möglichkeit der Antragstellung eine längere Zeit hat verstreichen lassen und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Antragstellung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen,
32vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 15.
33Eine Verwirkung ergibt sich weder aus dem Zeitablauf seit der Möglichkeit der Antragstellung noch aus dem Umstand, dass die Antragstellerin seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs verzichtet hat.
34Zwar sind seit der Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 80 a VwGO nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zulassung am 29.07.2010 bis zum Eingang des vorliegenden Eilantrags im August 2014 fast 4 Jahre vergangen. Dieser Zeitablauf ist jedoch nicht auf eine Untätigkeit der Antragstellerin zurückzuführen. Vielmehr hat die Antragstellerin die Entscheidung des BfArM über ihren Widerspruch abgewartet. Auf dessen Bearbeitungsdauer hatte sie keinen Einfluss. Sie konnte auch bei ihrem anfänglichen Verzicht auf vorläufigen Rechtsschutz im Widerspruchsverfahren nicht mit dieser langen Bearbeitungszeit durch das BfArM rechnen, das wiederum den Ausgang des Rechtsstreits über die generischen Zulassungen der Beigeladenen abgewartet hat.
35Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin während dieses gesamten Zeitraums untätig war. Sie hat nach dem Urteil des VG Köln vom 30.10.2012 im generischen Verfahren mit Schreiben vom 28.11.2012 beim BfArM eine Entscheidung über den Widerspruch beantragt, am 14.01.2013 einen weiteren Antrag auf Akteneinsicht gestellt und am 17.04.2014 unter Hinweis auf den Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 erneut um eine Entscheidung über den Widerspruch gebeten.
36Es ist auch nicht ersichtlich, dass hier besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Antragsrechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Insbesondere hat die Antragstellerin durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht für alle Zeit auf Rechtsschutz gegen die Zulassung der Beigeladenen verzichtet. Der Verzicht beschränkte sich erkennbar auf die Zeitdauer des Widerspruchsverfahrens und war auf die unsichere Rechtslage hinsichtlich des Bestehens und Umfangs von Unterlagenschutzrechten der Antragstellerin zurückzuführen. Die Beigeladene konnte daraus nicht ableiten, dass die Antragstellerin auch bei einer Bestätigung ihrer Rechtsansicht im Widerspruchsverfahren bzw. im gleichzeitig anhängigen Klageverfahren gegen die generischen Zulassungen weiterhin auf ihre Rechte verzichtet. Sie hat stets betont, dass sie auch die bibliographische Zulassung für rechtswidrig hält und diese Auffassung während des Verfahrens durchgängig aufrechterhalten.
37Die Beigeladene kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie auf die weitere Untätigkeit der Antragstellerin vertraut und im Hinblick darauf erhebliche Investitionen in die Vermarktung ihres Arzneimittels getätigt habe, die sich nun als vergeblich erwiesen. Die Beigeladene musste wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens damit rechnen, dass ihre Zulassung letztlich keinen Bestand haben könnte und hat daher die Investitionen auf eigenes Risiko getätigt. Im Übrigen kann von einer Vergeblichkeit der Investitionen keine Rede sein, da die Beigeladene seit 2010 Umsätze in Millionenhöhe mit dem streitgegenständlichen Arzneimittel erwirtschaftet hat (vgl. Bl. 84 d. A.).
38Der Antrag ist auch begründet. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in arzneimittelrechtlichen Verfahren richtet sich die Begründetheit eines Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung im Rahmen des § 80 a Abs. 3 VwGO in Anlehnung an die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nach einer Interessenabwägung. Bei dieser Abwägung kommt es vornehmlich darauf an, ob der in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird,
39vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 31.03.2009 - 13 B 278/09 - .
40Diese Rechtsprechung, die für die Fälle des § 80 a Abs. 3 i.V.m. Abs.1 Nr. 1 VwGO gilt, in denen ein belasteter Dritter gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt, z.B. die arzneimittelrechtliche Zulassung, einen Rechtsbehelf eingelegt hat, kann in einer modifizierten Form auch auf die hier vorliegende Konstellation des § 80 a Abs. 2 VwGO angewendet werden.
41Maßstab ist auch hier in erster Linie die Erfolgsaussicht der Klage des belasteten Adressaten, da der vorläufige Rechtsschutz nur dazu dient, die Zeit bis zur Entscheidung über die Klage zu überbrücken. Die Erfolgsaussichten sind hier allerdings – in Abweichung zu den Fällen der Drittanfechtung – in vollem Umfang zu prüfen, da die Klage vom Adressaten des Verwaltungsakts erhoben wird und deshalb eine Beschränkung des Prüfungsumfangs auf drittschützende Normen nicht besteht.
42Ist die Klage voraussichtlich erfolgreich und wird der Verwaltungsakt im Klageverfahren wahrscheinlich wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben, kann kein überwiegendes Interesse eines begünstigten Dritten an der vorzeitigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. In diesem Fall wäre der Antrag abzulehnen. Ist hingegen die Klage voraussichtlich erfolglos, weil der Verwaltungsakt sich als rechtmäßig erweist, oder sind die Erfolgsaussichten offen, ist die Frage der Verletzung von Rechten des Dritten in die Interessenabwägung einzubeziehen. Denn die Verletzung von Drittrechten kann es rechtfertigen, den Verwaltungsakt schon vor der Entscheidung in der Hauptsache zu vollziehen und damit das Interesse des Adressaten an der aufschiebenden Wirkung der Klage zu verdrängen,
43vgl. Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 26.
44Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ist festzustellen, dass die durch die Beigeladene erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 sich mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweisen wird (hierzu 1.). Da die bibliographische Zulassung der Beigeladenen unter Verstoß gegen die drittschützenden Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes über den Unterlagenschutz des Erstinhabers einer Zulassung erteilt worden ist und die Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin leerzulaufen drohen, überwiegt im Ergebnis das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der rechtswidrigen Zulassung (hierzu 2.).
451.
46Die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 ist rechtmäßig. Zwar ist unklar, auf welche Rechtsgrundlage die Antragsgegnerin die Entscheidung gestützt hat. Die Wahl der Form des Widerspruchsbescheides und die ersten Ausführungen zur Begründung legen nahe, dass die Antragsgegnerin die Befugnis des BfArM als Widerspruchsbehörde zur Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes wegen des Verstoßes gegen drittschützende Rechtsnormen nach §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 VwGO in Anspruch genommen hat. Die Angabe von § 30 Abs. 1 Satz 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG als Ermächtigungsgrundlage und die Subsumtion unter diese Vorschriften deuten darauf hin, dass das BfArM sich in seiner Eigenschaft als Ausgangsbehörde (auch) auf die Rücknahmevorschriften des Arzneimittelgesetzes gestützt hat, die neben einem gleichzeitig anhängigen Widerspruchsverfahren eines Dritten angewendet werden können, vgl. § 50 VwVfG.
47Es spricht vieles dafür, dass die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen auf beide Rechtsgrundlagen gestützt werden kann. Jedenfalls ist diese Zulassung aber auf den Drittwiderspruch der Antragstellerin hin aufzuheben, weil bei ihrer Erteilung die Rechte der Antragstellerin auf den Schutz ihrer im Zulassungsverfahren für „P. “ Tabletten eingereichten Versuchsergebnisse aus §§ 24 a AMG a.F., 141 Abs. 5 AMG verletzt worden sind.
48Das Recht des Inhabers der ersten Zulassung eines Arzneimittels auf einen Schutz der von ihm eingereichten Unterlagen gegen die Verwertung durch andere Antragsteller besteht nicht nur gegenüber einer Bezugnahme auf diese Unterlagen im Rahmen eines generischen Verfahrens. Ein derartiges Verwertungsverbot ist ausdrücklich in § 24 b Abs. 1 AMG bzw. in der hier nach § 141 Abs. 5 VwGO anwendbaren Vorgängerfassung des § 24 a AMG a.F. angeordnet. Es muss aber auch dann gelten, wenn Unterlagen eines Erstanmelders innerhalb der Schutzfrist im Rahmen eines bibliographischen Antrags vorgelegt werden. Denn auch in diesem Fall werden die Unterlagen zur Erlangung einer Zweitzulassung durch einen anderen Antragsteller genutzt und damit die Erstzulassung wirtschaftlich entwertet. Damit würde der Unterlagenschutz durch die Möglichkeit der Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen. Der Sinn und Zweck der Unterlagenschutzrechte gebietet daher eine erweiternde Auslegung des § 24 b Abs. 1 AMG/§ 24 a AMG a.F. bzw. eine einschränkende Auslegung des § 22 Abs. 3 AMG. Das entspricht auch der Auffassung der Europäischen Kommission zur Auslegung von Art. 10 und Art. 10 a der Richtlinie 2001/83/EG,
49OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
50Die Voraussetzungen des § 24 a AMG a.F. für einen Schutz der Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin sind erfüllt. Die von der Rechtsvorgängerin im Zulassungsverfahren für „P. “-Tabletten eingereichten selbst erarbeiteten Studien unterliegen einer 10-jährigen Unterlagenschutzfrist, die noch bis zum 09.09.2015 läuft. Dies wurde durch das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – rechtskräftig festgestellt.
51Die der Beigeladenen am 15.06.2010 erteilte Zulassung war somit im Zeitpunkt ihrer Erteilung und bis heute rechtswidrig, weil die Beigeladene mit den Antragsunterlagen eine Zusammenfassung der geschützten Versuchsergebnisse (Broschüre der Fa. C. -X. von 2006, Anlage 4, Beiakte 2) vorgelegt und in ihrem klinischen Gutachten (Clinical Overwiew, Anlage 3, Beiakte 2)) verarbeitet hat, obwohl die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen war.
52Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 ist nicht deshalb vom Unterlagenschutz ausgenommen, weil sie sich nicht im Antragsdossier für das Original-Arzneimittel „P. “ Tabletten befand. Der Unterlagenschutz ist nicht auf die im Erstzulassungsverfahren vorgelegten Original-Unterlagen, hier die Studienberichte über toxikologische und klinische Studien, beschränkt,
53vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
54Vielmehr erfordern Sinn und Zweck eines effektiven Unterlagenschutzes, dass auch Dokumente, die in einer hinreichend ausführlichen Form die im Erstverfahren vorgelegten Versuchsverfahren und –ergebnisse beschreiben und die daher für eine mittelbare Nutzung dieser Ergebnisse herangezogen werden können, von einer Verwertung ausgeschlossen sind. Andernfalls würden die Rechte des Originators auf Unterlagenschutz ausgehöhlt.
55Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 enthält u. a. eine eingehende Beschreibung der tierexperimentellen Versuche mit P. zur Toxizität (S. 14 f.), zur Mutagenität (S. 15) und zur Sicherheitspharmakologie (S. 16). Insbesondere werden dort auch das Studiendesign und die Ergebnisse (einschließlich der erstellten Diagramme) zweier randomisierter, placebokontrollierter, doppelblinder, klinischer Studien der Phase IV mit dem Arzneimittel „P. “ im beantragten Anwendungsgebiet (Beschwerden einer schmerzhaften Muskelverspannung im Becken/Lendenbereich, Lumbago) dargestellt (S. 18 – 23).
56Diese Studienergebnisse werden auch in dem von der Beigeladenen vorgelegten Modul 2.5 „Clinical Overview“ vom 15.04.2009 (Anlage 3, Beiakte 2, S. 23 – 26f.) des bibliographischen Antrags ausführlich wiedergegeben und maßgeblich für die Begründung von Wirksamkeit und Verträglichkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels herangezogen. Damit hat die Beigeladene die von der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin erstellten Unterlagen verwertet.
57Zwar mag es sich hierbei um veröffentlichtes bibliographisches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG handeln. Gleichwohl darf dieses in einem bibliographischen Antrag nicht verarbeitet werden, wenn insoweit noch Unterlagenschutz besteht. Die Vorschrift des § 22 Abs. 3 AMG, die dem Antragsteller eine Vorlage von „anderem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial“ ermöglicht, wenn eine allgemeine medizinische Verwendung eines bekannten Stoffes in der EU seit mindestens 10 Jahren besteht, geht stillschweigend davon aus, dass bei derartigen Wirkstoffen die Unterlagenschutzfristen in der Regel längst abgelaufen sind. Wenn – wie hier – noch Unterlagenschutzfristen laufen, können auch zugängliche wissenschaftliche Publikationen auf der Grundlage von geschützten Studienberichten nicht zur Begründung eines derartigen Antrags herangezogen werden,
58vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - : für einen wissenschaftlichen Bewertungsbericht einer außereuropäischen Zulassungsbehörde mit maßgeblichen Studiendaten; Beschluss vom 31.03.2009 – 13 B 278/09 - : für eine Fachinformation mit Ergebnissen von reproduktionstoxikologischen Versuchen.
59Ein Unterlagenschutz ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Fa. C. -X. die Ergebnisse der Studien im Jahr 2006 selbst veröffentlicht hat. Darin liegt keine Zustimmung zur Verwertung oder ein Verzicht auf den Schutzzeitraum. Vielmehr dient eine Veröffentlichung von Studiendaten – neben der Vermarktung des eigenen Arzneimittels – auch der Information der Öffentlichkeit und der Fachkreise. Diese Informationen würden aber missbraucht, wenn sie trotz laufender Unterlagenschutzfristen für Zweitanträge eingesetzt werden.
60Für diese Sichtweise spricht nunmehr auch § 42 b AMG, wonach der Inhaber eine Zulassung 6 Monate nach der Zulassung sogar verpflichtet ist, die Ergebnisse von Studien zu veröffentlichen. In § 42 b Abs. 3 Satz 7 AMG ist ausdrücklich bestimmt, dass die Vorschriften über den Unterlagenschutz davon unberührt bleiben, somit nach diesen Vorschriften veröffentlichte Studienberichte nicht für Zweitanträge für wesentlich gleiche Arzneimittel innerhalb der Schutzfristen genutzt werden dürfen.
61Dem Unterlagenschutz steht nicht entgegen, dass der Wirkstoff „Methocarbamol“ im Zeitpunkt der Zulassung von „P. “ 2005 möglicherweise kein „neuer Stoff“ mehr war. Nach dem rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – besteht keine Einschränkung des Unterlagenschutzes auf Zulassungen für neue Stoffe. Vielmehr können auch bibliographische Zulassungen oder gemischt-bibliographische Zulassungen einen Schutz der eingereichten Unterlagen auslösen.
62Dies gilt jedenfalls dann, wenn die bibliographische Zulassung nicht allein auf der Grundlage von früheren wissenschaftlichen Publikationen erteilt wurde, sondern wenn das vorgelegte Material durch eigene Studien des Antragstellers ergänzt wurde. Es besteht kein Grund dafür, warum diese, mit eigenem finanziellen Aufwand erarbeiteten, Erkenntnisse einen geringeren Schutz genießen sollen als Unterlagen, die im Rahmen einer sog. „Full application“ nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AMG bzw. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG eingereicht worden sind.
63Darüberhinaus hat der EuGH in einem aktuellen Urteil vom 23.10.2014 – C-104/13 – entschieden, dass auch rein bibliographische Zulassungen Referenzzulassungen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG (generische Anträge) sein können. Dies hat zur Folge, dass auch der Inhaber einer solchen, auf einem well-established use beruhenden Arzneimittelzulassung, Unterlagenschutz gegenüber einem generischen Zweitantragsteller genießt. Diese Entscheidung des EuGH ist auf das vorliegende Verfahren zwar nicht unmittelbar übertragbar. Sie zeigt jedoch, dass Unterlagenschutz auch für bereits allgemein medizinisch verwendete Stoffe begründet werden kann.
64Demnach ist es für den hier festgestellten Verstoß gegen die Unterlagenschutzvorschrift des § 24 a AMG a.F. unerheblich, dass es sich bei dem Wirkstoff des streitgegenständlichen Arzneimittels möglicherweise bereits 2005 wegen der früheren Zulassungen von Methocarbamol in Frankreich (Lumirelax 1996) und im Vereinigten Königreich (Robaxin 1982) um einen allgemein medizinisch verwendeten Stoff gehandelt hat.
65Da die streitgegenständliche Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 unter Vorlage von geschützten Unterlagen der Antragstellerin erwirkt worden ist, verstößt diese jedenfalls gegen § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG und damit gegen die darin geschützten subjektiven Rechte der Antragstellerin. Die Rechtsverletzung setzt nicht voraus, dass sich die nicht erlaubte Vorlage von geschützten Unterlagen auf die Entscheidungsfindung der Bundesoberbehörde ausgewirkt hat. Der Fehler könnte allenfalls dann unbeachtlich sein, wenn offenkundig ist, dass er sich nicht auf die Erteilung der Zulassung ausgewirkt hat,
66vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
67Dies kann auf den Rechtsgedanken des § 46 VwVfG zurückgeführt werden, wonach die Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zu einer Aufhebung eines Verwaltungsakts führt, wenn sie offensichtlich die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Im vorliegenden Verfahren spricht alles dafür, dass die Verwertung der geschützten Unterlagen der Fa. C. -X. ursächlich für die Erteilung der bibliographischen Zulassung war und sich damit auf die Entscheidungsfindung der Antragsgegnerin ausgewirkt hat. Denn das BfArM hat in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2014 klar zum Ausdruck gebracht, dass die bibliographische Zulassung ohne die Einbeziehung der geschützten Unterlagen der Antragstellerin nicht erteilt worden wäre. Denn die übrigen vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse reichten für die Begründung der Wirksamkeit und Verträglichkeit des beantragten Arzneimittels nach Auffassung des BfArM nicht aus.
68Dies ist nachvollziehbar, da die Antragsgegnerin das vorgelegte ältere wissenschaftliche Erkenntnismaterial für den Wirkstoff Methocarbamol aus den Jahren 1959 bis 1996 bereits im Mängelbeseitigungsverfahren für das Originalarzneimittel „P. “ durch das Mängelschreiben vom 04.07.2002 als völlig unzureichend beanstandet hatte. Im Rahmen des bibliographischen Antrags vom 29.04.2009 hat die Beigeladene gegenüber diesem Erkenntnisstand keine aktuellen neuen Studien – mit Ausnahme der geschützten Studien für „P. “ - vorgelegt. Alle neueren Publikationen aus den Jahren 2004 bis 2008 sind entweder Reviews oder Lehrbücher, Arzneimittellexika und andere Sekundärliteratur, die keine neuen Erkenntnisse enthalten.
69Da somit bereits aus dem Verstoß gegen § 24 a AMG a.F. eine Verletzung von subjektiven Rechten der Antragstellerin durch die streitgegenständliche Zulassung folgt, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch ein Verstoß gegen die drittschützenden Merkmale des § 22 Abs. 3 AMG vorliegt.
70Es kommt ebenfalls nicht darauf an, ob die Rücknahme der streitgegenständlichen Zulassung auch nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG rechtmäßig ist. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass viel dafür spricht, dass das von der Beigeladenen vorgelegte bibliographische Erkenntnismaterial – ohne die Studienergebnisse der Fa. C. -X. - als Beleg für eine anerkannte Wirksamkeit und annehmbare Verträglichkeit aus den vom BfArM benannten Gründen nicht geeignet bzw. unvollständig war. Dieser Bewertung hat auch die Beigeladene bisher nicht widersprochen.
712.
72Die erforderliche Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Beigeladenen an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung der Zulassung und dem berechtigten Interesse der Antragstellerin auf Durchsetzung ihrer Rechte auf Unterlagenschutz fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Die Klage der Beigeladenen gegen den Aufhebungsbescheid wird zunächst erfolglos bleiben, da der streitgegenständliche Zulassungsbescheid der Beigeladenen vom 15.06.2010 wegen eines Verstoßes gegen die drittschützende Vorschrift des § 24 a AMG a.F. rechtswidrig war und noch ist.
73Die Kammer lässt offen, ob die Klage nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist am 09.09.2015 automatisch Erfolg haben wird oder ob die Beigeladene einen neuen Antrag auf eine generische oder bibliographische Zulassung stellen muss, über den dann unter zulässiger Berücksichtigung der Antragsunterlagen für „P. “ voraussichtlich positiv zu entscheiden ist. Denn es ist fraglich, ob der Wegfall des Unterlagenschutzes 2015 und damit eine nachträgliche günstige Veränderung der Sachlage bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides berücksichtigt werden kann.
74Jedenfalls steht der Antragstellerin noch bis zum September 2015 ein Recht auf Unterlagenschutz zu, das leer laufen würde, wenn nicht die sofortige Vollziehung der Aufhebung angeordnet würde. Die Antragstellerin hat aber ein berechtigtes Interesse daran, die bisherige rechtswidrige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels der Beigeladenen zu stoppen und ihr eigenes Arzneimittel – jedenfalls bis zum Ende der Unterlagenschutzfrist – ohne die Konkurrenz durch die Beigeladene zu vermarkten.
75Der Umstand, dass die verbleibende Schutzfrist kurz ist und die Antragstellerin die bisherige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels durch die Beigeladene vor dem Hintergrund der unsicheren Rechtslage nicht gerichtlich verhindert hat, ändert nichts daran, dass sie sich auf ihr Recht zur Alleinvermarktung bis zum Ende der Frist berufen kann. Ihr kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie ausweislich der eingereichten Umsatzübersicht (Bl. 77 d. A.) durch den Markteintritt des Arzneimittels der Beigeladenen keinen Umsatzeinbruch erlitten hat, vielmehr die Umsätze aufgrund anderer Umstände kontinuierlich angestiegen sind. Es ist nämlich davon auszugehen, dass ihr durch die rechtswidrige Konkurrenz der Beigeladenen ein erheblicher Gewinn entgangen ist und weiter entgehen wird.
76Das Interesse der Beigeladenen, von einer rechtswidrigen Zulassung noch zumindest bis September 2015 Gebrauch zu machen, muss demgegenüber zurücktreten. Dieses Interesse ist schon deshalb nicht schutzwürdig, weil die Beigeladene den Unterlagenschutz der Antragstellerin durch die Stellung des bibliographischen Antrags gezielt umgangen hat. Das ergibt sich schon aus ihrem Zulassungsantrag vom 28.04.2009, in dem erklärt wird, dass die Unterlagen mit den Unterlagen des zuvor gestellten generischen Antrags praktisch identisch sind und die Verkehrsfähigkeit des generischen Arzneimittels trotz des eingelegten Drittwiderspruchs der Antragstellerin erhalten werden soll. Diese Absicht wurde dann später auch durch die Übertragung der Arzneimittelbezeichnung „E. W. N. 750 mg Tabletten“ von dem generischen auf das bibliographische Arzneimittel umgesetzt, sodass ein Arzneimittel der Beigeladenen mit diesem Namen seit 2008 bis heute ununterbrochen in den Verkehr gebracht werden konnte.
77Es dürfte der Beigeladenen auch zumutbar sein, das streitgegenständliche Arzneimittel vorerst vom Markt zu nehmen, obwohl schon absehbar ist, dass sie das Arzneimittel nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist bzw. der Erteilung einer neuen Zulassung wieder vermarkten darf. Den hiermit verbundenen Umsatzeinbruch wird man ihr zumuten können, da sie das Arzneimittel nun seit 4 Jahren unter Verletzung drittschützender Normen vertreibt und damit erhebliche Umsätze erzielt hat (Bl. 84 d.A.).
78Ihr Vortrag, dass sich nun die Investitionen in das Arzneimittel als vergeblich erwiesen, ist nicht nachvollziehbar. Die Investitionen haben sich zum einen bereits durch die erzielten Gewinne ausgezahlt. Zum anderen ist sie das Risiko der Vermarktung einer angefochtenen Zulassung bewusst eingegangen. Schließlich kann sie das Arzneimittel auch nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist, ggfs. nach Erteilung einer neuen Zulassung, weiter vermarkten. Im Ergebnis überwiegt daher das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Durchsetzung ihrer Unterlagenschutzrechte, zumal auch das öffentliche Interesse für den sofortigen Vollzug einer rechtmäßigen Verwaltungsentscheidung spricht.
79Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 159 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, hat sie die Kosten anteilig mit der ebenfalls unterlegenen Antragsgegnerin zu tragen. Eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf die Antragsgegnerin oder die Staatskasse aus Gründen der Billigkeit war nicht veranlasst.
80Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
81Das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen ist darauf gerichtet, die Beigeladene an der weiteren Vermarktung ihres Produktes zu hindern, um die eigenen Gewinneinbußen durch die Konkurrenz des Produktes zu vermeiden. Der Streitwert ist daher auf den entgangenen Jahresgewinn im Jahr der Antragstellung gerichtet,
82vgl. OVG NRW, Streitwertbeschluss vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
83Die Antragstellerin hat die Höhe des entgangenen Gewinns nicht beziffert. Sie kann jedoch in etwa geschätzt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Jahresumsatz der Beigeladenen für 2014 ausweislich der vorgelegten Übersicht 3,821 Mio Euro betragen wird (Bl. 84 d.A.), und dass dieser Umsatz der Antragstellerin entgangen ist, da die Beigeladene nach einer Recherche im Internet ihr Produkt zu demselben Preis wie die Antragstellerin vertreibt. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster kann mangels konkreter Anhaltspunkte angenommen werden, dass der Gewinn ca. ein Drittel des Umsatzes beträgt. Demnach ist der Antragstellerin im Jahr der Antragstellung 2014 ein Gewinn von 3,821 Mio Euro, dividiert durch 3, also 1,273 Mio Euro entgangen. Da im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Betrag zu halbieren, also auf 636.500 Euro.
Tenor
1. Der Beschluss vom 15.12.2014 – 7 L 1502/14 – wird geändert. Der Antrag der Beigeladenen auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 erfolgten Aufhebung der mit Bescheid vom 15.06.2010 erteilten Zulassung für das Arzneimittel „C. Methocarbamol 750 mg Tabletten“ wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.166.666,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen, § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO.
3Der Antrag der Antragstellerin war gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig. Die Antragstellerin war als ehemalige Beigeladene des Verfahrens 7 L 1502/14 berechtigt, die Änderung des Beschlusses der Kammer vom 15.12.2014 wegen einer Veränderung der Sachlage zu beantragen. Sie konnte geltend machen, dass sich durch den Ablauf der Unterlagenschutzfrist für das Arzneimittel „Ortoton“ der Antragstellerin am 09.09.2015, und damit nach dem Beschluss vom 15.12.2014, die Sachlage entscheidungserheblich geändert hat.
4Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über den Antrag besteht im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Kammer auch noch fort, obwohl gleichzeitig über die Klage im Hauptsacheverfahren entschieden wurde. Denn die Antragstellerin kann sich auf ihr Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage berufen, die erst mit Unanfechtbarkeit des gleichzeitig erlassenen Urteils endet, § 80 b Abs. 1 Satz 1 VwGO.
5Der Antrag ist auch begründet. Die gemäß § 80 a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Interessenabwägung des Gerichts beurteilt sich in erster Linie nach den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens,
6vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31.03.2009 - 13 B 278/09 - ; VG Köln, Beschluss vom 15.12.2014 - 7 L 1502/14 - .
7Diese Interessenabwägung fällt nunmehr zugunsten der Antragstellerin aus. Während die von der Antragstellerin erhobene Klage 7 K 3354/14 zum Zeitpunkt des vorangegangenen Beschlusses der Kammer am 15.12.2014 noch keine Erfolgsaussichten hatte, weil der angefochtene Rücknahmebescheid vom 13.06.2014 zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig war, hat die Kammer mit Urteil vom 26.01.2016 der Klage stattgegeben. Denn durch den Ablauf der Unterlagenschutzfrist für das Arzneimittel „Ortoton“ der Beigeladenen sind die Ansprüche der Beigeladenen aus den drittschützenden Vorschriften der § 24 b, § 141 Abs. 5 AMG i.V.m. § 24 a Abs. 1 Satz 3 AMG a.F. erloschen. Sie hat demnach keinen Anspruch mehr auf eine Aufhebung der streitgegenständlichen Zulassung der Antragstellerin vom 15.06.2010, weil diese sich nunmehr als rechtmäßig erweist. Daraus folgt, dass die Aufhebung der Zulassung nunmehr rechtswidrig ist. Dies gilt auch, soweit die Aufhebung auf die Rücknahmevorschriften in § 30 AMG gestützt wird.
8Diese – nach dem Aufhebungsbescheid eingetretenen - Umstände waren auch im Rahmen der Anfechtungsklage der Antragstellerin zu berücksichtigen, da im Konkurrentenstreit über den Unterlagenschutz im Arzneimittelrecht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblich ist. Dies gilt auch für das vorläufige Rechtsschutzverfahren.
9Wegen der Einzelheiten der Begründung wird in vollem Umfang auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 26.01.2016 im Verfahren 7 K 3354/14 Bezug genommen.
10Da die streitgegenständliche Zulassung der Antragstellerin nunmehr rechtmäßig ist und der rechtswidrige Rücknahmebescheid aufgehoben worden ist, besteht jetzt kein berechtigtes Interesse der Beigeladenen mehr daran, bis zur Unanfechtbarkeit des Urteils den Sofortvollzug der Rücknahme anzuordnen und damit die Vermarktung des Präparates der Antragstellerin zu stoppen.
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladenen waren keine Kosten aufzuerlegen, da sie im vorliegenden Verfahren keinen Antrag gestellt hat. Da sie sich somit nicht am Kostenrisiko beteiligt hat, hat sie auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten.
12Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat im Hauptsacheverfahren einen an der Gewinnerwartung der Antragstellerin im Jahr der Klageerhebung orientierten Streitwert in Höhe von 2.333.333,00 Euro festgesetzt. Die Kammer geht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, dass diese Gewinnaussichten auch im Jahr der Antragstellung fortbestehen. Für das vorläufige Rechtsschutzverfahren war dieser Streitwert somit zu halbieren.
(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
Tenor
1. Die sofortige Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 13.06.2014 erfolgten Aufhebung der mit Bescheid vom 15.06.2010 erteilten Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ (Zul-Nr. 00000.00.00) wird angeordnet.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 636.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Mit Bescheid vom 02.09.2005, zugestellt am 09.09.2005, wurde der Fa. C. -X. -GmbH im sogenannten Nachzulassungsverfahren eine Verlängerung der Zulassung gemäß § 105 AMG für das Arzneimittel „P. “ Tabletten (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) erteilt. Dieses Arzneimittel enthält als Wirkstoff 750 mg Methocarbamol pro Tablette und wurde für das Anwendungsgebiet „Symptomatische Behandlung schmerzhafter Muskelverspannungen, insbesondere des unteren Rückenbereichs (Lumbago)“ zugelassen. Im Jahr 2008 wurde die Zulassung auf die Antragstellerin übertragen.
4Unter dem 15.08.2008 erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – der Beigeladenen eine generische Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ unter Bezugnahme auf das Referenzarzneimittel „P. “ Tabletten. Unter dem 20.01.2009 wurde der Beigeladenen eine weitere generische Zulassung für das Arzneimittel „N1. N. 750 mg Tabletten“ erteilt, wobei ebenfalls das Arzneimittel „P. “-Tabletten als Referenzarzneimittel diente.
5Auf den Widerspruch der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen ordnete das BfArM im Oktober 2009 die sofortige Vollziehung der beiden generischen Zulassungen an. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wies das BfArM die Widersprüche als unbegründet zurück.
6Auf die Klage der Antragstellerin auf Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen vom 12.04.2010 – 7 K 2148/10 – wurden diese durch Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – aufgehoben, weil die generischen Zulassungen unter Verletzung der Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin aus § 24 a AMG a.F. erteilt worden waren. Der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, dass die Unterlagenschutzfrist abgelaufen sei, weil diese nach dem Prinzip der Globalzulassung mit der französischen Zulassung des Arzneimittels „Lumirelax 500 mg“ im Jahr 1996 begonnen habe, konnte das Gericht nicht folgen. Mit Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 – 13 A 2756/12 – wurde der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil abgelehnt.
7Nach Erhebung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen der Beigeladenen im Januar 2009 stellte die Beigeladene am 29.04.2009 einen Antrag auf Zulassung eines identischen Arzneimittels mit der Bezeichnung „N. 750 mg Tabletten“ auf der Grundlage eines bibliographischen Antrags nach § 22 Abs. 3 AMG. Mit dem Antrag legte die Beigeladene unter anderem eine Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 vor, in der die Durchführung und die Ergebnisse der toxikologischen und klinischen Studien beschrieben wurden, die die Fa. C. im Nachzulassungsverfahren für „P. “ Tabletten zur Mängelbeseitigung vorgelegt hatte.
8Unter dem 15.06.2010 wurde der Beigeladenen die bibliographische Zulassung für „N. 750 mg Tabletten“ (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) antragsgemäß erteilt. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 24.06.2010 Widerspruch und machte geltend, dass die Zulassung vermutlich auf Unterlagen der Antragstellerin für „P. “ gestützt worden sei, die noch der Unterlagenschutzfrist unterfielen, und damit rechtswidrig sei.
9Daraufhin beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 08.07.2010 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung und vertrat die Auffassung, der Widerspruch sei wegen Fehlens der Antragsbefugnis offensichtlich unzulässig und habe daher keine aufschiebende Wirkung.
10Mit Schreiben der Antragstellerin vom 22.07.2010 an das BfArM verzichtete diese auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, hielt aber ausdrücklich an der Erhebung des Widerspruchs und dem gestellten Antrag auf Akteneinsicht fest.
11Das BfArM ordnete mit Bescheid vom 29.07.2010 die sofortige Vollziehung der Zulassung vom 15.06.2010 an. Mit Änderungsanzeige vom 16.08.2010 zeigte die Beigeladene eine Änderung der Bezeichnung des mit Bescheid vom 15.06.2010 zugelassenen Arzneimittels in „E. W. N. 750 mg Tabletten“ an.
12Nachdem das OVG NRW mit Beschluss vom 11.10.2013 im Verfahren 13 A 2756/12 das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – und damit die Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen bestätigt hatte, entschied das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 über den Widerspruch der Antragstellerin gegen die bibliographische Zulassung für das streitgegenständliche Arzneimittel vom 15.06.2010 und nahm die Zulassung zurück.
13In der Begründung wurde ausgeführt, der Widerspruch der Antragstellerin sei zulässig und begründet. Die Zulassung sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten aus § 22 Abs. 3 Satz 1 AMG. Daher sei die Zulassung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG und § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG zurückzunehmen. Die von der Beigeladenen eingereichten Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin hätten bei Erteilung der bibliographischen Zulassung nicht verwertet werden dürfen, weil dies zu einer Umgehung der generischen Unterlagenschutzfrist führe. Ohne diese Unterlagen sei aber das übrige vorgelegte bibliographische Material zum Beleg von Wirksamkeit und Verträglichkeit nach § 22 Abs. 3 AMG nicht ausreichend.
14Am 17.06.2014 erhob die Beigeladene Klage gegen die Rücknahme der Zulassung vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 (7 K 3354/13). Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.07.2014 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung. Durch Bescheid vom 30.07.2014 lehnte das BfArM jedoch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ab, weil die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe und im Übrigen die Erfolgsaussichten der Klage der Beigeladenen gegen den Rücknahmebescheid offen seien.
15Am 11.08.2014 stellte die Antragstellerin den vorliegenden Antrag nach § 80 a Abs. 3, Abs. 2 VwGO, die Rücknahmeentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 für sofort vollziehbar zu erklären.
16Mit der Antragsbegründung macht sie geltend, sie werde durch die bibliographische Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels in ihren Rechten auf Unterlagenschutz verletzt, weil die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen sei. Das Antragsrecht sei durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht verwirkt worden. Die Rechtslage habe sich durch das rechtskräftige Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – zu Gunsten der Antragstellerin geändert.
17Die Antragstellerin beantragt,
18die Antragsgegnerin zu verpflichten, die mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 gegen die Beigeladene ergangene Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Arzneimittelzulassung mit der Zulassungs-Nr. 00000.00.00 für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ für sofort vollziehbar zu erklären.
19Die Antragsgegnerin beantragt,
20den Antrag abzulehnen.
21Sie beruft sich auf die Gründe des Bescheides vom 30.07.2014 und schließt sich im Übrigen der Auffassung der Beigeladenen an.
22Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
23den Antrag abzulehnen.
24Sie macht geltend, dass die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe, weil sie seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs verzichtet habe und das Antragsrecht somit nach einem Zeitablauf von 4 Jahren nicht mehr geltend machen könne. Der Antrag sei auch unbegründet. Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin seien bei Erteilung der Zulassung nicht verletzt worden. Die von der Beigeladenen vorgelegte Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 sei eine wissenschaftliche Veröffentlichung im Sinne von § 22 Abs. 3 AMG, die nicht zu den Zulassungsunterlagen von „P. “ gehöre. Im Verfahren des § 22 Abs. 3 AMG habe allein die zehnjährige allgemeine medizinische Verwendung des Wirkstoffs nach Erteilung einer Zulassung drittschützende Wirkung. Die 10-jährige Schutzfrist für Methocarbamol sei aber abgelaufen, weil der Wirkstoff schon seit Jahrzehnten in der EU zugelassen sei (Lumirelax, Robaxin).
25II.
26Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu einer Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung vom 13.06.2014 zu verpflichten, ist im erkennbaren Interesse der Antragstellerin an einer zügigen und effektiven Durchsetzung ihrer Rechte dahingehend auszulegen, dass auch eine eigene Vollziehungsanordnung des Gerichts nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO davon umfasst ist, § 88 VwGO.
27Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 a Abs. 3 Satz 1, letzte Alternative i.V.m. Abs. 2 VwGO statthaft. Danach kann das Gericht auf Antrag eines Dritten die sofortige Vollziehung anordnen, wenn ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der den Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf einlegt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beigeladene hat gegen den sie belastenden Rücknahmebescheid im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 in zulässiger Weise Anfechtungsklage erhoben, die grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat. Die Antragstellerin kann daher die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Zulassung beantragen, weil sie durch diese begünstigt wird. Durch die Rücknahme der bibliographischen Zulassung der Beigeladenen kann die Antragstellerin die Zulassung für das vergleichbare Fertigarzneimittel „P. “ wieder ohne Konkurrenz durch die Beigeladene vermarkten.
28Der Antragstellerin steht auch die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis zu. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die Antragstellerin in ihrem subjektiven Recht auf Unterlagenschutz aus § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG durch die Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung für E. W. N. vor Ablauf der 10-jährigen Schutzfrist am 09.09.2015 verletzt worden ist. Zwar gelten die genannten Vorschriften unmittelbar nur für das generische Antragsverfahren. Sie sind jedoch erweiternd dahingehend auszulegen, dass Unterlagenschutzfristen auch bei der Stellung von gemischt-bibliographischen Zulassungsanträgen nach § 22 Abs. 3 AMG für wesentlich gleiche Arzneimittel zu beachten sind, da der Unterlagenschutz sonst leicht durch die Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen werden könnte,
29OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
30Im vorliegenden Verfahren erscheint es möglich, dass die Rechte der Antragstellerin auf alleinige Verwertung der Versuchsergebnisse, die sie im Zulassungsverfahren für P. erarbeitet hat, bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist dadurch verletzt worden sind, dass die Beigeladene diese Ergebnisse in einer mittelbaren Form durch Vorlage einer Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 zur Erlangung der bibliographischen Zulassung für ein wesentlich gleiches Arzneimittel genutzt hat.
31Das Antragsrecht ist auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung des Rechts auf vorläufigen Rechtsschutz kommt dann in Betracht, wenn der Antragsteller seit der ersten Möglichkeit der Antragstellung eine längere Zeit hat verstreichen lassen und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Antragstellung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen,
32vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 15.
33Eine Verwirkung ergibt sich weder aus dem Zeitablauf seit der Möglichkeit der Antragstellung noch aus dem Umstand, dass die Antragstellerin seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs verzichtet hat.
34Zwar sind seit der Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 80 a VwGO nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zulassung am 29.07.2010 bis zum Eingang des vorliegenden Eilantrags im August 2014 fast 4 Jahre vergangen. Dieser Zeitablauf ist jedoch nicht auf eine Untätigkeit der Antragstellerin zurückzuführen. Vielmehr hat die Antragstellerin die Entscheidung des BfArM über ihren Widerspruch abgewartet. Auf dessen Bearbeitungsdauer hatte sie keinen Einfluss. Sie konnte auch bei ihrem anfänglichen Verzicht auf vorläufigen Rechtsschutz im Widerspruchsverfahren nicht mit dieser langen Bearbeitungszeit durch das BfArM rechnen, das wiederum den Ausgang des Rechtsstreits über die generischen Zulassungen der Beigeladenen abgewartet hat.
35Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin während dieses gesamten Zeitraums untätig war. Sie hat nach dem Urteil des VG Köln vom 30.10.2012 im generischen Verfahren mit Schreiben vom 28.11.2012 beim BfArM eine Entscheidung über den Widerspruch beantragt, am 14.01.2013 einen weiteren Antrag auf Akteneinsicht gestellt und am 17.04.2014 unter Hinweis auf den Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 erneut um eine Entscheidung über den Widerspruch gebeten.
36Es ist auch nicht ersichtlich, dass hier besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Antragsrechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Insbesondere hat die Antragstellerin durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht für alle Zeit auf Rechtsschutz gegen die Zulassung der Beigeladenen verzichtet. Der Verzicht beschränkte sich erkennbar auf die Zeitdauer des Widerspruchsverfahrens und war auf die unsichere Rechtslage hinsichtlich des Bestehens und Umfangs von Unterlagenschutzrechten der Antragstellerin zurückzuführen. Die Beigeladene konnte daraus nicht ableiten, dass die Antragstellerin auch bei einer Bestätigung ihrer Rechtsansicht im Widerspruchsverfahren bzw. im gleichzeitig anhängigen Klageverfahren gegen die generischen Zulassungen weiterhin auf ihre Rechte verzichtet. Sie hat stets betont, dass sie auch die bibliographische Zulassung für rechtswidrig hält und diese Auffassung während des Verfahrens durchgängig aufrechterhalten.
37Die Beigeladene kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie auf die weitere Untätigkeit der Antragstellerin vertraut und im Hinblick darauf erhebliche Investitionen in die Vermarktung ihres Arzneimittels getätigt habe, die sich nun als vergeblich erwiesen. Die Beigeladene musste wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens damit rechnen, dass ihre Zulassung letztlich keinen Bestand haben könnte und hat daher die Investitionen auf eigenes Risiko getätigt. Im Übrigen kann von einer Vergeblichkeit der Investitionen keine Rede sein, da die Beigeladene seit 2010 Umsätze in Millionenhöhe mit dem streitgegenständlichen Arzneimittel erwirtschaftet hat (vgl. Bl. 84 d. A.).
38Der Antrag ist auch begründet. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in arzneimittelrechtlichen Verfahren richtet sich die Begründetheit eines Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung im Rahmen des § 80 a Abs. 3 VwGO in Anlehnung an die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nach einer Interessenabwägung. Bei dieser Abwägung kommt es vornehmlich darauf an, ob der in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird,
39vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 31.03.2009 - 13 B 278/09 - .
40Diese Rechtsprechung, die für die Fälle des § 80 a Abs. 3 i.V.m. Abs.1 Nr. 1 VwGO gilt, in denen ein belasteter Dritter gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt, z.B. die arzneimittelrechtliche Zulassung, einen Rechtsbehelf eingelegt hat, kann in einer modifizierten Form auch auf die hier vorliegende Konstellation des § 80 a Abs. 2 VwGO angewendet werden.
41Maßstab ist auch hier in erster Linie die Erfolgsaussicht der Klage des belasteten Adressaten, da der vorläufige Rechtsschutz nur dazu dient, die Zeit bis zur Entscheidung über die Klage zu überbrücken. Die Erfolgsaussichten sind hier allerdings – in Abweichung zu den Fällen der Drittanfechtung – in vollem Umfang zu prüfen, da die Klage vom Adressaten des Verwaltungsakts erhoben wird und deshalb eine Beschränkung des Prüfungsumfangs auf drittschützende Normen nicht besteht.
42Ist die Klage voraussichtlich erfolgreich und wird der Verwaltungsakt im Klageverfahren wahrscheinlich wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben, kann kein überwiegendes Interesse eines begünstigten Dritten an der vorzeitigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. In diesem Fall wäre der Antrag abzulehnen. Ist hingegen die Klage voraussichtlich erfolglos, weil der Verwaltungsakt sich als rechtmäßig erweist, oder sind die Erfolgsaussichten offen, ist die Frage der Verletzung von Rechten des Dritten in die Interessenabwägung einzubeziehen. Denn die Verletzung von Drittrechten kann es rechtfertigen, den Verwaltungsakt schon vor der Entscheidung in der Hauptsache zu vollziehen und damit das Interesse des Adressaten an der aufschiebenden Wirkung der Klage zu verdrängen,
43vgl. Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 26.
44Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ist festzustellen, dass die durch die Beigeladene erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 sich mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweisen wird (hierzu 1.). Da die bibliographische Zulassung der Beigeladenen unter Verstoß gegen die drittschützenden Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes über den Unterlagenschutz des Erstinhabers einer Zulassung erteilt worden ist und die Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin leerzulaufen drohen, überwiegt im Ergebnis das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der rechtswidrigen Zulassung (hierzu 2.).
451.
46Die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 ist rechtmäßig. Zwar ist unklar, auf welche Rechtsgrundlage die Antragsgegnerin die Entscheidung gestützt hat. Die Wahl der Form des Widerspruchsbescheides und die ersten Ausführungen zur Begründung legen nahe, dass die Antragsgegnerin die Befugnis des BfArM als Widerspruchsbehörde zur Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes wegen des Verstoßes gegen drittschützende Rechtsnormen nach §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 VwGO in Anspruch genommen hat. Die Angabe von § 30 Abs. 1 Satz 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG als Ermächtigungsgrundlage und die Subsumtion unter diese Vorschriften deuten darauf hin, dass das BfArM sich in seiner Eigenschaft als Ausgangsbehörde (auch) auf die Rücknahmevorschriften des Arzneimittelgesetzes gestützt hat, die neben einem gleichzeitig anhängigen Widerspruchsverfahren eines Dritten angewendet werden können, vgl. § 50 VwVfG.
47Es spricht vieles dafür, dass die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen auf beide Rechtsgrundlagen gestützt werden kann. Jedenfalls ist diese Zulassung aber auf den Drittwiderspruch der Antragstellerin hin aufzuheben, weil bei ihrer Erteilung die Rechte der Antragstellerin auf den Schutz ihrer im Zulassungsverfahren für „P. “ Tabletten eingereichten Versuchsergebnisse aus §§ 24 a AMG a.F., 141 Abs. 5 AMG verletzt worden sind.
48Das Recht des Inhabers der ersten Zulassung eines Arzneimittels auf einen Schutz der von ihm eingereichten Unterlagen gegen die Verwertung durch andere Antragsteller besteht nicht nur gegenüber einer Bezugnahme auf diese Unterlagen im Rahmen eines generischen Verfahrens. Ein derartiges Verwertungsverbot ist ausdrücklich in § 24 b Abs. 1 AMG bzw. in der hier nach § 141 Abs. 5 VwGO anwendbaren Vorgängerfassung des § 24 a AMG a.F. angeordnet. Es muss aber auch dann gelten, wenn Unterlagen eines Erstanmelders innerhalb der Schutzfrist im Rahmen eines bibliographischen Antrags vorgelegt werden. Denn auch in diesem Fall werden die Unterlagen zur Erlangung einer Zweitzulassung durch einen anderen Antragsteller genutzt und damit die Erstzulassung wirtschaftlich entwertet. Damit würde der Unterlagenschutz durch die Möglichkeit der Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen. Der Sinn und Zweck der Unterlagenschutzrechte gebietet daher eine erweiternde Auslegung des § 24 b Abs. 1 AMG/§ 24 a AMG a.F. bzw. eine einschränkende Auslegung des § 22 Abs. 3 AMG. Das entspricht auch der Auffassung der Europäischen Kommission zur Auslegung von Art. 10 und Art. 10 a der Richtlinie 2001/83/EG,
49OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
50Die Voraussetzungen des § 24 a AMG a.F. für einen Schutz der Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin sind erfüllt. Die von der Rechtsvorgängerin im Zulassungsverfahren für „P. “-Tabletten eingereichten selbst erarbeiteten Studien unterliegen einer 10-jährigen Unterlagenschutzfrist, die noch bis zum 09.09.2015 läuft. Dies wurde durch das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – rechtskräftig festgestellt.
51Die der Beigeladenen am 15.06.2010 erteilte Zulassung war somit im Zeitpunkt ihrer Erteilung und bis heute rechtswidrig, weil die Beigeladene mit den Antragsunterlagen eine Zusammenfassung der geschützten Versuchsergebnisse (Broschüre der Fa. C. -X. von 2006, Anlage 4, Beiakte 2) vorgelegt und in ihrem klinischen Gutachten (Clinical Overwiew, Anlage 3, Beiakte 2)) verarbeitet hat, obwohl die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen war.
52Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 ist nicht deshalb vom Unterlagenschutz ausgenommen, weil sie sich nicht im Antragsdossier für das Original-Arzneimittel „P. “ Tabletten befand. Der Unterlagenschutz ist nicht auf die im Erstzulassungsverfahren vorgelegten Original-Unterlagen, hier die Studienberichte über toxikologische und klinische Studien, beschränkt,
53vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
54Vielmehr erfordern Sinn und Zweck eines effektiven Unterlagenschutzes, dass auch Dokumente, die in einer hinreichend ausführlichen Form die im Erstverfahren vorgelegten Versuchsverfahren und –ergebnisse beschreiben und die daher für eine mittelbare Nutzung dieser Ergebnisse herangezogen werden können, von einer Verwertung ausgeschlossen sind. Andernfalls würden die Rechte des Originators auf Unterlagenschutz ausgehöhlt.
55Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 enthält u. a. eine eingehende Beschreibung der tierexperimentellen Versuche mit P. zur Toxizität (S. 14 f.), zur Mutagenität (S. 15) und zur Sicherheitspharmakologie (S. 16). Insbesondere werden dort auch das Studiendesign und die Ergebnisse (einschließlich der erstellten Diagramme) zweier randomisierter, placebokontrollierter, doppelblinder, klinischer Studien der Phase IV mit dem Arzneimittel „P. “ im beantragten Anwendungsgebiet (Beschwerden einer schmerzhaften Muskelverspannung im Becken/Lendenbereich, Lumbago) dargestellt (S. 18 – 23).
56Diese Studienergebnisse werden auch in dem von der Beigeladenen vorgelegten Modul 2.5 „Clinical Overview“ vom 15.04.2009 (Anlage 3, Beiakte 2, S. 23 – 26f.) des bibliographischen Antrags ausführlich wiedergegeben und maßgeblich für die Begründung von Wirksamkeit und Verträglichkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels herangezogen. Damit hat die Beigeladene die von der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin erstellten Unterlagen verwertet.
57Zwar mag es sich hierbei um veröffentlichtes bibliographisches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG handeln. Gleichwohl darf dieses in einem bibliographischen Antrag nicht verarbeitet werden, wenn insoweit noch Unterlagenschutz besteht. Die Vorschrift des § 22 Abs. 3 AMG, die dem Antragsteller eine Vorlage von „anderem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial“ ermöglicht, wenn eine allgemeine medizinische Verwendung eines bekannten Stoffes in der EU seit mindestens 10 Jahren besteht, geht stillschweigend davon aus, dass bei derartigen Wirkstoffen die Unterlagenschutzfristen in der Regel längst abgelaufen sind. Wenn – wie hier – noch Unterlagenschutzfristen laufen, können auch zugängliche wissenschaftliche Publikationen auf der Grundlage von geschützten Studienberichten nicht zur Begründung eines derartigen Antrags herangezogen werden,
58vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - : für einen wissenschaftlichen Bewertungsbericht einer außereuropäischen Zulassungsbehörde mit maßgeblichen Studiendaten; Beschluss vom 31.03.2009 – 13 B 278/09 - : für eine Fachinformation mit Ergebnissen von reproduktionstoxikologischen Versuchen.
59Ein Unterlagenschutz ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Fa. C. -X. die Ergebnisse der Studien im Jahr 2006 selbst veröffentlicht hat. Darin liegt keine Zustimmung zur Verwertung oder ein Verzicht auf den Schutzzeitraum. Vielmehr dient eine Veröffentlichung von Studiendaten – neben der Vermarktung des eigenen Arzneimittels – auch der Information der Öffentlichkeit und der Fachkreise. Diese Informationen würden aber missbraucht, wenn sie trotz laufender Unterlagenschutzfristen für Zweitanträge eingesetzt werden.
60Für diese Sichtweise spricht nunmehr auch § 42 b AMG, wonach der Inhaber eine Zulassung 6 Monate nach der Zulassung sogar verpflichtet ist, die Ergebnisse von Studien zu veröffentlichen. In § 42 b Abs. 3 Satz 7 AMG ist ausdrücklich bestimmt, dass die Vorschriften über den Unterlagenschutz davon unberührt bleiben, somit nach diesen Vorschriften veröffentlichte Studienberichte nicht für Zweitanträge für wesentlich gleiche Arzneimittel innerhalb der Schutzfristen genutzt werden dürfen.
61Dem Unterlagenschutz steht nicht entgegen, dass der Wirkstoff „Methocarbamol“ im Zeitpunkt der Zulassung von „P. “ 2005 möglicherweise kein „neuer Stoff“ mehr war. Nach dem rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – besteht keine Einschränkung des Unterlagenschutzes auf Zulassungen für neue Stoffe. Vielmehr können auch bibliographische Zulassungen oder gemischt-bibliographische Zulassungen einen Schutz der eingereichten Unterlagen auslösen.
62Dies gilt jedenfalls dann, wenn die bibliographische Zulassung nicht allein auf der Grundlage von früheren wissenschaftlichen Publikationen erteilt wurde, sondern wenn das vorgelegte Material durch eigene Studien des Antragstellers ergänzt wurde. Es besteht kein Grund dafür, warum diese, mit eigenem finanziellen Aufwand erarbeiteten, Erkenntnisse einen geringeren Schutz genießen sollen als Unterlagen, die im Rahmen einer sog. „Full application“ nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AMG bzw. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG eingereicht worden sind.
63Darüberhinaus hat der EuGH in einem aktuellen Urteil vom 23.10.2014 – C-104/13 – entschieden, dass auch rein bibliographische Zulassungen Referenzzulassungen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG (generische Anträge) sein können. Dies hat zur Folge, dass auch der Inhaber einer solchen, auf einem well-established use beruhenden Arzneimittelzulassung, Unterlagenschutz gegenüber einem generischen Zweitantragsteller genießt. Diese Entscheidung des EuGH ist auf das vorliegende Verfahren zwar nicht unmittelbar übertragbar. Sie zeigt jedoch, dass Unterlagenschutz auch für bereits allgemein medizinisch verwendete Stoffe begründet werden kann.
64Demnach ist es für den hier festgestellten Verstoß gegen die Unterlagenschutzvorschrift des § 24 a AMG a.F. unerheblich, dass es sich bei dem Wirkstoff des streitgegenständlichen Arzneimittels möglicherweise bereits 2005 wegen der früheren Zulassungen von Methocarbamol in Frankreich (Lumirelax 1996) und im Vereinigten Königreich (Robaxin 1982) um einen allgemein medizinisch verwendeten Stoff gehandelt hat.
65Da die streitgegenständliche Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 unter Vorlage von geschützten Unterlagen der Antragstellerin erwirkt worden ist, verstößt diese jedenfalls gegen § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG und damit gegen die darin geschützten subjektiven Rechte der Antragstellerin. Die Rechtsverletzung setzt nicht voraus, dass sich die nicht erlaubte Vorlage von geschützten Unterlagen auf die Entscheidungsfindung der Bundesoberbehörde ausgewirkt hat. Der Fehler könnte allenfalls dann unbeachtlich sein, wenn offenkundig ist, dass er sich nicht auf die Erteilung der Zulassung ausgewirkt hat,
66vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
67Dies kann auf den Rechtsgedanken des § 46 VwVfG zurückgeführt werden, wonach die Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zu einer Aufhebung eines Verwaltungsakts führt, wenn sie offensichtlich die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Im vorliegenden Verfahren spricht alles dafür, dass die Verwertung der geschützten Unterlagen der Fa. C. -X. ursächlich für die Erteilung der bibliographischen Zulassung war und sich damit auf die Entscheidungsfindung der Antragsgegnerin ausgewirkt hat. Denn das BfArM hat in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2014 klar zum Ausdruck gebracht, dass die bibliographische Zulassung ohne die Einbeziehung der geschützten Unterlagen der Antragstellerin nicht erteilt worden wäre. Denn die übrigen vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse reichten für die Begründung der Wirksamkeit und Verträglichkeit des beantragten Arzneimittels nach Auffassung des BfArM nicht aus.
68Dies ist nachvollziehbar, da die Antragsgegnerin das vorgelegte ältere wissenschaftliche Erkenntnismaterial für den Wirkstoff Methocarbamol aus den Jahren 1959 bis 1996 bereits im Mängelbeseitigungsverfahren für das Originalarzneimittel „P. “ durch das Mängelschreiben vom 04.07.2002 als völlig unzureichend beanstandet hatte. Im Rahmen des bibliographischen Antrags vom 29.04.2009 hat die Beigeladene gegenüber diesem Erkenntnisstand keine aktuellen neuen Studien – mit Ausnahme der geschützten Studien für „P. “ - vorgelegt. Alle neueren Publikationen aus den Jahren 2004 bis 2008 sind entweder Reviews oder Lehrbücher, Arzneimittellexika und andere Sekundärliteratur, die keine neuen Erkenntnisse enthalten.
69Da somit bereits aus dem Verstoß gegen § 24 a AMG a.F. eine Verletzung von subjektiven Rechten der Antragstellerin durch die streitgegenständliche Zulassung folgt, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch ein Verstoß gegen die drittschützenden Merkmale des § 22 Abs. 3 AMG vorliegt.
70Es kommt ebenfalls nicht darauf an, ob die Rücknahme der streitgegenständlichen Zulassung auch nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG rechtmäßig ist. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass viel dafür spricht, dass das von der Beigeladenen vorgelegte bibliographische Erkenntnismaterial – ohne die Studienergebnisse der Fa. C. -X. - als Beleg für eine anerkannte Wirksamkeit und annehmbare Verträglichkeit aus den vom BfArM benannten Gründen nicht geeignet bzw. unvollständig war. Dieser Bewertung hat auch die Beigeladene bisher nicht widersprochen.
712.
72Die erforderliche Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Beigeladenen an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung der Zulassung und dem berechtigten Interesse der Antragstellerin auf Durchsetzung ihrer Rechte auf Unterlagenschutz fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Die Klage der Beigeladenen gegen den Aufhebungsbescheid wird zunächst erfolglos bleiben, da der streitgegenständliche Zulassungsbescheid der Beigeladenen vom 15.06.2010 wegen eines Verstoßes gegen die drittschützende Vorschrift des § 24 a AMG a.F. rechtswidrig war und noch ist.
73Die Kammer lässt offen, ob die Klage nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist am 09.09.2015 automatisch Erfolg haben wird oder ob die Beigeladene einen neuen Antrag auf eine generische oder bibliographische Zulassung stellen muss, über den dann unter zulässiger Berücksichtigung der Antragsunterlagen für „P. “ voraussichtlich positiv zu entscheiden ist. Denn es ist fraglich, ob der Wegfall des Unterlagenschutzes 2015 und damit eine nachträgliche günstige Veränderung der Sachlage bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides berücksichtigt werden kann.
74Jedenfalls steht der Antragstellerin noch bis zum September 2015 ein Recht auf Unterlagenschutz zu, das leer laufen würde, wenn nicht die sofortige Vollziehung der Aufhebung angeordnet würde. Die Antragstellerin hat aber ein berechtigtes Interesse daran, die bisherige rechtswidrige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels der Beigeladenen zu stoppen und ihr eigenes Arzneimittel – jedenfalls bis zum Ende der Unterlagenschutzfrist – ohne die Konkurrenz durch die Beigeladene zu vermarkten.
75Der Umstand, dass die verbleibende Schutzfrist kurz ist und die Antragstellerin die bisherige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels durch die Beigeladene vor dem Hintergrund der unsicheren Rechtslage nicht gerichtlich verhindert hat, ändert nichts daran, dass sie sich auf ihr Recht zur Alleinvermarktung bis zum Ende der Frist berufen kann. Ihr kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie ausweislich der eingereichten Umsatzübersicht (Bl. 77 d. A.) durch den Markteintritt des Arzneimittels der Beigeladenen keinen Umsatzeinbruch erlitten hat, vielmehr die Umsätze aufgrund anderer Umstände kontinuierlich angestiegen sind. Es ist nämlich davon auszugehen, dass ihr durch die rechtswidrige Konkurrenz der Beigeladenen ein erheblicher Gewinn entgangen ist und weiter entgehen wird.
76Das Interesse der Beigeladenen, von einer rechtswidrigen Zulassung noch zumindest bis September 2015 Gebrauch zu machen, muss demgegenüber zurücktreten. Dieses Interesse ist schon deshalb nicht schutzwürdig, weil die Beigeladene den Unterlagenschutz der Antragstellerin durch die Stellung des bibliographischen Antrags gezielt umgangen hat. Das ergibt sich schon aus ihrem Zulassungsantrag vom 28.04.2009, in dem erklärt wird, dass die Unterlagen mit den Unterlagen des zuvor gestellten generischen Antrags praktisch identisch sind und die Verkehrsfähigkeit des generischen Arzneimittels trotz des eingelegten Drittwiderspruchs der Antragstellerin erhalten werden soll. Diese Absicht wurde dann später auch durch die Übertragung der Arzneimittelbezeichnung „E. W. N. 750 mg Tabletten“ von dem generischen auf das bibliographische Arzneimittel umgesetzt, sodass ein Arzneimittel der Beigeladenen mit diesem Namen seit 2008 bis heute ununterbrochen in den Verkehr gebracht werden konnte.
77Es dürfte der Beigeladenen auch zumutbar sein, das streitgegenständliche Arzneimittel vorerst vom Markt zu nehmen, obwohl schon absehbar ist, dass sie das Arzneimittel nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist bzw. der Erteilung einer neuen Zulassung wieder vermarkten darf. Den hiermit verbundenen Umsatzeinbruch wird man ihr zumuten können, da sie das Arzneimittel nun seit 4 Jahren unter Verletzung drittschützender Normen vertreibt und damit erhebliche Umsätze erzielt hat (Bl. 84 d.A.).
78Ihr Vortrag, dass sich nun die Investitionen in das Arzneimittel als vergeblich erwiesen, ist nicht nachvollziehbar. Die Investitionen haben sich zum einen bereits durch die erzielten Gewinne ausgezahlt. Zum anderen ist sie das Risiko der Vermarktung einer angefochtenen Zulassung bewusst eingegangen. Schließlich kann sie das Arzneimittel auch nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist, ggfs. nach Erteilung einer neuen Zulassung, weiter vermarkten. Im Ergebnis überwiegt daher das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Durchsetzung ihrer Unterlagenschutzrechte, zumal auch das öffentliche Interesse für den sofortigen Vollzug einer rechtmäßigen Verwaltungsentscheidung spricht.
79Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 159 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, hat sie die Kosten anteilig mit der ebenfalls unterlegenen Antragsgegnerin zu tragen. Eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf die Antragsgegnerin oder die Staatskasse aus Gründen der Billigkeit war nicht veranlasst.
80Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
81Das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen ist darauf gerichtet, die Beigeladene an der weiteren Vermarktung ihres Produktes zu hindern, um die eigenen Gewinneinbußen durch die Konkurrenz des Produktes zu vermeiden. Der Streitwert ist daher auf den entgangenen Jahresgewinn im Jahr der Antragstellung gerichtet,
82vgl. OVG NRW, Streitwertbeschluss vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
83Die Antragstellerin hat die Höhe des entgangenen Gewinns nicht beziffert. Sie kann jedoch in etwa geschätzt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Jahresumsatz der Beigeladenen für 2014 ausweislich der vorgelegten Übersicht 3,821 Mio Euro betragen wird (Bl. 84 d.A.), und dass dieser Umsatz der Antragstellerin entgangen ist, da die Beigeladene nach einer Recherche im Internet ihr Produkt zu demselben Preis wie die Antragstellerin vertreibt. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster kann mangels konkreter Anhaltspunkte angenommen werden, dass der Gewinn ca. ein Drittel des Umsatzes beträgt. Demnach ist der Antragstellerin im Jahr der Antragstellung 2014 ein Gewinn von 3,821 Mio Euro, dividiert durch 3, also 1,273 Mio Euro entgangen. Da im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Betrag zu halbieren, also auf 636.500 Euro.
Tenor
1. Der Beschluss vom 15.12.2014 – 7 L 1502/14 – wird geändert. Der Antrag der Beigeladenen auf Anordnung der sofortigen Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 erfolgten Aufhebung der mit Bescheid vom 15.06.2010 erteilten Zulassung für das Arzneimittel „C. Methocarbamol 750 mg Tabletten“ wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.166.666,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen, § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO.
3Der Antrag der Antragstellerin war gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig. Die Antragstellerin war als ehemalige Beigeladene des Verfahrens 7 L 1502/14 berechtigt, die Änderung des Beschlusses der Kammer vom 15.12.2014 wegen einer Veränderung der Sachlage zu beantragen. Sie konnte geltend machen, dass sich durch den Ablauf der Unterlagenschutzfrist für das Arzneimittel „Ortoton“ der Antragstellerin am 09.09.2015, und damit nach dem Beschluss vom 15.12.2014, die Sachlage entscheidungserheblich geändert hat.
4Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über den Antrag besteht im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Kammer auch noch fort, obwohl gleichzeitig über die Klage im Hauptsacheverfahren entschieden wurde. Denn die Antragstellerin kann sich auf ihr Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage berufen, die erst mit Unanfechtbarkeit des gleichzeitig erlassenen Urteils endet, § 80 b Abs. 1 Satz 1 VwGO.
5Der Antrag ist auch begründet. Die gemäß § 80 a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Interessenabwägung des Gerichts beurteilt sich in erster Linie nach den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens,
6vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31.03.2009 - 13 B 278/09 - ; VG Köln, Beschluss vom 15.12.2014 - 7 L 1502/14 - .
7Diese Interessenabwägung fällt nunmehr zugunsten der Antragstellerin aus. Während die von der Antragstellerin erhobene Klage 7 K 3354/14 zum Zeitpunkt des vorangegangenen Beschlusses der Kammer am 15.12.2014 noch keine Erfolgsaussichten hatte, weil der angefochtene Rücknahmebescheid vom 13.06.2014 zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig war, hat die Kammer mit Urteil vom 26.01.2016 der Klage stattgegeben. Denn durch den Ablauf der Unterlagenschutzfrist für das Arzneimittel „Ortoton“ der Beigeladenen sind die Ansprüche der Beigeladenen aus den drittschützenden Vorschriften der § 24 b, § 141 Abs. 5 AMG i.V.m. § 24 a Abs. 1 Satz 3 AMG a.F. erloschen. Sie hat demnach keinen Anspruch mehr auf eine Aufhebung der streitgegenständlichen Zulassung der Antragstellerin vom 15.06.2010, weil diese sich nunmehr als rechtmäßig erweist. Daraus folgt, dass die Aufhebung der Zulassung nunmehr rechtswidrig ist. Dies gilt auch, soweit die Aufhebung auf die Rücknahmevorschriften in § 30 AMG gestützt wird.
8Diese – nach dem Aufhebungsbescheid eingetretenen - Umstände waren auch im Rahmen der Anfechtungsklage der Antragstellerin zu berücksichtigen, da im Konkurrentenstreit über den Unterlagenschutz im Arzneimittelrecht der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblich ist. Dies gilt auch für das vorläufige Rechtsschutzverfahren.
9Wegen der Einzelheiten der Begründung wird in vollem Umfang auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 26.01.2016 im Verfahren 7 K 3354/14 Bezug genommen.
10Da die streitgegenständliche Zulassung der Antragstellerin nunmehr rechtmäßig ist und der rechtswidrige Rücknahmebescheid aufgehoben worden ist, besteht jetzt kein berechtigtes Interesse der Beigeladenen mehr daran, bis zur Unanfechtbarkeit des Urteils den Sofortvollzug der Rücknahme anzuordnen und damit die Vermarktung des Präparates der Antragstellerin zu stoppen.
11Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladenen waren keine Kosten aufzuerlegen, da sie im vorliegenden Verfahren keinen Antrag gestellt hat. Da sie sich somit nicht am Kostenrisiko beteiligt hat, hat sie auch keinen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten.
12Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hat im Hauptsacheverfahren einen an der Gewinnerwartung der Antragstellerin im Jahr der Klageerhebung orientierten Streitwert in Höhe von 2.333.333,00 Euro festgesetzt. Die Kammer geht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, dass diese Gewinnaussichten auch im Jahr der Antragstellung fortbestehen. Für das vorläufige Rechtsschutzverfahren war dieser Streitwert somit zu halbieren.
(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist
- 1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, - 2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger, ein 1965 geborener irakischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Rücknahme seiner unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und die Androhung der Abschiebung in den Irak.
- 2
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Er reiste im Juni 1995 nach Deutschland ein und beantragte hier die Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (damals: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) - Bundesamt - erkannte ihn mit Bescheid vom 6. Dezember 1995 als Asylberechtigten an und stellte zugleich fest, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Daraufhin erteilte die zuständige Ausländerbehörde dem Kläger unter dem 23. Januar 1996 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 68 AsylVfG 1992.
- 3
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1998 stellte sich im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens heraus, dass der Kläger im Dezember 1990 unter einem anderen Namen nach Österreich eingereist war, sich dort bis 1995 aufgehalten und erfolglos ein Asylverfahren betrieben hatte. Zudem wurde festgestellt, dass er sich im Herbst 1996 im Irak aufgehalten hatte.
- 4
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Im Februar 2000 nahm das Bundesamt die Asylanerkennung des Klägers wegen unrichtiger Angaben und nicht mehr bestehender Gefährdungslage im Nordirak zurück und widerrief die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Ferner wurde festgestellt, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Göttingen im März 2002 rechtskräftig ab.
- 5
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Die Beklagte widerrief mit Bescheid vom 2. Oktober 2002 die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des Klägers, forderte ihn zur Ausreise auf und drohte ihm für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung in den Irak an. Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung mit Bescheid vom 17. November 2003 zurück und änderte zugleich den Bescheid der Beklagten, indem sie die dem Kläger erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Zukunft zurücknahm. Seit Aufhebung seiner asylrechtlichen Aufenthaltserlaubnis hält sich der Kläger ohne Aufenthaltstitel in Deutschland auf.
- 6
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Mit seiner gegen die ausländerbehördliche Entscheidung gerichteten Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht: Sein persönliches Interesse, im Bundesgebiet zu verbleiben, sei nicht ausreichend gewürdigt worden. Er habe alle Beziehungen im Irak außer derjenigen zu seinem Vater vollständig abgebrochen. Kinder habe er nicht, der gegenteilige Vortrag seines Bevollmächtigten sei unzutreffend. Bei seinem Besuch im Jahr 1996 habe er nach seiner Ehefrau geforscht, sie jedoch nicht mehr gefunden, weil sie wohl infolge einer großen Kurdenverfolgungsaktion verschwunden sei. In Deutschland habe er enge persönliche Bindungen zu seinem Großcousin und dessen Lebensgefährtin. Er habe von 1996 bis 1999 und dann wieder ab September 2003 in Deutschland gearbeitet und sei hier integriert, während er im Irak keine Existenzgrundlage für sich finden könne.
- 7
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und den Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 10. September 2008 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Sein Urteil hat es im Wesentlichen wie folgt begründet: Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen der angefochtenen Verfügung sei derjenige der letzten behördlichen Entscheidung - also der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2003 - und nicht der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung von Ausweisungsverfügungen sei auf die hier zu beurteilende Aufhebung eines Aufenthaltstitels nicht zu übertragen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Zukunft sei die Widerrufsvorschrift des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG. Zwar habe sich die Widerspruchsbehörde unter Abänderung des Ausgangsbescheids auf § 48 Abs. 1 VwVfG gestützt und statt eines Widerrufs eine Rücknahme verfügt. Gegen die Anwendbarkeit von § 48 Abs. 1 VwVfG spreche aber, dass § 43 Abs. 1 AuslG für die dort genannten Fallgruppen eine ausdrückliche Regelung enthalte, die gegenüber der allgemeinen Rücknahmevorschrift spezieller sei. Die behördliche Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Die Behörde dürfe grundsätzlich davon ausgehen, dass in den Fällen des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG ein gewichtiges öffentliches Interesse an dem Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung bestehe, falls nicht aus anderen Rechtsgründen ein gleichwertiger - asylunabhängiger - Aufenthaltstitel zu gewähren sei. Bei ihrer Ermessensausübung müsse die Ausländerbehörde allerdings auch die schutzwürdigen Belange des Ausländers an einem weiteren Verbleib in Deutschland in den Blick nehmen. Das behördliche Ermessen sei auch nicht dadurch eingeschränkt, dass der Kläger unabhängig von seiner entfallenen Asylberechtigung aus anderen Rechtsgründen einen Anspruch auf ein dem entzogenen Recht gleichwertiges Aufenthaltsrecht habe. Dem Kläger habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung kein derartiges Daueraufenthaltsrecht zugestanden. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 35 AuslG stelle kein asylunabhängiges Aufenthaltsrecht dar, weil die dafür erforderliche Dauer des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis gerade auf der asylrechtlichen Rechtsstellung des Klägers beruht habe. Im Übrigen sei der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt am 17. November 2003 auch nicht acht Jahre im Besitz seiner Aufenthaltserlaubnis gewesen, wie das § 35 Abs. 1 AuslG fordere.
- 8
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Das angegriffene Urteil verletze Bundesrecht dadurch, dass es erhebliche Ermessensfehler der behördlichen Entscheidung verkenne. Insbesondere habe das Berufungsgericht auf die mündliche Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage abstellen müssen und nicht - wie geschehen - auf den der letzten behördlichen Entscheidung. Mittlerweile habe er einen längeren Zeitraum in Deutschland verbracht, zugleich hätten sich die Lage im Nordirak und damit die Rückkehrbedingungen für ihn verschlechtert. Die ursprünglich erhobene Gehörsrüge wegen fehlender Hinzuziehung eines Dolmetschers durch das Oberverwaltungsgericht hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fallengelassen.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie vertritt die Auffassung, selbst wenn zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht abzustellen sei, sei weder dargelegt noch erkennbar, dass eine solche Zeitpunktverlagerung zu einer anderen Sachentscheidung geführt hätte. Der Kläger habe auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung nicht nachgewiesen, dass sein Lebensunterhalt nachhaltig gesichert sei. Im Übrigen habe er die Passpflicht nicht erfüllt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Rücknahmebescheids nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung zu beurteilen ist. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 10. September 2008. Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens auf Aufhebung des Rücknahmebescheids ist daher auf die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) und gemäß § 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes - NVwVfG - auf die Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl I S. 102) abzustellen. Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil in der Sache selbst nicht abschließend entscheiden kann, ist das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids, durch den eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zurückgenommen oder widerrufen wird, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts zugrunde zu legen. Der Senat hält insoweit an seiner Rechtsprechung, wonach in diesen Fällen der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich ist (vgl. Urteil vom 20. Februar 2003 - BVerwG 1 C 13.02 - BVerwGE 117, 380 <388>), nicht weiter fest. Er überträgt vielmehr seine bereits für die Zeitpunktverlagerung bei Ausweisungen entwickelte (vgl. Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 14 ff.) und auf Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen erstreckte Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329, Rn. 37 f.) nunmehr auch auf die Aufenthaltsbeendigung durch Rücknahme und Widerruf eines Aufenthaltstitels.
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Maßgebend ist für den Senat die Erwägung, dass die Aufhebung eines Aufenthaltstitels durch Rücknahme oder Widerruf wie die Ausweisung und die Versagung oder Nichtverlängerung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel zu einer Aufenthaltsbeendigung führt. Vor allem in diesen Fällen kommt dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK und dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie bei familiären Bindungen dem Grundrecht aus Art. 6 GG eine besondere Bedeutung zu. Diese Rechte gewähren nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts materiell zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Die zuständigen Behörden und Gerichte haben bei ausländerrechtlichen Entscheidungen aber deren Auswirkungen auf das Privatleben des Betroffenen und seine familiären Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu beachten. Für den betroffenen Ausländer macht es im Ergebnis häufig keinen Unterschied, ob der Aufenthalt durch Ausweisung oder durch Aufhebung oder Nichterteilung einer Aufenthaltserlaubnis beendet wird. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Rechtmäßigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach Art. 8 EMRK kommt es letztlich auf den Erfolg an, nämlich den Verlust des Aufenthaltsrechts, wie dieser auch immer rechtstechnisch herbeigeführt wird. Deshalb hält es der Senat für geboten, die Zeitpunktverlagerung auch auf Fälle der Aufenthaltsbeendigung durch Rücknahme und Widerruf eines unbefristeten Aufenthaltstitels zu erstrecken, zumal hier - anders als im Fall der versagten Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels - in ein bestehendes Aufenthaltsrecht eingegriffen wird. Zwar trifft der Hinweis des Berufungsgerichts zu, dass Widerruf und Rücknahme eines Aufenthaltstitels - anders als die Ausweisung - kein Einreiseverbot und keine Sperre für die erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 11 Abs. 1 AufenthG begründen. Diese über die Aufenthaltsbeendigung hinausgehenden Folgen einer Ausweisung waren aber für die vom Senat für geboten erachtete Zeitpunktverlagerung nicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr, dass es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der potentiellen Grundrechtsrelevanz von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gebietet, dass die Verwaltungsgerichte ihrer Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit eine möglichst aktuelle, d.h. nicht bereits überholte Tatsachengrundlage zugrunde legen. Ob etwas anderes bei der Aufhebung von befristeten Aufenthaltstiteln gilt, deren Gültigkeit vor der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abgelaufen ist, kann offen bleiben (vgl. hierzu VGH Mannheim, Urteil vom 15. Juli 2009 - 13 S 2372/08 - NVwZ 2009, 1380 <1381>).
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Das Berufungsurteil beruht auf der Verletzung von revisiblem Recht, weil es bei der Überprüfung des Rücknahmebescheids der Beklagten, der eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis betraf, auf den Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung im November 2003 und nicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht im September 2008 abgestellt hat. Dieser Rechtsverstoß führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache. Denn der Senat kann mangels jeglicher Feststellungen des Berufungsgerichts zu den Lebensumständen des Klägers seit November 2003 nicht selbst entscheiden, ob die Rücknahme auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse im September 2008 als rechtmäßig anzusehen war. Andererseits kann der Senat auch nicht abschließend zugunsten des Klägers entscheiden, weil der angefochtene Bescheid - abgesehen von der noch ausstehenden Feststellung und Bewertung der aktuellen Verhältnisse - im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden ist (siehe 2.).
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2. Der angefochtene Bescheid ist zu Recht auf § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz gestützt (a). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 VwVfG liegen vor (b). Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist - mit der Einschränkung einer etwaigen Notwendigkeit zur Aktualisierung - frei von Ermessensfehlern (c).
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a) Die Beklagte stützt ihren Rücknahmebescheid zu Recht auf § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz, der auf die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) verweist. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird die Rücknahmevorschrift nicht durch die für den Widerruf von Aufenthaltstiteln maßgebliche Vorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (zuvor: § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG 1990) verdrängt. Die aufenthaltsrechtliche Widerrufsvorschrift stellt keine Spezialregelung für alle Fälle der Aufhebung eines Aufenthaltstitels infolge Wegfalls der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung dar. Vielmehr ist § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auch dann als Rechtsgrundlage für die Rücknahme einer von Anfang an rechtswidrigen Aufenthaltserlaubnis heranzuziehen, wenn diese nicht mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern nur für die Zukunft aufgehoben wird. Im Aufenthaltsrecht stellen Rücknahme und Widerruf - wie im allgemeinen Verwaltungsrecht - zwei unterschiedliche Formen der Aufhebung von Verwaltungsakten dar, die gleichberechtigt in § 51 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AufenthG genannt werden. Es bestehen zudem sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Aufenthaltstiteln, die von Anfang an rechtswidrig waren, und solchen, deren Voraussetzungen erst nachträglich entfallen sind. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 23. Mai 1995 - BVerwG 1 C 3.94 - BVerwGE 98, 298 <304 f.>).
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b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG liegen vor.
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Die dem Kläger mit Bescheid vom 23. Januar 1996 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG 1992 war wegen ihres mit der materiellen Rechtslage nicht übereinstimmenden Inhalts von Anfang an rechtswidrig. Die Asylanerkennung des Klägers ist bestandskräftig nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG zurückgenommen worden. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht rechtskräftig abgewiesen. Die Rücknahme der Asylanerkennung wurde auch mit Wirkung für die Vergangenheit ausgesprochen. Der bestandskräftige Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (damals: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) - Bundesamt - vom 18. Februar 2000 trifft hierzu zwar keine ausdrückliche Aussage. Es ergibt sich aber aus dem Inhalt des Bescheids, der die Rücknahme auf unrichtige Angaben des Klägers wie auf das Verschweigen wesentlicher Tatsachen stützt, die maßgeblich für die Anerkennung waren, dass eine Aufhebung mit ex tunc Wirkung beabsichtigt war. Auch die allgemeine Rücknahmevorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG sieht durch den Verweis auf Satz 3 und dessen Nr. 2 für Fälle wie den vorliegenden in der Regel die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit vor (vgl. hierzu auch Urteil vom 9. September 2003 - BVerwG 1 C 6.03 - BVerwGE 119, 17 <23>). Diese Regel lässt sich auf den nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG ergangenen Rücknahmebescheid übertragen und führt dazu, dass hier von einer rückwirkenden Aufhebung der durch falsche Angaben erwirkten Asylanerkennung auszugehen ist. Eine Rücknahme der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG mit Wirkung für die Vergangenheit ist auch nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 24. November 1998 (BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>) darauf hingewiesen, dass die Wirkung einer Rücknahme der Asylanerkennung gegenüber einem Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG in zeitlicher Hinsicht differieren kann, und ist damit von einer Zulässigkeit der rückwirkenden Rücknahme ausgegangen.
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Der Kläger kann sich gegenüber der Rücknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er inzwischen unabhängig von der Asylberechtigung einen Anspruch auf Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels erworben habe. Zwar trifft es zu, dass die Behörde einen Aufenthaltstitel, den sie dem Ausländer aus anderen Rechtsgründen sogleich wieder erteilen müsste, weder widerrufen noch mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen darf (vgl. zum Widerruf nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG 1990: Urteil vom 20. Februar 2003 a.a.O. S. 384 f.). Ein Anspruch auf Erteilung eines gleichwertigen Aufenthaltstitels aus anderen Rechtsgründen stand dem Kläger aber weder zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zu. Der vom Kläger insoweit allein geltend gemachte "Anspruch" auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 26 Abs. 4 AufenthG, die der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AuslG 1990 weitgehend entspricht, vermittelt zum einen schon deshalb keinen die Rücknahme ausschließenden Rechtsanspruch, weil die Vorschrift die Erteilung eines solchen Daueraufenthaltsrechts in das Ermessen der Behörde stellt und deshalb nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung einräumt. Zum anderen würde - die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG unterstellt - eine Niederlassungserlaubnis nach dieser Vorschrift im Fall des Klägers auch nicht auf anderen Rechtsgründen beruhen, sondern letztlich auf seiner (aufgehobenen) Asyl- und Flüchtlingsanerkennung. Denn der erforderliche siebenjährige Besitz eines Aufenthaltstitels nach dieser Vorschrift würde seine maßgebliche Grundlage in der zwar nicht zurückgenommenen, aber doch widerrufenen Flüchtlingsanerkennung finden. Ein derartiges zeitlich auf einem vorangegangenen asylbedingten Aufenthaltsrecht aufbauendes Daueraufenthaltsrecht wäre selbst asylbedingt und stünde der Rücknahme der asylbedingten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch deshalb nicht von vornherein entgegen (vgl. entsprechend zum Widerruf nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG 1990: Urteil vom 20. Februar 2003 a.a.O. S. 384 f.; Hailbronner, AuslR, Stand Oktober 2008, § 52 AufenthG Rn. 34; a.A. Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 73 Rn. 288 ff. <296>). Allerdings ist der Umstand, dass ein Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG erfüllt, gegebenenfalls bei Ausübung des Rücknahmeermessens zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
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Im Übrigen erfüllte der Kläger weder zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht noch zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung die Voraussetzungen für ein solches humanitäres Daueraufenthaltsrecht. Der Kläger kann sich, wie von der Beklagten korrekt berechnet und vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch nicht mehr in Frage gestellt, auf der Grundlage seiner flüchtlingsrechtlichen Anerkennung auf Besitzzeiten einer humanitären Aufenthaltserlaubnis von sieben Jahren und knapp drei Monaten - unter Anrechnung des vorangegangenen Asylverfahrens - berufen. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts endete mit der Bekanntgabe des ausländerbehördlichen Widerrufsbescheids im Oktober 2002 (vgl. Hailbronner, § 84 AufenthG, Stand Februar 2010, Rn. 38 m.w.N.). Damit würde der Kläger zwar die zeitlichen Anforderungen des § 26 Abs. 4 AufenthG erfüllen. Für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG genügt jedoch nicht, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt sieben Jahre lang im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, er müsste es auch noch zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewesen sein (vgl. Urteil vom 10. November 2009 - BVerwG 1 C 24.08 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 13). Diese Voraussetzung erfüllt er nicht. Denn ihm sind nach Aufhebung seiner asylrechtlichen Aufenthaltserlaubnis im Oktober 2002 keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr erteilt worden und es sind auch keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, wonach er einen Anspruch darauf gehabt hätte. Das Bundesamt hatte nicht nur seine asylrechtliche Anerkennung zurückgenommen, sondern auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG 1990 verneint, so dass ihm auch unter diesen Gesichtspunkten kein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zustand. Zum Zeitpunkt der Rücknahmeentscheidung erfüllte er auch nicht die zeitlichen Voraussetzungen für ein humanitäres Aufenthaltsrecht nach dem damals maßgeblichen § 35 Abs. 1 AuslG 1990, da die Vorschrift den achtjährigen Besitz eines Aufenthaltstitels verlangt, den der Kläger nicht vorweisen kann.
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c) Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist - vorbehaltlich einer etwa notwendigen Aktualisierung - rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Beklagte hat ihr Ermessen betätigt. Das wird aus der Wortwahl und dem Inhalt des Bescheids in der Fassung des Widerspruchsbescheids klar erkennbar. Bereits aus den gewählten Obersätzen ergibt sich, dass der Bezirksregierung bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen. Sie hat auch im Einzelnen die Gesichtspunkte benannt, die in die Ermessensabwägung einzustellen sind, und nach deren Abwägung die ermessensgeleitete Entscheidung getroffen, die Aufenthaltserlaubnis zurückzunehmen.
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Soweit das Berufungsgericht - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - die Ermessensentscheidung der Beklagten nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids als rechtsfehlerfrei angesehen hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Ausübung ihres Rücknahmeermessens ist die Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass bei einer durch Täuschung erlangten Asylberechtigung in der Regel ein gewichtiges öffentliches Interesse an der Rücknahme der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis besteht. Sie hat mit Blick auf die rechtmäßig erteilte Flüchtlingsanerkennung die Rücknahme nur mit Wirkung für die Zukunft ausgesprochen. Ferner hat sie die Dauer des Aufenthalts des Klägers in Deutschland und seine hier entwickelten persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen schützenswerten Bindungen eingehend gewürdigt. Auch hat sie die Folgen mit bedacht, die sich für den Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ergeben. Da der Kläger, wie oben ausgeführt, allein aufgrund seiner rechtmäßigen Flüchtlingsanerkennung nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Daueraufenthaltsrechts aus humanitären Gründen erfüllt, brauchte die Beklagte auf diesen Gesichtspunkt bei ihren Ermessenserwägungen nicht einzugehen. Ihre Wertung, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung hier überwog, ist - vorbehaltlich etwaiger wegen der Zeitpunktverlagerung noch nicht berücksichtigter neuer Umstände - revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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3. Zur Aktualisierung der Ermessenserwägungen nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht bemerkt der Senat:
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Allein der Umstand, dass zwischen der ablehnenden Behördenentscheidung und dem maßgeblichen Zeitpunkt für ihre Überprüfung ein gewisser Zeitraum verstrichen ist, zwingt die Behörde regelmäßig noch nicht zu einer Aktualisierung der Ermessenserwägungen. Sollte sich im neuen Berufungsverfahren indes herausstellen, dass sich die Sachlage nach der Rücknahmeentscheidung vom November 2003 in entscheidungserheblicher Weise zugunsten des Klägers geändert hat, müsste der Beklagten Gelegenheit gegeben werden, ihre Ermessenserwägungen entsprechend zu aktualisieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich aus der Zeitpunktverlagerung sowohl für den Kläger als auch für die Behörde entsprechende Mitwirkungspflichten ergeben. Sind im Rahmen des Klagebegehrens während des gerichtlichen Verfahrens neu eingetretene Tatsachen zu berücksichtigen, ist es primär Aufgabe des Klägers, auf etwaige zu seinen Gunsten eingetretene Tatsachenänderungen hinzuweisen. Hierzu wird der Kläger im neuen Berufungsverfahren Gelegenheit haben. Sollten vom Kläger neue zu seinen Gunsten sprechende Tatsachen vorgetragen werden, hat die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung zu überprüfen und gegebenenfalls der neuen Sachlage anzupassen. In diesem Zusammenhang hat sie auch die Möglichkeit, in Erfüllung ihrer Obliegenheit zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle die Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO im laufenden Verfahren zu aktualisieren (vgl. Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - a.a.O. Rn. 42). In diesem Rahmen bestünde auch die Gelegenheit, den aufgrund der Zeitpunktverlagerung neu zu bemessenden Aufenthalt des Klägers in Deutschland zu seinem 25-jährigen Aufenthalt im Irak in Beziehung zu setzen.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein pharmazeutisches Unternehmen. Sie wendet sich gegen den Widerruf der Zulassung der Präparate Kava N. Kapseln, B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten, die sie bis zum Jahr 2001 in den Verkehr gebracht hatte.
3Für das zuerst genannte Präparat wurde die beantragte Nachzulassung bislang nicht erteilt. Für die Präparate Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten hatte das BfArM die Zulassung mit einer Dosierung von einmal täglich einer Tablette bei einer Wirkstoffmenge von 120 mg pro Tablette und für B. 120 mg Tabletten mit einer Dosierung von zweimal täglich ½ Tablette erteilt.
4Bei den Präparaten handelt es sich um pflanzliche Angstlöser (Anxiolytika) zur Anwendung bei nervösen Angst-, Spannungs- und Unruhezuständen, die als Wirkstoff den Kava-Kava-Wurzelstock-Trockenextrakt - Piperis methystici rhizoma - in Gestalt eines ethanolischen Auszugs enthalten.
5Die Anwendungsgebiete der Arzneimittel der Klägerin entsprachen den Vorgaben der Monographie der Kommission E vom 1. Juni 1990. Im Jahr 2002 war ihre Verschreibungspflicht beschlossen worden.
6Im Jahr 2001 leitete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund von Berichten über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen in Gestalt lebertoxischer Effekte bei acetonischen Kava-Kava-Auszügen insbesondere aus der Schweiz ein Stufenplanverfahren nach § 63 AMG ein. Nach Anhörung der betroffenen pharmazeutischen Unternehmen widerrief das BfArM mit Bescheid vom 14. Juni 2002 erstmals die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel bis zu einer homöopathischen Verdünnung von D4. Hiergegen legten die betroffenen Unternehmen Widerspruch ein, woraufhin das BfArM an der Widerrufsentscheidung nicht festhielt, sondern stattdessen mit Bescheid vom 12. Mai 2005 ein befristetes Ruhen der betroffenen Zulassungen anordnete.
7Nachdem zwischen den beteiligten Unternehmen, ihren Verbänden und dem BfArM über die Art des vorzulegenden wissenschaftlichen Erkenntnismaterials keine Einigung erzielt werden konnte, widerrief die Behörde mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21. Dezember 2007 die Zulassungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel und homöopathischer Zubereitungen aus Kava-Kava-Zubereitungen. Es bestehe weiterhin der Widerrufsgrund des § 30 Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, da der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen auch unter Berücksichtigung der von den betroffenen Unternehmen und ihren Verbänden vorgelegten Unterlagen fortbestehe. Das Ruhen der Zulassungen sei angeordnet worden, um den betroffenen Unternehmen Gelegenheit zu geben, Studienergebnisse vorzulegen, die die Wirksamkeit in dem beanspruchten Anwendungsgebiet in einem Maße belegten, dass die bekannten hepatotoxischen Risiken vertretbar seien. Die vorgelegten toxikologischen Untersuchungen lieferten keine hinreichende Grundlage für die Risikoabschätzung. Anhand der in-vitro-Studien könne zwar ein gewisser Toxizitätsvergleich der untersuchten Kava-Kava-Extrakte bzw. Kavalactone aufgestellt werden. Eine direkte Risikoabschätzung bzw. ein Unbedenklichkeitsnachweis für die Anwendung sämtlicher Arten von Kava-Kava-Extrakten am Menschen könne daraus aber nicht abgeleitet werden. Die in-vivo-Studien wiesen methodische Mängel auf und seien deswegen nicht bewertungsfähig. Zudem beschränke sich die Aussagekraft der Studie von DiSilvestro et al. auf einen bestimmten Kava-Kava-Extrakt und könne deswegen nicht zur Risikoabschätzung von Kava-Kava-Arzneimitteln allgemein herangezogen werden. In der Studie von L. Sorrentino et al. seien nicht genügend Parameter zum Ausschluss der Lebertoxizität erhoben worden. Zudem fehlten Daten zur Pharmakokinetik bzw. Toxikokinetik der potentiell toxischen Inhaltsstoffe. Es sei weiterhin unklar, ob die Ratte die geeignete Tierspezies sei, um vergleichbare hepatotoxische Effekte auszulösen, wie sie aufgetreten seien. Die nachgereichten Publikationen lieferten keine Erkenntnisse, die eine Hepatotoxizität der von dem Stufenplan betroffenen deutschen Kava-Kava-haltigen Arzneimittel ausschlössen oder relativierten. Deren Fehlen in den vorliegenden Untersuchungen stehe im Widerspruch zu den klinischen Befunden. Mangels weiterer Untersuchungen, die die pharmazeutischen Unternehmen zwar angekündigt, aber nicht durchgeführt hätten, seien nach wie vor weder die Mechanismen der klinisch aufgetretenen hepatotoxischen Effekte noch das klinisch relevante Toxin bekannt.
8Der Bescheid enthält eine Zusammenfassung der vorliegenden Erkenntnisse zum Risiko der Einnahme Kava-Kava-haltiger Präparate und verweist insoweit auf einen Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2007, der eine Bewertung von 93 Fallberichten zu Leberschädigungen enthalte. Diese seien in sieben Fällen tödlich verlaufen und in 14 Fällen sei eine Lebertransplantation erforderlich geworden. Außerdem wird in dem Bescheid auf den Bericht der britischen Gesundheitsbehörde Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) vom 27. Juni 2006 verwiesen, in dem - nach Ländern gegliedert - die bei der MHRA eingegangenen Meldungen zu 110 Nebenwirkungsverdachtsfällen weltweit - darunter die überwiegende Anzahl aus Deutschland - aufgeführt sind.
9Den hiernach bestehenden Risiken stehe der Umstand gegenüber, dass neuere Untersuchungen zum Beleg der Wirksamkeit Kava-Kava- sowie Kavalacton-haltiger Arzneimittel nicht vorgelegt worden seien. Bei Arzneimitteln, für die es ‑ jedenfalls bei der vorgeschlagenen Dosierung - keine ausreichenden Wirksamkeitsbelege gebe, sei ein nicht zu eliminierendes Risiko nicht hinnehmbar, wenn es um schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) gehe. Risikominimierende Maßnahmen wie die Unterstellung unter die Verschreibungspflicht, die Begrenzung der Dosierung und Leberfunktionstests rechtfertigten keine abweichende Bewertung, zumal bei der Behandlung von Angststörungen mit Benzodiazepinen, Buspiron und einigen Serotoninwiederaufnahmehemmern wie Paroxetin und Citalopram therapeutische Alternativen zur Verfügung stünden. Deren Wirksamkeit in der Behandlung von unterschiedlichen Formen von Angststörungen sei im Gegensatz zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln in mehreren klinischen Studien gut untersucht und belegt worden. Das bei Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko rechtfertige es nicht, das mit Kava-Kava-Produkten verbundene Risiko hinzunehmen.
10In einer zusammenfassenden Bewertung führte das BfArM aus, dass bei monographiekonformer Dosierung bis 120 mg als Tagesdosis Kava-Pyrone das Risiko von Leberschädigungen zwar geringer, aber immer noch deutlich vorhanden sei. Bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone bestehe zwar ein gewisser Anhalt für die Wirksamkeit; das Risiko für Leberschäden sei dann aber zu groß.
11Die Klägerin erhob gegen den Bescheid Widerspruch. In einer Stellungnahme des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) zum Widerruf der Zulassungen, die sich die Klägerin zu eigen machte, führte der Verband aus, die Annahme schädlicher Wirkungen Kava-Kava- und Kavain-haltiger Arzneimittel sei unzutreffend. Das BfArM habe die neu vorgelegten toxikologischen Untersuchungen nicht bewertet bzw. keinen nachvollziehbaren Bewertungskriterien unterworfen. Die Kommission E habe in ihrer Sitzung vom 27. Februar 2002 unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ein klares Votum zur weiteren Verkehrsfähigkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel abgegeben. Auch berücksichtige der Bescheid nicht, dass § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG in seiner seit dem 6. September 2005 geltenden Fassung keinen „begründeten Verdacht schäd-licher Wirkungen“, sondern ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis voraus-setze. Kava-Kava erfülle die Voraussetzungen eines „well-established use“. Es werde seit Jahrzehnten in der Europäischen Union medizinisch verwendet. Wirkungen und Nebenwirkungen seien bekannt. Neue klinische Studien könnten folglich nicht verlangt werden. Zudem könne eine klinische Studie keine Erkennt-nisse über seltene Nebenwirkungen liefern. Anlass zu Kritik an den eingereichten toxikologischen Studien bestehe nicht. Andere therapeutische Ansätze wie z.B. Benzodiazepine stellten aufgrund ihrer Risiken keine therapeutische Alternative dar. Andere Arzneistoffe wiesen das gleiche oder sogar ein höheres Risiko für Leberschädigungen und zudem weitere schwerwiegendere unerwünschte Effekte als Kava-Kava auf, insbesondere sei ein Anstieg der Suizidrate bekannt. Die Ergebnisse des Berichts der MHRA seien wegen der gänzlich anderen Indikation in Großbritannien (Blasenerkrankungen) nicht übertragbar. Die Bewertung der vorliegenden Fallmeldungen sei nicht sachgerecht. Ihre Inzidenzrate werde vom BfArM nach wie vor nicht berücksichtigt.
12In der Folgezeit führten Gespräche und Schriftwechsel zwischen den pharmazeutischen Unternehmen und dem BfArM zu keinem Ergebnis. Der Widerspruch der Klägerin blieb zunächst unbeschieden.
13Unter dem 7. April 2011 richtete die Klägerin Änderungsanzeigen für alle streitgegenständlichen Präparate an das BfArM, deren Inhalt jeweils die Erhöhung der Tagesdosierung entsprechend 120 mg bis 240 mg Kava-Pyrone bzw. bezogen auf das Präparat Kava N. Kapseln entsprechend 150 bis 200 mg Kava-Pyrone ist.
14In den für das Präparat Kava N. Kapseln beigefügten Fachinformationen, Stand April 2011, ist eine Dosierung von drei- bis viermal täglich eine Kapsel (a 50 mg) vorgesehen. Als Dosierung für die übrigen Präparate wird darin ein- bis zweimal täglich eine Tablette genannt. Unter den Gegenanzeigen sind bei allen Präparaten u.a. eine vorbestehende Leberschädigung und erheblicher Alkoholkonsum aufgeführt. Unter der Rubrik Nebenwirkungen enthalten sie den Hinweis auf sehr selten auftretende Leberschäden unterschiedlicher Schweregrade (Transaminasenanstieg, Ikterus, Hepatitis). In einigen Fällen sei es nach der Einnahme der empfohlenen oder der zwei- bis dreifachen Dosierung bei Kava-Kava-Zubereitungen bereits nach acht Wochen zu einem irreversiblen Leberversagen gekommen. Deswegen seien insbesondere bei einer länger als einen Monat dauernden Therapie regelmäßig Laborkontrollen der Leberfunktion durchzuführen. Als Wechselwirkung sei eine Wirkverstärkung von zentral wirksamen Substanzen wie Alkohol, Psychopharmaka und Muskelrelaxanzien möglich. Eine Verstärkung hepatotoxischer Wirkungen anderer Arzneimittel durch die zeitnahe Einnahme von Kava-Kava-Zubereitungen könne nicht ausgeschlossen werden. Die entsprechenden Gebrauchsinformationen enthalten den Hinweis auf die Symptome einer fortgeschrittenen Leberschädigung, bei deren Auftreten das Präparat abzusetzen und sofort ein Arzt aufzusuchen sei. Außerdem wird darin darauf hingewiesen, dass der Genuss alkoholhaltiger Getränke während der Behandlung mit den jeweiligen Präparaten vermieden werden sollte. Hinsichtlich der Anwendungsdauer ist keine zeitliche Begrenzung vorgegeben. Für alle Präparate sind Packungsgrößen von 30/60/100 Tabletten bzw. bei Kava N. Kapseln vorgesehen.
15Das BfArM hat den Änderungsanzeigen in der Folgezeit nicht widersprochen.
16Die Klägerin hat am 20. Dezember 2011 die vorliegende Klage als Untätigkeitsklage erhoben und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung deren aufschiebender Wirkung beantragt (VG Köln 7 L 1918/11). Diesen Antrag hat sie am 24. Mai 2012 zurückgenommen.
17Zur Begründung der Klage hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der Widerruf der Zulassungen sei rechtswidrig. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis für Kava-Kava-haltige Arzneimittel, die auf einem ethanolischen Extrakt des Kava-Kava-Wurzelstocks basierten, sei nicht ungünstig. Die Wirksamkeit des Arzneimittels sei bei einer Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone, berechnet nach der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Methode - engl. high performance liquid chromato-graphy - (HPLC-Methode) auf sechs Kava-Pyrone, belegt. Die von der Kommis-sion E angegebenen 120 mg Kava-Pyrone seien mittels Dünnschichtchromato-graphie (DC) beschränkt auf drei Kava-Pryrone berechnet worden. Deswegen entsprächen 120 mg Kava-Pyrone berechnet nach der DC-Methode 240 mg Kava-Pyrone berechnet nach der HPLC-Methode. Überdies sei Ende der 80er Jahre eine exakte quantitative Bestimmung aller maßgeblichen sechs Kava-lactone auch mit Hilfe der HPLC-Methode nicht möglich gewesen. Demzufolge entsprächen die in der Monographie ermittelten 120 mg nicht dem Gesamtgehalt an Kavalactonen. Vielmehr sei der Kavalactongehalt der Kava-Produkte, die in der Monographie Berücksichtigung gefunden hätten, nach heutigen Standards wesentlich höher anzusetzen.
18Der Einwand des BfArM, die Mittel seien nicht wirksam, beruhe darauf, dass die betroffenen Unternehmen auf entsprechende Forderung des BfArM die Dosierung halbiert hätten, um sich numerisch an die Monographie anzupassen. Das sei inzwischen mit Blick auf die unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen durch die mit der Änderungsanzeige erfolgte Anhebung auf die alte Menge von 240 mg Kava-Pyrone korrigiert worden. Bei der Bewertung der Wirksamkeit müsse deswegen nach aktuellem Stand der Zulassung für alle betroffenen Arzneimittel eine Dosierung von 240 mg Kava-Pyrone zugrunde gelegt werden.
19Die vorliegenden Fälle unerwünschter Ereignisse in Zusammenhang mit Kava-Kava seien vom BfArM unrichtig und teilweise anders als von anderen Institutionen bewertet worden. Auf der Grundlage der Auswertung durch Teschke et al. aus dem Jahr 2008 ergäben sich lediglich drei Fälle, in denen überhaupt von einer Auslösung durch Kava-Kava auszugehen sei. In zwei dieser Fälle habe es sich um acetonische Extrakte gehandelt. Der verbleibende Fall stehe im Zusammenhang mit einer Allergie. Die Häufung von UAW-Meldungen in den Jahren 2001 und 2002 sei zudem durch die aktive negative Informationspolitik des BfArM zu erklären. Im Gegensatz zum BfArM habe die schweizerische Behörde nicht auf Vorlage präklinischer Studien bestanden, sondern nur eine Anwendungsbeobachtung gefordert, die jedoch wegen des deutschen Kava-Kava-Verbots abgebrochen worden sei. In den USA würden Kava-Kava-Produkte nach wie vor als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht.
20Die Risiken in Betracht zu ziehender Alternativpräparate - insbesondere Benzodiazepine und Antidepressiva - seien ungleich höher als die der betroffenen Kava-Kava-Produkte. Das angestrebte Ziel der Verminderung von Therapierisiken könne mit dem Widerruf nicht erreicht werden. Anstelle des geringeren Risikos von Kava-Kava-Produkten lasse das BfArM zu, Arzneimittel einzusetzen, deren Anwendung für die Patienten mit weit größeren Risiken verbunden sei. Noch bis zum Jahr 2001 habe das BfArM Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt.
21Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 hat das BfArM den Widerspruch der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung seiner vorherigen Ausführungen zum Risiko der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als unbegründet zurückgewiesen. In Deutschland seien 48 Fälle lebertoxischer Reaktionen registriert worden, von denen 26 ausreichend gut dokumentiert seien. In sieben Fällen habe eine Lebertransplantation vorgenommen werden müssen. Zwei dieser Patienten und eine Patientin ohne Lebertransplantation seien verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Produkts zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. In dreizehn Fällen sei aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs, des Fehlens lebertoxischer Faktoren und einer entsprechenden Komedikation ein Kausalzusammenhang wahrscheinlich. In einzelnen dieser Fälle sei eine synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels (z.B. eines Estrogens) als möglich anzusehen, ohne dass dies die Annahme gerechtfertigt hätte, dass das Kava-Kava-Arzneimittel nicht an der hepato-toxischen Reaktion beteiligt gewesen wäre. In weiteren fünf spontan gemeldeten Fällen sei ein Kausalzusammenhang „möglich bis wahrscheinlich“ und in den restlichen Fällen „möglich“. Aus den dargestellten Fällen gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe. Der Effekt weise ein durchaus charakteristisches Muster auf mit einem zeitlichen Gipfel bei drei bis vier Monaten nach Medikationsbeginn und einer wahrscheinlich höheren Toxizität bei höheren Dosen.
22Zur toxikologischen Bewertung von Kava-Kava-Extrakten fehlten weiterhin nach heutigen Standards durchgeführte Tierstudien. Die Wirksamkeit der ethano-lischen Kava-Kava-Auszüge als Anxiolytikum sei unverändert als nicht belegt anzusehen. Ein Vergleich des Nutzen-Risiko-Profils mit therapeutischen Alter-nativen setze diesen Wirksamkeitsnachweis aber voraus.
23Mit Auflagenbeschluss vom 30. Oktober 2012 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten aufgegeben, eine Zusammenstellung nebst Wirksamkeitsbelegen und Nebenwirkungsprofil von Benzodiazepin-haltigen, in Deutschland verkehrsfähigen Arzneimitteln vorzulegen, deren Anwendungsgebiet ganz oder teilweise der Indikation „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ entspricht. Zugleich hat es der Klägerin aufgegeben, darzulegen, ob und unter welchen Voraussetzungen toxikologische Untersuchungen in vivo mit dem Wirkstoff ihres Arzneimittels an einer weiteren Tierart, die nicht Nagetier ist, durchgeführt werden können.
24Die Beklagte ist diesen Auflagen nachgekommen und hat hierzu erwidert, es sei reine Spekulation und durch nichts belegt, dass Patienten nach dem Verbot von Kava-Kava auf Benzodiazepine übergegangen seien. Deren Verwendung sei durch die Hinweise an die Ärzte zum bestimmungsgemäßen Gebrauch von Benzodiazepin-haltigen Präparaten limitiert. Auch weise die Fachinformation auf den überwiegenden Einsatz dieser Arzneistoffe bei schweren Angstzuständen, Schlafstörungen sowie zur Behandlung von Muskelverspannungen und Epilepsien sowie die zeitliche Begrenzung einer Behandlung hin. Zur symptomatischen Behandlung von Angstzuständen (Leitsymptomatik: Angst, innere Unruhe, Spannungszustände) stehe der Wirkstoff Buspiron zur Verfügung, ein Serotonin ohne erhöhtes Abhängigkeitspotential, aber mit verzögertem Wirkungseintritt. Daneben hat das BfArM auf unterschiedliche Psychopharmaka, ferner auf andere pflanzliche Präparate wie Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume oder Johanniskraut verwiesen. Die von Klägerseite vertretene Annahme unterschiedlicher Risiken verschiedener Kava-Kava-Kultivare sei spekulativ, da sich die Nebenwirkungsmeldungen gleichmäßig auf die verschiedenen Kultivare und Extrakte verteilten. In einem Fall sei es sogar zu einer „positiven Rechallenge“ - einem Wiederauftreten der Nebenwirkung nach erneuter Gabe - gekommen, was eine gesicherte Kausalität begründe. Zudem habe sich in mehreren vom National Toxicology Program (NTP) der USA mit einem handelsüblichen Kava-Kava-Extrakt durchgeführten Studien ergeben, dass die Leber Hauptzielorgan toxischer und kanzerogener Effekte sei.
25Die Klägerin hat sich in ihrer Gegenäußerung zum Auflagenbeschluss gegen das Erfordernis weiterer tierexperimenteller Toxizitätsstudien gewandt und dazu ausgeführt: Das bisherige Datenmaterial habe ein hepatotoxisches Potential von Kava-Kava nicht belegen können. Nebenwirkungen seien insoweit in der Vergangenheit in erster Linie bei acetonischen Kava-Kava-Extrakten und minderwertigen Sorten aufgetreten. Unter Zugrundelegung des zutreffenden Bewertungsschemas
26wären zahlreiche Meldungen nicht auf Kava-Kava zurückzuführen. Der einzelne Fall einer Rechallenge hätte in diesem Licht unter dem Gesichtspunkt einer Allergie bewertet werden müssen. Zur Gewinnung weiterer Erkenntnisse über das Risiko am Menschen sei eine Beobachtung von Patienten im Rahmen der laufenden Behandlung geeignet (sog. Post Authorisation Safety Study, „PASS“). Entsprechendes sei vom BfArM auch im Fall von Pelargonium („V. “) akzeptiert worden. Die bestehende toxikologische Datenlage reiche aus. Es lägen allein in Deutschland Erfahrungswerte über einen Zeitraum von 100 Jahren vor. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang u.a. auf eine Reihe - teils neuerer - Studien, die ein hepatotoxisches Risiko des ethanolischen Extrakts, insbesondere bei einer Anwendungsdauer von bis zu vier Wochen, nicht hätten belegen können. In den USA sei Kava-Kava nach wie vor unbeanstandet als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig. Kanzerogene Effekte seien bei Mäusen festgestellt worden; dieses Spezies-spezifische Phänomen trete in dieser Form auch bei Benzodiazepinen auf und erfordere eine Langzeitgabe sehr hoher Dosen. Zudem hätten andere Studien gezeigt, dass Kava-Kava nicht mutagen sei. Die Beklagte lasse - der Zulassungspraxis des BfArM widersprechend - bei der Auswertung der Nebenwirkungsmeldungen konsequent die erforderliche Differenzierung der Arzneimittel nach Art der Droge und Extraktionsmittel vermissen.
27Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten seien Benzodiazepine bei der Nutzen-Risiko-Abwägung von Kava-Kava durchaus in den Blick zu nehmen. Die Beklagte selbst benenne Benzodiazepine als risikoärmere Alternative zu Kava-Kava. Angesichts des teilweise identischen Anwendungsgebiets von Kava-Kava und mit Blick auf die Verschreibungszahlen 1998 und 1999 lasse sich feststellen, dass bei etwa jeder 10. Verordnung die Wahl auf Kava-Kava als risikoärmere Alternative zu Benzodiazepinen gefallen sei. Das von der Beklagten aufgrund des Auflagenbeschlusses vorgelegte Material belege ein erhebliches Nebenwirkungspotential von Benzodiazepinen, die in ihrer Schwere einer Hepatotoxizität entsprächen oder über diese hinausgingen, wie etwa die Gefahr einer missbräuchlichen Überdosierung und Selbsttötungen unter Zuhilfenahme von Benzodiazepinen. Auch das von der Beklagten angeführte Buspiron weise ein größeres Abhängigkeitspotential als Kava-Kava auf und sei nebenwirkungsbehaftet. Vergleichbares gelte für Antidepressiva, auch in Bezug auf Leberschädigungen. Johanniskraut zeige Wechselwirkungen zu anderen Arzneimitteln, führe zu Lichtempfindlichkeit und müsse über einen längeren Zeitraum eingenommen werden, um überhaupt eine Wirkung zu zeitigen.
28Auch bestehe eine Asymmetrie in der Risikobewertung des BfArM bei Phyto-pharmaka. Es stelle sich die Frage, warum bei einem freiverkäuflichen Arznei-mittel wie „V. “ mit dem Wirkstoff aus der Pelargoniumwurzel, das ebenfalls im Verdacht stehe, Leberschädigungen hervorzurufen, dieses Risiko in Kauf genommen werde, bei Kava-Kava jedoch trotz von den Unternehmen angebotener Transaminasen-Kontrollen, der Verschreibungspflicht und des hochwertigen Anwendungsgebiets die Zulassungen widerrufen würden.
29Die Klägerin hat beantragt,
30den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 aufzuheben.
31Die Beklagte hat beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend Folgendes ausgeführt: Die von der britischen Gesundheitsbehörde in ihrem Bericht aus dem Jahr 2006 aufgeführten 110 Nebenwirkungsverdachtsfälle beschränkten sich nicht auf acetonische Extrakte, sondern hätten in der Mehrzahl der Fälle ethanolische Extrakte betroffen.
34Die seitens der Unternehmen vorgelegten toxikologischen Untersuchungen seien nicht geeignet, die Risikofreiheit des Wirkstoffs zu belegen. Insbesondere geeignete Tierstudien stünden aus. Eine Kurzzeitanwendung von nur vier Wochen sei angesichts des Krankheitsbildes auch wenig realistisch. Die einschlägigen Guidelines forderten eine Studiendauer bei Nicht-Nagern von neun Monaten.
35Auch die Wirksamkeit sei nicht hinreichend belegt. Insbesondere sei die Darstellung, die Monographie der Kommission E beruhe auf einer DC-Messung, nicht belegt. Aus den Unterlagen zur Monographieerstellung der Kommission E gehe hervor, dass die Bestimmung auch zum damaligen Zeitpunkt schon mit der HPLC-Methode erfolgt sei. Die zwischenzeitliche Erhöhung der Tagesdosis über den monographiekonformen Wert von 60 bis 120 mg Kava-Pyrone hinaus sei nicht geeignet, das negative Nutzen-Risiko-Verhältnis zu ändern.
36Der Klägerin sei zwar darin zuzustimmen, dass in der Phytotherapie der arzneilich wirksame Bestandteil durch das Extraktionsmittel und das Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) eindeutig gekennzeichnet sei und eine Änderung des Extraktionsmittels bzw. des DEV auch zu einem anderen Wirkstoff führe. Nur die Berücksichtigung ethanolischer Extrakte reduziere aber auch das zugunsten der Klägerin vorgelegte Studienmaterial immens, da dann alle Ergebnisse zu wässrigen, acetonischen oder CO2-Extrakten nicht berücksichtigungsfähig seien.
37Die Beklagte sieht sich durch die NTP-Studie in ihrer Risikobewertung bestätigt. Dass die US-amerikanische Behörde hieraus keinen Handlungsbedarf abgeleitet habe, sei ohne Belang. Die von der Klägerin herangezogenen neueren Studien seien nicht hinreichend aussagekräftig.
38Die Möglichkeit der Anordnung von Post Authorization Safety Studies sei erst durch das 2. AMG-Änderungsgesetz vom 19. Oktober 2012 geschaffen worden.
39Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2012 durch Urteil vom 20. Mai 2014 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis Kava-Kava-haltiger Arzneimittel der hier streitgegenständlichen Art erweise sich nicht als ungünstig. Wenngleich die Monographie „Piperis methystici rhizoma" der Kommission E vom 1. Juni 1990, aus der die Klägerin die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel im Wesentlichen herleite, nicht auf einer aktuellen Erfordernissen genügenden klinischen Erprobung des Wirkstoffs beruhe, sei sie in der Folgezeit Grundlage für eine Vielzahl von Zulassungen und Nachzulassungen Kava-Kava-haltiger Präparaten gewesen, ohne dass insoweit eine sachliche Unterscheidung zwischen ethanolischen und anderen Auszügen erfolgt sei. Diese Wirksamkeitsaussage habe das BfArM im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert angegriffen. Auch habe sich die Kommission E noch im Jahre 2002 in Kenntnis der bekannten Risikoaspekte für die Verkehrsfähigkeit der Produkte unter dem Vorbehalt bestimmter Sicherheitsmaßnahmen ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund könne den vom Widerruf betroffenen Arzneimitteln ungeachtet ihrer Dosierung nicht jede Wirksamkeit von vornherein abgesprochen werden. Wegen des abweichenden Prüfungsmaßstabs des § 30 Abs. 1 AMG komme es auf die Frage, ob die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in einer den Anforderungen des § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 AMG genügenden Weise begründbar sei, nicht an.
40Dem durch die Zulassungsbescheide belegten Nutzen der Präparate in den Anwendungsgebieten „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" stünden Anwendungsrisiken in Gestalt hepatotoxischer Ereignisse gegenüber. Die in dem Bericht der WHO dokumentierten Fälle lebertoxischer Reaktionen seien im Rahmen einer quantitativen Gewichtung angesichts der weiten Verbreitung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel als „selten" oder „sehr selten" auftretende Nebenwirkungen auszuweisen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin nachvollziehbar dargelegt habe, dass in die Berichte der WHO und der MHRA auch Meldungen aus Deutschland eingeflossen seien und deswegen eine doppelte Berücksichtigung ein und desselben Ereignisses nahe liege. Inhaltlich sei das zu den hepatotoxischen Nebenwirkungen vorliegende Zahlenmaterial nicht konsistent. Das aus Großbritannien ausgewertete Zahlenmaterial beziehe sich auf die Anwendung von Kava-Kava in einem anderen Anwendungsgebiet, nämlich Blasenerkrankungen. Zudem erschwere die Multikausalität von Leberschädigungen die Zuordnung zu einer bestimmten Medikamentengabe. Die Klägerin habe nachvollziehbar dargelegt, dass es auch in sog. „Rechallenge-Fällen" einer Dokumentation der Komedikation bedürfe, um eine tragfähige Wahrscheinlichkeitsaussage treffen zu können. In der vorliegenden Gestalt lasse das Zahlenmaterial nur die Aussage einer möglichen Verknüpfung von Nebenwirkungen durch Kava-Kava-Gabe zu. Dies gelte auch für ethanolische Extrakte.
41Im Rahmen der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses hat das Verwaltungsgericht zunächst darauf hingewiesen, dass das monographierte Anwendungsgebiet „nervöse Angst, Spannungs- und Unruhezustände" sich mit dem für Benzodiazepine zugelassenen Anwendungsgebiet überschneide. Obwohl es sich bei Letzteren um zugelassene und verschreibungspflichtige Arzneimittel handele, gingen von diesen Wirkstoffen erhebliche Gefahren aus. Es bestehe schon bei therapeutischen Dosierungen ein sehr hohes Abhängigkeitspotential. Benzodiazepine würden weltweit als Medikamente mit der höchsten Missbrauchsrate gelten. Seit 2002 habe es für Benzodiazepine insgesamt 4.478 UAW-Meldungen gegeben, die sich über eine Vielzahl von unerwünschten Nebenwirkungen erstreckten und - soweit schwer - bei Suizidversuchen und Suchtmissbrauch deutliche Spitzen aufwiesen, vereinzelt aber auch Leberschädigungen zeigten. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer risikoärmeren Alternative zu Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln ausgegangen werden. Das gelte in abgeschwächter Form auch für das vom BfArM angeführte Buspiron und die erwähnten Antidepressiva. Zudem seien im Rahmen einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Übermaßverbot orientierten Nutzen-Risiko-Abwägung andere regulatorische Maßnahmen zur Risikominimierung zu berücksichtigen, die eine weitere Verkehrsfähigkeit der Produkte ohne unvertretbare Gefahren für die öffentliche Gesundheit gewährleisteten. Hierzu zählten die Verschreibungspflicht, Gegenanzeigen, Anwendungsbeschränkungen, eine ausdrückliche Beschränkung der Anwendungsdauer sowie eine begleitende regelmäßige Erhebung der Leberwerte. Hinzu trete die nunmehr gemäß § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG auch nach Erteilung der Zulassung bestehende Möglichkeit der Bundesoberbehörde, im Wege der Auflage anzuordnen, Unbedenklichkeitsprüfungen durchzuführen, wenn dies im Interesse der Arzneimittelsicherheit erforderlich sei. Angesichts des Umstandes, dass bislang die Anhaltspunkte für ein hepatotoxisches Risiko der streitbefangenen Produkte nicht mit der genügenden Sicherheit hätten verifiziert werden können, wäre eine solche nachgelagerte Erprobung bei fortbestehender Marktfähigkeit unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten naheliegend und das gegenüber dem Widerruf mildere Mittel.
42Die Beklagte hat die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Die Möglichkeit, eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen, bestehe nicht. Das materielle Recht, insbesondere § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG, eröffne nicht die Möglichkeit, nach Zulassung eine Unbedenklichkeitsstudie anzuordnen. Es bestehe kein Ansatz dafür, dass die Vorschrift auf vor ihrem Inkrafttreten eingeleitete (und abgeschlossene) Risikoverfahren Anwendung finde. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass die aktuelle Bewertung der Wirksamkeit des Arzneimittels ein maßgeblicher Abwägungsbelang bei der Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses sei. Die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel sei bereits bei Erstellung der Monographie der Kommission E fraglich gewesen. Wegen der geringen Bedeutung von Kava-Kava sei zunächst eine Negativmonographie erstellt worden. Die von der Kommission E in Bezug auf die Wirksamkeit angenommene Plausibilität würde und könnte unter den heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen zu einer traditionellen Registrierung gemäß § 39c AMG führen, womit allerdings eine sehr viel kritischere Nutzen-Risiko-Bewertung einhergehe. Schon zum Zeitpunkt der Stufenplanentscheidung hätten dem BfArM keine Studien vorgelegen, die eine Wirksamkeit ausreichend belegt hätten. Das Herbal Medicinal Product Commitee (HMPC) habe in einer öffentlichen Stellungnahme „Piperis methystici rhizoma“ als einen der Wirkstoffe benannt, für die die Erstellung einer Positivmonographie nicht erfolgversprechend erscheine. Das angegriffene Urteil überspanne die Anforderungen an den Verdachtsgrad schädlicher Nebenwirkungen. Wenn - wie vorliegend - eine größere Anzahl von Verdachtsfällen zusammenkomme, ergebe sich der begründete Verdacht des Auftretens unvertretbarer schädlicher Wirkungen mit zumindest möglicher Kausalität. Da es sich hier um sehr schwerwiegende Nebenwirkungen mit ernsten Konsequenzen gehandelt habe, seien zum Schutz der Patienten einschneidende Maßnahmen gerechtfertigt gewesen. Die vom Gericht beanstandete fehlende Häufigkeit der Nebenwirkungen sei aus den Daten der Spontanerfassung bekanntermaßen nicht verlässlich ableitbar. Insoweit sei insbesondere die hohe Dunkelziffer zu berücksichtigen. Quantitative Aussagen zur Häufigkeit von Nebenwirkungen seien nur durch Studien mit systematischer Datenerfassung und ausreichender Anzahl eingeschlossener Patienten zu treffen. Entscheidend sei das Vorliegen einer Reihe von Fällen schwerwiegender Nebenwirkungen, bei denen ein kausaler Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln zumindest möglich erscheine. Dieser sei nach den dem BfArM vorliegenden - im Folgenden nochmals zusammengefassten - Erkenntnissen gegeben. Daraus gehe hervor, dass Kava-Kava eindeutig das Potential zu schwerer Lebertoxizität habe, wobei auch idiosynkratische Leberschädigungen eine denkbare Erklärungsmöglichkeit seien. Die Darstellung der Klägerin zu Inzidenzraten bleibe unklar. An der Arbeit von Teschke et al. sei auffällig, dass der Kausalzusammenhang in 13 Fällen wegen anderer nicht medikamentöser Ursachen verneint worden sei und dies in drei beispielhaft aufgeführten Fällen nicht mit den differenzialdiagnostischen Feststellungen der Ärzte, von denen diese Fallberichte stammten, in Einklang stehe. In der bisherigen Diskussion zu Noble-Kava und den zu erwartenden Qualitätsunterschieden habe die Klägerin bislang nicht belegt, welche Kava-Qualität sie in den 80er/90er Jahren verwendet habe. Es sei auch nicht dargelegt, ob die klinischen Studien, die der damaligen Zulassung zugrunde lagen, ausschließlich mit Noble-Kava durchgeführt worden seien.
43Auch wenn der für die NTP-Studie verwendete Extrakt mit überkritischem Kohlendioxyd nicht mit den ethanolischen Extrakten vergleichbar sei - was sich angesichts der 96%igen Ethanolkonzentration jedoch diskutieren ließe -, seien die dort gewonnenen Schlussfolgerungen als Hintergrundinformation bei der Bewertung mit einzubeziehen. Mit Bezug auf den Mechanismus der Hepatotoxizität seien zudem die Ergebnisse weiterer im Einzelnen aufgeführter Publikationen aus den Jahren 2011 und 2012 zu berücksichtigen.
44Die Nutzen-Risiko-Abwägung des Verwaltungsgerichts verdiene Kritik. Die dort angeführte Überschneidung der Anwendungsgebiete von Benzodiazepin- und Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln wiege die Unterschiede beider Arzneimittel nicht auf. Vielmehr sei mit Blick auf etwaige Behandlungsalternativen insbesondere die interdisziplinäre S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen" in den Blick zu nehmen. Benzodiazepine zählten danach weder zu den Arzneimitteln der ersten noch der zweiten Wahl für die Angstbehandlung. Dazu zählten demgegenüber selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, Pregabalin, Buspiron, Opipramol, Hydroxyzin und damit Arzneimittel mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis. Abgesehen davon handele es sich bei der mit einer Behandlung mit Benzodiazepinen vielfach auftretenden Abhängigkeit um eine Niedrigdosisabhängigkeit, die keine Abhängigkeit im eigentlichen Sinne sei. Das Verwaltungsgericht setze sich auch in Widerspruch zu den von ihm selbst aufgestellten Kriterien, wenn es die missbräuchliche Verwendung von Benzodiazepinen in die Abwägung einfließen lasse. Darüber hinaus stünden auch aus dem Bereich der pflanzlichen Arzneimittel Behandlungsalternativen, etwa Baldrianwurzelzubereitungen oder Lavendelöl, zur Verfügung. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass dem Widerruf die Anordnung des Ruhens als milderes Mittel vorausgegangen sei. Die Widerrufsentscheidung habe darauf beruht, dass die Zulassungsinhaber nicht bereit gewesen seien, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen bzw. weiteres wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorzulegen. Auch wenn man die geänderte Rechtslage zugrundelegte, wäre die Anordnung einer Unbedenklichkeitsstudie kein gleich geeignetes, erst recht kein milderes Mittel. Denn sie lasse nicht den Versagungsgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entfallen, sondern diene allein dem Gewinn neuer Erkenntnisse und der Erforschung der Risiken. Folglich führe eine solche Studie nicht zu einer Risikominimierung und wirke sich deswegen nicht positiv auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis aus. Das Risikoverfahren zu pelargoniumwurzelhaltigen Arzneimitteln sei mit dem vorliegenden Verfahren nicht vergleichbar und müsse differenziert bewertet werden.
45Die Beklagte beantragt,
46das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 20. Mai 2014 zu ändern und die Klage abzuweisen.
47Die Klägerin beantragt,
48die Berufung zurückzuweisen.
49Zur Begründung führt sie aus: Nach dem im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden materiellen Recht hätte die Beklagte die Durchführung einer PASS anordnen können. Zudem sei es eine stets geübte Praxis des BfArM gewesen, auf der Grundlage von § 30 AMG i. V. m. § 36 VwVfG entsprechende Anordnungen zu treffen. Die Ausführungen der Beklagten zur Nutzen-Risiko-Bewertung des Verwaltungsgerichts seien nicht überzeugend. Nach Erstellung der Monographie der Kommission E habe sich die Erkenntnislage eindeutig zu Gunsten von Kava-Kava verbessert. Das BfArM habe dies dadurch bestätigt, dass es gestützt auf diese Monographie und die nachfolgend publizierten klinischen Prüfungen sehr viele Zulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt habe und zwar mit einem Status nach § 22 Abs. 3 AMG. Die von der Beklagten zitierte öffentliche Stellungnahme des HMPC führe zu keiner anderen Bewertung der Wirksamkeit von Kava-Kava. Die darin enthaltenen Aussagen beträfen traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die nicht verschreibungspflichtig seien, und könnten nicht auf die hier streitbefangenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel erstreckt werden. In Bezug auf die in Rede stehenden Nebenwirkungen sei zwischen Kava-Kava-Präparaten aus Noble-Kava mit ethanolischem Extrakt und solchen aus Two-Day-Kava mit acetonischem Extrakt zu unterscheiden. Bei Ersteren ergebe sich aus den vorliegenden Erkenntnissen allenfalls ein schwacher Verdacht für Nebenwirkungen. Im Zusammenhang mit möglichen Behandlungsalternativen führe die Beklagte Arzneimittel an, die für andere Anwendungsgebiete zugelassen seien als Kava-Kava, und verharmlose überdies das bei einer Behandlung mit Benzodiazepinen bestehende Abhängigkeitsrisiko. Entsprechendes gelte mit Bezug auf die in der interdisziplinären S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen aufgeführten Arzneimittel. Die von der Beklagten als Behandlungsalternative benannten pflanzlichen Arzneimittel deckten nicht die gleichen Erkrankungen ab. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehe bei Pelargoniumwurzelpräparaten und Kava-Kava-Präparaten in fachlich-medizinischer Hinsicht eine vergleichbare Situation. Insofern sei es bemerkenswert, dass das BfArM nur bei Ersteren, nicht hingegen bei Letzteren die Möglichkeit gesehen habe, eine PASS durchzuführen.
50Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
51Entscheidungsgründe:
52Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
53Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der
54Widerrufsbescheid des BfArM vom 21. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Februar 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
55Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung der Arzneimittel Kava N. Kapseln, B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten sind nicht erfüllt.
56Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz, hier also der Berufungsverhandlung, entscheidend. Der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Für die Anfechtungsklage gilt im Allgemeinen, dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist, es sei denn, das materielle Recht regelt etwas Abweichendes.
57Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Juli 1989 - 7 C 39.87 -, juris, Rn. 8, und vom 1. Juni 2011 - 8 C 4.10 -, juris, Rn. 19.
58Letzteres muss nicht zwingend in Gestalt einer ausdrücklichen fachgesetzlichen Regelung zum Ausdruck kommen, sondern kann sich auch aus dem Sinn und Zweck des jeweils einschlägigen Normgefüges ergeben.
59Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage, 2014, § 113, Rn. 96.
60Dies ist hier der Fall. Einerseits erfordert der in § 1 AMG niedergelegte Gesetzeszweck der Arzneimittelsicherheit - wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend festgestellt hat - die Berücksichtigung von Änderungen der Sach- und Rechtslage nach der letzten behördlichen Entscheidung.
61Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 28 f.
62Andererseits gebietet dies die besondere Eingriffsintensität des Widerrufs in die Grundrechte der pharmazeutischen Unternehmer. Denn die Wiedererlangung der Zulassung ist nach deren bestandskräftigem Widerruf erheblich erschwert. Das folgt daraus, dass die Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 AMG nicht deckungsgleich mit den Widerrufsgründen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG sind. Insbesondere ist der Widerruf der Zulassung nicht vorgesehen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG nachträglich eingetreten ist, also dann, wenn das Arzneimittel nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend geprüft worden ist oder das andere wissenschaftliche Erkenntnismaterial nach § 22 Abs. 3 AMG nicht dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht. Angesichts dessen ist es unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Bestätigt wird dies durch den in § 30 Abs. 2a AMG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken einer gegenüber dem Widerruf vorrangigen Anpassung der Zulassung nach Maßgabe der jeweils geltenden Sach- und Rechtslage.
63Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung richtet sich deswegen nach § 30 Abs. 1, 2a AMG in der Fassung vom 19. Dezember 2012. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMG ist die Arzneimittelzulassung zu widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG nachträglich eingetreten ist, das heißt, wenn sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Präparats nachträglich als ungünstig erweist. Gemäß § 30 Abs. 2a Satz 1 1. Alt. AMG ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt. Ein Widerruf der Zulassung ist danach nur gerechtfertigt, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels ungünstig ist und dem durch eine Änderung der Zulassung nicht abgeholfen werden kann. Die Zulassungsänderung hat damit bei Vorliegen eines Versagungsgrundes Vorrang gegenüber dem Widerruf, mit der Folge, dass dieser rechtswidrig ist, wenn die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2a AMG erfüllt sind.
64Vgl. zu § 30 AMG a.F. Krüger, in: Kügel/Müller/ Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 34.
65Das ist hier der Fall. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitbefangenen Präparate ist derzeit ungünstig (I.). Dies rechtfertigt aber nicht den Widerruf der Zulassungen, weil dieser Versagungsgrund bereits durch deren Änderung ausgeräumt werden kann (II.).
66(I.) Das Nutzen-Risiko-Verhältnis umfasst nach § 4 Abs. 28 AMG eine Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im Verhältnis zu dem Risiko nach Absatz 27 lit. a. Dies ist jedes Risiko im Zusammenhang mit der Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels für die Gesundheit der Patienten. Mit dem Begriff des Risikos wird ebenso wie bei der früheren Gesetzesfassung des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG jede Art von schädlichen Wirkungen erfasst, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen. Nach der bis zum 5. September 2005 geltenden Vorschrift durfte die Zulassung versagt werden, wenn bei dem Arzneimittel der begründete Verdacht bestand, dass es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen (vgl. auch § 5 Abs. 2 AMG). Mit der Änderung des Wortlauts des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG, die der Angleichung an die Richtlinienvorgaben diente, ist keine inhaltliche Änderung verbunden. Beide Fassungen erstrecken sich auf jegliche Nebenwirkungen. Unter Nebenwirkungen sind die beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen zu verstehen (§ 4 Abs. 13 AMG), also nicht nur pharmakologisch-toxikologische Wirkungen, sondern jedwede unerwünschte Folge. Der erforderliche Verdacht schädlicher Wirkungen liegt vor, wenn ernstzunehmende Erkenntnisse den Schluss nahelegen, dass das Arzneimittel unvertretbare Nebenwirkungen hat.
67Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, NVwZ-RR 2010, 330 = juris, Rn. 32 ff., sowie Beschluss vom 12. Juni 2012 - 3 B 88.11 ‑, juris, Rn. 3; OVG NRW, Urteile vom 7. November 2012 - 13 A 2710/08 -, juris, Rn. 39 ff. und vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 - , juris, Rn. 34; BT-Drs. 15/5316, S. 38.
68Dafür bedarf es keines positiven Nachweises der kausalen Beziehung zwischen der Einnahme des Arzneimittels und aufgetretenen Nebenwirkungen, weil dies dem Gebot der Arzneimittelsicherheit zuwiderlaufen würde.
69Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 ‑, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774; OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 11; OVG Berlin, Urteil vom 16. September 1999 - 5 B 34.97 -, juris, Rn. 17; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: 2012, § 25, Rn. 76, m. w. N.
70Insbesondere dann, wenn schwere Gesundheitsgefahren in Rede stehen, reicht es aus, wenn die entfernte Möglichkeit einer Risikoverwirklichung besteht.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2009 - 13 A 1428/08 -, juris, Rn. 13.
72Ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis folgt nicht bereits daraus, dass die bezweckte therapeutische Wirksamkeit eines Arzneimittels nicht (mehr) belegt ist. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, begründen Zweifel an der Wirksamkeit oder eine unzureichende Wirksamkeitsbegründung nicht automatisch die Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses und rechtfertigen daher für sich genommen nicht die Aufhebung der Zulassung, die nur auf die feststehende fehlende Wirksamkeit gestützt werden kann (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG).
73Vgl. dazu Krüger, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 30, Rn. 15.
74Nach aktuellem Erkenntnisstand bestehende Zweifel an der Wirksamkeit eines Arzneimittels sind für die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG zu treffende Prognoseentscheidung gleichwohl von Bedeutung. Denn unter der Voraussetzung, dass die insoweit darlegungs- und materiell beweispflichtige Behörde sie konkret begründet hat, bilden sie einen Abwägungsbelang, der auf dritter Stufe bei der Abwägung des festgestellten Nutzens und der Risiken eines Arzneimittels zu berücksichtigen ist.
75Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. Januar 2014 - 13 A 2730/12 -, juris, Rn. 43.
76Hierbei sind Gesichtspunkte wie Indikation, Schwere des zu behandelnden Defekts, Behandlungsnotwendigkeit, Chancen eines Behandlungserfolges sowie eventuelle Behandlungsalternativen gegen solche wie Schweregrad und Häufigkeit der unerwünschten Nebenwirkung, die Rückbildungswahrscheinlichkeit (Reversibilität), mutmaßliche Gegenmaßnahmen und Suchtpotential im Sinne einer Vertretbarkeitsentscheidung gegeneinander abzuwägen.
77Vgl. zu den Abwägungskriterien: Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand 2012, § 25 Rn. 77; Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, § 25, Rn. 56.
78Voraussetzung für den Widerruf ist, dass die mit dem Verdacht schädlicher Wirkungen verbundenen Risiken gegenüber dem therapeutischen Nutzen des Arzneimittels überwiegen.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2007 - 3 C 36.06 -, Pharma Recht 2007, 423 = NVwZ-RR 2007, 774.
80Die materielle Beweislast für das Vorliegen sämtlicher tatbestandlichen Voraussetzungen des den Widerruf der Zulassung auslösenden Versagungsgrundes trägt die Beklagte,
81vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 1993 - 3 C 46.91 -, juris, Rn. 31; Kügel, in: Kügel/Müller/ Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 58,
82mit der Folge, dass insoweit verbleibende Zweifel zu ihren Lasten gehen und sie das Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts trägt.
83Hiervon ausgehend gilt für die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses der hier streitgegenständlichen Arzneimittel Folgendes:
84(1) Kernkriterium für die Bewertung des Nutzens eines Arzneimittels ist seine therapeutische Wirksamkeit. Diese ist für die Präparate B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten mit einer Tagesdosierung entsprechend 120 bis 240 mg Kava-Pyrone und für das Präparat Kava N. Kapseln mit einer Tagesdosierung von 150 bis 200 mg Kava-Pyrone zu bejahen. Mit dieser Dosierung sind B. 120 mg Tabletten, Kava-N1. Tabletten, T. Tabletten und X. Tabletten und gelten Kava N. Kapseln als zugelassen. Für die zuerst genannten Präparate folgt dies aus § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, Satz 3 AMG. Die Klägerin hat die Erhöhung der Dosierung dafür nebst entsprechender Änderung der Gebrauchs- und Fachinformationen durch Änderungsanzeigen vom 7. April 2011 angezeigt. Die Beklagte hat den Änderungsanzeigen nicht innerhalb der Dreimonatsfrist widersprochen, was zur Folge hat, dass die Zustimmung als erteilt gilt (§ 29 Abs. 2a Satz 3 AMG). Für das Präparat Kava N. Kapseln, für das bislang keine Nachzulassung erteilt wurde, hat die Klägerin ebenfalls eine Dosierungsänderung angezeigt, die mangels bestehender Genehmigungspflicht zu einer entsprechenden Modifizierung der fiktiven Zulassung geführt hat (vgl. § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG). Unschädlich ist insoweit, dass die Änderungsanzeigen erst im laufenden Widerspruchsverfahren gestellt worden sind. Denn der sofortige Vollzug des Widerrufs berührt die Wirksamkeit der Zulassungen nicht.
85Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Präparate wird weder durch das erstinstanzliche Vorbringen der Beklagten noch durch ihr Vorbringen im Berufungsverfahren durchgreifend in Zweifel gezogen.
86Mit ihrer Monographie „Piperis methystici rhizoma“ („Kava-Kava-Wurzelstock“) vom 1. Juni 1990 hat die Kommission E die anxiolytische, also angstlösende Wirkung des Wirkstoffs für die Anwendungsgebiete „Nervöse Angst-, Spannungs- und Unruhezustände“ unter Angabe einer Tagesdosis von Droge und Zubereitung entsprechend 60-120 mg Kava-Pyrone festgestellt. In weitgehender Übereinstimmung damit steht die Aussage der entsprechenden im Jahr 2003 veröffentlichten Monographie der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), des europäischen Dachverbandes der nationalen Gesellschaften für Phytotherapie. Darin ist als Anwendungsgebiet „Anxiety, tension and restless-ness arising from various causes of non psychotic origin“ mit einer Tagesdosie-rung von 60-120 mg Kavalactonen angegeben.
87Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
88Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt den von den unterschiedlichen Kommissionen aufgestellten Kriterien und Empfehlungen die Qualität antizipierter Sachverständigengutachten zu.
89Vgl. BVerwG, Urteile vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 25, und vom 16. Oktober 2008 - 3 C 24.07 -, juris, Rn 20.
90Sie geben den jeweiligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wieder und sind einer Neubewertung zugänglich. Stellungnahmen der Kommissionen sind anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG. Die Zulassungsbehörde ist nicht an die in der Monographie getroffene Aussage gebunden.
91Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 177.
92Da sachverständige Feststellungen bei besserer Erkenntnis ersetzt werden können (und müssen), darf die Kommission von früheren Feststellungen in Aufbereitungsmonographien abweichen.
93Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 - 3 C 10.09 -, juris, Rn. 27.
94Handelt es sich dabei um allgemeine Aussagen, sind diese als sachverständige Äußerung zu bewerten.
95Vgl. dazu Kügel, in: Kügel/Müller/Hoffmann, Arzneimittelgesetz, 2012, § 25, Rn. 178.
96Die Kommission E verfügt über besondere Sach- und Fachkunde. Hieraus und nicht zuletzt deswegen, weil es sich dabei um ein neutrales Sachverständigengremium handelt, folgt die besondere Bedeutung ihrer Stellungnahmen. Die Mitglieder der Kommission E sind Sachverständige mit besonderen Kenntnissen der wissenschaftlichen und/oder praktischen Phytotherapie. Die Kommission ist interdisziplinär mit Experten für Toxikologie, experimentelle Pharmakologie, Biometrie, pharmazeutische Biologie sowie Ärzten und Heilpraktikern, die Phyto-pharmaka praktisch einsetzen, zusammengesetzt. Diese werden alle drei Jahre von Verbänden der Fachrichtung vorgeschlagen und vom Bundesgesundheitsministerium benannt.
97Vergleichbares gilt bezogen auf die Monographien der ESCOP. Wenngleich sie keinen gesetzlichen Standard definieren, dienen sie dazu, die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz auf der Basis der aktuellen Literatur zusammenzustellen
98Vgl. Pharmazeutische Zeitung online „Monographien als Richtschnur“ 13/2014, abrufbar unter: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/ index.php?id=51461.
99Die Beklagte hat die Monographie der Kommission E aus 1990 im Zulassungsverfahren als Wirksamkeitsbeleg zugrunde gelegt, ohne weitere Erkenntnisse zu fordern oder beizuziehen. Angesichts dessen sieht der Senat keine Veranlassung, die Wirksamkeit des Arzneimittels bezogen auf diesen Zeitpunkt anzuzweifeln, zumal die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid selbst konstatiert, dass das Votum der Kommission E dem Erkenntnisstand der frühen 1990er Jahre entsprochen habe.
100Demgegenüber fehlen Vortrag und Anhalt dafür, dass dieser Erkenntnisstand durch neuere Erkenntnisse, die ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel begründen, überholt ist. Im Gegenteil: Die Kommission E hat sich aufgrund der Einleitung des Stufenplanverfahrens und nach näherer Befassung mit der Angelegenheit veranlasst gesehen, in einer Anfang des Jahres 2002 verfassten öffentlichen Erklärung mitzuteilen, dass ihre Mitglieder nach wie vor von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt seien. Das impliziert, dass zum damaligen Zeitpunkt aus Expertensicht keine abweichenden neuen Erkenntnisse vorlagen. Nichts spricht dafür, dass die Kommission E zwischenzeitlich angesichts aktuellerer Forschungsergebnisse von diesem Standpunkt abgerückt ist. Insbesondere hat sie bis heute keine anderslautende Stellungnahme abgegeben. Entsprechendes gilt für die ESCOP. Die für „Piperis methystici rhizoma“ erstellte Monographie gehörte zu den ersten 80 Monographien, die die ESCOP im Jahr 2003 veröffentlicht hat.
101Vgl. ESCOP Monographs, 2003, The scientific foundation for herbal medicinal products, S. 365 ff.
102Obgleich die ESCOP ihre Monographien regelmäßig überarbeitet und aktualisiert, hat diejenige für „Piperis methystici rhizoma“ bislang keine Änderung erfahren.
103Hinzu kommt, dass die WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 (Coulter et al., „Assessment of the risk of hepatotoxicity with kava products“) offensichtlich ebenfalls von der Wirksamkeit von Kava-Kava ausgeht. Dort heißt es, 16 gut kontrollierte Doppelblindstudien hätten die angstlösende Wirkung von Kava-Kava gezeigt (vgl. Tabelle 3, S. 6, 11). Diese Bewertung entspricht der mit dem Ziel der Untersuchung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel durchgeführten Metaanalyse einer Reihe randomisierter placebokontrollierter Doppelblindstudien von Pittler und Ernst (zuletzt, „Kava extract versus placebo for treating anxiety“, 2003). Diese hat zur Wirksamkeit der Behandlung von Angststörungen, gemessen an den Kriterien der Hamilton Anxiety Scale (HAMA) die Überlegenheit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel gegenüber Placebopräparaten ergeben. Eventuelle Mängel der analysierten Einzelstudien vermögen die Indizwirkung des Ergebnisses der Metaanalyse im Zusammenhang mit dem weiteren Erkenntnismaterial nicht zu entkräften.
104Letztlich konzediert die Beklagte selbst eine - wenngleich dosisabhängige - Wirksamkeit, wenn es in dem angefochtenen Bescheid heißt, bei Dosierungen oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone pro Tag bestehe ein gewisser Anhalt für eine Wirksamkeit in den beanspruchten Indikationen. Angesichts dessen sind Wirksamkeitszweifel auch nicht etwa deswegen angezeigt, weil die Dosierung der streitgegenständlichen Präparate - worauf noch einzugehen sein wird - über die Monographieempfehlung hinaus geht, zumal das übrige in das Verfahren eingeführte Erkenntnismaterial hierfür ebenfalls keinen Anknüpfungspunkt bietet. Hinzu kommt, dass aus dem angefochtenen Bescheid hervorgeht, dass die Wirksamkeitszweifel des BfArM nicht auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützt sind, wenn es darin heißt, aus den Ausführungen zur Wirksamkeit ergäben sich keine neuen Erkenntnisse gegenüber dem früheren Kenntnisstand (Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2012, S. 6).
105Angesichts dieser Erkenntnissituation vermag der Umstand, dass das vorliegende Studienmaterial heute nicht in jeder Hinsicht den speziell für Angsterkrankungen entwickelten Anforderungen der Guidelines der European Medicines Agency (EMA) entspricht, keine nachhaltigen Zweifel am Nutzen der Präparate zu wecken. Das gilt bereits bei einer monographiekonformen Dosierung. Da die Kommission E eine Dosierung oberhalb von 120 mg Kava-Pyrone nicht vorgegeben hat, kommt es hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit auf die unterschiedlichen Auffassungen der Beteiligten hinsichtlich der jeweils zugrunde liegenden Berechnungsgrundlagen nicht entscheidungserheblich an.
106Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, aus der nicht zureichend belegten Wirksamkeit resultierten automatisch Wirksamkeitszweifel, ist dieser Rückschluss ohne das Hinzutreten tatsächlicher Anhaltspunkte für solche Zweifel nicht gerechtfertigt. Denn in der Konsequenz würde dies in einer nicht überschaubaren Anzahl von Fällen dazu führen, dass während der Geltungsdauer einer Zulassung die Wirksamkeit eines Arzneimittels fortlaufend neu zu belegen wäre. Überdies geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass bei der Forderung nach einer guidelinekonformen Studie die Absicht im Vordergrund steht, Daten für die weitere Nutzen-Risiko-Abwägung zu generieren. Zumindest bietet dies einen Erklärungsansatz dafür, warum das BfArM im Stufenplanbescheid auf die CPMP-Guidelinie zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln zur Behandlung von Angststörungen in der Fassung aus den Jahren 1993/94 verwiesen hat, obgleich es - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge - zugleich bis in das Jahr 2001 Neuzulassungen für Kava-Kava-haltige Arzneimittel erteilt hat, ohne die Vorlage entsprechender Studien verlangt zu haben.
107Die weiteren Einwände der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Bewertung: Ihr Hinweis darauf, dass die Kommission E im Zuge der Ausarbeitung der Monographie angesichts der geringen Bedeutung von Kava-Kava als Droge oder Drogenzubereitung zunächst beabsichtigte, eine Negativmonographie zu erstellen, ist unerheblich. Denn abgesehen davon, dass die geringe Bedeutung eines Wirkstoffs nichts über seine Wirksamkeit aussagt, hat die Kommission E diese Einschätzung - was entscheidend ist - letztlich revidiert und eine Positivmonographie erstellt. Darin hat sie folgende Überlegungen zur Wirksamkeit von Kava-Kava angestellt:
108„Aufgrund der Wirkungen der isolierten Inhaltsstoffe ist eine
109schwache, zentral relaxierende Wirkung ähnlich wie bei
110Benzodiazepinen anzunehmen. Durch Kava-Kava-Extrakt zeigt sich im quantitativen EEG eine für das anxiolytische Pharmako-EEG-Profil von Benzodiazepinen typische Steigerung der ß-Aktivität bei gleichzeitiger Abnahme der alpha-Aktivität (Johnson 1989). Neuere Studien weisen eine Wirksamkeit von Kava-Kava-Extrakt bei ,Angst, Spannungs- und Unruhezuständen‘ nach (Warnecke 1989, Bhate 1989).“
111Soweit die Beklagte sinngemäß beanstandet, dieser Monographie liege letztlich nur eine Plausibilitätsprüfung zugrunde, ist dem entgegenzuhalten, dass die Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 ausdrücklich erklärt hat, „von den vorgelegten wissenschaftlichen Daten zur Wirksamkeit von Kava-Kava überzeugt zu sein“. Abgesehen davon sind die Überlegungen der Beklagten zu § 39c AMG bereits deswegen nicht tragfähig, weil es sich bei Kava-Kava-Präparaten um Arzneimittel handelt, die der Verschreibungspflicht unterliegen, und eine Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel deswegen ausscheidet (§ 39c Abs. 2 Nr. 2 AMG).
112Ebenso wenig stützt die Stellungnahme des Comittee on Herbal Medicine Products (HMPC) der EMA vom 6. Mai 2014 die Position der Beklagten. Zwar prognostiziert das HMPC darin, dass u.a. für den Wirkstoff „Piperis methystici rhizoma“ angesichts des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses voraussichtlich keine Monographie erteilt werden wird. Hierbei handelt es sich - was sprachlich durch die Formulierung „es ist nicht wahrscheinlich, auf ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu schließen“ zum Ausdruck gebracht wird - nicht um eine sichere Voraussage, sondern um eine Vorabeinschätzung. Da dieser - wie sich aus dem Bericht ergibt - aber gerade keine detaillierte Prüfung zugrunde liegt, kommt ihr kein entscheidendes Gewicht zu. Eine isolierte Aussage über die Wirksamkeit Kava-Kava-haltiger Arzneimittel lässt sich auf der Grundlage dieser Aussage ohnehin nicht treffen. Hinzu kommt, dass sich der Bericht auf Wirkstoffe bezieht, die als Grundlage einer späteren Registrierung (§ 39 AMG) eine Monographie als traditionelle pflanzliche Arzneimittel erhalten sollen, bei denen sich die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nach anderen Maßstäben richtet als bei den verfahrensgegenständlichen verschreibungspflichtigen Präparaten.
113Ist danach von der therapeutischen Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kava-Kava-Präparate auszugehen, sprechen für deren Nutzen weiterhin die Art und Schwere der in Rede stehenden Erkrankung sowie deren Behandlungsnotwendigkeit. Jedenfalls soweit das monographierte Anwendungsgebiet auf die Behandlung von Angststörungen abzielt, handelt es sich nicht um eine Bagatelldiagnose, sondern um eine ernsthafte, weitverbreitete psychische Erkrankung. Bei dieser stehen Symptome der Angst in Gestalt einer anhaltenden Angstreaktion, mangelnder Kontrolle der Angst, eventueller körperlicher Reaktionen einschließlich katastrophisierender Fehlinterpretationen und Beeinträchtigung in wichtigen Funktionen des Berufs-, Alltags- und Familienlebens im Vordergrund.
114Vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Auflage 2012, „Angststörung“.
115Angststörungen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Ihre Verbreitung nimmt zu. Je nach Schweregrad können sie mit erheblichen psychosozialen, somatischen und ökonomischen Folgen einhergehen. Dazu zählen Arbeitsunfähigkeit, ein erhöhtes Risiko für sekundäre komorbide Erkrankungen ‑ beispielsweise Suchterkrankungen -, eine erhöhte Suizidrate sowie eine übermäßige Inanspruchnahme medizinischer Leistungen.
116Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Angststörungen/ Panikattacken: Angst aus heiterem Himmel“, Dezember 2005, 557.
117Bereits bei mittlerem Leidensdruck des Patienten, psychosozialen Einschränkungen sowie Komplikationen der Angsterkrankung ist eine Behandlung in Gestalt von Psycho- oder Pharmakotherapie oder einer Kombination aus beidem indiziert.
118Vgl. Deutsches Ärzteblatt, „Diagnostik und Therapieempfehlungen bei Angststörungen“, Juli 2014, 475 ff.
119Unter diesen Gesichtspunkten erschließt sich der besondere Nutzen einer wirksamen anxiolytischen Medikation. Bezogen auf Kava-Kava-haltige-Präparate ist insoweit zu berücksichtigen, dass deren Anwendung nur für leichte und mittelschwere Formen von Angststörungen indiziert ist, die damit nach Einschätzung von Experten üblicherweise innerhalb eines Monats gut therapiert werden können. Für schwere Angststörungen wird von einer Kontraindikation ausgegangen.
120Vgl. Teschke, Deutsches Ärzteblatt, „Hepatoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“, 2002, 99.
121(2) In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass dem vorstehend beschriebenen Nutzen der verfahrensgegenständlichen Präparate Anwendungsrisiken in Form hepatotoxischer Ereignisse gegenüberstehen, also ein begründeter Verdacht für derartige Nebenwirkungen besteht. Angesichts dessen ist der sinngemäße Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Bewertung die Anforderungen, die an die Annahme eines begründeten Nebenwirkungsverdachts zu stellen sind, überspannt, nicht nachvollziehbar.
122Die von der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007 dokumentierten Fälle sind als Beleg für die Möglichkeit hepatotoxischer Wirkungen der hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparate zu werten. Entsprechendes gilt für die dem BfArM vorliegenden Fallberichte zu Leberreaktionen. Zwar wird dies durch den Bericht der MHRA aus dem Jahr 2006 („Report of the Committee on Safety of Medicines Export Working Group") gestützt. Allerdings ist der Senat übereinstimmend mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der darin enthaltenen Risikobeurteilung, die - unter Einschluss des vom BfArM übermittelten Fallmaterials aus Deutschland - nicht die Begutachtung von Kava-Kava als Anxiolytikum, sondern bei Oberbauch- und Blasenbeschwerden zum Gegenstand hatte, keine besondere Bedeutung beizumessen ist.
123Der Bericht der WHO enthält eine Auswertung von 93 Fallberichten - darunter einige der vom BfArM dokumentierten Fälle aus Deutschland - über hypothetisch mit der Einnahme von Kava-Kava-Extrakten im Zusammenhang stehende Leberschädigungen. In vierzehn Fällen erfolgte eine Lebertransplantation. Sieben Fälle endeten tödlich. Die WHO-Expertengruppe bewertete die Kausalität zwischen hepatotoxischer Schädigung und der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten in keinem Fall als sicher, in acht Fällen als wahrscheinlich, in 54 Fällen als möglich und in 28 Fällen als nicht bewertbar.
124Die Beklagte verweist auf 41 Fälle in Deutschland aufgetretener lebertoxischer Reaktionen. Hiervon seien 20 hinreichend gut dokumentiert, um eine fundierte Kausalitätsbewertung vornehmen zu können. In sieben dieser Fälle sei eine Lebertransplantation erforderlich gewesen. Insgesamt seien drei Patienten verstorben. In zwei Fällen sei die lebertoxische Reaktion nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und bei Reexposition erneut aufgetreten. Bei zwölf spontan gemeldeten Fällen und einem in einer Publikation dargestellten Fall sei der Kausalzusammenhang wahrscheinlich. Diese Bewertung beruhe auf dem deutlichen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Beginn der Kava-Kava-Medikation und dem Auftreten der Symptome bzw. pathologischen Veränderungen einerseits und dem Zurückgehen der Lebererkrankung nach Absetzen der Kava-Kava-Medikation und/oder des Fehlens lebertoxischer Faktoren wie einer entsprechenden Komedikation andererseits. In einigen dieser Fälle sei die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels jedoch möglich.
125Diese Auswertungsergebnisse reichen für die Annahme eines begründeten Verdachts leberschädigender Wirkungen aus, weil insoweit geringe Kausalitätsanforderungen gelten. Für die Nutzen-Risiko-Abwägung ist aber der Verdacht graduell und qualitativ näher zu bestimmen.
126Allerdings bietet die gegenwärtige Studienlage hierfür keine tragfähigen Anknüpfungspunkte. Bei Gesamtbetrachtung ist sie uneinheitlich und deswegen nicht ergiebig. Herkömmliche klinische Studien sind - darüber sind sich die Beteiligten einig - aufgrund der zu geringen Population nicht geeignet, tragfähige Erkenntnisse über das lebertoxische Risiko zu gewinnen. Toxizitätsstudien haben weder potentiell toxische Bestandteile von Kava-Kava noch einen lebertoxischen Mechanismus aufzeigen können. Die Ergebnisse der NTP-Studie, auf die die Beklagte verweist, mögen zwar einen Toxizitätsbeleg begründen. Das gilt aber nur für die darin einbezogenen Präparate mit einem CO²-Extrakt. Für eine Übertragbarkeit der gefundenen Ergebnisse auf die hier streitgegenständlichen Präparate mit ethanolischen Auszügen hat die Beklagte keine überzeugenden Gesichtspunkte benannt. Abgesehen davon gibt der Nachweis toxischer Effekte eines bestimmten Präparats als solcher - was auch die Beklagte anerkennt - weder Aufschluss über die potentiell toxischen Einzelstoffe noch über den Mechanismus einer lebertoxischen Wirkweise, sondern untermauert lediglich das, wovon bereits auf der Grundlage der Fallberichte auszugehen ist. Auch das restliche vorliegende Studienmaterial bietet hierzu keine belastbaren und konsistenten Erkenntnisse. Anders als die Beklagte meint, geht dieser Umstand zu ihren Lasten. Denn sie trägt das Risiko der Unerweislichkeit der Umstände, die ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen.
127Demgegenüber erlauben die folgenden relativierenden Faktoren eine nähere Eingrenzung der bestehenden Verdachtsmomente für eine hepatotoxische Wirkung von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln. Wenngleich sie den geweckten Verdacht nicht auszuräumen vermögen, schwächen sie ihn ab.
128Von Bedeutung ist insoweit zunächst, dass die Auswertungsergebnisse der WHO und des BfArM nicht für eine hohe, sondern im Gegenteil für eine schwache Inzidenzrate sprechen. Zwar lässt sich diese auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials nicht genau bestimmen. Andererseits gibt es aber bereits im Ausgangspunkt keine tragfähigen Belege dafür, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit der Anwendung von Kava-Kava-Präparaten gehäuft auftreten, also eine hohe Inzidenzrate besteht. Umgekehrt sprechen deutschlandweit 20 und nach der Datenlage des WHO-Berichts weltweit 62 Fälle, in denen eine derartige Relation festgestellt werden konnte, bei einem Anwendungsvolumen von - dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin zufolge ‑ 250 Millionen Tagesdosen bezogen auf einen Zehnjahreszeitraum für eine sehr geringe lnzidenzrate. Das gilt auch unter Berücksichtigung der mit dem zugrundeliegenden Spontanerfassungssystem verbundenen Abbildungsdefizite, zumal wenn man berücksichtigt, dass ein Großteil dieser Meldungen in zeitlichem Zusammenhang mit dem Stufenplanverfahren und der öffentlich geführten Debatte um die potentielle Toxizität Kava-Kava-haltiger Arzneimittel steht. Dem entspricht die Einschätzung der Expertengruppe der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, in dem es heißt, die genaue Inzidenzrate von Nebenwirkungen, die mit der Einnahme von Kava-Kava in Zusammenhang stünden, sei nicht bekannt, scheine aber ziemlich niedrig zu sein (vgl. WHO-Bericht, S. 60).
129Unabhängig von diesem quantitativen Gesichtspunkt ist die Aussagekraft der Fälle, in denen ein Kausalzusammenhang als wahrscheinlich oder möglich angesehen worden ist, unter qualitativen Aspekten begrenzt.
130Bezogen auf den Bericht der WHO ergibt sich dies aus Folgendem: Nach dessen Ergebnis konnte nur in knapp zwei Dritteln der untersuchten Fälle (62 von 93) überhaupt eine Relation zwischen hepatotoxischen Wirkungen und der Einnahme von Kava-Kava-haltigen Arzneimitteln hergestellt werden. In keinem dieser Fälle wurde ein sicherer Kausalzusammenhang festgestellt. In 54 Fällen - darunter in allen sieben Todesfällen und in zehn Fällen mit Lebertransplantation - wurde der Kausalzusammenhang als „möglich“ und in acht Fällen als „wahrscheinlich“ eingestuft. Dass sich unter den zuletzt genannten Fällen nicht solche mit tödlichem Ausgang oder Lebertransplantation finden, beruht nicht lediglich auf der Definition der Kausalitätskriterien der WHO für einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang. Denn für elf der insgesamt 14 Patienten mit Lebertransplantation ist eine Begleitmedikation dokumentiert, die ebenfalls Auslöser der aufgetretenen Leberreaktionen gewesen sein könnte (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 11a und 11 b, S. 46). Das gilt gleichermaßen für sämtliche Fälle mit tödlichem Ausgang (vgl. WHO-Bericht, Tabelle 12, S. 48). Es erscheint deswegen durchaus nicht fernliegend, die schwache lnzidenz schwerer Nebenwirkungen bei alleiniger Gabe Kava-Kava-haltiger Präparate als ein diesen Wirkstoff entlastendes lndiz zu werten.
131Hierzu passt die Einschätzung der Expertengruppe der WHO, wonach ein direkter Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in der Mehrzahl der untersuchten Fälle schwierig nachzuweisen ist und die verfügbaren Fallberichte insoweit keinen Beweis für ein Ursache-Wirkungs-Verhältnis liefern (vgl. WHO-Bericht, S. 17). Als Ergebnis enthält der Bericht mit Blick darauf die - relativierende - Feststellung, dass Kavalactone durch die Wechselwirkungen von Kava-Kava und anderen Arzneimitteln, exzessiven Alkoholkonsum, metabolisch oder immunologisch bedingte Idiosynkrasie oder aufgrund einer vorbestehenden Lebererkrankung in jeder Art von Präparat selten hepatische Nebenwirkungen hervorrufen können (vgl. WHO-Bericht, S.63). Damit sind zugleich besondere Risikofaktoren angesprochen, die die WHO auch an anderer Stelle ihres Berichts noch gesondert aufführt (vgl. WHO-Bericht, S.61). Das impliziert, dass hepatotoxische Ereignisse, was im Übrigen wissenschaftlich anerkannt sein dürfte,
132vgl. etwa Russmann/Kullak-Ublick, Beurteilung und Meldung medikamentöser Leberschäden, swissmedic, Jubiläumsausgabe Dezember 2012, 11/26,
133multifaktorielle Ereignisse sind und sich dies erschwerend auf die Möglichkeit der Zuordnung ihrer Ursachen auswirkt.
134Zudem sind die Auswertungsergebnisse der WHO auch deswegen nur bedingt aussagekräftig, weil sie sich auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Arzneimittel beziehen. Aus dem in das Verfahren eingeführten wissenschaftlichen Erkenntnismaterial geht hervor, dass weder die potentiell toxischen Einzelstoffe noch der Mechanismus einer lebertoxischen Wirkung von Kava-Kava bekannt sind. Vermutet wird, dass neben Anwendungsdauer und Dosierung auch Extrakt und Kultivar insoweit eine Rolle spielen könnten. Hierzu hat die Klägerin plausible und von dem Experten Dr. N2. T1. in mehreren Stellungnahmen untermauerte Überlegungen angestellt, denen die Beklagte in der Sache nicht substantiiert entgegengetreten ist. Der Bericht der WHO enthält keine differenzierte Auswertung nach Extrakt und Kultivar. Vielmehr bezieht sich die Auswertung und dementsprechend auch die getroffene Risikoaussage auf sämtliche Arten Kava-Kava-haltiger Präparate. Demgegenüber handelt es sich bei den verfahrensgegenständlichen Präparaten unbestritten ausnahmslos um solche mit einem ethano-lischen Auszug. Da aber Risikoaussagen zu einer Auszugsart nicht ohne weiteres auf eine andere übertragen werden können,
135vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. November 2010 - 13 A 2807/09 -, juris, Rn. 10,
136sind die Ergebnisse in dem Bericht der WHO für das vorliegende Verfahren nur eingeschränkt aussagekräftig.
137Auch die von der Beklagten selbst auf der Grundlage des Fallmaterials des BfArM vorgenommene Risikobeurteilung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten zweifelhaft. Ihr Vorbringen suggeriert eine „fundierte Kausalitätsbewertung" in 20 von 41 Fällen. Hiervon seien 18 spontan gemeldet worden und in zwei Fällen handele es sich um Berichte aus der Literatur. Demgegenüber ist der Kausalzusammenhang nur für 15 Fälle nachvollziehbar dargelegt, wobei in „einigen“ ‑ weder benannten noch bezifferten - dieser Fälle die synergistische Beteiligung eines anderen Arzneimittels möglich gewesen sein soll. Dieses Vorbringen bezieht sich offensichtlich auf die in dem Bescheid vom 12. Mai 2005 detailliert aufgeführten 26 Fallberichte und überschneidet sich damit. Bei deren Auswertung war das BfArM in 19 Fällen von einem Kausalzusammenhang im Bereich „wahrscheinlich“ - hiervon in drei Fällen als „wahrscheinlich bis gesichert“ - und in sechs Fällen von einer „möglichen“ Kausalität ausgegangen. Einen Fall hatte es für nicht auswertbar erachtet. Der Senat ist unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vorbringens und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse nicht zu der Überzeugung gelangt, dass diese Bewertung insgesamt zutrifft. Denn sie steht tiefgreifend in Widerspruch mit den Bewertungen anderer Institutionen, die jedenfalls nicht weniger plausibel hergeleitet und unabhängig voneinander durchgehend zu weniger besorgniserregenden Ergebnissen gelangt sind. Dies folgt aus der Übersicht in der Stellungnahme von Dr. N2. T1. vom 6. Februar 2012, in der dieser sich außerdem detailliert mit den einzelnen Fallberichten und deren Bewertung durch das BfArM auseinandergesetzt und diese durchgreifend in Zweifel gezogen hat (vgl. dort S. 9 ff.). Die Beklagte ist den darin enthaltenen Einwänden inhaltlich nicht substantiiert entgegen getreten. Unabhängig davon erscheint die Annahme eines „wahrscheinlichen“ Kausalzusammenhangs schon aufgrund der in der Mehrzahl der Fälle jeweils dokumentierten Begleitmedikation vielfach zweifelhaft. Entgegen der Auffassung der Beklagten rechtfertigt auch der Umstand, dass die festgestellten Leberreaktionen in zwei Fällen nach Absetzen des Kava-Kava-Präparats zurückgegangen und nach Reexposition erneut aufgetreten sind, mangels ausreichender Dokumentation der Begleitmedikation jedenfalls nicht die Bewertung eines „gesicherten“ Kausalzusammenhangs (BfArM 01003950/01003951).
138Weitere Bedenken gegen die Kausalitätsbewertung der Beklagten ergeben sich auf der Grundlage der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.). Nach den stimmigen und transparent hergeleiteten dortigen Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, bestand lediglich in acht Fällen ein Kausalzusammenhang, wobei lediglich in einem dieser Fälle eine monographiekonforme Anwendung dokumentiert war.
139Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. Januar 2015 die in dieser Publikation getroffene Feststellung des Fehlens einer medikamentösen Ursache in 13 Fällen beanstandet, und, um dies zu wiederlegen, bezogen auf drei Fälle auf den Inhalt der hierzu gefertigten Arztberichte verwiesen hat, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn daraus geht jedenfalls nicht hervor, dass die beobachtete Leberschädigung durch Kava-Kava und nicht durch die jeweils dokumentierte Begleitmedikation verursacht worden ist. Unter diesen Umständen ergibt sich dies nicht bereits daraus, dass nach ärztlicher Einschätzung von einer medikamentös induzierten Leberschädigung auszugehen ist.
140Relativierend ist zuletzt der ebenfalls vom Verwaltungsgericht bereits angesprochene Aspekt in den Blick zu nehmen, dass die streitbefangenen Präparate auf eine Kurzzeitbehandlung angelegt sind und eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung vorgesehen ist. Auch hieraus folgt die nur begrenzte Aussagekraft der Auswertungen des BfArM und der WHO, in denen nicht nach diesen von der Beklagten selbst als risikobeeinflussend eingestuften Kriterien differenziert wird. Da eine lange Exposition einerseits und eine erhöhte Dosierung andererseits mit einer Risikoerhöhung assoziiert werden, liegt es auf der Hand, dass die Auswertung eines Kollektivs von Fällen, in denen diese Differenzierung nicht getroffen wird, keine einheitliche Risikoaussage erlaubt. Die Vielzahl der Fälle, in denen Leberschädigungen im Zusammenhang mit einer Überdosierung, einer überlangen Anwendungsdauer oder einer potentiell lebertoxischen Begleitmedikation aufgetreten sind, ist aber umgekehrt als Beleg dafür zu werten, dass es sich hierbei um Risikofaktoren handelt. Dies wird auch von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt.
141Auf der Basis aller in das Verfahren eingeführter Erkenntnisse geht der Senat davon aus, dass toxische Lebererkrankungen durch Kava-Kava-Extrakte sehr selten sind, im Einzelfall aber potenziell lebensbedrohend verlaufen können und durch eine Vielzahl von Risikofaktoren wie Dosierung, Anwendungsdauer, Begleitmedikation, Alkoholkonsum und Lebervorschädigung beeinflusst werden. Hinsichtlich dieser Risikofaktoren stimmen die Beteiligten überein, wenngleich ihre Einschätzungen zu den Risiken der Verwendung unterschiedlicher Auszüge und Kultivare auseinandergehen.
142(3) Hiervon ausgehend ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitgegenständlichen Präparate derzeit ungünstig. Dieser Einschätzung liegt zugrunde, dass hinsichtlich Kava-Kava-haltiger Arzneimittel zwar nicht generell, aber dann von einem ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgegangen werden muss, wenn nicht alle Maßnahmen umgesetzt worden sind, um die damit einhergehenden Risiken bestmöglich einzudämmen. Letzteres ist hier der Fall.
143Der Umstand, dass die zuvor erwähnten Risikofaktoren im Zusammenhang mit der Hepatotoxizität von Kava-Kava bekannt sind, führt in der Publikation von Teschke et al. („Kava hepatotoxicity: a clinical survey and critical analysis of 26 suspected cases“, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.) zu der überzeugenden Schlussfolgerung, dass hepatotoxische Ereignisse im Zusammenhang mit Kava-Kava weitgehend vermeidbar sind. Dies, die nur schwache Inzidenzrate und der belegte Nutzen Kava-Kava-haltiger Arzneimittel stehen der generellen - also nicht präparatspezifischen, sondern rein wirkstoffbezogenen - Annahme eines ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses entgegen. Andererseits sind angesichts der Schwere möglicher Nebenwirkungen vermeidbare Risiken nicht hinnehmbar.
144Insoweit bilden die Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 nach Auffassung des Senats einen tauglichen und deshalb einzuhaltenden Maßstab zur Risikominimierung und führen bei Beachtung im Ergebnis zu einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Sie beruhen auf den Unterlagen, die das BfArM der Kommission E zur Verfügung gestellt hat und sind auf der Grundlage einer eingehenden Befassung mit der Kava-Kava-Thematik abgegeben worden (vgl. Ruhensbescheid des BfArM vom 12. Mai 2005, S. 52).
145Die Kommission E hat darin unter Hinweis darauf, weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auszugehen und die Auffassung des BfArM bezüglich der Risiken bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu teilen, folgende Regularien zu deren Eindämmung empfohlen:
146- 147
Ärztliche Verschreibungspflicht für Kava-Kava-haltige Arzneimittel
- 148
Klare Indikationsstellung: Leichte bis mittelschwere generalisierte Angststörungen. Depression ist keine Indikation.
- 149
Maximale Tagesdosis entsprechend 120 mg Kava-Pyrone.
- 151
Packungsgröße bei 120 mg Kava-Pyrone maximal 30 Einheiten
- 152
Übliche Therapiedauer 1 Monat, maximal 2 Monate
- 153
Bestimmung der Leberwerte (GPT und -GT vor Beginn der Behandlung und dann einmal wöchentlich)
- 154
Optional: Bestimmung der Leberwerte am Ende der Behandlung (wichtig für evtl. spätere erneute Behandlung)
- 155
Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln. Vorsicht bei Alkohol.
Der Senat sieht in Ansehung des Berufungsvorbringens keine Veranlassung, diese sachverständige Einschätzung in Frage zu stellen. Sie wird durch die Aussage der WHO in ihrem Bericht aus dem Jahr 2007, wonach ein Verkehrsverbot für Kava-Kava nach gegenwärtigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht zu rechtfertigen ist (vgl. WHO Bericht, S. 18), gestützt. Auch Teschke spricht sich in seiner Veröffentlichung „Hepatotoxizität durch Kava-Kava: Risikofaktoren und Prävention“ (Deutsches Ärzteblatt 2002, 99 (50)) für entsprechende Maßnahmen aus. Aktuellere wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Empfehlungen der Kommission E durchgreifend in Zweifel ziehen, liegen nicht vor.
157Diese sind auch geeignet, die bestehenden hepatotoxischen Risiken - soweit sie vorhersehbar sind - weitgehend wirkungsvoll auszuschalten.
158Besondere Bedeutung kommt hierbei der Unterstellung unter die Verschreibungspflicht zu. Hierdurch wird eine ärztliche Indikationsstellung sichergestellt und einer unsachgemäßen Selbstmedikation entgegengewirkt. Der Einwand der Beklagten, eine Verschreibungspflicht sei unzureichend, weil der hepatotoxische Wirkmechanismus von Kava-Kava nicht hinreichend geklärt sei und der verordnende Arzt nicht mit genügender Sicherheit vorhersehen könne, welcher Patient gefährdet sei, greift nicht durch. Er eignet sich schon deswegen nicht als Argument gegen die Verschreibungspflicht, weil das Arzneimittelgesetz in § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AMG als eine Fallgruppe verschreibungspflichtiger Arzneimittel diejenigen vorsieht, die Stoffe mit in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannten Wirkungen oder Zubereitungen solcher Stoffe enthalten. Abgesehen davon ist es einem Arzt in Bezug auf ein Kava-Kava-haltiges Präparat anhand der bekannten Risikofaktoren auch ungeachtet des genauen Wirkmechanismus möglich, das Risikoprofil eines Patienten abzustecken. Denn in einem ersten Schritt können - nach anamnestischer Abklärung - Fälle mit relevanter Begleitmedikation, erheblichem Alkoholkonsum, Lebererkrankung oder Lebervorschädigung sowie nicht zutreffender Indikation herausgefiltert werden. Erfolgt nach Abklärung dieser Gesichtspunkte eine Verschreibung, kann den von der Krankenvorgeschichte unabhängigen Risikofaktoren wirksam durch eine Begrenzung von Anwendungsdauer und Dosierung entsprechend den Vorgaben der Fachinformationen entgegengewirkt werden. Hinzuweisen ist darin außerdem auf die Risiken bei erheblichem Alkoholkonsum und einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, wie Betablockern, Antidepressiva und Migränemitteln.
159Dabei sind die Einhaltung der vorgesehen Dosierung von 120 mg Kava-Pyrone und die Begrenzung der Anwendungsdauer entsprechend den aktualisierten Erkenntnissen der Kommission E auf einen, maximal zwei Monate entscheidend. Eine höhere Dosierung ist einerseits deswegen nicht vertretbar, weil die Wirksamkeit für eine Dosierung von 60 mg-120 mg Kava-Pyrone belegt ist und deswegen keine Rechtfertigung dafür besteht, potentiell mit einer höheren Dosierung einhergehende Zusatzrisiken einzugehen. Abgesehen davon bestehen den genannten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine höhere Dosierung das Risiko für leberschädigende Nebenwirkungen erhöht. Entsprechendes gilt bezogen auf eine längere Anwendungsdauer.
160Flankierend zu den bereits erwähnten Maßnahmen wirkt die von der Kommission E vorgeschlagene Begrenzung der Packungsgröße auf maximal 30 Einheiten bei 120 mg Kava-Pyrone. Durch diese Maßnahme wird der Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung vorgebeugt und auf einen bestimmungsgemäßer Gebrauch hingewirkt. Dabei ist zu sehen, dass die Missbrauchsgefahr jedenfalls bei indikationskonformer Anwendung Kava-Kava-haltiger Präparate nicht gleichermaßen hoch sein dürfte, wie bei Arzneimitteln, die - wie z.B. Benzodiazepine - Abhängigkeiten auslösen. Allerdings ist insoweit darauf hinzuweisen, dass diesem Aspekt im Rahmen der Nutzen-Risiko-Abwägung, die sich an dem bestimmungsgemäßen Gebrauch zu orientieren hat, keine eigenständige Bedeutung zukommt. Abweichungen der von der Kommission E empfohlenen Packungsgröße begründen daher ohne das Hinzutreten weiterer Abweichungen kein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis.
161Die vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung und deren fortlaufende wöchentliche Kontrolle ermöglicht eine zeitnahe Reaktion auf festgestellte Veränderungen und zielt darauf ab, irreversiblen Schädigungen vorzubeugen.
162Der Senat verkennt nicht, dass mit den genannten Maßnahmen nicht in jedem Einzelfall ein Risikoausschluss garantiert werden kann, geht aber davon aus, dass bedingt durch ihre Zielrichtung, Wirkweise und ihr Ineinandergreifen die nach derzeitigem Erkenntnisstand prognostizierbaren Risiken in Relation zum Nutzen von Kava-Kava-Präparaten auf ein vertretbares Maß reduziert werden können.
163Das wird daran deutlich, dass mit Ausnahme eines Falls in sämtlichen Fällen, auf die das BfArM seine Risikoeinschätzung stützt, zumindest einer der durch die vorgenannten Maßnahmen begrenzbaren Risikofaktoren vorlag. Entweder es war eine Begleitmedikation verordnet oder die Anwendung dauerte länger als drei Monate an oder es wurde eine Überdosierung festgestellt. Zumeist war sogar eine Kombination aus mehreren dieser Faktoren gegeben.
164Vgl. die Übersicht in Table 1 bei Teschke/Schwarzenboeck/Hennermann “Kava hepatotoxcity: a clinical survey and critical analysis of 26 cases”, European Journal of gastroenterology & hepatology 2008, Vol. 20, S. 1182 ff.
165Dieser Einschätzung steht auch nicht das vermehrte Auftreten idiosynkratischer, d. h. unvorhersehbarer Leberreaktionen im Zusammenhang mit der Einnahme von Kava-Kava-Präparaten entgegen. Die Auswertung der Fallberichte des BfArM liefert hierfür keinen Beleg. Letztlich scheint die Beklagte selbst ‑ wenngleich sie diesen Aspekt besonders hervorgehoben hat - nicht hiervon auszugehen, wenn sie diese Fälle als „Ausreißer“ bezeichnet und andererseits meint, ein „charakteristisches Muster“ für die potentielle Lebertoxizität von Kava-Kava-Präparaten ausmachen zu können. Abgesehen davon ist die Möglichkeit einer idiosynkratischen Leberschädigung deswegen kein durchgreifendes Argument für ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis der hier in Rede stehenden Kava-Kava-Präparate, weil es sich dabei um ein generelles Problem im Hinblick auf die Lebertoxizität von Medikamenten handelt. Der Mechanismus der Idiosynkrasie, also einer angeborenen oder erworbenen Überempfindlichkeit schon beim ersten Kontakt gegen bestimmte, von außen zugeführte Stoffe, die nicht durch eine Reaktion des Immunsystems hervorgerufen wird, sondern durch Fehlfunktion/Nichtfunktion defekter oder Fehlen intakter Enzyme,
166vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Idiosynkrasie,
167beschränkt sich nicht auf Kava-Kava-haltige Arzneimittel.
168Ungefähr 1000 Arzneistoffe gelten als lebertoxisch. Hierzu gehören beispielsweise Paracetamol, Diclofenac und Penicillin.
169Vgl. Schlatter, Entgiftung zum Gift, Nebenwirkung Leberschaden, Pharmazeutische Zeitung Ausgabe 35/2009.
170Obgleich bei all diesen Arzneistoffen unvorhersehbare, also idiosynkratische, Leberreaktionen möglich sind, befindet sich eine Vielzahl von Präparaten, die diese Wirkstoffe enthalten, auf dem Markt.
171An der getroffenen Bewertung ändern auch bestehende Behandlungsalternativen nichts, insbesondere fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung mit Blick darauf nicht generell zu Ungunsten der streitbefangenen Präparate aus. Abwägungsrelevant könnte dieser Aspekt sein, wenn deren Ersetzbarkeit durch andere Arzneimittel mit günstigerem Nebenwirkungsprofil gewährleistet wäre. Das ist aber nicht der Fall. Denn soweit die Beklagte Bezug auf den Inhalt der S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen nimmt und auf selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) und Pregabalin als Mittel der ersten Wahl sowie auf trizyklische Antidepressiva (TZA), Buspiron, Benzodiazepine, Hydroxin und Opipramol als Mittel der zweiten Wahl verweist, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Es erscheint schon zweifelhaft, ob es sich dabei überhaupt um einen geeigneten Ersatz für Kava-Kava-Präparate handelt. Das gilt ungeachtet der fehlenden vollständigen Übereinstimmung der Anwendungsgebiete insbesondere deswegen, weil jene Arzneimittel im Gegensatz zu den auf eine Kurzzeitbehandlung mit raschem Wirkeintritt gerichteten Kava-Kava-Präparaten größtenteils eine längere Wirklatenz von bis zu sechs Wochen haben. Überdies kann für keines der von der Beklagten empfohlenen synthetischen Alternativarzneimittel ein günstigeres Nebenwirkungsprofil festgestellt werden. Das ergibt sich daraus, dass das Spektrum möglicher Nebenwirkungen weitgehend breiter gefächert ist als bei den verfahrensgegenständlichen Kava-Kava-Präparaten, zum Teil auch schwere Nebenwirkungen umfasst und vielfach Absetzphänomene, Abhängigkeitsrisiken und sedierende Effekte mit dem damit einhergehenden negativen Einfluss auf die geistige Leistungsfähigkeit beschrieben werden. Wegen der Einzelheiten dazu wird auf die tabellarische Übersicht bei B. Bandelow, R. Boerner, S. Kasper, M.Linden, H.-U. Wittchen und H.-J. Möller „Generalisierte Angststörung: Diagnostik und Therapie“, Deutsches Ärzteblatt 2013, S. 303, und die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
172Die von der Beklagten angesprochenen traditionellen Phytopharamka, namentlich Baldrianwurzelzubereitungen und Lavendelöl sind schon deswegen keine geeignete Alternative, weil ihr Anwendungsgebiet nicht deckungsgleich mit dem Kava-Kava-haltiger Arzneimittel ist, sondern sich insoweit nur gewisse Überschneidungen ergeben.
173Gemessen an den vorstehenden Überlegungen ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der streitbefangenen Präparate ungünstig. Denn unter Zugrundelegung des Inhalts der Änderungsanzeigen und der vorstehenden Ausführungen sind die bisher umgesetzten Maßnahmen zur Minimierung der bestehenden Risiken nicht ausreichend.
174Dies bezieht sich in erster Linie auf die Dosierung der Präparate. Diese weisen nach der Änderungsanzeige keine der Monographie der Kommission E bzw. deren Empfehlungen aus dem Jahr 2002 entsprechende Dosierung von 60-120 mg Kava-Pyrone (= Kavalactone) auf. Damit hat die Klägerin die Tagesdosis für Kava N. Kapseln von zweimal täglich eine Kapsel (a 50 mg Kavalactone) auf drei- bis viermal täglich eine Kapsel entsprechend 150-200 mg Kava-Pyrone und für die übrigen streitbefangenen Präparate von einmal täglich eine Tablette bzw. bei B. 120 mg von zweimal täglich ½ Tablette auf ein- bis zweimal täglich eine Tablette entsprechend 120-240 mg Kava-Pyrone erhöht. Diese Dosierung ist ‑ wenngleich die Abweichung bei dem Präparat Kava N. Kapseln im vorliegenden Fall vergleichsweise geringfügig ist - nicht monographiekonform. Diese Feststellung beruht auf Folgendem: Der Senat ist aufgrund der plausiblen und durchgehend nachvollziehbaren sachverständigen Erläuterungen von Frau Dr. H. und Herrn Dr. T1. , denen die Beklagte nichts Durchgreifendes entgegen gesetzt hat, zu der Überzeugung gelangt, dass sich die in der Monographie der Kommission E angegebene Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone auf die DC-Methode und nicht - auch nicht teilweise - auf die HPLC-Methode bezieht.
175In der Monographie selber ist keine Aussage zu der zugrunde liegenden Messmethode getroffen worden. Das sich bei den Unterlagen zur Monographieerstellung befindliche Gutachten von Dr. K. M. aus dem Jahr 1986 erlaubt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Rückschluss, dass sich die Dosierungsangabe auf die HPLC- Methode bezieht. Denn daraus geht lediglich hervor, dass zu diesem Zeitpunkt bereits alle sechs Kava-Pyrone bekannt waren und es die HPLC-Methode gab. Zum Umfang ihres Einsatzes und dazu, ob die für die Erstellung der Positivmonographie maßgebenden Studien mit Extrakten durchgeführt worden sind, deren Kavalactongehalt mit dieser Methode gemessen worden ist, ergibt sich daraus hingegen nichts.
176Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Abrede gestellt,
177dass es die HPLC-Methode zu diesem Zeitpunkt bereits gab, sondern hat vielmehr bestätigt, dass sie bereits damals im universitären Bereich Anwendung gefunden hat. Etwas anderes gelte indes für die Industrie. Dort habe man zur Zeit der Monographieerstellung nicht über die entsprechenden Reinsubstanzen verfügt, um alle sechs Kava-Pyrone quantifizieren zu können. Da die der Monographieerstellung zugrundeliegenden Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden seien, beziehe sich die in der Monographie angegebene Dosierung demzufolge auf die DC-Methode. Dass die Studien mit Industriepräparaten durchgeführt worden sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Hierzu hat Frau Dr. H. - von der Beklagten unwidersprochen ‑ darauf hingewiesen, dass die Firma G. , bei der sie zum damaligen Zeitpunkt angestellt war, damals allein mit der DC-Methode gemessene Kava-Extrakte hergestellt und an pharmazeutische Unternehmen geliefert und insoweit einen 95 prozentigen Marktanteil gehalten habe.
178Angesichts dessen konnte die Beklagte auch lediglich auf die Extrakte der Firma Schwabe, die erst zu einem späteren Zeitpunkt Kundin der Firma G. geworden war, verweisen. Sie gehe davon aus, dass die Firma T2. ab dem Jahr 1990 Extrakte hergestellt habe, die nach der HPLC-Methode bemessen worden seien und davon, dass mit deren Präparaten die Studien von Warnecke, die für die Erstellung der Monographie maßgebend waren, durchgeführt worden seien. Hierbei handelt es sich indes um eine durch die von Herrn Dr. T1. angestellten Ermittlungen widerlegte Vermutung. Denn daraus geht hervor, dass in der Monographie nicht auf die erst später erstellten Studien von Warnecke zu dem Präparat M1. , sondern lediglich auf zwei der Komission E im Zeitraum von April bis September 1989 vorgelegte Studienberichte Bezug genommen wird. Das folge - so Herr Dr. T1. - daraus, dass sich die Untersuchungen von Warnecke ausweislich der Monographie auf ein mit 60 mg Kava-Pyrone dosiertes Präparat und die erst nach Erstellung der Monographie veröffentlichten Studien hingegen auf das sich erst seit Dezember 1989 auf dem Markt befindliche Präparat M1. mit einer Dosierung von 70-210 mg Kava-Pyrone bezogen hätten.
179Diese unterschiedlichen Dosierungen können einerseits als Hinweis darauf gedeutet werden, dass im Zeitraum zwischen den Studienberichten und der Veröffentlichung der Studien eine Umrechnung stattgefunden hat, für die aber nur dann ein Erfordernis bestand, wenn das den Studienberichten zugrundeliegende Präparat mittels DC-Methode gemessen war. Als weitere denkbare Erklärungsmöglichkeit kommt allein in Betracht, dass sich Studien und Studienberichte auf unterschiedliche Präparate bezogen haben. Aber auch daraus ergibt sich kein Anhalt dafür, dass das Präparat, zu dem sich der Studienbericht verhält, bereits nach der HPLC-Methode gemessen war. Dagegen spricht, dass es sich dabei um ein - an der damals standardisierten DC-Methode gemessen - erheblich aus dem Rahmen fallendes, weil deutlich unterhalb der angenommen Wirksamkeitsschwelle dosiertes Präparat gehandelt hätte. Hinzu kommt, dass die entgegengesetzte Annahme der Beklagten nicht auf validen Erkenntnissen beruht, sondern auf einer Mitteilung, die die Firma T2. erst zu einem viel späteren Zeitpunkt, nämlich im Zulassungsverfahren gemacht hat. Demgegenüber hat Herr Dr. T1. anhand der Studienberichte die dem Präparat der Firma T2. zugrundeliegende Analytik selbst geprüft und hat dabei keinen Hinweis darauf gefunden, dass dies nach der HPLC-Methode bemessen wurde.
180Vor diesem Hintergrund ist auch die weitere Vermutung der Beklagten, dass der in der Monographie angegebene Wert von 60 mg Kava-Pyrone auf der DC-Methode beruhte und der Wert von 120 mg auf der HPLC-Methode, fernliegend und durch nichts belegt. Denn einerseits ginge damit einher, dass die für Phyto-pharmaka charakteristische Dosierungsspanne weitgehend entfiele. Andererseits hält der Senat es mit Frau Dr. H. für abwegig, dass in einer Dosisempfehlung, die eine Spannbreite angibt, zwei Werte genannt werden, die auf unterschiedlichen Mess- und Analysemethoden beruhen.
181Angesichts dessen ist der Klägerin darin zu folgen, dass die Deklarierung der Dosierung an die heute standardisierte HPLC-Methode angepasst werden muss. Der Senat stimmt aber darin nicht mit der Klägerin überein, dass dies im Sinne einer Verdoppelung zu erfolgen hat. Der Umstand, dass die Bestimmung nach der DC-Methode mit drei Kava-Pyronen erfolgt und die nach der HPLC-Methode mit sechs Kava-Pyronen rechtfertigt dies nicht, weil der Lactongehalt der unterschiedlichen Pyrone variiert. Das erfordert die Bestimmung eines anderen Umrechnungsfaktors. Frau Dr. H. hat 1,61 als Korrelationsfaktor angegeben und dessen Herleitung anhand einer gut nachvollziehbaren und stimmigen Berechnungsübersicht erläutert. Die Beklagte ist dem nicht entgegen getreten. Der Senat hat auch unter Berücksichtigung der übrigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse keine Zweifel, dass dieser Korrelationsfaktor zutrifft. Bei seiner Anwendung ergibt sich, dass der in der Monographie genannten Dosierungsspanne von 60-120 mg Kava-Pyrone nach der DC-Methode einer Dosierungsspanne von 97-193 mg Kava-Pyrone nach der HPLC-Methode entspricht und die hier streitgegenständlichen Präparate deswegen überdosiert sind.
182Neben der Dosierung entsprechen auch die dem Senat vorliegenden Gebrauchs- und Fachinformation - unterstellt, die darin enthaltenen Änderungen von für die Zulassung wesentlichen Angaben sind im Wege der Änderungsanzeige wirksam geworden - nicht vollständig den Empfehlungen der Kommission E. Das betrifft die Angabe der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten (der Hinweis auf die Vermeidung einer begleitenden Medikation mit potentiell hepatotoxischen Medikamenten, insbesondere auch Betablockern, Antidepressiva und Migräne-mitteln fehlt) und die darin vorgesehene Bestimmung der Leberwerte vor Beginn der Behandlung, sodann wöchentlich und optional nach Abschluss der Behand-lung. Überdies fehlt die ausdrückliche Begrenzung der Anwendungsdauer auf einen, maximal zwei Monate.
183(II.) Wenngleich die festgestellten Abweichungen ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis begründen, rechtfertigen sie nicht den Widerruf der Zulassung, weil eine Änderung der Zulassung auf der Grundlage von § 30 Abs. 2a Satz 1 AMG vorrangig ist. Mit dieser in der Fassung vom 19. Dezember 2012 geltenden Vorschrift, die als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu interpretieren ist, besteht eine Grundlage dafür, Änderungen auf Ebene der Zulassung vorzunehmen.
184Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 18. April 2012, BT-Drs. 17/9341, S. 54.
185Wie ausgeführt, ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der hier streitgegenständlichen Präparate - insbesondere wegen der zu hohen Dosierung, aber auch im Hinblick auf die übrigen Abweichungen von den Empfehlungen der Kommission E in ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2002 als ungünstig zu bewerten, erwiese sich aber nach entsprechender Anpassung an diese Empfehlungen nicht mehr als ungünstig, mit der Folge, dass der Versagungsgrund des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AMG entfällt. Zur Begründung dafür wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
186Lassen sich die mit der Anwendung Kava-Kava-haltiger Arzneimittel in Verbindung gebrachten Nebenwirkungen danach bereits durch die von der Kommission E vorgeschlagenen regulatorischen Maßnahmen auf ein vertretbares Maß reduzieren, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte vorrangig unter der Voraussetzungen des § 28 Abs. 3b Satz 1 Nr. 2 AMG eine Unbedenklichkeitsstudie („PASS“) hätte anordnen können und müssen.
187Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
188Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2, § 709 Satz 2 ZPO.
189Die Revision ist zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.
(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
(1) Arzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden und den Vorschriften der §§ 10 und 11 unterliegen, müssen zwei Jahre nach der ersten auf den 6. September 2005 folgenden Verlängerung der Zulassung oder Registrierung oder, soweit sie von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind, zu dem in der Rechtsverordnung nach § 36 oder § 39 genannten Zeitpunkt oder, soweit sie keiner Verlängerung bedürfen, am 1. Januar 2009 vom pharmazeutischen Unternehmer entsprechend den Vorschriften der §§ 10 und 11 in den Verkehr gebracht werden. Bis zu den jeweiligen Zeitpunkten nach Satz 1 dürfen Arzneimittel vom pharmazeutischen Unternehmer, nach diesen Zeitpunkten weiter von Groß- und Einzelhändlern mit einer Kennzeichnung und Packungsbeilage in den Verkehr gebracht werden, die den bis zum 5. September 2005 geltenden Vorschriften entsprechen. § 109 bleibt unberührt.
(2) Der pharmazeutische Unternehmer hat für Fertigarzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden, mit dem ersten nach dem 6. September 2005 gestellten Antrag auf Verlängerung der Zulassung der zuständigen Bundesoberbehörde den Wortlaut der Fachinformation vorzulegen, die § 11a entspricht; soweit diese Arzneimittel keiner Verlängerung bedürfen, gilt die Verpflichtung vom 1. Januar 2009 an.
(3) Eine Person, die die Sachkenntnis nach § 15 nicht hat, aber am 5. September 2005 befugt ist, die in § 19 beschriebenen Tätigkeiten einer sachkundigen Person auszuüben, gilt als sachkundige Person nach § 14.
(4) Fertigarzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden und nach dem 6. September 2005 nach § 4 Abs. 1 erstmalig der Zulassungspflicht nach § 21 unterliegen, dürfen weiter in den Verkehr gebracht werden, wenn für sie bis zum 1. September 2008 ein Antrag auf Zulassung gestellt worden ist.
(5) Die Zeiträume für den Unterlagenschutz nach § 24b Absatz 1 und 4 gelten nicht für Referenzarzneimittel, deren Zulassung vor dem 30. Oktober 2005 beantragt wurde; für diese Arzneimittel gelten die Schutzfristen nach § 24a in der bis zum Ablauf des 5. September 2005 geltenden Fassung und beträgt der Zeitraum in § 24b Abs. 4 zehn Jahre.
(6) Für Arzneimittel, deren Zulassung vor dem 1. Januar 2001 verlängert wurde, findet § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 in der bis zum 5. September 2005 geltenden Fassung Anwendung; § 31 Abs. 1a gilt für diese Arzneimittel erst dann, wenn sie nach dem 6. September 2005 verlängert worden sind. Für Zulassungen, deren fünfjährige Geltungsdauer bis zum 1. Juli 2006 endet, gilt weiterhin die Frist des § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 in der vor dem 6. September 2005 geltenden Fassung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann für Arzneimittel, deren Zulassung nach dem 1. Januar 2001 und vor dem 6. September 2005 verlängert wurde, das Erfordernis einer weiteren Verlängerung anordnen, sofern dies erforderlich ist, um das sichere Inverkehrbringen des Arzneimittels weiterhin zu gewährleisten. Vor dem 6. September 2005 gestellte Anträge auf Verlängerung von Zulassungen, die nach diesem Absatz keiner Verlängerung mehr bedürfen, gelten als erledigt. Die Sätze 1 und 4 gelten entsprechend für Registrierungen. Zulassungsverlängerungen oder Registrierungen von Arzneimitteln, die nach § 105 Abs. 1 als zugelassen galten, gelten als Verlängerung im Sinne dieses Absatzes. § 136 Abs. 1 bleibt unberührt.
(7) Der Inhaber der Zulassung hat für ein Arzneimittel, das am 5. September 2005 zugelassen ist, sich aber zu diesem Zeitpunkt nicht im Verkehr befindet, der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich anzuzeigen, dass das betreffende Arzneimittel nicht in den Verkehr gebracht wird.
(8) Für Widersprüche, die vor dem 5. September 2005 erhoben wurden, findet § 33 in der bis zum 5. September 2005 geltenden Fassung Anwendung.
(9) § 25 Abs. 9 und § 34 Abs. 1a sind nicht auf Arzneimittel anzuwenden, deren Zulassung vor dem 6. September 2005 beantragt wurde.
(10) Auf Arzneimittel, die bis zum 6. September 2005 als homöopathische Arzneimittel registriert worden sind oder deren Registrierung vor dem 30. April 2005 beantragt wurde, sind die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Das Gleiche gilt für Arzneimittel, die nach § 105 Abs. 2 angezeigt worden sind und nach § 38 Abs. 1 Satz 3 in der vor dem 11. September 1998 geltenden Fassung in den Verkehr gebracht worden sind. § 39 Abs. 2 Nr. 5b findet ferner bei Entscheidungen über die Registrierung oder über ihre Verlängerung keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach Art und Menge der Bestandteile und hinsichtlich der Darreichungsform mit den in Satz 1 genannten Arzneimitteln identisch sind.
(11) (weggefallen)
(12) (weggefallen)
(13) Für Arzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden und für die zu diesem Zeitpunkt die Berichtspflicht nach § 63b Abs. 5 Satz 2 in der bis zum 5. September 2005 geltenden Fassung besteht, findet § 63b Abs. 5 Satz 3 nach dem nächsten auf den 6. September 2005 vorzulegenden Bericht Anwendung.
(14) Die Zulassung eines traditionellen pflanzlichen Arzneimittels, die nach § 105 in Verbindung mit § 109a verlängert wurde, erlischt am 30. April 2011, es sei denn, dass vor dem 1. Januar 2009 ein Antrag auf Zulassung oder Registrierung nach § 39a gestellt wurde. Die Zulassung nach § 105 in Verbindung mit § 109a erlischt ferner nach Entscheidung über den Antrag auf Zulassung oder Registrierung nach § 39a. Nach der Entscheidung darf das Arzneimittel noch zwölf Monate in der bisherigen Form in den Verkehr gebracht werden.
(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
(1) Arzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden und den Vorschriften der §§ 10 und 11 unterliegen, müssen zwei Jahre nach der ersten auf den 6. September 2005 folgenden Verlängerung der Zulassung oder Registrierung oder, soweit sie von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind, zu dem in der Rechtsverordnung nach § 36 oder § 39 genannten Zeitpunkt oder, soweit sie keiner Verlängerung bedürfen, am 1. Januar 2009 vom pharmazeutischen Unternehmer entsprechend den Vorschriften der §§ 10 und 11 in den Verkehr gebracht werden. Bis zu den jeweiligen Zeitpunkten nach Satz 1 dürfen Arzneimittel vom pharmazeutischen Unternehmer, nach diesen Zeitpunkten weiter von Groß- und Einzelhändlern mit einer Kennzeichnung und Packungsbeilage in den Verkehr gebracht werden, die den bis zum 5. September 2005 geltenden Vorschriften entsprechen. § 109 bleibt unberührt.
(2) Der pharmazeutische Unternehmer hat für Fertigarzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden, mit dem ersten nach dem 6. September 2005 gestellten Antrag auf Verlängerung der Zulassung der zuständigen Bundesoberbehörde den Wortlaut der Fachinformation vorzulegen, die § 11a entspricht; soweit diese Arzneimittel keiner Verlängerung bedürfen, gilt die Verpflichtung vom 1. Januar 2009 an.
(3) Eine Person, die die Sachkenntnis nach § 15 nicht hat, aber am 5. September 2005 befugt ist, die in § 19 beschriebenen Tätigkeiten einer sachkundigen Person auszuüben, gilt als sachkundige Person nach § 14.
(4) Fertigarzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden und nach dem 6. September 2005 nach § 4 Abs. 1 erstmalig der Zulassungspflicht nach § 21 unterliegen, dürfen weiter in den Verkehr gebracht werden, wenn für sie bis zum 1. September 2008 ein Antrag auf Zulassung gestellt worden ist.
(5) Die Zeiträume für den Unterlagenschutz nach § 24b Absatz 1 und 4 gelten nicht für Referenzarzneimittel, deren Zulassung vor dem 30. Oktober 2005 beantragt wurde; für diese Arzneimittel gelten die Schutzfristen nach § 24a in der bis zum Ablauf des 5. September 2005 geltenden Fassung und beträgt der Zeitraum in § 24b Abs. 4 zehn Jahre.
(6) Für Arzneimittel, deren Zulassung vor dem 1. Januar 2001 verlängert wurde, findet § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 in der bis zum 5. September 2005 geltenden Fassung Anwendung; § 31 Abs. 1a gilt für diese Arzneimittel erst dann, wenn sie nach dem 6. September 2005 verlängert worden sind. Für Zulassungen, deren fünfjährige Geltungsdauer bis zum 1. Juli 2006 endet, gilt weiterhin die Frist des § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 in der vor dem 6. September 2005 geltenden Fassung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann für Arzneimittel, deren Zulassung nach dem 1. Januar 2001 und vor dem 6. September 2005 verlängert wurde, das Erfordernis einer weiteren Verlängerung anordnen, sofern dies erforderlich ist, um das sichere Inverkehrbringen des Arzneimittels weiterhin zu gewährleisten. Vor dem 6. September 2005 gestellte Anträge auf Verlängerung von Zulassungen, die nach diesem Absatz keiner Verlängerung mehr bedürfen, gelten als erledigt. Die Sätze 1 und 4 gelten entsprechend für Registrierungen. Zulassungsverlängerungen oder Registrierungen von Arzneimitteln, die nach § 105 Abs. 1 als zugelassen galten, gelten als Verlängerung im Sinne dieses Absatzes. § 136 Abs. 1 bleibt unberührt.
(7) Der Inhaber der Zulassung hat für ein Arzneimittel, das am 5. September 2005 zugelassen ist, sich aber zu diesem Zeitpunkt nicht im Verkehr befindet, der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich anzuzeigen, dass das betreffende Arzneimittel nicht in den Verkehr gebracht wird.
(8) Für Widersprüche, die vor dem 5. September 2005 erhoben wurden, findet § 33 in der bis zum 5. September 2005 geltenden Fassung Anwendung.
(9) § 25 Abs. 9 und § 34 Abs. 1a sind nicht auf Arzneimittel anzuwenden, deren Zulassung vor dem 6. September 2005 beantragt wurde.
(10) Auf Arzneimittel, die bis zum 6. September 2005 als homöopathische Arzneimittel registriert worden sind oder deren Registrierung vor dem 30. April 2005 beantragt wurde, sind die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Das Gleiche gilt für Arzneimittel, die nach § 105 Abs. 2 angezeigt worden sind und nach § 38 Abs. 1 Satz 3 in der vor dem 11. September 1998 geltenden Fassung in den Verkehr gebracht worden sind. § 39 Abs. 2 Nr. 5b findet ferner bei Entscheidungen über die Registrierung oder über ihre Verlängerung keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach Art und Menge der Bestandteile und hinsichtlich der Darreichungsform mit den in Satz 1 genannten Arzneimitteln identisch sind.
(11) (weggefallen)
(12) (weggefallen)
(13) Für Arzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden und für die zu diesem Zeitpunkt die Berichtspflicht nach § 63b Abs. 5 Satz 2 in der bis zum 5. September 2005 geltenden Fassung besteht, findet § 63b Abs. 5 Satz 3 nach dem nächsten auf den 6. September 2005 vorzulegenden Bericht Anwendung.
(14) Die Zulassung eines traditionellen pflanzlichen Arzneimittels, die nach § 105 in Verbindung mit § 109a verlängert wurde, erlischt am 30. April 2011, es sei denn, dass vor dem 1. Januar 2009 ein Antrag auf Zulassung oder Registrierung nach § 39a gestellt wurde. Die Zulassung nach § 105 in Verbindung mit § 109a erlischt ferner nach Entscheidung über den Antrag auf Zulassung oder Registrierung nach § 39a. Nach der Entscheidung darf das Arzneimittel noch zwölf Monate in der bisherigen Form in den Verkehr gebracht werden.
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 636.500 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin ist Inhaberin der Zulassung des unter dem 9. September 2005 (gemischt-bibliografisch) zugelassenen Arzneimittels “P. ” Tabletten, das als Wirkstoff 750 mg Methocarbamol pro Tablette enthält. Die Beigeladene erhielt unter dem 15. August 2008 zwei generische Zulassungen unter Bezugnahme hierauf (“E. Methocarbamol 750 mg Tabletten”, “N. Methocarbamol 750 mg Tabletten”), die auf die Klage der Antragstellerin durch Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. Oktober 2012 - 7 K 2148/10 - mit der Begründung aufgehoben wurden, sie seien unter Verletzung ihrer Unterlagenschutzrechte ergangen. Unter dem 15. Juni 2010 erteilte das BfArM der Beigeladenen die hier streitgegenständliche bibliografische Zulassung für das identische Arzneimittel “N. 750 mg Tabletten”, seit Änderungsanzeige vom 16. August 2010 bezeichnet als “E. Methocarbamol 750 mg Tabletten”. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch und berief sich auf ihre Unterlagenschutzrechte. Mit Schreiben vom 22. Juli 2010 teilte die Antragstellerin dem BfArM mit, sie verzichte auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs. Auf Antrag der Beigeladenen ordnete das BfArM am 29. Juli 2010 die sofortige Vollziehung der Zulassung an. Nachdem das Oberverwaltungsgericht den Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. Oktober 2012 abgelehnt hatte (OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2013 - 13 A 2756/12 -), entschied das BfArM über den Widerspruch der Antragstellerin und nahm mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2014 die bibliografische Zulassung der Beigeladenen zurück. Am 17. Juni 2014 hat die Beigeladene Klage gegen die Rücknahme der Zulassung erhoben. Den Antrag der Antragstellerin vom 9. Juli 2014, die sofortige Vollziehung der Rücknahmeentscheidung anzuordnen, lehnte das BfArM ab. Auf Antrag der Antragstellerin vom 11. August 2014 hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 15. Dezember 2014 die sofortige Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 13. Juni 2014 erfolgten Aufhebung der Zulassung angeordnet.
4Dagegen hat die Beigeladene Beschwerde erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragstellerin ihr Antragsrecht nach § 80a VwGO verwirkt habe. Seit der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zulassung bis zum Eingang des Eilantrags bei Gericht seien vier Jahre vergangen. Damit, dass die Antragstellerin auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs verzichtet habe, habe sie zum Ausdruck gebracht, dass sie sich nicht außerhalb des Hauptsacheverfahrens gegen den Vertrieb des Arzneimittels durch die Beigeladene zur Wehr setzen wolle. Der Antrag sei auch unbegründet. Der Unterlagenschutz nach § 24b Abs. 1 AMG/§ 24a AMG a. F. begründe kein Verwertungsverbot von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, wenn es sich um einen allgemein medizinisch verwendeten, nicht von der Antragstellerin entwickelten Wirkstoff handele, für den die Zehnjahresfrist des § 22 Abs. 3 Nr. 1 AMG bereits abgelaufen sei. Aus dem Unterlagenschutzrecht folge nur ein Schutz vor generischen Anträgen bis zum Ablauf der Schutzfrist. Die allgemeine Interessenabwägung sei defizitär, weil das Verwaltungsgericht außer Acht gelassen habe, dass bereits eine generische Zulassung aufgrund einer britischen Referenzzulassung erteilt worden sei und der Antragstellerin Marktexklusivität ohnehin nicht ermöglicht werden könne. Im Übrigen seien die Interessen des Inhabers der Referenzzulassung und des Wettbewerbers gleich gewichtig.
5II.
6Die zulässige Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der von der Beigeladenen dargelegten Gründe befindet, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat nach diesem Maßstab zu Recht die sofortige Vollziehung der Rücknahme der Zulassung für das Arzneimittel “E. Methocarbamol 750 mg Tabletten” angeordnet.
71. Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin nach § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2, § 80 Abs. 5 VwGO, die sofortige Vollziehung des Rücknahmebescheids anzuordnen, ist nicht wegen Verwirkung des Antragsrechts unzulässig.
8Die Verwirkung als Hauptanwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Ob von einer Verwirkung auszugehen ist, entscheidet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalles.
9Vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. März 2008 – 2 BvR 2111/07, 2 BvR 22 BvR 2112/07 -, juris, Rn. 25; BVerwG, Urteile vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 (343), Beschluss vom 7. März 2013 - 4 BN 33.12 -, juris, Rn. 5; OVG NRW, Beschluss vom 24. September 2009 - 8 B 1344/09.AK ‑, juris, Rn. 34.
10Hiervon ausgehend hat die Antragstellerin das Antragsrecht in Bezug auf den hier streitgegenständlichen Antrag nicht verwirkt. Es fehlt schon an einer längeren Dauer der Untätigkeit in Bezug auf den Antrag nach § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2, § 80 Abs. 5 VwGO, auf den für die Beurteilung abzustellen ist. Der Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehung die Antragstellerin damit erstreiten möchte, ist der Rück-nahmebescheid vom 13. Juni 2014. Die Antragstellerin hat aber bereits am 9. Juli 2014 beim BfArM einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung dieses Bescheids gestellt und, nachdem die Antragsgegnerin diesen abgelehnt hatte, am 11. August 2014 beim Verwaltungsgericht einen entsprechenden Antrag gestellt.
11Abgesehen davon ist aber auch ein Umstandsmoment nicht ersichtlich. In der Zeit seit Ergehen des Rücknahmebescheids haben sich keine besonderen Umstände ergeben, die die Antragstellung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Zwar kann das Umstandsmoment auch in einer Handlung liegen, die vor Beginn des Zeitmoments liegt.
12Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 7. März 2013 - 4 BN 33.12 -, juris, Rn. 6.
13Das Verhalten der Antragstellerin nach der Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels im Juni 2010 rechtfertigt aber nicht die Annahme, sie werde nichts mehr gegen den Vertrieb des Arzneimittels durch die Beigeladene unternehmen, jedenfalls keine vorläufige Regelung erwirken. Die Beigeladene konnte nicht deshalb auf das Ausbleiben eines vorläufigen Rechtsschutzantrags nach § 80a VwGO vertrauen, weil die Antragstellerin im Widerspruchsverfahren gegen die Zulassung des Arzneimittels auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs verzichtet und bis zum Ergehen des Widerspruchs- und Rücknahmebescheids keinen vorläufigen Rechtsschutzantrag bei Gericht gestellt hat. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen, denen der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens folgt.
14Mit Blick auf die Ausführungen der Beigeladenen ist zu ergänzen: Die Antragstellerin hat lediglich gegenüber dem BfArM – bei sachgerechter Auslegung für die Dauer des behördlichen Widerspruchsverfahrens – auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Zulassung verzichtet. Diese Erklärung ließ aber weder den Schluss zu, sie sei bis zum Erlass einer bestandskräftigen Entscheidung mit dem Vertrieb des Arzneimittels einverstanden, noch den Schluss, sie würde auch bei ‑ wie hier ‑ erfolgreichem Drittwiderspruch auf die sofortige Verwirklichung ihrer Rechte verzichten. Die Antragstellerin hat insbesondere zu keiner Zeit erkennen lassen, dass sie die Zulassung und die darin nach ihrer Sicht liegende Verletzung ihrer Unterlagenschutzrechte akzeptieren wird und ist damit durch die vorliegende Antragstellung nicht von einer zuvor eingenommenen gegenteiligen Rechtsposition abgerückt. Die Beigeladene kann auch nicht geltend machen, sie habe im Vertrauen darauf, dass die Antragstellerin nicht um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen werde, das Arzneimittel markteingeführt. Die Vermarktung in Ausnutzung der Zulassung ist nicht durch den Verzicht möglich geworden, sondern durch die kurz darauf erfolgende Anordnung der sofortigen Vollziehung durch das BfArM. Anders als von der Beigeladenen dargestellt, ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung auch nicht durch den Verzicht der Antragstellerin auf die aufschiebende Wirkung des Drittwiderspruchs „überhaupt erst ermöglicht“ worden, sondern ist der Behörde nach § 80a Abs. 1 VwGO unabhängig davon auf Antrag des Begünstigten möglich. Einen solchen Antrag hatte die Beigeladene hier auch gestellt. Dass das BfArM hier zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung lediglich den Verzicht der Antragstellerin auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs angeführt hat, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Ferner war die Investitionsentscheidung von vornherein risikobehaftet. Die Beigeladene konnte auf den Bestand der Zulassung nicht vertrauen, solange sie nicht bestandskräftig war, d. h. solange über den Widerspruch der Antragstellerin nicht entschieden war. Im Übrigen hat die Beigeladene in der Zwischenzeit auch erhebliche Umsätze in Millionenhöhe mit dem Arzneimittel erzielt.
152. Die nach § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2, § 80 Abs. 5 VwGO gebotene, an den Erfolgsaussichten ausgerichtete Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts wird durch das Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht durchgreifend in Frage gestellt.
16a. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Rücknahme rechtmäßig ist, weil die Zulassung die Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin verletzt. Die Beigeladene zieht nicht in Zweifel, dass bezüglich des Produkts „P. “ der Antragstellerin die zehnjährige, drittschützende Unterlagenschutzfrist der §§ 24b Abs. 1, 141 Abs. 5 AMG i. V. m. § 24a Abs. 1 Satz 3 AMG in der bis zum Ablauf des 5. Sep-tember 2005 geltenden Fassung noch nicht verstrichen ist, weil das Arzneimittel erst im September 2005 zugelassen worden ist. Sie erhebt ferner keine substantiierten Einwände dagegen, dass auch im Falle einer gemischt-bibliografischen Zulassung - hier: der für „P. “ - Unterlagenschutzrechte begründet werden, nämlich für die eigenen Studien, die in Ergänzung zum anderen wissenschaftlichen Erkenntnismaterial – hier: durch die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin – vorgelegt worden sind und die Zulassung erst ermöglicht haben.
17Vgl. auch EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 – Rs. C-104/13 (Olainfarm) -, EuZW 2015, 31.
18Die Beigeladene macht der Sache nach lediglich geltend, der Unterlagenschutz stehe nur generischen Zulassungen, nicht aber der hier streitgegenständlichen bibliografischen Zulassung entgegen (aa.). Er gelte ferner nicht für anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial wie die hier von der Beigeladenen verwendete Veröffentlichung zum Arzneimittel „P. “ der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin (bb.). Dem ist nicht zu folgen. Es muss auch nicht festgestellt werden, inwieweit die Vorlage geschützter Erkenntnisse sich konkret auf die Entscheidungsfindung des BfArM über den Zulassungsantrag ausgewirkt hat (cc.).
19aa. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend unter Bezugnahme auf die Senatsrechtsprechung ausgeführt hat, besteht das Recht des Inhabers der Erstzulassung eines Arzneimittels auf Schutz seiner Unterlagen nicht nur im Rahmen eines generischen, sondern auch bei der Wahl eines bibliografischen Zulassungsverfahrens für im Wesentlichen gleiche Arzneimittel.
20Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 92 ff.
21Dies ergibt sich für nach altem Recht zentral zugelassene Arzneimittel aus Art. 13 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 i. V. m. Art. 4 Abs. 2 Nr. 8 der Richtlinie 65/65/EWG. Die Vorschriften gewähren dem Inhaber der zentral erteilten Erstzulassung für zehn Jahre ein Recht auf Schutz vor Zweitzulassungen, die auf den Nachweis der wesentlichen Gleichheit mit dem erstzugelassenen Arzneimittel gestützt sind. Dieser Schutz gilt nach dem Wortlaut und nach dem Zweck dieser Vorschriften nicht nur gegenüber generischen Anträgen, sondern auch vor Zulassungen, zu deren Erlangung u. a. Dokumente über Ergebnisse pharmakologischer, toxikologischer, ärztlicher oder klinischer Versuche des Erstantragstellers vorgelegt werden.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 100 f.
23Dem Inhaber einer national durch das BfArM erteilten Zulassung stehen ebenfalls Unterlagenschutzrechte zu, die bei bibliographischen Zulassungsanträgen nach § 22 Abs. 3 AMG zu beachten sind. Auch bei einem Wirkstoff, der im Sinne des § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG seit mindestens zehn Jahren allgemein medizinisch verwendet wird, darf ein Dritter erst nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist Unterlagen des Zulassungsinhabers eines wirkstoffgleichen Arzneimittels zur Erlangung einer Zulassung verwenden. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 24b Abs. 1 AMG. Diese Vorschrift ist in Bezug auf das bereits im September 2005 national zugelassene Arzneimittel „P. “ der Antragstellerin einschlägig, weil § 141 Abs. 5 AMG keine Tatbestandsverweisung auf § 24a AMG a.F. enthält, sondern nur hinsichtlich der Dauer der Schutzfrist die Fortgeltung alten Rechts anordnet.
24Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2014 - 13 B 950/14 -, PharmR 2015, 76 = juris, Rn. 9.
25Dies zugrundegelegt gilt hier: Bei einem Generikum kann ohne Zustimmung des Vorantragstellers auf die Unterlagen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 und § 23 Abs. 1 AMG einschließlich der Sachverständigengutachten nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 4 AMG des Arzneimittels des Vorantragstellers (Referenzarzneimittel) Bezug genommen werden, sofern die erstmalige Zulassung des Referenzarzneimittels in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union länger als zehn Jahre zurückliegt.
26§ 24b Abs. 1 AMG ist hier nicht unmittelbar anwendbar. Die Vorschrift regelt die Zulassung von Generika und bestimmt dementsprechend den Unterlagenschutz nur für generische Anträge. § 22 Abs. 3 AMG, der die bibliografische Antragstellung regelt, weist aber hinsichtlich des Unterlagenschutzes eine planwidrige Regelungslücke auf. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AMG müssen die Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der EU allgemein medizinisch verwendet werden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sein. Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass mit der geregelten, drittschützenden,
27vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2008 - 13 B 1169/08 -, PharmR 2008, 607 = juris, Rn. 24 ff. und vom 5. Oktober 2011 - 13 B 881/11 -, A & R 2011, 282 = juris, Rn. 12, 23, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 144,
2810-Jahres-Frist für die Verwendung auch der Unterlagenschutz für das vorzulegende wissenschaftliche Erkenntnismaterial gewährleistet ist. Ergeben sich die allgemeine medizinische Verwendung, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit aus den Zulassungsunterlagen zu einem seit mindestens zehn Jahren zugelassenen Arzneimittel mit gleichem Wirkstoff und gleicher Indikation, ist ein Gleichlauf der Frist für die Verwendung und den Schutz der Unterlagen gegeben. Für den Fall, dass dies nicht zutrifft, hat der Gesetzgeber keine Regelung getroffen. Weder aus der Entstehungsgeschichte,
29vgl. zu § 24a AMG a. F. BT-Drs. 12/6480, S. 20, und zu § 24b Abs. 1 AMG BT-Drs. 15/5316, S. 38,
30noch aus der Vorschrift bzw. dem Normengefüge selbst ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass dies bewusst geschah und der pharmazeutische Unternehmer hier nicht in gleicher Weise wie bei Generika vor der Ausnutzung seiner Innovationen durch andere für eine bestimmte Zeit geschützt werden soll.
31Die Regelungslücke ist durch analoge Anwendung des § 24b Abs. 1 AMG i. V. m. § 24a Abs. 1 Satz 3 AMG a. F. zu schließen, weil der Gesetzgeber, wenn er daran gedacht hätte, die Frage des Unterlagenschutzes bei bibliografischen Anträgen mutmaßlich entsprechend geregelt hätte. Die zehnjährige Verwendungsdauer allein reicht nicht aus, um die effektive Durchsetzung der Vorschriften über den Unterlagenschutz zu gewährleisten und damit die Interessen pharmazeutischer Unternehmen, die innovative Arzneimittel entwickeln und auf den Markt bringen, hinreichend zu schützen. Eine Umgehung im Rahmen eines bibliografischen Antrags und die Gewährleistung der berechtigten Interessen der „Innovationsfirmen“ kann nur durch die entsprechende Anwendung der generischen Unterlagenschutzfristen auch im Rahmen des § 22 Abs. 3 AMG gesichert werden. Der Gesetzgeber wollte dem innovativen pharmazeutischen Unternehmer ein Ausschließlichkeitsrecht an den pharmakologischen, toxikologischen sowie ärztlichen und klinischen Unterlagen einräumen. Mit der Etablierung des Unterlagenschutzes sollen die innovativen Arzneimittelhersteller geschützt werden, die für die Erstzulassung (oder auch für eine gemischt-bibliografische Zulassung) umfangreiche und kostenintensive Versuche durchführen lassen müssen. Die Wahl des bibliografischen Antragsverfahrens darf nicht zu einer Immunisierung gegenüber den Vorschriften des Unterlagenschutzes führen. Ansonsten würden die Schutzrechte des Inhabers der Erstzulassung an einer – zeitlich begrenzten – exklusiven Nutzung der Ergebnisse seiner Versuche ausgehöhlt.
32Bestünde die Möglichkeit, bei „gesperrten“ generischen Anträgen bibliografische Anträge zu stellen, könnten innovatorische Unternehmer von einer Veröffentlichung der Ergebnisse ihrer Forschungen abgehalten werden. Diese ist aber zur Information der (Fach-)Öffentlichkeit und Herstellung von Transparenz erwünscht und nunmehr auch hinsichtlich der Ergebnisse klinischer Prüfungen in § 42b AMG gesetzlich gefordert. Die Veröffentlichung trägt ferner, auch wenn die Unterlagen vorübergehend nicht durch Dritte verwendet werden dürfen, zu dem Ziel bei, unnötige Tests an Menschen und/oder Tieren, die ohne erkennbaren Nutzen für die öffentliche Gesundheit wären, zu vermeiden.
33Vgl. Erwägungsgründe 9 und 10 der Richtlinie 2001/83/EG, Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2004/27/EG; EuGH, Urteile vom 18. Juni 2009 - Rs. C-527/07 (Generics) -, Rn. 22 f.; EuGH, und vom 23. Oktober 2014 - Rs. C-104/13 (Olainfarm) -, Rn. 29; Schlussanträge des Generalanwalts Wahl vom 20. Mai 2014 in der Rs. C-104/13, Rn. 25; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 1995 - Rs. C-40/93 (Scotia) -, Slg. I-2870, Rn. 17, vom 3. Dezember 1998 - Rs. C- 368/96 (Generics) -, Rn. 22 f., 71, 83, und vom 29. April 2004 - Rs. C-106/01 (Novartis) -, juris, Rn. 46; OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 108, Beschluss vom 27. November 2014 - 13 B 950/14 -, juris, Rn. 29.
34Die Unternehmer sollen – soweit sie nicht zwischenzeitlich ohnehin verpflichtet sind – zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Erkenntnisse ermutigt werden, indem sie sich auf die Einhaltung eines zehnjährigen Schutzzeitraums verlassen können.
35Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 - 13 B 1169/08 -, juris, Rn. 31.
36Dieses weite Verständnis des Unterlagenschutzes entspricht auch dem Unionsrecht. § 24b Abs. 1 AMG sowie § 24a Abs. 1 Satz 3 AMG a. F. sind in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht, dessen Umsetzung sie dienen bzw. dienten, auszulegen und anzuwenden.
37Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2014 - 13 B 950/14 -, juris, Rn. 11.
38Art. 10a der Richtlinie 2001/83/EG enthält wie § 22 Abs. 3 AMG keine Vorgaben zum Unterlagenschutz bei bibliografischen Anträgen, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG regelt den Unterlagenschutz nur für die Zulassung von Generika. Die von der Beigeladenen angeführten Bestimmungen in Anhang I, Teil II, Ziffer 1 der Richtlinie 2001/83/EG betreffen den Nachweis der „allgemeinen medizinischen Verwendung“ und verhalten sich nicht zum Unterlagenschutz. Wenn danach auch vor dem Inverkehrbringen durchgeführte Studien zu berücksichtigen sind, verdeutlich dies allerdings, dass auch der Richtliniengeber von der allgemeinen medizinischen Verwendung in einem (seit mindestens zehn Jahren) zugelassenen wirkstoffgleichen Arzneimittel ausgegangen ist, dessen Unterlagen nunmehr vorgelegt werden. Dann aber stellen sich keine Fragen des Unterlagenschutzes. Ferner enthält der 9. Erwä-gungsgrund der Richtlinie 2001/83/EG die Vorgabe, dass bei der Zulassung von Arzneimitteln, die im Wesentlichen einem bereits zugelassenen Arzneimittel gleichen, darauf zu achten ist, dass innovative Unternehmen nicht benachteiligt werden. Der Grundsatz des „effet utile“ verlangt, dass den unionsrechtlichen Vorgaben und den nationalen Umsetzungsnormen über den Unterlagenschutz zur tatsächlichen Wirksamkeit verholfen wird. Dies erfordert es, sie auch auf quasi-generische Bezugnahmen in Form der Vorlage von Unterlagen eines Erstzulassungsverfahrens anzuwenden, auch wenn dies im Rahmen eines bibliografischen Zulassungsantrags erfolgt.
39Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 129.
40In diesem Sinne versteht auch die EU-Kommission (Pharmaceutial Committee) in einer offenbar zum Fall „Clopidogrel“ (Senatsurteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -) ergangenen Stellungnahme die Vorgaben zum Unterlagenschutz. Die Vertreter der Kommission erklären ausdrücklich, der Unterlagenschutz gelte unabhängig davon, ob es sich um ein Verfahren nach Art. 10 oder 10a der Richtlinie 2001/83/EG handele. Stütze sich ein Antragsteller oder die Behörde auf solche Unterlagen, sei dies eine Umgehung der Unterlagenschutzbestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG.
41EU-Kommission, Pharmaceutical Committee - Human, Summary Record, 65. Treffen, 16. März 2009, Brüssel, S. 5.
42Das Vorbringen der Beigeladenen zum Urteil des EuGH vom 23. Oktober 2014 - Rs. C-104/13 (Olainfarm) -, schließlich verhilft der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil die Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu nicht entscheidungstragend sind. Wie die Beigeladene selbst einräumt, kann sie für die vorliegende Fallgestaltung daraus jedenfalls nichts zu ihren Gunsten ableiten.
43bb. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen scheidet der Unterlagenschutz auch nicht deshalb aus, weil es sich bei der von ihr im Zulassungsverfahren vorgelegten Schrift um veröffentlichtes wissenschaftliches Erkenntnismaterial sowie nicht um Unterlagen aus dem Zulassungsverfahren zu „P. “ handelt. Es kann offen bleiben, ob die Schrift ferner, wie von der Beigeladenen geltend gemacht, als anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG einzuordnen ist. All diese Umstände schließen das Bestehen von Unterlagenschutz nicht aus. Zwar regelt § 24b Abs. 1 AMG i. V. m. § 24a AMG a. F. unmittelbar nur den Schutz von Zulassungsunterlagen zum Referenzarzneimittel. Die hier – ohnehin nur entsprechend anwendbare Vorschrift – bedarf aus den oben ausgeführten Gründen aber einer erweiternden Auslegung, um eine Umgehung des Unterlagenschutzes zu vermeiden und ihm auch in Ansehung der unionsrechtlichen Vorgaben zur tatsächlichen Wirksamkeit zu verhelfen. Der Zulassungsinhaber hat bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist ein Recht auf alleinige Verwertung der Unterlagen, die er im Zulassungsverfahren erstellt hat. Denn die Vorleistungen des innovatorischen Unternehmers, der die erstmalige Zulassung erhalten hat, sollen für zehn Jahre vor der Verwendung mit dem Ziel der Zulassung gleicher Arzneimittel geschützt werden.
44Hiervon ausgehend ist der Unterlagenschutz, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht auf die im Zulassungsverfahren vorgelegten Original-Unterlagen beschränkt.
45Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 105 ff., 125; s. auch schon OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 – 13 B 1169/08 -, juris, Rn. 38.
46Auch eine mittelbare Nutzung des geistigen Eigentums des pharmazeutischen Unternehmers an seinen Studien, etwa durch die Vorlage behördlicher Wiedergaben und Bewertungen der Studien im Zulassungsverfahren,
47vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, juris, Rn. 105 f.,
48oder durch die Einreichung von Veröffentlichungen der Studienergebnisse, verletzt die Unterlagenschutzrechte. Der Unterlagenschutz erlischt aus den oben zur Veröffentlichung ausgeführten Gründen ferner nicht dadurch, dass der Antragsteller die Studien oder sonstiges wissenschaftliches Erkenntnismaterial, das er erarbeitet und in seinem Zulassungsverfahren vorgelegt hat, veröffentlicht.
49Hiervon ausgehend sind die Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin verletzt worden, weil die Beigeladene vor Ablauf der Unterlagenschutzfrist die Publikation der Ergebnisse von Studien verwendet hat, die der Zulassung von „P. “ zugrundelagen. In der Veröffentlichung der Firma C. , der damaligen Zulassungsinhaberin von „P. “, aus dem Jahr 2006 mit dem Titel „P. “ („Bei Rückenschmerzen“, „durchbricht den Teufelskreis“) finden sich Ausführungen zur Chemie, zur Pharmakologie, Toxikologie, zu Klinik und therapeutischen Erfahrungen, zur Verträglichkeit und Verkehrssicherheit. Unter anderem werden zwei placebokontrollierte klinische Studien zu „P. “ beschrieben, die auch ausweislich des Literaturverzeichnisses anderweitig nicht veröffentlicht waren. Hierauf hat die Beigeladene in ihren Antragsunterlagen verschiedentlich Bezug genommen (Modul 2.5, Clinical Overview, 15. April 2009, S. 23, 28, 33, Literaturverzeichnis). Die Unterlagenschutzrechte würden ausgehöhlt, wenn die Beigeladene die Studienergebnisse mittelbar durch die Vorlage der Veröffentlichung der vorherigen Zulassungsinhaberin nutzen dürfte, um eine Zulassung zu erlangen. Die Veröffentlichung dient offenbar in erster Linie der Information über das Arzneimittel und der Bewerbung des Produkts, vor allem in Fachkreisen. Darin liegt aber kein Verzicht auf den Unterlagenschutz.
50Mit dem Einwand, diese auch vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung werde praktischen Anforderungen nicht gerecht, kann die Beigeladene nicht durchdringen. Es mag im Einzelfall nicht ohne Weiteres festzustellen sein, ob wissenschaftliche Publikationen Studien wiedergeben, die Eingang in Zulassungsverfahren gefunden haben und deshalb noch dem Unterlagenschutz unterliegen. Dies gilt aber jedenfalls nicht für die hier in Rede stehende Veröffentlichung, die unter dem Produktnamen „P. “ vom (damaligen) Zulassungsinhaber herausgegeben worden ist und detaillierte Beschreibungen eigener Studien enthält. Dass diese Gegenstand eines Zulassungsverfahrens waren, wusste die Beigeladene zudem deshalb, weil sie zunächst generische Anträge gestellt hatte, ehe sie nach dem Drittwiderspruch der Antragstellerin, die sich auf die Verletzung ihrer Unterlagenschutzrechte berief, unter Vorlage derselben Unterlagen für ein identisches Präparat die bibliografische Zulassung beantragte.
51cc. Schließlich hätte das Verwaltungsgericht auch nicht prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung vorgelegen haben. Mit diesem Einwand macht die Beigeladene der Sache nach geltend, das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob die bibliografische Zulassung nach § 22 Abs. 3 Nr. 1 AMG auch ohne die streitigen Unterlagen hätte erteilt werden müssen. Wie im angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt wird, reicht es für die Bejahung der Rechtswidrigkeit und der Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin aus, dass die Zulassung unter Vorlage von geschützten Unterlagen der Antragstellerin erwirkt worden ist. Hingegen muss nicht festgestellt werden, inwieweit die Vorlage geschützter Erkenntnisse sich konkret auf die Entscheidungsfindung des BfArM über den Zulassungsantrag ausgewirkt hat. Die Zulassung ist im Falle eines Verstoßes gegen den Unterlagenschutz allenfalls dann nicht aufzuheben, wenn offenkundig ist, dass der Verstoß sich auf das Ergebnis des Zulassungsvorgangs nicht ausgewirkt hat.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 2013 - 13 A 2788/10 -, Rn. 130.
53Das ist hier nicht der Fall. Das BfArM hätte die Zulassung ohne die geschützten Unterlagen nicht erteilt, weil das übrige bibliografische Material nach seiner Auffassung Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht ausreichend belegte. Dies folgt daraus, dass „P. “ nach erheblichen Beanstandungen schließlich gemischt-bibliografisch, d. h. erst nach Vorlage eigener Studien, zugelassen worden ist, und ist behördeninternen Vermerken in den Verwaltungsvorgängen (siehe nur Bl. 454, 481, 483 ff. zu 77978.00.00) sowie dem Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2014 zu entnehmen. Die substantiierten Ausführungen des Verwaltungsgerichts hierzu werden mit der Beschwerde nicht angegriffen. Auf die Frage, ob im Übrigen die Voraussetzungen eines well-established-use gegeben sind, insbesondere ob wegen der Zulassungen in Frankreich (M. , 1996) und Großbritannien (S. , 1982) von einer allgemeinen medizinischen Verwendung auszugehen ist, kommt es deshalb nicht mehr an.
54b. Ist danach von der Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids auszugehen, fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus. Die Einwände der Beigeladenen gegen die Interessenabwägung unter Ziffer 3 der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe greifen nicht durch. Nach den vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegten Entscheidungsmaßstäben ist bei der im Rahmen des § 80a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 VwGO vorzunehmenden Abwägung der kollidierenden Interessen auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen; sind diese – wie hier hinsichtlich der Klage der Beigeladenen gegen den Rücknahmebescheid – wegen der Verletzung drittschützender Vorschriften durch die Zulassung vom 15. Juni 2010 zu verneinen, geht die Interessenabwägung regelmäßig zugunsten des Dritten aus.
55Vgl. zum Prüfungsmaßstab OVG NRW, Beschlüsse vom 26. September 2008 - 13 B 1169/08 -, juris, Rn. 9 ff., vom 31. März 2009 - 13 B 278/09 -, juris, Rn. 7 ff., und vom 27. November 2014 - 13 B 950/14 -, juris, Rn. 4.
56Denn wie die Beigeladene zutreffend betont, sind die wirtschaftlichen, grundrechtlich geschützten Interessen des Inhabers der Referenzzulassung und des Wettbewerbers gleich gewichtig, ein Vorrang kann sich nur ausnahmsweise aus einer fallbezogenen Abwägung der gegenläufigen Interessen ergeben.
57Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 5. September 2008 - 13 B 1013/08 -, juris, Rn. 37, und vom 26. September 2008 ‑ 13 B 1169/08 -, juris, Rn. 60.
58Hiervon ausgehend überwiegt das aus der Verletzung ihrer Unterlagenschutzrechte resultierende Interesse der Antragstellerin, die Vollziehung der Rücknahme der Zulassung zu erreichen, das wirtschaftliche Interesse der Beigeladenen, von einer rechtswidrigen Zulassung weiterhin Gebrauch zu machen, sowie das öffentliche Interesse an einem Preiswettbewerb mit generischen bzw. quasi-generischen Arzneimitteln. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Unterlagenschutzrechte – und damit auch der Vermarktungsschutz – der Antragstellerin, die (nur) noch bis September 2015 bestehen, leer liefen, wenn nicht die sofortige Vollziehung der Aufhebung angeordnet würde. Es sind auch mit der Beschwerde keine Umstände dargetan, die es ausnahmsweise gebieten würden, trotz offensichtlicher Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids und bestehender Drittrechtsverletzung von einem Überwiegen der wirtschaftlichen Interessen der Beigeladenen auszugehen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Interesse der Beigeladenen, die bereits seit vier Jahren bestehende Zulassung auch für die relativ kurze Zeit bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist im September 2015 weiterhin ausnutzen zu dürfen, wegen ihrer Rechtswidrigkeit und der gezielten Umgehung des Unterlagenschutzes nicht schutzbedürftig ist. Dass, wie die Beigeladene mit der Beschwerde geltend macht, wegen anderweitiger ausländischer und generischer Zulassungen die Antragstellerin keine absolute Marktexklusivität genießt, mag den wirtschaftlichen Wert der Unterlagenschutzrechte mindern, ändert aber nichts an der Schutzwürdigkeit ihres Interesses, diejenigen Arzneimittel vom Markt fernzuhalten, die unter Verletzung ihrer Rechte zugelassen worden sind.
594. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
60Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
1. Die sofortige Vollziehung der mit Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 13.06.2014 erfolgten Aufhebung der mit Bescheid vom 15.06.2010 erteilten Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ (Zul-Nr. 00000.00.00) wird angeordnet.
Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 636.500,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e
2I.
3Mit Bescheid vom 02.09.2005, zugestellt am 09.09.2005, wurde der Fa. C. -X. -GmbH im sogenannten Nachzulassungsverfahren eine Verlängerung der Zulassung gemäß § 105 AMG für das Arzneimittel „P. “ Tabletten (Zulassungs-Nr. 0000000.00.00) erteilt. Dieses Arzneimittel enthält als Wirkstoff 750 mg Methocarbamol pro Tablette und wurde für das Anwendungsgebiet „Symptomatische Behandlung schmerzhafter Muskelverspannungen, insbesondere des unteren Rückenbereichs (Lumbago)“ zugelassen. Im Jahr 2008 wurde die Zulassung auf die Antragstellerin übertragen.
4Unter dem 15.08.2008 erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – BfArM – der Beigeladenen eine generische Zulassung für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ unter Bezugnahme auf das Referenzarzneimittel „P. “ Tabletten. Unter dem 20.01.2009 wurde der Beigeladenen eine weitere generische Zulassung für das Arzneimittel „N1. N. 750 mg Tabletten“ erteilt, wobei ebenfalls das Arzneimittel „P. “-Tabletten als Referenzarzneimittel diente.
5Auf den Widerspruch der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen ordnete das BfArM im Oktober 2009 die sofortige Vollziehung der beiden generischen Zulassungen an. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wies das BfArM die Widersprüche als unbegründet zurück.
6Auf die Klage der Antragstellerin auf Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen vom 12.04.2010 – 7 K 2148/10 – wurden diese durch Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – aufgehoben, weil die generischen Zulassungen unter Verletzung der Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin aus § 24 a AMG a.F. erteilt worden waren. Der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, dass die Unterlagenschutzfrist abgelaufen sei, weil diese nach dem Prinzip der Globalzulassung mit der französischen Zulassung des Arzneimittels „Lumirelax 500 mg“ im Jahr 1996 begonnen habe, konnte das Gericht nicht folgen. Mit Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 – 13 A 2756/12 – wurde der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil abgelehnt.
7Nach Erhebung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die generischen Zulassungen der Beigeladenen im Januar 2009 stellte die Beigeladene am 29.04.2009 einen Antrag auf Zulassung eines identischen Arzneimittels mit der Bezeichnung „N. 750 mg Tabletten“ auf der Grundlage eines bibliographischen Antrags nach § 22 Abs. 3 AMG. Mit dem Antrag legte die Beigeladene unter anderem eine Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 vor, in der die Durchführung und die Ergebnisse der toxikologischen und klinischen Studien beschrieben wurden, die die Fa. C. im Nachzulassungsverfahren für „P. “ Tabletten zur Mängelbeseitigung vorgelegt hatte.
8Unter dem 15.06.2010 wurde der Beigeladenen die bibliographische Zulassung für „N. 750 mg Tabletten“ (Zulassungs-Nr. 00000.00.00) antragsgemäß erteilt. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 24.06.2010 Widerspruch und machte geltend, dass die Zulassung vermutlich auf Unterlagen der Antragstellerin für „P. “ gestützt worden sei, die noch der Unterlagenschutzfrist unterfielen, und damit rechtswidrig sei.
9Daraufhin beantragte die Beigeladene mit Schreiben vom 08.07.2010 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung und vertrat die Auffassung, der Widerspruch sei wegen Fehlens der Antragsbefugnis offensichtlich unzulässig und habe daher keine aufschiebende Wirkung.
10Mit Schreiben der Antragstellerin vom 22.07.2010 an das BfArM verzichtete diese auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, hielt aber ausdrücklich an der Erhebung des Widerspruchs und dem gestellten Antrag auf Akteneinsicht fest.
11Das BfArM ordnete mit Bescheid vom 29.07.2010 die sofortige Vollziehung der Zulassung vom 15.06.2010 an. Mit Änderungsanzeige vom 16.08.2010 zeigte die Beigeladene eine Änderung der Bezeichnung des mit Bescheid vom 15.06.2010 zugelassenen Arzneimittels in „E. W. N. 750 mg Tabletten“ an.
12Nachdem das OVG NRW mit Beschluss vom 11.10.2013 im Verfahren 13 A 2756/12 das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – und damit die Aufhebung der generischen Zulassungen der Beigeladenen bestätigt hatte, entschied das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 über den Widerspruch der Antragstellerin gegen die bibliographische Zulassung für das streitgegenständliche Arzneimittel vom 15.06.2010 und nahm die Zulassung zurück.
13In der Begründung wurde ausgeführt, der Widerspruch der Antragstellerin sei zulässig und begründet. Die Zulassung sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren subjektiven Rechten aus § 22 Abs. 3 Satz 1 AMG. Daher sei die Zulassung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG und § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG zurückzunehmen. Die von der Beigeladenen eingereichten Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin hätten bei Erteilung der bibliographischen Zulassung nicht verwertet werden dürfen, weil dies zu einer Umgehung der generischen Unterlagenschutzfrist führe. Ohne diese Unterlagen sei aber das übrige vorgelegte bibliographische Material zum Beleg von Wirksamkeit und Verträglichkeit nach § 22 Abs. 3 AMG nicht ausreichend.
14Am 17.06.2014 erhob die Beigeladene Klage gegen die Rücknahme der Zulassung vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 (7 K 3354/13). Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.07.2014 beim BfArM die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung. Durch Bescheid vom 30.07.2014 lehnte das BfArM jedoch die Anordnung der sofortigen Vollziehung ab, weil die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe und im Übrigen die Erfolgsaussichten der Klage der Beigeladenen gegen den Rücknahmebescheid offen seien.
15Am 11.08.2014 stellte die Antragstellerin den vorliegenden Antrag nach § 80 a Abs. 3, Abs. 2 VwGO, die Rücknahmeentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 für sofort vollziehbar zu erklären.
16Mit der Antragsbegründung macht sie geltend, sie werde durch die bibliographische Zulassung des streitgegenständlichen Arzneimittels in ihren Rechten auf Unterlagenschutz verletzt, weil die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen sei. Das Antragsrecht sei durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht verwirkt worden. Die Rechtslage habe sich durch das rechtskräftige Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – zu Gunsten der Antragstellerin geändert.
17Die Antragstellerin beantragt,
18die Antragsgegnerin zu verpflichten, die mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 gegen die Beigeladene ergangene Rücknahmeentscheidung hinsichtlich der Arzneimittelzulassung mit der Zulassungs-Nr. 00000.00.00 für das Arzneimittel „E. W. N. 750 mg Tabletten“ für sofort vollziehbar zu erklären.
19Die Antragsgegnerin beantragt,
20den Antrag abzulehnen.
21Sie beruft sich auf die Gründe des Bescheides vom 30.07.2014 und schließt sich im Übrigen der Auffassung der Beigeladenen an.
22Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
23den Antrag abzulehnen.
24Sie macht geltend, dass die Antragstellerin das Antragsrecht verwirkt habe, weil sie seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs verzichtet habe und das Antragsrecht somit nach einem Zeitablauf von 4 Jahren nicht mehr geltend machen könne. Der Antrag sei auch unbegründet. Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin seien bei Erteilung der Zulassung nicht verletzt worden. Die von der Beigeladenen vorgelegte Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 sei eine wissenschaftliche Veröffentlichung im Sinne von § 22 Abs. 3 AMG, die nicht zu den Zulassungsunterlagen von „P. “ gehöre. Im Verfahren des § 22 Abs. 3 AMG habe allein die zehnjährige allgemeine medizinische Verwendung des Wirkstoffs nach Erteilung einer Zulassung drittschützende Wirkung. Die 10-jährige Schutzfrist für Methocarbamol sei aber abgelaufen, weil der Wirkstoff schon seit Jahrzehnten in der EU zugelassen sei (Lumirelax, Robaxin).
25II.
26Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin zu einer Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahmeentscheidung vom 13.06.2014 zu verpflichten, ist im erkennbaren Interesse der Antragstellerin an einer zügigen und effektiven Durchsetzung ihrer Rechte dahingehend auszulegen, dass auch eine eigene Vollziehungsanordnung des Gerichts nach § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO davon umfasst ist, § 88 VwGO.
27Der Antrag ist zulässig. Er ist nach § 80 a Abs. 3 Satz 1, letzte Alternative i.V.m. Abs. 2 VwGO statthaft. Danach kann das Gericht auf Antrag eines Dritten die sofortige Vollziehung anordnen, wenn ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der den Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf einlegt. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beigeladene hat gegen den sie belastenden Rücknahmebescheid im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 in zulässiger Weise Anfechtungsklage erhoben, die grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat. Die Antragstellerin kann daher die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rücknahme der Zulassung beantragen, weil sie durch diese begünstigt wird. Durch die Rücknahme der bibliographischen Zulassung der Beigeladenen kann die Antragstellerin die Zulassung für das vergleichbare Fertigarzneimittel „P. “ wieder ohne Konkurrenz durch die Beigeladene vermarkten.
28Der Antragstellerin steht auch die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis zu. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass die Antragstellerin in ihrem subjektiven Recht auf Unterlagenschutz aus § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG durch die Erteilung der streitgegenständlichen Zulassung für E. W. N. vor Ablauf der 10-jährigen Schutzfrist am 09.09.2015 verletzt worden ist. Zwar gelten die genannten Vorschriften unmittelbar nur für das generische Antragsverfahren. Sie sind jedoch erweiternd dahingehend auszulegen, dass Unterlagenschutzfristen auch bei der Stellung von gemischt-bibliographischen Zulassungsanträgen nach § 22 Abs. 3 AMG für wesentlich gleiche Arzneimittel zu beachten sind, da der Unterlagenschutz sonst leicht durch die Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen werden könnte,
29OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
30Im vorliegenden Verfahren erscheint es möglich, dass die Rechte der Antragstellerin auf alleinige Verwertung der Versuchsergebnisse, die sie im Zulassungsverfahren für P. erarbeitet hat, bis zum Ablauf der Unterlagenschutzfrist dadurch verletzt worden sind, dass die Beigeladene diese Ergebnisse in einer mittelbaren Form durch Vorlage einer Broschüre der Fa. C. -X. GmbH aus dem Jahr 2006 zur Erlangung der bibliographischen Zulassung für ein wesentlich gleiches Arzneimittel genutzt hat.
31Das Antragsrecht ist auch nicht verwirkt. Eine Verwirkung des Rechts auf vorläufigen Rechtsschutz kommt dann in Betracht, wenn der Antragsteller seit der ersten Möglichkeit der Antragstellung eine längere Zeit hat verstreichen lassen und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Antragstellung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen,
32vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 15.
33Eine Verwirkung ergibt sich weder aus dem Zeitablauf seit der Möglichkeit der Antragstellung noch aus dem Umstand, dass die Antragstellerin seinerzeit auf die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs verzichtet hat.
34Zwar sind seit der Möglichkeit der Stellung eines Antrags nach § 80 a VwGO nach der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zulassung am 29.07.2010 bis zum Eingang des vorliegenden Eilantrags im August 2014 fast 4 Jahre vergangen. Dieser Zeitablauf ist jedoch nicht auf eine Untätigkeit der Antragstellerin zurückzuführen. Vielmehr hat die Antragstellerin die Entscheidung des BfArM über ihren Widerspruch abgewartet. Auf dessen Bearbeitungsdauer hatte sie keinen Einfluss. Sie konnte auch bei ihrem anfänglichen Verzicht auf vorläufigen Rechtsschutz im Widerspruchsverfahren nicht mit dieser langen Bearbeitungszeit durch das BfArM rechnen, das wiederum den Ausgang des Rechtsstreits über die generischen Zulassungen der Beigeladenen abgewartet hat.
35Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin während dieses gesamten Zeitraums untätig war. Sie hat nach dem Urteil des VG Köln vom 30.10.2012 im generischen Verfahren mit Schreiben vom 28.11.2012 beim BfArM eine Entscheidung über den Widerspruch beantragt, am 14.01.2013 einen weiteren Antrag auf Akteneinsicht gestellt und am 17.04.2014 unter Hinweis auf den Beschluss des OVG NRW vom 11.10.2013 erneut um eine Entscheidung über den Widerspruch gebeten.
36Es ist auch nicht ersichtlich, dass hier besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Antragsrechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Insbesondere hat die Antragstellerin durch den Verzicht auf die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht für alle Zeit auf Rechtsschutz gegen die Zulassung der Beigeladenen verzichtet. Der Verzicht beschränkte sich erkennbar auf die Zeitdauer des Widerspruchsverfahrens und war auf die unsichere Rechtslage hinsichtlich des Bestehens und Umfangs von Unterlagenschutzrechten der Antragstellerin zurückzuführen. Die Beigeladene konnte daraus nicht ableiten, dass die Antragstellerin auch bei einer Bestätigung ihrer Rechtsansicht im Widerspruchsverfahren bzw. im gleichzeitig anhängigen Klageverfahren gegen die generischen Zulassungen weiterhin auf ihre Rechte verzichtet. Sie hat stets betont, dass sie auch die bibliographische Zulassung für rechtswidrig hält und diese Auffassung während des Verfahrens durchgängig aufrechterhalten.
37Die Beigeladene kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie auf die weitere Untätigkeit der Antragstellerin vertraut und im Hinblick darauf erhebliche Investitionen in die Vermarktung ihres Arzneimittels getätigt habe, die sich nun als vergeblich erwiesen. Die Beigeladene musste wegen des schwebenden Widerspruchsverfahrens damit rechnen, dass ihre Zulassung letztlich keinen Bestand haben könnte und hat daher die Investitionen auf eigenes Risiko getätigt. Im Übrigen kann von einer Vergeblichkeit der Investitionen keine Rede sein, da die Beigeladene seit 2010 Umsätze in Millionenhöhe mit dem streitgegenständlichen Arzneimittel erwirtschaftet hat (vgl. Bl. 84 d. A.).
38Der Antrag ist auch begründet. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung in arzneimittelrechtlichen Verfahren richtet sich die Begründetheit eines Antrags auf Anordnung der sofortigen Vollziehung im Rahmen des § 80 a Abs. 3 VwGO in Anlehnung an die Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nach einer Interessenabwägung. Bei dieser Abwägung kommt es vornehmlich darauf an, ob der in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird,
39vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 31.03.2009 - 13 B 278/09 - .
40Diese Rechtsprechung, die für die Fälle des § 80 a Abs. 3 i.V.m. Abs.1 Nr. 1 VwGO gilt, in denen ein belasteter Dritter gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt, z.B. die arzneimittelrechtliche Zulassung, einen Rechtsbehelf eingelegt hat, kann in einer modifizierten Form auch auf die hier vorliegende Konstellation des § 80 a Abs. 2 VwGO angewendet werden.
41Maßstab ist auch hier in erster Linie die Erfolgsaussicht der Klage des belasteten Adressaten, da der vorläufige Rechtsschutz nur dazu dient, die Zeit bis zur Entscheidung über die Klage zu überbrücken. Die Erfolgsaussichten sind hier allerdings – in Abweichung zu den Fällen der Drittanfechtung – in vollem Umfang zu prüfen, da die Klage vom Adressaten des Verwaltungsakts erhoben wird und deshalb eine Beschränkung des Prüfungsumfangs auf drittschützende Normen nicht besteht.
42Ist die Klage voraussichtlich erfolgreich und wird der Verwaltungsakt im Klageverfahren wahrscheinlich wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben, kann kein überwiegendes Interesse eines begünstigten Dritten an der vorzeitigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. In diesem Fall wäre der Antrag abzulehnen. Ist hingegen die Klage voraussichtlich erfolglos, weil der Verwaltungsakt sich als rechtmäßig erweist, oder sind die Erfolgsaussichten offen, ist die Frage der Verletzung von Rechten des Dritten in die Interessenabwägung einzubeziehen. Denn die Verletzung von Drittrechten kann es rechtfertigen, den Verwaltungsakt schon vor der Entscheidung in der Hauptsache zu vollziehen und damit das Interesse des Adressaten an der aufschiebenden Wirkung der Klage zu verdrängen,
43vgl. Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO 3. Auflg. 2010, § 80 a Rn. 26.
44Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung ist festzustellen, dass die durch die Beigeladene erhobene Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 sich mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig erweisen wird (hierzu 1.). Da die bibliographische Zulassung der Beigeladenen unter Verstoß gegen die drittschützenden Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes über den Unterlagenschutz des Erstinhabers einer Zulassung erteilt worden ist und die Unterlagenschutzrechte der Antragstellerin leerzulaufen drohen, überwiegt im Ergebnis das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der rechtswidrigen Zulassung (hierzu 2.).
451.
46Die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 im Widerspruchsbescheid vom 13.06.2014 ist rechtmäßig. Zwar ist unklar, auf welche Rechtsgrundlage die Antragsgegnerin die Entscheidung gestützt hat. Die Wahl der Form des Widerspruchsbescheides und die ersten Ausführungen zur Begründung legen nahe, dass die Antragsgegnerin die Befugnis des BfArM als Widerspruchsbehörde zur Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes wegen des Verstoßes gegen drittschützende Rechtsnormen nach §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1 VwGO in Anspruch genommen hat. Die Angabe von § 30 Abs. 1 Satz 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG als Ermächtigungsgrundlage und die Subsumtion unter diese Vorschriften deuten darauf hin, dass das BfArM sich in seiner Eigenschaft als Ausgangsbehörde (auch) auf die Rücknahmevorschriften des Arzneimittelgesetzes gestützt hat, die neben einem gleichzeitig anhängigen Widerspruchsverfahren eines Dritten angewendet werden können, vgl. § 50 VwVfG.
47Es spricht vieles dafür, dass die Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen auf beide Rechtsgrundlagen gestützt werden kann. Jedenfalls ist diese Zulassung aber auf den Drittwiderspruch der Antragstellerin hin aufzuheben, weil bei ihrer Erteilung die Rechte der Antragstellerin auf den Schutz ihrer im Zulassungsverfahren für „P. “ Tabletten eingereichten Versuchsergebnisse aus §§ 24 a AMG a.F., 141 Abs. 5 AMG verletzt worden sind.
48Das Recht des Inhabers der ersten Zulassung eines Arzneimittels auf einen Schutz der von ihm eingereichten Unterlagen gegen die Verwertung durch andere Antragsteller besteht nicht nur gegenüber einer Bezugnahme auf diese Unterlagen im Rahmen eines generischen Verfahrens. Ein derartiges Verwertungsverbot ist ausdrücklich in § 24 b Abs. 1 AMG bzw. in der hier nach § 141 Abs. 5 VwGO anwendbaren Vorgängerfassung des § 24 a AMG a.F. angeordnet. Es muss aber auch dann gelten, wenn Unterlagen eines Erstanmelders innerhalb der Schutzfrist im Rahmen eines bibliographischen Antrags vorgelegt werden. Denn auch in diesem Fall werden die Unterlagen zur Erlangung einer Zweitzulassung durch einen anderen Antragsteller genutzt und damit die Erstzulassung wirtschaftlich entwertet. Damit würde der Unterlagenschutz durch die Möglichkeit der Stellung eines bibliographischen Antrags umgangen. Der Sinn und Zweck der Unterlagenschutzrechte gebietet daher eine erweiternde Auslegung des § 24 b Abs. 1 AMG/§ 24 a AMG a.F. bzw. eine einschränkende Auslegung des § 22 Abs. 3 AMG. Das entspricht auch der Auffassung der Europäischen Kommission zur Auslegung von Art. 10 und Art. 10 a der Richtlinie 2001/83/EG,
49OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2008 - 13 B 1169/08 - juris, Rn. 5; bestätigt durch Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - , juris, Rn. 69, 101 ff.; European Commission, Pharmaceutical Committee, Summary Record vom 16.03.2009, Ziff. 1. D, Punkt 3.
50Die Voraussetzungen des § 24 a AMG a.F. für einen Schutz der Unterlagen der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin sind erfüllt. Die von der Rechtsvorgängerin im Zulassungsverfahren für „P. “-Tabletten eingereichten selbst erarbeiteten Studien unterliegen einer 10-jährigen Unterlagenschutzfrist, die noch bis zum 09.09.2015 läuft. Dies wurde durch das Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – rechtskräftig festgestellt.
51Die der Beigeladenen am 15.06.2010 erteilte Zulassung war somit im Zeitpunkt ihrer Erteilung und bis heute rechtswidrig, weil die Beigeladene mit den Antragsunterlagen eine Zusammenfassung der geschützten Versuchsergebnisse (Broschüre der Fa. C. -X. von 2006, Anlage 4, Beiakte 2) vorgelegt und in ihrem klinischen Gutachten (Clinical Overwiew, Anlage 3, Beiakte 2)) verarbeitet hat, obwohl die Unterlagenschutzfrist noch nicht abgelaufen war.
52Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 ist nicht deshalb vom Unterlagenschutz ausgenommen, weil sie sich nicht im Antragsdossier für das Original-Arzneimittel „P. “ Tabletten befand. Der Unterlagenschutz ist nicht auf die im Erstzulassungsverfahren vorgelegten Original-Unterlagen, hier die Studienberichte über toxikologische und klinische Studien, beschränkt,
53vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
54Vielmehr erfordern Sinn und Zweck eines effektiven Unterlagenschutzes, dass auch Dokumente, die in einer hinreichend ausführlichen Form die im Erstverfahren vorgelegten Versuchsverfahren und –ergebnisse beschreiben und die daher für eine mittelbare Nutzung dieser Ergebnisse herangezogen werden können, von einer Verwertung ausgeschlossen sind. Andernfalls würden die Rechte des Originators auf Unterlagenschutz ausgehöhlt.
55Die Broschüre der Fa. C. -X. von 2006 enthält u. a. eine eingehende Beschreibung der tierexperimentellen Versuche mit P. zur Toxizität (S. 14 f.), zur Mutagenität (S. 15) und zur Sicherheitspharmakologie (S. 16). Insbesondere werden dort auch das Studiendesign und die Ergebnisse (einschließlich der erstellten Diagramme) zweier randomisierter, placebokontrollierter, doppelblinder, klinischer Studien der Phase IV mit dem Arzneimittel „P. “ im beantragten Anwendungsgebiet (Beschwerden einer schmerzhaften Muskelverspannung im Becken/Lendenbereich, Lumbago) dargestellt (S. 18 – 23).
56Diese Studienergebnisse werden auch in dem von der Beigeladenen vorgelegten Modul 2.5 „Clinical Overview“ vom 15.04.2009 (Anlage 3, Beiakte 2, S. 23 – 26f.) des bibliographischen Antrags ausführlich wiedergegeben und maßgeblich für die Begründung von Wirksamkeit und Verträglichkeit des streitgegenständlichen Arzneimittels herangezogen. Damit hat die Beigeladene die von der Antragstellerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin erstellten Unterlagen verwertet.
57Zwar mag es sich hierbei um veröffentlichtes bibliographisches Erkenntnismaterial im Sinne des § 22 Abs. 3 AMG handeln. Gleichwohl darf dieses in einem bibliographischen Antrag nicht verarbeitet werden, wenn insoweit noch Unterlagenschutz besteht. Die Vorschrift des § 22 Abs. 3 AMG, die dem Antragsteller eine Vorlage von „anderem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial“ ermöglicht, wenn eine allgemeine medizinische Verwendung eines bekannten Stoffes in der EU seit mindestens 10 Jahren besteht, geht stillschweigend davon aus, dass bei derartigen Wirkstoffen die Unterlagenschutzfristen in der Regel längst abgelaufen sind. Wenn – wie hier – noch Unterlagenschutzfristen laufen, können auch zugängliche wissenschaftliche Publikationen auf der Grundlage von geschützten Studienberichten nicht zur Begründung eines derartigen Antrags herangezogen werden,
58vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - : für einen wissenschaftlichen Bewertungsbericht einer außereuropäischen Zulassungsbehörde mit maßgeblichen Studiendaten; Beschluss vom 31.03.2009 – 13 B 278/09 - : für eine Fachinformation mit Ergebnissen von reproduktionstoxikologischen Versuchen.
59Ein Unterlagenschutz ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Fa. C. -X. die Ergebnisse der Studien im Jahr 2006 selbst veröffentlicht hat. Darin liegt keine Zustimmung zur Verwertung oder ein Verzicht auf den Schutzzeitraum. Vielmehr dient eine Veröffentlichung von Studiendaten – neben der Vermarktung des eigenen Arzneimittels – auch der Information der Öffentlichkeit und der Fachkreise. Diese Informationen würden aber missbraucht, wenn sie trotz laufender Unterlagenschutzfristen für Zweitanträge eingesetzt werden.
60Für diese Sichtweise spricht nunmehr auch § 42 b AMG, wonach der Inhaber eine Zulassung 6 Monate nach der Zulassung sogar verpflichtet ist, die Ergebnisse von Studien zu veröffentlichen. In § 42 b Abs. 3 Satz 7 AMG ist ausdrücklich bestimmt, dass die Vorschriften über den Unterlagenschutz davon unberührt bleiben, somit nach diesen Vorschriften veröffentlichte Studienberichte nicht für Zweitanträge für wesentlich gleiche Arzneimittel innerhalb der Schutzfristen genutzt werden dürfen.
61Dem Unterlagenschutz steht nicht entgegen, dass der Wirkstoff „Methocarbamol“ im Zeitpunkt der Zulassung von „P. “ 2005 möglicherweise kein „neuer Stoff“ mehr war. Nach dem rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 30.10.2012 – 7 K 2148/10 – besteht keine Einschränkung des Unterlagenschutzes auf Zulassungen für neue Stoffe. Vielmehr können auch bibliographische Zulassungen oder gemischt-bibliographische Zulassungen einen Schutz der eingereichten Unterlagen auslösen.
62Dies gilt jedenfalls dann, wenn die bibliographische Zulassung nicht allein auf der Grundlage von früheren wissenschaftlichen Publikationen erteilt wurde, sondern wenn das vorgelegte Material durch eigene Studien des Antragstellers ergänzt wurde. Es besteht kein Grund dafür, warum diese, mit eigenem finanziellen Aufwand erarbeiteten, Erkenntnisse einen geringeren Schutz genießen sollen als Unterlagen, die im Rahmen einer sog. „Full application“ nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 AMG bzw. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG eingereicht worden sind.
63Darüberhinaus hat der EuGH in einem aktuellen Urteil vom 23.10.2014 – C-104/13 – entschieden, dass auch rein bibliographische Zulassungen Referenzzulassungen im Sinne des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG (generische Anträge) sein können. Dies hat zur Folge, dass auch der Inhaber einer solchen, auf einem well-established use beruhenden Arzneimittelzulassung, Unterlagenschutz gegenüber einem generischen Zweitantragsteller genießt. Diese Entscheidung des EuGH ist auf das vorliegende Verfahren zwar nicht unmittelbar übertragbar. Sie zeigt jedoch, dass Unterlagenschutz auch für bereits allgemein medizinisch verwendete Stoffe begründet werden kann.
64Demnach ist es für den hier festgestellten Verstoß gegen die Unterlagenschutzvorschrift des § 24 a AMG a.F. unerheblich, dass es sich bei dem Wirkstoff des streitgegenständlichen Arzneimittels möglicherweise bereits 2005 wegen der früheren Zulassungen von Methocarbamol in Frankreich (Lumirelax 1996) und im Vereinigten Königreich (Robaxin 1982) um einen allgemein medizinisch verwendeten Stoff gehandelt hat.
65Da die streitgegenständliche Zulassung der Beigeladenen vom 15.06.2010 unter Vorlage von geschützten Unterlagen der Antragstellerin erwirkt worden ist, verstößt diese jedenfalls gegen § 24 a AMG a.F. i.V.m. § 141 Abs. 5 AMG und damit gegen die darin geschützten subjektiven Rechte der Antragstellerin. Die Rechtsverletzung setzt nicht voraus, dass sich die nicht erlaubte Vorlage von geschützten Unterlagen auf die Entscheidungsfindung der Bundesoberbehörde ausgewirkt hat. Der Fehler könnte allenfalls dann unbeachtlich sein, wenn offenkundig ist, dass er sich nicht auf die Erteilung der Zulassung ausgewirkt hat,
66vgl. OVG NRW, Urteil vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
67Dies kann auf den Rechtsgedanken des § 46 VwVfG zurückgeführt werden, wonach die Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht zu einer Aufhebung eines Verwaltungsakts führt, wenn sie offensichtlich die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Im vorliegenden Verfahren spricht alles dafür, dass die Verwertung der geschützten Unterlagen der Fa. C. -X. ursächlich für die Erteilung der bibliographischen Zulassung war und sich damit auf die Entscheidungsfindung der Antragsgegnerin ausgewirkt hat. Denn das BfArM hat in der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2014 klar zum Ausdruck gebracht, dass die bibliographische Zulassung ohne die Einbeziehung der geschützten Unterlagen der Antragstellerin nicht erteilt worden wäre. Denn die übrigen vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse reichten für die Begründung der Wirksamkeit und Verträglichkeit des beantragten Arzneimittels nach Auffassung des BfArM nicht aus.
68Dies ist nachvollziehbar, da die Antragsgegnerin das vorgelegte ältere wissenschaftliche Erkenntnismaterial für den Wirkstoff Methocarbamol aus den Jahren 1959 bis 1996 bereits im Mängelbeseitigungsverfahren für das Originalarzneimittel „P. “ durch das Mängelschreiben vom 04.07.2002 als völlig unzureichend beanstandet hatte. Im Rahmen des bibliographischen Antrags vom 29.04.2009 hat die Beigeladene gegenüber diesem Erkenntnisstand keine aktuellen neuen Studien – mit Ausnahme der geschützten Studien für „P. “ - vorgelegt. Alle neueren Publikationen aus den Jahren 2004 bis 2008 sind entweder Reviews oder Lehrbücher, Arzneimittellexika und andere Sekundärliteratur, die keine neuen Erkenntnisse enthalten.
69Da somit bereits aus dem Verstoß gegen § 24 a AMG a.F. eine Verletzung von subjektiven Rechten der Antragstellerin durch die streitgegenständliche Zulassung folgt, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch ein Verstoß gegen die drittschützenden Merkmale des § 22 Abs. 3 AMG vorliegt.
70Es kommt ebenfalls nicht darauf an, ob die Rücknahme der streitgegenständlichen Zulassung auch nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 22 Abs. 3 AMG rechtmäßig ist. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass viel dafür spricht, dass das von der Beigeladenen vorgelegte bibliographische Erkenntnismaterial – ohne die Studienergebnisse der Fa. C. -X. - als Beleg für eine anerkannte Wirksamkeit und annehmbare Verträglichkeit aus den vom BfArM benannten Gründen nicht geeignet bzw. unvollständig war. Dieser Bewertung hat auch die Beigeladene bisher nicht widersprochen.
712.
72Die erforderliche Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Beigeladenen an der Beibehaltung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung der Zulassung und dem berechtigten Interesse der Antragstellerin auf Durchsetzung ihrer Rechte auf Unterlagenschutz fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Die Klage der Beigeladenen gegen den Aufhebungsbescheid wird zunächst erfolglos bleiben, da der streitgegenständliche Zulassungsbescheid der Beigeladenen vom 15.06.2010 wegen eines Verstoßes gegen die drittschützende Vorschrift des § 24 a AMG a.F. rechtswidrig war und noch ist.
73Die Kammer lässt offen, ob die Klage nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist am 09.09.2015 automatisch Erfolg haben wird oder ob die Beigeladene einen neuen Antrag auf eine generische oder bibliographische Zulassung stellen muss, über den dann unter zulässiger Berücksichtigung der Antragsunterlagen für „P. “ voraussichtlich positiv zu entscheiden ist. Denn es ist fraglich, ob der Wegfall des Unterlagenschutzes 2015 und damit eine nachträgliche günstige Veränderung der Sachlage bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides berücksichtigt werden kann.
74Jedenfalls steht der Antragstellerin noch bis zum September 2015 ein Recht auf Unterlagenschutz zu, das leer laufen würde, wenn nicht die sofortige Vollziehung der Aufhebung angeordnet würde. Die Antragstellerin hat aber ein berechtigtes Interesse daran, die bisherige rechtswidrige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels der Beigeladenen zu stoppen und ihr eigenes Arzneimittel – jedenfalls bis zum Ende der Unterlagenschutzfrist – ohne die Konkurrenz durch die Beigeladene zu vermarkten.
75Der Umstand, dass die verbleibende Schutzfrist kurz ist und die Antragstellerin die bisherige Vermarktung des streitgegenständlichen Arzneimittels durch die Beigeladene vor dem Hintergrund der unsicheren Rechtslage nicht gerichtlich verhindert hat, ändert nichts daran, dass sie sich auf ihr Recht zur Alleinvermarktung bis zum Ende der Frist berufen kann. Ihr kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sie ausweislich der eingereichten Umsatzübersicht (Bl. 77 d. A.) durch den Markteintritt des Arzneimittels der Beigeladenen keinen Umsatzeinbruch erlitten hat, vielmehr die Umsätze aufgrund anderer Umstände kontinuierlich angestiegen sind. Es ist nämlich davon auszugehen, dass ihr durch die rechtswidrige Konkurrenz der Beigeladenen ein erheblicher Gewinn entgangen ist und weiter entgehen wird.
76Das Interesse der Beigeladenen, von einer rechtswidrigen Zulassung noch zumindest bis September 2015 Gebrauch zu machen, muss demgegenüber zurücktreten. Dieses Interesse ist schon deshalb nicht schutzwürdig, weil die Beigeladene den Unterlagenschutz der Antragstellerin durch die Stellung des bibliographischen Antrags gezielt umgangen hat. Das ergibt sich schon aus ihrem Zulassungsantrag vom 28.04.2009, in dem erklärt wird, dass die Unterlagen mit den Unterlagen des zuvor gestellten generischen Antrags praktisch identisch sind und die Verkehrsfähigkeit des generischen Arzneimittels trotz des eingelegten Drittwiderspruchs der Antragstellerin erhalten werden soll. Diese Absicht wurde dann später auch durch die Übertragung der Arzneimittelbezeichnung „E. W. N. 750 mg Tabletten“ von dem generischen auf das bibliographische Arzneimittel umgesetzt, sodass ein Arzneimittel der Beigeladenen mit diesem Namen seit 2008 bis heute ununterbrochen in den Verkehr gebracht werden konnte.
77Es dürfte der Beigeladenen auch zumutbar sein, das streitgegenständliche Arzneimittel vorerst vom Markt zu nehmen, obwohl schon absehbar ist, dass sie das Arzneimittel nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist bzw. der Erteilung einer neuen Zulassung wieder vermarkten darf. Den hiermit verbundenen Umsatzeinbruch wird man ihr zumuten können, da sie das Arzneimittel nun seit 4 Jahren unter Verletzung drittschützender Normen vertreibt und damit erhebliche Umsätze erzielt hat (Bl. 84 d.A.).
78Ihr Vortrag, dass sich nun die Investitionen in das Arzneimittel als vergeblich erwiesen, ist nicht nachvollziehbar. Die Investitionen haben sich zum einen bereits durch die erzielten Gewinne ausgezahlt. Zum anderen ist sie das Risiko der Vermarktung einer angefochtenen Zulassung bewusst eingegangen. Schließlich kann sie das Arzneimittel auch nach Ablauf der Unterlagenschutzfrist, ggfs. nach Erteilung einer neuen Zulassung, weiter vermarkten. Im Ergebnis überwiegt daher das Interesse der Antragstellerin an der sofortigen Durchsetzung ihrer Unterlagenschutzrechte, zumal auch das öffentliche Interesse für den sofortigen Vollzug einer rechtmäßigen Verwaltungsentscheidung spricht.
79Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 159 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, hat sie die Kosten anteilig mit der ebenfalls unterlegenen Antragsgegnerin zu tragen. Eine Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf die Antragsgegnerin oder die Staatskasse aus Gründen der Billigkeit war nicht veranlasst.
80Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
81Das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Aufhebung der Zulassung der Beigeladenen ist darauf gerichtet, die Beigeladene an der weiteren Vermarktung ihres Produktes zu hindern, um die eigenen Gewinneinbußen durch die Konkurrenz des Produktes zu vermeiden. Der Streitwert ist daher auf den entgangenen Jahresgewinn im Jahr der Antragstellung gerichtet,
82vgl. OVG NRW, Streitwertbeschluss vom 04.07.2013 - 13 A 2788/10 - .
83Die Antragstellerin hat die Höhe des entgangenen Gewinns nicht beziffert. Sie kann jedoch in etwa geschätzt werden. Es ist davon auszugehen, dass der Jahresumsatz der Beigeladenen für 2014 ausweislich der vorgelegten Übersicht 3,821 Mio Euro betragen wird (Bl. 84 d.A.), und dass dieser Umsatz der Antragstellerin entgangen ist, da die Beigeladene nach einer Recherche im Internet ihr Produkt zu demselben Preis wie die Antragstellerin vertreibt. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster kann mangels konkreter Anhaltspunkte angenommen werden, dass der Gewinn ca. ein Drittel des Umsatzes beträgt. Demnach ist der Antragstellerin im Jahr der Antragstellung 2014 ein Gewinn von 3,821 Mio Euro, dividiert durch 3, also 1,273 Mio Euro entgangen. Da im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Betrag zu halbieren, also auf 636.500 Euro.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn
- 1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab, so ergeht ein Widerspruchsbescheid. Diesen erläßt
- 1.
die nächsthöhere Behörde, soweit nicht durch Gesetz eine andere höhere Behörde bestimmt wird, - 2.
wenn die nächsthöhere Behörde eine oberste Bundes- oder oberste Landesbehörde ist, die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, - 3.
in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird.
(2) Vorschriften, nach denen im Vorverfahren des Absatzes 1 Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten, bleiben unberührt. Die Ausschüsse oder Beiräte können abweichend von Absatz 1 Nr. 1 auch bei der Behörde gebildet werden, die den Verwaltungsakt erlassen hat.
(3) Der Widerspruchsbescheid ist zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen. Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Der Widerspruchsbescheid bestimmt auch, wer die Kosten trägt.
(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
(1) Die Zulassung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, 3, 5, 5a oder 7 bei der Erteilung vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 7 nachträglich eingetreten ist. Die Zulassung ist ferner zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn
- 1.
sich herausstellt, dass dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt, - 2.
in den Fällen des § 28 Abs. 3 die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist.
(1a) Die Zulassung ist ferner ganz oder teilweise zurückzunehmen oder zu widerrufen, soweit dies erforderlich ist, um einer Entscheidung oder einem Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach Artikel 34 der Richtlinie 2001/83/EG zu entsprechen. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der zuständigen Bundesoberbehörde nach Satz 1 nicht statt. In den Fällen des Satzes 1 kann auch das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung
- 1.
zurücknehmen, wenn in den Unterlagen nach § 22 oder § 24 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, - 2.
widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nachträglich eingetreten ist oder wenn eine der nach § 28 angeordneten Auflagen nicht eingehalten und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Bundesoberbehörde zu setzenden angemessenen Frist abgeholfen worden ist; dabei sind Auflagen nach § 28 Abs. 3 und 3a jährlich zu überprüfen, - 3.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn die für das Arzneimittel vorgeschriebenen Prüfungen der Qualität nicht oder nicht ausreichend durchgeführt worden sind, - 4.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist.
(2a) In den Fällen der Absätze 1 und 1a ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt oder der in Absatz 1a genannten Entscheidung entsprochen wird. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Zulassung durch Auflage geändert werden, wenn dies ausreichend ist, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen.
(3) Vor einer Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 2a muss der Inhaber der Zulassung gehört werden, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Änderung der Zulassung, Auflagen zur Zulassung, den Widerruf, die Rücknahme oder das Ruhen der Zulassung auf einer Einigung der Koordinierungsgruppe nach Artikel 107g, 107k oder Artikel 107q der Richtlinie 2001/83/EG beruht. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet in den Fällen des Satzes 2 nicht statt. In den Fällen des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ist die Entscheidung sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es
Die Rückgabe des Arzneimittels an den pharmazeutischen Unternehmer ist unter entsprechender Kenntlichmachung zulässig. Die Rückgabe kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden.(1) Arzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden und den Vorschriften der §§ 10 und 11 unterliegen, müssen zwei Jahre nach der ersten auf den 6. September 2005 folgenden Verlängerung der Zulassung oder Registrierung oder, soweit sie von der Zulassung oder Registrierung freigestellt sind, zu dem in der Rechtsverordnung nach § 36 oder § 39 genannten Zeitpunkt oder, soweit sie keiner Verlängerung bedürfen, am 1. Januar 2009 vom pharmazeutischen Unternehmer entsprechend den Vorschriften der §§ 10 und 11 in den Verkehr gebracht werden. Bis zu den jeweiligen Zeitpunkten nach Satz 1 dürfen Arzneimittel vom pharmazeutischen Unternehmer, nach diesen Zeitpunkten weiter von Groß- und Einzelhändlern mit einer Kennzeichnung und Packungsbeilage in den Verkehr gebracht werden, die den bis zum 5. September 2005 geltenden Vorschriften entsprechen. § 109 bleibt unberührt.
(2) Der pharmazeutische Unternehmer hat für Fertigarzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden, mit dem ersten nach dem 6. September 2005 gestellten Antrag auf Verlängerung der Zulassung der zuständigen Bundesoberbehörde den Wortlaut der Fachinformation vorzulegen, die § 11a entspricht; soweit diese Arzneimittel keiner Verlängerung bedürfen, gilt die Verpflichtung vom 1. Januar 2009 an.
(3) Eine Person, die die Sachkenntnis nach § 15 nicht hat, aber am 5. September 2005 befugt ist, die in § 19 beschriebenen Tätigkeiten einer sachkundigen Person auszuüben, gilt als sachkundige Person nach § 14.
(4) Fertigarzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden und nach dem 6. September 2005 nach § 4 Abs. 1 erstmalig der Zulassungspflicht nach § 21 unterliegen, dürfen weiter in den Verkehr gebracht werden, wenn für sie bis zum 1. September 2008 ein Antrag auf Zulassung gestellt worden ist.
(5) Die Zeiträume für den Unterlagenschutz nach § 24b Absatz 1 und 4 gelten nicht für Referenzarzneimittel, deren Zulassung vor dem 30. Oktober 2005 beantragt wurde; für diese Arzneimittel gelten die Schutzfristen nach § 24a in der bis zum Ablauf des 5. September 2005 geltenden Fassung und beträgt der Zeitraum in § 24b Abs. 4 zehn Jahre.
(6) Für Arzneimittel, deren Zulassung vor dem 1. Januar 2001 verlängert wurde, findet § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 in der bis zum 5. September 2005 geltenden Fassung Anwendung; § 31 Abs. 1a gilt für diese Arzneimittel erst dann, wenn sie nach dem 6. September 2005 verlängert worden sind. Für Zulassungen, deren fünfjährige Geltungsdauer bis zum 1. Juli 2006 endet, gilt weiterhin die Frist des § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 in der vor dem 6. September 2005 geltenden Fassung. Die zuständige Bundesoberbehörde kann für Arzneimittel, deren Zulassung nach dem 1. Januar 2001 und vor dem 6. September 2005 verlängert wurde, das Erfordernis einer weiteren Verlängerung anordnen, sofern dies erforderlich ist, um das sichere Inverkehrbringen des Arzneimittels weiterhin zu gewährleisten. Vor dem 6. September 2005 gestellte Anträge auf Verlängerung von Zulassungen, die nach diesem Absatz keiner Verlängerung mehr bedürfen, gelten als erledigt. Die Sätze 1 und 4 gelten entsprechend für Registrierungen. Zulassungsverlängerungen oder Registrierungen von Arzneimitteln, die nach § 105 Abs. 1 als zugelassen galten, gelten als Verlängerung im Sinne dieses Absatzes. § 136 Abs. 1 bleibt unberührt.
(7) Der Inhaber der Zulassung hat für ein Arzneimittel, das am 5. September 2005 zugelassen ist, sich aber zu diesem Zeitpunkt nicht im Verkehr befindet, der zuständigen Bundesoberbehörde unverzüglich anzuzeigen, dass das betreffende Arzneimittel nicht in den Verkehr gebracht wird.
(8) Für Widersprüche, die vor dem 5. September 2005 erhoben wurden, findet § 33 in der bis zum 5. September 2005 geltenden Fassung Anwendung.
(9) § 25 Abs. 9 und § 34 Abs. 1a sind nicht auf Arzneimittel anzuwenden, deren Zulassung vor dem 6. September 2005 beantragt wurde.
(10) Auf Arzneimittel, die bis zum 6. September 2005 als homöopathische Arzneimittel registriert worden sind oder deren Registrierung vor dem 30. April 2005 beantragt wurde, sind die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden. Das Gleiche gilt für Arzneimittel, die nach § 105 Abs. 2 angezeigt worden sind und nach § 38 Abs. 1 Satz 3 in der vor dem 11. September 1998 geltenden Fassung in den Verkehr gebracht worden sind. § 39 Abs. 2 Nr. 5b findet ferner bei Entscheidungen über die Registrierung oder über ihre Verlängerung keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach Art und Menge der Bestandteile und hinsichtlich der Darreichungsform mit den in Satz 1 genannten Arzneimitteln identisch sind.
(11) (weggefallen)
(12) (weggefallen)
(13) Für Arzneimittel, die sich am 5. September 2005 im Verkehr befinden und für die zu diesem Zeitpunkt die Berichtspflicht nach § 63b Abs. 5 Satz 2 in der bis zum 5. September 2005 geltenden Fassung besteht, findet § 63b Abs. 5 Satz 3 nach dem nächsten auf den 6. September 2005 vorzulegenden Bericht Anwendung.
(14) Die Zulassung eines traditionellen pflanzlichen Arzneimittels, die nach § 105 in Verbindung mit § 109a verlängert wurde, erlischt am 30. April 2011, es sei denn, dass vor dem 1. Januar 2009 ein Antrag auf Zulassung oder Registrierung nach § 39a gestellt wurde. Die Zulassung nach § 105 in Verbindung mit § 109a erlischt ferner nach Entscheidung über den Antrag auf Zulassung oder Registrierung nach § 39a. Nach der Entscheidung darf das Arzneimittel noch zwölf Monate in der bisherigen Form in den Verkehr gebracht werden.
(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
(1) Die Zulassung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, 3, 5, 5a oder 7 bei der Erteilung vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 7 nachträglich eingetreten ist. Die Zulassung ist ferner zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn
- 1.
sich herausstellt, dass dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt, - 2.
in den Fällen des § 28 Abs. 3 die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist.
(1a) Die Zulassung ist ferner ganz oder teilweise zurückzunehmen oder zu widerrufen, soweit dies erforderlich ist, um einer Entscheidung oder einem Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach Artikel 34 der Richtlinie 2001/83/EG zu entsprechen. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der zuständigen Bundesoberbehörde nach Satz 1 nicht statt. In den Fällen des Satzes 1 kann auch das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung
- 1.
zurücknehmen, wenn in den Unterlagen nach § 22 oder § 24 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, - 2.
widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nachträglich eingetreten ist oder wenn eine der nach § 28 angeordneten Auflagen nicht eingehalten und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Bundesoberbehörde zu setzenden angemessenen Frist abgeholfen worden ist; dabei sind Auflagen nach § 28 Abs. 3 und 3a jährlich zu überprüfen, - 3.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn die für das Arzneimittel vorgeschriebenen Prüfungen der Qualität nicht oder nicht ausreichend durchgeführt worden sind, - 4.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist.
(2a) In den Fällen der Absätze 1 und 1a ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt oder der in Absatz 1a genannten Entscheidung entsprochen wird. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Zulassung durch Auflage geändert werden, wenn dies ausreichend ist, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen.
(3) Vor einer Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 2a muss der Inhaber der Zulassung gehört werden, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Änderung der Zulassung, Auflagen zur Zulassung, den Widerruf, die Rücknahme oder das Ruhen der Zulassung auf einer Einigung der Koordinierungsgruppe nach Artikel 107g, 107k oder Artikel 107q der Richtlinie 2001/83/EG beruht. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet in den Fällen des Satzes 2 nicht statt. In den Fällen des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ist die Entscheidung sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es
Die Rückgabe des Arzneimittels an den pharmazeutischen Unternehmer ist unter entsprechender Kenntlichmachung zulässig. Die Rückgabe kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden.(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
(1) Die Zulassung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, 3, 5, 5a oder 7 bei der Erteilung vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 7 nachträglich eingetreten ist. Die Zulassung ist ferner zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn
- 1.
sich herausstellt, dass dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt, - 2.
in den Fällen des § 28 Abs. 3 die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist.
(1a) Die Zulassung ist ferner ganz oder teilweise zurückzunehmen oder zu widerrufen, soweit dies erforderlich ist, um einer Entscheidung oder einem Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach Artikel 34 der Richtlinie 2001/83/EG zu entsprechen. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der zuständigen Bundesoberbehörde nach Satz 1 nicht statt. In den Fällen des Satzes 1 kann auch das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung
- 1.
zurücknehmen, wenn in den Unterlagen nach § 22 oder § 24 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, - 2.
widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nachträglich eingetreten ist oder wenn eine der nach § 28 angeordneten Auflagen nicht eingehalten und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Bundesoberbehörde zu setzenden angemessenen Frist abgeholfen worden ist; dabei sind Auflagen nach § 28 Abs. 3 und 3a jährlich zu überprüfen, - 3.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn die für das Arzneimittel vorgeschriebenen Prüfungen der Qualität nicht oder nicht ausreichend durchgeführt worden sind, - 4.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist.
(2a) In den Fällen der Absätze 1 und 1a ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt oder der in Absatz 1a genannten Entscheidung entsprochen wird. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Zulassung durch Auflage geändert werden, wenn dies ausreichend ist, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen.
(3) Vor einer Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 2a muss der Inhaber der Zulassung gehört werden, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Änderung der Zulassung, Auflagen zur Zulassung, den Widerruf, die Rücknahme oder das Ruhen der Zulassung auf einer Einigung der Koordinierungsgruppe nach Artikel 107g, 107k oder Artikel 107q der Richtlinie 2001/83/EG beruht. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet in den Fällen des Satzes 2 nicht statt. In den Fällen des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ist die Entscheidung sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es
Die Rückgabe des Arzneimittels an den pharmazeutischen Unternehmer ist unter entsprechender Kenntlichmachung zulässig. Die Rückgabe kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden.(1) Dem Antrag auf Zulassung müssen vom Antragsteller folgende Angaben beigefügt werden:
- 1.
der Name oder die Firma und die Anschrift des Antragstellers und des Herstellers, - 2.
die Bezeichnung des Arzneimittels, - 3.
die Bestandteile des Arzneimittels nach Art und Menge; § 10 Abs. 6 findet Anwendung, - 4.
die Darreichungsform, - 5.
die Wirkungen, - 6.
die Anwendungsgebiete, - 7.
die Gegenanzeigen, - 8.
die Nebenwirkungen, - 9.
die Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, - 10.
die Dosierung, - 11.
zur Herstellungsweise des Arzneimittels, - 12.
die Art der Anwendung und bei Arzneimitteln, die nur begrenzte Zeit angewendet werden sollen, die Dauer der Anwendung, - 13.
die Packungsgrößen, - 14.
die Art der Haltbarmachung, die Dauer der Haltbarkeit, die Art der Aufbewahrung, die Ergebnisse von Haltbarkeitsversuchen, - 15.
die Methoden zur Kontrolle der Qualität (Kontrollmethoden).
(1a) Die Angaben nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 müssen in deutscher, die übrigen Angaben in deutscher oder englischer Sprache beigefügt werden; andere Angaben oder Unterlagen können im Zulassungsverfahren statt in deutscher auch in englischer Sprache gemacht oder vorgelegt werden, soweit es sich nicht um Angaben handelt, die für die Kennzeichnung, die Packungsbeilage oder die Fachinformation verwendet werden.
(2) Es sind ferner vorzulegen:
- 1.
die Ergebnisse physikalischer, chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Versuche und die zu ihrer Ermittlung angewandten Methoden (analytische Prüfung), - 2.
die Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche, - 3.
die Ergebnisse der klinischen Prüfungen oder sonstigen ärztlichen oder zahnärztlichen Erprobung, - 4.
eine Erklärung, dass außerhalb der Europäischen Union durchgeführte klinische Prüfungen unter ethischen Bedingungen durchgeführt wurden, die mit den ethischen Bedingungen der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 gleichwertig sind, - 5.
eine zusammenfassende Beschreibung des Pharmakovigilanz-Systems des Antragstellers, die Folgendes umfassen muss: - a)
den Nachweis, dass der Antragsteller über eine qualifizierte Person nach § 63a verfügt, und die Angabe der Mitgliedstaaten, in denen diese Person ansässig und tätig ist, sowie die Kontaktangaben zu dieser Person, - b)
die Angabe des Ortes, an dem die Pharmakovigilanz-Stammdokumentation für das betreffende Arzneimittel geführt wird, und - c)
eine vom Antragsteller unterzeichnete Erklärung, dass er über die notwendigen Mittel verfügt, um den im Zehnten Abschnitt aufgeführten Aufgaben und Pflichten nachzukommen,
- 5a.
der Risikomanagement-Plan mit einer Beschreibung des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller für das betreffende Arzneimittel einführen wird, verbunden mit einer Zusammenfassung, - 6.
(weggefallen) - 7.
eine Kopie jeder Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden gemäß der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (ABl. EG Nr. L 18 S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 596/2009 (ABl. L 188 vom 18.7.2009, S. 14) geändert worden ist, - 8.
eine Bestätigung des Arzneimittelherstellers, dass er oder eine von ihm vertraglich beauftragte Person sich von der Einhaltung der Guten Herstellungspraxis bei der Wirkstoffherstellung durch eine Überprüfung vor Ort überzeugt hat; die Bestätigung muss auch das Datum des Audits beinhalten.
(3) An Stelle der Ergebnisse nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 kann anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, und zwar
- 1.
bei einem Arzneimittel, dessen Wirkstoffe seit mindestens zehn Jahren in der Europäischen Union allgemein medizinisch verwendet wurden, deren Wirkungen und Nebenwirkungen bekannt und aus dem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial ersichtlich sind, - 2.
bei einem Arzneimittel, das in seiner Zusammensetzung bereits einem Arzneimittel nach Nummer 1 vergleichbar ist, - 3.
bei einem Arzneimittel, das eine neue Kombination bekannter Bestandteile ist, für diese Bestandteile; es kann jedoch auch für die Kombination als solche anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial vorgelegt werden, wenn die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels nach Zusammensetzung, Dosierung, Darreichungsform und Anwendungsgebieten auf Grund dieser Unterlagen bestimmbar sind.
(3a) Enthält das Arzneimittel mehr als einen Wirkstoff, so ist zu begründen, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet.
(3b) Bei radioaktiven Arzneimitteln, die Generatoren sind, sind ferner eine allgemeine Beschreibung des Systems mit einer detaillierten Beschreibung der Bestandteile des Systems, die die Zusammensetzung oder Qualität der Tochterradionuklidzubereitung beeinflussen können, und qualitative und quantitative Besonderheiten des Eluats oder Sublimats anzugeben.
(3c) Ferner sind Unterlagen vorzulegen, mit denen eine Bewertung möglicher Umweltrisiken vorgenommen wird, und für den Fall, dass die Aufbewahrung des Arzneimittels oder seine Anwendung oder die Beseitigung seiner Abfälle besondere Vorsichts- oder Sicherheitsmaßnahmen erfordert, um Gefahren für die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen zu vermeiden, dies ebenfalls angegeben wird. Angaben zur Verminderung dieser Gefahren sind beizufügen und zu begründen.
(4) Wird die Zulassung für ein im Geltungsbereich dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so muss der Nachweis erbracht werden, dass der Hersteller berechtigt ist, das Arzneimittel herzustellen. Dies gilt nicht für einen Antrag nach § 21 Abs. 3 Satz 2.
(5) Wird die Zulassung für ein außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes hergestelltes Arzneimittel beantragt, so ist der Nachweis zu erbringen, dass der Hersteller nach den gesetzlichen Bestimmungen des Herstellungslandes berechtigt ist, Arzneimittel herzustellen, und im Falle des Verbringens aus einem Land, das nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, dass der Einführer eine Erlaubnis besitzt, die zum Verbringen des Arzneimittels in den Geltungsbereich dieses Gesetzes berechtigt.
(6) Soweit eine Zulassung im Ausland erteilt worden ist, ist eine Kopie dieser Zulassung und eine Kopie der Zusammenfassung der Unbedenklichkeitsdaten einschließlich der Daten aus den regelmäßigen aktualisierten Unbedenklichkeitsberichten, soweit verfügbar, und der Berichte über Verdachtsfälle von Nebenwirkungen beizufügen. Ist eine Zulassung ganz oder teilweise versagt worden, sind die Einzelheiten dieser Entscheidung unter Darlegung ihrer Gründe mitzuteilen. Wird ein Antrag auf Zulassung in einem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union geprüft, ist dies anzugeben. Kopien der von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten genehmigten Zusammenfassungen der Produktmerkmale und der Packungsbeilagen oder, soweit diese Unterlagen noch nicht vorhanden sind, der vom Antragsteller in einem Verfahren nach Satz 3 vorgeschlagenen Fassungen dieser Unterlagen sind ebenfalls beizufügen. Ferner sind, sofern die Anerkennung der Zulassung eines anderen Mitgliedstaates beantragt wird, die in Artikel 28 der Richtlinie 2001/83/EG vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben sowie die sonstigen dort vorgeschriebenen Angaben zu machen. Satz 5 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik hergestellt worden sind.
(7) Dem Antrag ist der Wortlaut der für das Behältnis, die äußere Umhüllung und die Packungsbeilage vorgesehenen Angaben sowie der Entwurf einer Zusammenfassung der Produktmerkmale beizufügen, bei der es sich zugleich um die Fachinformation nach § 11a Absatz 1 Satz 2 handelt, soweit eine solche vorgeschrieben ist. Der zuständigen Bundesoberbehörde sind außerdem die Ergebnisse von Bewertungen der Packungsbeilage vorzulegen, die in Zusammenarbeit mit Patienten-Zielgruppen durchgeführt wurden. Die zuständige Bundesoberbehörde kann verlangen, dass ihr ein oder mehrere Muster oder Verkaufsmodelle des Arzneimittels einschließlich der Packungsbeilagen sowie Ausgangsstoffe, Zwischenprodukte und Stoffe, die zur Herstellung oder Prüfung des Arzneimittels verwendet werden, in einer für die Untersuchung ausreichenden Menge und in einem für die Untersuchung geeigneten Zustand vorgelegt werden.
(1) Die Zulassung ist zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2, 3, 5, 5a oder 7 bei der Erteilung vorgelegen hat; sie ist zu widerrufen, wenn einer der Versagungsgründe des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, 5, 5a oder 7 nachträglich eingetreten ist. Die Zulassung ist ferner zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn
- 1.
sich herausstellt, dass dem Arzneimittel die therapeutische Wirksamkeit fehlt, - 2.
in den Fällen des § 28 Abs. 3 die therapeutische Wirksamkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet ist.
(1a) Die Zulassung ist ferner ganz oder teilweise zurückzunehmen oder zu widerrufen, soweit dies erforderlich ist, um einer Entscheidung oder einem Beschluss der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union nach Artikel 34 der Richtlinie 2001/83/EG zu entsprechen. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen Entscheidungen der zuständigen Bundesoberbehörde nach Satz 1 nicht statt. In den Fällen des Satzes 1 kann auch das Ruhen der Zulassung befristet angeordnet werden.
(2) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Zulassung
- 1.
zurücknehmen, wenn in den Unterlagen nach § 22 oder § 24 unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht worden sind, - 2.
widerrufen, wenn der Versagungsgrund des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 nachträglich eingetreten ist oder wenn eine der nach § 28 angeordneten Auflagen nicht eingehalten und diesem Mangel nicht innerhalb einer von der zuständigen Bundesoberbehörde zu setzenden angemessenen Frist abgeholfen worden ist; dabei sind Auflagen nach § 28 Abs. 3 und 3a jährlich zu überprüfen, - 3.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn die für das Arzneimittel vorgeschriebenen Prüfungen der Qualität nicht oder nicht ausreichend durchgeführt worden sind, - 4.
im Benehmen mit der zuständigen Behörde widerrufen, wenn sich herausstellt, dass das Arzneimittel nicht nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln hergestellt worden ist.
(2a) In den Fällen der Absätze 1 und 1a ist die Zulassung zu ändern, wenn dadurch der in Absatz 1 genannte betreffende Versagungsgrund entfällt oder der in Absatz 1a genannten Entscheidung entsprochen wird. In den Fällen des Absatzes 2 kann die Zulassung durch Auflage geändert werden, wenn dies ausreichend ist, um den Belangen der Arzneimittelsicherheit zu entsprechen.
(3) Vor einer Entscheidung nach den Absätzen 1 bis 2a muss der Inhaber der Zulassung gehört werden, es sei denn, dass Gefahr im Verzuge ist. Das gilt auch, wenn eine Entscheidung der zuständigen Bundesoberbehörde über die Änderung der Zulassung, Auflagen zur Zulassung, den Widerruf, die Rücknahme oder das Ruhen der Zulassung auf einer Einigung der Koordinierungsgruppe nach Artikel 107g, 107k oder Artikel 107q der Richtlinie 2001/83/EG beruht. Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet in den Fällen des Satzes 2 nicht statt. In den Fällen des § 25 Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 ist die Entscheidung sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(4) Ist die Zulassung für ein Arzneimittel zurückgenommen oder widerrufen oder ruht die Zulassung, so darf es
Die Rückgabe des Arzneimittels an den pharmazeutischen Unternehmer ist unter entsprechender Kenntlichmachung zulässig. Die Rückgabe kann von der zuständigen Behörde angeordnet werden.(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.