Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 05. Juli 2012 - 7 K 723/11.KO

ECLI:ECLI:DE:VGKOBLE:2012:0705.7K723.11.KO.0A
bei uns veröffentlicht am05.07.2012

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darum, ob ein für einen Lebensmitteldiscounter errichtetes Gebäude für einen Drogeriefachmarkt genutzt werden darf.

2

Das Gebäude steht auf der Parzelle Flur ..., Parzellen-Nr. 46/4 (früher 46/2), an der B... Straße und hat die Hausnummer ... Die B... Straße führt vom Zentrum Bad K aus nach Nordosten. Das Zentrum gliedert sich in den historischen Stadtkern nördlich der Nahe und den Haupteinkaufsbereich südlich der Nahe, entlang der M... Straße und der K...straße. Im übrigen Stadtgebiet konzentriert sich der Einzelhandel in erster Linie auf das „Gewerbegebiet Ost“, zu dem die B... Straße gehört.

3

Das Grundstück 46/4 liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans der Beklagten „Südwestlich ehem. US-Flugplatz zwischen B... Straße, F...-P... Straße und S... Weg (Nr. 4/5.4)“. Dieser Bebauungsplan wurde am 27. Juni 2006 bekannt gemacht. Er setzt für einen Streifen zwischen B... Straße und S... Weg ein Gewerbegebiet fest und bestimmt dazu unter Ziffer 1.2.2 der textlichen Festsetzungen: „Isolierter Einzelhandel (…) mit nachfolgend aufgeführten innenstadt- und zentrenrelevanten Sortimenten ist unzulässig: […] Drogeriewaren, Wasch-, Putz- und Pflegemittel, Kosmetika, Orthopädie, Pharmazeutika […].“ Einen Ausschluss für Lebensmittel enthält die Ziffer nicht. Für ein kleineres Areal südlich der B... Straße setzt der Bebauungsplan ein Mischgebiet fest. Dazu enthält Ziffer 1.1.3 der textlichen Festsetzungen eine Sortimentsbeschränkung für Drogeriewaren und Lebensmittel.

4

In der Begründung zum Bebauungsplan ist hinsichtlich der Sortimentsbeschränkung ausgeführt, dass die besonderen städtebaulichen Gründe in der stadtplanerischen Zielsetzung lägen, u. a. den Standort Innenstadt für einen vielfältigen Einzelhandel zu stärken. Der nicht ausgeschlossene Einzelhandel im Gewerbegebiet widerspräche diesen Zielen nicht, da hinsichtlich vieler Sortimente die Voraussetzungen in der Innenstadt nicht, im Gewerbegebiet jedoch gegeben seien. Die Trennung zwischen Misch- und Gewerbegebiet entspreche den Festsetzungen des Flächennutzungsplanes. Bestimmte Festsetzungen im Bebauungsplan dienten der Umsetzung des am 15. Juli 1998 beschlossenen Konzeptes zur Regelung der Entwicklung des Einzelhandels.

5

Das Areal war Gegenstand diverser Gutachten bzw. Konzepte:

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- Das vorgenannte Einzelhandelskonzept vom 15. Juli 1998 zielte auf die Erhaltung und die Entwicklung der Innenstadt ab. Daneben sollten Gebiete außerhalb der Innenstadt abgegrenzt werden, in denen Einzelhandel nur mit festgesetzten Sortimenten zulässig ist und daneben solche, in denen der Einzelhandel ausgeschlossen wird. Dieses Konzept setzte Zonen mit Sortimentsbeschränkungen fest.

7

- Das Institut für Handels-, Stadt- und Regionalforschung GfK Prisma erstellte im August 2004 ein Markt- und Standortgutachten für die Beklagte. Darin wurde festgestellt, dass sich der Einzelhandelsbesatz in Bad Kreuznach durch eine Bipolarität auszeichne. Es bestehe eine deutliche Arbeitsteilung zwischen der Innenstadt und dem Gewerbegebiet Ost. Die Innenstadt zeichne sich durch einen vielfältig ausgestattet Einzelhandelsbesatz aus. Das Angebot werde u. a. durch den Drogeriemarkt ... abgerundet, dessen umfangreiches Sortiment eine bedeutende Rolle spiele. Der Anteil der Innenstadt im Bereich Nahrungs- und Genussmittel sei eher unterdurchschnittlich.

8

- Der Stadtrat der Beklagten beschloss am 20. Mai 2010 eine neue Einzelhandelskonzeption. Diese beruht auf Ausarbeitungen der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung GMA. Darin ist festgestellt, dass für die Bad Kreuznacher Innenstadt u. a. die Drogeriewaren als Leitbranche anzusehen seien. Als Magnetbetriebe in der Innenstadt ließe sich u. a. „Drogerie ...“ anführen. Die wesentlichen Ziele des Entwicklungskonzeptes seien die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Versorgungsfunktion und der weitere Ausbau der Einzelhandelszentralität, die Stärkung der Innenstadt als zentraler Einzelhandelsplatz und die Steuerung der Entwicklung des Einzelhandels in den Gewerbegebietslagen. Dazu solle ein Sortiment- und Standortkonzept erstellt werden. Als zentrenrelevantes Sortiment wurden u. a. die Drogeriewaren festgesetzt. Hingegen habe der Lebensmittelhandel in Bad K traditionell für die Innenstadt keine Bedeutung. Für die Innenstadt solle verstärkt die Weiterentwicklung des Drogeriebereichs Berücksichtigung finden.

9

- Für einen Bebauungsplan zur Beschränkung der Einzelhandelsnutzung zum Schutz des zentralen Versorgungsbereichs Innenstadt wurde am 27. Juli 2009 ein Aufstellungsbeschluss gefasst. Der Plan wurde jedoch noch nicht als Satzung beschlossen.

10

Die Beklagte hatte der ... GmbH & Co.KG am 12. April 1984 einen Bauschein für den Neubau eines Lebensmittelmarktes auf der damaligen Parzelle 46/2 erteilt. Die Firma hatte in der Betriebsbeschreibung u. a. angegeben, dass nur verpackte Lebensmittel und keine Frischeartikel zum Verkauf gelangen sollten. Die Betriebsbeschreibung gehörte zum Bauschein.

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Der Grundstückseigentümer teilte der Beklagten mit Schreiben vom 31. Mai 2010 mit, dass das Gebäude zukünftig von einer Drogeriemarktkette genutzt werden solle. Er gehe davon aus, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich sei.

12

Mit Schreiben vom 28. Juni 2010 teilte die Beklagte dem Grundstückseigentümer mit, dass die geplante Sortimentsänderung eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstelle. Auf Grund der planungsrechtlichen Situation könne eine Genehmigung für die Nutzungsänderung nicht in Aussicht gestellt werden.

13

Mit Bauvoranfrage vom 4. Oktober 2010 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit der konkreten Frage, ob die Nutzungsänderung des Anwesens B... Straße ... von einem Lebensmittelmarkt in einen Drogeriemarkt nach Art der baulichen Nutzung zulässig sei. Man halte trotz dieser Bauvoranfrage an der Auffassung fest, dass die Umnutzung grundsätzlich genehmigungsfrei sei.

14

Mit Bescheid vom 9. November 2010 stellte die Beklagte fest, die Umnutzung sei unzulässig. Sie verstoße gegen den einschlägigen Bebauungsplan.

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Den binnen Monatsfrist erhobenen Widerspruch begründete die Klägerseite damit, dass es sich nicht um eine Nutzungsänderung handele. Vor allem gebe es keine Gründe für eine Differenzierung nach Sortimenten. So zeige die Sortimentsliste für das südlich der B... Straße gelegene Mischgebiet, dass die Beklagte die Auswirkungen auf ihr Zentrum bei Lebensmittelmärkten und Drogeriemärkten gleich einstufe.

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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2011 zurückgewiesen. Die geplante Nutzung des Gebäudes für einen Drogeriemarkt widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans. Dieser beruhe auf der Einzelhandelskonzeption der Beklagten. Die planungsrechtliche Differenzierung zwischen Lebensmitteln und Drogeriewaren sei den Besonderheiten in Bad K geschuldet. Lebensmittel würden im Zentrum nicht und in der Fußgängerzone nicht mehr in nennenswertem Umfange eingekauft. Hingegen stellten die Drogeriemärkte für die Innenstadt Publikumsmagnete dar. Selbst wenn der Bebauungsplan nicht zur Anwendung komme, sei die geplante Umnutzung planungsrechtlich unzulässig. Von einem neuen Drogeriemarkt gingen schädliche Auswirkungen auf die Innenstadt aus. Dies ergebe sich bereits aus einem Verkaufsflächenvergleich. In der Innenstadt gebe es eine Gesamtverkaufsfläche für Drogerie von ca. 2.300 qm. Durch den geplanten Drogeriemarkt mit 643 qm würde über ¼ der Kaufkraft an einen nicht zentralen Standort verlagert.

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Mit ihrer am 11. August 2011 erhobenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Feststellung der Zulässigkeit der Umnutzung. Sie macht Folgendes geltend:

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Der hauptsächlich verfolgte Feststellungsantrag sei zulässig. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Nutzungsmöglichkeit. Die Feststellungsklage sei auch begründet. Dabei gehe es ihr um die grundsätzliche Genehmigungsfreiheit. Die geplante Nutzungsänderung sei genehmigungsfrei, da sie die Variationsbreite der alten Genehmigung nicht verlasse. Lebensmittel gehörten zum Kernsortiment eines Drogeriemarktes und umgekehrt. Es liege nur eine andere Gewichtung bei der Sortimentsauswahl vor. Die Umnutzung habe keine städtebauliche Relevanz. Lebensmittel- und Drogeriemärkte seien als Einzelhandelsbetriebe der gleichen Nutzungsart zuzuordnen. Eine Differenzierung nach Zentrumsrelevanz sei nicht angezeigt, da der fragliche Bebauungsplan nach Erteilung der Baugenehmigung in Kraft getreten sei. Durch den Bebauungsplan könne die Baugenehmigung nicht eingeschränkt werden, da ansonsten der Bestandsschutz eingeengt werde. Überdies seien Lebensmittel und Drogeriewaren gleichermaßen zentrumsrelevant.

19

Die hilfsweise verfolgte Verpflichtungsklage sei begründet. Der Bebauungsplan sei unwirksam. Die dortigen Einzelhandelsausschlüsse seien nicht erforderlich. Eine Begründung für die Differenzierung zwischen Drogeriewaren und Lebensmitteln sei nicht gegeben worden. Deshalb sei die Planungskonzeption der Beklagten nicht schlüssig. Der Bebauungsplan verstoße gegen das Abwägungsgebot. Die Beklagte habe nicht bedacht, wie stark sie in bestehende Nutzungsmöglichkeiten eingreife. Zudem bestehe ein Anspruch auf Befreiung von den Planfestsetzungen. Die geplante Umnutzung verletzte die Grundzüge der Planung nicht. Sie beeinträchtige den Markt nicht anders als die vorherige Nutzung. Denn Drogeriemärkte und Lebensmittelmärkte unterschieden sich nur noch hinsichtlich der Schwerpunkte bei der Sortimentsauswahl. Ohne Bebauungsplan sei das Vorhaben zulässig. § 34 Abs. 3 BauGB greife nicht, da die Beklagte nicht belegt habe, dass der Versorgungsauftrag der Innenstadt substantiell gefährdet werde.

20

Die Klägerin beantragt,

21

1. festzustellen, dass die Nutzung des Anwesens B... Straße ... (Parzelle 46/4) in Bad K zum Betrieb eines Drogeriemarktes keine Genehmigungspflicht im Sinne des § 61 LBauO begründet und von der bestehenden Baugenehmigung vom 12. April 1984 gedeckt wird;

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2. hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 9. November 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2011 zu verpflichten, der Klägerin einen Bauvorbescheid zu erteilen, mit dem festgestellt wird, dass die Nutzung des Anwesens B... Straße ... (Parzelle 46/4) in Bad Kreuznach zum Betrieb eines Drogeriemarktes der Art nach rechtlich zulässig ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

25

Sie hält der Klägerin entgegen, dass auf die konkret erteilte Baugenehmigung abzustellen sei. Diese sei für einen ...-Lebensmittel-Discounter erteilt worden. Ein Drogeriemarkt sei nach typisierender Betrachtungsweise nach Konzept und Sortiment anders zu betrachten als ein Lebensmittelmarkt. Bei der Frage, wegen welcher Sortimente Innenstadtschutz gewährt werden könne, komme es auf die konkrete Situation und die Planungsziele an. Demnach sei auf die Besonderheiten in Bad K Rücksicht zu nehmen. Drogeriewaren seien dort von jeher als innenstadtrelevant qualifiziert worden. Hingegen seien Lebensmittel kein Frequenzbringer für die Innenstadt. Es sei daher zulässig, Lebensmittel als nicht zentrumsrelevant einzustufen. Dem Bebauungsplan habe ein schlüssiges Einzelhandelskonzept zu Grunde gelegen. Eine Befreiung komme nicht in Betracht, da Grundzüge der Planung betroffen seien. Der Bebauungsplan sei gerade zum Ausschluss innenstadtrelevanter Sortimente beschlossen worden.

26

Hinsichtlich des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den einschlägigen Bebauungsplan und die Verwaltungsakten (einschließlich Einzelhandelskonzepte und Gutachten) verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

27

Die Klage hat weder im Haupt- (I.) noch im Hilfsantrag (II.) Erfolg.

I.

28

Die mit dem Hauptantrag erhobene Feststellungsklage ist zwar zulässig (1.), hat aber in der Sache keinen Erfolg (2.).

29

1. Der Hauptantrag erfüllt die Zulässigkeitserfordernisse einer Feststellungsklage nach § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

30

Zunächst liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor. Darunter sind rechtliche Beziehungen zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen zu verstehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Komm., 18. Aufl. 2012, § 43 Rdnr. 11). Zwar wäre die Frage der Nutzbarkeit der Parzelle 47 ohne weitere Konkretisierung lediglich eine nicht feststellungsfähige Vorfrage zu Rechtsverhältnissen der hier Beteiligten zum fraglichen Grundstück. Es würde nur abstrakt geprüft, ob die Voraussetzungen für ein Nutzungsrecht auf der einen oder für ein baupolizeilichen Einschreiten auf der anderen Seite vorlägen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Komm., a.a.O., § 43 Rdnr. 13 m.w.N.). So abstrakt hat die Klägerin ihr Begehren indes nicht formuliert. Sie will wissen, ob die Nutzungsänderung durch die Baugenehmigung vom 12. April 1984 umfasst ist. Aus dieser resultieren konkrete Rechtsbeziehungen zum Baugrundstück. Die Klärung des Umfangs des dort genehmigten Nutzungsrechts ist einer gerichtlichen Feststellung zugänglich.

31

Die Klägerin kann sich bei ihrer Klage überdies auf ein hinreichendes Feststellungsinteresse berufen. Dieses wäre zu verneinen, wenn die vorliegende Feststellungsklage als Popularklage einzustufen wäre, weil die Klägerin keinerlei rechtliche Beziehungen zum fraglichen Baugrundstück hätte. Ohne die Forderung nach solchen Rechtsbeziehungen könnte jeder die Nutzbarkeit jedweden Grundstücks überprüfen lassen. Zwischen dem fraglichen Grundstück und der Klägerin bestehen jedoch öffentlich-rechtliche Beziehungen, da sie zugleich als Bauherrin im hilfsweise verfolgten Verpflichtungsbegehren auftritt.

32

2. Der Hauptantrag der Klage ist jedoch unbegründet, da die Kammer die von der Klägerin begehrte Feststellung nicht treffen kann. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin ist die geplante Umnutzung der Anwesens B... Straße ... zum Betrieb eines Drogeriemarktes nicht genehmigungsfrei und nicht von der Baugenehmigung vom 12. April 1984 umfasst. Es liegt eine die Genehmigungspflicht auslösende Nutzungsänderung vor, da durch das Vorhaben die der genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird (a)) und durch die Aufnahme der veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (b)), so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 – 4 C 10/09 –, juris, dort Rdnr. 12 m.w.N.). Dabei ist vorrangig auf die bauplanungsrechtlichen Vorschriften abzustellen, da Nutzungsänderungen baulicher Anlagen vom Vorhabenbegriff in § 29 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) umfasst sind (vgl. Jeromin, LBauO-Komm., 2. Aufl. 2008, § 61 Rdnr. 15).

33

a) Mit der Nutzung des Gebäudes B... Straße ... als Drogeriemarkt wird die Variationsbreite der am 12. April 1984 Nutzung genehmigten Nutzung als Lebensmittelmarkt verlassen.

34

Abzustellen ist auf die genehmigte Nutzung, wobei dann, wenn Einzelhandelsnutzung genehmigt war, Sortimentsbeschränkungen und die Betriebsart zu berücksichtigen sind, sofern sie Gegenstand der Baugenehmigung waren (vgl. VG NW, Urteil vom 28. Juli 2008 – 3 K 295/08.NW –, juris, dort Rdnrn. 34 ff.). Maßstab ist das charakteristische Nutzungsspektrum; bereits wenn dieses ausgeweitet wird, handelt es sich um eine Überschreitung der Variationsbreite (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2010, a.a.O., Rdnr. 12). Zeitgeistbedingte Weiterentwicklungen der tatsächlichen Nutzung führen dabei nicht automatisch zu einer Ausweitung des charakteristischen Nutzungsspektrums (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2001 – 4 B 36/01 – juris, dort Rdnr. 7).

35

Unter Beachtung dieser Kriterien steht bereits der klar gefasste Inhalt der Genehmigung vom 12. April 1984 der Annahme entgegen, die Nutzung als Drogeriemarkt liege noch innerhalb der von ihr umfassten Variationsbreite. Genehmigt wurde damals der Neubau eines Lebensmittelmarktes der Discounterkette ... und nach der am Regelungsinhalt der Baugenehmigung teilnehmenden Betriebsbeschreibung nur der Verkauf von verpackten Lebensmitteln. Damit enthielt die Baugenehmigung eine Sortimentsbeschränkung auf Lebensmittel. Selbst wenn man annähme, mit der Betriebsbeschreibung habe betont werden sollen, dass keine Frischwaren verkauft werden sollten, ergibt sich nichts anderes. Selbst dann bezogen sich Baugenehmigung und Betriebsbeschreibung ausschließlich auf Lebensmittel. Drogeriewaren standen nicht in Rede und gehören nicht zum ausdrücklich genehmigten Sortiment.

36

Selbst wenn man der in der Baugenehmigung enthaltene Sortimentsbeschränkung auf Lebensmittel kein entscheidendes Gewicht beimäße und auf einen Vergleich des genehmigten mit dem geplanten Betrieb abstellte, ergäbe sich nichts anderes. Denn ein Lebensmitteldiscounter ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung gegenüber einem Drogeriefachmarkt ein aliud (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2010 – 8 A 11322/09 –, juris, dort Rdnr. 24). Ein Lebensmitteldiscounter hat ein schmales flaches Warensortiment, das er auf einer relativ kleinen Verkaufsfläche einfach präsentiert (s. wikipedia zu Discounter; homepage ...-...→ Unternehmen → Über ......→ Philosophie). Hingegen zeichnet sich ein Drogeriefachmarkt regelmäßig durch ein deutlich größeres Sortiment und die Beratung der Kunden aus (s. homepage ...→ Unternehmen → Kurzportrait).

37

Schließlich ändert die vom Klägerbevollmächtigten behauptete Verlagerung des Schwerpunkts der jeweiligen Sortimente nichts daran, dass sich die charakteristischen Nutzungsspektren von Lebensmitteldiscountern und Drogeriemärkten erheblich unterscheiden. Angesichts des Umstandes, dass die hier in Rede stehende Baugenehmigung im Jahr 1984 erteilt wurde, ist bereits fraglich, ob spätere Entwicklungen der typischen Sortimente von Relevanz sind. Entscheidend ist jedoch, dass sich die Sortimente von Lebensmitteldiscountern und Drogeriemärkten weiterhin so unterscheiden, dass sie kein Indiz für eine so enge Annäherung der beiden Betriebe sind, dass bei Genehmigung der einen anzunehmen wäre, die andere wäre gleichsam mitgenehmigt worden. So mag es sein, dass in Lebensmitteldiscountern inzwischen Drogeriewaren und in Drogeriemärkten Lebensmittel angeboten werden. Entscheidend ist jedoch, wo der Schwerpunkt des Angebots liegt. Bei Lebensmitteldiscountern stehen nach wie vor Lebensmittel im Vordergrund (s. homepage ......→ Sortiment → Aus unserem Sortiment), bei Drogeriemärkten hingegen Drogeriewaren (s. homepage Verband Deutscher Drogeristen → Wir über uns → Leitbild; homepage ...). Bei typisierender Betrachtung stellen die jeweils anderen Artikel Randsortimente dar.

38

b) Durch die Aufnahme der veränderten Nutzung des Gebäudes B... Straße ... können bodenrechtliche Belange neu berührt werden, so dass sich die Genehmigungsfrage neu stellt. Denn die geplante Nutzung beurteilt sich aus planungsrechtlicher Sicht möglicherweise anders als die genehmigte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juli 2001, a.a.O.). Dabei genügt es, wenn ohne weitere Prüfung nicht auszuschließen ist, dass die geplante und die genehmigte Nutzung planungsrechtlich differenziert zu betrachten sind. Die dezidierte Prüfung, ob dies tatsächlich so ist, muss dem eigentlichen Baugenehmigungs- bzw. Bauvoranfrageverfahren vorbehalten bleiben. Sie würde die Prüfung der Vorfrage überfrachten, ob ein solches Verfahren überhaupt durchzuführen ist. Hier ist nicht auszuschließen, dass Lebensmitteldiscounter und Drogeriemarkt an der fraglichen Stelle planungsrechtlich unterschiedlich zu betrachten sind. Denn es liegen Umstände vor, die eine Differenzierung rechtfertigen können.

39

Unter Zugrundelegung der einschlägigen Sortimentsbeschränkung in Ziffer 1.1.3 des einschlägigen Bebauungsplans 4/5.4 ist auf dem fraglichen Grundstück ein Lebensmitteldiscounter zulässig, ein Drogeriemarkt hingegen nicht. Allein dies rechtfertigt die Annahme, dass beide aus planungsrechtlicher Sicht möglicherweise anders zu beurteilen sind. Es ist nicht offensichtlich, dass der Bebauungsplan selbst oder die in ihm enthaltene Sortimentsbeschränkung unanwendbar wären. Derartige Beschränkungen sind nach § 1 Abs. 9 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) zulässig. Ob die Voraussetzungen dieser Norm tatsächlich nicht vorliegen, ist ebenfalls nicht ohne eine Prüfung festzustellen, die dem späteren Genehmigungsverfahren vorbehalten ist. Die Argumente der Klägerseite führen jedenfalls nicht zu der Annahme, dass die Sortimentsbeschränkung offensichtlich rechtswidrig wäre.

40

Dies gilt zunächst hinsichtlich der vermeintlichen unzulässigen Beschränkung des über die Baugenehmigung vom 18. April 1984 vermittelten Bestandsschutzes durch den am 27. Juni 2006 in Kraft getretenen Bebauungsplan 4/5.4. Die Klägerseite verkennt, dass der Bestandschutz durch den Inhalt der Baugenehmigung beschränkt wird. Streng genommen besteht lediglich ein Anspruch auf den Betrieb eines Lebensmittelmarktes nur zum Verkauf von Lebensmitteln. Ein solcher Betrieb ist nach Inkrafttreten des Bebauungsplans weiter zulässig. Nach den obigen Ausführungen in Abschnitt I.2.a) ist vom Bestandschutz jener Baugenehmigung der Betrieb eines Drogeriemarktes nicht umfasst. Folglich beeinträchtigt der Ausschluss von Drogeriewaren den Betrieb auf dem fraglichen Grundstück im bestandgeschützten Umfang nicht. Die Argumentation der Klägerseite zielt letztlich darauf ab, den Vertrieb von Drogeriewaren hypothetisch der Legalisierungswirkung der Baugenehmigung aus dem Jahr 1984 zu unterstellen und dann der planenden Stadt vorzuwerfen, sie habe im Jahr 2006 den so ausgeweiteten Bestandsschutz nicht ausreichend gewürdigt. Eine solche Argumentation ist nicht schlüssig, da nicht auf einen hypothetischen sondern auf den tatsächlichen rechtlichen Umfang des Bestandschutzes abzustellen ist. Überdies sind die Ziele der Bauleitplanung für die Zukunft zu formulieren und können auf eine Änderung des städtebaulichen Ist-Zustandes hinwirken (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2010, a.a.O., Rdnr. 29). Der Plangeber muss nicht strikt die bestandgeschützten Nutzungen widerspiegeln. Er kann statt der genehmigten Nutzungen andere vorsehen, die virulent werden, wenn der Bestandsschutz endet.

41

Entgegen der Auffassung der Klägerseite kann ferner nicht ausgeschlossen werden, dass der erforderliche „besondere“ Grund für die hier in Rede stehende Sortimentsbeschränkung gegeben ist. Generell können der Schutz der Einzelhandelsstruktur im zentralen Versorgungsbereich einer Stadt vor schädlichen Auswirkungen ebenso wie die Entwicklung dieser Struktur besondere Gründe im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO sein (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. September 2011 – 2 A 59/10 –, juris, dort Rdnrn. 50 ff.). Bei der Prüfung, ob schädliche Auswirkungen im vorgenannten Umfang zu erwarten sind, ist eine Gesamtbetrachtung aller städtebaulich relevanter Umstände vorzunehmen, zu denen neben den jeweiligen Verkaufsflächen, der Umsatzverteilung, der räumlichen Entfernungen und etwaigen Vorschädigungen des Versorgungsbereichs insbesondere die Gefährdung eines vorhandenen „Magnetbetriebs“ zählt, der maßgebliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2012 – 4 B 39/11 –, juris, dort Rdnr. 12).

42

Es genügt im Zuge des auf die Klärung der Vorfrage der Genehmigungsbedürftigkeit gerichteten Hauptantrags festzuhalten, dass es Gesichtspunkte gibt, die eine Sortimentsbeschränkung nach diesen Prämissen rechtfertigen können. So kann der geplante Drogeriemarkt für die Innenstadt der Beklagten bedeutsame Magnetbetriebe gefährden. Als letztere sind nach dem Markt- und Standortgutachten der GfK Prisma und den Ausarbeitungen der GMA die Drogeriemärkte in der Innenstadt von Bad K anzusehen. Es ist nicht auszuschließen, dass die Schaffung von 643 qm Verkaufsfläche für Drogeriewaren den Umsatz der bestehenden Märkte mit 2.300 qm Fläche und vor allem ihre „Anlockfunktion“ gefährden kann.

43

Die entsprechende Konzeption der Beklagten wird entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht dadurch offensichtlich unschlüssig, dass das Sortiment Lebensmittel in den beiden Teilbereichen des Plangebiets unterschiedlich behandelt wird. Die planungsrechtlichen Sortimentsbestimmungen sind für jeden Teilbereich gesondert zu prüfen, selbst wenn ein fehlerhafter Ausschluss eines Sortiments in einem Bereich die für diesen geltende Regelung insgesamt unwirksam machen kann (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 6. September 2011, a.a.O., Rdnr.37; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2010, a.a.O., Rdnr. 26). Ein unter Umständen nicht gerechtfertigtes Verbot des Sortiments „Lebensmittel“ durch den Bebauungsplan 4/5.4 im Mischgebietsteil mag für die entsprechende Beschränkung in Ziffer 1.1.3 des Plans Bedeutung haben. Sie lässt jedoch keine zwingenden Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der für das hier in Rede stehende Gewerbegebiet maßgebliche Ziffer 1.2.2 zu. Denn insoweit gewinnt die Besonderheit Bedeutung, dass im Innenstadtbereich von Bad K Lebensmittel nach den vorliegenden Begutachtungen keine wesentliche Bedeutung für die dortigen Einzelhandelsstrukturen haben.

II.

44

Der zulässige Hilfsantrag ist unbegründet.

45

Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 70 Abs. 1 und § 72 LBauO auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheids mit dem Inhalt, die Nutzung des Anwesens B... Straße ... zum Betrieb eines Drogeriemarktes sei rechtlich zulässig. Das Vorhaben ist vielmehr nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem Bebauungsplan 4/5.4 unzulässig (1.). Gleiches gilt, wenn man unterstellte, dass dieser Plan (teilweise) unwirksam wäre (2.).

46

1. Der geplante Drogeriemarkt ist nach § 30 Abs. 1 BauGB unzulässig, da er im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans 4/5.4 liegt und dessen Bestimmungen widerspricht. Der Plan enthält die erforderlichen Festlegungen (Art der baulichen Nutzung etc.) um ihn als qualifizierten Bebauungsplan einzustufen. Das Vorhaben widerspricht der Ziffer 1.2.2 jenes Plans, die für den Teilbereich Gewerbegebiet, in dem das Vorhabengrundstück liegt einen sortimentsbezogenen Einzelhandelsausschluss normiert, dem der geplante Verkauf von Drogeriewaren unterfällt. Der Bebauungsplan ist hier anzuwenden. Die Kammer sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Plan insgesamt (a)) oder die betreffende Ziffer (b)) unwirksam wäre. Einen Anspruch auf Befreiung davon hat die Klägerin nicht (c)).

47

a) Der einschlägige Bebauungsplan 4/5.4 als solcher leidet nicht an Fehlern, die von der Kammer zu prüfen wären und zu seiner Unwirksamkeit führten. So ist zunächst kein Ausfertigungsfehler festzustellen. Er ist ferner nicht funktionslos geworden, da der Plan nach wie vor die planungsrechtliche Situation im Plangebiet steuert. Es ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich, dass sich die Beklagte nicht mehr an die Planvorhaben, insbesondere an den Ausschluss des Einzelhandels mit Drogeriewaren, halten will. So ist nicht erkennbar, dass die Beklagte nach Inkrafttreten des Plans im Plangebiet Einzelhandel mit Drogeriewaren genehmigt hätte. Sodann zeigt die Einzelhandelskonzeption vom 20. Mai 2010 dass die Beklagte Drogeriewaren weiterhin als Leitbranche ansieht, die es wegen ihrer Magnetfunktion im Innenstadtbereich zu konzentrieren gilt.

48

Schließlich vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass der Plan an hier relevanten Abwägungsfehlern litte. Vor allem lassen sich solche aus dem Vortrag der Klägerseite nicht ableiten, die in diesem Zusammenhang auf die Differenzen beim Ausschluss von Lebensmitteln und darauf abstellt, dass die Beklagte die genehmigte Nutzung auf dem Grundstück B... Straße ... nicht ausreichend gewürdigt habe. Es ist nicht ersichtlich, dass die Differenzierungen beim Lebensmittelausschluss auf einer Fehleinschätzung der Beklagten bei der Abwägung der Belange beruhen. Sie hat dazu in der Planbegründung sinngemäß ausgeführt, dass bestimmte Sortimente innenstadtverträglich seien. Dazu gehört nach den vorliegenden Gutachten der Lebensmittelhandel. Dieser hat für den Innenstadtbereich von Bad K keine Bedeutung (s. GfK Prisma vom August 2004; GMA). Damit läuft es dem Ziel des Schutzes und der Entwicklung der Innenstadt nicht zuwider, außerhalb des Zentrums partiell Lebensmitteleinzelhandel zuzulassen. Ein Abwägungsdefizit ist in Bezug auf die bestandgeschützte Nutzung ebenfalls nicht festzustellen. Es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte darauf keine Rücksicht genommen hätte. So ist die vom Bestandschutz umfasste Nutzung des Grundstücks B... Straße ... als Lebensmittelmarkt nach Inkrafttreten des Plans weiter zulässig.

49

b) Die das hier fragliche Gewerbegebiet betreffende planungsrechtliche Sortimentsbeschränkung in Ziffer 1.2.2 leidet ebenfalls nicht an hier überprüfbaren und durchschlagenden Fehlern. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 1 Abs. 9 BauNVO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Oktober 2007 – 4 BN 39/07 –, juris). Die Voraussetzungen dieser Norm liegen vor. Insbesondere liegen für den hier einzig relevanten Ausschluss des Sortiments „Drogeriewaren“ für das im Bebauungsplan 4/5.4 festgesetzte Gewerbegebiet besondere Gründe vor, die eine feinere Ausdifferenzierung als die in § 1 Abs. 5 BauNVO vorgesehene nach Nutzungsarten zulassen. Der Schutz und die Stärkung des Einzelhandels in den Stadtzentren ist ein solcher Grund, der generell den Ausschluss von Einzelhandel mit zentrumsrelevanten Sortimenten rechtfertigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 – 4 C 21.07 –, DVBl 2009; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2010, a.a.O., Rdnr. 27). Allerdings muss die zur Sortimentsbeschränkung führende Konzeption schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. OVG NW, Urteil vom 6. September 2010, a.a.O., Rdnr. 46). Weiter sind dann, wenn die Sortimentsbeschränkung in erster Linie (nur) dem Schutz bestehender Einzelhandelsstrukturen im zentralen Versorgungsbereich dient, konkrete Angaben dazu zu fordern, weshalb diese Strukturen gerade durch den Einzelhandel mit diesem Sortiment geschädigt würden (vgl. OVG NW, Urteil vom 6. September 2010, a.a.O., Rdnr. 55; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2010, a.a.O., Rdnr. 29). Schließlich bedarf es einer fundierten städtebaulichen Rechtfertigung, wenn zwei zentrumsrelevante Sortimente unterschiedlich behandelt werden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2010, a.a.O., Rdnr. 37). Diesen Anforderungen wird der Ausschluss von Drogeriewaren im fraglichen Gewerbegebiet gerecht.

50

Er ist im Bebauungsplan mit der städtebaulichen Zielsetzung begründet worden, den Standort Innenstadt für einen vielfältigen Einzelhandel zu stärken. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte damit vorrangig den Schutz oder die Entwicklung des Innenstadtbereichs in den Blick nimmt. Denn selbst die partiell strengeren Anforderungen an den bloßen Schutz der zentralen Versorgungsbereiche sind hier erfüllt. Der Ausschluss von Drogeriewaren im Gewerbegebiet des Bebauungsplans 4/5.4 beruht auf einer schlüssigen Konzeption. Die Beklagte ist nämlich von der plausiblen Annahme ausgegangen, dass sich der Einzelhandel mit diesem Sortiment potentiell schädlich auf die Einzelhandelsstruktur des Zentrums von Bad K auswirken würde (vgl. OVG NW, Urteil vom 6. September 2010, a.a.O., Rdnr. 50). Dies ergibt sich nicht nur aus dem in Bezug auf den Ausschluss von Drogeriewaren in sich schlüssigen Einzelhandelskonzept vom 15. Juli 1998, sondern aus sämtlichen späteren Bewertungen der Einzelhandelssituation in Bad K. Namentlich das vor Aufstellung des Bebauungsplans 4/5.4 erstellte Markt- und Standortgutachten vom August 2004 betont die bedeutende Rolle der Drogeriemärkte für den Einzelhandel im Innenstadtbereich von Bad K. In der späteren Einzelhandelskonzeption der Beklagten vom 20. Mai 2010 werden diese als Magnetbetriebe bezeichnet. Die Kammer hat keinen Anlass, diese sachverständigen bzw. auf Gutachten beruhenden Beschreibungen der Einzelhandelssituation in Bad K in Frage zu stellen, zumal die Klägerseite gegen die Bestandsbeschreibungen als solche keine Einwände erhebt. Es ist also von der Prämisse auszugehen, dass die Drogeriemärkte in der Innenstadt von Bad K derartige Magnetbetriebe sind, also Käufer anlocken, die über den Erwerb von Drogeriewaren hinaus in anderen Geschäften Waren anderer Sortimentsgruppen kaufen. Dann ist es nachvollziehbar, dass durch eine Schwächung der Magnetbetriebe eine Reduzierung deren Anlockwirkung eintritt, die wiederum die gesamte Einzelhandelsstruktur im zentralen Versorgungsbereich gefährdet. Denn diese hängt nach den hier zu beachtenden Bewertungen grundlegend von den Magnetbetrieben im Drogeriesektor ab. Diese Schlussfolgerung erscheint der Kammer angesichts der besonderen Einzelhandelssituation in Bad K, der örtlichen Gegebenheiten und im Vergleich der Verkaufsflächen zueinander stichhaltig. Die Besonderheiten in Bad K liegen in Bezug auf den Einzelhandel im zentralen Versorgungsbereich nach den vorliegenden Bewertungen in der Bipolarität der Verteilung des Einzelhandels (Innenstadt und Gewerbegebiet Ost), der besonderen Bedeutung der Magnetbetriebe im Drogeriesektor für die Innenstadt und in der dortigen Unterversorgung im Bereich Lebensmittel. Insbesondere ihre Magnetwirkung für die Innenstadt macht die Drogeriemärkte besonders schutzwürdig (ähnlich BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2012, a.a.O.). Innenstadt und Gewerbegebiet Ost liegen auch nicht so weit auseinander, dass keine Wechselwirkungen in Bezug auf das Käuferverhalten insgesamt und speziell im Drogeriewarenbereich anzunehmen wären. Insofern kann die Befürchtung nachvollzogen werden, dass insbesondere Käufer von außerhalb in geringerem Umfang die Innenstadt frequentieren, wenn sie sämtliche benötigten Waren, also auch aus dem Drogeriebereich, in per Pkw gut zu erreichenden Märkten erhalten können. Vor diesem Hintergrund hat die Schaffung von fast 650 qm Verkaufsfläche außerhalb der Innenstadt nicht nur marginale Auswirkungen auf die Magnetwirkung der dortigen Drogeriemärkte mit etwa 2.300 qm. Dabei ist nicht nur auf zu erwartende Beeinträchtigungen des Einzelhandels in der Innenstadt wegen des Kaufkraftabflusses abzustellen. Schon dieser wäre nicht unerheblich, legte man insoweit schätzungsweise die Verkaufsflächenzahlen zu Grunde. Der Abfluss von etwa einem Viertel der Kaufkraft bei Drogeriewaren ist geeignet, eine Schwerpunktverlagerung des Einzelhandels in diesem Warensegment zumindest einzuleiten. Gravierender sind jedoch die Folgewirkungen. Denn mit der Schaffung des ersten größeren Drogeriemarktes außerhalb der Innenstadt wird die bisher uneingeschränkte Magnetwirkung der bestehenden Märkte gebrochen.

51

Die Konzeption der Beklagten wird entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht dadurch unschlüssig, dass im Plangebiet teilweise das grundsätzlich zentrumsrelevante Sortiment Lebensmittel zugelassen wurde. Die unterschiedliche planungsrechtliche Behandlung dieser beiden zentrumsrelevanten Sortimente ist schlüssig begründet worden. So wird im Bebauungsplan ausgeführt, dass der nicht ausgeschlossene Einzelhandel den städtebaulichen Zielen nicht widerspreche. Dies ist wegen der besonderen Situation in Bad K in Bezug auf Lebensmittel nachvollziehbar. Diese haben offenbar seit jeher im Innenstadtbereich keine Rolle gespielt, so dass dort eine Unterversorgung hinsichtlich Lebensmitteln festgestellt wurde. Die Zulassung von Lebensmittelgeschäften außerhalb des Zentrums kann folglich den dort nicht vorhandenen Lebensmittelhandel nicht stören. Insofern unterfällt es der Planungshoheit der Beklagten, wo und in welchem Umfang sie außerhalb des Zentrums Lebensmittelhandel zulässt. Dabei war in Bezug auf das hier in Rede stehende Gewerbegebiet bei der Abwägung, ob Lebensmittel zuzulassen sind, der bestandgeschützte Lebensmittelmarkt auf der Parzelle 46/4 zu beachten.

52

c) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans 4/5.4. Diese könnte nur erteilt werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt wären. Das ist hier jedoch der Fall. Denn einzelhandelsbezogene Festsetzungen gehören zu den Grundzügen eines Bebauungsplans, der dem Schutz oder der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche dient (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2010, a.a.O., Rdnr. 24). Sortimentsbeschränkungen zählen zu dieser Art Festsetzung mit der Folge, dass die Zulassung eines an sich ausgeschlossenen Sortiments zugleich die Planungsgrundzüge betrifft.

53

2. Das Vorhaben der Klägerin wäre selbst dann unzulässig, wenn man unterstellte, die entgegenstehenden Regelungen im Bebauungsplan 4/5.4 seien unanwendbar.

54

Dem geplanten Drogeriemarkt stünde dann § 34 Abs. 3 BauGB entgegen, wonach von Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten sein dürfen. Solche Auswirkungen sind hier jedoch zu erwarten. Insbesondere nach den Ausführungen der GMA im Jahr 2010 würde der Einzelhandel mit Drogeriewaren außerhalb der Innenstadt von Bad K die Magnetwirkung der Drogeriemärkte im Zentrum stören (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2012, a.a.O.).

III.

55

Die Pflicht der Klägerin, die Verfahrenskosten zu tragen, folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

56

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO. Vom Ausspruch einer Abwendungsbefugnis der Klägerin hat die Kammer angesichts der Rechtsnatur der Beklagten abgesehen.

57

Beschluss

58

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 73.588,50 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG). Die Kammer hält die Ausführungen im Beschluss zur vorläufigen Festsetzung des Streitwertes vom 2. September 2011 für weiterhin zutreffen.

59

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

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(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 1 Allgemeine Vorschriften für Bauflächen und Baugebiete


(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als 1.Wohnbauflächen(W)2.gemischte Bauflächen(M)3.gewerbliche Bauflächen(G)4.Sonderbauflächen

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(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine als eingetragener Verein organisierte Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche. Im Jahre 1994 beantragte sie die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer "Syrisch-Orthodoxen Kirche mit Mausoleum" sowie eines "Gemeindezentrums". In der Bauzeichnung für das Untergeschoss der Kirche war eine "Krypta" mit zehn Grabkammern eingezeichnet.

2

Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beigeladenen zu 1, der das gesamte Plangebiet als Industriegebiet (GI) festsetzt. In den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind "Ausnahmen nach § 9 Abs. 3 BauNVO und Nebenanlagen nach § 14 BauNVO" zugelassen.

3

Die Beklagte erteilte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für das Kirchengebäude und das Gemeindezentrum. Hinsichtlich der Krypta lehnte sie den Antrag unter Hinweis auf das versagte gemeindliche Einvernehmen der Beigeladenen zu 1 ab. Die Klägerin erhob Widerspruch gegen die Ablehnung, ließ dann aber in der Bauzeichnung ihres Bauantrags die Zweckbestimmung "Krypta" durch "Abstellraum" ersetzen und die Grabkammern streichen. Die Beklagte hob daraufhin den ablehnenden Teil des Genehmigungsbescheides auf. Die Kirche ist mittlerweile errichtet und wird von der Klägerin als solche genutzt.

4

Im Jahre 2005 beantragte die Klägerin, im betreffenden Raum im Untergeschoss der Kirche eine Krypta "als privaten Bestattungsplatz ausdrücklich ausschließlich für verstorbene Geistliche" ihrer Kirche zu genehmigen. Entsprechend der ursprünglichen Planung ist der Einbau von zehn Grabkammern in Wandnischen vorgesehen, die nach Beisetzung durch dicht verfugte Stahlbetonplatten zur Raumseite hin verschlossen und mit beschrifteten Marmorverkleidungen versehen werden sollen. Die Krypta soll nur von außen zugänglich sein.

5

Das Gesundheitsamt beim Landratsamt Heilbronn stimmte der Krypta aus hygienischer Sicht unter Auflagen zu. Die Beigeladene zu 1 versagte wiederum das gemeindliche Einvernehmen. Die Beklagte lehnte den Bauantrag ab, der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Baugenehmigung für den Einbau einer Krypta im Untergeschoss der Kirche unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

7

Auf die Berufung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 hat der Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage insgesamt abgewiesen; die Berufung der Klägerin hat er zurückgewiesen. Die Umwandlung des betreffenden Abstellraums in eine Krypta sei eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nutzungsänderung. Sie sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil sie den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplans widerspreche. Zwar handle es sich bei der Krypta um eine - städtebaulich gegenüber der Kirche eigenständig zu würdigende - Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des Ausnahmekatalogs des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Sie sei jedoch wegen Unverträglichkeit mit dem Charakter eines Industriegebiets unzulässig. Das Ermessen für eine ausnahmsweise Zulassung nach § 31 Abs. 1 BauGB sei deshalb entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht eröffnet. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsanlage schon die Grundzüge der Planung berühre, die auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei. Jedenfalls fehle es aber an Befreiungsgründen. Insbesondere erforderten es Gründe des Wohls der Allgemeinheit nicht, die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle zu errichten. Dies gelte auch im Lichte der Art. 4 und Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Das Bedürfnis, über eine Krypta in der eigenen Kirche zu verfügen, sei nicht zwingender Bestandteil der Religionsausübung der Klägerin. Der durch die Ablehnung unterhalb dieser Schwelle angesiedelte Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei durch den Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken gerechtfertigt, das im Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei. Eine diskriminierende Ungleichbehandlung im Verhältnis zur katholischen Kirche sei ebenfalls nicht zu erkennen.

8

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision gegen die vorinstanzlichen Urteile und macht eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie ihrer Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV geltend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

Die Einrichtung einer Krypta im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin ist eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB, deren bauplanungsrechtliche Zulässigkeit an §§ 30 ff. BauGB zu messen ist (1). Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass diese Nutzungsänderung im Industriegebiet nicht im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann, weil sie mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets unvereinbar ist, steht im Einklang mit Bundesrecht (2). Bundesrechtswidrig sind demgegenüber die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Auffassung gestützt hat, dass die Krypta auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden könne (3). Da die Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs für eine abschließende Prüfung der Befreiungsvoraussetzungen nicht ausreichen, war die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (4).

11

1. Die beantragte Nutzung des Abstellraums im Untergeschoss des Kirchengebäudes der Klägerin als Krypta ist eine vom Vorhabenbegriff des § 29 Abs. 1 BauGB umfasste, mit geringfügigen baulichen Änderungen verbundene Nutzungsänderung.

12

Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Aspekt neu stellt (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - NVwZ 1991, 264 m.w.N.; Beschlüsse vom 14. April 2000 - BVerwG 4 B 28.00 - juris Rn. 6 und vom 7. November 2002 - BVerwG 4 B 64.02 - BRS 66 Nr. 70 S. 327). Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung wird auch dann überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum durch die Änderung erweitert wird (Urteil vom 27. August 1998 - BVerwG 4 C 5.98 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 190 S. 64). So liegen die Dinge hier. Die Nutzung als Begräbnisstätte ist heute für eine Kirche nicht mehr charakteristisch. Im vorliegenden Fall wurde die Krypta zudem von der im Jahre 1994 erteilten Baugenehmigung für die Errichtung der Kirche ausdrücklich ausgenommen und sollte - auf Anregung des Regierungspräsidiums Stuttgart letztlich auch aus der Sicht der Klägerin - einem Nachtrags-Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben.

13

Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB und damit Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Prüfung ist jedoch nicht - wie vom Verwaltungsgerichtshof angenommen - die Krypta als selbständige "Hauptanlage", sondern die Änderung von einer Kirche mit Abstellraum zu einer Kirche mit Krypta als Gesamtvorhaben. Geht es um die Änderung einer Nutzung, dürfen die bauliche Anlage und ihre Nutzung nicht getrennt beurteilt werden; sie bilden eine Einheit (Urteil vom 15. November 1974 - BVerwG 4 C 32.71 - BVerwGE 47, 185 <188>). Soll nicht die Nutzung der baulichen Anlage insgesamt, sondern - wie hier - lediglich eines bestimmten Teils der Anlage geändert werden, kann die bauplanungsrechtliche Prüfung hierauf nur beschränkt werden, wenn der betroffene Anlagenteil auch ein selbständiges Vorhaben sein könnte; er muss von dem Vorhaben im Übrigen abtrennbar sein (Urteil vom 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 17.91 - BRS 55 Nr. 72 S. 204). Daran fehlt es hier. Der streitgegenständliche, unter dem Altar gelegene Raum ist untrennbar mit der Kirche im Übrigen verbunden. Nur weil dies so ist, möchte die Klägerin in der Krypta ihre Gemeindepriester beisetzen. Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass nach den Glaubensvorstellungen der Klägerin die Verpflichtung besteht, syrisch-orthodoxe Priester in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen (UA S. 17 und 27). Kirche und Krypta stehen deshalb als Gesamtvorhaben zur bauplanungsrechtlichen Prüfung.

14

Die Nutzungsänderung ist auch städtebaulich relevant, weil durch die Aufnahme der neuen Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können (Urteil vom 18. Mai 1990 - BVerwG 4 C 49.89 - a.a.O.). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Trauern und Gedenken nicht nur im Innern der Kirche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, sondern auch außerhalb des Kirchengebäudes bemerkbar sein werde. Wie sich aus den Äußerungen der Klägerin im Baugenehmigungsverfahren sowie aus den von ihr in Bezug genommenen externen Stellungnahmen zum Ritual des Totengedenkens ergebe, solle das Gedenken feierlich zelebriert werden; die Toten sollen mit gelegentlichen Feiern geehrt werden. Zudem sei es Brauch der syrisch-orthodoxen Christen, nach jedem samstäglichen Abendgottesdienst vor den Priestergruften Gedenkgebete zu zelebrieren und an bestimmten Sonntagen und an hohen kirchlichen Feiertagen die Gottesdienste mit einer feierlichen Prozession in die Krypta abzuschließen. Bereits diese Feststellungen rechtfertigen die Annahme, dass durch die beantragte Nutzungsänderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, auch wenn der Verwaltungsgerichtshof Quantität und Dauer dieser "externen" Traueraktivitäten nicht näher beschrieben und sie "letztlich" selbst nicht für ausschlaggebend gehalten, sondern entscheidend auf die funktionsmäßige städtebauliche Qualität der Krypta als Begräbnisstätte abgestellt hat (UA S. 22).

15

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass eine Kirche mit Krypta zwar grundsätzlich unter die im Industriegebiet gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulassungsfähigen Anlagen für kirchliche Zwecke fällt, eine Ausnahme vorliegend aber wegen Unverträglichkeit dieser Nutzung mit dem typischen Charakter eines Industriegebiets nicht erteilt werden kann. Dagegen gibt es aus bundesrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

16

Das Kirchengrundstück liegt nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung für das gesamte Plangebiet ein Industriegebiet (GI) gemäß § 9 BauNVO festsetzt. Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen vermocht. Anhaltspunkte dafür haben sich auch im Revisionsverfahren nicht ergeben. Maßstab für die Zulässigkeit des Vorhabens ist deshalb grundsätzlich § 30 Abs. 1 BauGB. Im Industriegebiet ist eine Kirche mit Krypta nicht gemäß § 9 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig. Zu Recht konzentriert der Verwaltungsgerichtshof seine Prüfung deshalb zunächst auf die Frage, ob die beantragte Nutzungsänderung im Wege einer Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB zugelassen werden kann.

17

a) Im Einklang mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Vorhaben eine Anlage für kirchliche Zwecke im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ist. Unter diesen Begriff fallen Anlagen, die unmittelbar kirchlich-religiösen Zwecken dienen, wie insbesondere ein dem Gottesdienst dienendes Kirchengebäude. Die von der Klägerin errichtete Kirche erfüllt diese Voraussetzungen. Die Krypta ist - wie bereits dargelegt - untrennbar mit der Kirche verbunden. Sie ist nicht nur ein privater Bestattungsplatz im Sinne des § 9 BestattG, sondern, weil sie der Bestattung von Gemeindepriestern dienen soll, die nach der Glaubensvorstellung der Klägerin nur in einem geweihten kirchlichen Raum beigesetzt werden dürfen, selbst Anlage für kirchliche Zwecke.

18

b) In Übereinstimmung mit Bundesrecht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit der beantragten Nutzungsänderung aber am ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Gebietsverträglichkeit scheitert.

19

Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (Urteil vom 21. März 2002 - BVerwG 4 C 1.02 - BVerwGE 116, 155 <158>; Beschluss vom 28. Februar 2008 - BVerwG 4 B 60.07 - Buchholz 406.12 § 4 BauNVO Nr. 19 Rn. 6, jeweils m.w.N.). Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof deshalb davon aus, dass die Gebietsverträglichkeit eine für die in einem Baugebiet allgemein zulässigen und erst recht für die ausnahmsweise zulassungsfähigen Nutzungsarten ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung ist, der eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde liegt und die der Einzelfallprüfung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 BauNVO vorgelagert ist.

20

Industriegebiete dienen gemäß § 9 Abs. 1 BauNVO ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind. Gewerbegebiete dienen gemäß § 8 Abs. 1 BauNVO der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Die Unterbringung erheblich störender Betriebe ist deshalb dem Industriegebiet vorbehalten und zugleich dessen Hauptzweck.

21

Von maßgeblicher Bedeutung für die Frage, welche Vorhaben mit dieser allgemeinen Zweckbestimmung des Industriegebiets unverträglich sind, sind die Anforderungen des jeweiligen Vorhabens an ein Gebiet, die Auswirkungen des Vorhabens auf ein Gebiet und die Erfüllung des spezifischen Gebietsbedarfs (Urteil vom 21. März 2002 a.a.O.). Da Industriegebiete der einzige Baugebietstyp der Baunutzungsverordnung sind, in dem erheblich störende Gewerbebetriebe untergebracht werden können, sind die in § 9 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Nutzungsarten nur dann ohne Weiteres gebietsverträglich, wenn sie nicht störempfindlich sind und deshalb mit dem Hauptzweck des Industriegebiets nicht in Konflikt geraten können. Diese Voraussetzung erfüllt eine Kirche - mit oder ohne Krypta - bei typisierender Betrachtung nicht (vgl. auch Beschluss vom 20. Dezember 2005 - BVerwG 4 B 71.05 - Buchholz 406.12 § 8 BauNVO Nr. 21). Eine auf störunempfindliche Anlagen beschränkte ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit von "Anlagen für kirchliche Zwecke" im Sinne des § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO führt auch nicht dazu, dass dieses Tatbestandsmerkmal leer liefe. Das gilt bereits deshalb, weil nicht alle Anlagen für kirchliche Zwecke in gleicher Weise störempfindlich sind (vgl. etwa die Beispiele bei Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band V, Stand: Juni 2010, Rn. 82 zu § 4 BauNVO). Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen auch eine störempfindliche Nutzung gebietsverträglich sein kann, etwa weil sie einem aus dem Gebiet stammenden Bedarf folgt, kann offen bleiben, weil weder seitens der Verfahrensbeteiligten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich ist, dass hier derartige die Gebietsverträglichkeit begründende Umstände gegeben sein könnten.

22

3. Bundesrechtswidrig sind jedoch die Gründe, auf die der Verwaltungsgerichtshof seine Annahme gestützt hat, das Vorhaben könne auch nicht im Wege einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB genehmigt werden.

23

Ob die Umwandlung des Abstellraums in eine Krypta die Grundzüge der Planung berührt, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht abschließend entschieden. Nach seiner Auffassung fehlt jedenfalls ein Befreiungsgrund. Auch Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten es nicht, dass die Krypta trotz ihrer bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit an der vorgesehenen Stelle eingerichtet werde. Das gelte auch bei Bewertung der Grabstättennutzung im Licht der Art. 4 und 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV (UA S. 25). Die Bestattung der Gemeindepriester in der Hauskirche sei kein zwingender Bestandteil der Religionsausübung (UA S. 27). Der verbleibende Eingriff in die Religionsausübungsfreiheit sei gerechtfertigt. Die Krypta erfordere ein Umfeld der Ruhe und Andacht. Dieses Umfeld sei in dem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet. Zudem befinde sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt. Diese Situation widerspreche der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten in hohem Maße. Insofern werde der Achtungsanspruch der Verstorbenen verletzt, der sich nachwirkend aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebe. Darüber hinaus werde bei objektiver Betrachtung auch das durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt. Diese verfassungsimmanente Schranke setze sich gegenüber der Beeinträchtigung der Religionsausübungsfreiheit durch und sei auch verhältnismäßig. Dabei sei besonders zu berücksichtigen, dass die Krypta keinesfalls nur am vorgesehenen Ort, sondern (zusammen mit der Kirche) an anderer geeigneter Stelle errichtet werden könnte oder damals hätte errichtet werden können. Das Planungsrecht biete zahlreiche Möglichkeiten, um städtebaulich die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen (UA S. 28 f.).

24

Mit diesen Erwägungen kann das Vorliegen eines Befreiungsgrundes nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht verneint werden.

25

a) Gründe des Wohls der Allgemeinheit beschränken sich nicht auf spezifisch bodenrechtliche Belange, sondern erfassen alles, was gemeinhin unter öffentlichen Belangen oder öffentlichen Interessen zu verstehen ist, wie sie beispielhaft etwa in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB aufgelistet sind (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <76>). Vom Wortlaut des § 1 Abs. 6 Nr. 6 BauGB erfasst werden die Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge zwar nur, soweit sie von Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellt werden. Die in den Glaubensvorstellungen wurzelnden Belange privatrechtlich organisierter Kirchen und Religionsgesellschaften sind jedoch ebenfalls als öffentliche Belange zu berücksichtigen, sei es als kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB oder als ein in dem nicht abschließenden Katalog des § 1 Abs. 6 BauGB nicht ausdrücklich erwähnter Belang (VGH München, Urteil vom 29. August 1996 - 26 N 95.2983 - VGH n.F. 49, 182 <186> = NVwZ 1997, 1016 <1017 f.> m.w.N.). Das gilt jedenfalls, wenn die betreffende Kirchengemeinde - wie dies bei der Klägerin der Fall sein dürfte - eine nicht unbedeutende Zahl von Mitgliedern hat.

26

b) Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern eine Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht erst dann, wenn den Belangen der Allgemeinheit auf eine andere Weise als durch eine Befreiung nicht entsprochen werden könnte, sondern bereits dann, wenn es zur Wahrnehmung des jeweiligen öffentlichen Interesses "vernünftigerweise geboten" ist, mit Hilfe der Befreiung das Vorhaben an der vorgesehenen Stelle zu verwirklichen. Dass die Befreiung dem Gemeinwohl nur irgendwie nützlich oder dienlich ist, reicht demgegenüber nicht aus (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kann es auch auf - nach objektiven Kriterien zu beurteilende - Fragen der Zumutbarkeit ankommen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

27

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Bedürfnis der Klägerin, ihre verstorbenen Gemeindepriester in der eigenen Kirche beisetzen zu können, kein zwingender Bestandteil ihrer Religionsausübung ist. Nach ihrer Begräbnisregel sei es zwar verboten, syrisch-orthodoxe Priester zusammen mit den Gemeindeangehörigen auf normalen Friedhöfen zu bestatten. Es bestehe die Verpflichtung, diesen Personenkreis in einem geweihten kirchlichen Bestattungsraum beizusetzen. Die Beisetzung müsse jedoch nicht zwingend in der "Hauskirche" erfolgen (UA S. 27).

28

Diese Feststellungen stehen der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht entgegen. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erfordern die Zulassung der Krypta auch, wenn Alternativen zur Beisetzung in der eigenen Kirche an sich in Betracht kommen, der Klägerin aber unter den gegebenen Umständen nicht zugemutet werden können. Dass die Klägerin theoretisch an anderer Stelle eine Kirche mit Krypta neu errichten könnte, genügt nicht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kann eine Befreiung auch nicht mit dem Argument verweigert werden, dass es planungsrechtlich bereits bei Errichtung der Kirche möglich gewesen wäre, an anderer geeigneter Stelle die Grundlagen für eine pietätvolle Begräbnisstätte zu schaffen. Maßgebend für die Zumutbarkeit ist vielmehr, ob der Klägerin tatsächlich zu nicht unangemessenen Bedingungen ein besser geeignetes Grundstück für die Errichtung einer Kirche mit Krypta auf dem Gebiet der Beklagten zur Verfügung gestanden hätte oder, wenn dies nicht der Fall war, ob sie sich bewusst auf die Errichtung einer Kirche ohne Krypta eingelassen hat. Feststellungen hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin ein besser geeignetes Grundstück zur Verfügung gestanden hätte, sind jedenfalls nach Aktenlage nicht ersichtlich. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat das Regierungspräsidium selbst angeregt, dass über die Zulässigkeit einer Krypta im Rahmen eines Nachtragsbaugesuchs entschieden wird. Ausgehend hiervon dürfte der Klägerin nicht entgegengehalten werden können, dass sie den Anspruch auf eine Krypta nicht bereits vor Errichtung der Kirche gerichtlich geltend gemacht hat. Mangels tatsächlicher Feststellungen kann der Senat hierüber jedoch nicht abschließend entscheiden. Eine Bestattung der Gemeindepriester in einem niederländischen Kloster kann der Klägerin wegen der großen Entfernung von fast 500 km jedenfalls nicht zugemutet werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Einwand "gut nachvollziehen" können (UA S. 27). Er hat ihn jedoch nicht - wie es geboten gewesen wäre - im Rahmen des "Erforderns" als für eine Befreiung sprechenden Umstand gewürdigt.

29

Die Annahme eines Befreiungsgrundes gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB scheitert auch nicht daran, dass die Krypta - wie der Verwaltungsgerichtshof anführt - an der vorgesehenen Stelle "bauplanungsrechtlich unzulässig" sei (UA S. 25). Richtig ist zwar, dass die Krypta weder allgemein zulässig ist noch im Wege einer Ausnahme zugelassen werden kann und - so ist zu ergänzen - wohl auch bereits die Kirche am betreffenden Standort nicht hätte genehmigt werden dürfen. Dies stellt jedoch kein Hindernis für die Erteilung einer Befreiung dar, sondern eröffnet im Gegenteil erst den Anwendungsbereich des § 31 Abs. 2 BauGB.

30

Schließlich darf bei der einzelfallbezogenen Prüfung des Befreiungsgrundes nicht unberücksichtigt bleiben, dass hier eine Nutzungserweiterung in Frage steht, die zwar bei typisierender Betrachtung gebietsunverträglich ist, aber "vernünftigerweise" an ein vorhandenes Kirchengebäude anknüpft, das aufgrund bestandskräftiger Baugenehmigung im genehmigten Umfang formal legal weitergenutzt werden darf. Das gilt umso mehr, wenn die bestandsgeschützte Kirchennutzung - wie hier - im Einvernehmen mit der Gemeinde genehmigt wurde, die Gemeinde also gewissermaßen selbst den Keim für "vernünftigerweise gebotene" Nutzungserweiterungen gelegt hat. Ob die sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen an eine Begräbnisstätte der Befreiung entgegen stehen, ist keine Frage des Befreiungsgrundes, sondern der weiteren Voraussetzung, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sein muss.

31

4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ob die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht ausdrücklich geprüft. Auch mit den dargelegten grundrechtlichen Erwägungen verfehlt er die nach § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Prüfungsmaßstäbe. Für eine eigene abschließende Beurteilung dieser Frage durch den Senat fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen (a). Nicht abschließend entschieden hat der Verwaltungsgerichtshof, ob die Grundzüge der Planung berührt werden. Auch der Senat ist hierzu nicht in der Lage (b).

32

a) Der Verwaltungsgerichtshof verfehlt die gemäß § 31 Abs. 2 BauGB anzulegenden Maßstäbe, soweit er der Religionsausübungsfreiheit der Klägerin den Achtungsanspruch der Toten und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken abstrakt gegenübergestellt und hierbei maßgebend auf die Typik und die Eigenart des Industriegebiets abgestellt hat, anstatt die Vereinbarkeit der Abweichung mit den öffentlichen Belangen anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen.

33

Geboten ist eine Betrachtung, die die bisherige Situation (hier: Kirche ohne Krypta) dem durch die Abweichung zu ermöglichenden Gesamtvorhaben (hier: Kirche mit Krypta) gegenüberstellt und die Vereinbarkeit des sich daraus ergebenden Unterschieds mit öffentlichen Belangen untersucht. Welche Umstände als öffentliche Belange im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung ausschließen, lässt sich nicht generell beantworten. In Betracht kommen insbesondere die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten öffentlichen Belange (vgl. Urteil vom 9. Juni 1978 - BVerwG 4 C 54.75 - BVerwGE 56, 71 <78>), auch solche, die nicht in der gemeindlichen Planungskonzeption ihren Niederschlag gefunden haben (Roeser, in: Berliner Kommentar, 3. Aufl., Stand: August 2010, Rn. 17 zu § 31; vgl. auch Urteil vom 19. September 2002 - BVerwG 4 C 13.01 - BVerwGE 117, 50 <54>). Ist die Befreiung mit einem öffentlichen Belang in beachtlicher Weise unvereinbar, so vermag sich der die Befreiung rechtfertigende Gemeinwohlgrund im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nicht durchzusetzen (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77 f.). Da der Plan gerade unter den Nachbarn einen Ausgleich von Nutzungsinteressen zum Inhalt hat, muss ferner darauf abgehoben werden, ob in den durch den Bebauungsplan bewirkten nachbarlichen Interessenausgleich erheblich störend eingegriffen wird (Beschluss vom 6. März 1996 - BVerwG 4 B 184.95 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 35). Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O. S. 77).

34

Diesen bauplanungsrechtlichen Anforderungen werden die verfassungsrechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs auch der Sache nach nicht in jeder Hinsicht gerecht. Zutreffend ist zwar, dass auch der Achtungsanspruch der Verstorbenen und das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken als öffentliche Belange im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht kommen, wobei offen bleiben kann, ob der Verwaltungsgerichtshof mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG die richtige grundrechtliche Anknüpfung gewählt hat. Mit den abstrakten Erwägungen, dass eine Krypta ein städtebauliches Umfeld der Ruhe und Andacht erfordere, um der Totenruhe und der Würde der Toten Rechnung zu tragen, und dass dieses Umfeld in einem Industriegebiet weder nach seiner Typik noch nach seiner Eigenart gewährleistet sei, ferner, dass "bei objektiver Betrachtung" das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt werde, lässt sich die Versagung einer Befreiung nicht begründen. Maßgebend ist, ob im konkreten Einzelfall ausnahmsweise auch eine Begräbnisstätte in einem Industriegebiet den sich aus der Würde der Toten und der Trauernden ergebenden städtebaulichen Anforderungen genügt. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch die konkreten örtlichen Verhältnisse in den Blick genommen und darauf abgehoben hat, dass sich die Krypta nur wenige Meter von der Grenze zum östlichen Nachbargrundstück und nur ca. 17 m von der dortigen großen Produktionshalle entfernt befinde, in der auch im Schichtbetrieb gearbeitet werde und teilweise auch Lkw-Verkehr im Grenzbereich stattfinde, was in hohem Maße der Würde der in solchem Umfeld bestatteten Toten widerspreche (UA S. 28), fehlen jedenfalls Feststellungen dazu, inwieweit dieser Belang durch die Geschäftigkeit und Betriebsamkeit der industriellen Umgebung konkret beeinträchtigt werden kann, obwohl die Krypta in dem gegenüber der Außenwelt abgeschirmten Kircheninnern gelegen ist. Ähnliches gilt, soweit der Verwaltungsgerichtshof "bei objektiver Betrachtung" auch das Recht der Angehörigen und Trauernden auf ein würdevolles Gedenken beeinträchtigt sieht. Insoweit ist zudem zu berücksichtigen, dass die Beisetzung in einem geweihten Kirchenraum nach den Glaubensvorstellungen nicht nur der Syrisch-Orthodoxen Kirche eine besonders würdevolle Form der Bestattung ist.

35

Es fehlen auch Feststellungen, inwieweit durch die Zulassung der Abweichung nachbarliche Interessen konkret betroffen werden können, etwa, ob und gegebenenfalls in welcher Intensität gewerbliche Nutzungen in der Umgebung der Kirche durch die Krypta mit Nutzungseinschränkungen rechnen müssen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass mögliche Nutzungskonflikte bereits mit der Errichtung und Nutzung der Kirche entstanden sein dürften. Allein auf die Feststellung, dass das Trauern und Gedenken auch außerhalb des Kirchengebäudes "bemerkbar" sein werde (UA S. 21), kann die Ablehnung einer Befreiung nicht gestützt werden, weil dies auch auf die in einer Kirche ohne Krypta abgehaltenen Beerdigungs- und Trauergottesdienste zutrifft.

36

b) Mit der Formulierung, es spreche alles dafür, dass die private Bestattungsstätte die Grundzüge der Planung berühre, hat der Verwaltungsgerichtshof zwar deutlich gemacht, dass er dieser Auffassung zuneigt. Tragend festgelegt hat er sich insoweit aber nicht. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen lässt sich derzeit auch hierzu Abschließendes nicht sagen.

37

Ob die Grundzüge der Planung berührt sind, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (Urteil vom 9. Juni 1978 a.a.O.; Beschlüsse vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 S. 2 und vom 19. Mai 2004 - BVerwG 4 B 35.04 - BRS 67 Nr. 83). Die Beantwortung der Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, setzt einerseits die Feststellung voraus, was zum planerischen Grundkonzept gehört und andererseits die Feststellung, ob dieses planerische Grundkonzept gerade durch die in Frage stehende Befreiung berührt wird (vgl. Söfker, in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band II, Stand: Juni 2010, Rn. 35 zu § 31 BauGB).

38

Zur ersten Frage hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die Planung - zum maßgeblichen Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970, aber auch nach der tatsächlichen Bebauung - auf ein typisches, die gewerbliche Nutzungsbreite voll ausschöpfendes Industriegebiet ohne konfliktträchtige Ausnahmenutzungen gerichtet gewesen sei (UA S. 25). Weder die Festsetzungen noch die Begründung des Bebauungsplans enthielten Hinweise für die Absicht des Plangebers, das Baugebiet in einer vom Regelfall des § 9 Abs. 1 BauGB abweichenden Weise auszugestalten. Auch die seither verwirklichten Gewerbebetriebe in der näheren und weiteren Umgebung der Kirche ließen eine geradezu "klassische" Industriegebietsnutzung erkennen (UA S. 24), die vorhandenen Betriebe im Bebauungsplangebiet entsprächen der Nutzungsstruktur eines normtypischen Industriegebiets geradezu beispielhaft (UA S. 21). Diese Feststellungen haben zwar Tatsachen (§ 137 Abs. 2 VwGO) sowie die Auslegung des Bebauungsplans als Teil des nicht revisiblen Landesrechts (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) zum Gegenstand. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber mehrere für die Grundzüge der Planung bedeutsame Umstände außer Acht gelassen. Soweit er auf den Zeitpunkt des Planerlasses im Jahr 1970 abstellt, hat er unberücksichtigt gelassen, dass die Plangeberin in Ziffer 1 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans (konfliktträchtige) Ausnahmenutzungen gemäß § 9 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich zugelassen hat. Auch wenn diese Festsetzung nicht über das hinausgeht, was gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 3 BauNVO auch ohne sie gegolten hätte, bedarf es der Prüfung, welche Bedeutung dem Umstand, dass sich die Gemeinde gleichwohl zu einer ausdrücklichen Regelung veranlasst gesehen hat, bei der Bestimmung der Planungskonzeption beizumessen ist. Soweit der Verwaltungsgerichtshof auch auf die tatsächliche Bebauung im Industriegebiet abgestellt hat, hätte er nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass nicht nur Gewerbebetriebe verwirklicht wurden, sondern im Einvernehmen mit der Beigeladenen zu 1 auch die Kirche der Klägerin. Das ist ein Umstand, dem eine starke Indizwirkung für eine auch gegenüber konfliktträchtigen Ausnahmenutzungen offene Planungskonzeption zukommen kann.

39

Zu der weiteren Frage, ob die planerische Grundkonzeption durch die Befreiung berührt würde, hat der Verwaltungsgerichtshof keine Feststellungen getroffen. Verlässliche Rückschlüsse lassen auch die in anderem Zusammenhang getroffenen Feststellungen nicht zu. Diese Feststellungen wird der Verwaltungsgerichtshof nachzuholen haben, falls es für seine Entscheidung hierauf ankommt. Weil eine planerische Grundkonzeption durch ein Vorhaben nicht mehr berührt werden kann, wenn der mit der Planung verfolgte Interessenausgleich bereits durch die bisherige tatsächliche Entwicklung im Baugebiet nachhaltig gestört ist (zutreffend VGH München, Urteil vom 9. August 2007 - 25 B 05.1337 - juris Rn. 41; nachfolgend Beschluss vom 28. April 2008 - BVerwG 4 B 16.08 -), wird er sich hierbei auch mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob die Grundzüge der Planung bereits durch die Errichtung und Nutzung der Kirche nachhaltig gestört sind und deshalb durch das Hinzutreten der Krypta nicht mehr in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden können.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung der Baugenehmigung zum Umbau einer 1978 als SB-Warenhaus genehmigten Halle zur teilweisen Nutzung des Erdgeschosses für den Verkauf von Schuhen, Textil- und Haushaltswaren.

2

Sie ist Eigentümerin der Grundstücke W. Straße. 20 bis 22 (Flurst.-Nrn. ...) in P.... Auf diesen Grundstücken befinden sich ein zweigeschossiges Hallengebäude mit Erd- und Untergeschoss (W. Straße 20) sowie Pkw-Stellplätze. Die Liegenschaft wurde mit bestandskräftiger Baugenehmigung der Beklagten vom 23. März 1978 als SB-Warenhaus (in der Baugenehmigung als „SB-Warenlager“ bezeichnet) mit einer Verkaufsfläche im Erdgeschoss von ca. 1.940 qm genehmigt. Diese Baugenehmigung enthielt keine Sortimentsbeschreibung. Ausweislich der damals genehmigten Planunterlagen befanden sich im Erdgeschoss der Halle der Verkaufsraum (1.560,85 qm), eine Bäckerei, ein Fleisch-, Wurst- und Käseverkauf sowie auf einer Fläche von insgesamt ca. 121,26 qm drei Shops (Shop I: Blumen; Shop II: Drogerie; Shop III: Reinigung). Im Untergeschoß der Halle befanden sich ein Getränke-Abholmarkt sowie Lager- und Personalräume.

3

Bis zum 31. Dezember 2004 wurde in der Halle ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb mit dem Sortiment eines typischen Verbrauchermarktes, nämlich frische und haltbare Lebensmittel, Getränke, Reformwaren und Nahrungsergänzung, Hygieneartikel einschließlich Putz- und Reinigungsmittel, Drogerieartikel, Zigaretten, Grundbedarf an Schreibwaren und Zeitschriften, Schnittblumen, Topfpflanzen, Heimtiernahrung, verbrauchermarkttypische Haushaltswaren, Schuhe, Textilien, Spielwaren des mittelfristigen Bedarfs und Elektrogeräte, betrieben, zuletzt unter dem Handelsnamen „I.“. Nach Schließung dieses Marktes Ende 2004 erfolgte zunächst keine Nutzung der Halle.

4

Am 25. September 2006 beschloss die Beklagte für das Gebiet, in dem auch die klägerische Halle gelegen ist, die Aufstellung des Bebauungsplans P ... „A. Straße/W. Straße“. Unter dem gleichen Datum erließ sie eine Veränderungssperre. Der Aufstellungsbeschluss und die Satzung über die Veränderungssperre wurden am 11. Oktober 2006 öffentlich bekanntgemacht. Nach § 3 Abs. 2 der Satzung über die Veränderungssperre gilt diese bis zum 11. Oktober 2008.

5

Auf Antrag der Klägerin erteilte ihr die Beklagte mit Datum vom 30. Mai 2007 die Baugenehmigung für den Umbau der - seit Ende 2004 ungenutzten - Halle zwecks Wiedernutzung einer Teilfläche des Erdgeschosses von 877 qm als Verbrauchermarkt („N.“-Discountmarkt). Diese Nutzung einer Teilfläche des Erdgeschosses wurde von der Beklagten als Fortführung der ursprünglich genehmigten Nutzung „SB-Warenhaus“ unter Ausnutzung der zulässigen Variationsbreite des damaligen Baurechts gewertet. Die Klägerin erhob gegen diese Baugenehmigung Widerspruch.

6

Mit Datum vom 22. Juni 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten auch die Baugenehmigung für die Nutzung der Restfläche des Erdgeschosses der Halle als Verkaufsstätte für Schuhe, Textil- und Haushaltswaren auf einer vorgesehenen Verkaufsfläche von 756,44 qm. Ausweislich der vorgelegten Planunterlagen soll diese Verkaufsstätte, baulich durch eine innerhalb der Halle errichtete Brandwand von dem „N.“-Discountmarkt getrennt, über einen eigenen Verkaufsraum, eigene Ein- und Ausgänge, einen eigenen Personalraum, eigene Toilettenanlagen sowie einen eigenen Lagerraum verfügen.

7

Die Beklagte lehnte diesen Bauantrag mit Bescheid vom 26. Juni 2007 unter Hinweis auf den Planaufstellungsbeschluss und die bestehende Veränderungssperre ab. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 - Baugesetzbuch - BauGB oder für eine Aussetzung der Veränderungssperre nach § 17 Abs. 4 - BauGB - seien nicht gegeben.

8

Die Klägerin erhob gegen den ihr am 22. Dezember 2007 zugestellten Bescheid am 2. Januar 2008 Widerspruch. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, die Aufspaltung des 1978 genehmigten SB-Warenhauses, in dem sowohl Food- als auch Non-Food-Artikel angeboten worden seien, in nunmehr zwei große Einzelhandelsbetriebe („N.“-Verbrauchermarkt und Fachmarkt) genieße Bestandsschutz, weshalb diese Nutzung nach § 14 Abs. 3 BauGB von der Veränderungssperre nicht berührt werde. Die 1978 erteilte Baugenehmigung habe keine Sortimentsbeschränkung auf Lebensmittel enthalten. Der Non-Food-Anteil am Gesamtsortiment des in der Halle bis Ende 2004 betriebenen Verbrauchermarktes habe etwa 40% ausgemacht. Vor diesem Hintergrund stelle es einen Eingriff in ihre Eigentumsrechte dar, wenn ihr nun auf einer Verkaufsfläche im Erdgeschoss von ca. 760 qm der Verkauf von Schuhen, Textil- und Haushaltswaren praktisch untersagt werde. Eine baurechtlich relevante Nutzungsänderung, die die Genehmigungsfrage neu aufwerfe, liege nicht vor. Es erfolge weder eine Sortimentsausweitung noch eine Verkaufsflächenüberschreitung. Im Übrigen sei eine Herauslösung von Non-Food-Artikeln aus dem Gesamtverkauf bereits in den Genehmigungsunterlagen von 1978 vorgesehen gewesen, so die Einrichtung dreier Shops (Drogerie, Blumenverkauf, Reinigung).

9

Mit Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses bei der Beklagten vom 15. Februar 2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der beantragte Einzelhandel für Schuhe, Textil- und Haushaltswaren werde von der Baugenehmigung aus dem Jahre 1978 nicht erfasst. Auf Bestandsschutz könne sich die Klägerin daher nicht berufen. Lediglich die genehmigte Nutzung als „N.“-Verbrauchermarkt stelle eine Fortführung der bislang rechtmäßig ausgeübten Nutzung dar. Die Aufspaltung der Halle in zwei Märkte – einen Verbraucher- und einen Fachmarkt (bzw. Fachmarktcenter) – entspreche nicht der zuletzt ausgeübten Nutzung. Die Variationsbreite der damals genehmigten Nutzung werde durch das Vorhaben der Klägerin überschritten. Bei dem klägerischen Vorhaben handele es sich deshalb um eine Nutzungsänderung i. S. v. §§ 29 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, die die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichem Blickwinkel erneut aufwerfe. Eine bloße organisatorische Trennung in Food- und Non-Food-Produkte liege nicht vor, weil neben dem „N.“-Verbrauchermarkt ein weiterer selbständiger Einzelhandelsbetrieb nur mit Non-Food-Produkten betrieben werden soll, dessen Zulässigkeit einer eigenständigen bauplanungsrechtlichen Prüfung unterliege. In den Bauplänen aus dem Jahre 1978 seien lediglich ca. 100 qm als sogenannte Shops gekennzeichnet. Der beantragte selbständige Einzelhandelsbetrieb soll jedoch eine Verkaufsfläche von 756,44 qm und eine Gesamtfläche von 1.004,79 qm haben und sprenge damit deutlich den Rahmen der Ursprungsgenehmigung in Bezug auf Non-Food-Artikel. Einem Anspruch der Klägerin auf Erteilung der Baugenehmigung für das Vorhaben stehe die wirksame Veränderungssperre entgegen. Die Voraussetzungen für die Veränderungssperre seien erfüllt. Es liege ein Planaufstellungsbeschluss vom 25. September 2006 für den Bebauungsplan P… vor. Die Planung lasse ein Mindestmaß dessen erkennen, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Innenstadtschädliche Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevantem Sortiment sowie Vergnügungsstätten sollen danach ausgeschlossen werden. Eine Ausnahme von der Veränderungssperre könne nicht erteilt werden. Mit dem Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplan P… werde u. a. das Ziel verfolgt, eine weitere Schwächung des innerstädtischen Einzelhandels durch die Neuansiedlung zentrenrelevanter Sortimente an peripheren bzw. nicht integrierten Standorten zu vermeiden. Diese Ziele seien durch das am 12. November 2007 verabschiedete Einzelhandelskonzept bestätigt worden. Eine Ausnahme würde den Hauptzielen der Bauleitplanung und des beschlossenen Einzelhandelskonzepts zuwider laufen, da innenstadtrelevante Sortimente an einem peripheren Standort genehmigt würden. Eine Außerkraftsetzung der Veränderungssperre komme ebenfalls nicht in Frage, da die maßgeblichen Gründe für die Veränderungssperre weiter fortbestehen.

10

Der Widerspruchsbescheid wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 20. Februar 2008 zugestellt.

11

Die Klägerin hat am 14. März 2008 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor, durch die Schaffung zweier separater Ein- und Ausgänge und räumlicher Separierung der Food- und Non-Food-Sortimente im gleichen Gebäude würden keinerlei bodenrechtliche Belange neu berührt. Die Voraussetzungen der Bestandsschutz-Regelung des § 14 Abs. 3 BauGB seien deshalb gegeben. Die von der Beklagten angenommene Gleichsetzung des 1978 genehmigten SB-Warenhauses mit einem heutigen Verbrauchermarkt sei zweifelhaft. Ein Verbrauchermarkt sei auf die Nahversorgung orientiert und halte ein kleineres Non-Food-Sortiment als ein SB-Warenhaus vor. Ein SB-Warenhaus habe demgegenüber einen kleineren Lebensmittelanteil als der Verbrauchermarkt. Sie habe im Vorverfahren mehrfach die in dem SB-Warenhaus vorhandene Verteilung des Food- und Non-Food-Sektors auf 60:40 beschrieben. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 22. Juni 2007 sei die Baugenehmigung für den „N.“-Discountmarkt zwar bereits erlassen, aber noch nicht bestandskräftig gewesen, weil sie gegen diese Baugenehmigung Widerspruch eingelegt habe, der aufschiebende Wirkung entfalte, da § 212a BauGB nur für Drittwidersprüche gelte. Damit sei die Beklagte als Baugenehmigungsbehörde verpflichtet gewesen, beide Baugenehmigungsanträge im Zusammenhang und nicht völlig unabhängig voneinander zu betrachten. Es hätte sich dann insgesamt eine Verkaufsfläche von 1.640 qm zur Genehmigung gestellt, von denen sich weniger als die Hälfte, nämlich nur ca. 760 qm, auf ein Non-Food-Angebot beziehe. Bezogen auf die ursprünglich genehmigte Verkaufsfläche der Halle (Erd- und Untergeschoss) von rd. 2.662 qm lägen die beantragten ca.760 qm für Non-Food-Sortimente deutlich unter 30% der 1978 genehmigten Gesamtverkaufsfläche. Solange einem Marktbetreiber keine feste Sortimentsquotierung oder Beschreibung in einer Genehmigung vorgeschrieben werde – wie hier –, müsse ihm bei der Sortimentsgestaltung eine Umschichtungsmöglichkeit zur Verfügung stehen, weil er sich den Marktbedingungen jeweils anzupassen habe. Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanentwurfs unter Punkt 1.9 i. V. m. Anlage 3 sei für die streitgegenständliche Halle W.. Straße 20 ausdrücklich ein Verbrauchermarkt mit einer Verkaufsfläche von 1.940 qm bestandsgeschützt.

12

Die Klägerin beantragt,

13

unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2008 die Beklagte zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung, soweit der Bauantrag abgelehnt wurde, zu erteilen.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen lagen der Kammer vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Des Weiteren wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28. Juli 2008 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Klage ist unbegründet.

19

Die Klägerin hat auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Erteilung der mit Datum vom 22. Juni 2007 beantragten Baugenehmigung, so dass sich die angefochtenen Bescheide vom 18. Dezember 2007 und 15. Februar 2008 als rechtmäßig erweisen und sie nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

20

Dem Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung nach § 70 Landesbauordnung für Rheinland-Pfalz - LBauO - steht die am 25. September 2006 beschlossene und am 11. Oktober 2006 ortsüblich bekanntgemachte Veränderungssperre der Beklagten nach § 14 BaugesetzbuchBauGB – entgegen (1.). Weder greift zugunsten der Klägerin die „Bestandsschutz“-Regelung des § 14 Abs. 3 BauGB ein (2.) noch sind die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB erfüllt (3.). Auch die Voraussetzungen für eine Außer-Kraft-Setzung der Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 4 BauGB liegen nicht vor (4.).

21

1. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit § 2 der am 25. September 2006 vom Stadtrat der Beklagten beschlossenen Satzung über die Veränderungssperre dürfen im Geltungsbereich der Veränderungssperre Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB, also auch die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen, nicht durchgeführt werden.

22

Die Veränderungssperre begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Formelle oder materielle Fehler sind nicht ersichtlich. Der Veränderungssperre liegt ein ordnungsgemäßer Beschluss des Stadtrates der Beklagten vom 25. September 2006 über die Aufstellung des Bebauungsplanes P ... „A. Straße/W. Straße“ zugrunde, der ortsüblich am 11. Oktober 2006 bekanntgemacht wurde. Der Planaufstellungsbeschluss hat den räumlichen Geltungsbereich des künftigen Bebauungsplans durch die Angaben der ihn begrenzenden Straßen und ergänzend durch den Verweis auf einen beigefügten Lageplan hinreichend klar abgegrenzt. Der räumliche Geltungsbereich der Veränderungssperre, die die betroffenen Grundstücke mit ihren Flurstücknummern bezeichnet, geht hierüber nicht hinaus.

23

Die Veränderungssperre ist zur Sicherung der Planung erforderlich, um Vorhaben, die die Planungsabsichten der Beklagten erheblich beeinträchtigen würden, verhindern zu können. Gesetzliche Voraussetzung für den Erlass einer Veränderungssperre ist ihre Notwendigkeit „zur Sicherung der Planung“ (§ 14 Abs. 1 BauGB). Dies ist nur gegeben, wenn die mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleitete Planung bei In-Kraft-Treten der Veränderungssperre ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2004 – 4 CN 13/03 –, NVwZ 2004, 984 m. w. N.).

24

Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären – auch vor dem Hintergrund des Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz - GG - nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt (BVerwG, a. a. O. m. w. N.). Ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört somit zur Konzeption des § 14 BauGB. Nach seinem Absatz 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind (BVerwG, a. a. O.).

25

Ob der – noch nicht beschlossene – Bebauungsplan P … in seinen einzelnen Festsetzungen von einer ordnungsgemäßen und gerechten Abwägung aller betroffenen Belange (§ 1 Abs. 7 BauGB) getragen sein wird, ist demgegenüber für die hier zu entscheidende Frage der Wirksamkeit der Veränderungssperre ohne Belang. Entscheidend ist allein, ob die beabsichtigte Planung überhaupt auf ein Ziel gerichtet ist, das im konkreten Fall mit den Mitteln der Bauleitplanung zulässigerweise erreicht werden kann.

26

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist somit erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp, sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 BauGB festgesetzte Nutzungen ins Auge gefasst hat (BVerwG, a. a. O. unter Hinweis auf die Beschlüsse vom 15. August 2000 - BVerwG 4 BN 35.00, BRS 64 Nr. 109 - und vom 27. Juli 1990 - BVerwG 4 B 156.89, ZfBR 1990, 302 -).

27

Gemessen an diesen Kriterien genügt die Planung der Beklagten im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Veränderungssperre den Anforderungen, die an die Konkretisierung einer zu sichernden Planung zu stellen sind. Die gemeindliche Planung hatte vorliegend einen Stand erreicht, der ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des künftigen Bebauungsplans sein soll.

28

In dem am 25. September 2006 gefassten Beschluss des Stadtrats der Beklagten betreffend die Aufstellung des Bebauungsplans P … „A.. Straße/W. Straße“ heißt es, dass Ergebnisse des im Rahmen der Stadtentwicklungsplanung von P… in Auftrag gegebenen Einzelhandelsgutachtens einen Steuerungsbedarf im Bereich Einzelhandel aufzeigten, um die Funktion der Innenstadt als Einkaufsstandort langfristig zu sichern und auszubauen. Ziel des Bebauungsplans P … sei es, am Standort A. Straße den vorhandenen Einzelhandel als Nahversorgungszentrum im Bestand zu sichern und nicht weiter in Bezug auf innenstadtrelevante Sortimente auszuweiten. Langfristig werde durch die Ausweisung von Gewerbeflächen eine Rückgewinnung für produzierendes Gewerbe, Handwerk und Dienstleistung angestrebt. Weiterhin sollen Vergnügungsstätten außerhalb der Innenstadt nicht zugelassen werden. Da die bisherigen Bebauungspläne P ... und P … für den Bereich A. Straße/W... Straße die angestrebten Zielsetzungen nicht erfüllen könnten, würden diese aufgehoben. Den Hintergrund des Planaufstellungsbeschlusses vom 25. September 2006 sowie die weiteren Planungsabsichten hat die Beklagte ausführlich und nachvollziehbar in der Begründung zur Veränderungssperre vom gleichen Tag zum Bebauungsplangebiet P … dargelegt und in der mündlichen Verhandlung nochmals ausgeführt. So habe sich der Standort A.. Straße durch die Ansiedlung verschiedener Einzelhandelsbetriebe (Wasgau, Aldi, Lidl) zu einem Nahversorgungszentrum entwickelt. Diese Nahversorgungsfunktion mit Gütern des kurzfristigen und täglichen Bedarfs gelte es durch die Aufstellung des Bebauungsplans auf dem jetzigen Niveau zu festigen und eine Ausweitung sowohl im Umfang als auch in den Sortimenten, die innenstadtrelevant seien, zu unterbinden. Jede Neuansiedlung mit zentrenrelevanten Sortimenten an der Peripherie werde zu einer weiteren Schwächung der derzeitigen innerstädtischen Versorgungsfunktion führen, da keine neuen Kaufkraftzuflüsse bzw. höhere Umsätze generiert würden, sondern allenfalls räumliche Veränderungen der Kaufkraftströme zu erwarten seien. Den an dem Standort bereits ansässigen Betrieben solle ein erweiterter Bestandsschutz ermöglicht werden. Durch die Überarbeitung des Bebauungsplans werde für die vorhandenen Nutzungen Rechtssicherheit und damit auch Investitionssicherheit geschaffen.

29

Dass nach den Angaben der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung im Zeitpunkt des Planaufstellungsbeschlusses und des Beschlusses über die Veränderungssperre lediglich eine allgemeine Liste über innenstadtrelevante Sortimentsartikel vorlag, da das damals noch in Aufstellung befindliche Stadtentwicklungskonzept zwar bereits in Auftrag gegeben, aber noch nicht erstellt gewesen sei, weshalb eine spezielle für die Innenstadt von Pirmasens relevante Liste noch nicht vorgelegen habe, stellt die Wirksamkeit der Veränderungssperre nicht in Frage, da jedenfalls die Zielsetzung der beabsichtigten Planung, nämlich langfristige Stärkung des Einzelhandels in der Innenstadt von Pirmasens durch planerische Steuerung der Gewerbeflächenentwicklung in peripheren Standorten unter Ausschluss des weiteren Eindringens von innenstadtrelevanten Einzelhandelsbetrieben in das Plangebiet sowie Verhinderung von Vergnügungsstätten und dadurch zugleich Sicherung und Zurückgewinnung dieser Standorte für produzierendes Gewerbe, Handwerk und Dienstleistungsbetriebe, ausreichend ist. Mittlerweile liegt das Einzelhandelskonzept der Beklagten vor, das am 12. November 2007 vom Stadtrat in öffentlicher Sitzung beschlossen wurde und das unter Ziffer 10.3 die sogenannte Pirmasenser Liste enthält, die die Nahversorgungs-, zentrenrelevanten und nichtzentrenrelevanten Sortimente für die Stadt Pirmasens, abgeleitet aus den örtlichen Standortstrukturen, enthält. Danach sind nahversorgungsrelevante Sortimente u. a. Lebensmittel, Reformwaren, Drogerieartikel und zentrenrelevante Sortimente u. a. Schuhe, Bekleidung und Haushaltswaren. Diese „Pirmasenser Liste“ ist mittlerweile auch in die Planfassung vom 16. Mai 2008 zur Durchführung der Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 3 Abs. 2 BauGB, der Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 BauGB als Anlage 1 und 2 der Textfestsetzungen zum Bebauungsplan P … eingearbeitet.

30

Damit ist der wesentliche Inhalt des künftigen Bebauungsplan P … hinreichend umschrieben, nämlich die Absicht, ein weiteres Eindringen von innenstadtrelevanten Einzelhandelsbetrieben in das Plangebiet und Vergnügungsstätten dort zu verhindern sowie das Plangebiet – unter Berücksichtigung des Bestandsschutzes für bestehende Einzelhandelsbetriebe – langfristig für Produktions-, Handwerks- sowie Dienstleistungsbetriebe (durch die Ausweisung von Misch-, Gewerbe- und Sondergebieten im Plangebiet) zu sichern und dieser Bestimmung zuzuführen.

31

Da der in Aufstellung befindliche Bebauungsplan P … derzeit noch nicht rechtsverbindlich ist und die wirksame Veränderungssperre erst spätestens am 11. Oktober 2008 außer Kraft tritt (s. § 3 der Satzung über die Veränderungssperre), steht sie im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung dem Bauvorhaben der Klägerin entgegen.

32

2. Die Klägerin kann sich gegenüber der wirksamen Veränderungssperre nicht auf die „Bestandsschutz“-Regelung des § 14 Abs. 3 BauGB berufen, wonach Vorhaben, die vor dem In-Kraft-Treten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, sowie Vorhaben, von denen die Gemeinde nach Maßgabe des Bauordnungsrechts Kenntnis erlangt hat und mit deren Ausführung vor dem In-Kraft-Treten der Veränderungssperre hätte begonnen werden dürfen sowie Unterhaltungsarbeiten und die Fortführung einer bisher ausgeübten Nutzung von der Veränderungssperre nicht berührt werden.

33

Bei der von der Klägerin geplanten Nutzung der Restfläche des Erdgeschosses der Halle W.. Straße 20 für den Verkauf von Schuhen, Textil- und Haushaltswaren als selbständiger Einzelhandelsbetrieb mit einer Verkaufsfläche von 756,44 qm handelt es sich nicht um die Fortführung der 1978 genehmigten und bis Ende 2004 stattgefundenen Nutzung der Halle als SB-Warenhaus bzw. Verbrauchermarkt. Vielmehr stellt diese geplante Nutzung eine rechtsbedeutsame, baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung i. S. v. §§ 29, 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dar.

34

Eine Nutzungsänderung im bauplanungsrechtlichen Sinn liegt dann vor, wenn durch die Verwirklichung des Vorhabens die jeder Art von Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt. Für die Frage, ob eine bestimmte Nutzung gegenüber der früheren Nutzung baurechtlich relevant ist, kommt es allein auf die zuletzt ausgeübte bauaufsichtlich genehmigte Nutzung an. Dabei bedarf es vorliegend keiner weiteren Klärung, ob es sich bei der bis Ende 2004 stattgefundenen Nutzung der Halle um ein SB-Warenhaus oder um einen Verbrauchermarkt nach heutiger Definition gehandelt hat (zu den Definitionen SB-Warenhaus und Verbrauchermarkt s. PGW Westpfalz-Informationen Nr. 104 <06/00>, S. 42), da jedenfalls bei beiden Betriebsformen Food- und Non-Food-Sortimente in einem einheitlichen Einzelhandelsbetrieb angeboten werden und jeweils das Food-Sortiment überwiegt. Dies war unstreitig bei der bis Ende 2004 in der Halle ausgeübten Nutzung auch der Fall. Somit ist die von der Beklagten vorgenommene Gleichsetzung der 1978 genehmigten Nutzung der Halle als SB-Warenhaus mit einem heutigen Verbrauchermarkt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu beanstanden.

35

Die Legalisierungswirkung der im Jahre 1978 erteilten Baugenehmigung erstreckt sich nicht auf eine Einzelhandelsnutzung schlechthin, sondern nur auf die Nutzung als (großflächiger) Verbrauchermarkt mit einem breitgefächerten Warensortiment mit Schwerpunkt im Lebensmittelsektor. Zwar enthielt die Baugenehmigung aus dem Jahr 1978 keine Sortimentsliste, jedoch ergibt sich sowohl aus den damals genehmigten Planunterlagen, wonach im Erdgeschoss ein die gesamte Breite und Länge der Halle ausfüllender Verkaufsraum mit Backwaren-, Fleisch-, Wurst- und Käseverkauf geplant war, als auch aus den Ausführungen der Klägerin, die Verteilung von Food- und Non-Food-Sortiment habe bei 60:40 gelegen, dass der Schwerpunkt des Warenangebots im Lebensmittelbereich (Food-Sortiment) lag.

36

Da die Klägerin die Nutzung der Restfläche des Erdgeschosses der Halle nunmehr derart beabsichtigt, dort einen selbständigen Einzelhandelsbetrieb mit den (zentrenrelevanten) Sortimenten Schuhe, Textil- und Haushaltswaren einzurichten, wird die „Variationsbreite“ der 1978 genehmigten und bis Ende 2004 ausgeübten Nutzung (SB-Warenhaus/Verbrauchermarkt), die nach Nr. 1.9 der textlichen Festsetzungen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans P … i. V. m. Anlage 3, Stand: 16. Mai 2008, mit einer Verkaufsfläche von 1.940 qm Bestandsschutz genießt, verlassen und ein Fachmarkt geplant. Die Betriebsform des Einzelhandels „Fachmarkt“ (zur Definition Fachmarkt s. PGW Westpfalz-Informationen, a.a.O) führt ein breites und oft tiefes Sortiment aus einem Warenbereich oder kombinierten Warenbereichen (wie z. B. Bekleidungs- und Schuhfachmarkt). Ein solcher Betrieb stellt „etwas anderes“ dar als ein Betrieb mit „Vollsortiment“, auch wenn es sich in beiden Fällen um Einzelhandelsbetriebe handelt. Dies gilt auch dann, wenn in dem bisherigen Betrieb (hier: SB-Warenhaus/Verbrauchermarkt) Fachartikel der betreffenden Branchen als Teil- oder Randsortiment, wie dies nach Angaben der Klägerin auch in dem bis Ende 2004 in der Halle betriebenen Verbrauchermarkt der Fall gewesen sei, vertrieben wurden (vgl. zu Sortimentsänderungen in Einzelhandelsbetrieben als baurechtlich relevante Nutzungsänderungen: z. B. Hess. VGH, Beschluss vom 12. Oktober 1989 – 3 TG 2633/89, GewArch 1990, 211; OVG NRW, Urteil vom 29. März 1999 – 10 B 417/99, juris; OVG Nds, Urteil vom 18. November 2004 – 1 LB 337/03 –, juris).

37

Die von der Klägerin vertretene Ansicht, die Teilung des ehemaligen Verbrauchermarktes in jetzt zwei selbständige Einheiten („N.“-Verbrauchermarkt und Verkaufsstätte für Schuhe, Textil- und Haushaltswaren) mit selbständigen Ein- und Ausgängen liege noch innerhalb der Variationsbreite der Baugenehmigung von 1978, weil beide Verkaufseinrichtungen sich in der gleichen Gebäudehülle von 1978 befänden, ohne diese bis auf den zweiten Ausgang für den Discountmarkt zu verändern oder im äußeren Erscheinungsbild umzugestalten, geht fehl. Bei dem klägerischen Vorhaben handelt es sich nicht um eine Sortimentsaufteilung in einen Food- und einen Non-Food-Bereich innerhalb desselben, eine organisatorische Einheit bildenden Verbrauchermarktes, sondern vielmehr um die Errichtung zweier selbständiger Betriebsformen, nämlich der bereits genehmigte Verbrauchermarkt „Netto“ und der geplante Fachmarkt für Schuhe, Textil- und Haushaltswaren, wodurch die Variationsbreite der 1978 erteilten Baugenehmigung der Halle überschritten wird.

38

Die in den genehmigten Plänen aus dem Jahre 1978 im Erdgeschoss der Halle als separate Shops für Blumen, Reinigung und Drogerie gekennzeichneten Flächen (Shop I, II und III) von insgesamt ca. 120 qm vermögen nicht zu der Beurteilung zu führen, dass damit auch der geplante streitgegenständliche Einzelhandelsbetrieb für Schuhe, Textil- und Haushaltswaren noch von der Baugenehmigung aus dem Jahre 1978 erfasst ist. Unabhängig davon, ob die Sortimente Schuhe, Textil- und Haushaltswaren in dem geplanten Fachmarkt kumulativ oder alternativ angeboten werden sollen, wird jedenfalls die hier in Rede stehende Restfläche des Erdgeschosses der Halle entgegen der Ansicht der Klägerin in Bezug auf Non-Food-Sortimente nicht lediglich intensiver genutzt, sondern vielmehr wird ein wesentliches Merkmal, das für die Bestimmung der Nutzungsart maßgebend ist, nämlich jetzt Fachmarkt für Schuhe, Textil- und Haushaltswaren (= reines Non-Food-Sortiment) gegenüber vorher Verbrauchermarkt mit Food- und Non-Food-Sortiment, geändert. Ein solches wesentliches Merkmal ist nämlich auch das feilgehaltene Warenangebot (vgl. OVG NRW, a.a.O.). Dies stellt hier eine andere Nutzung dar, als wenn die Gesamtfläche des Erdgeschosses der Halle durch einen Einzelhandelsbetrieb (Verbrauchermarkt) als Hauptbetrieb geprägt wird und auf baulich abgetrennten Flächen zu dessen Warenangebot als Nebenleistung ein Warenangebot hinzutritt (wie dies ursprünglich bezüglich der insgesamt ca. 120 qm umfassenden Shops I, II und III für Blumen, Drogerie und Reinigung der Fall war), das in einem inneren Zusammenhang mit der Hauptleistung steht, diese jedoch nur abrundet und von untergeordneter Bedeutung bleibt (s. dazu BVerwG, Urteil vom 24. November 2005 – 4 C 14.04 –, juris).

39

Damit geht auch die Ansicht der Klägerin fehl, die Beklagte hätte wegen der infolge der Widerspruchseinlegung noch nicht bestandskräftigen Baugenehmigung für den „N..“-Verbrauchermarkt beide Baugenehmigungsanträge im Zusammenhang betrachten müssen, wodurch sich dann insgesamt eine Verkaufsfläche von 1.640 qm zur Genehmigung gestellt hätte, von denen sich weniger als die Hälfte, nämlich nur ca. 760 qm, auf Non Food-Sortimente bezogen hätte und diese Fläche gegenüber der ursprünglich in der Halle genehmigten Verkaufsfläche von rd. 2.662 qm dann deutlich unter 30% der genehmigten Gesamtverkaufsfläche gelegen hätte. Die Klägerin hat vielmehr die im Erdgeschoss der Halle ursprünglich genehmigte Betriebsfläche des Verbrauchermarktes baulich durch die Errichtung einer Brandwand in zwei völlig selbständige Betriebseinheiten (Verbrauchermarkt und Fachmarkt) ohne bauliche oder organisatorische Verbindung mit jeweils separaten Ein- und Ausgängen, eigenen Toiletten-, Lager- und Personalräumen unterteilt. Da in dem geplanten Fachmarkt der Handel mit innenstadtrelevanten Sortimenten (Schuhe, Textil- und Haushaltswaren) erfolgen soll, erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass sich diese Nutzung auf einen zentralen Versorgungsbereich (hier die Innenstadt der Stadt Pirmasens) schädlich auswirken kann, so dass diese geplante Nutzung von bodenrechtlicher Relevanz ist. So liegt es auf der Hand, dass die Zentrenrelevanz des von einem Fachmarkt angebotenen Warensortiments (Schuhe, Textil-, Haushaltswaren) eine völlig andere ist als die eines breitgefächerten Warenangebots eines Verbrauchermarkts, selbst wenn dort solche Artikel als Teil- oder Randsortiment angeboten werden.

40

Das geplante Vorhaben der Klägerin unterfällt nicht dem erweiterten Bestandsschutz nach Nr. 1.9 der textlichen Festsetzungen zum in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan P … in Verbindung mit der Anlage 3, Stand: 16. Mai 2008. Nr. 1.9 der textlichen Festsetzungen lautet:

41

„Als Maßnahme des erweiterten Bestandsschutzes ist die Erweiterung, Änderung und Erneuerung der vorhandenen und der genehmigten oder positiv vorbeschiedenen Einzelhandelsbetriebe (ein Verbrauchermarkt im Gebäude W. Straße 20, ein Fachmarkt für Rest- und Sonderposten im Gebäude W. Straße 42, ein Fachgeschäft für Küchen, Kfz-Zubehör und Elektrogeräte im Gebäude W. Straße 26) zulässig. Die Begriffbestimmungen der Einzelhandelsbetriebe sind in Anlage 3 aufgeführt. Eine Erhöhung der Verkaufsfläche gegenüber der am Tage des In-Kraft-Tretens des Bebauungsplanes genehmigten und in Anlage 3 aufgeführten Verkehrsfläche ist unzulässig. Nutzungsänderungen sind ausgeschlossen. Im Falle einer Nutzungsaufgabe gelten die unter 1.3 bis 1.8 getroffenen Festsetzungen. Für die Geltungsdauer von Baugenehmigungen und Bauvorbescheiden sind die Bestimmungen der Landesbauordnung maßgeblich.“

42

Da es sich bei dem geplanten Vorhaben der Klägerin nicht um die Erweiterung, Änderung und Erneuerung des genehmigten Verbrauchermarktes W-. Straße 20 handelt, sondern – wie oben dargelegt – um eine genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung, greift der in Ziffer 1.9 enthaltene erweiterte Bestandsschutz nicht ein. Mithin stellt sich die Baugenehmigungsfrage insoweit neu. Nach Nr. 1.5 der textlichen Festsetzungen sind in dem Plangebiet – nicht bestandsgeschützte - Einzelhandelsbetriebe sowie sonstige Gewerbebetriebe mit Verkaufsflächen für den Verkauf an letzte Verbraucher nur mit nichtzentrenrelevanten Sortimenten gemäß Anlage 1.2 als Hauptsortimente zulässig. Zentrenrelevante Sortimente gemäß Anlage 1.1 wie Bekleidung, Schuhe, Heimtextilien, Lederwaren und Haushaltswaren sind als Hauptsortimente im Plangebiet nicht zulässig. Solche Sortimente sind lediglich als Randsortimente eines Einzelhandelsbetriebes oder sonstigen Gewerbebetriebs mit Verkaufsflächen für den Verkauf an letzte Verbraucher zulässig.

43

3. Greift nach alledem die Veränderungssperre gegenüber dem klägerischen Vorhaben ein, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 2 BauGB. Danach kann die Baugenehmigungsbehörde von der Veränderungssperre eine Ausnahme zulassen, wenn überwiegende öffentliche Belange dem Vorhaben nicht entgegenstehen. Solche überwiegenden öffentlichen Belange stehen aber dann entgegen, wenn ein Bauvorhaben – wie hier – gerade den Zielvorstellungen des künftigen Bebauungsplans und damit zugleich dem Sicherungszweck der Veränderungssperre widerspricht (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 2007, § 14 Rdnr. 93).

44

Das von der Klägerin geplante Vorhaben steht mit den Planungsabsichten der Beklagten, in dem Plangebiet Einzelhandelsbetriebe mit innenstadtrelevantem Sortiment nicht mehr zuzulassen, um so den Einzelhandel in der Innenstadt zu stärken und zugleich die Gewerbeflächen für produzierendes Gewerbe, Handwerk und Dienstleistung zurückzugewinnen oder zu sichern, nicht im Einklang, so dass die Zulassung einer Ausnahme für das klägerische Vorhaben ausscheidet.

45

Der Ausschluss bestimmter Arten von Einzelhandelsbetrieben im Plangebiet ist auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 und 9 BaunutzungsverordnungBauNVO – auch möglich. Nach § 1 Abs. 5 BauNVO kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Wünscht die Gemeinde an einem bestimmten Standort keine Einzelhandelsbetriebe, so ist es ihr nicht verwehrt, ein Gewerbegebiet unter Ausschluss dieses Nutzungstyps festzusetzen (vgl. VGH BW, Urteil vom 30. Januar 2006 – 3 S 1259/05 –, juris). Nach § 1 Abs. 9 BauNVO kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen und sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Die Beklagte beabsichtigt danach den grundsätzlich zulässigen Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben mit innenstadtrelevantem Sortiment. Ob ein solcher Ausschluss in der im Bebauungsplan dann realisierten Form gesetzmäßig ist, kann konkret erst nach Erlass des Bebauungsplans beurteilt werden.

46

Feststellen lässt sich im gegenwärtigen Zeitpunkt aber, dass die Zulassung einer Handelsfläche, soweit diese für den Einzelhandel mit innenstadtrelevanten Sortimenten als Hauptsortiment genutzt werden soll, mit den derzeit geplanten Festsetzungen im Bebauungsplan P … nicht vereinbar wäre (s. o.), weshalb eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB nicht zugelassen werden.

47

4. Schließlich besteht für die Beklagte auch keine Verpflichtung nach § 17 Abs. 4 BauGB, die Veränderungssperre vor Fristablauf ganz oder teilweise außer Kraft zu setzen, da die Voraussetzungen für den Erlass der Veränderungssperre auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach wie vor gegeben sind (so. o. unter 1.).

48

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzuweisen.

49

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

50

Beschluss

51

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 113.400,-- € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 ).

52

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Gleiches gilt für die Beschwerde der Beigeladenen, die zur Begründung ihrer Beschwerde auf die Beschwerdebegründung der Klägerin Bezug genommen hat.

2

1. Die als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Fragen zur Festsetzung von Emissionskontingenten in einem Bebauungsplan (Rechtsfragen zu 1) würden sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Denn selbst wenn der für das Vorhabengrundstück geltende Bebauungsplan entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts unwirksam sein sollte, erwiese sich das Urteil im Ergebnis als richtig. Im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans wäre das Vorhaben der Klägerin nach § 34 Abs. 3 BauGB unzulässig, die Berufungen gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts wären aus diesem Grund zurückzuweisen. Dies ist bereits im Beschwerdeverfahren in entsprechender Anwendung von § 144 Abs. 4 VwGO zu berücksichtigen (vgl. Beschluss vom 17. März 1998 - BVerwG 4 B 25.98 - NVwZ 1998, 737). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Rahmen des Hilfsantrags stand § 34 Abs. 3 BauGB dem Vorhaben jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans am 7. Mai 2010 (UA S. 3) entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass sich die hierfür maßgebenden Tatsachen nach Inkrafttreten des Bebauungsplans entscheidungserheblich geändert haben könnten, sind nicht ersichtlich; auch die Beschwerde macht dies nicht geltend. Sie verweist zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit ihrer Fragen zur Wirksamkeit des Bebauungsplans vielmehr selbst darauf, dass sie hinsichtlich der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellung, dem Vorhaben stünde die Regelung des § 34 Abs. 3 BauGB entgegen, Zulassungsgründe dargelegt habe (Beschwerdebegründung S. 13). Diese greifen jedoch nicht durch.

3

2. In Bezug auf § 34 Abs. 3 BauGB erhebt die Beschwerde zunächst Rügen zum Verkaufsflächenvergleich. Diese rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

4

2.1 Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde die Frage (Rechtsfrage 2):

Darf bei einem Verkaufsflächenvergleich zur Beurteilung der Frage, ob schädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB auf einen zentralen Versorgungsbereich zu erwarten sind, lediglich auf die Verkaufsfläche eines als "Magnetbetrieb" eingeschätzten Einzelhandelsbetriebs in dem untersuchten zentralen Versorgungsbereich abgestellt werden und nicht - unter Einbeziehung sämtlicher Betriebe in dem zentralen Versorgungsbereich - auf die Gesamt-Verkaufsfläche des relevanten Sortiments in dem zentralen Versorgungsbereich?

5

Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat die schädlichen Auswirkungen des Vorhabens für den zentralen Versorgungsbereich Innenstadt nicht nur - wie in der Frage vorausgesetzt - aus einem Vergleich der Verkaufsflächen zwischen dem Vorhaben einerseits (2 950 qm) und dem branchengleichen, als Magnetbetrieb qualifizierten ProMarkt andererseits (2 300 qm) abgeleitet. Es hat die Verkaufsfläche des Vorhabens vielmehr auch in Beziehung gesetzt zur Summe der bisherigen Verkaufsflächen in der Elektrobranche im Gebiet der Beklagten (5 295 qm, UA S. 20) und zur Gesamtverkaufsfläche der insgesamt 32 Betriebe des Elektrohandels in der Innenstadt (4 265 qm, UA S. 20 f.). Insoweit handelt es sich nicht - wie die Beschwerde meint - um Hilfserwägungen ohne selbstständig tragende Bedeutung; das Oberverwaltungsgericht hat die Verkaufsfläche des Vorhabens im Vergleich zum Magnetbetrieb in der Innenstadt vielmehr "unter Einbeziehung aller verfügbaren weiteren städtebaulichen Umstände" (UA S. 20) gewürdigt, also eine Gesamtbetrachtung vorgenommen.

6

Soweit die Beschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht sei für die Zentren und die Gesamtstadt von falschen Verkaufsflächen ausgegangen, zeigt sie einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Wie bereits das Verwaltungsgericht hat auch das Oberverwaltungsgericht die Verkaufsfläche des Vorhabens in Beziehung gesetzt zu den im Stadtgebiet vorhandenen vier Fachmärkten (ProMarkt 2 300 qm, MediMax 1 370 qm, Quelle Technik-Center 840 qm, HS-Haushalt und Service 785 qm, gesamt 5 295 qm; vgl. VG UA S. 7 f. und GMA-Gutachten S. 21). Zur Verkaufsfläche welcher Betriebe die Verkaufsfläche des Vorhabens in Beziehung zu setzen ist, um die Wahrscheinlichkeit schädlicher Auswirkungen zu prognostizieren, hängt weitgehend von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Der Vergleich des Vorhabens mit den Hauptmitwettbewerbern - hier den vorhandenen Fachmärkten - wird nicht dadurch "falsch", dass das Vorhaben auch mit anderen Betrieben verglichen werden kann. Bei der Betrachtung der Innenstadt hat im Übrigen auch das Oberverwaltungsgericht nicht nur den Fachmarkt, sondern auch die kleineren Betriebe in die Betrachtung einbezogen (UA S. 20 f.).

7

2.2 Die in Bezug auf den Verkaufsflächenvergleich geltend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils vom Urteil des Senats vom 11. Oktober 2007 - BVerwG 4 C 7.07 - (BVerwGE 129, 307) liegt nicht vor. Die Beschwerde entnimmt dem angefochtenen Urteil Rechtssätze, die das Oberverwaltungsgericht nicht aufgestellt hat.

8

2.2.1 Die Auffassung, dass es ausreichend sei, allein die Verkaufsfläche zwischen dem beantragten Vorhaben einerseits und einem branchengleichen Magnetbetrieb in einem zentralen Versorgungsbereich zu vergleichen, um bewerten zu können, ob schädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten sind (Beschwerdebegründung S. 19), hat das Oberverwaltungsgericht - wie bereits dargelegt - nicht vertreten.

9

2.2.2 Ebenso wenig hat das Oberverwaltungsgericht den Rechtssatz aufgestellt, dass die Einordnung eines Betriebs als "Magnetbetrieb" vorzunehmen sei, indem die Verkaufsfläche des einzelnen Betriebs in Vergleich zu allen anderen Betrieben der gleichen Branche gesetzt werde (Beschwerdebegründung S. 24); jedenfalls hat es diesen Vergleich nicht als allein maßgebend für die Qualifizierung eines Betriebs als "Magnetbetrieb" angesehen. Es hat bei dem Vergleich der Verkaufsfläche des Vorhabens mit der Verkaufsfläche des ProMarktes und der anderen im Stadtgebiet vorhandenen Fachmärkte berücksichtigt, dass der ProMarkt als "Magnetbetrieb" in der Innenstadt wirke und der Kaufkraftabfluss in der Elektrobranche in das Vorhabengebiet mit großer Wahrscheinlichkeit entsprechende Rückwirkungen auf die Struktur der Innenstadt hätte; die Annahme eines solchen "Magnetbetriebs" sei hinsichtlich des ProMarktes vor allem wegen seiner im Vergleich zu allen anderen Betrieben des Elektrohandels erheblich höheren Verkaufsfläche gerechtfertigt (UA S. 20). Der Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe damit den ProMarkt ohne Bezug zu dem konkret betrachteten zentralen Versorgungsbereich als Magnetbetrieb qualifiziert, ist nicht berechtigt. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass ein Kaufkraftabfluss vom ProMarkt zum Vorhaben der Klägerin Rückwirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Innenstadt als zentraler Versorgungsbereich hätte, weil die Existenz eines Elektrofachmarktes in der Innenstadt, der über eine deutlich größere Verkaufsfläche verfügt als die Mitbewerber außerhalb der Innenstadt, für die Attraktivität der Innenstadt als zentraler Versorgungsbereich von erheblicher Bedeutung wäre. Insoweit hat es keinen Rechtssatz aufgestellt, sondern die hier gegebenen Umstände tatrichterlich gewürdigt.

10

3. Die Rügen zum Umsatzvergleich führen ebenfalls nicht auf einen Grund für die Zulassung der Revision.

11

3.1 Die Beschwerde wirft die Frage auf (Rechtsfrage 3):

Ist ein Umsatzvergleich zwischen dem prognostizierten Umsatz des anzusiedelnden Vorhabens und dem Gesamtumsatz in der entsprechenden Branche im Gebiet der Standortkommune geeignet, die Annahme von zu erwartenden schädlichen Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB zu begründen, wenn gutachterlich nachgewiesen ist, dass der überwiegende Anteil des für das Ansiedlungsvorhaben prognostizierten Umsatzes nicht mit Kunden aus der Standortgemeinde, sondern mit Kunden von außerhalb der Standortgemeinde erzielt werden wird?

12

Diese Frage wäre einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Der Prüfungsmaßstab der schädlichen Auswirkungen fordert eine Gesamtbetrachtung aller städtebaulich relevanten Umstände (Urteil vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 4 C 2.08 - BVerwGE 136, 10 Rn. 16). Zu berücksichtigen sind bei großflächigen Einzelhandelsbetrieben insbesondere die Verkaufsfläche des Vorhabens im Vergleich zu den im Versorgungsbereich vorhandenen Verkaufsflächen derselben Branche, die voraussichtliche Umsatzumverteilung, die Entfernung zwischen dem Vorhaben und dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich, eine etwaige "Vorschädigung" des Versorgungsbereichs oder die Gefährdung eines vorhandenen "Magnetbetriebs", der maßgebliche Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs hat (Beschluss vom 12. Februar 2009 - BVerwG 4 B 3.09 - Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 34 Rn. 9). Diese Aufzählung ist - wie sich aus dem Wort "insbesondere" ergibt - nicht abschließend. Ob auch der prognostizierte Umsatz des Vorhabens im Vergleich zum Gesamtumsatz in der entsprechenden Branche im Gebiet der Standortkommune zu berücksichtigen ist und welche Bedeutung diesem Vergleich im Rahmen der Prognose zukommt, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Die Rechtsauffassung, dass ein solcher Umsatzvergleich in jedem Fall erforderlich sei und dass ihm eine entscheidende Bedeutung zukomme, hat das Oberverwaltungsgericht nicht vertreten. Es hat hier den für das Vorhaben prognostizierten Umsatz zum Gesamtumsatz im Elektroeinzelhandel im Stadtgebiet in Beziehung gesetzt, um die Größenordnung des Vorhabens zu charakterisieren. Im Folgenden hat es dann auf den vorhabenbedingten wahrscheinlichen Kaufkraftabfluss aus dem zentralen Versorgungsbereich abgestellt (UA S. 22).

13

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht den Nachweis, dass der überwiegende Anteil des für das Ansiedlungsvorhaben prognostizierten Umsatzes nicht mit Kunden aus der Standortgemeinde, sondern mit Kunden von außerhalb erzielt werden wird, nicht als geführt angesehen. Es hat dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten vielmehr entgegengehalten, dass die Nachfragestromanalyse lediglich im Sinne einer Schätzung plausibel gemacht und nicht durch weitere empirische Erhebungen oder methodische Ausführungen näher untermauert worden sei (UA S. 22).

14

3.2 Die geltend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils vom Beschluss des Senats vom 12. Februar 2009 - BVerwG 4 B 3.09 - liegt nicht vor. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass im Rahmen der Ermittlung schädlicher Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB der prognostizierte Umsatz des Vorhabens mit dem Gesamtumsatz der gleichen Branche im Gebiet der Standortkommune zu vergleichen sei (Beschwerdebegründung S. 30), hat das Oberverwaltungsgericht - wie dargelegt - nicht aufgestellt.

15

4. Die zum Zentrenkonzept aufgeworfene Frage (Rechtsfrage 4):

Steht es der Annahme schädlicher Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB entgegen, wenn der Vorhabenstandort mit einem dem Vorhaben entsprechenden Sortiment und einer dem Vorhaben entsprechenden Verkaufsfläche in einem vom Stadtrat beschlossenen Zentrenkonzept der Standortgemeinde enthalten ist?

bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Ob der Standort des Vorhabens der Klägerin in dem Zentrenkonzept der Beklagten enthalten war, war - wie sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt (UA S. 7, 9, 10) - bereits im Berufungsverfahren streitig. Das Oberverwaltungsgericht hat hierzu Feststellungen nicht getroffen. Es hat zum Ausdruck gebracht, dass, selbst wenn das Vorhaben den im Zentrenkonzept enthaltenen früheren Planungsvorstellungen der Beklagten entsprochen haben sollte, dies der Annahme schädlicher Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB nicht entgegenstünde. Einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf in Bezug auf diese Annahme zeigt die Beschwerde nicht auf. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass, wenn ein Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, weil es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 BauGB), nach der tatsächlich vorhandenen Stadtstruktur innerhalb eines zentralen Versorgungsbereiches liegt und auch auf andere zentrale Versorgungsbereiche keine schädlichen Auswirkungen hat (§ 34 Abs. 3 BauGB), ein städtebauliches Entwicklungskonzept hieran nichts ändern kann; denn ein solches Konzept enthält - anders als ein Bebauungsplan z.B. mit Festsetzungen auf der Grundlage von § 9 Abs. 2a BauGB - keine rechtsverbindlichen Festsetzungen (vgl. § 8 Abs. 1 BauGB, Beschluss vom 12. Februar 2009 - BVerwG 4 B 5.09 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 208 Rn. 7). Aus diesem Grund kann ein Zentrenkonzept auch umgekehrt nichts daran ändern, dass ein Vorhaben gemäß § 34 Abs. 3 BauGB unzulässig ist, wenn es die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs - wie vom Oberverwaltungsgericht für die Innenstadt der Beklagten festgestellt - so nachhaltig stört, dass der Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrgenommen werden kann (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 4 C 2.08 - BVerwGE 136, 10 Rn. 13).

16

5. Schließlich führt auch die Frage (Rechtsfrage 5):

Steht es der Annahme von schädlichen Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB entgegen, wenn eine der Standortgemeinde übergeordnete Landesplanungsbehörde zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das Vorhaben raumordnerisch unter dem Aspekt der Nachnutzung einer Industriebrache mitgetragen werden könne, wenn dafür eine innerstädtische Einordnung nicht möglich sei, und eine innerstädtische Einordnung auch tatsächlich nicht möglich ist?

nicht zur Zulassung der Revision. Das Oberverwaltungsgericht hat tatsächliche Feststellungen zu der bereits im Berufungsverfahren streitigen Frage (UA S. 3, 7, 10), ob die obere Landesplanungsbehörde dem Vorhaben der Klägerin zugestimmt hat, nicht getroffen. Es ist davon ausgegangen, dass die Stellungnahme der Annahme schädlicher Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB nicht entgegensteht. In Bezug auf diese Annahme zeigt die Beschwerde einen rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf nicht auf. Die Feststellung, dass schädliche Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich zu erwarten sind, ist nach § 34 Abs. 3 BauGB nicht von einer dies bestätigenden Stellungnahme einer der Standortgemeinde übergeordneten Landesplanungsbehörde abhängig; ein Klärungsbedarf besteht insoweit nicht. Die Frage, ob eine landesplanerische Stellungnahme zu einem Bauvorhaben der Annahme von schädlichen Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB entgegensteht, ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Wie bereits dargelegt (3.1), fordert der Prüfungsmaßstab der schädlichen Auswirkungen eine Gesamtbetrachtung aller städtebaulich relevanten Umstände. Welche Bedeutung einer landesplanerischen Stellungnahme im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung zukommt, hängt maßgebend vom Inhalt der jeweiligen Stellungnahme ab. Ist die Landesplanungsbehörde z.B. zu dem Ergebnis gelangt, dass es landesplanerisch zulässig wäre, das Vorhaben durch Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans zu ermöglichen, steht dieses Ergebnis der Annahme, dass das Vorhaben ohne eine solche Bauleitplanung schädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB auf einen zentralen Versorgungsbereich erwarten lassen würde, nicht entgegen.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.