| |
| Die unbedenklich zulässige Klage ist unbegründet, soweit sie sich gegen Ziffer 1 des Bescheids des Landesamts vom 03.09.2015 richtet (hierzu 1.). Hingegen führt die Klage hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 des angegriffenen Bescheids zum Erfolg (hierzu 2.). |
|
| 1. Ziffer 1 des Bescheids des Landesamts vom 03.09.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
|
| a. Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der eine Beihilfe gewährenden Bescheide vom 16.05.2012 und vom 14.06.2012 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. |
|
| Die Bescheide vom 16.05.2012 und vom 14.06.2012 sind im Umfang ihrer Rücknahme rechtswidrig, denn die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe lagen nicht vor. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums über die Gewährung von Beihilfe in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (Beihilfeverordnung – BVO) sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Die vorliegend zur Beihilfe geltend gemachten Aufwendungen sind nicht notwendig, weil die in den eingereichten Rechnungen vom 10.04.2012 und vom 02.05.2012 ausgewiesenen Leistungen nicht erbracht wurden. Hierfür sprechen zunächst die Feststellungen im Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 09.02.2015 - 2 KLs 31 Js 14206/12 - S. 18 f. zur betrügerischen Abrechnungspraxis des Chefarztes der ..., an deren Richtigkeit die Kammer keine Zweifel hegt: |
|
| „Dem Angeklagten war klar, dass bei wahrheitsgemäßer Darstellung der Behandlungen ihre Kostenerstattung durch die Kostenträger nicht stattgefunden hätte, sondern diese Behandlungen als von dem von der Klinik angesetzten Basis- und Abteilungspflegesatz gedeckt betrachtet worden wäre. |
|
| Der Angeklagte beschloss deshalb, die o.a. Behandlungen in den für die Abrechnung mit den Kostenträgern bestimmten Rechnungen als von ihm nach dem Gebührenverzeichnis der GOÄ erbrachte Wahlarztleistungen zu deklarieren, wobei er die - angeblich von ihm erbrachten - Leistungen so bestimmte, dass die hierfür von ihm angesetzten Gebührensätze der GOÄ ungefähr den Betrag erreichten, zu dem er selbst die Behandlungen gegenüber den Patienten anbot. Er tüftelte aus, welche Gebührensätze in der Addition für eine Behandlung in einem Krankenhaus oder einem Sanatorium für Psychosomatik plausibel erschienen und den von ihm gewünschten Betrag ergäben. [...] |
|
| Soweit die Additionen von Gebührensätzen nicht genügte, um den von ihm gewünschten Betrag zu erreichen, was regelmäßig der Fall war, fingierte er Visiten oder die Verabreichung von Spritzen.“ |
|
| Dass diese Abrechnungspraxis auch vorliegend zur Anwendung gelangte, schließt die Kammer aus dem in der Beihilfeakte befindlichen internen Therapieplan der ... und aus den vorgelegten Wochenplänen. Diesen ist zu entnehmen, dass die Ehefrau des Klägers in weitem Umfang nicht beihilfefähige Leistungen (etwa: Sonnen-Trance, Körper-Seele-Integration, Sandliege, Biografie Arbeit, Trampolin in der Gruppe, Dorn-Teil-Dürbeck, Atem-Entspannung) in Anspruch nahm. Dass - wie der Kläger mutmaßt - der Therapieplan in wesentlicher Hinsicht unrichtig sein könnte, ist nicht anzunehmen. Denn wie der Zeuge ... zur Überzeugung der Kammer ausgesagt hat, wurden die Therapeuten auf der Grundlage der für sie erstellten Tagespläne, die ihrerseits auf den Therapieplänen gründeten, entlohnt. Im Übrigen erschließt sich der Kammer nicht, weshalb das interne Abrechnungssystem der ... auf einer unrichtigen oder gar gefälschten Datengrundlage aufgebaut sein sollte. Schließlich hat die Zeugin ... - die Ehefrau des Klägers - in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, die fraglichen Leistungen im Wesentlichen in Anspruch genommen zu haben. Die Kammer sieht keine Veranlassung, deren Aussagen in Zweifel zu ziehen, zumal sie ersichtlich um Aufklärung des Sachverhalts bemüht war und bereitwillig über die Verträglichkeit der von ihr in Anspruch genommenen Leistungen Auskunft gab. Da für sonstige Zahlungen an die ... keine Anhaltspunkte bestehen, liegt nach Lage der Dinge auf der Hand, dass die tatsächlich erbrachten, nicht beihilfefähigen Leistungen mit den Rechnungen vom 10.04.2012 und vom 02.05.2012 unter falscher Etikettierung abgerechnet wurden. Dass diese Leistungen - wie der Kläger mutmaßt - direkt mit der privaten Krankenversicherung abgerechnet sein könnten, entbehrt jeglicher Anhaltspunkte. Dies erscheint auch umso unwahrscheinlicher, als die tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen nicht vom regulären Leistungskatalog privater Krankenversicherungen umfasst sein dürften und insoweit auch keine Vollerstattung erfolgt wäre. Dass der Kläger oder seine Ehefrau eine private Zusatzversicherung abgeschlossen hätten, die auch die tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen umfassend abdeckte, ist nicht ersichtlich. Schließlich kann der Kläger auch nicht mit Erfolg einwenden, die Kriminalpolizei habe hinsichtlich der für seine Ehefrau erbrachten Beihilfe nur einen Schaden in Höhe von 1.078,-- EUR errechnet, weshalb die Beihilfebescheide auch nur in diesem Umfang als rechtswidrig anzusehen seien. Denn nach der ohne weiteres nachvollziehbaren und daher zur Überzeugung der Kammer zutreffenden Aussage des Zeugen ... beschränkte sich die Kriminalpolizei im Rahmen der Schadensermittlung auf jene Leistungen, die nach jeder denkbaren Betrachtungsweise nicht erstattungsfähig waren. Auch ist mit dem Landesamt davon auszugehen, dass sich die Strafverfolgungsbehörden aus Gründen der Verfahrensökonomie bei der Schadensberechnung auf jene Leistungen fokussierten, die - gemessen an der Gesamtzahl der Patienten - besonders häufig erbracht wurden. Da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das systemisch betrügerische Abrechnungssystem der ... einzelne Rechnungspositionen unberührt ließ, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die in den Rechnungen vom 10.04.2012 und vom 02.05.2012 aufgeführten Leistungen vereinzelt tatsächlich erbracht wurden. Selbst wenn man Entsprechendes zu Gunsten des Klägers unterstellen wollte, so änderte dies im Ergebnis nichts. Denn die beiden Rechnungen weisen nach dem Gesagten derart schwerwiegende Mängel auf, dass sie nicht mehr als Beleg im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 BVO angesehen und in der Folge nicht mehr als Grundlage für eine Beihilfegewährung dienen können. Anders als der Kläger meint, ist es auch nicht die Aufgabe des Landesamts, die vorgelegten Rechnungen auf möglicherweise zu Recht geltend gemachte Positionen hin zu durchforsten. Vielmehr wäre es seine Sache gewesen, eine neue und zutreffende Rechnung vorzulegen und die - angesichts der Abrechnungspraxis der ... berechtigterweise bestehenden - Richtigkeitszweifel des Landesamts auszuräumen. Schließlich wären die Aufwendungen des Klägers auch dann nicht beihilfefähig, wenn man sie als auf die tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen erbracht ansehen wollte. Denn diese sind - ohne dass dies im Einzelnen auszuführen wäre - nicht beihilfefähig. Überdies hat der Kläger für die tatsächlich erbrachten Leistungen keine Rechnung vorgelegt und keinen Beihilfeantrag gestellt. Nach alledem lagen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen des Klägers auf die Rechnungen vom 10.04.2012 und vom 02.05.2012 nicht vor. Die Bescheide vom 16.05.2012 und vom 14.06.2012 sind daher im Umfang ihrer Rücknahme rechtswidrig. |
|
| b. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 LVwVfG darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 LVwVfG zurückgenommen werden. Vorliegend sind die Einschränkungen des § 48 Abs. 2 LVwVfG maßgeblich. Denn die rechtswidrigen Bescheide des Landesamts vom 16.05.2012 und vom 14.06.2012 gewährten eine einmalige Geldleistung in Form einer Beihilfe. Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG darf ein Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf seinen Bestand vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Nr. 2) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). |
|
| aa. Der Kläger kann sich nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er die Beihilfebescheide vom 16.05.2012 und vom 14.06.2012 durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig waren. Ein „Erwirken“ im Sinne dieser Bestimmung setzt nach allgemeinem Sprachgebrauch in objektiver Hinsicht zumindest voraus, dass die Angaben für den rechtswidrigen Verwaltungsakt mitursächlich wurden (BVerwG, Urteil vom 28.06.2012 - 2 C 13/11 -, BVerwGE 143, 230; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 150, 154). Mit anderen Worten dürfen die fraglichen Angaben nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Verwaltungsakt nicht oder zumindest nicht mit diesem Inhalt erlassen worden wäre. Hingegen scheint in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, welche Anforderungen mit dem Tatbestandsmerkmal des „Erwirkens“ in subjektiver Hinsicht verbunden sind. Teils werden insoweit recht hohe, augenscheinlich nahe an die Arglist heranreichende Anforderungen gestellt. So fordert der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein auf den Erlass des rechtswidrigen Verwaltungsakts gerichtetes „zweck- und zielgerichtetes Handeln“ (ders., Urteil vom 15.03.2001 - 7 B 00.107 -, NVwZ 2001, 931 m.w.N.; zustimmend: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 17. Aufl. 2016, § 48 Rn. 116). Demgegenüber begnügt sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Feststellung, ein „Erwirken“ habe nicht zur Voraussetzung, dass den Begünstigten ein Verschulden an der Unrichtigkeit der übermittelten Daten trifft (BVerwG, Urteil vom 28.06.2012 - 2 C 13/11 -, BVerwGE 143, 230). Die Rücknahme eines Verwaltungsakts könne bereits dann nicht mit dem Vertrauensschutz konfligieren, wenn dessen Rechtswidrigkeit - wie in den Fällen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 (L)VwVfG - seine Ursache nicht in der Sphäre der Verwaltung, sondern in der Sphäre des Begünstigten finde. Es bestehe daher kein Anlass, zusätzlich auf ein Verschulden des Begünstigten abzuheben (BVerwG, Urteil vom 20.10.1987 - 9 C 255/86 -, BVerwGE 78, 139 unter Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs in BT-Drs. 7/910, S. 70). Auch aus Sicht der Kammer erfordert ein „Erwirken“ nicht, dass der Begünstigte durch ein ziel- und zweckgerichtetes Handeln den rechtswidrigen Verwaltungsakt hervorgerufen hat. Hierfür streitet neben den bereits angeführten Gründen, dass andernfalls für die Bestimmung des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG gegenüber § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG (Erwirken durch arglistige Täuschung) kaum mehr ein eigenständiger Anwendungsbereich verbliebe. Umgekehrt ist es - worauf der Kläger zu Recht abhebt - mit dem Wortlaut nicht zu vereinbaren, an das „Erwirken“ keinerlei subjektive Anforderungen zu stellen. Zwar ist mit dem Bundesverwaltungsgericht davon auszugehen, dass den Begünstigten hinsichtlich der Unrichtigkeit der Daten weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit treffen muss. Allerdings ist dieser Ansatz dahin zu präzisieren, dass der Begünstigte die Angaben zumindest im Bewusstsein ihrer Rechtserheblichkeit übermittelt haben muss. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn er erkennt, dass der (begehrte) Verwaltungsakt auf der Grundlage seiner Angaben ergeht und dessen Rechtmäßigkeit von der Richtigkeit der übermittelten Daten abhängt. Nach diesen Maßstäben kann sich der Kläger nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er die objektiv unrichtigen Rechnungen der... GmbH vom 10.04.2012 und vom 02.05.2012 im Bewusstsein ihrer Rechtserheblichkeit beim Landesamt eingereicht und dadurch die rechtswidrigen Bewilligungsbescheide vom 16.05.2012 und vom 14.06.2012 kausal veranlasst hat (vgl. auch den entsprechend gelagerten Fall in VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris). Dass die eingereichten Rechnungen (vorgebliche) Leistungen an die Ehefrau des Klägers betrafen, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn dies vermag nichts daran zu ändern, dass die Angaben nach der maßgeblichen „Lagertheorie“ aus der Sphäre des beihilfeberechtigten Klägers herrührten. Dies überzeugt auch deshalb, weil der Kläger - anders als die Beihilfestelle - unschwer die Möglichkeit gehabt hätte, bei seiner Ehefrau Rücksprache zu halten und die einzureichenden Rechnungen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Dass er von dieser nahe liegenden Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, rechtfertigt - ganz ungeachtet der Verschuldensfrage - jedenfalls nicht die Annahme, dass die von ihm eingereichten Rechnungen nicht aus seiner Sphäre stammten. Soweit der Kläger geltend macht, seine Frau sei in Folge ihrer Leiden nicht in der Lage gewesen, Angaben über die ihr verabreichten Leistungen zu machen, so vermag dem die Kammer gleichfalls nicht zu folgen. Denn ebenso wie die Kammer mehrere Jahre nach den maßgeblichen Vorgängen seine Ehefrau ergiebig vernommen hat, wäre es auch dem Kläger möglich gewesen, sie bereits im Jahr 2012 zu Umfang und Art der entgegengenommenen Leistungen zu befragen. |
|
| bb. Bedenken gegen die Ausübung des Rücknahmeermessens bestehen nicht (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts vor, steht die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG zwar grundsätzlich im Ermessen der Behörden. Indessen lenkt § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG die Ermessensausübung in den Fällen des § 48 Abs. 2 Satz 3 LVwVfG, indem er die Rücknahme des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit als Regel festlegt (sog. intendiertes Ermessen, vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 165, § 40 Rn. 28 ff.; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.08.2015 - 2 S 384/14 -, juris). Es müssen daher besondere Gründe vorliegen, wenn von der Rücknahme abgesehen werden soll. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst und bedarf es insoweit auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung. Nur dann, wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände des Falles bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, liegt ein rechtsfehlerhafter (Nicht-)Gebrauch des Ermessens vor, wenn diese Umstände von der Behörde nicht erwogen wurden. Die entsprechenden Erwägungen sind dann auch in der Begründung kenntlich zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.06.1997 - 3 C 22/96 -, NJW 1998, 2233; Urteil vom 10.12.2003 - 3 C 22/02 -, NVwZ-RR 2004, 413; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.05.2014 - 10 S 1719/13 -, juris). |
|
| Entsprechende außergewöhnliche Umstände sind vorliegend nicht erkennbar. Soweit der Kläger geltend macht, sich sorgfaltspflichtentsprechend verhalten zu haben, so ist dies bereits im Ansatz nicht geeignet, einen außergewöhnlichen Umstand zu begründen. Denn wie bereits ausgeführt, kommt es für § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG nicht auf ein Verschulden, sondern alleine darauf an, aus welcher Sphäre die unrichtigen Informationen stammen. Wollte man gleichwohl davon ausgehen, dass fehlendes Verschulden für sich genommen einen außergewöhnlichen Umstand begründen kann, der ein Abgehen von dem intendierten Ermessen des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG rechtfertigte, so wäre diese Bestimmung für den Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 LVwVfG faktisch außer Kraft gesetzt. Das ist mit dem in § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG klar zu Tage tretenden gesetzgeberischen Willen nicht vereinbar. Auch das weitere Vorbringen des Klägers lässt - selbst in der Zusammenschau mit dem geltend gemachten fehlenden Verschulden - keine außergewöhnlichen Umstände, keine Atypik erkennen. Dass seine Ehefrau die Mitarbeiter der ... darauf hingewiesen haben soll, nur beihilfefähige Leistungen in Anspruch nehmen zu wollen, vermag eine Atypik nicht zu begründen. Denn der Kläger kann sich gegenüber dem Landesamt nicht auf ein - möglicherweise - betrügerisches Verhalten der Vertreter der ... gegenüber ihm oder seiner Ehefrau berufen. Soweit der Kläger insbesondere im Anhörungsverfahren die Rechtsauffassung vertrat, das Landesamt solle die gewährte Beihilfe von der ... zurückfordern, so verkennt er, dass im „beihilferechtlichen Dreiecksverhältnis“ keine Rechtsbeziehungen zwischen dem Beihilfeträger und dem Leistungserbringer bestehen. Die Beihilfestelle kann daher für Leistungsstörungen im Verhältnis des Beihilfeberechtigten zum Leistungserbringer nicht verantwortlich gemacht werden. Vielmehr ist es Sache des Beihilfeberechtigten, seine (Schadensersatz-)Ansprüche gegen den Leistungsträger geltend zu machen und sich an diesem schadlos zu halten. Hierbei auftretende Schwierigkeiten oder Hindernisse sind in Folge der aufgezeigten Rechtsbeziehungen konstitutiv nicht geeignet - etwa im Rahmen der Ermessensausübung bei der Beihilferückforderung -, Rechtspositionen gegen den Rechtsträger der Beihilfe zu begründen. Nach alledem sind vorliegend keine besonderen Umstände gegeben, die eine Ausnahme von dem intendierten Rücknahmeermessen des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG rechtfertigten. |
|
| Darüber hinaus - und ohne dass es darauf noch ankäme - teilt die Kammer auch nicht die Auffassung des Klägers, dass er den rechtswidrigen Beihilfebescheid ohne Sorgfaltspflichtverstoß erwirkt hat. Denn es hätte ihm oblegen, Rücksprache bei seiner Ehefrau zu halten und zu überprüfen, ob die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht wurden. Hierbei wären ihm die manifesten Unrichtigkeiten in den Rechnungen vom 14.04.2012 und vom 02.05.2012 ohne Weiteres aufgefallen. |
|
| Selbst wenn man - wofür nach dem Gesagten nichts spricht - von einem besonderen Ausnahmefall und damit nicht von einem intendierten Ermessen im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 4 LVwVfG ausgehen wollte, so wäre gleichwohl kein nach § 114 Satz 1 VwGO rügefähiger Ermessensfehler erkennbar. Denn das Landesamt hat bereits im Bescheid vom 03.09.2015 Ermessenserwägungen angestellt, weshalb nicht von einem Ermessensausfall ausgegangen werden kann. Auch einen Ermessensfehlgebrauch vermag die Kammer unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen nicht zu erkennen. |
|
| c. Bedenken gegen die Wahrung der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG bestehen nicht. Die Rücknahme der rechtswidrigen Bescheide vom 16.05.2012 und vom 14.06.2012 war nach alledem rechtmäßig. |
|
| 2. Ziffer 2 und - in der Folge auch - Ziffer 3 des Bescheids des Landesamts vom 03.09.2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger daher in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
|
| Das Landesamt stützt die Rückforderung der überzahlten Beihilfe auf § 49a Abs. 1 Satz 1 LVwVfG. Danach sind, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Für den Umfang der Erstattung mit Ausnahme der Verzinsung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme des Verwaltungsakts geführt haben (§ 49a Abs. 2 Satz 1 und 2 LVwVfG). |
|
| Ob sich der Kläger auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann, kann vorliegend dahinstehen, denn das Landesamt hat keine Billigkeitsentscheidung darüber getroffen, ob die zu Unrecht gewährte Beihilfe zurückzufordern war. Einer solchen hätte es jedoch in analoger Anwendung von § 15 Abs. 2 Satz 3 Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg (LBesGBW) und § 5 Abs. 2 Satz 3 Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg (LBeamtVGBW) bedurft. Zur Begründung hat die Kammer in ihrem Urteil vom 19.02.2015 - 9 K 1815/14 -, juris Folgendes ausgeführt: |
|
| „Analogie ist die Übertragung der für einzelne bestimmte Tatbestände im Gesetz vorgesehenen Regel auf einen anderen, aber rechtsähnlichen Tatbestand, sofern das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, Einleitung, Rn. 48 m. w. N.). Diese Voraussetzungen liegen vor. |
|
| α) Eine Regelungslücke ist gegeben. Während der Landesgesetzgeber die Rückforderung zu viel gezahlter Leistungen für das Besoldungsrecht in § 15 LBesGBW und für das Versorgungsrecht in § 5 LBeamtVGBW geregelt hat, fehlt es an einer entsprechenden, die Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung eröffnenden landesgesetzlichen Regelung für Fälle überzahlter Beihilfe. |
|
| Das Bestehen der Regelungslücke wird nicht dadurch beseitigt, dass Belange, die in die Billigkeitsentscheidung einzustellen sind, jedenfalls teilweise auch im Rahmen des Rücknahmeermessens des § 48 LVwVfG Eingang finden könnten. So mag zwar denkbar sein, dass beispielsweise das Mitverschulden einer Behörde im Wege einer nur teilweisen Rücknahme berücksichtigt werden könnte. Die von §§ 15 LBesGBW und 5 LBeamtVGBW eröffnete Möglichkeit, eine Billigkeitsentscheidung zu treffen, geht aber deutlich weiter. Denn sie erlaubt es, alle individuellen Aspekte des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen und für den Betroffenen eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügende Lösung zu erarbeiten. Zu denken ist hierbei vor allem an die ratenweise Rückführung überzahlter Leistungen. Derartiges kann im Rahmen des Ermessens in § 48 LVwVfG dagegen nicht verwirklicht werden. |
|
| β) Die Regelungslücke ist auch planwidrig. |
|
| Ausgangspunkt der Überlegung bildet dabei der Umstand, dass vor der Dienstrechtsreform (vgl. hierzu das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 9. November 2010, GBl. 2010, S. 793 – DRG) die Rückforderung überzahlter Beihilfe auf Grundlage des § 109 LBG a. F. erfolgen konnte. Er sah vor, dass für die Rückforderung von Leistungen des Dienstherrn, die nicht Besoldung oder Versorgung sind, § 12 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) entsprechend anzuwenden war. Die Rückforderung von Beihilfe unterlag damit den gleichen Voraussetzungen wie die von Besoldungs- oder Versorgungsbezügen, insbesondere in Bezug auf das Erfordernis einer Billigkeitsentscheidung (vgl. § 12 BBesG und § 52 BeamtVG, die vor der Föderalismusreform auf Rückforderungen von Besoldungs- und Versorgungsbezügen anzuwenden waren). |
|
| Diesen Gleichlauf hat der Landesgesetzgeber im Zuge der Dienstrechtsreform durch das Streichen der Vorschrift des § 109 LBG a. F., ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich wäre, beseitigt. Parallel dazu hat er im Landesbesoldungsgesetz Baden-Württemberg und im Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg für überzahlte Besoldungs- beziehungsweise Versorgungsbezüge eigenständige Rechtsgrundlagen für die Rückforderung geschaffen, die jeweils eine Grundlage für Billigkeitsentscheidungen vorsehen. In der Gesetzesbegründung zu § 15 LBesGBW heißt es hierzu, dass die Bestimmung unverändert § 12 BBesG entspreche und, hinsichtlich der Absätze 2 bis 4, sie den Anspruch des Dienstherrn auf die Erstattung von ohne Rechtsgrund empfangenen Besoldungsleistungen regle (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 460). Zu § 5 Abs. 2 LBeamtVGBW heißt es (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 504): „Absatz 2 trifft eine eigenständige Regelung für die Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge“. Dagegen schweigt sich die Gesetzesbegründung zur Aufhebung des § 109 LBG a. F. aus. |
|
| Auch aus den allgemeinen gesetzgeberischen Erwägungen lässt sich kein sachlicher Grund dafür ermitteln, weshalb für Besoldungs- und Versorgungsbezüge spezialgesetzliche Rückforderungsrechtsgrundlagen geschaffen wurden, während die Rückforderung der Beihilfe sich nunmehr nach der allgemeinen Bestimmung des § 49a LVwVfG richten soll, die eine Billigkeitsentscheidung nicht vorsieht. Das Dienstrechtsreformgesetz sollte eine Generalrevision der Rechtsverhältnisse der Beamtinnen und Beamten im Lande bringen (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 1) und in Bezug auf die besoldungsrechtlichen Regelungen eine umfassende Neukodifikation des bisherigen, im Land geltenden Besoldungsrechts schaffen. Gleichzeitig sollte die bestehende Unübersichtlichkeit im Besoldungsrecht beseitigt werden, indem möglichst viele der als Gesetz oder Rechtsverordnung derzeit bestehenden Rechtsvorschriften in einem Landesbesoldungsgesetz zusammengeführt werden (vgl. LT-Drs. 14/6694, S. 2). Angesichts dessen hätte es nahegelegen, die Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Beihilfe ebenfalls eigenständig zu regeln, zum Beispiel durch Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in oder im Anschluss an § 78 LBG. |
|
| γ) Es liegt darüber hinaus die für einen Analogieschluss erforderliche vergleichbare Sach- und Interessenlage vor. |
|
| Die Rückforderung von Besoldungs- und Versorgungsbezügen oder von überzahlter Beihilfe kann den Beamten – gemessen an seinem Monats- und Jahresverdienst – im Einzelfall hart treffen. Dies kann in dem Umstand begründet sein, dass unberechtigte Zahlungen über Jahre unbemerkt von ihrer Rechtswidrigkeit erfolgen können und sich so innerhalb der Verjährungsfrist hohe Rückzahlungsbeträge aufsummieren. Auch der vorliegende Fall ist hierfür ein geeignetes Beispiel. Im Zeitraum von März 2012 bis August 2013 konnten angesichts der erheblichen Erkrankung der Stieftochter des Klägers rasch große Summen an überzahlter Beihilfe auflaufen. |
|
| Ein Beamter hat mit Ausnahme zulässiger Nebentätigkeit keine Möglichkeiten, die Höhe seiner Besoldung zu beeinflussen. Anders als Arbeitnehmer kann er seine Besoldung nicht etwa durch geschickte Gehaltsverhandlungen zu seinen Gunsten verändern, sondern muss die Entscheidung des Gesetzgebers zur Höhe hinnehmen. Steht demnach der finanzielle Verfügungsrahmen eines Beamten nahezu unverrückbar fest, so treffen ihn Rückforderungen in Höhen wie der vorliegenden mit besonderer Härte. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Gesetzgebers nachvollziehbar und angemessen, im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung die Möglichkeit für Erleichterungen bei der Rückzahlung zu schaffen. |
|
| Da diese Härten sowohl bei überzahlten Besoldungs- und Versorgungsbezügen als auch gleichermaßen bei zu viel gezahlter Beihilfe auftreten können, ist die Sach- und Interessenlage ohne weiteres vergleichbar.“ |
|
| An diesen Erwägungen - die zwischenzeitlich vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt und fortentwickelt wurden (ders., Urteil vom 20.09.2016 - 2 S 994/15 -, juris) - hält die Kammer nach neuerlicher Prüfung fest. Nach alledem ist die in Ziffer 2 des Bescheids vom 03.09.2015 verfügte Rückforderung der Beihilfe und in der Folge auch die dort in Ziffer 3 verfügte Zinszahlung rechtswidrig. Sie verletzen die Klägerin in ihren Rechten und sind daher aufzuheben. |
|
| |
| 4. Die Berufung wird wegen der - zum Zeitpunkt der Entscheidungsfällung bestehenden - grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. |
|
| |
| |
| |