Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 18. Juli 2016 - 9 V 1062/16

bei uns veröffentlicht am18.07.2016

Tenor

Der Vollstreckungsschuldnerin wird für den Fall, dass sie ihrer Verpflichtung aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. November 2014 zum Az. 9 K 1280/13 zur Änderung der 1. Fortschreibung ihres Luftreinhalteplans vom 28. Dezember 2012 nicht bis zum 30. Juni 2017 nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000 Euro angedroht.

Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.

1

Der Vollstreckungsgläubiger begehrt, der Vollstreckungsschuldnerin unter Androhung eines Zwangsgeldes eine Frist zur Umsetzung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 5. November 2014 zu setzen, mit dem die Vollstreckungsschuldnerin zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für Hamburg verpflichtet worden ist.

2

Mit dem genannten, am 18. April 2015 rechtskräftig gewordenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Vollstreckungsschuldnerin verurteilt, den seinerzeit in der Fassung der 1. Fortschreibung vom 28. Dezember 2012 gültigen Luftreinhalteplan für die Freie und Hansestadt Hamburg so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionswertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ enthält. Die rechtliche Grundlage für diese Verurteilung war § 47 Abs. 1 BImSchG, wonach ein Luftreinhalteplan aufzustellen ist, wenn die nach der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung vom 2. August 2010 (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen, 39. BImSchV) festgesetzten Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub überschritten werden. Nach dem Inkrafttreten der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung war festgestellt worden, dass der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid, der Stundenmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid und der Grenzwert für die Feinstaubbelastung der Partikelgröße PM10 überschritten worden waren. Die Vollstreckungsschuldnerin hatte den aus dem Jahr 2004 stammenden Luftreinhalteplan daraufhin fortgeschrieben und diese 1. Fortschreibung entsprechend Artikel 23 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (RL 2008/50/EG) – deren Umsetzung § 47 BImSchG und die 39. Bundesimmissionsschutzverordnung dienen – innerhalb der Frist nach Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 2 RL 2008/50/EG der Europäischen Kommission übermittelt. Das Gericht hatte in seinem Urteil festgestellt, dass die 1. Fortschreibung den zu stellenden Anforderungen an einen Luftreinhalteplan nicht genügte, die Beklagte zur Fortschreibung dieses Plans verurteilt und Maßgaben für die Ermittlung und Bewertung der zur Luftqualitätsverbesserung geeigneten Maßnahmen und zur Abwägung, welche dieser Maßnahmen in den Luftreinhalteplan als zu ergreifen aufgenommen werden, formuliert. Die Vollstreckungsschuldnerin hat mit den Arbeiten an einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans nach der Rechtskraft des Urteils begonnen und beabsichtigt eine Veröffentlichung dieser Fortschreibung in der 4. Kalenderwoche 2018.

II.

3

Der Vollstreckungsantrag gemäß § 172 VwGO ist zulässig und hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

4

1. Der Antrag ist zulässig.

5

Der Antrag ist insbesondere nach § 172 VwGO statthaft, obwohl die Grundlage der Vollstreckung weder – wie in der Aufzählung in § 172 VwGO genannt – ein Anfechtungs- oder Verpflichtungsurteil oder eine einstweilige Anordnung, sondern eine allgemeine Leistungsklage gerichtet auf den Erlass einer Maßnahme, die Verwaltungsvorschriften ähnelt (BVerwG, Urt. v. 5.9.2013, 7 C 21/12, E 147, 312), ist (vgl. bezogen auf Luftreinhaltepläne VG München, Beschl. v. 21.6.2016, M 1 V 15.520, juris; im Ergebnis ebenso VGH Kassel, Beschlüsse v. 11.5.2016, 9 E 448/16 und 9 E 450/16, juris; allgemein Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 172 Rn. 1; Heckmann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 172 Rn. 29 ff, 41, Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 172 Rn. 18 jeweils m.w.N.). Dem schließt sich die Kammer an.

6

2. Der Antrag hat in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Voraussetzungen gemäß § 172 VwGO für die Androhung eines Zwangsgeldes liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht des ersten Rechtszuges gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro androhen, wenn diese der ihr in der zu vollstreckenden Entscheidung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt.

7

a) Für die Zwangsgeldfestsetzung gegen eine Behörde bedarf es keiner Vollstreckungsklausel. Zwar wird hierauf nach § 171 VwGO ausdrücklich nur in den Fällen der Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand und der Vollstreckung gegen die öffentliche Hand wegen Geldforderungen verzichtet. Diese Regelung ist jedoch auf die Zwangsgeldfestsetzung gegen die öffentliche Hand zu erstrecken, weil es sonst zu einem Wertungswiderspruch zu § 170 VwGO käme. Der Verzicht auf die Vollstreckungsklausel betrifft Fälle, in denen das Gericht des ersten Rechtszugs oder dessen Vorsitzender Vollstreckungsbehörde sind. Es wäre sinnlos, dem Gericht eine vollstreckbare Ausfertigung vorzulegen, die von ihm zuvor selbst oder allenfalls von der Rechtsmittelinstanz (§ 724 Abs. 2 ZPO) erteilt worden ist. Dies rechtfertigt die Analogie (VGH München, Beschl. v. 19.10.2005, 22 C 05.2553, juris; OVG Münster, Beschl. v. 10.9.2013, 16 E 100/13, juris; OVG Saarlouis, Beschl. v. 21.12.2010, 2 E 291/10, juris; Heckmann, a.a.O., § 171 Rn. 18; Pietzner/Möller, a.a.O., § 171 Rn. 12; offen VG München, Beschl. v. 21.6.2016, M 1 V 15.5203, juris; a. A. Kopp/Schenke, a.a.O., § 171 Rn. 1, m.w.N.).

8

b) Die Vollstreckungsschuldnerin kommt ihrer Verpflichtung aus dem Urteil vom 5. November 2014 nicht hinreichend nach.

9

Die Androhung eines Zwangsgelds setzt nach der Rechtsprechung und Kommentierung zu § 172 VwGO – die auf einer nicht weiter begründeten Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts beruht (Beschl. v. 30.12.1968, E 33, 230) – stets eine grundlose Säumnis in der Erfüllung der vom Gericht auferlegten Pflichten voraus. Das Vollstreckungsgericht hat sich vor der Einleitung von Zwangsmaßnahmen nicht nur der Nichterfüllung von Pflichten zu vergewissern, sondern auch zu prüfen, ob die Erfüllung ohne zureichenden Grund unterblieben ist (vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 6.3.2015, 3 O 19/15, juris; VGH München, Beschl. v. 17.7.2013, 3 C 13.458, juris; VG München a.a.O.; Heckmann, a.a.O., § 172, Rn. 58; Pietzner/Möller, a.a.O., § 172 Rn. 33). Daran hält auch die Kammer fest. In Verfahren wie dem Vorliegenden, in denen das zu vollstreckende Urteil die Vollstreckungsschuldnerin zur Vornahme einer Handlung verpflichtet, die ihrerseits umfangreiche und langwierige Planungen der Vollstreckungsschuldnerin voraussetzt, kann effektiver Rechtsschutz jedoch nicht gewährt werden, wenn der Vollstreckungsgläubiger zunächst die angemessene Frist zur Umsetzung des Urteils abwarten müsste, bevor er einen Vollstreckungsantrag stellt bzw. wenn das Gericht vor dem Ablauf der angemessenen Frist zur Umsetzung des Urteils schon aus diesem Grund gehindert wäre, ein Zwangsgeld mit erneuter Fristsetzung anzudrohen. Bei der Fristsetzung müsste das Gericht berücksichtigen, in welcher Zeit die Vollstreckungsschuldnerin realistisch die Möglichkeit hat, die aus dem Urteil resultierende Verpflichtung nunmehr zu erfüllen. Dies könnte, wenn die Vollstreckungsschuldnerin vollständig untätig geblieben ist, zu einer Verdoppelung der angemessenen Frist führen, in komplexe Planungen erfordernden Verfahren also leicht mehrere Jahre.

10

Als Maßstab für die Frage, ob die Vollstreckungsschuldnerin grundlos säumig geblieben ist, ist nach Auffassung der Kammer in solchen Fällen darauf abzustellen, ob die Vollstreckungsschuldnerin die gebotenen Maßnahmen getroffen hat, um eine vom Gericht in dem Urteil gesetzte oder eine für die Vollstreckungsschuldnerin erkennbare angemessene Frist zur Umsetzung des Urteils einzuhalten. Dieser Maßstab erscheint im vorliegenden Verfahren auch geeignet, weil die Vollstreckungsschuldnerin bereits seit dem 1. Januar 2013 mit der Erstellung einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans in Verzug ist, die Maßnahmen vorsieht, um die Überschreitung des Stickoxidgrenzwerte der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung so kurz wie möglich zu halten. Darüber hinaus konnte sie sich – trotz der bis zur Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 9 K 1280/13 bestehenden Unsicherheit über die Rechtslage – bereits während des damaligen Verfahrens auf eine möglicherweise notwendige Fortschreibung des Luftreinhalteplans einstellen (allgemein zu dieser Argumentation: Heckmann, a.a.O., § 172 Rn. 58).

11

Daran gemessen ist die Vollstreckungsschuldnerin säumig. Sie hat nach ihrem eigenen Zeitplan bislang nicht die gebotenen Maßnahmen ergriffen, die es ihr ermöglichen, die Fortschreibung des Luftreinhalteplans in einer angemessenen Frist zu erlassen. Die angemessene Frist währt nach Auffassung der Kammer zwei Jahre ab der Rechtskraft des Urteils des Gerichts, durch das die Vollstreckungsschuldnerin zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans verurteilt worden ist. Diese Frist entspricht der Frist, die einem Mitgliedstaat nach Art. 23 der Richtlinie 2008/50/EG nach der Feststellung einer Grenzwertüberschreitung längstens eingeräumt war, um einen zu erstellenden Luftqualitätsplan der Kommission zu übermitteln. Dieser zeitliche Maßstab war für die Vollstreckungsschuldnerin aufgrund des Regelungszusammenhangs, in dem die Fortschreibung des Luftreinhalteplans steht, ohne weiteres zu erkennen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Frist ab der Rechtskraft des Urteils beginnt und nicht, wie es in der Richtlinie für die erstmalige Erstellung des Planes angelegt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem sich die Notwendigkeit der Erstellung des Planes erstmals ergibt. Einerseits ist die in der Richtlinie vorgegebene Frist nicht zwangsläufig länger als zwei Jahre, denn die Überschreitung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid nach § 3 Abs. 2 39. BImSchV wird sich oft erst gegen Ende eines Jahres feststellen lassen. Andererseits ist der Vollstreckungsschuldnerin die Pflicht zur Festlegung zeitnah wirkender Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung seit dem Jahr 2010 bekannt. Auch kannte sie den Tenor des zu vollstreckenden Urteils bereits seit dem 6. November 2014, so dass sie mit Vorüberlegungen zur Fortschreibung beginnen konnte. Allerdings erscheint es vertretbar, dass die Vollstreckungsschuldnerin nach ihrer Einlassung mit der Umsetzung des Urteils erst nach dessen Rechtskraft begonnen hat. Zwar ist regelmäßig davon auszugehen, dass die angemessene Umsetzungsfrist mit der Zustellung des vollständigen Urteils beginnt, weil die Behörde grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt zur Umsetzung verpflichtet ist (vgl. Pietzner/Möller, a.a.O., § 172 Rn. 33). Da der Beginn der Umsetzung der Entscheidung aber umfangreichere planerische und organisatorische Maßnahmen sowie die Klärung von Gutachtenbedarfen und die Ausschreibung von Gutachtenaufträgen erforderte, was mit einem erheblichen Aufwand verbunden war, erscheint es nachvollziehbar, dass die Vollstreckungsschuldnerin die Rechtskraft der Entscheidung abgewartet hat. Die sich aus dem Abwarten der Rechtskraft der Entscheidung ergebende Säumnis war im vorliegenden Fall jedenfalls nicht grundlos.

12

Die so bemessene angemessene Frist deckt sich im Übrigen in etwa mit der in dem Koalitionsvertrag über die Zusammenarbeit in der 21. Legislaturperiode der Hamburgischen Bürgerschaft zwischen der SPD, Landesorganisation Hamburg und Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Hamburg vom April 2015, S. 63, vereinbarten Frist, den Luftreinhalteplan innerhalb von zwei Jahren fortzuschreiben.

13

Eine grundlose Säumnis ergibt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus den folgenden Punkten:

14

Die Beauftragung des Verkehrsgutachters mit Vertrag vom 20.11.2015 ist ohne die Vorgabe fester Fristen für die Lieferung der von dem Gutachter benötigten Daten und ohne feste Fristen für die Erstellung des Gutachtens erfolgt. In dem Vertrag wird auf das Angebot des Gutachters Bezug genommen, das seinerseits keinen festen Zeitplan enthält.

15

Für das Immissionsgutachten hat die Vollstreckungsschuldnerin in ihrem Zeitplan für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans 30 Kalenderwochen vorgesehen, obwohl sie mit dem Gutachter am 16. Januar 2016 die Lieferung des Gutachtens bis zum 31. Mai 2016, also rechnerisch innerhalb von 20 knapp Kalenderwochen vereinbart hat.

16

Dem von der Vollstreckungsschuldnerin vorgelegten Zeitplan ist ferner zu entnehmen, dass sie für das weitere Verfahren nach der Vorlage des Gutachtens noch einen Zeitraum von 64 Kalenderwochen, also annähernd 15 Monaten allein für die abschließende Bewertung und Abwägung der in die Fortschreibung aufzunehmenden Maßnahmen, die Senatsbefassung und die Öffentlichkeitsbeteiligung sowie die Veröffentlichung vorgesehen hat. Dies erscheint nicht nachvollziehbar. Soweit darin ein Puffer für weitere Gutachten vorgesehen ist, ist die Vollstreckungsschuldnerin gehalten, parallel zu den laufenden Gutachten weitere Gutachtenbedarfe zu identifizieren und die Gutachten gegebenenfalls auch parallel in Auftrag zu geben. Ein solches beschleunigtes Vorgehen erscheint selbst dann, wenn es mit Mehrkosten verbunden sein sollte, angesichts der langjährigen Grenzwertüberschreitungen und der aus der Richtlinie 2008/50/EG hervorgehenden, dem umzusetzenden Urteil zugrunde liegenden Pflicht der Behörde zu unverzüglichem Tätigwerden geboten.

17

3. Die Fristsetzung bis zum 30. Juni 2017 erscheint zur Erfüllung der Pflichten aus dem Urteil vom 5. November 2014 angemessen. Der Vollstreckungsschuldnerin kann der Vollzug der Entscheidung innerhalb dieser Frist billigerweise zugemutet werden.

18

Aus der Projekteinsetzungsverfügung der beteiligten Staatsräte vom 3. August 2015 ergibt sich, dass bis zum 30. Juni 2017 die Fortschreibung des Luftreinhalteplans erfolgt sein sollte. Mit der Festlegung dieser über die angemessene Frist hinausgehenden Frist für die Abwendung des Zwangsgeldes trägt das Gericht dem Umstand Rechnung, dass das Vorgehen der Vollstreckungsschuldnerin an dieser längeren Frist orientiert war und bereits eingetretene Verzögerungen gegenüber der Erstellung der Fortschreibung in angemessener Frist möglicherweise nicht mehr vollständig aufzuholen wären.

19

Es ist für das Gericht auch nicht erkennbar, dass es der Vollstreckungsschuldnerin nicht möglich wäre, den Luftreinhalteplan trotz der bezeichneten Säumnisse innerhalb der gesetzten verbleibenden Frist fortzuschreiben und damit das Urteil vom 5. November 2014 umzusetzen. Der von der Vollstreckungsschuldnerin vorgelegte Zeitplan lässt erheblichen Spielraum.

20

4. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist mit 5.000 Euro angemessen. Es schöpft den gesetzlichen Rahmen des § 172 VwGO nicht aus. Zwar erscheint es wegen der in Hamburg anhaltend überschrittenen Grenzwerte für Stickoxide für die Gesundheit der Bevölkerung sowie in Anbetracht der Bedeutung der Luftreinhaltepläne für die Umsetzung der Vorgaben der Europäischen Union und der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung erforderlich, ein deutliches Zwangsgeld anzudrohen. In Anbetracht des Umstandes, dass die Vollstreckungsschuldnerin bereits einige Anstrengungen zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans unternommen, mit der Umsetzung des zu vollstreckenden Urteils also begonnen hat, erschiene es unverhältnismäßig, bereits bei der ersten Zwangsgeldandrohung mehr als die Hälfte des Höchstbetrages anzudrohen. Das Zwangsgeld muss die Vollstreckungsschuldnerin im vorliegenden Fall nicht dazu bewegen, mit der Umsetzung des Urteils zu beginnen, sondern nur dazu, die Umsetzung in der sachlich und rechtlich gebotenen Weise zu beschleunigen. Angesichts der großen zeitlichen Differenz zwischen einer noch angemessenen Frist für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans und des von der Vollstreckungsschuldnerin tatsächlich vorgesehenen Termins zur Veröffentlichung der Fortschreibung erscheint es allerdings auch nicht angemessen, ein geringeres Zwangsgeld anzudrohen.

III.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Vollstreckungsgläubiger hat sich sowohl hinsichtlich der begehrten Fristsetzung im Verhältnis zum Zeitplan der Vollstreckungsschuldnerin als auch hinsichtlich der Höhe des anzudrohenden Zwangsgeldes mit seinem Begehren etwa zur Hälfte durchsetzen können und beide Beteiligte sind anwaltlich vertreten.

22

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die Gerichtsgebühren nicht von dem Streitwert abhängen (§ 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. Anlage 1 Nr. 5301).

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2017 - 22 C 16.1427

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Tenor I. Das Verfahren wird hinsichtlich der Beschwerde des Klägers eingestellt. II. Auf die Beschwerde des Beklagten hin erhält die Nummer I des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 folgende

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Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, den derzeit in seiner Fassung der 1. Fortschreibung vom 28. Dezember 2012 gültigen Luftreinhalteplan für die Freie und Hansestadt Hamburg so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionswertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ enthält.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren die Verpflichtung der Beklagten, den Luftreinhalteplan der Freien und Hansestadt Hamburg so zu ändern, dass der Grenzwert (Jahresmittelwert) nach der Luftqualitätsrichtlinie, Richtlinie 2008/50/EG bzw. § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV für Stickstoffdioxid eingehalten wird.

2

Die Beklagte hat im Oktober 2004 einen Luftreinhalteplan erlassen (http://www.hamburg. de/contentblob/143556/data/luftreinhalteplan.pdf) sowie im Dezember 2005 einen Aktionsplan gegen Belastungen durch Feinstaub Hamburg/Habichtstraße (http://www.ham-burg.de/contentblob/143558/data/aktionsplan-feinstaub.pdf). Nachdem sich im Zuge der Planungen für eine Fortschreibung der Maßnahmen zur Verminderung der Feinstaubbelastung der Partikelgröße PM10 herausgestellt hatte, dass auch die europa- und bundesrechtlich vorgegebenen Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) nicht eingehalten werden konnten, begann die Beklagte mit einer Fortschreibung eines integrierten Luftreinhalteplans. Die Fortschreibung erfolgte nach der Beteiligung von Behörden und anderen öffentlichen Stellen, der öffentlichen Auslegung und Bearbeitung der acht eingegangenen Stellungnahmen von Privaten und Verbänden sowie der Beteiligung der Bürgerschaft im Dezember 2012 (Amtl. Anz. vom 28.12.2012 – im Folgenden: Fortschreibung – http://www.hamburg.de/contentblob/3744850/data/fortschreibung-luftreinhalteplan.pdf). In der Fortschreibung werden die Rechtslage, die aktuellere Luftschadstoffbelastung in Hamburg, die bislang ergriffenen Maßnahmen auf nationaler und Hamburger Ebene, die mit der Fortschreibung vorgesehenen Maßnahmen sowie – soweit quantifizierbar – deren erwarteter Effekt und die Prognose zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte dargestellt. Die Fortschreibung sieht zur Reduzierung der NO2-Belastung und weiterer Luftschadstoffbelastungen insgesamt 80 Maßnahmen auf den Gebieten der Mobilität (38 Maßnahmen), der Schifffahrt (7 Maßnahmen) und der Energie (35 Maßnahmen) vor. Zugleich wird in der Fortschreibung (S. 70 f, 87) ausgeführt, dass allein mit den Hamburg zur Verfügung stehenden Maßnahmen die Immissionsgrenzwerte bis 2015, dem Ende der möglichen Verlängerungsfrist nach der Luftqualitätsrichtlinie für die Einhaltung der Grenzwerte, nicht eingehalten werden können. Es wird weiter auf die Regelungsmöglichkeiten auf nationaler und europäischer Ebene wie auch auf die vergleichbaren Probleme in anderen Großstädten Bezug genommen.

3

Die Europäische Kommission erhob mit Beschluss vom 20. Februar 2013 in Kenntnis der Fortschreibung des Luftreinhalteplans gegen die von der Bundesrepublik Deutschland mitgeteilte Verlängerung der Frist gemäß Anhang XI der Richtlinie 2008/50/EG für die Einhaltung von Immissionsgrenzwerten u.a. insoweit Einwände, als für die Beklagte mitgeteilt worden war, dass die Frist für die Einhaltung des Jahresgrenzwertes für NO2 bis zum Jahr 2015 verlängert werde. Hinsichtlich der Verlängerung der Frist zur Einhaltung des Stundengrenzwertes im Gebiet der Beklagten erhob die Kommission dagegen keine Einwände.

4

Die Kläger haben am 5. April 2013 Klage erhoben.

5

Der Kläger zu 1) wohnt in der Max-Brauer-Allee. Er macht geltend, an seinem Wohnort und auf dem mit dem Fahrrad bewältigten Weg zur Arbeitsstätte in der A-Straße (entlang der Max-Brauer-Allee, B-Straße, C-Straße) werde der Immissionsgrenzwert für NO2 von 40 µg/m³ mit einem Wert von 65 µg/m³ im Jahresmittel (Max-Brauer-Allee 92) erheblich überschritten. Seine Gesundheit sei durch die andauernden NO2-Immissionen gefährdet. Mit den nach der Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgesehenen Maßnahmen sei nach den Feststellungen der Beklagten eine Reduzierung der Immissionen bis auf den gesetzlichen Grenzwert selbst bis zum Jahr 2026 nicht zu erreichen. Ihm stehe daher ein Anspruch aus § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. §§ 27, 3 der 39. BImSchV auf Aufnahme schneller wirkender und wirksamerer Maßnahmen in den Luftreinhalteplan zu. Seine Klagebefugnis als Betroffener sei in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sowie der deutschen Verwaltungsgerichte anerkannt. Nichts anderes ergebe sich aus einem Urteil des OVG Münster, in dem eine Klagebefugnis für eine Klage auf sogenannte planunabhängige Maßnahmen zur Verminderung der Luftschadstoffimmissionen gemäß § 45 BImSchG anerkannt werde. Die Möglichkeit zur Durchsetzung derartiger Maßnahmen stehe einer Klagebefugnis im Hinblick auf planabhängige Maßnahmen aufgrund des als drittschützend anerkannten § 47 BImSchG nicht entgegen. Auch fehle es insoweit nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, denn er könne sein Rechtsschutzziel mit planunabhängigen Maßnahmen nicht auf eindeutig einfachere Weise erreichen. Auch hinsichtlich dieser Maßnahmen stehe der Beklagten Ermessen zu. Zudem setze ein Einschreiten nach § 45 BImSchG nach wohl herrschender Auffassung voraus, dass die erforderliche Abhilfe bei Grenzwertüberschreitungen nicht über Pläne erreicht werden könne. Auch gehe die Beklagte selbst davon aus, dass die Einhaltung der Grenzwerte nur durch eine Vielzahl aufeinander abgestimmter Maßnahmen erreicht werden könne. Dies setze eine Planung voraus.

6

Der Kläger zu 2) ist ein anerkannter Umweltverband. Er beruft sich auf sein Recht, in den Fällen, in denen durch Unionsrecht substanziell verfahrensrechtliches und materiellrechtliches Umweltschutzrecht gesetzt worden sei, dessen Einhaltung gegenüber dem Staat gerichtlich durchzusetzen. Die Klagebefugnis von Umweltverbänden auf Erlass geeigneter Luftreinhaltepläne habe das Bundesverwaltungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausdrücklich anerkannt.

7

Die Kläger berufen sich auf einen Anspruch auf Ergreifung wirksamer Maßnahmen zum schnellstmöglichen Ausschluss der Überschreitung von Grenzwerten. Dieser ergebe sich aus Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 RL 2008/50 EG. Sie machen geltend, die Beklagte verletze Unionsrecht und dessen Umsetzung in innerstaatliches Recht (§ 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. §§ 27, 3 der 39. BImSchV), indem sie nicht alle Maßnahmen ergriffen habe, die möglich und verhältnismäßig seien, damit die Immissionsgrenzwerte für NO2 (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV) spätestens bis zum Ende des Jahres 2015 im Gebiet der Beklagten eingehalten werden. Sowohl aus dem Luftreinhalteplan selbst, als auch aus einer Rüge durch die Europäische Kommission ergebe sich, dass die Beklagte ihren immissionsschutzrechtlichen Pflichten nicht genügt habe. Die Überschreitung des Jahresmittelwertes für NO2 ergebe sich zudem aus einem von der Beklagten selbst in Auftrag gegebenen Gutachten des Ingenieurbüros L. GmbH & Co KG (Berechnung Kfz-bedingter Schadstoffemissionen und Immissionen in Hamburg), das die Messwerte des Hamburger Luftmessnetzes nach den eigenen Angaben der Beklagten bestätige. Dem Anspruch stünden die Schwierigkeiten, die Grenzwerte einzuhalten, nicht entgegen. Diese seien bei der Novellierung des europäischen Luftreinhalterechts bekannt gewesen und hätten dazu geführt, dass in Art. 22 RL 2008/50 EG die Möglichkeit zur Verlängerung der Fristen für die Einhaltung der Grenzwerte normiert worden sei. Davon sei auch Gebrauch gemacht worden.

8

Die Kläger vertreten die Auffassung, es stünden wirksamere Mittel zur Verminderung der NO2-Belastung zur Verfügung, wie etwa die Einführung einer City-Maut, einer Umweltzone und der Bau der Stadtbahn. Die City-Maut und die Umweltzonen seien in anderen Städten eingeführt worden und seien zur Minderung derartiger Immissionen – auch von Gerichten - allgemein anerkannt. Die Beklagte verwerfe derartige Maßnahmen ohne eingehende Diskussion als unverhältnismäßig. Die Kläger erkennen an, dass ihnen angesichts der Vielzahl möglicher Maßnahmen zur Luftreinhaltung kein Anspruch auf die Aufnahme bestimmter Maßnahmen in den Luftreinhalteplan zustehe. Die Beklagte könne sich aber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen habe. Der Anspruch der Kläger richte sich nicht nur auf die Einführung von Maßnahmen zur Luftreinhaltung, sondern auf die Einführung von Maßnahmen, mit denen sich die Einhaltung der Grenzwerte erreichen lasse. Dazu seien die bislang von der Beklagten geplanten Maßnahmen nach deren eigenen Feststellungen in der Fortschreibung nicht ausreichend. Die Beklagte könne sich weiter nicht darauf berufen, dass die tatsächlich gemessenen Luftverunreinigungen hinter den der Luftreinhalteplanung zugrunde gelegten Luftverunreinigungen zurückblieben. Das Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der Luftschadstoffbelastung und -prognose sei in §§ 13 ff der 39. BImSchV verbindlich vorgegeben. Die Grenzwertbildung und die Methodik der Erhebung seien als rechtliche Einheit zu betrachten. Soweit die Beklagte sich auf die Berücksichtigung getroffener, in ihren Auswirkungen aber nicht quantifizierbarer Maßnahmen berufe, gehe dies fehl, weil sich eben nicht feststellen lasse, dass diese Maßnahmen tatsächlich einen berücksichtigungsfähigen Effekt hätten. Die Beklagte könne schließlich nicht mit Erfolg geltend machen, dass Maßnahmen wie die Einführung einer Umweltzone unverhältnismäßig seien. Einerseits verlangten sie nicht die Einführung einer Umweltzone, deren Einführung im Übrigen in allen Städten, in denen sie bislang Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen geworden sei, für rechtmäßig gehalten worden sei. Standortspezifische Besonderheiten seien nicht erkennbar. Zwar sei nicht zu verkennen, dass ein Teil der Immissionen aus dem Hafenbetrieb stamme. Könne dieser Anteil jedoch nicht hinreichend schnell verringert werden, müsse auf andere Maßnahmen zurückgegriffen werden. Andererseits ergebe sich aus der 1. Fortschreibung des Luftreinhalteplans, dass die NO2-Belastung in den hauptbetroffenen Stadtteilen durch den straßenbezogenen Verkehr verursacht sei.

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Die Kläger beantragen,

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die Beklagte zu verpflichten, den derzeit in seiner Fassung der 1. Fortschreibung vom 28. Dezember 2012 gültigen Luftreinhalteplan für die Freie und Hansestadt Hamburg so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionswertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ enthält,

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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts so zu bescheiden, dass eine Änderung des gültigen Luftreinhalteplans die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des genannten Immissionswertes enthält.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

14

Sie ist der Auffassung, die Klagen seien bereits unzulässig. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht mittlerweile anerkannt, dass Umweltverbänden aufgrund europäischen Rechts eine Klagebefugnis hinsichtlich des Erlasses von Luftreinhalteplänen zukomme. Auch sei § 47 BImSchG wohl nach der Rechtsprechung als drittschützend anzusehen. Die Klage des Klägers zu 1) sei mit dem angekündigten Klageantrag jedoch unzulässig, weil er der Sache nach ein Recht auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans aus Gründen des Gesundheitsschutzes geltend mache und daher darauf beschränkt sei, Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für NO2 in dem Bereich zu verlangen, in dem seine Gesundheit aktuell gefährdet sei. Ihm fehle es auch an einem Rechtsschutzinteresse, weil er Maßnahmen zu seinem Gesundheitsschutz einfacher durch eine Forderung von planunabhängigen Maßnahmen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 BImSchG verfolgen könne. Die Klage beider Kläger sei mit den angekündigten Anträgen unzulässig, weil diese zu unbestimmt seien. Der Tenor einer Leistungsklage müsse grundsätzlich einen vollstreckbaren Inhalt haben. Daran fehle es, wenn – wie hier – nur das mit der eingeklagten Ergänzung des Luftreinhalteplans zu erreichende Ziel der Klage, nicht aber eine konkrete Maßnahme begehrt werde. Eine solche Tenorierung führe dazu, dass die sachliche Auseinandersetzung über die Geeignetheit und Hinlänglichkeit einer jeden Maßnahme in das Vollstreckungsverfahren verlagert werde, wenn die Kläger nach einem Erfolg ihrer Klage im Vollstreckungsverfahren jede von der Beklagten getroffene (oder unterlassene) Maßnahme prüfen lassen könnten.

15

Die Klagen seien auch unbegründet. Den Klägern stehe kein Anspruch auf Aufnahme bestimmter Maßnahmen in den Luftreinhalteplan zu. Der Anspruch beschränke sich darauf, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der Maßnahmen enthalte, mit denen die Immissionsgrenzwerte in möglichst kurzer Zeit erreicht werden könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordere das entsprechende Gebot eine Bewertung der zur Immissionsminderung geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen gerade im Hinblick auf die zeitnahe Verwirklichung der Luftqualitätsziele. Daraus könne sich eine Einschränkung des planerischen Ermessens ergeben, wenn allein die Wahl einer bestimmten Maßnahme eine baldige Einhaltung der Grenzwerte erwarten lasse. Auch insoweit werde aber nicht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen. Vielmehr könne nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden. Diesen Anforderungen genüge die Fortschreibung. Ein weitergehender Anspruch der Kläger sei weder der Anspruchsgrundlage zu entnehmen, noch mit dem planerischen Charakter der Luftreinhalteplanung vereinbar. Sie sei durch Rechtsnormen lediglich auf das Ziel der möglichst zeitnahen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte verpflichtet, die Wahl der Mittel bleibe ihr überlassen. Sie habe alle denkbaren und verhältnismäßigen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte in ihren Luftreinhalteplan aufgenommen. Die Zielerreichung hänge allerdings auch von Faktoren ab, auf die sie keinen Einfluss habe. Die Grenzwertüberschreitungen zeigten sich in Hamburg ausschließlich an den Standorten der verkehrsnahen Messstationen direkt am Straßenrand in 1,5 m Messhöhe, so auch in der Max-Brauer-Allee auf dem Mittelstreifen zwischen den Fahrbahnen. Bereits in wenigen Metern Entfernung in den Seitenstraßen nehme die NO2-Belastung so weit ab, dass sie nur noch geringfügig über der Hintergrundbelastung und deutlich unter den Grenzwerten liege. Es sei daher fraglich, ob die Prognose, die der Fortschreibung zugrunde liege, nicht von zu hohen Immissionswerten ausgehe. Zugleich habe sich die Luftqualität in Hamburg in den vergangenen Jahren stetig verbessert. Eine aktuelle Veröffentlichung des Umweltbundesamtes aus dem Mai 2014 gehe davon aus, dass der NO2-Jahresmittelgrenzwert in Hamburg auch ohne die nach der Fortschreibung vorgesehenen Minderungsmaßnahmen im Jahr 2020 an den Verkehrsmessstationen eingehalten werde (http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_35_2014_komplett.pdf, S. 295 - 302). Ursache für die bislang anhaltend hohe NO2-Belastung bei im Übrigen rückläufiger Schadstoffbelastung der Luft in den Städten seien vor allem die Zunahme an dieselgetriebenen Fahrzeugen und die Partikelfilterung, die teilweise mit einer erheblichen Zunahme des NO2-Ausstoßes einhergehe. Zwar werde bei der Nutzung von Dieselfahrzeugen, die die Euro-6-Norm erfüllen, die NO2-Belastung abnehmen. Die Umstellung auf die Euro-6-Norm für Dieselfahrzeuge werde aber erhebliche Zeiträume in Anspruch nehmen und sei von ihr kaum zu beeinflussen. Sie habe jedoch ein umfangreiches Paket an Maßnahmen in die Fortschreibung aufgenommen, darunter Maßnahmen zur Verschiebung des Modal Split durch Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Personennahverkehrs, Ausbau der Fahrradinfrastruktur, Ausbau von Mobilitätsservicepunkten mit Sharing-Angeboten und anderes. Auch habe sie Maßnahmen zur Fahrzeugflottenerneuerung mit NO2-armen Antrieben und zur Verkehrsverstetigung und damit zur Verminderung der Anfahr- und Beschleunigungsvorgänge vorgesehen. Der Umsetzungsstand der Maßnahmen werde in einem Monitoringprozess überwacht. Die Beklagte führt insoweit näher zum Stand der Umsetzung der geplanten Maßnahmen aus. Sie weist weiter darauf hin, dass neben den Maßnahmen, aufgrund derer bei Erstellung der Fortschreibung von einer konkret bezifferten Minderung der NO2-Belastung ausgegangen worden sei, durch einen erheblichen Teil der geplanten Maßnahmen eine Verminderung der NO2-Belastung eintreten werde, die noch nicht habe beziffert werden können, weil die Auswirkungen der Maßnahmen nicht hinreichend quantifizierbar gewesen seien, um nach den gesetzlichen Vorgaben in die Prognoseberechnung einbezogen werden zu können.

16

Abschließend vertritt die Beklagte die Auffassung, die von den Klägern ins Feld geführten weiteren Maßnahmen zur NO2-Reduzierung seien nicht zu ergreifen. Dem Anspruch der Kläger werde mit den geplanten Maßnahmen genügt. Den von den Klägern, insbesondere dem Geschäftsführer der Klägerin zu 2) in einer Anhörung in der Hamburgischen Bürgerschaft genannten Maßnahmen – auf die sich die Beklagte angesichts der mangelnden Fassbarkeit aller denkbaren Maßnahmen beschränke – stünden Bedenken entgegen. Die Einführung einer nach der geltenden Gesetzeslage auf die Feinstaubreduzierung ausgerichteten Umweltzone sei ein ungeeignetes Mittel. Die stark NO2-emittierenden Fahrzeuge der Normen Euro-3 (mit Partikelfilter), Euro-4 und Euro-5 bekämen eine grüne Plakette und könnten durch die Einführung einer Umweltzone nicht an der Teilnahme am Straßenverkehr in Hamburg gehindert werden. Die mangelnde Eignung der Umweltzonen zur Verminderung der NO2-Immissionen habe letztlich auch der Geschäftsführer der Klägerin zu 2) zugestanden. Die Einführung einer blauen Plakette in der 35. BImSchV, die mit einer NO2-Reduzierung einhergehen würde, stehe nicht in der Macht der Beklagten und sei daher gemäß § 47 Abs. 6 BImSchG nicht in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Die Einführung einer City-Maut, deren Ausgestaltung im Übrigen noch unklar sei, bedürfe ebenfalls einer bundesrechtlichen Grundlage und könne daher gemäß § 47 Abs. 6 BImSchG nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden. Zur Reduzierung hafenbezogener Emissionen habe sie, die Beklagte bereits die wesentlichen Maßnahmen vorgesehen. Sie bemühe sich um die Landstromversorgung von Schiffen und um den Einsatz privater sogenannter „LNG-Bargen“ (Bargen, die über mit Flüssiggas betriebene Stromerzeuger verfügen), durch die im Hafen liegende Schiffe während der Liegezeit emissionsarm mit Strom versorgt werden können. Zur Stärkung des Radverkehrs unternehme sie bereits erhebliche Anstrengungen mit einem deutlichen Ausbau des „StadtRAD Hamburg – Systems“ und der geplanten Einführung der Alsterrouten. Den Bau einer Straßenbahn/Stadtbahn als drittes schienengebundenes Verkehrsmittel neben der S- und U-Bahn halte sie nicht für sinnvoll. Sie stärke allerdings den ÖPNV mit der Metro-Buslinie 5, die im Dezember 2014 den Betrieb aufnehme und mit der Planung einer U-Bahnlinie 5 sowie dem Ausbau bestehender Linien. Ob eine generelle Beschränkung der zulässigen Geschwindigkeit auf 30 km/h auch auf den Hauptverkehrsstrecken überhaupt zu einer Verminderung der NO2-Belastung führen würde, sei nach den jüngsten Studien des Umweltbundesamtes (http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikation-en/texte_26_2014_komplett_23.5.2014_0.pdf - Bestandsaufnahme und Wirksamkeit von Maßnahmen der Luftreinhaltung) sowie der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (http://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/23231/aviso-bericht-wirkung-tempo30-2012.pdf?command=downloadContent&filename=aviso-bericht-wirkung -tempo30-2012.pdf - Ersteinschätzung der Wirkung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen auf die NOx- und PM10-Emissionen) nicht klar. Eine Herabsetzung der NO2-Emissionen könne durch eine solche Maßnahme nur erreicht werden, wenn sie zur Verstetigung des Verkehrsflusses führe. Das sei für die Hauptverkehrszeiten nicht erkennbar. Zudem berge die Tempoverminderung auf den Hauptverkehrsstraßen das Risiko, dass die Bündelungswirkung der Hauptverkehrsstraßen verloren gehe und es zu Verlagerungseffekten in das nachgeordnete Netz der bestehenden Tempo-30-Zonen komme. Das sei mit dem Gebot des § 26 der 39. BImSchV zur Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität nicht vereinbar. Eine flächendeckende Gewichtsbeschränkung der Fahrzeuge im Sinne eines „LKW-Fahrverbotes“ sei gegenwärtig kein realisierbares Konzept, weil keine alternativen Transportkapazitäten für den Wirtschaftsverkehr zur Verfügung stünden. Lokale Einschränkungen des Verkehrs würden nach den Erfahrungen mit Baustellen lediglich zu einer Umlagerung des Verkehrs führen, nicht aber zu einer flächendeckenden Verminderung des Verkehrs. Eine Landesförderung für Euro-6-Fahrzeuge könne, selbst wenn man sie im Ergebnis befürworte, obwohl sie nach dem Beihilferecht der Europäischen Union nicht (mehr) vorgesehen sei, nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden. Zu ihrer Einführung bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage, zu deren Schaffung sie nicht durch einen Luftreinhalteplan verpflichtet werden könne.

17

Zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden die von der Beklagten übersandten 11 Leitzordner Sachakten gemacht.

Entscheidungsgründe

18

Die von den Klägern erhobene Klage ist zulässig (I.) und hat auch in der Sache Erfolg (II.).

I.

19

Die Klage ist zulässig.

20

Sie ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Begehren des Klägers auf die Vornahme einer nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Amtshandlung der Verwaltung gerichtet ist (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., Vorb § 40 Rn. 8a). So liegt der Fall hier, denn der Luftreinhalteplan, dessen Änderung die Kläger begehren, ist kein Verwaltungsakt, sondern seiner Rechtsnatur nach einer Verwaltungsvorschrift ähnlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.9.2013, 7 C 21/12, E 147, 312 m.w.N.).

21

Der von den Klägern gestellte Klageantrag ist hinreichend bestimmt und genügt damit den Anforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Dem Antrag ist zu entnehmen, welches konkrete Klageziel die Kläger erstreben, nämlich den Erlass eines Luftreinhalteplans, dessen Maßnahmen dazu führen, dass der Jahresmittelgrenzwert für NO2 so schnell wie möglich eingehalten wird. Allerdings ist der Beklagten zuzugeben, dass die Vollstreckung eines stattgebenden Urteils Schwierigkeiten bereiten kann, wenn lediglich das Ziel der Luftreinhaltungsmaßnahmen durch das Urteil vorgegeben wird, nicht aber die zur Erreichung des Ziels von der Beklagten zu treffenden Maßnahmen. Die Benennung allein des Ziels der Luftreinhaltung spiegelt jedoch die planerische Gestaltungsfreiheit wider, die das Gesetz der Beklagten einräumt (BVerwG, Urt. v.5.9.2013, a.a.O., m.w.N).

22

Die Kläger sind klagebefugt. Für den Kläger zu 1) ergibt sich die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche (BVerwG, Urt. v. 5.9.2013, a.a.O.) Klagebefugnis daraus, dass er als Anwohner der Max-Brauer-Allee von der an der Messstation Max-Brauer-Allee 92 gemessenen Überschreitung des über ein Jahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 betroffen ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität in der Fassung der Verordnung Nr. 1882/2003 müssen von Grenzwertüberschreitungen Betroffene die Möglichkeit haben, die zuständigen nationalen Behörden dazu zu bringen, einen Aktionsplan zu erstellen (Urt. v. 25.7.2008, C-237/07, juris). Diese aus Art. 249 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und früheren Judikaten abgeleitete, zu der Vorgängerrichtlinie der im vorliegenden Fall anwendbaren Richtlinie 2008/50/EG ergangene Rechtsprechung ist auf die Befugnis zur Klage auf Luftreinhaltepläne nach der aktuell geltenden Richtlinie und – in deren Umsetzung – nach § 47 Abs. 1 BImSchG, übertragbar. Die Luftqualitätspläne nach Art. 23 der Richtlinie 2008/50/EG bzw. Luftreinhaltepläne gemäß § 47 Abs. 1 BImSchG sind an die Stelle der Aktionspläne nach Art. 7 Abs. 3 der Vorgängerrichtlinie getreten. Anhaltspunkte dafür, dass Individualrechtsschutz in Bezug auf Luftqualitätspläne nach der Richtlinie 2008/50/EG abweichend von der Vorgängernorm hätte ausgeschlossen werden sollen, liegen nicht vor. Auch den Regelungen zum Luftreinhalteplan nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz ist nicht zu entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber den Individualrechtsschutz bei der Umsetzung der Richtlinie hätte begrenzen wollen.

23

Hinsichtlich der Klagebefugnis des Klägers zu 2), eines anerkannten Umweltverbandes, folgt das Gericht aus Gründen der Vereinheitlichung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 5.9.2013, a.a.O.). Danach können anerkannte Umweltverbände aus eigenem Recht Luftreinhaltepläne einklagen.

24

Den Klägern steht schließlich auch ein Rechtsschutzinteresse zur Seite. Daran fehlt es regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die das subjektive oder objektive Interesse an der Durchführung des Rechtsstreits entfallen lassen (Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. § 42 Rn. 335). An solchen Umständen fehlt es hier. Das Rechtsschutzinteresse ist insbesondere nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte (schon vor Klageerhebung) im Dezember 2012 eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans erlassen hat, in der die Maßnahmen bezeichnet werden, die sie zur Verminderung der NO2-Belastung zu ergreifen beabsichtigt. Dem Begehren der Kläger ist damit nicht bereits entsprochen. Sie berühmen sich eines Rechtes auf den Erlass des Luftreinhalteplans, der Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes für diesen Luftschadstoff enthält und machen geltend, die aktuelle Fortschreibung genüge dem nicht. Ob das geltend gemachte Recht tatsächlich gegeben ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

II.

25

Die Klage hat in der Sache Erfolg. Den Klägern steht ein Anspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans zu, der Maßnahmen vorsieht, die zur baldigen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionswerts für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ führen.

26

Anspruchsgrundlage für dieses Begehren ist § 47 Abs. 1 BImSchG. Nach dieser Vorschrift, mit der Deutschland Art. 23 Abs. 1 RL 2008/50/EG umsetzt, hat die zuständige Behörde dann, wenn die durch eine Rechtsverordnung nach § 48 a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten. Die Beklagte war danach verpflichtet, den Luftreinhalteplan aufzustellen bzw. den bestehenden Luftreinhalteplan fortzuschreiben (dazu 1.). Die Fortschreibung ist formell fehlerfrei erfolgt (dazu 2.). Inhaltlich genügt der fortgeschriebene Luftreinhalteplan jedoch nicht den Anforderungen (dazu 3.). Die Beklagte war daher zu verurteilen, den Luftreinhalteplan so zu ändern, dass er den Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG genügt (dazu 4.).

27

1. Die Beklagte war gemäß § 47 Abs. 1 BImSchG verpflichtet, den bestehenden Luftreinhalteplan aus dem Jahr 2004 fortzuschreiben oder einen neuen Plan zu erlassen, weil der durch die 39. BImSchV festgelegte Immissionsgrenzwert für die NO2-Belastung im Jahresmittel nicht eingehalten wurde. Die aufgrund von § 48a Abs.1 BImSchG erlassene Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV) vom 2. August 2010 dient der Umsetzung der Richtlinien 2008/50/EG und 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe. Gemäß § 27 Abs. 1 der 39. BImSchV ist ein Luftreinhalteplan für ein Gebiet oder einen Ballungsraum aufzustellen, wenn der Immissionsgrenzwert für einen Schadstoff in der Luft zuzüglich einer dafür geltenden Toleranzmarge in einem bestimmten Gebiet oder Ballungsraum überschritten wird. Danach war die Beklagte verpflichtet, einen Luftreinhalteplan für NO2 aufzustellen, weil der Jahresmittelgrenzwert dafür selbst unter Berücksichtigung einer Toleranzmarge überschritten wurde. Nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV beträgt der zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegte über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für NO2 40 μg/m3. Dieser Grenzwert war gemäß Anlage 11 B der 39. BImSchV ab dem 1. Januar 2010 einzuhalten. Die Toleranzmarge beträgt 50 %, gilt aber nur im Zusammenhang mit einer nach § 21 der 39. BImSchV gewährten Fristverlängerung und es ist gemäß § 21 Abs. 4 Satz 2 der 39. BImSchV sicherzustellen, dass die Toleranzmarge eingehalten wird. Die Inanspruchnahme einer solchen Fristverlängerung hat die Beklagte zwar gemäß § 21 Abs. 2 der 39. BImSchV durch die Bundesregierung der Kommission mitgeteilt. Die Kommission hat dagegen jedoch innerhalb der neunmonatigen Frist nach § 21 Abs. 4 Satz 1 der 39. BImSchV im Hinblick auf den Jahresmittelgrenzwert Einwände erhoben, so dass die Fristverlängerung und damit die Toleranzmarge nicht gelten. Selbst unter Berücksichtigung der Toleranzmarge war aber ein Luftreinhalteplan für NO2 aufzustellen, weil der Jahresmittelgrenzwert in den Jahren bis einschließlich 2011 an drei der vier Verkehrsmessstellen (Habichtstraße 2010: 60 μg/m3, 2011: 61 μg/m3, Max-Brauer-Allee 2010: 70 μg/m3, 2011: 67 μg/m3, Stresemannstraße 2010: 66 μg/m3, 2011: 61 μg/m3) oberhalb von 60 µg/m3 und damit oberhalb der Toleranzmarge lag.

28

2. Die Beklagte ist ihrer Verpflichtung zur Aufstellung des Luftreinhalteplans formell fehlerfrei nachgekommen. Sie hat den Luftreinhalteplan gemäß § 27 Abs. 4 der 39. BImSchV als integrierten Luftreinhalteplan aufgestellt, weil neben dem Jahresmittelgrenzwert für NO2 im Jahr 2010 an einer Messstation auch der Stundenmittelgrenzwert für NO2 und im Jahr 2011 die zulässige Zahl der Überschreitungen der Grenzwerte für die Feinstaubbelastung (PM10) überschritten worden waren. Die Fortschreibung enthält die nach Anlage 13 zur 39. BImSchV erforderlichen Angaben. Das Verfahren zum Erlass der Fortschreibung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die nach § 47 Abs. 5 a) BImSchG vorgeschriebene Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt und sind die fristgemäß eingegangenen Stellungnahmen bei der Erstellung des Plans berücksichtigt worden. Der Plan ist im Amtsblatt veröffentlicht und einen Monat öffentlich ausgelegt worden und der Öffentlichkeit im Internet zugänglich.

29

3. Inhaltlich genügt der fortgeschriebene Luftreinhalteplan jedoch nicht den Anforderungen.

30

a) Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG müssen die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten. Gemäß § 47 Abs. 4 BImSchG sind die Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen.

31

Die in dem Luftreinhalteplan vorgesehenen Maßnahmen müssen dementsprechend nicht zu einer vollständigen und sofortigen Verhinderung der Überschreitung von Immissionsgrenzwerten führen (vgl. Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 47 Rn. 14). Diese Vorgabe entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem Inhalt von Aktionsplänen nach Art. 7 Abs. 3 RL 96/62 und ist auf die dem aktuellen Recht zugrunde liegende Vorschrift des Art. 23 RL 2008/50 EG übertragbar. Der Europäische Gerichtshof hat in der genannten Entscheidung weiter konkretisierend ausgeführt (Urt. v. 25.7.2008, C-237/07, Rn. 45 – 47, juris), aus dem Aufbau der Richtlinie, die eine integrierte Verminderung der Luftverschmutzung bezwecke, ergebe sich, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zu ergreifen haben, die geeignet sind, die Gefahr einer Überschreitung und ihre Dauer unter Berücksichtigung aller zur gegebenen Zeit vorliegenden Umstände und der betroffenen Interessen auf ein Minimum zu reduzieren. Unter diesem Aspekt sei darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten über einen Ermessensspielraum verfügen, dass Art. 7 Abs. 3 RL 96/62 aber die Ausübung dieses Ermessens hinsichtlich der Ausrichtung der Maßnahmen, die der Aktionsplan enthalten muss, am Ziel der Verringerung der Gefahr der Überschreitung und der Beschränkung ihrer Dauer unter Berücksichtigung des Ausgleichs, der zwischen diesem Ziel und den verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen sicherzustellen ist, Grenzen setzt. Den Mitgliedstaaten obliege nur die Verpflichtung, im Rahmen eines Aktionsplans und kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände und aller betroffenen Interessen auf ein Minimum zu verringern und schrittweise zu einem Stand unterhalb dieser Werte oder Schwellen zurückzukehren.

32

Aus diesen Ausführungen lässt sich zunächst entnehmen, dass es für die Beurteilung, ob ein Luftreinhalteplan den Anforderungen des § 47 BImSchG und des zugrundeliegenden europäischen Rechts genügt, auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung ankommt. Denn der Europäische Gerichtshof stellt ausdrücklich auf die Berücksichtigung aller zur gegebenen Zeit vorliegenden Umstände und betroffenen Interessen ab. Dies kann sich nur auf den genannten Zeitpunkt beziehen, weil die zur Aufstellung des Luftreinhalteplans verpflichtete Behörde nur bis zu diesem Zeitpunkt in der Lage ist, die vorliegenden Umstände und betroffenen Interessen in ihre Entscheidung mit einzubeziehen. Die Wahl dieses Zeitpunktes als für die Beurteilung der Ordnungsgemäßheit des Luftreinhalteplans maßgeblich trägt auch dem Umstand Rechnung, dass das Gericht allein zur Kontrolle des von der Behörde erstellten Luftreinhalteplans berufen und in der Lage ist, nicht aber zur Ausübung eigenen planerischen Ermessens.

33

Den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs ist weiter zu entnehmen, dass nach europäischem Recht bei der Entscheidung über die in den Luftreinhalteplan aufzunehmenden Maßnahmen nicht allein auf die Geeignetheit der Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte abzustellen ist, sondern dass die Planung unter Berücksichtigung der verschiedenen betroffenen öffentlichen und privaten Interessen zu geschehen hat und dass das Ziel der Luftreinhaltung zu einem Ausgleich mit jenen Interessen zu bringen ist. Ein solcher Ausgleich findet zwar nicht ausdrücklich in § 47 BImSchG und der 39. BImSchV seine Entsprechung. § 47 Abs. 4 BImSchG, der auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abstellt, betrifft lediglich die Verteilung der Belastung auf die unterschiedlichen Emittenten entsprechend ihrem Anteil an der Luftschadstoffbelastung. Das Gebot des Interessenausgleichs ist jedoch in der Vorgabe des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG enthalten, Maßnahmen zu treffen, die die Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich halten. Die Anbindung an das Mögliche ist im Hinblick auf das in Art. 20 Abs. 3 GG vorgegebene Rechtsstaatsprinzip und den daraus folgenden, im deutschen Recht staatliches Handeln beschränkenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel dahingehend zu verstehen, dass bei der Auswahl der Maßnahmen, die in den Luftreinhalteplan aufzunehmen sind, auch die entgegenstehenden Interessen zu berücksichtigen sind, soweit mit den zu planenden Maßnahmen in Rechte Dritter eingegriffen werden kann. Die Beschränkung auf das Mögliche bedeutet in gleicher Weise aber auch, dass die Behörde bei der Planung von Luftreinhaltemaßnahmen entgegenstehende öffentliche Interessen zu berücksichtigen hat. Die Luftreinhaltung zum Schutz der menschlichen Gesundheit (§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV) stellt ein sehr gewichtiges, aber kein absolutes, Vorrang vor allen anderen Interessen (und staatlichen Aufgaben) genießendes Ziel dar. Allerdings geht das Gericht davon aus, dass dem Schutz der Gesundheit der Menschen vor Luftverunreinigungen bei dem vorzunehmenden Ausgleich umso mehr an Gewicht zukommt, je gravierender die Gesundheitsgefährdung ist und je länger diese andauert.

34

b) Diesen Maßstäben genügen die von der Beklagten in der Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgesehenen Maßnahmen nicht.

35

aa) Die Maßnahmen, die von der Beklagten in den Luftreinhalteplan aufgenommen und in ihrer Wirkung quantifiziert worden sind – Luftgütepartnerschaft, Erneuerung der Busflotte, Verschiebung des Modal-Splits zugunsten des Umweltverbundes – sowie die prognostizierte Flottenerneuerung des Kfz-Bestandes in Hamburg führen nicht zur Einhaltung des Grenzwertes nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV. Nach den eigenen Erwartungen der Beklagten (Fortschreibung, S. 87) ist der Jahresmittelgrenzwert an der Max-Brauer-Allee, dem Wohnort des Klägers zu 1), mit den vorgesehenen Maßnahmen bis zum Ende des Prognosezeitraums im Jahr 2026 nicht einzuhalten, während die Einhaltung des Grenzwertes an den Verkehrsmessstationen Kieler Straße (2017/2018), Stresemannstraße (2023) und Habichtstraße (2025) früher erreicht werden soll.

36

bb) Die Beklagte kann demgegenüber nicht mit Erfolg geltend machen, bei einer noch regelkonformen Positionierung der Messinstrumente an den Verkehrsmessstationen entsprechend der Anlage 3 der 39. BImSchV (10 m entfernt vom Fahrbahnrand in 4 m Höhe, statt am Fahrbahnrand in 1,5 m Höhe) würde sich eine deutlich geringere NO2-Belastung ergeben. Dies gelte besonders für die Verkehrsmessstation an der Max-Brauer-Allee, die auf dem Mittelstreifen zwischen den Fahrbahnen aufgestellt sei. Die Beklagte hat die Aufstellungsorte selbst und regelkonform gewählt und auf die ermittelten Werte ihre Luftreinhalteplanung und die Immissionsprognosen gestützt. Die Wahl der Standorte für die Immissionsmessungen liegt – im Rahmen der rechtlichen Vorgaben– im Ermessen der Beklagten. Dieses hat sie fehlerfrei ausgeübt. Das Gericht hat weder einen Anlass noch das Recht zu prüfen, ob eine andere Wahl der Verkehrsmessstationen zu für die Beklagte günstigeren Werten der NO2-Belastung führen würde. Einer Beweiserhebung bedarf es insoweit nicht.

37

Ebenso wenig kann die Beklagte mit Erfolg geltend machen, in die Immissionsprognosen seien die zahlreichen in der Fortschreibung des Luftreinhalteplans nicht quantifizierten Maßnahmen zur Luftreinhaltung nicht mit eingeflossen, es sei daher davon auszugehen, dass sich die NO2-Belastung stärker reduzieren werde, als dies prognostiziert worden sei. Einer Berücksichtigung dieser Annahme steht schon entgegen, dass es die Aufgabe der Beklagten bei der Erstellung der Fortschreibung des Luftreinhalteplans gewesen wäre, die quantifizierbaren Auswirkungen der geplanten Luftreinhaltemaßnahmen auch tatsächlich zu quantifizieren und in die Prognosen einzustellen. Soweit nicht hinreichend konkret absehbar war, dass und in welchem Umfang die Maßnahmen zu einer Verminderung der Luftschadstoffbelastung führen würden und der Aufwand einer weiteren Konkretisierung oder die damit verbundenen Festlegungen nicht erbracht werden konnten und sollten, war es konsequent, diese Maßnahmen – wie geschehen – bei der Prognose der Entwicklung der Schadstoffbelastung unberücksichtigt zu lassen. Das Gericht ist nicht dazu berufen, die der Planungshoheit der Beklagten unterliegende Entscheidung, welche Maßnahmen bei der von ihr zu treffenden Immissionsprognose Berücksichtigung finden sollen, durch eigene Erwägungen zu ersetzen. Im Übrigen lassen die nach Erlass der Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgenommenen Messungen auch nicht erkennen, dass sich die Belastung an den Verkehrsmessstationen erheblich günstiger entwickelt hat, als dies prognostiziert worden ist. Die Beklagte hat die Ergebnisse der Messungen an den Verkehrsmessstationen bis einschließlich 2013 vorgelegt (Bl. 511 der Prozessakte). Daraus ergibt sich im Vergleich zur Prognose in der Fortschreibung (S. 87) an der Verkehrsmessstation Kieler Straße eine geringfügig günstigere tatsächliche Entwicklung im Vergleich zur Prognose, während die Prognose für die Habichtstraße in etwa eingetreten ist und die prognostizierte NO2-Verminderung an der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße nicht ganz erreicht worden ist. Nichts entscheidend anderes ergibt sich aus den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Diagrammen, die auch die NO2-Belastung an den Verkehrsmessstationen zum Ende des dritten Quartals 2014 wiedergeben (Bl. 748 der Prozessakte).

38

Die Beklagte kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Umweltbundesamt in seiner im August 2014 veröffentlichten Studie (Texte 35/2014, Luftqualität 2020/2030: Weiterentwicklung von Prognosen für Luftschadstoffe unter Berücksichtigung von Klimastrategien, S. 301, 302) zu dem Ergebnis kommt, nach dem zugrunde gelegten Szenario werde an allen vier Verkehrsmessstationen der Jahresmittelgrenzwert für NO2 im Jahr 2020 eingehalten werden. Unabhängig davon, dass diese Studie im für die Beurteilung der Fortschreibung maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht existierte, weist sie erhebliche Unsicherheiten in der Berechnung der Schadstoffbelastung für die Verkehrsmessstationen auf. Die Studie selbst geht von einem Unsicherheitsbereich von 5 µg/m3 aus, was bei den Verkehrsmessstationen Max-Brauer-Allee und Habichtstraße für das Jahr 2020 zu einer Grenzwertüberschreitung führen würde.

39

cc) Der Fortschreibung des Luftreinhalteplans und den vorgelegten Sachakten ist zu entnehmen, dass die geplanten Maßnahmen zur Verminderung der NO2-Immissionen nicht alle verhältnismäßigen Maßnahmen umfassen, um den zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgesetzten Jahresmittelgrenzwert für diese Luftschadstoffe möglichst zeitnah einzuhalten. Der von der Beklagten vorgenommene Ausgleich der widerstreitenden Ziele und Interessen berücksichtigt das Gewicht des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht hinreichend.

40

Von einer Gesundheitsgefährdung war hier nach den nicht in Zweifel zu ziehenden Ausführungen der Beklagten im Luftreinhalteplan auszugehen, weil Stickoxide in einen Zusammenhang mit Atemwegs- und Herz-/Kreislauferkrankungen gebracht werden und es bereits im Bereich des Jahresmittelgrenzwertes von 40 μg/m3 zu einer verzögerten Lungenentwicklung von Kindern kommen soll (Fortschreibung, S. 5, 6). Dieser Grenzwert wurde an allen vier Verkehrsmessstationen weit überschritten.

41

Dem Schutz der menschlichen Gesundheit durch Verminderung der Luftschadstoffbelastung dienen die von der Beklagten geplanten Maßnahmen.

42

Es ist im Grundsatz auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei ihrer Auswahl den Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Verringerung der NO2-Belastung im Bereich des Straßenverkehrs gelegt hat. Gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG sind Maßnahmen entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte beitragen. Da die NO2-Belastung vorwiegend durch den Straßenverkehr und – in geringerem Maß durch den Schiffsverkehr und sonstige Emittenten wie Industrie und Hausbrand – verursacht wird (Fortschreibung S. 49) waren nach § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG vorwiegend Maßnahmen im Bereich des Straßenverkehrs zu treffen.

43

Es ist von der Planungshoheit der Beklagten auch gedeckt und mit dem Ziel des § 47 Abs. 1 BImSchG vereinbar, dass die Beklagte von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen abgesehen hat. Zwar geht das Gericht davon aus, dass verkehrsbeschränkende Maßnahmen, wie etwa Durchfahrtverbote durch besonders belastete Bereiche kurzfristig zu einer Minderung der NO2-Belastung hätten führen können. Die Beklagte hat dazu jedoch in nachvollziehbarer Weise unter Bezugnahme auf Untersuchungen für München ausgeführt, dass eine drastische Beschränkung des Verkehrs erforderlich gewesen wäre, um einen ausreichenden Minderungseffekt bei den NO2-Immissionen herbeizuführen und dass dann mit einer Verlagerung des Verkehrs zu rechnen gewesen wäre.

44

Gleichfalls nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte auf die Einführung einer Umweltzone im Hinblick auf den geringen zu erwartenden Effekt und die erheblichen wirtschaftlichen Belastungen, die mit einer Umweltzone verbunden sind, verzichtet hat (Fortschreibung S. 73 – 75). Aus dem von ihr eingeholten Gutachten des Planungsbüros SVU vom 6.5.2010 zur verkehrlichen Bewertung der Auswirkungen der Einrichtung einer Umweltzone ergibt sich, dass die Einführung einer Umweltzone in anderen Städten zu einer deutlichen Abnahme der Rußkonzentration an den verkehrsbelasteten Messorten und im Gefolge in anderen Stadtgebieten geführt hat und dass dies in Zusammenhang mit einer durch die Umweltzone beschleunigten Erneuerung der Fahrzeugflotten sowohl bei PKW als auch bei Nutzfahrzeugen zu bringen war. Aus dem ebenfalls von der Beklagten eingeholten Gutachten des Ingenieurbüros L. vom Dezember 2010 (Berechnung Kfz-bedingter Schadstoffemissionen und Immissionen in Hamburg) ergibt sich jedoch, dass die Einführung einer Umweltzone die NO2-Emissionen lediglich um maximal 1,9 µg/m3 mindern würde. In einem weiteren Gutachten (Berechnung Kfz-bedingter Schadstoffemissionen und Immissionen in Hamburg Auswirkung Flottenveränderung 2015 vom September 2012) hatte das Gutachterbüro L. dargestellt, dass bei Diesel-PKW mit einer strengeren EURO-Norm bis EURO 4 die NO2Emissionen technologiebedingt aufgrund der verwendeten Dieselpartikelfiltersysteme teilweise ansteigen und erst ab der EURO 5-Norm sinken würden.

45

Auf die Einführung einer City-Maut hat die Beklagte ebenfalls fehlerfrei verzichtet. Dabei kann offen bleiben, ob eine City-Maut zur Durchsetzung immissionsschutzrechtlicher Ziele zulässig wäre (zweifelnd: Schröer, Kullick, Auf dem Weg zur City-Maut, NZBau 2012, 760). Die Beklagte hat sich mit der City-Maut auseinandergesetzt und ihre Entscheidung ermessensfehlerfrei darauf gestützt, dass die City-Maut im Bereich des Güterverkehrs kaum Verminderungen bringen würde sowie, dass sich der PKW-Verkehr lediglich in andere dann stärker immissionsbelastete Bereiche verlagern würde. Außerdem stünden gegenüber verkehrsbeschränkenden Maßnahmen mildere Mittel zur Verfügung, nämlich der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, die verstärkte Verwendung emissionsarmer und -freier Antriebe in Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs, im motorisierten Individualverkehr und im innerstädtischen Wirtschaftsverkehr, die Verbesserung des Mobilitätsmanagements und der Ausbau des Verkehrsmanagements, die Verminderung der Emissionen des Schiffsverkehrs durch Landstrom und emissionsärmere Schiffsantriebe sowie die Umsetzung der Energiewende durch Ausbau der Erneuerbaren Energien, neue emissionsärmere Kraftwerke und den Ausbau der emissionsfreien Fernwärme.

46

Nicht zu beanstanden ist weiterhin, dass die Beklagte davon abgesehen hat, im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhalteplans Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet gewesen wären, die NO2-Belastung gezielt an den Verkehrsmessstationen kurzfristig zu senken, um so einen formal gesetzeskonformen Luftreinhalteplan zu erstellen. Es entspricht der Ratio der Richtlinie 2008/50 EG sowie von § 47 Abs. 1 BImSchG und der 39. BImSchV, die Luftschadstoffbelastung in dem gesamten Plangebiet auf die festgesetzten Grenzwerte zu beschränken. Die Regelungen dienen dem Gesundheitsschutz der Menschen in der betroffenen Region. Dem wird der Ansatz der Beklagten gerecht. Die Verkehrsmessstationen stellen lediglich ein Hilfsmittel zur Kontrolle der Einhaltung der Grenzwerte dar.

47

Fehlerhaft ist die Fortschreibung des Luftreinhalteplans jedoch deswegen, weil die Beklagte die nicht verkehrsbeschränkenden Maßnahmen, die in ihrem Verantwortungsbereich möglich sind, nicht erkennbar mit dem gebotenen Nachdruck verfolgt hat, um eine zeitnahe Verminderung der NO2-Belastung zu erreichen. Da sie verkehrsbeschränkende Maßnahmen einerseits nicht in die Fortschreibung aufnehmen wollte, andererseits aber verpflichtet war, zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung die Verminderung der NO2-Immissionen bis auf den Jahresmittelgrenzwert so zeitnah wie möglich zu erreichen, hätte es besonderer Anstrengungen im Bereich der sonstigen Maßnahmen bedurft. Dass solche Anstrengungen nicht unternommen worden sind, deutet sich bereits in der Vorgabe der Finanzbehörde vom 8. August 2012 und der darauf Bezug nehmenden Stellungnahme der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation vom 17. August 2012 (Band 3 der Sachakte) an. Die Finanzbehörde hat in ihrer Stellungnahme mitgeteilt, dass die im Luftreinhalteplan dargestellten Maßnahmen im Rahmen der Obergrenzen der jeweiligen Einzelpläne zu finanzieren seien. Zusätzliche Mittel für Maßnahmen zur Luftreinhaltung sollten also nicht zur Verfügung gestellt werden. Darauf hat die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation in ihrer Stellungnahme Bezug genommen, in der sie ausgeführt hat, auch auf erneute Nachfrage der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt könnten keine weiteren Maßnahmen benannt werden. Solche seien entweder politisch nicht gewollt oder bedürften erheblicher Finanzmittel, was die Finanzbehörde in ihrer Stellungnahme ausgeschlossen habe. Damit hat die beklagte Freie und Hansestadt Hamburg den Blickwinkel für die Ermittlung von in die Fortschreibung aufzunehmenden Maßnahmen von vornherein auf solche Maßnahmen verengt, die aus den vor Erlass der Fortschreibung bereits vorliegenden Einzelplänen finanzierbar waren. Dementsprechend fehlen in der Fortschreibung Erwägungen dazu, aus welchen Gründen bei einem erhöhten Mitteleinsatz keine schneller greifenden Maßnahmen möglich oder verhältnismäßig gewesen wären. Dies betrifft beispielsweise den Flottenaustausch im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs und des Stadtrundfahrtverkehrs, von dem die Beklagte ausweislich der Maßnahmeblätter M 28 – 30 eine deutliche Reduzierung des Stickoxidausstoßes erwartet hat, der nach der Planung aber vorwiegend im Rahmen des kontinuierlichen Fahrzeugaustausches aus Eigenmitteln der betroffenen Betriebe erfolgen soll. In gleicher Weise gilt dies für den Flottenaustausch der behördeneigenen Fahrzeuge (Maßnahmeblatt M 27). Auch bei der Förderung des Radverkehrs (Maßnahmeblatt M 14) ist nicht erkennbar, dass die Beklagte über die ohnehin bereits vor der Befassung mit der Fortschreibung geplanten Maßnahmen hinaus weitergehende oder beschleunigte Anstrengungen in die Planung mit eingestellt hat. Für die Förderung des „Bike + Ride“ (Maßnahmeblatt 15) enthält die Fortschreibung sogar nur Maßnahmen, die bei Erlass der Fortschreibung schon abgeschlossen waren.

48

c) Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass im Bereich anderer Rechtsträger, insbesondere der Europäischen Union und des Bundes, zu treffende Maßnahmen zur Begrenzung des Schadstoffausstoßes von Kraftfahrzeugen einen schnelleren und größeren Effekt auf die Entwicklung der Luftschadstoffbelastung haben könnten, als die der Beklagten möglichen Maßnahmen. Dieser Umstand kann Berücksichtigung finden, wenn die Beklagte es trotz Ausschöpfung aller möglichen und verhältnismäßigen Maßnahmen nicht vermag, die Einhaltung der Grenzwerte für Luftschadstoffe nach der 39. Bundesimmissionsschutzverordnung sicherzustellen. Dies hat sie jedoch – wie ausgeführt – mit der Fortschreibung nicht unternommen. Die bloße Möglichkeit, dass andere Rechtsträger effektiver und schneller zur Einhaltung der Grenzwerte beizutragen vermögen, mindert die Anforderungen an die Beklagte nicht.

49

4. Die Beklagte war daher zu verurteilen, den Luftreinhalteplan so zu ändern, dass er den Anforderungen des § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG genügt. Dabei ist das Gericht wegen der planerischen Gestaltungsfreiheit der Beklagten darauf beschränkt, sie zu verpflichten Maßnahmen zu treffen, mit denen die schnellstmögliche Einhaltung der Immissionsschutzziele gewährleistet wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.9.2013, 7 C 21/12, E 147, 312; VG München, Urt. v. 9.10.2012, M 1 K 12.1046, juris; vgl. auch EuGH, Urt. v. 19.11.2014, C-404/13, juris), wie es dem Antrag der Kläger entspricht. Eine gerichtliche Vorgabe einzelner Maßnahmen kommt nur in Betracht, wenn eine richtlinien- und gesetzeskonforme Änderung des Luftreinhalteplans ohne diese Maßnahmen nicht denkbar erscheint. Für die Beurteilung, welche Anforderungen bei der vorzunehmenden Änderung des Luftreinhalteplans an die darin aufzunehmenden Maßnahmen zu stellen sind, ist zudem auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung abzustellen, denn die Verurteilung der Beklagten ist zukunftsgerichtet. Sie dient nicht dazu zu klären, welche Maßnahmen in der Vergangenheit zweckmäßigerweise hätten getroffen werden können oder müssen, sondern allein dazu, die Luftschadstoffbelastung in möglichst naher Zukunft auf die vorgegebenen Grenzwerte zu beschränken.

50

Im Hinblick auf dieses Ziel wird die Beklagte zu prüfen haben, welche Maßnahmen ihr technisch, wirtschaftlich und rechtlich überhaupt möglich sind, um die NO2-Belastung in Hamburg möglichst kurzfristig auf den Jahresmittelgrenzwert nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV abzusenken und mit welchem Zeithorizont sie umsetzbar sind. Dabei wird sie Maßnahmen anderer Rechtsträger, von denen nicht sicher ist, ob und wann sie ergriffen werden und wie sie sich gegebenenfalls auswirken, nicht berücksichtigen können. Hinsichtlich der so zu ermittelnden Maßnahmen, zu denen ausdrücklich auch verkehrsbeschränkende Maßnahmen gehören können, wird sie zu gewichten haben, welche Maßnahmen unter Berücksichtigung ihres Beitrags zur Luftschadstoffverminderung und damit zum Gesundheitsschutz sowie im Hinblick auf die damit verbundene Beeinträchtigung anderer öffentlicher oder privater Interessen in die Planung aufgenommen werden sollen. Bei dieser Gewichtung ist dem gesetzlich vorgegebenen und dem Gesundheitsschutz dienenden Ziel der NO2-Verminderung angesichts des seit nunmehr bereits annähernd fünf Jahren verbindlich einzuhaltenden Grenzwertes ein hoher Stellenwert einzuräumen. Dementsprechend wird es einer konkret nachvollziehbaren Begründung bedürfen, wenn effektive Minderungsmaßnahmen aus finanziellen, wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen nicht ergriffen werden sollen.

51

Vorsorglich weist das Gericht allerdings darauf hin, dass die Beklagte nicht verpflichtet sein wird, Gesetzesinitiativen zur Schaffung des rechtlichen Rahmens für die Einführung einer City-Maut, wie es die Kläger vorschlagen, oder mit dem Ziel einer Aktualisierung der 35. Bundesimmissionsschutzverordnung, durch die die Voraussetzungen für eine auch heute noch effektive Umweltzone geschaffen werden könnten, in den zu ändernden Luftreinhalteplan aufzunehmen. Zu derartigen Bemühungen um ein legislatives Tätigwerden kann die Beklagte nicht verpflichtet werden. Eine an den Bund gerichtete Gesetzesinitiative ist nicht geeignet, das Ziel der Luftreinhalteplanung unmittelbar zu erreichen. Ebenfalls vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass die Einführung einer Umweltzone nach § 40 BImSchG in Verbindung mit der 35. BImSchV gegenwärtig wohl nicht als verhältnismäßig anzusehen sein wird, weil ihre Wirkung vornehmlich darin besteht, zu einem beschleunigten Flottenaustausch bei Kraftfahrzeugen zu führen, die unter der geltenden 35. BImSchV durchsetzbare Beschaffung von Fahrzeugen der Schadstoffklasse 4 aber bis zur Einführung einer Umweltzone ohnehin weitgehend erfolgt sein dürfte und jedenfalls bei Diesel-PKW nicht zu einer Verminderung des NO2-Ausstoßes führen würde (s.o. Nr. 2.b) cc)). Ob die Einführung einer von den Klägern erwogenen Stadtbahn angesichts des damit verbundenen Aufwandes sowie der Dauer bis zu einer damit möglicherweise zu erreichenden NO2-Verminderung und der schon nach dem bisherigen Luftreinhalteplan in der Fassung der 1. Fortschreibung vorgesehenen Ausrüstung des Öffentlichen Personennahverkehrs mit schadstofffreien Fahrzeugen ein verhältnismäßiges und damit zwingend in den zu ändernden Luftreinhalteplan aufzunehmendes Mittel zur Luftschadstoffminderung darstellen würde, scheint dem Gericht schließlich ebenfalls nicht festzustehen.

52

5. Da die Klage mit dem Hauptantrag vollen Umfangs erfolgreich ist, bedurfte es einer Entscheidung über den Hilfsantrag nicht mehr.

III.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit war entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO auf die Kosten zu beschränken, weil der geänderte Luftreinhalteplan, der aufgrund des Urteils zu erlassen ist, Maßnahmen enthalten wird, die nach § 47 Abs. 6 BImSchG durchzusetzen sind. Damit entspricht die vorliegende Konstellation derjenigen einer Verpflichtungsklage, die auf den Erlass eines - durchzusetzenden – Verwaltungsaktes gerichtet ist und für die gemäß § 167 Abs. 2 VwGO die vorläufige Vollstreckbarkeit auf die Kosten beschränkt ist (vgl. auch Sodan/Ziekow, a.a.O. § 167 Rn. 20 ff.).

54

Die Berufung war gemäß §§ 124 Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Maßstäbe für die gerichtliche Beurteilung von Luftreinhalteplänen zuzulassen.

(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.

(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.

(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.

(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.

(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:

1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6,
2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen,
3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären,
4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären,
5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären,
6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und
7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
Im Einzelfall kann der Luftreinhalteplan im Fall des Satzes 2 Nummer 6 auch für diese Kraftfahrzeuge ein Verbot des Kraftfahrzeugverkehrs vorsehen, wenn die schnellstmögliche Einhaltung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid anderenfalls nicht sichergestellt werden kann. Weitere Ausnahmen von Verboten des Kraftfahrzeugverkehrs, insbesondere nach § 40 Absatz 1 Satz 2, können durch die zuständigen Behörden zugelassen werden. Die Vorschriften zu ergänzenden technischen Regelungen, insbesondere zu Nachrüstmaßnahmen bei Kraftfahrzeugen, im Straßenverkehrsgesetz und in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung bleiben unberührt.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.

(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.

(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.

(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.

(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte

1.
ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen,
2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen,
3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen,
4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
soweit die Anlagen oder Brennstoffe geeignet sind, zur Überschreitung der Immissionswerte beizutragen. Absatz 4 Satz 1 und § 49 Absatz 3 gelten entsprechend.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Der Kläger, eine bundesweit tätige, nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung, begehrt die Änderung des Luftreinhalteplans für D.

2

Für den Ballungsraum des Rhein-Main-Gebietes besteht seit 2005 ein Luftreinhalteplan. Der Teilplan D. wurde im Februar 2011 fortgeschrieben. Im Luftreinhalteplan ist eine Reihe von lokalen Maßnahmen vorgesehen, mit denen die Schadstoffkonzentrationen für Feinstaub und Stickoxide (NOx) im Stadtgebiet von D. bis zum Zieljahr 2015 reduziert werden sollen. Die im Luftreinhalteplan aus dem Jahr 2005 enthaltenen Maßnahmen sollen aufrechterhalten bleiben. Dazu gehören insbesondere Durchfahrtsverbote für Lkw. Der Luftreinhalteplan geht davon aus, dass im Jahr 2015 die Immissionsgrenzwerte für Feinstaub an allen Straßenzügen in D. sicher eingehalten werden können, während dies für Stickstoffdioxid (NO2) nicht gilt. Nach der Prognose sollen allein aufgrund der fortschreitenden Euronormen für den Schadstoffausstoß bei Kraftfahrzeugen die Immissionen für NOx um 22,1 % und der direkte NO2-Ausstoß um knapp 9 % verringert werden. Aufgrund der Maßnahmen der Stadt D. zur Reduzierung des Verkehrsaufkommens wird ein weiterer Rückgang der Luftschadstoffimmissionen bei Stickoxiden um 11,6 % erwartet. Die Prognose kommt zum Ergebnis, dass bis zum Jahr 2015 die Immissionsgrenzwerte für NO2 zumindest an den drei am höchsten belasteten Straßenzügen in D. zwar nicht eingehalten werden, aber doch deutlich reduziert werden können.

3

Nachdem der Kläger beim Beklagten mit Schreiben vom 10. Januar 2012 eine Änderung des Luftreinhalteplans beantragt und zur Begründung darauf hingewiesen hatte, dass eine Umweltzone trotz der nicht garantierten Einhaltung des Grenzwerts bis zum Jahr 2015 nicht in Betracht gezogen worden sei, erhob er am 14. Februar 2012 Klage zum Verwaltungsgericht.

4

Mit Urteil vom 16. August 2012 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, den für D. geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwerts für NO2 in Höhe von 40 µg/cbm im Stadtgebiet D. enthält. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das als allgemeine Leistungsklage erhobene Begehren sei als altruistische Verbandsklage zulässig. Dies folge aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 im Verfahren C-240/09, wonach ein Gericht das nationale Verfahrensrecht so auslegen müsse, dass es einer nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltschutzvereinigung ermöglicht werde, eine Entscheidung, die möglicherweise im Widerspruch zum Umweltrecht der Europäischen Union stehe, vor einem Gericht anzufechten. Es sei unbeachtlich, dass diese Klagebefugnis im nationalen Verfahrensrecht (noch) nicht ausdrücklich vorgesehen sei. Die Klage sei auch begründet. Der Beklagte sei nach § 47 Abs. 1 BImSchG und § 27 Abs. 2 der 39. BImSchV verpflichtet, im Rahmen des Luftreinhalteplans für D. alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Zeitraum der Überschreitung des einzuhaltenden Grenzwerts für NO2 so kurz wie möglich zu halten. Dem Beklagten stehe hinsichtlich des "Ob" der Aufstellung des Luftreinhalteplans Ermessen nicht zu, sondern nur hinsichtlich des "Wie" der Umsetzung der normativen Vorgaben. Er sei verpflichtet, einen Luftreinhalteplan mit dem Ziel der Einhaltung des Grenzwerts im Rahmen des tatsächlich Möglichen und rechtlich Verhältnismäßigen aufzustellen. Diesen Anforderungen werde der Luftreinhalteplan nicht gerecht, denn auch bei Durchführung aller darin vorgesehenen Maßnahmen würden die Grenzwerte für NO2 nicht eingehalten oder unterschritten. Angesichts der zwingenden, dem Gesundheitsschutz dienenden Grenzwerte müsste dies nur hingenommen werden, wenn alle geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Verminderung der Stickstoffdioxidkonzentration in D. ausgeschöpft seien. Das sei schon deshalb nicht der Fall, weil eine Umweltzone, die zwischenzeitlich als durchaus gut geeignete Maßnahme anerkannt werde, nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen worden sei. Angesichts des Schutzguts der Grenzwerte für NO2 sei die Einführung einer Umweltzone ungeachtet möglicher finanzieller Belastungen von Bevölkerung und Wirtschaft auch nicht unverhältnismäßig. Ein Rechtsanspruch auf Festsetzung konkreter Maßnahmen bestehe bei der Luftreinhalteplanung zwar nicht. Der planerische Gestaltungsspielraum sei jedoch begrenzt durch die normativen Zielvorgaben; diesen werde nicht genügt, wenn sich aufdrängende Maßnahmen trotz fortdauernder Überschreitung des Grenzwerts nicht in den Plan aufgenommen würden.

5

Mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen und mit Zustimmung des Klägers eingelegten Sprungrevision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter und trägt zur Begründung vor: Die Klage sei unzulässig. Dem Kläger fehle die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, die auch für die allgemeine Leistungsklage erforderlich sei. Aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011, das nicht überzeugen könne und eine andere Fallgestaltung betreffe, ergebe sich nichts anderes (siehe auch Schink, DÖV 2012, 622). Aus Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention (AK) sei eine Verbandsklage, gerichtet auf Einhaltung des europäischen Umweltrechts, nicht abzuleiten. Art. 9 Abs. 3 AK habe, anders als Art. 9 Abs. 2 AK, im Unionsrecht keine unmittelbare Wirkung. Jedenfalls fehle es an der in der EuGH-Entscheidung vorausgesetzten interpretationsfähigen Vorschrift des nationalen Rechts. Auch führe es hier nicht weiter, durchsetzbare individuelle Rechte, die das Unionsrecht gewähre, als subjektive Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO anzusehen. Denn Art. 9 Abs. 3 AK räume gerade keine vollzugsfähigen Rechte ein. Des Weiteren werde Art. 9 Abs. 3 AK durch die EU-Luftreinhalterichtlinie nicht umgesetzt. Darin sei in Art. 26 Abs. 1 lediglich die Unterrichtung der Öffentlichkeit vorgesehen; Mitwirkungsrechte von Verbänden, die - wenn überhaupt - Ansatzpunkt für eine Verbandsklage sein könnten, würden demgegenüber nicht normiert.

6

Der Klageantrag sei unbestimmt, nicht vollstreckungsfähig und deshalb unzulässig.

7

Die Klage sei auch nicht begründet. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Änderung des Luftreinhalteplans nicht zu. Der Beklagte sei zwar verpflichtet gewesen, einen Luftreinhalteplan mit dem Ziel aufzustellen, eine Verminderung der Überschreitung des Immissionsgrenzwerts für NO2 schrittweise zu bewirken und den Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten. Dieser Verpflichtung sei der Beklagte aber bereits nachgekommen.

8

Das Verwaltungsgericht gewähre letztlich einen verkappten Anspruch auf Einführung einer Umweltzone, da weitere Maßnahmen nicht ersichtlich seien. Einzelne Maßnahmen der Luftreinhalteplanung könnten aber wegen des planerischen Gestaltungsspielraums des Beklagten nicht eingeklagt werden. Der Beklagte werde zu einer Luftreinhalteplanung verurteilt, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht wahre. Eine Umweltzone sei in D. wegen der Ausgestaltung der Plakettenregelung der 35. BImSchV keine geeignete Maßnahme zur Reduzierung der Grenzwertüberschreitung für Stickoxide; insoweit habe das Verwaltungsgericht den Vortrag des Beklagten nicht beachtet und gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Die Auswertung von Umweltzonen in anderen Städten belege deren Geeignetheit zur NO2-Reduktion nicht. Die Einrichtung einer Umweltzone sei auch nicht erforderlich, weil der Anteil des Lkw-Durchgangsverkehrs aufgrund des bevorstehenden Abschlusses von Straßenbauarbeiten sich deutlich reduzieren werde. Schließlich sei die Einführung einer Umweltzone auch unverhältnismäßig im engeren Sinne.

9

Der Beklagte beantragt,

1. unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 die Klage abzuweisen,

2. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des EuGH gemäß Art. 267 AEUV zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:

a) Ist Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 8. März 2011 - C-240/09 - so zu interpretieren, dass eine nationale Rechtsvorschrift, die die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Kläger in seinen Rechten verletzt ist, so auszulegen, dass sie es einer Umweltschutzvereinigung, die die Förderung und Einhaltung des Umweltrechts der Europäischen Union zu ihrem Satzungszweck erklärt hat, ermöglicht, eine Entscheidung, die im Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten?

b) Gibt Art. 23 Abs. 1 der Luftqualitätsrichtlinie (RL 2008/50/EG vom 21. Mai 2008, ABl EG Nr. L 152 vom 11. Juni 2011, S. 1) Umweltverbänden einen Anspruch auf Einhaltung der Grenzwerte des Anhangs XI B und XIV D dieser Richtlinie für NO2?

c) Gibt Art. 23 der Luftqualitätsrichtlinie Umweltverbänden einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans, der bewirkt, dass die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie für NO2 schnellstmöglich eingehalten werden?

10

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und die Vorabentscheidung des EuGH zu folgenden Rechtsfragen einzuholen:

1. Ist Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs vom 8. März 2011 - C-240/09 - so auszulegen,

dass die Vorschrift einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Kläger geltend macht, durch die Unterlassung des staatlichen Handelns in seinen Rechten verletzt zu sein,

wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Klage einer nach nationalem Recht anerkannten Umweltschutzvereinigung ist, die die Aufstellung eines der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 entsprechenden Luftqualitätsplans begehrt?

2. Ist Art. 23 der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 so zu interpretieren, dass Umweltschutzvereinigungen einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Luftqualitätsplans geltend machen können, der Maßnahmen zum Inhalt hat, mit denen die Grenzwerte der Luftqualitätsrichtlinie für Stickstoffdioxid schnellstmöglich eingehalten werden?

11

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt insbesondere vertiefend aus, dass er in unionsrechtskonformer Auslegung der § 42 Abs. 2 VwGO, § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. Art. 9 Abs. 3 AK klagebefugt sei (siehe auch Klinger, NVwZ 2013, 850; EurUP 2013, 95).

12

Der Vertreter des Bundesinteresses betont zur Frage der Ableitung einer Klagebefugnis aus Art. 9 Abs. 3 AK den Freiraum, den die Aarhus-Konvention den Vertragsstaaten einräume. Dieses Verständnis von Art. 9 Abs. 3 AK sei jedoch umstritten. Eine Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs ins deutsche Verwaltungsprozessrecht sei nicht möglich. Die in § 42 Abs. 2 VwGO vorgesehene Öffnung für andere gesetzliche Regelungen sei hier nicht einschlägig. Allerdings könne der Kreis rügefähiger subjektiv-öffentlicher Rechte in Auslegung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs weiter gezogen werden. Der Vertreter des Bundesinteresses regt eine Vorlage zum Europäischen Gerichtshof an. Er verteidigt die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit der Klage.

Entscheidungsgründe

13

Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht und mit Zustimmung des Klägers erhobene Sprungrevision ist zulässig, aber nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzt zwar insoweit revisibles Recht, als es die Klagebefugnis des Klägers mit unzutreffenden Erwägungen bejaht (1.); die Entscheidung stellt sich insoweit aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO; 2.). Im Übrigen steht die Entscheidung mit Bundesrecht in Einklang (3.).

14

1. a) Die Überprüfung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Klagebefugnis des Klägers ist dem Senat nicht durch § 134 Abs. 4 VwGO verwehrt. Danach kann die Sprungrevision nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden. Zwar handelt es sich bei § 42 Abs. 2 VwGO um eine Vorschrift des Prozessrechts. Bei der Prüfung der Klagebefugnis geht es jedoch nicht um die von § 134 Abs. 4 VwGO ausgeschlossene Kontrolle des Verfahrens der Vorinstanz. Die Beurteilung der Klagebefugnis verlangt vielmehr eine von § 134 Abs. 4 VwGO nicht erfasste Bewertung materiell-rechtlicher Vorfragen (vgl. Urteile vom 10. Oktober 2002 - BVerwG 6 C 8.01 - BVerwGE 117, 93 <95> = Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 1 S. 2, vom 12. März 1998 - BVerwG 4 C 3.97 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 149 sowie vom 26. April 2006 - BVerwG 6 C 19.05 - juris Rn. 11 § 113 hwo nr. 6 nicht abgedruckt>; Pietzner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 134 Rn. 77).

15

b) Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass für den im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachten Anspruch auf Ergänzung des Luftreinhalteplans das Erfordernis der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO entsprechende Anwendung findet. Eigene Rechte mache der Kläger zwar nicht geltend. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. März 2011 in der Rechtssache C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK ("slowakischer Braunbär" - Slg. 2011, I-1255), die eine rechtsschutzfreundliche Auslegung des nationalen Verfahrensrechts fordere, sei der Kläger gleichwohl klagebefugt, auch wenn diese Klagebefugnis im nationalen Verfahrensrecht (noch) nicht ausdrücklich vorgesehen sei.

16

Aus diesen knappen Ausführungen, die ausdrücklich auf den vom Europäischen Gerichtshof erteilten Auslegungsauftrag verweisen, geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass das Verwaltungsgericht die Klagebefugnis des Klägers nicht unabhängig vom nationalen Recht unmittelbar aus unionsrechtlichen Vorgaben entnehmen will. Wenn das Verwaltungsgericht Unionsrecht heranzieht, um ungeachtet der verneinten Betroffenheit in eigenen Rechten eine Klagebefugnis im Sinne einer altruistischen Verbandsklage zu bejahen, die sich im nationalen Verfahrensrecht noch nicht finde, bezieht sich das auf die in § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO normierte Öffnungsklausel, die unter Beachtung des Unionsrechts ausgefüllt werden soll.

17

Diese Rechtsauffassung verletzt revisibles Recht.

18

aa) Das Verwaltungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der geltend gemachte Anspruch auf Erlass eines Luftreinhalteplans, der seiner Rechtsnatur nach einer Verwaltungsvorschrift ähnlich ist (Beschlüsse vom 29. März 2007 - BVerwG 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 27 Rn. 27 und vom 11. Juli 2012 - BVerwG 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 10; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 47 Rn. 47), im Wege der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen ist. Im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (zuletzt etwa Urteil vom 15. Juni 2011 - BVerwG 9 C 4.10 - BVerwGE 140, 34 = Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 161) hat das Verwaltungsgericht die in § 42 Abs. 2 VwGO normierte Sachurteilsvoraussetzung der Klagebefugnis entsprechend auch auf die allgemeine Leistungsklage angewendet. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Denn in § 42 Abs. 2 VwGO kommt ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck. Vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG ist er, wenn auch nicht ausschließlich (siehe § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO), so doch in erster Linie, auf den Individualrechtsschutz ausgerichtet (vgl. etwa Urteil vom 29. April 1993 - BVerwG 7 A 3.92 - BVerwGE 92, 263 <264> = Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 196 S. 46). Wollte man die allgemeine Leistungsklage - im Gegensatz zur Verpflichtungsklage als einer besonderen Leistungsklage - von dieser Grundentscheidung ausnehmen, käme es zu Wertungswidersprüchen, die in der Sache nicht gerechtfertigt werden könnten. Das im Verfahren aufgeworfene Sachproblem der Zulässigkeit einer Verbandsklage ist demnach ungeachtet der Rechtsnatur des erstrebten behördlichen Handelns und folglich der prozessualen Einordnung des Rechtsschutzbegehrens zu bewältigen.

19

bb) Bei der Prüfung, ob dem Kläger die Möglichkeit einer Verbandsklage eröffnet ist, hat das Verwaltungsgericht sich zu Recht an der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs orientiert.

20

Im Urteil vom 8. März 2011 hat sich der Europäische Gerichtshof zu den Rechtswirkungen des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen ; Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl II S. 1251) verhalten. Die Aarhus-Konvention ist nicht nur von allen Mitgliedstaaten der EU, sondern auch von der EU selbst ratifiziert worden (Beschluss des Rates vom 17. Februar 2005, ABl EU Nr. L 124 S. 1). Als sogenanntes gemischtes Abkommen ist sie Teil des Unionsrechts und als solcher war sie Gegenstand der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 im Verfahren Rs. C-240/09.

21

Der Europäische Gerichtshof hat zunächst festgestellt, dass die EU und damit der Gerichtshof jedenfalls dann für die Umsetzung und Auslegung von Art. 9 Abs. 3 AK zuständig sind, wenn es um Fragen der Beteiligung und des Rechtsschutzes in Verfahren geht, die inhaltlich die Durchsetzung des EU-Umweltrechts zum Gegenstand haben. Sodann hat er ausgeführt, dass Art. 9 Abs. 3 AK wegen des darin enthaltenen Ausgestaltungsvorbehalts derzeit keine unmittelbare Wirkung zukommt. Die nationalen Gerichte sind aber gleichwohl verpflichtet, ihr nationales Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozessrecht soweit wie möglich im Einklang sowohl mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 AK als auch mit dem Ziel eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die durch das Unionsrecht verliehenen Rechte auszulegen, um es einer Umweltschutzvereinigung zu ermöglichen, eine Entscheidung, die am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergangen ist, das möglicherweise in Widerspruch zum Umweltrecht der Union steht, vor einem Gericht anzufechten.

22

(1) Die nationalen Gerichte sind gehalten, die Entscheidung als Teil des Unionsrechts bei ihren rechtlichen Erwägungen zu beachten (vgl. Karpenstein, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 267 Rn. 104). Die Kritik, der sich die Argumentation des Urteils ausgesetzt sieht, ändert daran nichts. Denn die Grenzen zum "ausbrechenden Rechtsakt", etwa wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 EUV, dessen Annahme im Übrigen die Pflicht zur "Remonstration" in Gestalt eines neuerlichen Vorabentscheidungsverfahrens nach sich zöge (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <303 f.>), sind ersichtlich nicht überschritten (vgl. Berkemann, DVBl 2013, 1137 <1143 f.>).

23

(2) Die vom Europäischen Gerichtshof aufgestellte Auslegungsleitlinie erfasst auch die vorliegende Fallkonstellation. Die Luftreinhalteplanung nach § 47 Abs. 1 BImSchG (i.d.F. des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 31. Juli 2010, BGBl I S. 1059) dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl EU Nr. L 152 S. 1). Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten kommt es allein darauf an.

24

Das zutreffende Verständnis einer im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Entscheidung (Auslegungsurteil) erschließt sich zwar vor dem Hintergrund des Streitgegenstands des Ausgangsverfahrens. Darin ging es um die verfahrensrechtliche Stellung der klagenden Vereinigung. Den Urteilsgründen ist indessen nichts zu entnehmen, was darauf schließen lassen könnte, dass sich die Verpflichtung der nationalen Gerichte, Auslegungsspielräume zugunsten von Klagerechten der Umweltverbände zu nutzen, allein auf Verfahrensrecht bezieht und lediglich bereits eingeräumte Mitwirkungsrechte prozessual verstärkt werden sollen (so auch Berkemann, a.a.O. S. 1145; Schlacke, ZUR 2011, 312 <315>).

25

cc) Der Europäische Gerichtshof gibt den Gerichten auf, nach Maßgabe interpretationsfähiger Vorschriften des nationalen Rechts auch Umweltverbänden einen möglichst weiten Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, um so die Durchsetzung des Umweltrechts der Union zu gewährleisten. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass diesem Anliegen über die Vorschrift des § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO Rechnung getragen werden kann.

26

Diese Regelungsalternative erlaubt Ausnahmen vom Erfordernis der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten. Sie ist jedoch als solche keine im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs interpretationsfähige Norm, sondern lediglich eine Vorbehalts- bzw. Öffnungsklausel, die durch eine Entscheidung des zuständigen Normgebers umgesetzt werden muss. § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO selbst ist allerdings der Auslegung zugänglich, dass neben Bestimmungen des Bundes- und des Landesrechts auch Vorschriften des Unionsrechts als andere gesetzliche Regelung eigenständige, von materiellen Berechtigungen losgelöste Klagerechte vermitteln können. Erst auf der Grundlage einer solchen normativen Entscheidung stellt sich die Frage nach unionsrechtlich dirigierten Auslegungsspielräumen.

27

Eine die Vorbehalts- bzw. Öffnungsklausel ausfüllende Norm, die es vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erweiternd auslegt, benennt das Verwaltungsgericht nicht. Eine einer solchen Auslegung zugängliche Vorschrift ist auch nicht vorhanden.

28

Eine besondere Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO, mit der eine objektive Rechtskontrolle ermöglicht wird, ist im nationalen Recht nur in eng begrenzten Bereichen normiert worden. Die vorhandenen, der Durchsetzung umweltrechtlicher Belange dienenden Bestimmungen sind nicht einschlägig.

29

(1) Der Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Verbandsklage nach § 64 Abs. 1 BNatSchG ist nicht eröffnet. Gleiches gilt für § 1 UmwRG. Die einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen von Absatz 1, der vermittelt über Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl Nr. L 175 S. 40) i.d.F. der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl EU Nr. L 156 S. 17) auch der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 AK dient (vgl. BTDrucks 16/2497 S. 42), sind nicht gegeben.

30

(2) Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes kann nicht im Wege der Analogie auf Art. 9 Abs. 3 AK erstreckt werden (so auch Schlacke, a.a.O. S. 316; unklar Kahl, JZ 2012, 667 <673>). Denn es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke.

31

Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz dient, wie sich bereits aus seiner amtlichen Bezeichnung (Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG) sowie der amtlichen Anmerkung zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorschriften ergibt, der Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 AK. Demgegenüber hat der Gesetzgeber ausweislich der Denkschrift zur Ratifizierung der Aarhus-Konvention hinsichtlich der Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 3 AK keinen Änderungsbedarf im innerstaatlichen Recht gesehen (BTDrucks 16/2497 S. 42, 46). Insoweit hat sich das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im Zeitpunkt seiner Verabschiedung als seinen Anwendungsbereich abschließend umschreibende Regelung verstanden. Daran hat sich auch mittlerweile nichts geändert. Ungeachtet der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 8. März 2011 hat der Gesetzgeber an der ausdrücklichen Beschränkung des Anwendungsbereichs auch im Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 95) festgehalten. Darin werden lediglich die durch die Entscheidung des Gerichtshofs vom 12. Mai 2011 (Rs. C-115/09, Trianel - Slg. 2011, I-3673) geforderten Änderungen mit dem Ziel einer "lückenlosen 1:1-Umsetzung" von Art. 10a UVP-RL sowie von Art. 9 Abs. 2 AK eingefügt (BTDrucks 17/10957 S. 11); eine Ausdehnung auf die von Art. 9 Abs. 3 AK erfassten Sachverhalte wird damit ausgeschlossen.

32

Eine planwidrige Regelungslücke kann auch nicht deswegen angenommen werden, weil vieles dafür spricht, dass die vom Gesetzgeber bei der Ratifizierung der Aarhus-Konvention vertretene Rechtsansicht zur fehlenden Notwendigkeit der Anpassung des innerstaatlichen Rechts unzutreffend ist. Sie steht mit dem sich auf internationaler Ebene herausbildenden Verständnis der Vertragspflichten nicht in Einklang.

33

Mit dem Compliance Committee haben die Vertragsparteien auf der Grundlage von Art. 15 AK ein Gremium errichtet, das über die Einhaltung des Abkommens wachen soll, ohne jedoch ein förmliches Streitschlichtungsverfahren nach Art. 16 AK zu präjudizieren (siehe zur Arbeitsweise des Compliance Committee The Aarhus Convention: An Implementation Guide, Second Edition, 2013, S. 234 ff.). Durch dessen Spruchpraxis soll das Abkommen für alle Vertragsparteien klare Konturen erhalten. Auch wenn sich das Compliance Committee mit Empfehlungen begnügt, kommt den darin geäußerten Rechtsansichten gleichwohl bedeutendes Gewicht zu; das folgt nicht zuletzt daraus, dass bislang alle Feststellungen des Compliance Committee über die Konventionswidrigkeit der Rechtslage in einem Vertragsstaat in den Zusammenkünften der Vertragparteien (Art. 10 AK) gebilligt worden sind (siehe Implementation Guide, S. 238).

34

Nach einer gefestigten Spruchpraxis zu Art. 9 Abs. 3 AK stellt sich die den Vertragsparteien nach dem Wortlaut der Bestimmung zugebilligte Gestaltungsfreiheit geringer dar, als insbesondere von Deutschland angenommen. In einer ganzen Reihe von Empfehlungen hat das Compliance Committee sein Verständnis der sogenannten dritten Säule der Aarhus-Konvention über den Zugang zu Gerichten nach Art. 9 Abs. 3 AK dargelegt (grundlegend ACCC/C/2005/11 vom 16. Juni 2006, Rn. 35 ff.; ACCC/C/2006/18 vom März 2008 Rn. 29 ff.; ACCC/C/2008/32 Part I vom 14. April 2011, Rn. 77 ff.; ACCC/C/2010/48 <Österreich> vom 16. Dezember 2011, Rn. 68 ff.; dazu auch Implementation Guide, S. 197 ff., 207 f.) . Dabei betont es zwar - auch im Anschluss an die während der Zusammenkunft der Vertragsparteien vom 25. bis 27. Mai 2005 angenommene Entscheidung II/2, die in Rn. 14 bis 16 ein ersichtlich rechtsschutzfreundliches Verständnis des Art. 9 Abs. 3 AK anmahnt (ECE/MP.PP/2005/2/Add.3 vom 8. Juni 2005) - zunächst die Ausgestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers und die Erforderlichkeit einer Gesamtbetrachtung des normativen Umfelds. Die folgenden Ausführungen lassen aber keinen Zweifel daran, dass nach Auffassung des Compliance Committee den Umweltverbänden grundsätzlich eine Möglichkeit eingeräumt werden muss, die Anwendung des Umweltrechts gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Vertragsparteien müssen zwar kein System der Popularklage einführen, so dass jedermann jegliche umweltbezogene Handlung anfechten kann. Die Formulierung "sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen" kann aber nach Auffassung des Compliance Committee die Einführung oder Beibehaltung solcher strikter Kriterien nicht rechtfertigen, die im Ergebnis alle oder fast alle Umweltverbände an der Anfechtung von Handlungen hindern, die im Widerspruch zum nationalen Umweltrecht stehen. Die Formulierung deutet nach Ansicht des Compliance Committee vielmehr auf die Selbstbeschränkung der Vertragsparteien, keine zu strengen Kriterien aufzustellen. Für den Zugang zu dem Überprüfungsverfahren soll eine Vermutung sprechen; er darf nicht die Ausnahme sein. Als Kriterien kommen die Betroffenheit oder ein Interesse in Betracht. Ausdrücklich als nicht ausreichend hat es das Compliance Committee im Verfahren gegen Österreich angesehen, dass im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 AK eine Verbandsklage vorgesehen ist (ACCC/C/2010/48 Rn. 71 ff.).

35

Wenn danach das "Ob" einer umweltrechtlichen Verbandsklage durch das Abkommen entschieden ist, behalten die Vertragsstaaten gleichwohl einen Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich des "Wie". Die hiernach ausstehende Umsetzung einer völkervertragsrechtlichen Verpflichtung durch den nationalen Gesetzgeber steht einer planwidrigen Regelungslücke nicht gleich.

36

Eine Auslegung contra legem - im Sinne einer methodisch unzulässigen richterlichen Rechtsfindung - fordert das Unionsrecht nicht (vgl. EuGH, Urteile vom 4. Juli 2006 - Rs. C-212/04, Adeneler - Slg. 2006, I-6057 Rn. 110 und vom 16. Juni 2005 - Rs. C-105/03, Pupino - Slg. 2005, I-5285 Rn. 44, 47). Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05 - (BGHZ 179, 27). Eine Pflicht zur richtlinienkonformen Rechtsfortbildung im Wege teleologischer Reduktion oder Extension einer Vorschrift des nationalen Rechts setzt jedenfalls eine hinreichend bestimmte, nämlich klare, genaue und unbedingte, im Grundsatz unmittelbar anwendbare unionsrechtliche Vorschrift voraus, an der es hier nach Scheitern des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 24. Oktober 2003 - KOM(2003) 624 - endgültig mangels unionsrechtlicher Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 AK (noch) fehlt.

37

(3) Hieraus ergibt sich zugleich, dass auch im Unionsrecht eine solche auslegungsfähige Norm nicht auszumachen ist. Das folgt bereits zwingend aus der Tatsache, dass Art. 9 Abs. 3 AK nicht unmittelbar anwendbar ist. Eine nicht unmittelbar anwendbare Bestimmung kann aber nicht Anknüpfungspunkt einer Auslegung sein, die diese Norm der Sache nach anwendbar macht. Eine solche Argumentation wäre zirkulär (vgl. Seibert, NVwZ 2013, 1040 <1042 f.>; ein gesetzgeberisches Handeln fordert wohl auch Epiney, EurUP 2012, 88 <89>; a.A. wohl Berkemann, a.a.O. S. 1147 f.).

38

2. Der festgestellte Rechtsverstoß ist indessen nicht erheblich. Das Verwaltungsgericht hat die Klagebefugnis des Klägers im Ergebnis zu Recht bejaht. Sie folgt aus § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO. Der Kläger kann geltend machen, durch die Ablehnung der Aufstellung eines Luftreinhalteplans, der den Anforderungen des § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 27 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) vom 2. August 2010 (BGBl I S. 1065) genügt, in seinen Rechten verletzt zu sein. § 47 Abs. 1 BImSchG räumt nicht nur unmittelbar betroffenen natürlichen Personen, sondern auch nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbänden das Recht ein, die Aufstellung eines den zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts entsprechenden Luftreinhalteplans zu verlangen.

39

a) Nach § 47 Abs. 1 BImSchG hat die zuständige Behörde, wenn die durch eine Rechtsverordnung festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Entsprechendes gilt, soweit eine Rechtsverordnung die Aufstellung eines Luftreinhalteplans zur Einhaltung von Zielwerten regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.

40

Mit dieser Vorschrift verfolgt das Luftqualitätsrecht zwei sich überschneidende Schutzzwecke: Mit der Umsetzung der festgelegten Luftqualitätsziele sollen schädliche Auswirkungen sowohl auf die menschliche Gesundheit als auch auf die Umwelt insgesamt vermieden, verhütet oder verringert werden (Art. 1 Nr. 1 RL 2008/50/EG).

41

aa) Aus dem vom Gesetz bezweckten Schutz der menschlichen Gesundheit folgt ein Klagerecht für die von den Immissionsgrenzwertüberschreitungen unmittelbar betroffenen natürlichen Personen. Das ist durch den Europäischen Gerichtshof geklärt. Seine zu den Aktionsplänen nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl EG Nr. L 296 S. 55) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl EU Nr. L 284 S. 1), § 47 Abs. 2 BImSchG a.F. ergangene Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - Rs. C-237/07, Janecek - Slg. 2008, I-6221 Rn. 42) ist in dieser Hinsicht ohne Weiteres auch auf die Luftreinhaltepläne nach Art. 23 Abs. 1 RL 2008/50/EG, § 47 Abs. 1 BImSchG n.F. zu übertragen (vgl. Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, BImSchG § 47 Rn. 29e; Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 47 Rn. 50 m.w.N.; Köck/Lehmann, ZUR 2013, 67 <72>).

42

Der Kläger kann als juristische Person in seiner Gesundheit nicht betroffen sein; die Verletzung eines aus der Gewährleistung der körperlichen Unversehrtheit folgenden subjektiven Rechts auf Einhaltung der Immissionsgrenzwerte kann er nicht geltend machen. Nach dem hergebrachten Begriffsverständnis des subjektiven Rechts würde Entsprechendes gelten, soweit das Luftqualitätsrecht dem Schutz der Umwelt als solcher und damit einem Allgemeininteresse dient.

43

bb) Das Unionsrecht gebietet indessen eine erweiternde Auslegung der aus dem Luftqualitätsrecht folgenden subjektiven Rechtspositionen.

44

Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass unmittelbar betroffenen juristischen Personen in gleicher Weise wie natürlichen Personen ein Klagerecht zusteht (Urteil vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 39). Die Kriterien für die Betroffenheit als Anknüpfungspunkt für eine subjektive, klagefähige Rechtsposition hat er nicht näher erläutert. Die Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten über die Geltendmachung individueller Rechtspositionen hinaus ist darin indessen angelegt.

45

(1) Wird die Betroffenheit durch einen räumlichen Bezug zum Wirkungsbereich der Immissionen bestimmt (so den EuGH verstehend Ziekow, NVwZ 2010, 793 <794>), so folgt aus dieser Rechtsprechung gleichwohl, dass sich die juristische Person - gemessen an der in Rn. 38 des Urteils betonten Schutzrichtung der Vorschrift - ein fremdes Interesse, so etwa als dort ansässiges Unternehmen die Gesundheit seiner Mitarbeiter, zum eigenen Anliegen machen darf.

46

Die in dieser Weise vom Unionsrecht zugebilligte Rechtsmacht ist in unionsrechtskonformer Auslegung des § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO im Interesse des aus Art. 4 Abs. 3 EUV folgenden Effektivitätsgebots als subjektives Recht anzuerkennen (vgl. etwa Gärditz, VwGO, 2013, § 42 Rn. 69 f. m.w.N.). Sie bestimmt zugleich das Verständnis der zur Umsetzung des Unionsrechts erlassenen mitgliedstaatlichen Vorschriften und hat eine Ausdehnung des Begriffs des subjektiven Rechts zur Folge. Allein ein solches Verständnis trägt der Entwicklung des Unionsrechts Rechnung. Es ist von Anfang an von der Tendenz geprägt gewesen, durch eine großzügige Anerkennung subjektiver Rechte den Bürger auch für die dezentrale Durchsetzung des Unionsrechts zu mobilisieren. Der Bürger hat damit zugleich - bezogen auf das objektive Interesse an einer Sicherung der praktischen Wirksamkeit und der Einheit des Unionsrechts - eine "prokuratorische" Rechtsstellung inne. Diese kann auch in den Vordergrund rücken (siehe hierzu - mit verschiedenen Akzentuierungen - etwa Masing, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR Bd. 1, 2. Aufl. 2012, § 7 Rn. 91 ff., 98 ff., 112 ff.; Schmidt-Aßmann/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Einleitung Rn. 21a; Schmidt-Aßmann, in: Gedächtnisschrift Brugger, 2013, S. 411 ff.; Hong, JZ 2012, 380 <383 ff.>; Gärditz, EurUP 2010, 210 <219 ff.>).

47

(2) Zu den unmittelbar betroffenen juristischen Personen, denen durch § 47 Abs. 1 BImSchG ein Klagerecht eingeräumt ist, gehören auch die nach § 3 UmwRG anerkannten Umweltverbände.

48

Eine Auslegung des § 47 Abs. 1 BImSchG dahingehend, dass neben unmittelbar betroffenen natürlichen Personen auch Umweltverbände das Recht haben, die Einhaltung der zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts zu verlangen, ist durch Art. 23 RL 2008/50/EG und Art. 9 Abs. 3 AK geboten. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 8. März 2011 in Bezug auf Sachverhalte, die - wie hier die Aufstellung von Luftreinhalteplänen - dem Unionsrecht unterliegen, für Umweltverbände einen weiten Zugang zu Gericht gefordert; er hat dies damit begründet, dass der "Schutz der den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte" gewährleistet werden müsse (a.a.O. Rn. 48, 51). Ausgehend hiervon müssen sich die Klagerechte, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 25. Juli 2008 (a.a.O.) auf dem Gebiet der Luftreinhaltung anerkannt hat, auch auf Umweltverbände erstrecken. Eine grundsätzliche Verneinung derartiger Rechte von Umweltverbänden wäre zudem, wie oben dargelegt, unvereinbar mit der Spruchpraxis des Compliance Committee zu Art. 9 Abs. 3 AK.

49

Weder das Unionsrecht noch Art. 9 Abs. 3 AK verlangen jedoch, jedem Umweltverband ein Recht auf Einhaltung der zwingenden Vorschriften bei Aufstellung eines Luftreinhalteplans zu gewähren. Umweltverbände können - nicht anders als natürliche Personen - Träger von materiellen subjektiven Rechten nur sein, wenn sie Teil nicht nur der allgemeinen Öffentlichkeit, sondern der "betroffenen Öffentlichkeit" sind. Als "betroffene Öffentlichkeit" definieren Art. 2 Nr. 5 AK und - für die Umweltverträglichkeitsprüfung - inhaltlich entsprechend Art. 3 Nr. 1 RL 2003/35/EG die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran; im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben nichtstaatliche Organisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse (siehe auch Art. 2 Abs. 3 RL 2003/35/EG). Diese Vereinigungen sollen sich die öffentlichen Belange des Umweltschutzes zum eigenen Anliegen machen können.

50

Welche Voraussetzungen ein Umweltverband nach innerstaatlichem Recht erfüllen muss, um berechtigt zu sein, sich die Belange des Umweltschutzes bei Aufstellung eines Luftreinhalteplans zum eigenen Anliegen zu machen, ist nicht ausdrücklich geregelt. § 3 UmwRG regelt lediglich, welche Umweltverbände Rechtsbehelfe nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz einlegen können. Dieser Vorschrift ist jedoch die Grundentscheidung zu entnehmen, dass nur die nach dieser Vorschrift anerkannten Umweltverbände berechtigt sein sollen, vor Gericht geltend zu machen, dass dem Umweltschutz dienende Rechtsvorschriften verletzt worden seien. Auch die Mitwirkungsrechte und Rechtsbehelfsbefugnisse nach §§ 63, 64 BNatSchG sind an die Anerkennung nach § 3 UmwRG geknüpft. Ein normativer Anhaltspunkt dafür, dass bei Aufstellung von Luftreinhalteplänen das grundsätzlich auch Umweltverbänden eingeräumte Recht, die Einhaltung der zwingenden Vorschriften des Luftqualitätsrechts zu verlangen, an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein könnte, sind nicht ersichtlich.

51

3. Im Übrigen beruht das angegriffene Urteil nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts.

52

a) Zu Unrecht rügt der Beklagte eine unzulässige Antragstellung.

53

Auch dieser Rüge steht § 134 Abs. 4 VwGO nicht entgegen. Denn die Frage, ob der Antrag angesichts des Rechtsschutzbegehrens hinreichend bestimmt ist, kann nur vor dem Hintergrund des geltend gemachten materiellen Anspruchs beantwortet werden.

54

Das Erfordernis eines bestimmten Klageantrags ist in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO als bloße Sollvorschrift ausgestaltet; ihm muss aber mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (§ 103 Abs. 3 VwGO) genügt werden. In einem bestimmten Antrag, der aus sich selbst heraus verständlich sein muss, sind Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes zu benennen. Damit wird der Streitgegenstand festgelegt und der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgesteckt sowie dem Beklagten eine präzise Verteidigung erlaubt. Schließlich soll aus einem dem Klageantrag stattgebenden Urteil eine Zwangsvollstreckung zu erwarten sein, die das Vollstreckungsverfahren nicht unter Fortsetzung des Streits mit Sachfragen überfrachtet (vgl. Ortloff/Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 82 Rn. 7 ff.; Foerste, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl. 2013, § 253 Rn. 29, jeweils m.w.N.). Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalles ab.

55

Hiernach entspricht die Antragstellung dem Bestimmtheitserfordernis. Die vom Beklagten bemängelte Benennung allein des durch die Ergänzung des Luftreinhalteplans zu erreichenden Ziels spiegelt die planerische Gestaltungsfreiheit wider, die das Gesetz der Behörde einräumt (Beschlüsse vom 29. März 2007 - BVerwG 7 C 9.06 - BVerwGE 128, 278 Rn. 26 f. = Buchholz 451.91 Europ UmweltR Nr. 27 und vom 11. Juli 2012 - BVerwG 3 B 78.11 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 49 Rn. 11). Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage nicht von sonstigen Fallkonstellationen, in denen nur ein Erfolg geschuldet wird, während die Wahl der geeigneten Maßnahmen Sache des Schuldners bleibt; auch dann genügt die Angabe dieses Erfolgs (vgl. Foerste, a.a.O. Rn. 32).

56

Der Vollstreckungsfähigkeit des stattgebenden Urteils wird dadurch Rechnung getragen, dass die Entscheidung hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen im Sinne eines Bescheidungsurteils verbindliche Vorgaben machen kann, die im Vollstreckungsverfahren zu beachten sind.

57

b) Ohne Rechtsverstoß hat das Verwaltungsgericht als Grundlage seines Entscheidungsausspruchs festgestellt, dass der Beklagte seinen Verpflichtungen aus § 47 Abs. 1 BImSchG, deren Erfüllung der Kläger einfordern kann, mit dem bestehenden Luftreinhalteplan noch nicht nachgekommen ist.

58

aa) Der in Anlage 11 Abschnitt B der 39. BImSchV genannte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid, der ab dem 1. Januar 2010 einzuhalten ist, wird an mehreren Orten im Stadtgebiet überschritten. Nach § 47 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 27 der 39. BImSchV hat der Beklagte in dieser Situation einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung der Luftverunreinigungen festlegt. Diese Maßnahmen müssen nach § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.

59

§ 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG normiert in Übereinstimmung mit Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 RL 2008/50/EG eine zeitliche Vorgabe für die Erreichung des in § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG festgelegten Ziels der Einhaltung der Grenzwerte. Die Schadstoffbelastung der Luft soll im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes möglichst schnell auf das ausweislich des Immissionsgrenzwerts als noch zumutbar erachtete Ausmaß zurückgeführt werden. An diesem Minimierungsgebot muss sich die Entscheidung der Behörde ausrichten; es ist zugleich rechtlicher Maßstab für die angesichts der Gestaltungsspielräume der Behörde eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. Das Gebot, die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte möglichst schnell zu beenden, fordert eine Bewertung der zur Emissionsminderung geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen gerade im Hinblick auf eine zeitnahe Verwirklichung der Luftqualitätsziele. Daraus kann sich eine Einschränkung des planerischen Ermessens ergeben, wenn allein die Wahl einer bestimmten Maßnahme eine baldige Einhaltung der Grenzwerte erwarten lässt (vgl. Köck/Lehmann, a.a.O. S. 70 f.). Auch insoweit wird aber nicht vorausgesetzt, dass die zu ergreifenden Maßnahmen auf einen Schlag zur Zielerreichung führen; vielmehr kann auch hier - nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes - ein Vorgehen in mehreren Stufen vorgesehen werden (Köck/Lehmann, a.a.O. S. 71). Dem trägt das Verwaltungsgericht dadurch Rechnung, dass es im Entscheidungsausspruch nicht zu einer sofortigen, sondern ausdrücklich nur zur schnellstmöglichen Zielerreichung verpflichtet.

60

bb) Der Beklagte kann sich zur Stützung seiner abweichenden Rechtsauffassung, wonach es schon ausreiche, dass ein Luftreinhalteplan die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte jedenfalls schrittweise anstrebe, auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 25. Juli 2008 in der Rechtssache C-237/07, nicht berufen. Denn diese Entscheidung ist zu einer insoweit anderen Rechtslage ergangen. Sie bezieht sich auf Aktionspläne nach Art. 7 Abs. 3 RL 96/62/EG. Abgesehen von der unterschiedlichen Zielsetzung von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen bzw. Plänen für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen ist in der genannten Vorschrift im Unterschied zu Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 RL 2008/50/EG der ausdrückliche Hinweis auf die Eignung der zu ergreifenden Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des Grenzwerts nicht enthalten; die Maßnahmen sollen nach Art. 7 Abs. 3 RL 96/62/EG lediglich dazu dienen, die Gefahr der Überschreitung zu verringern und die Dauer der Überschreitung zu beschränken. Der Europäische Gerichtshof hat aus dem Aufbau der Richtlinie die Verpflichtung der Mitgliedstaaten entnommen, Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Dauer der Überschreitung unter Berücksichtigung aller Umstände auf ein Minimum zu reduzieren (Urteil vom 25. Juli 2008 a.a.O. Rn. 45). Wenn hiernach auch insoweit ein Minimierungsgebot gilt, ist der Entscheidung nicht etwa zu entnehmen, dass die Möglichkeit zur schrittweisen Erreichung der Grenzwerte voraussetzungslos eingeräumt sein soll. Vielmehr muss sich die Maßnahme auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Moments rechtfertigen lassen.

61

c) Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die Einrichtung einer Umweltzone als eine Maßnahme eingeordnet hat, die bei der Aufstellung des Luftreinhalteplans zu berücksichtigen ist.

62

Soweit sich der Beklagte gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Geeignetheit der Umweltzone zur Erreichung des Luftqualitätsziels einer Verminderung der NO2-Belastung wendet, richtet er sich letztlich gegen die tatrichterlichen Feststellungen und Annahmen, gegen die nach § 134 Abs. 4 VwGO wirksame Verfahrensrügen nicht erhoben werden können. Mängel der Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die als materiell-rechtliche Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO einzuordnen wären, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

63

Schließlich hat das Verwaltungsgericht bei der Prüfung, ob sich die Einrichtung einer Umweltzone als unverhältnismäßig im engeren Sinne darstellen könnte, keine unzutreffenden rechtlichen Maßstäbe angelegt. Es hat zu Recht die betroffenen rechtlich geschützten Interessen gegenübergestellt und abgewogen. Der Bewältigung besonderer Härten trägt die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 der Fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV) vom 10. Oktober 2006 (BGBl I S. 2218) Rechnung.

64

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

In den Fällen der §§ 169, 170 Abs. 1 bis 3 bedarf es einer Vollstreckungsklausel nicht.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts wegen einer Geldforderung vollstreckt werden, so verfügt auf Antrag des Gläubigers das Gericht des ersten Rechtszugs die Vollstreckung. Es bestimmt die vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen und ersucht die zuständige Stelle um deren Vornahme. Die ersuchte Stelle ist verpflichtet, dem Ersuchen nach den für sie geltenden Vollstreckungsvorschriften nachzukommen.

(2) Das Gericht hat vor Erlaß der Vollstreckungsverfügung die Behörde oder bei Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, gegen die vollstreckt werden soll, die gesetzlichen Vertreter von der beabsichtigten Vollstreckung zu benachrichtigen mit der Aufforderung, die Vollstreckung innerhalb einer vom Gericht zu bemessenden Frist abzuwenden. Die Frist darf einen Monat nicht übersteigen.

(3) Die Vollstreckung ist unzulässig in Sachen, die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffentliches Interesse entgegensteht. Über Einwendungen entscheidet das Gericht nach Anhörung der zuständigen Aufsichtsbehörde oder bei obersten Bundes- oder Landesbehörden des zuständigen Ministers.

(4) Für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute gelten die Absätze 1 bis 3 nicht.

(5) Der Ankündigung der Vollstreckung und der Einhaltung einer Wartefrist bedarf es nicht, wenn es sich um den Vollzug einer einstweiligen Anordnung handelt.

(1) Die Zwangsvollstreckung wird auf Grund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (vollstreckbare Ausfertigung) durchgeführt.

(2) Die vollstreckbare Ausfertigung wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges erteilt. Ist der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig, so kann die vollstreckbare Ausfertigung auch von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erteilt werden.

Tenor

Unter entsprechender Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21. September 2010 – 5 N 580/10 – wird dem Vollstreckungsschuldner ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,-- Euro für den Fall angedroht, dass er bis zum 15. Februar 2011 keine Maßnahmen zur Erfüllung der ihm durch das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. September 2008 ergangene Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes – 2 A 4/08 – auferlegten Verpflichtungen gegenüber dem Beigeladenen ergreift.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Vollstreckungsschuldner und der Beigeladene je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und unter entsprechender Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung in dem vorbezeichneten Beschluss von Amts wegen auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21.9.2010 ist auch begründet.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hat der Vollstreckungsgläubiger einen Anspruch darauf, dass der Vollstreckungsschuldner gemäß § 172 VwGO durch Androhung eines Zwangsgeldes zur Erfüllung der ihm durch Senatsurteil vom 18.9.2008 – 2 A 4/08 – auferlegten Verpflichtung angehalten wird. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt. Das vorbezeichnete Senatsurteil, mit dem dem Vollstreckungsschuldner als Beklagtem des damaligen Rechtsstreits (wörtlich) aufgegeben wird:

„…, der Beigeladenen die Nutzung des auf dem Grundstück A-Straße in A-Stadt im Grenzbereich zum Anwesen C-Straße befindlichen Schornsteins zu untersagen“,

ist - versehen mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung – dem Vollstreckungsschuldner am 31.10.2008 und den übrigen Beteiligten bereits am 23.10.2008 zugestellt worden und hat – nachdem keiner der Beteiligten innerhalb der Rechtsmittelfrist Beschwerde gegen die in ihm ausgesprochene Nichtzulassung der Revision erhoben hat - Rechtskraft erlangt. Ein Vollstreckungstitel im Verständnis von § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO liegt mithin vor, der den Beteiligten im Amtsbetrieb zugestellt worden ist. Mittlerweile – mit Schriftsatz vom 16.12.2010 – hat der Vollstreckungsgläubiger auch eine mit Vollstreckungsklausel versehene Kopie dieses Senatsurteils zu den Akten des vorliegenden Vollstreckungsverfahrens gereicht, so dass auch von der Erfüllung der Anforderungen der §§ 167 Abs. 1 VwGO, 724, 725 ZPO auszugehen ist. Im Übrigen neigt der Senat zu der Ansicht, dass es in den Fällen des § 172 VwGO in entsprechender Anwendung von § 171 VwGO einer vollstreckbaren Ausfertigung des zu vollstreckenden Verpflichtungstitels nicht bedarf. Zwar weist der Beigeladene zutreffend darauf hin, dass die Regelung des § 171 VwGO nach ihrem Wortlaut für die Fälle der §§ 169 und 170 Abs. 1 bis 3 VwGO eine Vollstreckungsklausel für entbehrlich erklärt, die Fälle des anschließenden § 172 VwGO jedoch gerade nicht einbezieht, wobei das Gewicht dieses hieraus gegen die erweiternde Auslegung von § 171 VwGO abgeleiteten systematischen Arguments noch durch den Umstand verstärkt wird, dass der Gesetzgeber in – hier zu unterstellender – Kenntnis des Meinungsstreits über die Zulässigkeit einer solchen Auslegung bislang keine Veranlassung gesehen hat, die betreffende Vorschrift – zum Beispiel im Zuge einer der Novellen zur Verwaltungsgerichtsordnung – zu ändern. Auf der anderen Seite betreffen jedoch auch die Fälle der §§ 169 sowie 170 Abs. 1 bis 3 VwGO Konstellationen, in denen entweder der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszugs oder das Gericht des ersten Rechtszugs selbst Vollstreckungsbehörde ist. Von daher erscheint es in den Fällen des § 172 VwGO ebenso wenig wie in den in § 171 VwGO ausdrücklich angesprochenen Fällen sinnvoll, vom Vollstreckungsgläubiger zu verlangen, dem Gericht eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels vorzulegen, den ihm dieses Gericht selbst oder allenfalls noch die Rechtsmittelinstanz zuvor erteilt hat. Das dürfte es rechtfertigen, auch in den Fällen des § 172 VwGO die Bestimmung des § 171 VwGO entsprechend anzuwenden

so OVG Münster, Beschluss vom 10.7.2006 – 8 E 91/06 – NVwZ – RR 2007, 140 m.w.N; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 171 Rdnr. 12; anderer Ansicht freilich Bader u.a., VwGO, § 171 Rdnr. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 171 Rdnr. 1.

Das bedarf indes aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner abschließenden Klärung, da – wie bereits angesprochen – dem Vollstreckungsgläubiger mittlerweile eine vollstreckbare Ausfertigung des Senatsurteils vom 18.9.2009 seitens des Verwaltungsgerichts erteilt worden ist, die er dann wiederum im vorliegenden Beschwerdeverfahren in beglaubigter Kopie vorgelegt hat.

Sind danach die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt, so ist ferner festzustellen, dass der Vollstreckungsschuldner der ihm im Senatsurteil vom 18.9.2008 – 2 A 4/08 – auferlegten Verpflichtung nicht (vollständig) nachgekommen ist. Erforderlich ist insoweit eine grundlose Säumnis des Vollstreckungsschuldners, wobei es freilich nicht darauf ankommt, ob ihn ein Verschulden trifft. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Allerdings hat der Vollstreckungsschuldner vorliegend, nachdem er nach Rechtskräftigwerden des Urteils zunächst einmal rund ein Jahr untätig geblieben war, wenn auch auf Drängen des Vollstreckungsgläubigers entsprechend dem Tenor des zu vollstreckenden Senatsurteils mit Bescheid vom 11.1.2010 ein Nutzungsverbot betreffend den umstrittenen Schornstein auf dem Anwesen des Beigeladenen verfügt, außerdem für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung innerhalb der gesetzten Frist ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,-- Euro angedroht und aufschiebend bedingt festgesetzt sowie ferner – nachdem der Beigeladene gegen die Verfügung vom 11.1.2010 Widerspruch erhoben hat – unter dem 9.6.2010 – wiederum auf Drängen des Vollstreckungsgläubigers – die sofortige Vollziehbarkeit dieses Nutzungsverbotes angeordnet. Auch entspricht es der den Beteiligten mit Verfügung vom 3.12.2010 mitgeteilten bisherigen Rechtsprechung des Senats

vgl. Beschluss vom 22.3.1985 – 2 W 419/85 – NVwZ 1986, 763,

dass in Fallgestaltungen, in denen sich die zu vollstreckende Entscheidung nach ihrem Wortlaut darauf beschränkt, der Behörde den Erlass einer bauaufsichtsbehördlichen Anordnung – einer Beseitigungsanordnung oder wie hier eines Nutzungsverbotes – aufzugeben, die behördliche Verpflichtung nicht auch die Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung dieser Verfügung einschließt. Zur Begründung ist in dem zitierten Beschluss vom 22.3.1985 ausgeführt, es entspreche einem vollstreckungsrechtlichen Grundsatz, dass im Wege der Zwangsvollstreckung nur solche Handlungen erzwungen werden könnten, die eindeutig Gegenstand des Verpflichtungsausspruches seien. Zum anderen wird die Ansicht vertreten, die Verbindung der Verpflichtung zum Erlass einer bauaufsichtlichen Anordnung mit der Verpflichtung zu ihrer Vollstreckung führte zu einem unzulässigen Entscheidungsinhalt, da die Durchsetzung der bauaufsichtlichen Maßnahme einen Verstoß des Verpflichteten gegen die ihm auferlegte Verhaltenspflicht voraussetze und der Behörde dann bei der Bestimmung des Zwangsmittels Ermessen zustehe.

An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung nicht mehr fest. Zum einen muss gesehen werden, dass die Verpflichtung der Behörde zum Erlass einer bauaufsichtlichen Anordnung im Baunachbarstreit voraussetzt, dass ein Verstoß gegen (auch) den Schutz des – rechtsmittelführenden – Nachbarn bezweckende Vorschriften des öffentlichen Rechts festgestellt wird und die bauaufsichtliche Anordnung, deren Erlass der Behörde im Verpflichtungsurteil aufgegeben wird, letztlich nur das Mittel bestimmt, mit dem der festgestellte Rechtsverstoß zu beseitigen ist. Geht es danach im Ergebnis um die Beseitigung einer festgestellten Rechtsverletzung beziehungsweise um die Herstellung eines nachbarrechtskonformen Zustandes, so kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass es mit dem Erlass der der Behörde aufgegebenen Maßnahme nicht sein Bewenden haben kann, wenn der Inanspruchgenommene der in Befolgung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung getroffenen Anordnung nicht Folge leistet. Dies lässt sich den Gründen der zu vollstreckenden Entscheidung entnehmen, auf die auch in anderen Fällen – zum Beispiel bei Bescheidungsurteilen – zurückgegriffen werden muss, um die Reichweite der behördlichen Verpflichtung zu bestimmen

vgl. zum Beispiel OVG Münster, Beschluss vom 20.2.1992 – 10 E 1357/91 – NVwZ-RR 1992, 518.

Im Übrigen hat dies offenbar auch der Vollstreckungsschuldner so gesehen, der das von ihm mit Bescheid vom 11.1.2010 ausgesprochene Nutzungsverbot mit der Androhung und aufschiebend bedingten Festsetzung eines Zwangsgeldes für den Fall der Nichtbefolgung bewehrt und – nach Erhebung des Widerspruchs des Beigeladenen – den Sofortvollzug angeordnet hat. Dass der Verbindung von Verpflichtung zum Erlass einer Ordnungsverfügung mit der Verpflichtung zu ihrer zwangsweisen Durchsetzung im Falle der Nichtbefolgung nicht per se durchgreifende prozessuale Hindernisse entgegen stehen, wird auch von Vertretern der Literatur angenommen, die es ablehnen, in der Verpflichtung zum Erlass einer bauaufsichtlichen Anordnung zugleich die Verpflichtung ihrer Erzwingung zu sehen

vgl. zum Beispiel Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 113 Rdnr. 177, 189, zur Zulässigkeit einer Stufenklage analog § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO beziehungsweise § 113 Abs. 4 VwGO.

Der gerichtlichen Verpflichtung, die der Behörde bei der Anwendung von Verwaltungszwang zustehenden Ermessensspielräume zu respektieren, kann im Rahmen der Vollstreckung eines Verpflichtungsurteils nach § 172 VwGO bei der Beurteilung des Erfordernisses der – grundlosen – Säumigkeit der Behörde Rechnung getragen werden. Diese Notwendigkeit ergäbe sich im Übrigen in gleicher Weise, wenn es um die Vollstreckung eines – im Wege der Stufenklage erstrittenen - Urteils ginge, das im zweiten Schritt zur Durchsetzung der der Behörde aufgegebenen Anordnung verpflichtete, oder um die Vollstreckung einer Entscheidung in einem nach Nichtbefolgung der auf ein Verpflichtungsurteil hin ergangenen bauaufsichtsbehördlichen Anordnung durchgeführten weiteren - selbstständigen – Klageverfahren mit dem Ziel, die Behörde zur zwangsweisen Durchsetzung der im Erstprozess erstrittenen Anordnung anzuhalten

vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, § 113 Rdnr. 189; sowie im Übrigen Beschluss des Senats vom 7.9.1988 – 2 R 422/86 – betreffend die Verpflichtung zur Anwendung der Ersatzvornahme zur Durchsetzung einer nach fruchtloser Zwangsgeldfestsetzung weiterhin nicht befolgten in einem früheren Verfahren (1982) erstrittenen Beseitigungsanordnung.

Der der letztgenannten Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt macht im Übrigen deutlich, dass die Verweisung des Nachbarn auf ein gesondertes Erkenntnisverfahren, um die Verpflichtung der Behörde zur zwangsweisen Durchsetzung einer zuvor in einem – unter Umständen mehrjährigen – Rechtsstreit erstrittenen, aber nicht befolgten bauaufsichtlichen Anordnung zu erlangen, mit dem Gebot der effektiven Rechtsschutzgewährung (Art. 19 Abs. 4 GG) allenfalls schwer zu vereinbaren sein dürfte.

Umfasst danach die durch das Senatsurteil vom 18.9.2008 – 2 A 4/08 – begründete Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners nicht nur den Erlass des letztlich unter dem 11.1.2010 verfügten Nutzungsverbotes gegenüber dem Beigeladenen, sondern auch dessen zwangsweise Durchsetzung, so hat der Vollstreckungsschuldner diesen – zweiten – Teil seiner Verpflichtung ungeachtet des Umstandes, dass er das Nutzungsverbot für den Fall der Nichtbefolgung innerhalb der gesetzten Frist mit der Androhung und – aufschiebend bedingten – Festsetzung eines Zwangsgeldes bewehrt und seine Anordnung – nach Widerspruchserhebung – für sofort vollziehbar erklärt hat, ohne hinreichende Rechtfertigung nicht vollständig erfüllt. Denn der Vollstreckungsschuldner hat vorliegend, nachdem der Beigeladene in Absprache mit ihm den umstrittenen, von dem Nutzungsverbot erfassten Schornstein mittels eines Edelstahlrohrs erhöht und Bescheinigungen des zuständigen Bezirksschornsteinfegermeisters vorgelegt hat, wonach die Schornsteinmündung nunmehr 40 cm über First des vorgelagerten Wohngebäudes liege und dem Betreiben der Feuerstätte zugestimmt werde (Bescheinigung über die sichere Benutzbarkeit der Feuerungsanlage sowie über die Tauglichkeit und sichere Benutzbarkeit gemäß § 41 Abs. 6 und § 79 Abs. 2 LBO), von weiteren Maßnahmen zur Durchsetzung des Nutzungsverbotes Abstand genommen und dem Beigeladenen mitgeteilt, seine Verfügung vom 11.1.2010 und die Anordnung vom 9.6.2010 hätten sich erledigt (Schreiben vom 13.7.2010 an den Beigeladenen).

In der Erhöhung und Führung des umstrittenen Schornsteines über Fristhöhe liegt indes keine – im Verfahren nach § 172 VwGO freilich prinzipiell beachtliche - Erfüllung des Senatsurteils vom 18.9.2008. Denn die in diesem Urteil ausgesprochene Verpflichtung gibt als Mittel zur Beseitigung der festgestellten Verletzung von Rechten des Vollstreckungsgläubigers gerade den Erlass eines Nutzungsverbotes und – erforderlichenfalls – dessen zwangsweise Durchsetzung vor. Vorliegend wird der Schornstein – wenn auch in seiner geänderten Ausführung – gerade weiterbetrieben. Allenfalls handelt es sich bei der Erhöhung des Schornsteins um eine Beseitigung des Rechtsverstoßes „auf andere Weise“, nämlich durch Herstellung eines nunmehr nachbarrechtskonformen „aliud“. Die Herstellung eines „aliud“, das heißt die Änderung der beanstandeten baulichen Anlage kann zwar unter dem Gesichtspunkt eines zulässigen Austauschmittels einen dem Nutzungsverbot gleichwertigen Weg zur Beseitigung des Rechtsverstoßes darstellen. Bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der zu vollstreckenden Entscheidung handelt es sich jedoch dann um eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage, die nach wohl überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, nicht mit Erfolg im Verfahren nach § 172 VwGO eingewandt werden kann, sondern vom Vollstreckungsschuldner mittels einer Vollstreckungsgegenklage (§§ 167 Abs. 1 VwGO, 767 ZPO) geltend zu machen ist, die erforderlichenfalls mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß den §§ 167 Abs. 1 VwGO, 769 ZPO verbunden werden kann

vgl. zum Beispiel Kopp/Schenke a.a.O, § 172 Rdnr. 8; Bader u.a., VwGO, 4. Auflage 2007, § 172 Rdnr. 12; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand 2010, § 172 VwGO Rdnr. 54-58; BVerwG, Beschluss vom 21.12.2001 – 2 AV 3/01 – zitiert nach Juris; OVG Münster, Beschluss vom 15.6.2010 – 13 E 201/10 – NVwZ-RR 2010, 750; OVG Lüneburg, Beschluss vom 10.12.1973 – I B 155/73 – NJW 1974, 918; anderer Ansicht möglicherweise OVG Münster, Beschluss vom 13.2.1997 – 10 E 45/97 – zitiert nach Juris, das sich mit der Frage befasst, ob nach – im entschiedenen Fall verneinter – Änderung der Identität der baulichen Anlage ein neuer Titel erforderlich wird.

Wäre der Einwand der gegenüber dem Titel erheblichen nachträglichen Veränderungen der Sach- und/oder Rechtslage im Verfahren nach § 172 VwGO beachtlich, würde ein etwaiger und auch hier entstandener Streit darüber, ob durch die Erhöhung des Schornsteins wirklich eine gegenüber der titulierten Verpflichtung durchgreifende Änderung der Sach- und/oder Rechtslage herbeigeführt wurde, das heißt vorliegend, ob die vorgenommene Schornsteinerhöhung ein gleichermaßen taugliches Mittel zur Behebung des der ausgesprochenen Verpflichtung zugrundeliegenden Nachbarrechtsverstoßes darstellt wie das dem Vollstreckungsschuldner aufgegebene Nutzungsverbot, von der Vollstreckungsgegenklage, mit deren Erhebung ein Erkenntnisverfahren zur Überprüfung der Berechtigung des Einwandes einer gegenüber dem Titel durchgreifenden nachträglichen Veränderung der Verhältnisse eingeleitet wird, auf ein hierfür allenfalls nur begrenzt taugliches Beschlussverfahren verlagert und letztlich dem Nachbarn, der nach der gerichtlichen Feststellung in den Entscheidungsgründen des Verpflichtungsurteils in seinen Rechten verletzt ist, angesonnen, von neuem gegen das geänderte Vorhaben vorzugehen, wenn er die Tauglichkeit des Austauschmittels bestreitet. Das wäre mit der prinzipiell vorgesehenen prozessualen Rollenverteilung nicht zu vereinbaren, nach der es Sache des Vollstreckungsschuldners ist, eine beachtliche Veränderung der Sach- und Rechtslage mittels der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen. Ob etwas anderes ausnahmsweise in Fallgestaltungen zu gelten hat, in denen die Tauglichkeit des Austauschmittels offenkundig ist – zum Beispiel wenn der mit dem Nutzungsverbot belegte Schornstein beseitigt worden wäre -, kann dahinstehen. Eine solche Situation ist hier nicht gegeben: Der Vollstreckungsgläubiger stellt sowohl die realisierte Schornsteinhöhe als auch – mit Blick auf den Standort des Schornsteins im Bereich eines Anbaus „hinter“ den Hauptgebäuden der privaten Beteiligten – auch die Eignung dieser Maßnahme in Frage. Auch wenn nach dem derzeitigen Erkenntnisstand wenig dafür spricht, dass ein solches pauschales Bestreiten gegenüber den Bestätigungen des sachkundigen Bezirksschornsteinfegermeisters zum Erfolg führen wird, kann nach dem Erkenntnisstand des vorliegenden Verfahrens nicht im Sinne von Offensichtlichkeit von der Tauglichkeit des Austauschmittels ausgegangen werden, und ist kein Raum für eine gegebenenfalls erforderliche weitere Sachaufklärung. Im Übrigen ist zu bemerken, dass die Feststellung eines Rechtsverstoßes zum Nachteil des Antragstellers im Senatsurteil vom 18.9.2008 – 2 A 4/08 – unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen das in § 34 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung erfolgt ist, in der die seinerzeit vorhandene – unzureichende – Schornsteinhöhe nur ein Element, wenn auch ein wesentliches, darstellte. Die nunmehr erfolgte Erhöhung des Schornsteines mit dem Ziel, unzumutbare Auswirkungen seines Betriebes auf das Anwesen des Vollstreckungsgläubigers zu verhindern, geht hier einher mit einer ebenfalls zu bewertenden Verstärkung des Eingriffes in die Abstandsflächenfunktionen, weil die unmittelbar an der Nachbargrenze stehende Anlage nunmehr deutlich höher ist. Auch das zeigt, dass für eine abschließende Beurteilung der Tauglichkeit des gewählten Austauschmittels im vorliegenden Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO kein Raum ist. Der Vollstreckungsschuldner ist daher darauf zu verweisen, den Einwand, in der Schornsteinerhöhung liege ein dem ihm aufgegebenen Nutzungsverbot entsprechendes Austauschmittel zur Behebung der im Senatsurteil vom 18.9.2008 – 2 A 4/08 – beanstandeten Rechtsverletzung zum Nachteil des Vollstreckungsgläubigers mit der Vollstreckungsgegenklage und – gegebenenfalls – einem damit verbundenen Anordnungsantrag nach den §§ 167 Abs. 1 VwGO, 769 ZPO geltend zu machen. Bis zu einer auf diesem Weg ergehenden Entscheidung, unter Umständen einer Anordnung nach § 769 ZPO, bleibt er zur Durchsetzung des Nutzungsverbotes verpflichtet und bleibt das Senatsurteil vom 18.9.2008 prinzipiell vollstreckbar. Das bedeutet, dass der Vollstreckungsschuldner gehalten ist, Maßnahmen zur Durchsetzung des von ihm unter dem 11.1.2010 verfügten Nutzungsverbots zu ergreifen oder wenn er der Ansicht sein sollte, in seinem – nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen – Schreiben vom 13.7.2001 liege eine Aufhebung des Nutzungsverbotes vom 11.1.2010 und der dazu ergangenen Vollzugsanordnung oder eine verbindliche, der Bestandskraft fähige Zusicherung, dass diese Anordnung nicht mehr durchgesetzt werde, so bleibt er verpflichtet, das ihm aufgegebene Nutzungsverbot erneut zu erlassen und erforderlichenfalls durchzusetzen, sofern nicht der Vollstreckungsgläubiger die im Schreiben vom 13.7.2010 unter Umständen getroffene Regelung durch Widerspruchserhebung suspendiert.

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass der Beigeladene hierdurch nicht rechtsschutzlos gestellt wird. Ist der Vollstreckungsschuldner nach dem vorbezeichneten Senatsurteil verpflichtet, das Nutzungsverbot im Wege des Verwaltungszwanges durchzusetzen, so hat der Beigeladene grundsätzlich die Möglichkeit, gegen Maßnahmen des Verwaltungszwanges (auch) gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Im Falle einer auf diesem Wege erwirkten - gegebenenfalls auch vorläufigen – gerichtlichen Einstellung der Zwangsvollstreckung könnte dem Vollstreckungsschuldner keine grundlose Säumnis im Verständnis von § 172 VwGO angelastet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene, der ebenfalls einen Antrag gestellt hat und (mit-) unterlegen ist, ist an den Verfahrenskosten zu beteiligen. Es besteht keine Veranlassung, seine außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52, 63 Abs. 2 GKG, wobei es der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes entspricht, für das Vollstreckungsverfahren den Streitwert zum Ansatz zu bringen, der im Erkenntnisverfahren festgesetzt worden ist.

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 21.2.2001 – 1 Y 5/01 -.

Der danach maßgebliche Streitwert von 5.000,-- Euro ist sowohl im Beschwerdeverfahren als auch in Anwendung von § 63 Abs. 3 GKG unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Streitwertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren festzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Dem Antragsgegner wird für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zustellung dieses Beschlusses nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,- Euro angedroht.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein anerkannter Umweltschutzverband, begehrt die Vollstreckung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046), durch das der Antragsgegner zur Änderung des für die Landeshauptstadt München geltenden Luftreinhalteplans verpflichtet wurde.

Für das Gebiet der Landeshauptstadt München wurde erstmals am 28. Dezember 2004 ein Luftreinhalteplan aufgestellt. Auf diesen Plan und seine Datengrundlage beziehen sich die 1. Fortschreibung vom Oktober 2007, die 2. Fortschreibung vom August 2008 und die 4. Fortschreibung vom September 2010. Die 3. Fortschreibung vom April 2012 beinhaltet eine Beteiligung des Umlandes.

Auf die am 1. März 2012 erhobene Klage des Antragstellers wurde der Antragsgegner mit seit 8. April 2014 rechtskräftigem Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) verpflichtet, den für München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 μg/cbm, des über eine volle Stunde gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 200 μg/cbm bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 von 50 μg/cbm bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von München enthält. Bezüglich der Begründung wird auf das Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046 - juris) verwiesen.

Im Mai 2014 trat die 5. Fortschreibung, im Dezember 2015 die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für das Gebiet der Landeshauptstadt München in Kraft.

Mit am 18. November 2015 erhobenen Antrag beantragt der Antragsteller,

dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Erfüllung der aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) resultierenden Verpflichtungen unter Fristsetzung ein angemessenes Zwangsgeld von bis zu zehntausend Euro anzudrohen,

hilfsweise, gegen das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Erfüllung der im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) resultierenden Verpflichtungen ein angemessenes Zwangsgeld festzusetzen.

Der Antrag sei zulässig und begründet. Der Antragsgegner habe die ihm mit rechtskräftigem Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegte Verpflichtung bisher nicht erfüllt. Der Antragsgegner selbst stelle eine negative Immissionsprognose auf und peile von vornherein eine Grenzwerteinhaltung erst für frühestens 2025 bzw. 2030 an. Es seien in München eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Reduzierung der Luftverunreinigung vorhanden, die nicht in die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommen worden seien.

Der Antragsgegner beantragt,

den Vollstreckungsantrag abzulehnen.

Der Antrag sei schon unzulässig, da konkrete Maßnahmen erreicht werden sollten, die durch die Entscheidung vom 9. Oktober 2012 nicht vorgegeben seien. Das zu vollstreckende Urteil enthalte keinen vollstreckbaren Tenor, es sei zu unbestimmt. Es werde auf die zwischenzeitlich in Kraft getretenen 5. und 6. Fortschreibungen des Luftreinhalteplans verwiesen. Letztlich könne nur auf europäischer Ebene eine Lösung der Probleme erreicht werden.

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie trägt vor, dass § 172 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht anwendbar und das Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht vollstreckbar sei.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 10. Mai 2016 sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 172 VwGO hat Erfolg. Es bedarf daher keiner Entscheidung über den Hilfsantrag.

Der Antrag des Antragstellers nach § 172 VwGO ist zulässig (1.), Vollstreckungsschuldner ist der Antragsgegner (2.). Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor (3.).

1. Der Antrag nach § 172 VwGO ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

a) Grundlage für die beantragte Vollstreckungsmaßnahme ist § 172 VwGO. Hiernach kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken, wenn sie in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt.

§ 172 VwGO ist auch für Vollstreckungen aus dem zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans verpflichtenden Urteil anwendbar. Denn § 172 VwGO umfasst auch die Erzwingung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen, mit denen die öffentliche Hand eine dem Erlass eines Verwaltungsakts vergleichbare, allein ihr vorbehaltene spezifisch hoheitliche Regelungsbefugnis in Anspruch nimmt (Kraft in ::0::Rn. 4). Dies ist bei Erlass eines Luftreinhalteplans i. S. d. § 47 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) der Fall. Überdies wäre eine Heranziehung der Regelungen der §§ 883 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 167 Abs. 1 VwGO in der vorliegenden Verpflichtungskonstellation nicht sachgerecht.

b) Soweit im Stadtgebiet München keine Überschreitung der Grenzwerte für PM10 (mehr) gegeben ist, macht dieser Umstand - anders als der Antragsgegner meint - den vorliegenden Antrag nicht insoweit unzulässig. Denn Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens ist, ob die Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 insgesamt befolgt wurde. Es können nicht einzelne Aspekte des Tenors herausgegriffen werden, sondern es ist insgesamt zu prüfen, ob der für München geltende Luftreinhalteplan so geändert wurde, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10) enthält. Ist dies der Fall, so ist der Antrag abzulehnen. Ist dies nicht der Fall, so ist ein Zwangsgeld anzudrohen.

c) Dass - wie der Antragsgegner vorträgt - die Vollstreckungsmaßnahme innerhalb desselben Rechtsträgers erfolgen soll, nimmt dem Antrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn könnte sich der Antragsgegner auf diesen organisatorischen Umstand berufen, würde dem Antragsteller die Möglichkeit genommen, effektiven Rechtsschutz zu erlangen (vgl. auch VG Wiesbaden, B. v. 11.1.2015 - 4 N 1726/15.WI(2) - bisher unveröffentlicht). Im Übrigen ist davon auszugehen, dass im Fall des § 172 VwGO nicht nur das Zwangsgeld als solches, sondern gerade dessen Androhung den jeweiligen Antragsgegner zur Erfüllung des zu vollstreckenden Tenors motivieren soll, so dass es jedenfalls nicht allein darauf ankommt, welcher Einzelplan oder Haushaltstitel mit dem Zwangsgeld belastet wird, sondern der Zweck der Zwangsvollstreckungsmaßnahme auch unabhängig von der jeweiligen Verbuchung des Zwangsgeldes erreicht werden kann.

2. Vollstreckungsschuldner ist nicht das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, sondern der Antragsgegner als dessen Rechtsträger. Denn auch wenn § 172 VwGO von der „Behörde“ spricht, ist damit nur allgemein jegliche Stelle der Verwaltung gemeint, die konkret zur Vornahme der tenorierten Handlung verpflichtet ist, ohne dass damit die Behörde selbst zum Vollstreckungsschuldner gemacht werden soll. Vollstreckungsschuldner ist der Beklagte des Erkenntnisverfahrens, also der Rechtsträger der Behörde (HessVGH, B. v. 11.5.2016 - 9 E 448/16 - juris Rn. 17; Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 172 Rn. 17; vgl. auch BayVGH, B. v. 26.2.2013 - 11 C 13.32 - juris; anders noch BayVGH, B. v. 26.5.1989 - 5 C 89.01007 - NVwZ-RR 1989, 669).

Der Antrag des Antragstellers, dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz ein Zwangsgeld anzudrohen, ist gemäß § 88 VwGO und unter Berücksichtigung des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO dahin auszulegen, dass die Androhung eines Zwangsgelds gegenüber dem Antragsgegner als Rechtsträger des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz begehrt wird.

3. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.

Es liegt eine mit einer Vollstreckungsklausel versehene vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vor, die dem Antragsgegner zugestellt wurde. Daher kann es dahinstehen, ob es in Fällen wie dem vorliegenden einer Vollstreckungsklausel bedarf (vgl. hierzu Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, Beck-OK VwGO, Stand 1.4.2015, § 172 Rn. 20 m. w. N.). Die Behörde ist der ihr durch rechtskräftiges Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegten Verpflichtung nicht nachgekommen. Sie ist grundlos säumig (vgl. hierzu Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, Beck-OK VwGO, Stand 1.4.2015, § 172 Rn. 21 m. w. N.).

a) Aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 ergeben sich die Verpflichtungen des Antragsgegners in hinreichend bestimmter Weise. Damit ist das Urteil ein vollstreckbarer Titel i. S. d. § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO mit vollstreckungsfähigem Inhalt.

aa) Der Antragsgegner wurde mit Urteil vom 9. Oktober 2012 verpflichtet, den für München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der jeweiligen Immissionsgrenzwerte für NO2 und für PM10 enthält. Dabei wurde der Gestaltungsspielraum des Antragsgegners beachtet und ein Anspruch auf die Verpflichtung zu einer bestimmten Maßnahme verneint. Aufgrund des Gestaltungsspielraums des Antragsgegners und im Hinblick darauf, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die Verpflichtung des Antragsgegners zum Ergreifen bestimmter Maßnahmen hat, ist die vorliegende Konstellation mit der Konstellation des Bescheidungsurteils vergleichbar, in der die Behörde verpflichtet wird, über einen Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (nochmals) zu entscheiden. Denn der Vollstreckungsfähigkeit des stattgebenden Urteils vom 9. Oktober 2012 wurde - ebenso wie bei einem Bescheidungsurteil - dadurch Rechnung getragen, dass in den Entscheidungsgründen verbindliche Vorgaben gemacht wurden, die im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zu beachten sind (vgl. auch BVerwG, U. v. 5.9.2013 - 7 C 21/12 - juris Rn. 55).

Das Urteil vom 9. Oktober 2012 bindet die Beteiligten insoweit, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist, § 121 Nr. 1 VwGO; die in dem Urteil verbindlich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung bestimmt dessen Rechtskraftwirkung. Da sich diese Rechtsauffassung nicht aus der Urteilsformel allein entnehmen lässt, ergibt sich der Umfang der materiellen Rechtskraft und damit der Bindungswirkung notwendigerweise auch aus den Entscheidungsgründen, die die nach dem Urteilstenor zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts im Einzelnen darlegen. Dabei tritt die Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO unabhängig davon ein, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat oder nicht. Die Bindung an die dem Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung entfällt nur dann, wenn sich die entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich geändert hat (BayVGH, B. v. 18.1.2010 - 11 C 09.2813 - juris Rn. 23; BVerwG, U. v. 27.1.1995 - 8 C 8.93 - juris Rn. 13 f. m. w. N.). Es müssen Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (BVerwG, B. v. 3.11.1993 - 4 NB 33.93 - juris Rn. 3 m. w. N.; BVerwG, U. v. 18.9.2001 - 1 C 7.01 - juris Rn. 12 ff.). Dies ist auch im Hinblick darauf nicht der Fall, dass sich herausgestellt hat, dass Diesel-Kraftfahrzeuge die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Normen zwar unter den vorgesehenen Testbedingungen, nicht aber im tatsächlichen Fahrbetrieb einhalten können.

Die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Grenzwerte beruhen auf der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. Für die Typengenehmigung sind die Euro-5-Normen seit 1. September 2009 und die Euro-6-Normen seit 1. September 2014 verbindlich, werden aber im realen Fahrbetrieb nicht eingehalten. Zum Zeitpunkt der Rechtskraft des zu vollstreckenden Urteils am 8. April 2014 wurden also weder die Euro-5-Normen (aufgrund der Differenzen zwischen Test- und Realbetrieb) noch die Euro-6-Normen eingehalten, wobei die Einhaltung der Euro-6-Norm mangels Verbindlichkeit auch nicht erforderlich war. Diese Sachlage hat sich seither nicht verändert, allein die Erkenntnis darüber, dass die Normen bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtskraft des zu vollstreckenden Urteils nicht eingehalten wurden, war neu. Diese neue Erkenntnis lässt die Bindungswirkung des Urteils vom 9. Oktober 2012 nicht entfallen (vgl. auch ::0::in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 121 Rn. 117). Auch ist es nicht entscheidungserheblich, wie schnell die Verminderung des Schadstoffausstoßes von Diesel-Kraftfahrzeugen voranschreitet. Denn dem Antragsgegner stehen unabhängig hiervon mögliche Maßnahmen zur Verfügung, die zum Ausschluss der Grenzwertüberschreitung geeignet sind. Es ist ihm im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zumutbar, solche einschneidenden Maßnahmen, ggfs. bis hin zum Verkehrsverbot oder Ähnlichem, zu ergreifen. Denn der Beitrag der Verringerung des Schadstoffausstoßes der Emittenten zum Ziel der Grenzwerteinhaltung stellt nicht mehr als eine Erwartung dar, die den durch EU-Recht festgeschriebenen Grenzwert nicht zu relativieren vermag.

bb) Den Entscheidungsgründen des zu vollstreckenden Urteils vom 9. Oktober 2012 können in hinreichend bestimmter ::0::verbindliche Vorgaben entnommen werden, durch deren Erfüllung sich der Antragsgegner einem erfolgreichen Vollstreckungsverfahren entziehen kann:

(1) Dem Antragsgegner wurde aufgegeben, einen zur „schnellstmöglichen“ Einhaltung der jeweiligen Immissionsgrenzwerte geeigneten Luftreinhalteplan aufzustellen, wobei die Maßnahmen geeignet sein müssen, den Zeitraum einer Überschreitung „so kurz wie möglich“ zu halten. Diesen Anforderungen hatte der Luftreinhalteplan in der Fassung der 4. Fortschreibung nach den Entscheidungsgründen des Urteils vom 9. Oktober 2012 nicht genügt, da nach den durchgeführten Immissionsprognosen ohne weitere, zusätzliche Maßnahmen weder im Jahr 2015 noch im Jahr 2020 damit gerechnet wurde, dass insbesondere an der Messstation Landshuter Allee der NO2-Grenzwert für das Jahresmittel eingehalten werden wird. Die Kammer sah also in der Einhaltung der Grenzwerte im Jahr 2015 bzw. 2020 keine schnellstmögliche Einhaltung, sondern forderte Maßnahmen, die zur Einhaltung der Grenzwerte vor den genannten Zeitpunkten führen können. Das Urteil definiert damit in den Entscheidungsgründen, dass - zum damals entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2012 - eine schnellstmögliche Einhaltung der Grenzwerte, zu der der Antragsgegner verpflichtet wurde, jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn eine Einhaltung weder im Jahr 2015 noch im Jahr 2020 in Aussicht steht.

(2) Weiter müssen die in den Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen nach dem Urteil vom 9. Oktober 2012 „geeignet sein, eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte auszuschließen“. Nach den Entscheidungsgründen waren die in der 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgesehenen Maßnahmen des Antragsgegners objektiv hierzu nicht geeignet, zumal der Antragsgegner selbst nicht davon ausging.

(3) Darüber hinaus wurde dem Antragsgegner durch das zu vollstreckende Urteil aufgegeben, „einschneidendere“ als die in der 4. Fortschreibung vorhandenen Maßnahmen, „insbesondere die räumliche Ausdehnung der Umweltzone“, zu prüfen, und gegebenenfalls in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. In den Entscheidungsgründen des Urteils wurde darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Maßnahmen möglich sei. Dem Antragsgegner stünden weitere, naturgemäß einschneidendere Maßnahmen zur Verringerung der Werte zur Verfügung, wobei die vom Antragsteller angeführte räumliche Ausdehnung der Umweltzone nur eine davon sei. Durch den Hinweis auf eine „Vielzahl“ möglicher Maßnahmen, die einschneidender als die in der 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorhandenen sind, wird vom Antragsgegner ein umfassendes Konzept verlangt, das einen Katalog an einschneidenden, also wirksamen Maßnahmen zum Ergebnis hat, die geeignet sind, die Grenzwerte so schnell wie möglich - nach den Entscheidungsgründen vor 2015 bzw. 2020 - einzuhalten.

cc) Diese Vorgaben ergeben sich sämtlich aus der Auslegung der Entscheidungsgründe des zu vollstreckenden Urteils und waren Grundlage desselben. Sie gehen nicht über das hinaus, wozu der Antragsgegner bereits mit Urteil vom 9. Oktober 2012 verpflichtet wurde. Anders ausgedrückt enthält das zu vollstreckende Urteil ausreichend bestimmte Vorgaben, deren Erfüllung im Vollstreckungsverfahren zu überprüfen ist. Einer über die Auslegung des streitgegenständlichen Urteils hinausgehenden Fortschreibung desselben (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 12.7.2007 - 11 C 06.868 - juris Rn. 31 ff.; HessVGH, B. v. 11.5.2016 - 9 E 450/16 - juris Rn. 26 ff.) bedarf es nicht.

b) Diese sich aus dem zu vollstreckenden Urteil ergebenden Verpflichtungen wurden seitens des Antragsgegners bisher nicht erfüllt, so dass dem Vollstreckungsantrag des Antragstellers stattzugeben ist. Es liegt ein Fall der grundlosen Säumnis in der Erfüllung der vom Gericht auferlegten Pflichten vor, der stets Voraussetzung für die Androhung eines Zwangsgeldes ist (vgl. BVerwG, B. v. 30.12.1968 - I WB 31/68 - NJW 1969, 476). Bisher wurde seitens des Antragsgegners kein Luftreinhalteplan mit Maßnahmen aufgestellt, die im Sinne der Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012 geeignet wären, eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte schnellstmöglich auszuschließen.

aa) Nach wie vor ist der sich aus § 3 Abs. 2 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) und dem Tenor des Urteils vom 9. Oktober 2012 ergebende, über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für NO2 von 40 μg/cbm an den Messstationen Landshuter Allee und Stachus überschritten. Die NO2-Belastung in München (Jahresmittelwert) lag im Kalenderjahr 2014 an der Messstelle Landshuter Allee bei 83 μg/cbm und an der Messstelle Stachus bei 62 μg/cbm. Im Kalenderjahr 2015 lag sie an der Messstelle Landshuter Allee bei 84 μg/cbm und an der Messstelle Stachus bei 64 μg/cbm (Umweltbundesamt, „Stickstoffdioxid (NO2) im Jahr 2015“ - http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/358/dokumente/no2_2015_1.pdf, S. 5). Der Vortrag der Beigeladenen, dass der Immissionsgrenzwert in einiger Entfernung zur Messstation an der Landshuter Allee eingehalten sei, ändert nichts an der Überschreitung des Grenzwerts an den Messstationen am Stachus und an der Landshuter Allee und damit an der Nichteinhaltung der Vorgaben von § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV.

bb) Die in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthaltenen Maßnahmen entsprechen nicht den Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012, da sie zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung nicht geeignet sind. Die Ungeeignetheit der in die 6. Fortschreibung aufgenommenen Maßnahmen ergibt sich schon daraus, dass der Antragsgegner selbst nicht davon ausgeht, dass die dargestellten Maßnahmen zur Grenzwerteinhaltung geeignet sind. Der Antragsgegner geht in seiner eigenen Prognose zur 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans (S. 76) davon aus, dass eine Einhaltung des NO2-Immissionsgrenzwerts für das Jahresmittel an der Messstation Landshuter Allee ohne zusätzliche Maßnahmen voraussichtlich erst nach 2030 möglich und bei der Messstation Stachus ab 2025 zu erwarten ist.

cc) Die Vorgabe aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012, einschneidendere als die in der 4. Fortschreibung vorgesehenen Maßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls in den Luftreinhalteplan aufzunehmen, wurde durch die 6. Fortschreibung bislang nicht erfüllt. Auch unter Beachtung des weitreichenden Gestaltungsspielraums des Antragsgegners sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes trägt die 6. Fortschreibung den Anforderungen des Urteils vom 9. Oktober 2012 nicht ausreichend Rechnung. Insbesondere liegt nach wie vor kein hinreichendes Konzept vor, das einen Katalog an einschneidenden Maßnahmen zum Ergebnis hätte, die geeignet wären, eine Grenzwertüberschreitung schnellstmöglich auszuschließen.

(1) Bei den Maßnahmen M 2 bis M 20 der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans handelt es sich nicht um „einschneidende“ Maßnahmen im Sinn des Urteils vom 9. Oktober 2012. Die Maßnahme M 2 „Anpassungen der bestehenden Umweltzone zur Reduzierung der NO2-Belastung“ hat die Prüfung der Verschärfung der bisherigen Bedingungen für die Einfahrt in die Umweltzone zum Ziel und soll realisiert werden, sobald die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Ein Minderungspotential wird nicht benannt. Auch wenn eine eventuelle Verschärfung der Bedingungen für die Einfahrt in die Umweltzone an der Hauptemissionsquelle ansetzen mag, so ist die Maßnahme M 2, die in ihrer derzeitigen Form keine unmittelbaren Auswirkungen auf die NO2-Belastung erwarten lässt, viel zu unkonkret, um einschneidend zur Grenzwerteinhaltung beizutragen. Die Maßnahmen M 3a bis M 20 können - abgesehen davon, dass sie überwiegend schon allein aufgrund des nicht festgeschriebenen Minderungspotentials im Ungefähren bleiben - unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die anhaltende Grenzwertüberschreitung hauptsächlich von Dieselfahrzeugen verursacht wird, nicht in einer ::0::effektiv zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte beitragen, dass sie den Anforderungen des Urteils vom 9. Oktober 2012 an einschneidende Maßnahmen genügen würden und der Antragsgegner damit seiner Verpflichtung aus dem zu vollstreckenden Urteil nachgekommen wäre.

(2) Die Maßnahme M 1, auf die der Antragsgegner als zentrale Maßnahme verweist, wird beschrieben als „Gutachterliche Ermittlung der verkehrlichen Bedingungen und Auswirkungen verkehrssteuernder Maßnahmen mit dem Ziel der Minderung der Verkehrsmenge auf besonders belasteten Abschnitten sowie deren Stickstoffdioxid-Minderungspotentials und sonstiger Auswirkungen auf die Luftqualität“. Sie ist nicht - auch nicht in Zusammenschau mit den anderen in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans festgeschriebenen Maßnahmen - geeignet zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung im Sinne der Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012.

Im Luftreinhalteplan selbst wird das Ziel des Gutachtens sehr allgemein dahingehend beschrieben, dass die rechtlich, verkehrstechnisch und räumlich möglichen Maßnahmen zur Verkehrslenkung und Verkehrssteuerung sowie deren praktische Umsetzbarkeit und die lufthygienische Wirkung insbesondere auf die NO2-Belastung geprüft werden sollen. Ein Minderungspotential wird nicht angegeben, da dieses erst durch das Gutachten, dessen Fertigstellung im Jahr 2017 geplant ist, ermittelt werden soll. Diese abstrakte, allgemeine Zielsetzung genügt nicht den Anforderungen des Urteils vom 9. Oktober 2012. Unter Berücksichtigung des Schutzes von Gesundheit und Umwelt sind im Falle der Nichteinhaltung von Grenzwerten einschneidende Maßnahmen erforderlich, um die Überschreitung schnellstmöglich zu beenden. Dieser Gutachtensauftrag stellt keine Maßnahme dar, die die Emissionen reduzieren und damit unmittelbar zur Grenzwerteinhaltung beitragen könnte. Vielmehr dient das Gutachten bestenfalls zur Vorbereitung weiterer Maßnahmen. Hierzu mag es geeignet sein, zur Grenzwerteinhaltung an sich nicht, da es hierfür einer Vielzahl an weiteren ungewissen Zwischenschritten - nämlich der Aufnahme konkreter geeigneter Maßnahmen in den Luftreinhalteplan - bedürfte.

Darüber hinaus lässt auch die vom Antragsgegner vorgelegte sog. funktionale Leistungsbeschreibung zu der Maßnahme M 1 nicht erkennen, dass damit konkrete Prüfaufträge für konkrete, ggfs. auch verkehrsbeschränkende Maßnahmen verbunden wären. Es fehlt ihr zunächst schon unter formellen Gesichtspunkten an der Verbindlichkeit. Es sind weder ein „Kopf“ noch ein Datum vorhanden. Auch die Unterschrift fehlt, so dass keine Aussage zum Urheber der Leistungsbeschreibung getroffen werden kann. Ferner ist unklar, ob es sich um eine für den Gutachter verbindliche Vorgabe oder um rein unverbindliche Anhaltspunkte handeln soll. Aber auch abgesehen von den formellen Mängeln bleibt die Leistungsbeschreibung zu unkonkret, um aus der Maßnahme M 1 eine einschneidende im Sinne der Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012 zu machen. Die bloße Prüfung „möglicher Maßnahmen“ genügt auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht der Verpflichtung aus dem zu vollstreckenden Urteil. In der sog. funktionalen Leistungsbeschreibung werden keine konkreten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen, welche zur Grenzwerteinhaltung besonders geeignet wären, erwähnt. Ob unter „Verringerung der Verkehrsmenge“ auch einschneidende - etwa verkehrsbeschränkende - Maßnahmen oder nur weniger effektive verkehrssteuernde Maßnahmen zu fassen sind, ergibt sich nicht. Zwar werden an anderer Stelle einige einschneidendere Maßnahmen wie etwa die City Maut oder die Umweltzone als Beispiele erwähnt, es werden aber keine konkreten Vorgaben dazu gemacht, welche Maßnahmen durch den Gutachter zu prüfen sind, so dass er diesbezüglich völlig frei bleibt und sich erst im Nachhinein herausstellen wird, ob einschneidende Maßnahmen zur Grenzwerteinhaltung überhaupt Eingang in das Gutachten gefunden haben.

Es mag der Beigeladenen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zuzugestehen sein, dass sie nicht ohne gutachterliche Untersuchung, quasi „ins Blaue hinein“ einschneidende und auch die Rechte Dritter massiv betreffende verkehrliche Maßnahmen ergreift, zumal bereits mit den bisherigen Fortschreibungen des Luftreinhalteplans Verkehrsbeschränkungen einhergingen, die für die Beigeladene relativ tiefgreifend waren. Eine gutachterliche Untersuchung hätte aber jedenfalls die Prüfung konkreter verkehrslenkender oder -beschränkender Maßnahmen zum Inhalt haben und weit zeitnäher zur Vorbereitung der Fortschreibung des Luftreinhalteplans in Auftrag gegeben werden müssen. Dem Auftrag liegt kein hinreichendes Konzept zugrunde, aus dem die Entwicklung eines Katalogs an einschneidenden Maßnahmen zu erwarten wäre.

c) Der von den Euro-5- und Euro-6-Normen abweichende tatsächliche Schadstoffausstoß von Diesel-Kraftfahrzeugen lässt die grundlose Säumnis des Antragsgegners nicht entfallen.

Die Dieselfahrzeuge halten aufgrund von Differenzen zwischen Test- und Realbetrieb die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Normen bisher nicht ein. Daneben wurde offenbar von einigen Herstellern von Dieselfahrzeugen die Software dergestalt beeinflusst, dass die Fahrzeuge Testläufe erkennen können und damit zwar in Testmessungen, nicht aber im Realbetrieb die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Normen einhalten. Diese Sachverhalte stellen auch unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit keinen Umstand dar, der die Säumnis des Antragsgegners rechtfertigen könnte. Denn sie sind für die Verpflichtung zur Einhaltung der Grenzwerte irrelevant, da die Luftschadstoffgrenzwerte auf Europarecht, nämlich auf Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Anhang XI Buchstabe B der Richtlinie 2008/50/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, beruhen und deshalb nicht relativiert werden können. Hinzu kommt, dass die 6. Fortschreibung auch ohne Berücksichtigung zumindest der Softwareproblematik die Verpflichtungen aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht erfüllt. Im Übrigen mag sich die Reduzierung des Schadstoffausstoßes von Diesel-Kraftfahrzeugen durch die aufgetretenen Probleme zeitlich verzögern. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass zeitnah nach neuen technischen Lösungen gesucht wird und die Kraftfahrzeughersteller - schon aus eigenem wirtschaftlichem Interesse - bestrebt sein werden, die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Normen einzuhalten. Damit ist nicht davon auszugehen, dass dem Antragsgegner und der Beigeladenen auf Dauer die Lasten der Grenzwerteinhaltung allein überbürdet werden.

4. Die Fristsetzung von einem Jahr nach Zustellung dieses Beschlusses erscheint zur Erfüllung der Pflichten aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 angemessen. Dem Antragsgegner kann der Vollzug der Entscheidung innerhalb eines Jahres billigerweise zugemutet werden.

Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds von 10.000,- Euro ist angemessen, um den Antragsgegner zur Erfüllung seiner aus dem zugrunde liegenden Urteil resultierenden Pflichten zu motivieren. Der in § 172 VwGO vorgegebene Rahmen wird dabei im Hinblick auf die Bedeutung von effektiven Luftreinhalteplänen sowie den Gesundheits- und Umweltschutz ausgeschöpft.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der in Nr. 5301 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festgelegten gesetzlichen Festgebühr nicht (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 172 Rn. 61).

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

Gründe

1

Die Beschwerde des Vollstreckungsschuldners hat keinen Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht hat dem auf zwangsweise Durchsetzung des Urteils des Senats vom 27. März 2013 - 3 L 441/10 - gerichteten Antrag der Vollstreckungsgläubigerin zu Recht stattgegeben.

3

Gemäß § 172 Abs. 1 VwGO kann das Gericht des ersten Rechtszugs gegen eine Behörde, die im Falle des § 113 Abs. 5 VwGO der ihr in einem Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt, auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis zu 10.000,- € androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Die Voraussetzungen des § 172 Abs. 1 VwGO liegen hier - neben den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen - vor.

4

Der Vollstreckungsschuldner ist der ihm im Urteil des Senats vom 27. März 2013 auferlegten Verpflichtung, die Vollstreckungsgläubigerin wegen der Kosten des nichtpädagogischen Personals und des Sachkostenzuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts erneut zu bescheiden, bislang nicht nachgekommen. Weitere Voraussetzung für die Androhung des Zwangsgeldes ist eine „grundlose Säumnis“ bei der Erfüllung der vom Gericht auferlegten Pflichten. Eine „grundlose Säumnis“ liegt vor, wenn es dem Vollstreckungsschuldner billigerweise zugemutet werden konnte, in der seit Ergehen des Urteils verstrichenen Zeit die Verpflichtung zu erfüllen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 17.07.2013 - 3 C 13.458 -, juris m. w. N.). Hiervon ist im Falle des Vollstreckungsschuldners auszugehen. Das dagegen geltend gemachte Beschwerdevorbringen veranlasst keine andere Entscheidung.

5

Soweit der Vollstreckungsschuldner zunächst ausführt, dass eine Neubescheidung bislang deshalb unterblieben sei, weil das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt die für eine Neubescheidung erforderliche Rechtsverordnung noch nicht erlassen habe und der Vollstreckungsschuldner als nachgeordnete Behörde das Kultusministerium nicht zu einem Handeln verpflichten könne, führt dies nicht zur Annahme, dass dem Vollstreckungsschuldner die Erfüllung der geschuldeten Leistung unmöglich ist.

6

Im Anwendungsbereich des § 888 ZPO ist anerkannt, dass eine Zwangsvollstreckung nach dieser Vorschrift so lange nicht unzulässig ist, als die zu erzwingende Handlung zwar von der Kooperation eines Dritten abhängt, der Schuldner aber den ihm obliegenden Nachweis, dass der Dritte an der Erfüllung nicht mitwirken wird, nicht erbracht hat. Der Vollstreckungsschuldner hat ferner die ihm zustehenden tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten auszunutzen, um den Dritten zu einer Mitwirkung zu bewegen. Diese Erwägungen sind auf das Verfahren nach § 172 VwGO entsprechend übertragbar (vgl. BayVGH, Beschl. v. 12.07.2007 - 11 C 06.868 -, juris).

7

Anders als in dem vom Vollstreckungsschuldner zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 22. April 2013 (Az.: 5 N 339/13.TR, juris) ist das Kultusministerium im vorliegenden Fall im Verhältnis zum Vollstreckungsschuldner bereits nicht Dritter. Das gegenüber dem Vollstreckungsschuldner ergangene Urteil erwächst gegenüber dem Land als dessen Rechtsträger in Rechtskraft und bindet damit auch alle seine Landesbehörden nach Maßgabe des § 121 VwGO. Es ändert nichts an dieser Reichweite der materiellen Rechtskraft, dass das Land Sachsen-Anhalt in § 8 AGVwGO LSA die Ermächtigungen in § 61 Nr. 3 und in § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Anspruch genommen hat, wonach die Landesbehörden Beteiligte im Verwaltungsprozess sein können und Klagen gegen die Behörde selbst zu richten sind, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Der landesrechtliche Vorbehalt des § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO schafft nur die Möglichkeit, abweichend vom Grundsatz des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO eine Parteibezeichnung einzuführen, die es dem Bürger erleichtern kann, im Falle der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage die Formalien der Klageerhebung ordnungsgemäß zu erfüllen. Kann, wie hier, eine Behörde nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO verklagt werden, handelt sie in Prozessstandschaft für das Land, ohne indes selbst zum Rechtsträger zu werden. Allein das hinter der jeweils beklagten Behörde stehende Land wird aus dem rechtskräftigen Urteil verpflichtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.08.2002 - 9 VR 11.02 -, juris, zum Besoldungsrecht: BVerwG, Urt. v. 30.10.2014 - 2 C 6.13 -, juris Rdnr. 59; siehe zudem: OVG LSA, Beschl. v. 18.06.2008 - 1 L 208/06 -; juris Rdnr. 33 [m.w.N.]).

8

Der Vollstreckungsschuldner hat auch nicht dargelegt, dass die von ihm geschuldete Leistung aus anderen Gründen unmöglich ist. Ein Zwangsgeld kann nicht festgesetzt werden, wenn die dem Vollstreckungsschuldner obliegende Handlung unmöglich ist. Kann der Schuldner die geschuldete Leistung nicht mehr vornehmen, so kann dieser Erfolg auch durch die Zwangsmaßnahme des § 888 ZPO nicht herbeigeführt werden (vgl. zur Anwendbarkeit des § 888 Abs. 1 ZPO im Rahmen der Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Titel: OVG Berlin, Beschl. v. 04.11.1998 - 3 S 15.98 -, juris). Daher darf, wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung der geschuldeten Leistung gegeben ist, keine Zwangsmaßnahme in Form eines Zwangsgeldes gegen einen Schuldner verhängt werden. Die Möglichkeit der Handlungsvornahme ist deshalb im Vollstreckungsverfahren ebenso wie alle übrigen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung grundsätzlich vom Gläubiger zu beweisen. Indessen kann der Vollstreckungsschuldner die Vollstreckbarkeit nicht mit der pauschalen Behauptung unterlaufen, ihm sei die Erbringung der geschuldeten Leistung unmöglich. Vielmehr hat der Schuldner auch im Vollstreckungsverfahren die Tatsachen einschließlich der Beweismittel, aus denen sich die Unmöglichkeit der Handlung ergibt, in einer für den Gläubiger überprüfbaren und substantiierten Weise darzulegen. Denn dem Vollstreckungsgläubiger wird es regelmäßig kaum möglich sein, Einzelheiten aus der Sphäre des Schuldners darzutun oder auch nur einen Ansatz für den Nachweis der Möglichkeit der Handlungsvornahme zu finden, wenn der Schuldner nicht alle Umstände darlegt, aus denen sich die Unmöglichkeit ergibt. Je mehr die Behauptung des Schuldners, dass ihm die Leistung unmöglich sei, der Lebenserfahrung widerspricht, desto strenger müssen die Anforderungen an die Darlegung von Einzelheiten und Beweismitteln sein. Der Anordnung eines Zwangsgeldes stehen deshalb nur solche Zweifel entgegen, die durch ein substantiiertes und nachprüfbares Vorbringen des Schuldners begründet sind (vgl. zum Vorgehenden: OLG Celle, Beschl. v. 31.10.2012 - 13 W 87/12 -, juris m. w. N.).

9

Hieran gemessen hat der Vollstreckungsschuldner nicht dargelegt, dass die geschuldete Leistung aus anderen Gründen unmöglich ist. Der Vollstreckungsschuldner hat hierzu vorgetragen, dass das Kultusministerium die nötigen Daten zum nichtpädagogischen Personal (Gehälter) bei den Schulträgern habe erfragen müssen. Da das streitgegenständliche Schuljahr 2003/2004 über zehn Jahre zurückliege, habe es nicht mehr alle benötigten Daten von den Schulträgern erhalten. Eine Änderung der Ersatzschulverordnung aufgrund der Daten zum Schuljahr 2003/2004 sei daher nicht möglich. Das Kultusministerium werde daher eine andere Lösung wählen, um den Vorgaben aus dem Urteil Genüge zu tun. Unabhängig von der Frage, ob eine (bloße) Nachfrage bei den Schulträgern zu den Kosten des nichtpädagogischen Personals im Schuljahr 2003/2004 ausreichend gewesen ist, um die für eine mit höherrangigem Recht vereinbare Neuregelung der Ersatzschulverordnung notwendige Datengrundlage zu ermitteln, zeigt der Vollstreckungsschuldner nicht auf, dass eine mit den Maßgaben des Urteils vom 27. März 2013 vereinbare Fassung der Ersatzschulverordnung aus tatsächlichen Gründen überhaupt nicht mehr erlassen werden könnte.

10

Entgegen der Auffassung des Vollstreckungsschuldners war die Erfüllungsfrist nicht zu kurz bemessen. Die Androhung eines Zwangsgeldes ist nur gerechtfertigt, wenn es dem Vollstreckungsschuldner billigerweise zugemutet werden konnte, die Verpflichtung in der seit Zustellung des Titels verstrichenen Zeit zu erfüllen. Ob diese Frist mit der Zustellung des vollständigen Urteils (so Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 172 Rdnr. 33; Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 172 Rdnr. 58) oder erst von der Rechtskraft und damit der Vollstreckbarkeit des Urteils an (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2001 - 2 AV 3.01 -, juris) bzw. der Rückgabe der Akten an die Behörde zu laufen beginnt (vgl. von Nicolai in Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 172 Rdnr.4), kann vorliegend offen bleiben. Das vollständige Urteil vom 27. März 2013 ist dem Vollstreckungsschuldner am 26. August 2013 zugestellt worden, die Rückgabe der Akten an das Verwaltungsgericht Halle ist nach Eintritt der Rechtskraft am 27. September 2013 am 4. Oktober 2013 verfügt worden. Selbst wenn man - großzügig - davon ausgeht, dass der Vollstreckungsschuldner erst im Dezember 2013 die Verfahrensakten zurückerhalten hat bzw. Gelegenheit hatte, diese wieder vom Gericht zurückzufordern, verblieben dem Vollstreckungsschuldner bis zur vom Verwaltungsgericht bestimmten Frist am 30. März 2015 15 Monate zur Erfüllung der geschuldeten Leistung. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass vor einer Neubescheidung noch eine andere Landesbehörde eine Rechtsverordnung zu erlassen hat, ist dieser Zeitraum von mehr als einem Jahr als ausreichend anzusehen.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr (KV Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht.

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.