Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2016 - 17 K 1105/16

bei uns veröffentlicht am12.10.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Bescheids, mit der ihr die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von Warenauslagen (zwei Postkartenständer und ein Postkartenautomat) vor ihrem Geschäft versagt worden war.

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Die Klägerin ist Inhaberin eines Geschäfts, welches sich an der Straße Vorsetzen in Hamburg-Neustadt … auf der dortigen Hochwasserschutzanlage Niederhafen befindet. …. Wegen der genauen Lage des Geschäfts wird auf die in der Sachakte der Beklagten befindlichen Fotografien verwiesen (Bl. 50 - 53, Bl. 63).

3

Die Hochwasserschutzanlage Niederhafen befindet sich an exponierter Lage innerhalb Hamburgs; sie verbindet die St. Pauli Landungsbrücken mit der historischen Speicherstadt. Sie wurde zwischen 1964 und 1968 errichtet. Die „Deichkrone“ ist als Promenade, die von überregionaler touristischer Bedeutung ist, als öffentliche Wegefläche gewidmet. Aufgrund steigender Wasserstände wurde die Erhöhung der Hochwasserschutzanlage notwendig. In den Jahren 2012 bis 2015 ist der erste Abschnitt der Hochwasserschutzanlage zwischen dem U-Bahnhof Baumwall bis zum Rundbunker auf Höhe der Rambachstraße erneuert worden. Der zweite Abschnitt der Hochwasserschutzanlage zwischen dem Rundbunker und den St. Pauli Landungsbrücken soll bis Ende 2018 erneuert werden. Zwischen beiden Abschnitten befindet sich eine Baustelle.

4

Für den Neubau der Anlage wurden im Wettbewerb Architekturolympiade Hamburg 2006 folgende städtebauliche Anforderungen formuliert:

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„Im Ergebnis soll an exponierter Lage innerhalb Hamburgs zusätzlich zum Hochwasserschutz eine attraktive Promenade entwickelt werden, die den vielfältigen Nutzungen gerecht wird, als hochwertige Wegeverbindung fungiert, zahlreiche Anschlusspunkte generiert und zugleich stadtbildprägend ist.“

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Die äußere Gestaltung der neuen Hochwasserschutzanlage geht auf den im Rahmen der Architekturolympiade durch eine Jury gekürten Entwurf des Büros Zaha Hadid Architects (London) und Patrik Schumacher (Hamburg) zurück. Die damalige Empfehlung lautete wie folgt:

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„Dieser Beitrag zeichnet sich dadurch aus, dass lediglich ein gestalterisches Thema aufgegriffen und umgesetzt wird. Es ergibt sich daher eine vergleichsweise einfache Struktur, die zudem ein interessantes Nachtbild erzielt. In gewisser Hinsicht verbindet der Entwurf die ersten beiden Beiträge. Der Baukörper erzeugt in sich eine Spannung, da sowohl die land- als auch die wasserseitige Ausprägung in der Formensprache identisch ist. Die geschaffenen Räume sind mit Bedacht angelegt worden, ersichtlich durch die insgesamt stimmigen Blickbeziehungen, die beispielsweise die Kehrwiederspitze, die zukünftige Elbphilharmonie oder die Rickmer Rickmers berücksichtigen. …“

8

Dieser Entwurf erhielt durch die Jury, welcher u.a. der Oberbaudirektor der Beklagten sowie der damalige Präsident der HafenCity University angehörten, zudem die Goldmedaille Freiraumplanung. Die Begründung hierzu lautete:

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„Das Bauwerk ist eine skulpturale Großfigur und eine neue städtische Landschaft. Treppen und Zugänge erscheinen in ihrer Materialität wie aus der anthrazitfarbenen Granitpromenade ausgeschnitten: Orte des Verweilens, des Flanierens, der Begegnung und Kommunikation mit raffinierten Ausblicken in alle Richtungen der Stadt. Der Entwurf ist wie aus einem Guss gestaltet und versammelt gleichwohl spannungsvolle Gegensätze wie Ruhe und Dynamik, Homogenität und Vielfalt. Die anspruchsvolle räumliche und gestalterische Qualität des Entwurfs lassen vergessen, dass es sich hier eigentlich um eine technische Lösung zum Zwecke des Hochwasserschutzes handelt.“

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In einer Broschüre des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LBSG) zum Neubau der Hochwasserschutzanlage Niederhafen aus dem Januar 2013 heißt es:

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„Die Planung für den Neubau folgt dem prämierten Gestaltungsentwurf des Büros Zaha Hadid mit dem zentralen Ansatz, die Promenade zum städtischen Umfeld und zum Wasser zu öffnen.

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Dazu wird der aufgrund des Hochwasserschutzes gegenüber der Straßenebene hoch liegende, lineare Bau an den Punkten ausgehöhlt, wo Straßen aus dem angrenzenden Stadtteil auf die Anlage treffen. Sie bewirken dort Einschnitte als kegelartige Treppen, die in der Form kleinen Amphitheatern gleichen. Die Passanten auf der Straßenebene haben so die Sicht auf die Flaneure auf der Promenade und die Masten und Aufbauten der Schiffe im Niederhafen.

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Im Wechsel mit den Zugängen von der Stadt entstehen ähnliche Treppen auf der Elbseite. Dieser Wechsel bewirkt für die Promenade einen sich immer wieder einschnürenden und aufweitenden, oszillierenden Verlauf. Landseitig werden einige Gebäude integriert, deren Erdgeschoss von der Straßenebene erschlossen wird.
…“

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Am 23.04.2015 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 19 des Hamburgischen Wegegesetzes (HWG) für die Aufstellung von zwei Postenkartenständern und einem Postkartenautomaten unmittelbar vor die Außenwand ihres Ladengeschäfts für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis zum 31.03.2016. Auf der Promenade und den Landungsbrücken sei das Aufstellen von Postkartenständern, Warenauslagen, Münzprägeautomaten, etc., vor den Souvenir- und Andenkenläden seit jeher allgemein üblich. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere der beantragten Position des Postkartenständers und des Postkartenautomaten vor dem Geschäft, wird auf den Antrag vom 23.04.2015 verwiesen (Bl. 1 ff. der Sachakte der Beklagten).

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Mit Bescheid vom 06.10.2015, der Klägerin zugestellt am 09.10.2015, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die öffentlichen Wege und Straßen dienten dem Verkehr und seien dem Gemeingebrauch gewidmet. Die beantragte Nutzung stelle eine Sondernutzung nach § 19 HWG dar, die der Erlaubnis der Wegeaufsichtsbehörde bedürfe. Die in § 19 Abs. 1 HWG festgelegten Voraussetzungen für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis seien vorliegend nicht erfüllt. Die beantragte Sondernutzungserlaubnis beachte die städtebaulichen und stadtgestalterischen Belange nicht hinreichend. Die Stadt Hamburg habe die notwendigen Baumaßnahmen zur Sicherstellung des Hochwasserschutzes zum Anlass genommen, diesen über die Stadtgrenzen hinaus bekannten und prominenten Bereich entsprechend stadtgestalterisch aufzuwerten. Nach Fertigstellung dieser architektonisch hochwertigen Anlage seien künftig nun auch strengere Maßstäbe an die Außenwirkung der gesamten Promenade zu legen. Daher sei in Abstimmung mit dem Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer festgelegt worden, dass u.a. Warenauslagen in diesem Bereich ausnahmslos nicht mehr genehmigungsfähig seien. Lediglich für Sondernutzungen, die auch im öffentlichen Interesse lägen (z.B. Außengastronomie) würden Ausnahmen gemacht.

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Mit Schreiben vom 09.11.2015 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 06.10.2015 Widerspruch. Die beantragte Sondernutzung müsse nach § 42a Abs. 1 HmbVwVfG bereits als erteilt gelten. Gemäß § 19 Abs. 2a S. 3 HWG betrage die Frist für das Verfahren über die Erlaubnis einer Sondernutzung drei Monate. Nach § 42a Abs. 1 HmbVwVfG gelte eine beantragte Genehmigung nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (Genehmigungsfiktion). Vorliegend seien zwischen Antragstellung und Bescheidung indessen beinahe sechs Monate verstrichen. Unabhängig davon sei der Bescheid vom 06.10.2015 jedoch auch im Hinblick auf die von der Beklagten bemühten städtebaulichen und stadtgestalterischen Belange fehlerhaft ergangen. Städtebauliche und stadtgestalterische Belange müssten einen sachlichen Bezug zur streitgegenständlichen Örtlichkeit haben, also den Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes beabsichtigen. Nach der Rechtsprechung zu anderen, vergleichbaren Straßengesetzen der Länder setze die Berücksichtigung städtebaulicher und stadtgestalterischer Belange bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für gewerbliche Betätigungen in einem Fußgängerbereich – wie auch hier – voraus, dass ein konkretes Gestaltungskonzept der Gemeinde vorliege, welches zum Ziel habe, dem jeweiligen Fußgängerbereich eine bestimmte Ausstrahlungswirkung bzw. ein spezifisches Flair zu verleihen. Ein derartiges Konzept sei darüber hinaus auch nur dann ausreichende Grundlage für die Ermessensausübung nach § 19 HWG, wenn es formal ordnungsgemäß von der zuständigen Körperschaft beschlossen worden sei. Gemessen daran sei vorliegend ein hinreichendes Gestaltungskonzept nicht zu erkennen. Es sei unklar, welcher Bereich genau von der Beklagten ins Auge genommen worden sei. Auch sei unklar, wer mit welchen Maßgaben im Einzelnen die Entscheidung getroffen habe, diesen Bereich aufzuwerten. Des Weiteren liege auch eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gewerbetreibenden an der Promenade vor. Besucher der Stadt würden nicht zwischen dem relativ kleinen Bereich der Hochwasserschutzanlage, an der sie ihr Ladengeschäft habe, und dem weiteren Promenadenstück in Richtung Landungsbrücken unterscheiden. Es handele sich um eine einzige Fußgängerpromenade mit einer Länge von gerade einmal ca. 500-600 Metern, die sog. Elbpromenade. Das Teilstück der Promenade, an dem die neue Hochwasserschutzanlage erbaut worden sei, dürfte sich nicht weiter als über eine Länge von ca. 100 Metern erstrecken. Es könne nicht sein, dass nach jahrzehntelanger anderweitiger Handhabung Warenauslagen nur in diesem kleinen Teilbereich nicht mehr genehmigungsfähig seien. Wenn Warenauslagen schon nicht mehr genehmigungsfähig sein sollten, dann müsste dies für den gesamten Bereich der Elbpromenade gelten. Zahlreichen anderen Gewerbetreibenden auf der Elbpromenade seien Sondernutzungen hingegen offensichtlich gestattet worden, so etwa der mit ihrem Büro in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen …, die regelmäßig sowohl einen sog. Kundenstopper als auch einen Postkartenständer vor ihrem Ladengeschäft aufstelle. Auch vor anderen Ladengeschäften auf der Elbpromenade befänden sich zahlreiche Kundenstopper, Postkartenstände und sonstige Warenauslagen. Das von der Beklagten bemühte Gestaltungskonzept könne nicht funktionieren, wenn lediglich auf einem relativ geringfügigen Teil der bekannten und prominenten Elbpromenade die Genehmigung von recht überschaubaren und dezenten Warenauslagen verweigert werde, der Großteil der Promenade jedoch mit – wesentlich auffälligeren – Kundenstoppern, Postkartenständern und sonstigen Warenauslagen zugepflastert sei.

17

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der begehrten Sondernutzungserlaubnis stünden städtebauliche bzw. stadtgestalterische Belange im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 4 Nr. 3 HWG entgegen. Diese folgten aus dem umgesetzten Gestaltungsentwurf des Büros Zaha Hadid Architects. Bereits die Tatsache, dass dieser Entwurf in einem öffentlichen Wettbewerb ausgewählt worden sei und in der Begründung die notwendigen Maßnahmen der Verkehrssicherheit schon als eine „Abschwächung“ des „skulpturalen Charakters“ bewertet worden seien, zeige nicht nur, dass die Gestaltung einem bestimmten gestalterischen Konzept folge; vielmehr zeige sich hieran auch, dass die mit dem Entwurf verfolgten Ziele und Ideen - wie etwa die verschiedenen Blickbeziehungen und die Geltung der gewählten Materialien - dauerhaft gewahrt werden sollten. Es sei daher darauf zu achten, dass der durch die Preisjury 2006 beschriebene Eindruck den Betrachtern und Betrachterinnen dauerhaft erhalten bleibe und nicht durch störende Sondernutzungen beeinträchtigt werde. Anderenfalls würden die mit dem Entwurf verfolgten Zielsetzungen konterkariert und es hätte auch ein wesentlich kostengünstigeres Profanbauwerk hergerichtet werden können. Die seitens der Klägerin begehrte Sondernutzung würde eine stadtgestalterische Situation fördern, wie sie zu Zeiten der alten Hochwasserschutzanlage - die Beklagte verweist insoweit auf eine Fotografie auf Bl. 48 ihrer Sachakten - an Ort und Stelle anzutreffen gewesen sei. Darüber hinaus füge sich der Postkartenautomat nicht mehr in den neugestalteten Bereich der Überseebrücke ein. Er vermittele - im Vergleich mit der Farb- und Materialgestaltung der Hochwasserschutzanlage - den Eindruck eines auf öffentlicher Wegefläche abgestellten Fremdkörpers. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin sei nicht gegeben. Der … sei keine Sondernutzungserlaubnis erteilt worden. Es handele sich um eine unerlaubte Sondernutzung, welcher mit den hierfür vorgesehenen Verfahren begegnet werde. Die Verhältnisse an den Landungsbrücken seien bereits deswegen nicht vergleichbar, da es dort an einem Gestaltungskonzept fehle. An den Überseebrücken dürften sich allenfalls eine - nach Art und Umfang mit der Farb- und Materialgestaltung der Hochwasserschutzanlage abgestimmte - Sommerterrasse als erlaubnisfähig erweisen. Sommerterrassen dienten auch als Orte des Verweilens, der Begegnung und der Kommunikation und stünden damit im Einklang mit der gestalterischen Zielsetzung. Schließlich sei die Sondernutzungserlaubnis der Klägerin nicht mittels einer Genehmigungsfiktion erteilt worden. § 42a Abs. 1 S. 1 HmbVwVfG sehe eine Genehmigungsfiktion nur dann vor, wenn diese durch Rechtsvorschrift angeordnet werde. Eine solche Anordnung - wie sie etwa in § 61 Abs. 3 S. 4 HBauO für das vereinfachte Genehmigungsverfahren zu finden sei - habe der Gesetzgeber für das wegerechtliche Sondernutzungsrecht nicht vorgesehen.

18

Mit der am 10.03.2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt sie zunächst ihr Vorbringen aus dem Schreiben vom 09.11.2015. Ergänzend trägt sie vor, dass der Architektenentwurf sowie die Begründung der seinerzeitigen Jury für die Verleihung der Goldmedaille Freiraumplanung nicht das von der Rechtsprechung geforderte konkrete Gestaltungskonzept der Gemeinde, welches zum Ziel habe, dem Fußgängerbereich eine bestimmte Ausstrahlungswirkung bzw. ein bestimmtes Flair zu verleihen, ersetzen könne. Ein solches Gestaltungskonzept der Beklagten liege nicht vor. Unabhängig davon sei auch nicht zu erkennen, dass die von ihr begehrte Sondernutzung dem „Architektenwillen“ zuwiderlaufe. Durch die begehrte Sondernutzung würde die künstlerische Intention des Architekten nicht beeinträchtigt. Soweit die Beklagte hier die gewollte Blickbeziehung bemühe, so beziehe sich diese auf Großobjekte wie Elbphilharmonie, Kehrwiederspitze oder die Rickmer Rickmers. Gemeint sei also der Gesamteindruck des dortigen, sichtbaren Hafenbereichs, in dem sich die neue Hochwasserschutzanlage stimmig einfügen solle. Diese weitläufigen Blickbeziehungen würden indes durch die Postkartenständer und -automaten, die sich unmittelbar vor dem Ladengeschäft befänden, nicht beeinträchtigt. Irrelevant sei auch die von der Beklagten erwähnte Geltung der Materialien. Die Empfehlung spreche nicht von deren spezieller optischer, also gestalterischer, Geltung, sondern von deren Alltagstauglichkeit. Sowohl Empfehlung als auch Begründung sprächen im Übrigen auch von einem hohen Besucheraufkommen und Festivitäten wie dem Hafengeburtstag, einem Ort des Verweilens, des Flanierens, der Bewegung und Kommunikation. Der Entwurf versammele spannungsvolle Gegensätze wie Ruhe und Dynamik, Homogenität und Vielfalt. Der Entwurf verlange mithin ein gewisses „Leben“. Ihr Ladengeschäft sei daher ja auch erwünscht, es sei Teil des Entwurfs. Die Aufstellung von drei im Gesamtkontext zu vernachlässigenden kleinen Objekten sei nicht störend. Keinesfalls werde die neue Hochwasserschutzanlage dadurch auf das Erscheinungsbild der alten Hochwasserschutzanlage zurückgeführt. Drei Postkartenständer bzw. -automaten könnten das Erscheinungsbild wohl kaum mehr trüben als eine beliebige, uncharmante Kaffeehauskette (…) mit billig anmutender Außenbestuhlung und teilweise aus Pappbechern trinkenden Menschen. Beim Kauf einer Postkarte könne man im Übrigen ebenso gut kommunizieren und sich begegnen wie beim Kauf eines Coffee-to-go. Links und rechts des Ladengeschäfts der Klägerin befände sich ferner ohnehin das ca. 50 cm vorragende Geländer der Hochwasserschutzanlage, so dass Postkartenständer bzw. Postkartenautomat gerade einmal sichtbare ca. 30 cm in die - auf dieser Höhe etwa 13 m breite - Promenade hineinragten. Hinsichtlich der Verletzung des Rechts auf Gleichbehandlung bleibe es dabei, dass die Wahrnehmung des gesamten Bereichs der Elbpromenade herangezogen werden müsse. Dieser Bereich lasse sich nicht einfach aus den „Blickbeziehungen“, die in der Empfehlung und Begründung der Jury genannt werden, ausklammern. Der Besucher empfinde den gesamten Bereich dort unzweifelhaft als zusammengehörend und unterscheide nicht zwischen dem Bereich der neuen Hochwasserschutzanlage und dem weiteren Abschnitt der Elbpromenade bis zu den Landungsbrücken. Hinsichtlich der Genehmigungsfiktion verbleibe es schließlich beim Vortrag aus der Widerspruchsbegründung. Die in § 19 Abs. 2a S. 3 HWG normierte Frist hätte keinen Sinn, wenn ihr Verstreichenlassen nicht die Rechtsfolge nach § 42a Abs. 1 HmbVwVfG nach sich zöge.

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Nachdem die Klägerin ursprünglich beantragt hat, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 06.10.2015 und 12.02.2016 zu verpflichten, ihr zu bescheinigen, dass ihr Antrag vom 23.04.2015 als genehmigt gilt, hilfsweise ihr die beantragte Sondernutzungserlaubnis zu erteilen, beantragt die Klägerin nunmehr,

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festzustellen, dass die Versagung der beantragten Sondernutzungsgenehmigung durch die Bescheide vom 06.10.2015 und 12.02.2016 rechtswidrig gewesen ist.

21

Die Beklagte beantragt,

22

die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2016. Ergänzend trägt sie vor, dass auch auf dem zweiten Bauabschnitt das Aufstellen von Warenauslagen nicht genehmigt werden soll. Die Hochwasserschutzanlage sei zudem architektonisch sehr aufwändig und kostspielig gestaltet, damit sie sich harmonisch in das Stadtbild einfüge. Schon aus diesem Grund seien Warenauslagen sehr kritisch zu sehen. Auch im Hinblick auf Stellschilder - sog. Kundenstopper - werde das ihr durch § 19 Abs. 1 HmbWG eröffnete Ermessen regelmäßig dahingehend ausgeübt, dass keine Sondernutzungserlaubnis erteilt werde. Es sei vordringlich die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten. Würde die Sondernutzung bezüglich der Stellschilder und Warenauslagen erlaubt werden, bliebe eine diesbezügliche Beeinträchtigung zu befürchten, da eine Vielzahl von Gewerbetreibenden entsprechende Erlaubnisse begehren würden. Im Bereich der Hochwasserschutzanlage würden auch in unregelmäßigen Abständen Kontrollen durchgeführt und unerlaubte Sondernutzungen im Wege des Ordnungswidrigkeitenrechts verfolgt.

24

Das Gericht hat die Sachakte der Beklagten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird ergänzend auf diese und die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Klage ist zulässig (hierzu 1.), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg (hierzu 2.).

1.

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Die Klage ist zulässig. Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (in analoger Anwendung, vgl. BVerwG, Urt. v. 16.06.1999, 6 C 19/98, juris, Rn. 18) statthaft, nachdem sich die Versagungsentscheidung der Beklagten durch Zeitablauf am 31.03.2016 erledigt hat. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben, weil zum einen die Klägerin zu erkennen gegeben hat, dass sie weiterhin eine Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von Warenauslagen vor ihrem Geschäft wünscht und zum anderen die Beklagte zu erkennen gegeben hat, auch in Zukunft keine entsprechende Sondernutzungserlaubnis zu erteilen.

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In dem nunmehr allein gestellten Antrag, festzustellen, dass die Versagung der beantragten Sondernutzungserlaubnis durch die Bescheide vom 06.10.2015 und 12.02.2016 rechtswidrig gewesen ist, liegt auch keine teilweise Klagerücknahme, weil die Klägerin nicht zugleich beantragt hat, festzustellen, dass die beantragte Sondernutzungserlaubnis als genehmigt galt. Denn die Prüfung dieser Frage wird durch den von der Klägerin gestellten Feststellungsantrag abgedeckt. Würde die Sondernutzungserlaubnis nämlich im Zeitpunkt der Versagung bereits als erteilt gegolten haben, wäre die Versagung bereits aus diesem Grund rechtswidrig gewesen.

2.

28

In der Sache bleibt die Klage ohne Erfolg. Der Bescheid vom 06.10.2015 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 12.02.2016 erfahren hat, ist rechtmäßig gewesen und hat die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Die Entscheidung der Beklagten ist nicht schon aufgrund einer nach § 42a HmbVwVfG eingetretenen Genehmigungsfiktion rechtswidrig gewesen (hierzu a)). Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung ist im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle (§ 114 VwGO) rechtlich nicht zu beanstanden (hierzu b)).

a)

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Die Versagung der Erteilung der von der Klägerin begehrten Sondernutzungserlaubnis war nicht rechtswidrig, weil die Sondernutzungserlaubnis nach § 42a Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG im Zeitpunkt der Versagung bereits als erteilt galt. Nach dieser Vorschrift gilt eine beantragte Genehmigung nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (Genehmigungsfiktion), wenn dies durch Rechtsvorschrift angeordnet und der Antrag hinreichend bestimmt ist. § 42a Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG verlangt damit eine Rechtsvorschrift, die ausdrücklich die Genehmigungsfiktion anordnet (vgl. etwa § 6a Abs. 1 GewO). Es reicht nicht aus, wenn nur gesetzliche Entscheidungsfristen (ohne ausdrückliche „Fiktionsbewehrung“) vorgesehen sind (vgl. nur Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 42a Rn. 29 ff.). § 19 Abs. 2a HWG enthält indes nur eine Entscheidungsfrist, eine Genehmigungsfiktion wird dort gerade nicht angeordnet.

b)

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Der Klägerin stand ein Anspruch auf Erteilung der von ihr begehrten Sondernutzungserlaubnis nicht nach § 19 Abs. 1 S. 4 HWG zu (vgl. allgemein zur Einordnung dieser Vorschrift als Anspruchsgrundlage und Ermessensnorm VG Hamburg, Urt. v. 26.02.2015,20 K 2855/13, juris, Rn. 42 ff.). Nach dieser Vorschrift kann eine Sondernutzungserlaubnis erteilt werden, wenn u.a. städtebauliche oder sonstige öffentliche Belange auf Grund der Wegenutzung und die öffentlichen oder privaten Rechte Dritter nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden (vgl. § 19 Abs. 1 S. 4 Nr. 3 HWG).

31

Das von der Klägerin begehrte Aufstellen von Postkartenständern und -automaten vor ihrem Geschäft stellt eine Sondernutzung im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 1 HWG dar (vgl. nur VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.12.1999, 5 S 2051/98, juris, Rn. 42; VG Neustadt (Weinstraße), Beschl. v. 15.03.2012, 4 L 195/12.NW, juris, Rn. 14; VG Karlsruhe, Urt. v. 21.10.2008, 8 K 4194/07, juris, Rn. 24).

32

Nach § 19 Abs. 1 S. 4 HWG stand die Erteilung der von der Klägerin demnach zu Recht beantragten Sondernutzungserlaubnis im Ermessen der Beklagten. Das erkennende Gericht ist folglich nach § 114 Satz 1 VwGO darauf beschränkt zu prüfen, ob die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung fehlerhaft gewesen ist. Dabei sind für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung grundsätzlich die in dem Bescheid zum Ausdruck kommenden Ermessenserwägungen maßgeblich.

33

Vorliegend hat die Beklagte die Erteilung der von der Klägerin begehrten Sondernutzungserlaubnis ermessensfehlerfrei abgelehnt. Sie hat ausgehend vom Zweck der gesetzlichen Ermächtigung die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte in die Ermessenserwägung eingestellt und ist zu einem sachgerechten Ergebnis gekommen, das mit dem Gleichheitsgrundsatz und dem Grundrecht der Klägerin auf Berufsfreiheit vereinbar ist.

34

Die Beklagte hat die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis mit der Begründung abgelehnt, das Aufstellen von Warenauslagen wirke sich negativ auf das Erscheinungsbild der erneuerten Elbpromenade aus. Sie hat sich damit auf städtebauliche bzw. stadtgestalterische Gründe berufen. Dies ist ihr nach § 19 Abs. 1 S. 4 Nr. 3 HWG ausdrücklich gestattet.

35

Die Einschätzung der Beklagten, das Aufstellen von Warenauslagen wie die von der Klägerin begehrten Postkartenständer und -automaten wirke sich negativ auf das Erscheinungsbild der erneuerten Elbpromenade aus, ist in tatsächlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Postkartenständer und –automaten vor dem Geschäft der Klägerin wirken sich zwar sicherlich nicht massiv auf das Erscheinungsbild der erneuerten Elbpromenade aus. Es kann indes auch nicht die Rede davon sein, dass deren Erscheinungsbild durch die Postkartenständer und –automaten überhaupt nicht beeinträchtigt wird, zumal zu berücksichtigen ist, dass bei Erteilung der begehrten Sondernutzungserlaubnis an die Klägerin auch anderen Gewerbetreibenden auf der erneuerten Elbpromenade aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) Sondernutzungserlaubnisse zu erteilen wären. Zwar mag sich nicht jedermann der Beurteilung der Beklagten anschließen, dass das Aufstellen von Warenauslagen vor den Geschäften auf der erneuerten Elbpromenade deren skulpturalen Charakter beeinträchtigt und Warenauslagen unter Berücksichtigung der auf der erneuerten Elbpromenade gewählten Farb- und Materialgestaltung wie ein Fremdkörper wirken würden. Die Frage, ob und inwieweit Warenauslagen das Erscheinungsbild der erneuerten Elbpromenade negativ beeinträchtigen, ist indes keine juristische Frage, sondern letztlich eine Frage des ästhetischen Empfindens. Es liegt im gerichtlich nicht überprüfbaren Ermessensspielraum der Beklagten, wie sie diese Frage beantwortet. Dem Gericht ist es nach § 114 VwGO verwehrt, bezüglich dieser Frage ein eigenes Ermessen auszuüben bzw. sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Beklagten zu setzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.05.2010, 5 C 8/09, juris, Rn. 25). Die Grenzen ihres Ermessens hat die Beklagte mit ihrer Entscheidung jedenfalls nicht überschritten. Denn es ist der Beklagten grundsätzlich gestattet, aus städtebaulichen bzw. stadtgestalterischen Gründen das Aufstellen von Warenauslagen an bestimmten Straßen oder Plätzen vollständig zu verbieten oder zu beschränken (vgl. BayVGH, Urt. v. 22.06.2010, 8 B 10.970, juris, Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.12.1999, 5 S 2051/98, juris, Rn. 44 ff.; VG München, Urt. v. 22.08.2000, M 2 K 00.1552, juris, Rn. 41 ff.; vgl. auch VG Berlin, Urt. v. 11.01.2016, 1 K 136.14, juris, Rn. 28 ff.; VG Berlin, Beschl. v. 15.11.1979, 1 A 410.79, juris, Rn. 5). Dies gilt zudem nicht nur dann, wenn das Erscheinungsbild der Straßen oder Plätze ansonsten verunstaltet wäre; auch mindere Beeinträchtigungen, die nicht den Grad einer Verunstaltung erreichen, lassen ein vollständiges Verbot zu (vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 17.05.2016, 9 E 1697/16, juris, Rn. 20; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.12.1999, 5 S 2051/98, juris, Rn. 46).

36

Ein Ermessensfehler ist auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte den bereits erneuerten Abschnitt der Elbpromenade und den noch nicht erneuerten Abschnitt der Elbpromenade bei der Frage der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen getrennt betrachtet hat. Es ist allgemein – und allemal der Klägerin als Inhaberin eines Geschäfts auf dem bereits erneuerten Abschnitt der Elbpromenade – bekannt, dass der bereits erneuerte Abschnitt der Elbpromenade sich in architektonischer Hinsicht deutlich vom noch nicht erneuerten Abschnitt der Elbpromenade unterscheidet und beide Abschnitte nicht nahtlos ineinander übergehen. Vielmehr befindet sich zwischen beiden Abschnitten eine Lücke in Form einer Baustelle, die es u.a. unmöglich macht, direkt von einem Abschnitt auf den anderen Abschnitt zu gehen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Elbpromenade nicht – wie die Beklagte es für richtig hält – als eine „einzige“ Fußgängerpromenade betrachtet, sondern die beiden Abschnitte der Elbpromenade getrennt betrachtet.

37

Die Klägerin kann auch nicht damit gehört werden, dass das Gestaltungskonzept der Beklagten nicht erkennbar sei. Die Beklagte hat ihr Gestaltungskonzept gegenüber der Klägerin in den angefochtenen Bescheiden hinreichend deutlich aufgezeigt; auch ergeben sich weder aus den Ausführungen in diesen Bescheiden noch aus sonstigen Umständen Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Beklagte dieses Gestaltungskonzept nicht durchgängig und gegenüber allen Gewerbetreibenden auf dem bereits erneuerten Abschnitt der Elbpromenade verfolgt. Eine Rechtsvorschrift oder einen (ungeschriebenen) Rechtsgrundsatz, wonach die Beklagte ihr Gestaltungskonzept in allgemeiner und geschriebener Form, z.B. in Leit- oder Richtlinien, festzulegen hat, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Es genügt, wenn die Beklagte tatsächlich ein bestimmtes Gestaltungskonzept hat und dieses auch durchgängig verfolgt.

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Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Gestaltungskonzept der Beklagten durch das Bezirksamt festgelegt wurde. Insbesondere ist die Beteiligung der Bezirksversammlung nicht notwendig gewesen. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zum baden-württembergischem Recht entschieden, dass ein Gestaltungskonzept für eine Fußgängerzone, welches die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen regelt, durch den Gemeinderat beschlossen werden muss (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 09.12.1999, 5 S 2051/98, juris, Rn. 46). Diese Entscheidung kann auf die Hamburgische Rechtslage indes nicht übertragen werden. Denn während der Gemeinderat nach baden-württembergischen Recht grundsätzlich über alle Angelegenheiten der Gemeinde entscheidet, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten überträgt (vgl. § 24 Abs. 1 S. 2 GemO Baden-Württemberg), hat die Bezirksversammlung in Hamburg entsprechende Rechte nicht (vgl. zu den Entscheidungsrechten der Bezirksversammlung § 19 HmbBezVG).

39

Die Ermessensentscheidung der Beklagten stellt auch keinen rechtswidrigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin gemäß Art. 12 Abs. 1 GG dar. Die Nichterteilung der von der Klägerin begehrten Sondernutzungserlaubnis berührt ihre Berufsausübungsfreiheit. Regelungen zur Berufsausübung sind zulässig, wenn sie durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls gerechtfertigt sind, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (BVerfG, Urt. v. 13.12.2000, 1 BvR 335/97, juris, 26). Hiernach ist der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin gerechtfertigt. Die Versagung von Sondernutzungserlaubnissen zur Warenpräsentation dient dazu, das Erscheinungsbild der erneuerten Elbpromenade möglichst wenig zu beeinträchtigen und damit dem Schutz stadtgestalterischer Zielsetzungen. Dabei handelt es sich um einen Gemeinwohlbelang, der einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigt. Die Entscheidung der Beklagten ist auch geeignet, das Ziel der möglichst geringen Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds der erneuerten Elbpromenade zu erreichen. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Schließlich steht die Versagung der Sondernutzungserlaubnis auch nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck. Durch das Aufstellen von Warenauslagen durch die Klägerin und andere Gewerbetreibende wird das Erscheinungsbild der erneuerten Elbpromenade zwar nicht massiv, aber doch spürbar, beeinträchtigt. Zudem hat niemand einen Anspruch darauf, sein Gewerbe auf einer für den Verkehr bestimmten Straße auszuüben (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1971, VII C 61.70, juris, Rn. 18) und kann niemand verlangen, dass sein Interesse an einer „Gewinnmaximierung“ als besonders und vorrangig zu berücksichtigender Belang bei der Interessenabwägung im Rahmen der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis Beachtung findet (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v.01.07.2014, 11 A 1081/12, juris, Rn. 10). Schließlich lagen der Beklagten im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids vom 12.02.2016, aber auch noch im Zeitpunkt der Erledigung der Versagung der Sondernutzungserlaubnis durch Zeitablauf am 31.03.2016, keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Versagung der Sondernutzungserlaubnis die Klägerin in finanzieller Hinsicht existenziell oder doch zumindest erheblich beeinträchtigen könnte. Zu den wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der Versagung der Sondernutzungserlaubnis hat die Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2016 vorgetragen und behauptet, ihr sei durch das Verbot der Aufstellung der Postkartenständer und -automaten in einem Zeitraum von sechs Monaten ein Umsatz in Höhe von ca. EUR … entgangen. Selbst aus dieser Angabe könnte aber im Übrigen kein Rückschluss auf eine existenzielle Bedeutung der Sondernutzungserlaubnis für die Klägerin gezogen werden, da die Klägerin keine Angaben zu ihrem Gesamtumsatz und ihrem Gewinn gemacht hat.

40

Die Ermessensentscheidung der Beklagten hat auch nicht das Recht der Klägerin auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die Klägerin beruft sich zum einen auf eine Ungleichbehandlung gegenüber den Gewerbetreibenden auf dem noch nicht erneuerten Abschnitt der Elbpromenade zwischen dem Rundbunker und den St. Pauli Landungsbrücken, die für vergleichbare Warenauslagen seit jeher Sondernutzungserlaubnisse erhielten. Zum anderen macht sie eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gewerbetreibenden auf „ihrem“ bereits erneuerten Abschnitt der Elbpromenade geltend, die teilweise Sondernutzungserlaubnisse erhielten. In beiderlei Hinsicht liegt eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung jedoch nicht vor.

41

Was die Ungleichbehandlung mit den Gewerbetreibenden auf dem noch nicht erneuerten Abschnitt der Elbpromenade angeht, so liegen hinreichende sachliche Gründe vor, welche ihrer Art und ihrem Gewicht nach die von der Beklagten praktizierte Ungleichbehandlung rechtfertigen. Die Ungleichbehandlung resultiert aus der Umsetzung des Gestaltungskonzepts der Beklagten, das auf der erneuerten Elbpromenade die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für das Aufstellen von Warenauslagen nicht mehr vorsieht, und zwar auch für den Abschnitt der Elbpromenade zwischen dem Rundbunker und den St. Pauli Landungsbrücken, sobald dessen Erneuerung abgeschlossen ist. Dass die Beklagte auf diesem bisher noch nicht erneuerten Abschnitt noch Sondernutzungserlaubnisse für das Aufstellen von Warenauslagen erteilt, ist mithin allein dem Umstand geschuldet, dass dort die dem neuen Gestaltungskonzept der Beklagten zugrunde liegende neue Gestalt der Elbpromenade noch nicht fertiggestellt ist.

42

Was die Ungleichbehandlung mit anderen Gewerbetreibenden auf dem bereits erneuerten Abschnitt der Elbpromenade angeht, so hat die Beklagte nachvollziehbar, u.a. durch Vorlage zahlreicher von ihren Bediensteten gefertigten Ordnungswidrigkeitenanzeigen, dargelegt, dass sie vergleichbare Sondernutzungen wie die von der Klägerin begehrte Sondernutzung nicht genehmigt und gegen Gewerbetreibende, die solche Sondernutzungen dennoch (d.h. ohne Genehmigung) vornehmen, ordnungsrechtlich vorgeht. Was die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen im Bereich der Außengastronomie angeht, so liegen hinreichende sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung vor. Bei der Außengastronomie einerseits und der Warenpräsentation von Geschäften andererseits handelt es sich um unterschiedliche Sachverhalte, die demzufolge auch unterschiedlich geregelt werden dürfen (so auch VG Stuttgart, Urt. v. 15.09.2009, 13 K 1166/09, juris, Rn. 19). Der Besuch von Bars, Cafés und Restaurants dient regelmäßig nicht nur der Befriedigung von Trink- und Essbedürfnissen, sondern auch der Kommunikation mit anderen. Die Außengastronomie hat damit einen wesentlich engeren Bezug zum Zweck öffentlicher Wege als die Warenpräsentation. Die Straße dient nämlich nicht nur dem Verkehr im Sinne der Fortbewegung von Menschen, sondern auch dem sogenannten kommunikativen Verkehr, der auf Begegnung und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern ausgerichtet ist; öffentliche Wege sind auch Stätten des Informations- und Meinungsaustauschs sowie der Pflege menschlicher Kontakte (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 19.01.2012, 4 Bf 269/10, juris, Rn. 23; VG München, Urt. v. 31.05.2016, M 2 K 15.5322, juris, Rn. 27). Aufgrund dieses wesentlich engeren Bezugs zum Zweck öffentlicher Wege ist eine Ungleichbehandlung zwischen Außengastronomie und Warenpräsentation regelmäßig - und so auch hier - gerechtfertigt.

II.

43

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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Tenor Es wird festgestellt, dass die Ablehnung des Antrags der Klägerin vom 21.03.2007 auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Jahr 2007 durch den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2007 und ihren Widerspruchsbescheid vom 12.11.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Hat die Behörde über einen Antrag auf Erlaubnis zur Ausübung eines Gewerbes nach § 34b Absatz 1, 3, 4, § 34c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 oder § 55 Absatz 2 nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten entschieden, gilt die Erlaubnis als erteilt.

(2) Absatz 1 gilt auch für Verfahren nach § 33a Absatz 1 und § 69 Absatz 1 und für Verfahren nach dem Gaststättengesetz, solange keine landesrechtlichen Regelungen bestehen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein freischaffender Künstler, begehrt die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für eine Kunstinstallation auf dem Hansaplatz in Hamburg.

2

Der Hansaplatz befindet sich in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofes im Stadtteil St. Georg in Hamburg. Seit dem Jahr 2011 ist der Platz neu gestaltet. In der Mitte befindet sich der historische Hansabrunnen. In den den Hansaplatz umgebenden Gebäuden befinden sich u.a. Gaststätten und Wohnungen. Nach der Neugestaltung wurden auf dem Platz – anders als zuvor – keine Bänke mehr aufgestellt.

3

Laut dem sog. „Gestaltungsleitfaden für Sondernutzungen auf dem Hansaplatz“ war es ein wesentliches Ziel der Neugestaltung, dem Hansaplatz nach Jahren der „Fehlnutzungen eine neue Prägung sowie ein positives Image zu geben und dabei eine Vielfalt an neuen Nutzungen auf dem Platz zu ermöglichen.“ Weiter heißt es:

4

Zone 1 Platz Mitte und Hansabrunnen („Ruhebereich“)

5

Die mit Granitkleinpflaster versehene Mitte des Platzes bleibt absolut frei von Autoverkehr. Der historische Hansabrunnen ist durch einen Kreis von großkronigen Linden eingefasst. In diesem Ruhebereich werden nur in besonders begründeten Ausnahmefällen Sondernutzungen zugelassen.

6

Zone 2 Marktfläche und Gastrostreifen („Sondernutzungsbereich“)

7

Das Grundmuster des gründerzeitlichen Hansaplatzes wird durch großformatiges Betonpflaster (Gastrostreifen) mit neuer Beleuchtung und Neuanpflanzung von kleinkronigen Bäumen sowie in den Eckbereichen durch bewegliche Poller markiert.

8

Die an den vier Platzseiten gelegenen Flächen des Gastronomiestreifens, die bis an den Lindenkreis heranreichen, sind besonders für Marktnutzungen, Sommerterrassen und vielfältige kulturelle und kommerzielle Veranstaltungen nutzbar.

9

Für Veranstaltungen und Wochenmärkte sind vier Stromversorgungsstationen (Graffitinachahmer) jeweils mittig an den vier Platzseiten und zwei Fettabscheider entlang der westlichen Marktfläche eingebaut und nutzbar zu machen. […]

10

Zone 3 Belieferungs- und Versorgungsflächen („Autoverkehrsbereich“) […]

11

Zone 4 Gastrostreifen am Gebäude („Sondernutzungsbereich“) […]“

12

„3. Bodenbeläge

13

Es sind keine weiteren Bodenbeläge wie Kunstrasen, Teppiche etc. zulässig. Funktionsabdeckungen für temporäre Veranstaltungen sind davon ausgenommen.

14

4. Oberflächenschutz

15

Der Sondernutzer hat die Oberflächen regelmäßig zu reinigen, um den Wert der Platzoberfläche nachhaltig zu sichern. Die Genehmigung einer Veranstaltung wird mit der Auflage der anschließenden Reinigung auf Kosten des Veranstalters verbunden. […]

16

5. Werbeflächen und Beschriftung

17

Werbeflächen und Schilder müssen sich grundsätzlich der Fassadenstruktur unterordnen. Gestalterische Festlegungen sind im Einzelnen für die Gebäude mit Festsetzung städtebaulicher Erhaltungssatzung zu treffen. Stellschilder, Pylonen und sog. Kundenstopper sind auf öffentlicher Wegefläche grundsätzlich nicht genehmigungsfähig. Werbeanlagen, Werbung an Markisen, Vordächern o.ä. bedürfen grundsätzlich einer Sondernutzungserlaubnis.“

18

Mit E-Mail vom 15.2.2012 beantragte der Kläger eine Sondernutzung an vier Bodenflächen auf dem Hansaplatz, um dort Bilder auf dem Grund aufzubringen. Es sollte sich um die Schatten von Sitzbänken handeln. Als Material wollte der Kläger Premark Fertigmarkierungsstrahl der Farbe Weiß, einfach rückstrahlend auf das Pflaster mit Hilfe eines Primers zur Haftungsverbesserung bei 200 Grad auf den Untergrund des Hansaplatzes aufschweißen. Die Bankschatten sollten sich jeweils im Bereich der Lichtkegel der LED-Strahler des Hansaplatzes befinden. Die Fläche für einen Bankschatten sollte 250 cm Breite und 150 cm Tiefe betragen. Nach der Realisierung sei von einer Mindesthaltbarkeit von fünf Jahren aufwärts auszugehen. Des Weiteren schlug er vor – wie vom Stadtteilbeirat angeregt – kleine Hinweistafeln an den Lichtmasten anbringen.

19

Mit E-Mail vom 27.2.2012 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit: „Gegen den Bankschatten gibt es keine Bedenken seitens des Bezirksamtes. Eine Sondernutzungserlaubnis erhalten Sie Anfang März. Über die Hinweistafel müssen wir aber noch mal reden […]“

20

Mit Bescheid vom 16.4.2012 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ab. Zur Begründung führte sie aus, ein Aufbringen von (Schatten-)Bildern auf öffentlichen Wegeflächen berge die Gefahr von nicht erwünschten und nicht genehmigten Nachahmern speziell durch das Sprayen von Graffiti. Dies gelte umso mehr, da die Installation nicht nur für einen temporär eng begrenzten Zeitraum, sondern – bedingt durch das spezielle Material und die Auftragungsart – für mindestens fünf Jahre vorgesehen sei. Die Beseitigung von Graffiti stelle ein großes – auch finanzielles – Problem dar. Für Kunstaktionen, die einen derartigen Nachahmungseffekt hervorrufen könnten, könnten daher Sondernutzungserlaubnisse nicht erteilt werden. Diese Entscheidung entspreche auch der ständigen Verwaltungspraxis.

21

Mit Schreiben vom 13.5.2012, eingegangen am 15.5.2012, erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe sich bei ihrer Ablehnung nicht auf straßenrechtliche Gründe gestützt, dies allein seien aber nur zulässige Gründe. Des Weiteren berufe sich die Beklagte auf ihre Verwaltungspraxis, ohne dies aber zu belegen. Die Architekten des Platzes habe er telefonisch über sein Vorhaben informiert und diese hätten ihm viel Glück gewünscht. Sein Projekt sei in der Kunstkommission Hamburg eingereicht worden und von der Kommission zur Realisierung empfohlen worden. Er könne der Beklagten im äußersten Fall nur insoweit entgegenkommen, dass er einen ähnlichen Farbton wählen würde, der Farbhersteller müsse aber gleich bleiben.

22

Im Laufe des Widerspruchsverfahrens erkundigte sich die Beklagte mit Schreiben vom 8.3.2013, ob sich der Kläger hinsichtlich der Art des verwendeten Materials und der Aufbringung grundsätzlich eine Kompromisslösung vorstellen könne.

23

Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 21.3.2013, dass es hinsichtlich des Materials keine Alternativen gebe, und er darum bitte, über seinen Widerspruch zu entscheiden.

24

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.6.2013 – zugestellt am 18.6.2013 – wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es handele sich um eine Sondernutzung trotz der Kunstausübung, da mit ihr ein Eingriff in die Bausubstanz des Bodens einhergehe und durch die langjährige und großflächige Kunstinstallation andere Künstler – je nach Vorhaben – von einer Nutzung dieses Straßenraumes ausgeschlossen bzw. beeinträchtigt würden. Eine Sondernutzungserlaubnis könne nicht erteilt werden. Die Wegebestandsteile würden unverhältnismäßig beeinträchtigt, da die Installation mindestens fünf Jahre dort bleiben solle und sich die Markierungen anschließend nicht rückstandsfrei entfernen ließen. Es bestehe ein Konflikt mit bauplanerischen, pflegerischen und städtebaulichen Belangen, so sei der Platz gerade neu gestaltet worden und liege zentral im Bereich einer städtebaulichen Erhaltungsverordnung. Die Bankschatten würden nach einiger Zeit unansehnlich und zudem sei zu befürchten, dass sie Graffitinachahmer anziehen würden. Private Rechte Dritter seien unverhältnismäßig beeinträchtigt, weil sich eine Kollision mit den Kunstwerken anderer Künstler ergeben könnte, insbesondere beim jährlich stattfindenden „Kunstpreis Hansaplatz“. Aus der Kunstfreiheit des Klägers ergebe sich keine Ermessensreduzierung auf Null, weil die Kunstfreiheit anderer Künstler zu sehr beeinträchtigt würde. Kunstwerken im öffentlichen Raum sei ein Umgebungsschutz zu gewähren, der dazu führe, dass die Realisierung anderer Kunstwerke oder -aktionen für eine erhebliche Zeit verhindert oder zumindest erschwert würde. Schon aus diesem Gesichtspunkt könne das Ermessen nicht zugunsten des Klägers ausgeübt werden bzw. es sei keine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen. Darüber hinaus spreche gegen eine Reduzierung des Ermessens auf Null das Urheberrecht des Architekten am Platz. Sobald die Fertigmarkierungen anfingen, sich abzulösen oder zu verschmutzen und das Kunstwerk unansehnlich werde, drohe der neu gestaltete Platz mit der Zeit unästhetisch zu werden. Das Erscheinungsbild des Platzes würde verletzt. Diese Abwägung gelte auch hinsichtlich der Berufsfreiheit des Klägers. Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Es gebe noch einen roten Strich in der Neustadt, dieser sei aber nicht vergleichbar und nicht dauerhaft auf den Untergrund aufgetragen und mit diesem verbunden. Auch bestehe dort eine geringere Gefahr von Graffitinachahmungen, weil es sich nicht um ein Kunstwerk handele. Es könne dahinstehen, ob den vorgenannten Gründen eventuell durch Nebenbestimmungen entgegengewirkt werden könne, denn der Kläger habe deutlich gemacht, nicht von seiner ursprünglichen Planung abweichen zu wollen.

25

Der Kläger hat am 18.7.2013 Klage erhoben. Die vorgetragenen Argumente genügten nicht zu einer Einschränkung seiner grundsätzlich schrankenfrei gewährleisteten Kunstfreiheit. Bei fehlerfreiem Ermessensgebrauch hätte ihm die begehrte Sondernutzung erteilt werden müssen. Es habe keine konkrete Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und den Rechten Dritter oder der Allgemeinheit stattgefunden. Eine Konkurrenz mit anderen Künstlern gebe es nicht. Angesichts der Gesamtfläche des Hansaplatzes sei die von ihm beanspruchte Fläche marginal. Sein Kunstvorhaben habe ein besonderes Anliegen, dass unmittelbar auf den Lebensraum „Hansaplatz“ und die Entscheidung der Beklagten, dort keine Bänke aufzustellen, abziele. Dass sich Nachahmer und Graffitikünstler finden könnten, sei eine bloße Vermutung. Selbst wenn die Installation Spuren auf den Betonplatten hinterlassen sollte, sei zu prüfen, ob dies in Gewährleistung der Kunstausübung hinzunehmen sei. Spuren auf dem Bodenbelag träten auch durch den üblichen Gemeingebrauch sowie durch Witterungseinflüsse auf. Die von ihm verwandte Premarkfarbe verschmelze nur mit Asphalt, hier handele es sich aber um Betonplatten. Ein Abfräsen zur Beseitigung der künstlerischen Installation sei nicht erforderlich. Der Gemeingebrauch sei bei einer Nutzung von insgesamt lediglich 15 qm nicht eingeschränkt.

26

Der Kläger beantragt,

27

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.4.2013 und des Widerspruchsbescheides vom 14.6.2013 zu verpflichten, eine Sondernutzungserlaubnis für eine Kunstinstallation von vier „Bankschatten“ auf dem Hansaplatz gemäß dem Antrag vom 15.2.2012 zu erteilen.

28

Die Beklagte beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf ihre Ausführungen im Vorverfahren und führt vertiefend und ergänzend aus: Sie habe ihre Entscheidung auf das Fehlen mehrerer Voraussetzungen gestützt, wobei jeder dieser Gründe jeweils für sich einzeln betrachtet schon ausreichend für die Versagung gewesen sei. Auch auf Beton bringe das Aufbringen und Entfernen der Markierungen eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung von Wegebestandteilen mit sich. Durch das Erhitzen der Markierungen würden die Markierungen selbst weich und würden sich dadurch mit dem Beton verbinden und z.B. in dessen Poren und Ritzen eindringen. Selbst wenn ein späteres Abfräsen technisch nicht notwendig sein sollte, hinterlasse die Markierung in jedem Fall nach einem gewissen Zeitablauf mehr oder weniger unschöne Spuren und sei damit rückstandsfrei nicht möglich. Insbesondere sei nach der Demarkierung mit dem Zurückbleiben sog. Phantomspuren zu rechnen. Diese könnten entweder durch das Abfräsen oder aber dadurch entstehen, dass die Oberfläche durch die darauf befindliche Markierung vor Witterungseinflüssen und Abnutzung geschützt worden sei und nach Entfernung Farbunterschiede infolge der unterschiedlichen Beanspruchung entstünden. Des Weiteren würden die Markierungen mit der Zeit brüchig und dadurch unansehnlich. Aus ihrem Gestaltungsleitfaden ergebe sich, dass ein wesentliches Ziel der Neugestaltung gewesen sei, dem Hansaplatz ein positives Image zu geben. Dies zeige und konkretisiere das dringende stadtplanerische Interesse an der Vermeidung unansehnlicher Zustände und eines schlechten Erscheinungsbildes des gerade erst neu und hochwertig gestalteten Platzes. Die klägerische Auffassung konsequent zu Ende gedacht, würde dies dazu führen, dass sie ihre eigenen Nutzungs-, Gestaltungs- und Erhaltungsziele im öffentlichen Wegeraum gegenüber individuellen Gestaltungsinteressen Einzelner, die eine langfristige Sondernutzung mit Folgen für die Substanz und die Ansehnlichkeit des öffentlichen Eigentums beinhalteten, in derartigen Fällen nicht würde durchsetzen können. Dies würde auch mit Blick auf mögliche andere Sondernutzungsbegehren vergleichbarer Art und vergleichbaren Umfangs zu nicht vertretbaren Ergebnissen führen.

31

Das Gericht hat die Sachakte der Beklagten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird ergänzend auf diese und die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.2.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

32

Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg. Der versagende Bescheid vom 16.4.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 14.6.2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zu (1.). Er hat auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung (2.).

33

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis nach § 19 Abs. 1 Satz 4 Hamburgisches Wegegesetz in der Fassung vom 22.1.1974 m. spät. Änd. (HWG) (a)). Ihm steht auch kein Anspruch auf Erteilung aus der E-Mail vom 27.2.2012 zu (b)).

34

a) Ein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis steht dem Kläger nicht nach § 19 Abs. 1 S. 4 HWG zu. Nach dieser Vorschrift kann eine Sondernutzungserlaubnis erteilt werden, wenn u.a. nach Nr. 3 Wegebestandteile, städtebauliche oder sonstige öffentliche Belange einschließlich der Erzielung von öffentlichen Einnahmen auf Grund der Wegenutzung und die öffentlichen oder privaten Rechte Dritter nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Hier liegt eine Sondernutzung vor (aa)), ein Anspruch auf Erteilung kann sich aus § 19 Abs. 1 Satz 4 HWG grundsätzlich ergeben (bb)), die in Nr. 3 aufgezählten Belange gehören zur Ermessensausübung (cc)). Das Ermessen der Beklagten ist nicht auf Null reduziert, weil die Belange im konkreten Fall bei Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis beeinträchtigt (dd)) wären und dies auch in unverhältnismäßiger Weise (ee)). Eine Ermessensreduzierung auf Null wegen einer Selbstbindung der Verwaltung kommt ebenfalls nicht in Betracht (ff)).

35

aa) Die Installation der Bankschatten auf dem Hansaplatz ist als Sondernutzung zu qualifizieren.

36

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 HWG ist jede Benutzung der öffentlichen Wege, die ihren Gebrauch durch andere dauernd ausschließt oder in den Wegekörper eingreift oder über die Teilnahme am allgemeinen öffentlichen Verkehr (Gemeingebrauch) oder den Anliegergebrauch hinausgeht, Sondernutzung.

37

(1) Das Vorhaben des Klägers, Bankschatten durch Farbe auf dem Boden des Hansaplatzes aufzubringen, greift zum einen in den Wegekörper ein (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 HWG).

38

Zum Wegekörper zählen nach § 2 Satz 1 Nr. 1 HWG insbesondere der Wegegrund, der Wegeunterbau und die Wegedecke. Ein Eingriff in den Wegekörper ist gegeben, wenn eine Substanzverletzung oder eine Funktionsbeeinträchtigung des Wegekörpers vorliegt. Hier kann dahinstehen, inwieweit mit der Farbaufbringung eine Substanzverletzung einhergehen würde, weil jedenfalls eine Funktionsbeeinträchtigung gegeben wäre. Denn dadurch, dass die Farbe mit der Wegedecke fest verbunden wäre und diese abdecken würde, könnte sie zwar noch ihrer Funktion als Untergrund, nicht aber mehr ihrer Signalfunktion nachkommen. So signalisiert die Wegedecke durch ihre Farbe und Form – auch in Verbindung mit dem Gestaltungsleitfaden, dass und welche Art des Verkehrs hier stattfinden darf. Dies wäre nicht mehr möglich, wenn die Platten durch Farbe abgedeckt wären.

39

(2) Zum anderen geht das Vorhaben über die Teilnahme am allgemeinen öffentlichen Verkehr hinaus, (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 HWG).

40

Vom Gemeingebrauch sind alle solche Wegenutzungen „zum Verkehr“ erfasst, die im Rahmen der Widmung und der Vorschriften über den Straßenverkehr erfolgen (OVG Hamburg, Urt. v. 19.1.2012, 4 Bf 269/10, juris Rn. 23). Dies umfasst nicht nur die Platzbenutzung zur Ortsveränderung, sondern auch darüber hinaus den sog. kommunikativen Verkehr. Die öffentlichen Wege sind nämlich auch Stätten des Informations- und Meinungsaustauschs sowie der Pflege menschlicher Kontakte (OVG Hamburg, Urt. v. 19.1.2012, 4 Bf 269/10, juris Rn. 23). Ob eine Wegenutzung dem kommunikativen Verkehr und damit dem Gemeingebrauch i.S.v. § 16 Abs. 1 HWG zuzurechnen ist oder ob sie zu den Sondernutzungen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 HWG zählt, ist maßgeblich anhand des äußeren Erscheinungsbildes der konkreten Wegenutzung zu beurteilen (OVG Hamburg, Urt. v. 19.1.2012, 4 Bf 269/10, juris Rn. 23). Nach dem äußeren Erscheinungsbild handelt es sich bei den Bankschatten um eine auf mehrere Jahre angelegte ortsfeste Installation, die aufgrund dessen auch dem kommunikativen Verkehrsbegriff nicht mehr unterfällt.

41

(3) Die Qualifikation der Installation als Sondernutzung und die daraus folgende Erlaubnispflichtigkeit der Nutzung wäre grundsätzlich mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstfreiheit zu vereinbaren, so dass hier offenbleiben kann, ob sich der Kläger auf diesen Schutz berufen kann. Das behördliche Kontrollverfahren der Sondernutzungserlaubnis ist ein mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu vereinbarendes, den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes standhaltendes Mittel, um die verschiedenen grundrechtlich geschützten Belange der Straßenbenutzer in Einklang zu bringen (Ausgleichs- und Verteilungsfunktion der Sondernutzungserlaubnis) (dazu ausführlich BVerwG, Urt. v. 9.11.1989, 7 C 81/88, juris Rn. 12ff.).

42

bb) Ein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis kann sich aus § 19 Abs. 1 Satz 4 HWG grundsätzlich ergeben.

43

Zwar schließt § 19 Abs. 1 Satz 3 HWG explizit einen Anspruch die Erlaubnis aus und in Satz 4 heißt es sodann lediglich „kann“ und nicht „muss“ erteilt werden, so dass aus einer allein systematischen Betrachtung der Schluss gezogen werden könnte, ein Anspruch könne nicht aus Satz 4 folgen. Dies greift indes zu kurz. § 19 Abs. 1 Satz 4 HWG muss verfassungskonform ausgelegt werden. Ein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis muss jedenfalls dann möglich sein, wenn anderenfalls Grundrechte des jeweiligen Antragstellers unverhältnismäßig beeinträchtigt würden. Wie oben dargestellt, ist das Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis zwar grundsätzlich ein verhältnismäßiger Eingriff in die Kunstfreiheit, allerdings muss das der Erlaubnisbehörde eingeräumte Ermessen, soweit es um den Ausgleich kollidierender Grundrechtspositionen geht, nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz ausgeübt werden. Ergibt die Prüfung des Einzelfalles, dass ein dem Schutzbereich der Kunstfreiheit unterfallendes Verhalten andere Grundrechte oder Werte mit Verfassungsrang nicht ernstlich beeinträchtigt, wird in aller Regel das Ermessen reduziert sein und ein Anspruch auf Erlaubniserteilung bestehen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 9.11.1989, 7 C 81/88, juris Rn. 15). Diese Abwägung kann der Gesetzgeber verfassungskonform nicht dadurch vorwegnehmen, dass er einen Anspruch von vornherein ausschließt. Der Wortlaut von § 19 Abs. 1 Satz 4 HWG lässt eine solche verfassungskonforme Auslegung auch zu, weil sich im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null ein solcher Anspruch herleiten lässt.

44

cc) Die in § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 HWG aufgezählten Belange gehören zur Ermessensausübung und nicht zum Tatbestand.

45

Der Wortlaut von § 19 Abs. 1 Satz 4 HWG ist zwar insoweit nicht ganz eindeutig, weil auf der einen Seite die in den einzelnen Nummern genannten Belange „unverhältnismäßig“ beeinträchtigt werden müssen, was auf die Ermessensseite hindeutet, auf der anderen Seite aber die einzelnen Nummern mit „wenn“ eingeleitet werden, was eher dafür spricht, dass es sich um Tatbestandselemente handelt. Eine systematische Betrachtung lässt aber darauf schließen, dass es sich bei den Belangen um Ermessensbestandteile handelt. Denn schon der vorangehende Satz 3 der Norm beschäftigt sich mit dem Ermessen, indem dort ein Anspruch ausgeschlossen wird. Aus diesem Grund liegt es nahe, auch den nachfolgenden Satz als ermessenslenkende Norm aufzufassen. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch die historische Auslegung. So heißt es in der Begründung zu dem Entwurf des Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Wegegesetzes (Bü-Drs. v. 9.12.2008, 19/1751), dass die bisherige Regelung keine Anhaltspunkte zur Ausübung des „Ermessens“ enthalten habe und nunmehr „sämtliche der im neuen Satz 4 genannten Gesichtspunkte bei der Abwägung“ zu berücksichtigen seien. Dieses Formulierungen bringen zum Ausdruck, dass die Belange im Ermessen geprüft werden sollen (i. E. so auch OVG Hamburg, Beschl. v. 29.5.2012, 4 Bs 79/12; a. A. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.10.2013, 2 Bs 283/13, juris Rn. 21).

46

dd) Die in § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 HWG genannten Belange wären durch die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis beeinträchtigt.

47

Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn eine Störung der in der Norm genannten Belange auftritt. Danach wären hier sowohl die Wegebestandteile ((1)), die städtebaulichen Belange ((2)) und die Rechte Dritter ((3)) beeinträchtigt.

48

(1) Hier wären die Wegebestandteile beeinträchtigt, weil die Bankschatten während der Zeit ihrer Aufbringung Teile des Platzes verdecken würden und nach der Entfernung „Phantomspuren“ zurückblieben. Dabei ist auch hier unerheblich, ob und inwieweit die Platten des Platzes durch die Aufbringung bzw. das Entfernen der Streifen in ihrer Substanz verletzt werden. Es genügt auch hier eine Funktionsbeeinträchtigung. Zwar würden die Wegebestandteile nicht in ihrer Funktion als fester Untergrund beeinträchtigt, aber in ihrer Funktion als Untergrund, der zugleich durch seine Farbe und Form signalisiert, dass und welche Art des Verkehrs hier stattfinden darf. Während der Zeit, in der die Bankschatten aufgebracht wären, könnten die Wegebestandteile diese Funktion nicht mehr erfüllen.

49

(2) Des Weiteren wären die in der Norm genannten städtebaulichen Belange beeinträchtigt, weil die Beklagte durch die Aufbringung der Streifen in ihren eigenen bauplanerischen und baupflegerischen Interessen am Platz gestört würde. Würden die Bankschatten an vier Stellen auf dem Platz aufgebracht, wären die Platten in diesem Bereich nicht mehr zu sehen. Nach dem Ablösen der Streifen würden zudem Phantomspuren zurückbleiben. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Neugestaltung des Platzes 2011 fertig gestellt worden ist und der Hansaplatz im Rahmen der Neugestaltung unter anderem einen neuen Platzbelag erhielt. Diesen möglichst lange im Ursprungszustand zu erhalten, ist ein anerkennenswerter baupflegerischer Belang.

50

(3) Außerdem wären Rechte Dritter beeinträchtigt. Denn Sondernutzungen anderer Künstler können an den Stellen, an denen sich die Bankschatten befinden, nicht genehmigt werden. Dies ergibt sich aus dem sog. „Umgebungsschutz“, der für Kunstwerke auf Zeit im Stadtraum gilt. In entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des Umgebungsschutzes beim Schutz von Denkmalen genießen auch Kunstwerke auf Zeit einen unmittelbar aus Art. 5 Abs. 3 Satz 3 GG folgenden Umgebungsschutz und können Rücksichtnahme auf die künstlerische Konzeption beanspruchen (VG Berlin, Beschl. v. 26.5.1995, 19 A 831.95, juris Rn. 45). Würden auf dem jeweiligen Bankschatten andere Sondernutzungen genehmigt, kämen die Bankschatten durch die Verdeckung nicht mehr richtig zur Anschauung und der Kläger – unterstellt, der Schutzbereich ist eröffnet – könnte sich auf den oben dargestellten Umgebungsschutz berufen, um die Sondernutzungen abzuwehren. Umgekehrt wären aber auch andere Künstler in ihrer Kunstfreiheit beeinträchtigt. Diese könnten ihre Kunstinstallationen nicht unbehelligt von der Kunst des Klägers auf dem Hansaplatz zur Anschauung bringen. Dass es sich dabei nicht bloß um eine abstrakte Befürchtung handelt, ergibt sich schon daraus, dass auf dem Hansaplatz einmal jährlich im Herbst der sog. Kunstpreis Hansaplatz durchgeführt wird.

51

ee) Die oben genannten Beeinträchtigungen wären bei einer Genehmigung der Sondernutzung des Klägers als unverhältnismäßig einzustufen.

52

(1) Die Versagung der Genehmigung war geeignet und erforderlich zum Schutz der oben genannten Belange. Mildere Mittel standen nicht zur Verfügung. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Dauer der Kunstinstallation als auch hinsichtlich der Größe. Im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung ist vom Kläger deutlich gemacht worden, dass das Kunstwerk selbst verändert würde, sollte ein anderes Material oder eine andere Größe der Schatten gewählt werden. Dies ist nicht im Sinne des Klägers und wäre daher kein gleich geeignetes milderes Mittel.

53

(2) Die Versagung der Genehmigung war auch angemessen. Dies gilt sowohl, wenn man den Schutzbereich der Kunstfreiheit für den Kläger nicht eröffnet sieht ((aa)), als auch, wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er sich auf die Kunstfreiheit berufen kann ((bb)).

54

(aa) Der Schutzbereich der Kunstfreiheit dürfte sich nicht auf das Vorhaben des Klägers erstrecken.

55

Die vom Grundgesetz geschützte Kunstfreiheit umfasst die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisses des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden (BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1783/05 – Esra, juris Rn. 59; BVerfG, Beschl. v. 17.7.1984, 1 BvR 816/82 – anachronistischer Zug, juris Rn. 34 auch zu den weiteren Definitionsversuchen; BVerfG, Entscheidung v. 24.2.1971, 1 BvR 435/68 – Mephisto, juris Rn. 48). Die Freiheitsverbürgung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG betrifft den „Werkbereich“ des künstlerischen Schaffens in prinzipiell gleicher Weise wie den „Wirkbereich“ der Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks (BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1783/05 – Esra, juris Rn. 63; BVerfG, Entscheidung v. 24.2.1971, 1 BvR 435/68 – Mephisto, juris Rn. 49). Allerdings erstreckt sich die Reichweite der Kunstfreiheit aber von vornherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung (BVerfG, Beschl. v. 19.3.1984, 2 BvR 1/84, NJW 1984, 1293, 1294 – Sprayer von Zürich; BVerwG, Beschl. v. 13.4.1995, 4 B 70/95, NJW 1995, 2648f.).

56

Danach dürfte die Installation der Bankschatten auf dem Hansaplatz nicht vom Schutzbereich der Kunstfreiheit umfasst sein. Zwar beschäftigt sie sich mit der politischen Entscheidung, auf dem Platz keine Bänke aufzustellen, und bringt dies durch die Aufbringung von Schatten, die das Fehlen der Bänke herausstellen sollen, zum Ausdruck, so dass sie dem Kunstbegriff grundsätzlich unterfällt. Aber die Installation nimmt für dieses Vorhaben das öffentliche Eigentum der Beklagten an dem Hansaplatz (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 HWG i.V.m. § 2 Abs. 1 HWG) in Anspruch und dürfte aus diesem Grund aus dem sachlichen Schutzbereich herausfallen.

57

Bei der nach § 19 Abs. 1 Satz 4 HWG gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dann allerdings die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Klägers in die Betrachtung einzubeziehen. Diese steht hier allerdings hinter den städtebaulichen Belangen zurück, denn durch die Aufbringung der Bankschatten würden die Wegebestandteile sowie die städtebaulichen Belange der Beklagten unangemessen stark beeinträchtigt.

58

So sind die Belange der Beklagten besonders hoch einzustufen. Dies ergibt sich aus folgendem: Der Platz ist seit 2011 erst neugestaltet, und es handelt sich daher um einen relativ neuen Untergrund, an dessen langfristiger unbeschädigter Erhaltung die Beklagte ein ihr zuzugestehendes finanzielles und optisch-gestalterisches Interesse hat. Dass dieser Belang gerade auf dem Hansaplatz eine hohe Bedeutung für die Beklagte hat, zeigt sich an folgendem: So hat die Beklagte ihre genauen städtebaulichen Vorstellungen von dem Hansaplatz in einem Gestaltungsleitfaden für den Hansaplatz konkretisiert. Aus diesem ergeben sich im einzelnen Aussehen und Funktion der einzelnen Bestandteile des Platzes. Die Beklagte legt etwa in dem Leitfaden verschiedene Zonen für die Nutzung des Platzes fest und macht Vorgaben für die Sondernutzungen in diesen Bereichen (Zone 1: „Ruhebereich“; Zone 2: „Sondernutzungsbereich“, Zone 3: „Autoverkehrsbereich“, Zone 4: „Sondernutzungsbereich“). Dass der Beklagten das Aussehen des Bodenbelages ein besonderes Anliegen ist, ist schon daran zu erkennen, dass sie in Zone 2 Bodenbeläge wie Kunstrasen, Teppiche etc. verbietet und darüber hinaus bestimmt, dass der jeweilige Erlaubnisinhaber die Oberflächen regelmäßig zu reinigen hat, um den Wert der Platzoberfläche nachhaltig zu sichern.

59

Diese Belange der Beklagten würden unangemessen stark beeinträchtigt. So würde die Beklagte ihre Gestaltungshoheit für einen unangemessen langen Zeitraum – mindestens fünf Jahre – verlieren. Außerdem wäre die Beklagte auch in einem unangemessen weitreichenden Maße beeinträchtigt, da der Kläger alle vier Seiten des Platzes mit seiner Installation von jeweils 2,50 mal 1,50 m Umfang, die zudem noch unter den Straßenleuchten Tag und Nacht sichtbar sein soll, in Anspruch nehmen möchte. Insofern fällt aufgrund dieser Anzahl der Bankschatten und ihrer Ausrichtung nicht ins Gewicht, dass – wie der Kläger vorbringt – nur ein geringer Teil des Platzes mit insgesamt 15 qm in Anspruch genommen würde.

60

Damit kommt es auf die Belange Privater an dieser Stelle gar nicht mehr an.

61

(bb) Selbst wenn man unterstellt, dass der Schutzbereich der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Kunstfreiheit eröffnet ist, ist die Versagung der Genehmigung angemessen.

62

Durch die Versagung wird das Leistungs- und Teilhaberecht des Klägers als Künstler auf Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraumes eingeschränkt. Es geht also nicht um die Abwehr eines hoheitlichen Eingriffs, sondern vielmehr um die Frage, ob öffentliche Sachen zum Zwecke der Grundrechtsverwirklichung in Anspruch genommen werden dürfen (so auch Bismark, NJW 1985, 247, 250; vgl. auch Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Rn. 312). Zwar ist die Kunstfreiheit in erster Linie ein Abwehrrecht (Sachs, GG, 4. Aufl. 2007, Art. 5 Rn. 189), und originäre Teilhabeansprüche sind der Grundrechtsordnung grundsätzlich fremd, indes stellt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG auch eine objektive, das Verhältnis des Bereiches Kunst zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm dar (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 29.11.1989, 1 BvR 1402/87, juris Rn. 31; BVerfG, Beschl. v. 17.7.1984, 1 BvR 816/82 – anachronistischer Zug, juris Rn. 28; BVerfG, Entscheidung vom 24.2.1971, 1 BvR 435/68 – Mephisto, juris Rn. 47). Bei der Verwirklichung dieser verfassungsrechtlichen Grundentscheidung belässt das Grundgesetz dem Staat allerdings einen breiten Gestaltungsraum (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.11.1989, 1 BvR 1402/87, juris Rn. 31f.).

63

Diesen Gestaltungsraum hat die Beklagte vorliegend nicht überschritten. Denn sie hat nach einer Abwägung, bei der sie die Kunstfreiheit umfassend berücksichtigt hat, zu Recht den entgegenstehenden Belangen den Vorrang eingeräumt.

64

Wie schon oben erwähnt, wären die städtebaulichen Belange und die Wegebestandteile durch eine Erteilung der Genehmigung unangemessen beeinträchtigt. Hier gilt das oben bereits ausgeführte: Die Dauer und Dimension der Installation führt dazu, dass zum einen ein unangemessen großer Teil der Platten unangemessen lange verdeckt wäre und sich auch nach Entfernung der Bankschatten nicht wieder unauffällig in den Rest des Platzes einfügen würde (Stichwort: Phantomspuren). Durch die Aufbringung der Bankschatten würde die Beklagte zudem unangemessen lange und in unangemessen weitem Ausmaß die Gestaltungshoheit über den Platz verlieren.

65

Unabhängig vom soeben genannten Aspekt hat die Beklagte den ihr zustehenden Gestaltungsraum nicht überschritten, wenn sie sich darauf beruft, dass durch die Erteilung der Genehmigung andere Künstler auch zu weitgehend in ihrer Kunstfreiheit beschränkt würden. Denn die anderen Künstler könnten an der Stelle, an der sich die Bankschatten befinden, nicht unbehindert ihre eigene – ebenfalls von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG geschützte – Kunstfreiheit ausüben. Zum einen genießt die Kunst des Klägers den oben schon erwähnten Umgebungsschutz, so dass er sich gegenüber den anderen Künstlern auf diesen Schutz berufen könnte. Zum anderen ist aber auch – wie schon erwähnt – den anderen Künstlern der Umgebungsschutz zuzusprechen. Auch sie haben das Recht, ihre Kunst unbehelligt von der Kunst des Klägers zur Schau zu stellen bzw. den Untergrund des Platzes für ihre Kunstinstallationen in Anspruch zu nehmen. Der Beklagten ist ein Gestaltungsraum zuzugestehen, wie sie diesen Konflikt auflöst. Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass sie den Rechten anderer Künstler den Vorzug eingeräumt hat. Denn zum einen nehmen die Bankschatten wichtige Teile des Platzes ein, weil sie sich an allen vier Seiten des Platzes befinden und jeweils 2,50 mal 1,50 m Umfang haben. Zudem ist zu berücksichtigen, dass nicht der ganze Hansaplatz uneingeschränkt für Sondernutzungen zur Verfügung steht. So gibt es den Ruhebereich in der Mitte um den Brunnen und den Autoverkehrsbereich, in dem zudem noch die Rettungswege freizuhalten sind und den Sondernutzungsbereich für die Gaststätten. Aus diesem Grund sind die 15 qm, die der Kläger mit seiner Installation in Anspruch nimmt, nicht in Bezug zu setzen zum ganzen Hansaplatz, sondern zu dem in erster Linie nur zur Verfügung stehenden Sondernutzungsbereich in der Zone 2. Davon nähme der Kläger einen erheblichen Raum mit seinem Vorhaben ein. Des Weiteren spricht die Dauer der Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraumes gegen die Erteilung einer Genehmigung. Auf diese Weise sind andere Künstler nämlich mindestens für die Dauer von fünf Jahren von der Kunstausübung an diesen vier Stellen ausgeschlossen. Dass es sich – anders als der Kläger meint – nicht nur um eine abstrakte, sondern um eine ganz konkrete Abwägung handelt, ergibt sich allein daraus, dass auf dem Hansaplatz einmal jährlich der oben schon erwähnte „Kunstpreis Hansaplatz“ stattfindet und die dort auftretenden Künstler ihre Kunst nicht unbehelligt von der Kunst des Klägers zur Schau stellen könnten.

66

Dies würde im Übrigen auch gelten, sollte man die Versagung der Genehmigung als Eingriff in die Kunstfreiheit des Klägers betrachten (so wohl Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 124, siehe aber auch Rn. 121; a. A. Bismark, NJW 1985, 247 (250); anders wohl auch Wittreck in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Rn. 69f.; Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Rn. 312). Die Kunstfreiheit ist zwar nicht mit einem ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt versehen. Sie ist aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern findet ihre Grenzen unmittelbar in anderen Bestimmungen der Verfassung, die ein in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes ebenfalls wesentliches Rechtsgut schützen (BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007, 1 BvR 1783/05, juris Rn. 68). Aus den oben genannten Gründen würde bei der Herstellung praktischer Konkordanz mit der Kunstfreiheit der anderen Künstler, die ebenfalls von der Verfassung geschützt ist und in § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 HWG in den öffentlichen Belangen eine gesetzliche Grundlage findet, gegenüber dem Grundrecht des Klägers der Vorrang einzuräumen sein.

67

Aus der dem Kläger zustehenden Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, die zur Kunstfreiheit in Idealkonkurrenz steht (vgl. Wittreck in: Dreier, GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Rn. 76; Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 117; a. A. Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 4. Aufl. 1999, Art. 5 Rn. 288), ergibt sich aus dem oben gesagten nichts anderes.

68

ff) Schließlich ergibt sich keine Ermessensreduzierung auf Null aus Art. 3 Abs. 1 GG (Selbstbindung der Verwaltung). Denn vergleichbare Fälle, bei denen eine Sondernutzungserlaubnis erteilt wurde, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist der rote Strich in der Neustadt aufgrund seiner Lage, seines Aussehens, seiner Funktion und seiner Haltbarkeit nicht mit dem Vorhaben des Klägers gleichzusetzen.

69

b) Aus der E-Mail vom 27.2.2012 kann der Kläger ebenfalls keinen Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis ableiten, auch wenn ihm darin mitgeteilt wurde, dass er eine Sondernutzungserlaubnis Anfang März erhalte, weil es an der nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz vom 9.11.1977 in der zum Zeitpunkt der E-Mail geltenden Fassung (HmbVwVfG) erforderlichen Form mangelt. Nach dieser Vorschrift bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen, zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Die Anforderungen an die Schriftform regelt § 37 Abs. 3 HmbVwVfG (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 38 Rn. 20). Danach muss ein schriftlicher Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragen enthalten. Schriftlichkeit bedeutet dabei die Verkörperung einer Gedankenerklärung. Daran fehlt es bei einer E-Mail. Auch die nach § 3a Abs. 2 Satz 1 HmbVwVfG grundsätzlich mögliche Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form hilft nicht weiter, da es insoweit an der nach § 3a Abs. 2 Satz 2 HmbVwVfG erforderlichen elektronischen Signatur fehlt.

70

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Neubescheidung seines Begehrens zu, das als Minus in seinem Antrag auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis enthalten ist.

71

Ermessensfehler der Beklagten sind nicht ersichtlich. Wie sich aus dem Wortlaut von § 19 HWG und auch aus der Begründung zu dem Entwurf des Achtzehnten Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Wegegesetzes (Bü-Drs. v. 9.12.2008, 19/1751) ergibt, sind – anders als der Kläger meint – nicht nur wegebezogene Kriterien bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.

72

Insbesondere ist des Weiteren die Erwägung, dass die Urheberrechte der Architekten am Platz beeinträchtigt sein könnten, keine ausschlaggebende Erwägung gewesen, so dass die Frage dahinstehen kann, ob diese sich tatsächlich auf den Schutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Urheberrechtsgesetz v. 9.9.1995 m. spät. Änd. (UrhG) berufen können, was wegen der fehlenden Gestaltungshöhe eher zweifelhaft erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2013, I ZR 143/12 – Geburtstagszug, juris Rn. 26; Wandtke/Bullinger, Kommentar, 4. Aufl. 2014, § 2 UrhG Rn. 108ff.).

73

Das gleiche gilt für die Erwägung, dass es Graffitinachahmer geben könnte und die Beseitigung der Graffiti Mittel der Verwaltung binden würde. Fiskalische Erwägungen sind nach § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 HWG zwar grundsätzlich zulässig, wie sich aus der Verwendung der Formulierung „Erzielung von öffentlichen Einnahmen“ ergibt, zweifelhaft ist indes, ob es hinreichend konkrete Anhaltspunkte für Nachahmergraffiti gab. Da diese Erwägung indes ebenfalls nicht ausschlaggebend war, kann dies dahinstehen.

74

Schließlich kam – wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat – eine Erteilung der Erlaubnis mit Nebenbestimmungen schon deshalb nicht in Betracht, weil diese das Kunstwerk des Klägers verändert hätten.

II.

75

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller betreibt im Anwesen A-Straße ... in A-Stadt seit einigen Jahren einen Lebensmittelmarkt mit dem Schwerpunkt auf das Warensortiment „Obst und Gemüse". Zur Präsentation seiner Obst- und Gemüsewaren hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller in der Vergangenheit wiederholt befristet eine Sondernutzungserlaubnis für eine mit genauen Maßen in der Erlaubnis bezeichneten Gehwegfläche vor seinem Ladengeschäft auf der Grundlage der Vorschriften der Sondernutzungssatzung der Stadt A-Stadt erteilt. Zuletzt war dem Antragsteller mit Bescheid vom 23. August 2010 erlaubt worden, die Warenpräsentation in einer Tiefe von 1,20 m, gemessen von der Gehweghinterkante aus, und 9,90 m Länge aufzubauen.

2

Bei Kontrollen stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller das zulässige Maß der Inanspruchnahme der Sondernutzungsfläche überschritten hatte. Die Beanstandungen führten zu zahlreichen Bußgeldbescheiden, änderten aber nichts an den Überschreitungen.

3

Den neuerlichen Antrag des Antragstellers vom 26. Januar 2012 auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Präsentation von Obst und Gemüse auf einer Fläche des öffentlichen Verkehrsraums vor dem Ladengeschäft von 9,90 m x 1,40 m lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6. Februar 2012 mit der Begründung ab, alle Versuche, insbesondere zahlreiche Kontrollen, Ermahnungen, Gespräche, Schreiben, Anhörungen und Ordnungswidrigkeitsverfahren hätten den Antragsteller nicht dazu veranlassen können, die ihm mit der Sondernutzungserlaubnis aufgegebenen Grenzen der zur Nutzung genehmigten Fläche einzuhalten. Ein Gewerbetreibender, der mit solcher Hartnäckigkeit andauernd vorsätzlich Rechtsverstöße begehe, zeige damit, dass er dauerhaft nicht willens sei, sich an rechtliche Vorgaben zu halten.

4

Ferner untersagte die Antragsgegnerin in Ziffer 2 des Bescheids vom 6. Februar 2012 dem Antragsteller, vor seinem Ladengeschäft auf öffentlicher Gehwegfläche Waren zu präsentieren oder Warenständer aufzustellen. Vor dem Ladengeschäft auf öffentlicher Verkehrsfläche zur Ansicht oder zum Verkauf bereitgestellte Waren (Obst, Gemüse etc.) sowie die dafür benutzten Warenständer und sonstige Präsentationsmittel seien ersatzlos zu entfernen. In Ziffer 3 des genannten Bescheids drohte die Antragsgegnerin für den Fall, dass gegen Ziffer 2 dieser Verfügung verstoßen oder die Warenpräsentation oder der Verkauf von Waren auf der öffentlichen Fläche nicht eingestellt werde, zur Erzwingung des Unterlassens ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- € an. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 2 wurde u.a. mit der Begründung angeordnet, die Überschreitung des zulässigen Maßes der in Anspruch genommenen Sondernutzungsfläche habe eine konkrete Behinderung für Fußgänger, Rollstuhlfahrer, Kinderwagen oder Fahrrad fahrende Kinder zur Folge. Diese konkrete Gefahr von Behinderungen könne nicht mehr länger hingenommen werden, denn die sich begegnenden Verkehrsteilnehmer sowie Kunden vor den Warenauslagen auf dem Gehweg in der belebten A-Straße seien so zu schützen, dass Behinderungen oder sonstige Gefährdungen als Folge zu enger Gehwegflächen ausgeschlossen werden.

5

Dagegen hat der Antragsteller am 17. Februar 2012 Widerspruch eingelegt und am 29. Februar 2012 beim beschließenden Gericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gestellt. Zur Begründung führt er aus, der Umstand, dass er in der Vergangenheit die „Grenze" von 1,20 m um einige cm überschritten habe, habe im Wesentlichen noch nie jemand gestört, außer einen Nachbar, mit dem er im Streit liege. Der angeordnete Sofortvollzug sei für ihn existenzbedrohend. Wenn es ihm nicht möglich sei, seine Waren auf dem Gehsteig zu präsentieren, werde nach der Erfahrung der Käuferkreis rapide abnehmen. Der Sofortvollzug der angefochtenen Verfügung komme letztlich früher oder später einer Schließung des Geschäfts gleich. Die Überschreitung um nur wenige cm über das in der früheren Erlaubnis genannte Maß von 1,20 m habe keineswegs zur Folge, dass es nicht mehr möglich sei, mit einem Kinderwagen oder einem Rollstuhl vorbeizukommen.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2012 wiederherzustellen.

8

Die Antragsgegnerin beantragt,

9

den Antrag abzulehnen.

10

Sie ist dem Vorbringen des Antragstellers entgegen getreten.

II.

11

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bedarf zunächst der Auslegung gemäß § 122 i.V.m. § 88 VwGO. Ausweislich der Antragsschrift begehrt er „die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 6. Februar 2012 wiederherzustellen“. Bei verständiger Würdigung seines Begehrens wendet sich der Antragsteller sowohl gegen die Versagung der Sondernutzungserlaubnis für die Präsentation von Obst und Gemüse auf einem Teil der Fläche des öffentlichen Verkehrsraums vor dem Ladengeschäft des Antragstellers in der Ziffer 1 des Bescheids (1.) als auch gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der in Ziffer 2 angeordneten Untersagung, vor dem Ladengeschäft auf öffentlicher Gehwegfläche Waren zu präsentieren oder Warenständer aufzustellen sowie die Aufforderung, die dort zur Ansicht oder zum Verkauf bereitgestellten Waren, die dafür benutzten Warenständer und sonstige Präsentationsmittel ersatzlos zu entfernen (2.). Zuletzt wehrt sich der Antragsteller auch gegen die in Ziffer 3 des Bescheids vom 6. Februar 2012 verfügte Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 € für den Fall, dass der Antragsteller gegen die Ziffer 2 verstößt (3.).

12

1. Soweit der Antragsteller gegen die Versagung der straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis vorgeht, ist sein Begehren als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig.

13

In der Sache bleibt der Antrag aber erfolglos. Dabei kann die Kammer offen lassen, ob als Rechtsgrundlage für einen Anordnungsanspruch hier überhaupt die Vorschrift des § 41 Abs. 1 LStrG in Betracht kommt. Danach bedarf der Gebrauch der Straße über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.

14

Zwar erfüllt das Anbieten von Obst- und Gemüsewaren in Verkaufsständern im öffentlichen Verkehrsraum vor einem Ladengeschäft den Tatbestand des § 41 Abs. 1 LStrG. Denn dabei handelt es sich um eine ausschließlich gewerbliche Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche, bei der ein Verkehrsinteresse nicht vorhanden ist und die nicht auf individuelle Begegnung angelegt ist, sondern sich an die Allgemeinheit richtet (Stahlhut in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2011, Kapitel 25 Rn. 96.2 und Kapitel 6 Rn. 103 ff.; Stuchlik, GewArch 2004, 143; vgl. auch VG Karlsruhe, GewArch 2005, 39). Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Antragsteller Inhaber eines an der A-Straße gelegenen Gewerbebetriebs ist. Zwar steht ihm insoweit - in den Grenzen der Verkehrsüblichkeit und Gemeinverträglichkeit (vgl. § 34 Abs. 1 LStrG) - das Recht auf einen gesteigerten Gemeingebrauch (Anliegergebrauch) der Straße in Bezug auf solche Nutzungen zu, auf die er als Anlieger spezifisch angewiesen ist. Das Landesstraßengesetz gewährleistet dem Grundeigentümer sowie dem Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs das Recht auf Anliegergebrauch indes lediglich in seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kerngehalt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, GewArch 2006, 82 m.w.N.). Dazu gehören die Zugänglichkeit eines Grundstücks (§ 39 LStrG) und (bei Gewerbebetrieben) der „Kontakt nach außen“. Dieser gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch von Nicht-Anliegern gesteigerte Schutz reicht indessen nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums oder Bestand und Ausübung des Gewerbebetriebs eine Benutzung der Straße unabdingbar erfordern (vgl. BVerwG, NJW 1988, 432/433). Dazu zählt das Aufstellen von Verkaufsständen auf der öffentlichen Verkehrsfläche vor einem Gewerbebetrieb nicht.

15

Es ist vorliegend jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller in der Sache im Hinblick auf die Konzentrationswirkung des § 41 Abs. 7 Satz 1 LStrG statt einer Sondernutzungserlaubnis nach § 41 Abs. 1 LStrG eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO benötigt. Gemäß § 41 Abs. 7 Satz 1 LStrG bedarf es keiner Erlaubnis nach Absatz 1, sofern nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist. Die genannte Vorschrift will nach ihrem Sinn und Zweck vermeiden, dass in den Fällen, in denen eine Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung nach dem Straßenverkehrsrecht notwendig ist, zusätzlich noch eine gesonderte wegerechtliche Erlaubnis einzuholen ist. Sie dient auf diese Weise der Verfahrenskonzentration (vgl. BVerwG, GewArch 1994, 389).

16

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO ist das Anbieten von Waren und Leistungen aller Art auf der Straße verboten, wenn dadurch Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Von diesem Verbot können die Straßenverkehrsbehörden nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 StVO in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen. Zwar ist ein Nachweis konkret entstandener Verkehrsgefahren oder -unfälle insoweit nicht erforderlich, sondern es genügt eine abstrakte Gefahr (vgl. BVerwG, GewArch 1994, 389). Diese liegt vor, wenn angesichts des jeweiligen Verhaltens oder Zustands nach generalisierender Betrachtung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Störung aufzutreten pflegt (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 2011, § 33 StVO Rn. 9 m.w.N.). Bei breitem Aufstellen von Kisten mit Waren auf dem Gehsteig kann dies der Fall sein (OLG Hamm, VRS 17, 463).

17

Für das Erfordernis einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO spricht hier, dass der Antragsteller seine Obst- und Gemüsekisten vor dem Ladenlokal über die in Ziffer 3 b der Anlage 3 der Satzung der Antragsgegnerin über die Sondernutzung an öffentlichen Straßen i. d. F. vom 16. Juni 2011 erlaubte maximale Tiefe von 1,20 m hinaus aufstellen möchte - in seinem Antrag vom 26. Januar 2012 hat er eine Tiefe von 1,40 m angegeben – und die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, die Überschreitung des zulässigen Maßes der in Anspruch genommenen Sondernutzungsfläche von 1,20 m habe eine konkrete Behinderung für Fußgänger, Rollstuhlfahrer, Kinderwagen oder Fahrrad fahrende Kinder zur Folge.

18

Der Frage nach der einschlägigen Rechtsgrundlage braucht die Kammer hier indessen nicht weiter nachzugehen, denn unabhängig davon, ob als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers § 41 Abs. 1 Satz 1 LStrG oder § 46 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO in Betracht kommt, fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Sowohl § 41 Abs. 1 Satz 1 LStrG als auch § 46 Abs. 1 Nr. 9 StVO setzen eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde - hier der Antragsgegnerin als Straßenbaubehörde im Sinne des § 49 Abs. 3 Nr. 2 LStrG oder als Straßenverkehrsbehörde im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts - voraus. Bei Verwaltungsakten, die im Ermessen der Behörde stehen, kann die Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts nur ausgesprochen werden, wenn angesichts der konkreten Umstände des Falles nur eine einzige, bestimmte Entscheidung in Betracht kommt, die nicht ermessensfehlerhaft wäre (sog. Ermessensreduktion auf Null). Diese Voraussetzungen sind hier ersichtlich nicht gegeben, da der Antragsteller in der Vergangenheit beharrlich gegen die in den diversen Sondernutzungserlaubnissen angeordnete tiefenmäßige Beschränkung von 1,20 m gemessen ab der Häuserfront verstoßen hat (s. z.B. die Lichtbilder auf Bl. 110: 1,80 m; Bl. 195: 2,30 m; Bl. 211: 1,69 m; Bl. 220: 1,65 m; Bl. 104: Einkaufswagen gefüllt mit Zwiebeln steht mitten auf dem Bürgersteig; Bl. 115: Paletten reichen bis unmittelbar an die Straße; Bl. 122: Aufstellen einer Außenkasse). Von einer Ermessensreduktion auf Null kann ferner auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Antragsteller eine Erlaubnis zum Aufstellen von Warenständern bis in eine Tiefe von 1,40 m beantragt hat, während Ziffer 3 b der Anlage 3 der Satzung der Antragsgegnerin über die Sondernutzung an öffentlichen Straßen in der Fassung vom 16. Juni 2011 nur eine maximale Tiefe von 1,20 m erlaubt.

19

Hat der Antragsteller damit bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, kann dahin stehen, ob der Antrag darüber hinaus auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft.

20

2. Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthafte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ziffer 2 des Bescheids vom 6. Februar 2012 verfügte Untersagung, vor dem Ladengeschäft auf öffentlicher Gehwegfläche Waren zu präsentieren oder Warenständer aufzustellen sowie die Aufforderung, die dort zur Ansicht oder zum Verkauf bereitgestellten Waren, die dafür benutzten Warenständer und sonstige Präsentationsmittel ersatzlos zu entfernen, ist zulässig, bleibt in der Sache aber ebenfalls erfolglos.

21

Zunächst hat die Antragsgegnerin in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 2 der Verfügung vom 6. Februar 2012 ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Nach dieser Vorschrift ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, AS 19, 237, 238). Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, VBlBW 2002, 441; OVG Nordrhein-Westfalen, NJW 2001, 3427).

22

Die Antragsgegnerin hat diese Vorschrift beachtet. Sie hat die entsprechende Anordnung damit begründet, die Überschreitung des zulässigen Maßes der in Anspruch genommenen Sondernutzungsfläche habe eine konkrete Behinderung für Fußgänger, Rollstuhlfahrer, Kinderwagen oder Fahrrad fahrende Kinder zur Folge. Diese konkrete Gefahr von Behinderungen könne nicht mehr länger hingenommen werden, denn die sich begegnenden Verkehrsteilnehmer sowie Kunden vor den Warenauslagen auf dem Gehweg in der belebten A-Straße seien so zu schützen, dass Behinderungen oder sonstige Gefährdungen als Folge zu enger Gehwegflächen ausgeschlossen werden. Im Falle der Einlegung von Rechtsmitteln, die aufschiebende Wirkung entfalten würden, wären diese Gefahren auf längere Zeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung gegeben. Bei einer Abwägung der Interessen des Gewerbetreibenden gegenüber den Interessen der Allgemeinheit an einer gefahrlosen Benutzung des Gehweges müsse den Allgemeininteressen der Vorzug vor dem Gewinnstreben des Gewerbetreibenden gegeben werden. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor.

23

Auch in materieller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 2 der Verfügung vom 6. Februar 2012 rechtlich nicht zu beanstanden.

24

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 581). Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 240; OVG Schleswig-Holstein, NordÖR 2007, 452; s. auch Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rdnr. 975). Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (BVerfG, NVwZ 2007, 1176, 1177). Das Gericht nimmt – da § 80 Abs. 5 VwGO keinerlei inhaltliche Einschränkungen enthält – die Abwägung in eigener Verantwortung vor. Es prüft eigenständig, ob unter Berücksichtigung und Gewichtung aller für und wider den Sofortvollzug sprechenden Umstände – auch solcher, die der Behörde nicht bekannt waren – die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist (vgl. Finkelnburg/Külpmann, a.a.O., Rdnr. 963); maßgebend für die Interessenabwägung sind dabei die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05. August 2009 – 18 B 331/09 -, juris; OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2008, 483).

25

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagung das private Interesse des Antragstellers, dieser bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen nicht nachkommen zu müssen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass die angefochtene Ziffer 2 des Bescheids vom 6. Februar 2012 offensichtlich rechtmäßig ist und mit ihrer Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft, deren Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.

26

Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Untersagungsverfügung bestehen nicht, da der Antragsteller vor Erlass des Bescheids gemäß § 1 LVwVfG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG mit Schreiben vom 11. Januar 2012 angehört worden ist.

27

In materieller Hinsicht ist die Ziffer 2 des Bescheids vom 6. Februar 2012 offensichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür ist § 41 Abs. 8 Satz 1 LStrG. Danach kann die Straßenbaubehörde in den Fällen, in denen eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis benutzt wird oder der Erlaubnisnehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung oder zur Erfüllung der Auflagen anordnen.

28

Die Vorschrift des § 41 Abs. 8 Satz 1 LStrG ist einschlägig unabhängig davon, ob der Antragsteller für die Präsentation seiner Obst- und Gemüsewaren vor dem Ladengeschäft eine Sondernutzungserlaubnis nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LStrG oder eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO benötigt. Die Konzentrationswirkung des § 41 Abs. 7 Satz 1 LStrG berührt nicht die Befugnis der Straßenbaubehörde, gemäß § 41 Abs. 8 Satz 1 LStrG gegen unerlaubte Sondernutzungen einzuschreiten (Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probstfeld/ Kaminski, LStrG, Stand Januar 2010, § 41 Anm. 7.1.; Hess. VGH Kassel, DÖV 1992, 38).

29

Die Tatbestandsvoraussetzungen des zum behördlichen Eingreifen ermächtigenden § 41 Abs. 8 Satz 1 LStrG sind erfüllt. Die Nutzung des öffentlichen Verkehrsraums vor dem Ladengeschäft des Antragstellers ist Sondernutzung (siehe oben). Der Antragsteller verfügt nicht über eine Sondernutzungserlaubnis.

30

Die Untersagungsverfügung ist auch auf der Rechtsfolgenseite nicht zu beanstanden. Sie leidet insbesondere nicht an Ermessensfehlern im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO.

31

Allein das Fehlen einer erforderlichen Sondernutzungserlaubnis (formelle Illegalität) berechtigt die Straßenbaubehörde im Regelfall zu Maßnahmen nach § 41 Abs. 8 Satz 1 LStrG (Bogner/Bitterwolf-de Boer/Probstfeld/Kaminski, LStrG, a.a.O., § 41 Anm. 8.4.; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, GewArch 2012, 93). Die Nutzung des öffentlichen Verkehrsraums vor dem Ladengeschäft des Antragstellers ist derzeit formell illegal. Dieser verfügt nicht über eine Sondernutzungserlaubnis oder eine Ausnahmegenehmigung. Es ist auch nicht erkennbar, dass er einen unbedingten Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis aus § 41 Abs. 1 Satz 1 LStrG oder einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 9 StVO haben könnte.

32

3. Keinen Erfolg haben kann der Antrag des Antragstellers auch insoweit, als er sich gegen die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000 € in Ziffer 3 des Bescheids wendet. Der Antrag ist statthaft nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt., Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 20 AGVwGO und auch ansonsten zulässig. Er ist jedoch unbegründet, da die Voraussetzungen der §§ 61, 64, 66 LVwVG hier gegeben sind. Insbesondere war eine Fristbestimmung entbehrlich (§ 66 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 LVwVG). Gegen die Höhe des angedrohten Zwangsgelds bestehen keine Bedenken.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

34

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2, 63 GKG i. V. m. den Ziffern 1.5 und 43.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004.

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Ablehnung des Antrags der Klägerin vom 21.03.2007 auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Jahr 2007 durch den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2007 und ihren Widerspruchsbescheid vom 12.11.2007 rechtswidrig war.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser auf sich behält. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis.
Sie ist Inhaberin des ... in der ... in .... Das Geschäft befindet sich in der Fußgängerzone der ... Innenstadt.
Bis zum Jahr 2007 wurden der Klägerin für die Aufstellung zweier Postkartenverkaufsständer vor ihrem Geschäft durch die Beklagte mehrfach Sondernutzungserlaubnisse erteilt.
Im Jahr 2005 verabschiedete der Gemeinderat der Beklagten die „Regelungen für die ... Mitte“ (das sogenannte „City-Commitment“). Mit dem „City-Commitment“ verfolgt die Beklagte das Ziel, die ... Innenstadt zu einem „Kaufhaus-Innenstadt“ zu entwickeln, das sich durch ein einheitliches Erscheinungsbild und ein zentrales Management gegenüber den Einkaufszentren auf der „grünen Wiese“ behaupten kann. Das „City-Commitment“ sieht u.a. einen „attraktiven Auftritt der Ladengeschäfte“ sowie einheitliche Kernladenöffnungszeiten für den Einzelhandel vor. Straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnisse für Warenpräsentationen im Freien, Werbestopper, etc. sollen danach nur mit der Nebenbestimmung erteilt werden, dass der Antragsteller die Kernöffnungszeiten für sein Geschäft gewährleistet. Die Umsetzung der Ziele des „City-Commitments“ obliegt nach der getroffenen Regelung dem Beigeladenen, dessen Mitglieder die Beklagte selbst, der Gewerbeverein ... e.V. und mehrere in der Stadt ... ansässige Unternehmen sind.
Die Regelungen des „City-Commitments“ wurden durch das am 20.04.2007 vom Gemeinderat der Beklagten verabschiedete „... City-Commitment“ konkretisiert. Danach soll die Beklagte dem Beigeladenen auf dessen jährlich zu stellenden Antrag hin eine Sondernutzungserlaubnis zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsflächen in der „... Mitte“ (räumlicher Bereich des Innenstadtrings) erteilen. Auf der Grundlage individueller Vereinbarungen könne der Beigeladene dann Sondernutzungserlaubnisse für einzelne Teilflächen im Innenstadtbereich vergeben. Dem Beigeladenen werde damit eine flexible Möglichkeit eröffnet, ein anreizorientiertes und nachhaltiges City-Management zu betreiben. Der Beigeladene werde die Sondernutzungserlaubnisse nur dann per Vereinbarung weitergeben, wenn der Antragsteller eine Mindestzahl der geforderten Bausteine des „... City-Commitments“ für seinen Betrieb tatsächlich umsetze. Die Beklagte unterstütze den Beigeladenen bei der Überwachung der Einhaltung der für die Innenstadt vergebenen Sondernutzungserlaubnisse.
Entsprechend erteilte die Beklagte dem Beigeladenen auf dessen Antrag hin am 05.12.2006 für das Jahr 2007 eine umfassende Sondernutzungserlaubnis zur Nutzung der öffentlichen Verkehrsflächen in der „... Mitte“ (räumlicher Bereich des Innenstadtrings) für die Aufstellung von Werbeträgern/Kundenstoppern, Verkaufs- und Warenauslagen aller Art, Schirmen und Markisen (Witterungsschutz) sowie Spielgeräten. In den „Auflagen und Bedingungen“ heißt es, die Entscheidung solle dem Beigeladenen die Möglichkeit geben, ein City-Management zu entwickeln. Die Sondernutzungserlaubnis berechtige den Beigeladenen, Sondernutzungen durch Dritte ausüben zu lassen. Die Vergabe von Sondernutzungserlaubnissen dürfe nicht von einer Mitgliedschaft des Antragstellers im City- oder Gewerbeverein abhängig gemacht werden. Für die Bemessung der Gebühren sei das Gebührenverzeichnis zur „Satzung über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen in ...“ zu Grunde zu legen. Die dem Beigeladenen erteilte Erlaubnis sei stets widerruflich. Sie erfolge unter dem Vorbehalt, dass die Ziele des „... City-Commitments“ umgesetzt würden. Die erteilte Sondernutzungserlaubnis wurde unter dem 30.08.2007 ergänzend begründet.
Mit Antrag vom 21.03.2007 begehrte die Klägerin bei der Beklagten für das Jahr 2007 die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung zweier Postkartenverkaufsständer links und rechts der Eingangstür zu ihrem Laden in einem Gebäudeabstand von weniger als 1 m mit einem Flächenverbrauch von insgesamt 1 m².
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 31.08.2007 ab. Zur Begründung macht sie geltend, die Sondernutzungserlaubnis sei für das gesamte Jahr 2007 bereits an den Beigeladenen auf dessen Antrag hin erteilt worden. Die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis solle diesen in die Lage versetzen, seinerseits die Vergabe von Flächen im Jahr 2007 im Bereich der „... Mitte“ an Dritte vertraglich zu regeln. Da die Fläche, auf der die Postkartenverkaufsständer aufgestellt werden sollten, nicht zweimal zum gleichen Zweck an unterschiedliche Antragsteller vergeben werden könne, sehe sich die Beklagte außer Stande, dem Antrag zu entsprechen. Vielmehr verweise sie auf die Möglichkeit, die Nutzung der öffentlichen Verkehrsflächen vertraglich mit dem Beigeladenen zu regeln.
Am 24.09.2007 legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie macht im Wesentlichen geltend, die Beklagte dürfe die Entscheidung über Sondernutzungserlaubnisse in der „Nagolder Mitte“ nicht nach Art einer „Beleihung“ auf den Beigeladenen übertragen, da die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen nach der gesetzlichen Regelung des Straßengesetzes eine weisungsfreie Pflichtaufgabe der Beklagten sei. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung könne die Beklagte zwar städtebauliche und baugestalterische Gesichtspunkte berücksichtigen, die Durchsetzung von Kernöffnungszeiten nach dem „City-Commitment“, stelle aber eine sachfremde Erwägung und damit einen Ermessensfehler dar. Die Ablehnung der Sondernutzungserlaubnis verletze die Klägerin in ihrer durch Art. 12 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit.
10 
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2007, der Klägerin zugegangen am 14.11.2007, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verweist sie auf den Ausgangsbescheid und trägt ergänzend vor, der Beigeladene sollte mit der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis in die Lage versetzt werden, ein City-Management zu entwickeln. Der Beigeladene habe nach seiner Satzung die Aufgabe, Maßnahmen die die Attraktivität ... als Einkaufs-, Wohn- und Erlebnisstadt fördern, durchzuführen und daran mitzuwirken, dass Handel und Dienstleister in der „... Mitte“ koordiniert wie ein Einkaufszentrum als Kaufhaus-Innenstadt aufträten. Diese Zielsetzung werde von der Beklagten geteilt. Der Beigeladene wirke daran mit, das „City-Commitment“ umzusetzen. Die Sondernutzung durch den Beigeladenen beeinträchtige den Gemeingebrauch nur unwesentlich. Der Beigeladene organisiere Veranstaltungen innerhalb der „... Mitte“, für deren Bewerbung und Durchführung er Standorte zur Aufstellung von Werbeträgern, Kundestoppern, Schirmen und Markisen und von Spielgeräten sowie für Warenpräsentationen benötige. Die Organisation eines „Kaufhaus-Innenstadt“ bringe es mit sich, dass auch kurzfristig Aktionen zur Erhöhung der Attraktivität der Innenstadt durchgeführt würden. Dies sei nur möglich, wenn der Beigeladene die Sondernutzungserlaubnis über einen bestimmten Zeitraum erhalte. Die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen beeinträchtige andere Anlieger nicht in unvertretbarer Weise, da der Beigeladene den Antrag auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis gleichsam in Vertretung für die ... Geschäfte gestellt habe, die sich der Idee des „Kaufhauses ...“ und des „City-Commitments“ verpflichtet fühlten. Durch die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen würden Einzelantragstellungen entbehrlich, was zu einer erheblichen Verwaltungsvereinfachung und Kostenersparnis führe. Zum Zeitpunkt der Erlaubniserteilung hätten keine anderen Anträge auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis vorgelegen.
11 
Mit Schreiben vom 30.11.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für die Aufstellung der Postkartenverkaufsständer im Jahr 2008.
12 
Die Klägerin hat am 10.12.2007 Klage erhoben. Sie wiederholt im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Darüber hinaus macht sie geltend, die Beklagte hätte notfalls die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis widerrufen oder zurücknehmen müssen. Sie habe zum Zeitpunkt der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen mit Anträgen der Gewerbetreibenden auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen rechnen müssen.
13 
Die Klägerin beantragt zuletzt,
14 
festzustellen, dass die Ablehnung ihres Antrages vom 21.03.2007 auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Jahr 2007 rechtswidrig war.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Klage abzuweisen.
17 
Sie wiederholt die Begründung des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheids und trägt ergänzend vor, die ablehnende Entscheidung stelle keinen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar, weil die Klägerin nicht gehindert sei, innerhalb ihres Geschäfts Postkarten zu verkaufen. Die Beklagte habe der Klägerin die beantragte Sondernutzungserlaubnis nicht zusätzlich zu der dem Beigeladenen erteilten Sondernutzungserlaubnis erteilen können, da der durch den Gemeinderat der Beklagten verabschiedete Gestaltungsleitfaden vorsehe, dass der öffentliche Raum durch Warenauslagen nicht überladen werden dürfe.
18 
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
19 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Gericht vorlag.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Klage ist zulässig und begründet.
21 
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben, weil die Klägerin bereits für das Jahr 2008 erneut eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis beantragt hat und beabsichtigt, auch in Zukunft entsprechende Anträge zu stellen.
22 
Die Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 31.08.2007 und ihr Widerspruchsbescheid vom 12.11.2007 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
23 
Die von der Klägerin begehrte Aufstellung der Postkartenverkaufsständer stellt eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StrG erlaubnispflichtige Sondernutzung dar. Über die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis entscheidet gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG die Straßenbaubehörde nach pflichtgemäßem Ermessen.
24 
Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StrG ist eine Sondernutzung die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus. Gemeingebrauch ist nach der Legaldefinition des § 13 Abs. 1 StrG der Gebrauch der öffentlichen Straßen, der jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattet ist, soweit er den Gemeingebrauch anderer nicht unzumutbar beeinträchtigt. Die Aufstellung eines Postkartenverkaufsständers ist von der Widmung zum „Fußgängerverkehr“ nicht umfasst und daher eine Benutzung über den Gemeingebrauch hinaus. Es handelt sich um eine gewerbliche Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche, bei der ein Verkehrsinteresse nicht vorhanden ist und die nicht auf individuelle Begegnung angelegt ist, sondern sich an die Allgemeinheit richtet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin Inhaberin eines an der Straße gelegenen Gewerbebetriebs ist. Zwar steht ihr insoweit - in den Grenzen der Verkehrsüblichkeit und Gemeinverträglichkeit (vgl. § 13 Abs. 1 StrG) - das Recht auf einen gesteigerten Gemeingebrauch (Anliegergebrauch) der Straße in Bezug auf solche Nutzungen zu, auf die sie als Anliegerin spezifisch angewiesen ist. Das Straßengesetz gewährleistet dem Grundeigentümer sowie dem Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs das Recht auf Anliegergebrauch jedoch nur in seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kerngehalt. Dazu gehören die Zugänglichkeit eines Grundstücks (vgl. § 15 StrG) und (bei Gewerbebetrieben) der „Kontakt nach außen“ (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.12.1999 - 5 S 2051/98 -, juris). Um diesen Anliegergebrauch geht es hier nicht. Die Zugänglichkeit des Ladengeschäftes der Klägerin steht nicht in Frage. Bestand und Ausübung ihres Gewerbebetriebes sind auch nicht davon abhängig, dass vor dem Ladengeschäft zwei Kartenverkaufsständer aufgestellt werden. Der für einen Gewerbebetrieb erforderliche „Kontakt nach außen“ ist der Klägerin auch durch Schaufensterwerbung möglich.
25 
Die Beklagte ist nach § 50 Abs. 3 Nr. 3 StrG die zuständige Straßenbaubehörde, da die... in ... gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 StrG als Gemeindestraße zu qualifizieren ist. Die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen obliegt der Beklagten als weisungsfreie Pflichtaufgabe (§ 48 Abs. 2 StrG, § 2 Abs. 2 Satz 1 GemO). Diese Aufgabe kann sie nicht - etwa im Wege der Beleihung - auf andere Rechtsträger übertragen. Für eine solche Übertragung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.
26 
Bei der Versagung der beantragten Sondernutzungserlaubnis hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Ermessensentscheidungen sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. So prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Das Gericht prüft nicht die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung, also etwa ob eine von mehreren zulässigen und vertretbaren Lösungen tatsächlich am sachgerechtesten erscheint.
27 
Vorliegend hat die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens den Zweck der gesetzlichen Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 1 StrG nicht beachtet. Nach ständiger Rechtsprechung hat sich die Ermessensausübung bei der Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis in erster Linie an den Auswirkungen des beabsichtigten Verhaltens auf die widmungsgemäße Nutzung der Straße, insbesondere auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, dem Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger sowie an sonstigen unmittelbar auf den Straßengrund bezogenen sachlichen Erwägungen zu orientieren (BVerwG, Beschl. v. 12.08.1990 - 7 B 155/79 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.10.1996 - 5 S 1775/96 -, juris). Darüber hinaus darf die Straßenbaubehörde bei der Entscheidung städtebauliche und baugestalterische Belange berücksichtigen, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und der Gemeinderat ein konkretes Gestaltungskonzept beschlossen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.12.1999 - 5 S 2051/98 -, juris; Urt. v. 01.08.1996 - 5 S 3300/95 -, juris). Ermessensfehlerhaft ist dagegen eine Einbeziehung von Gesichtpunkten, welche keinerlei wegerechtlichen Bezug aufweisen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.10.1996 - 5 S 1775/96 -, juris; Urt. v. 17.03.2000 - 5 S 369/99 -, juris).
28 
Nach diesen Maßgaben sind die Ermessenserwägungen der Beklagten in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. So hat die Beklagte der Klägerin die beantragte Sondernutzungserlaubnis versagt, weil sie diese bereits dem Beigeladenen erteilt habe. Diesem sei die Sondernutzungserlaubnis erteilt worden, damit er das „City-Commitment“ umsetzen könne. Das „City-Commitment“ bezweckt eine Steigerung der Attraktivität der Innenstadt durch die Schaffung eines einheitlichen Erscheinungsbildes der Geschäfte und öffentlichen Verkehrsflächen und die Durchsetzung von Kernladenöffnungszeiten im gesamten Innenstadtbereich. Diesen Zwecken diente folglich auch die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen und die ablehnende Entscheidung gegenüber der Klägerin. Die Erreichung eines einheitlichen Erscheinungsbildes in der Fußgängerzone ist unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, da sie städtebauliche und baugestalterische Belange zum Gegenstand hat. Für diese bestand hier in Form des Gestaltungsleitfadens ... Innenstadt vom 26.07.2005 auch ein durch den Gemeinderat beschlossenes Gestaltungskonzept. Die Durchsetzung von Kernladenöffnungszeiten entspricht dagegen nicht dem Zweck des § 16 Abs. 1 StrG, so dass insoweit ein Ermessensfehler vorliegt. Denn der Aspekt der Ladenöffnungszeiten weist keinen straßenrechtlichen Bezug auf. Die Durchsetzung von Kernladenöffnungszeiten dient vielmehr allein der Wirtschaftsförderung.
29 
Die Beklagte hat nicht berücksichtigt, dass das Rechtsinstitut der Sondernutzungserlaubnis gerade dem Ausgleich der widerstreitenden Interessen unterschiedlicher Straßennutzer dient. Vielmehr hat sie die Interessen des Beigeladenen einseitig vorangestellt. Dabei spielt es keine Rolle, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen noch kein anderer Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis vorlag. Denn zum einen war wegen der in der Vergangenheit erteilten Sondernutzungserlaubnisse absehbar, dass auch für das Jahr 2007 Anträge der Gewerbetreibenden auf die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen gestellt würden. Zum anderen kann sich die Beklagte nicht bereits im Vorfeld durch die Erteilung einer umfassenden Sondernutzungserlaubnis an einen einzigen Antragsteller der Entscheidung über jeden weiteren Antrag begeben. Unter Hinweis auf die bestehenden Nutzungsinteressen der Klägerin und den insoweit erforderlichen Interessenausgleich hätte die Beklagte die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis auf Grund des in der Erlaubnis geregelten Widerrufsvorbehalts jederzeit zumindest teilweise widerrufen können. Der Widerrufsvorbehalt ist in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG nicht auf bestimmte Widerrufsgründe beschränkt worden.
30 
Die Argumentation der Beklagten ist insoweit widersprüchlich, als sie einerseits ausführt, der Gemeingebrauch werde durch die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis nur unwesentlich beeinträchtigt und andererseits die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für zwei Postkartenständer mit einem Gesamtflächenbedarf von 1 m² unter dem Hinweis darauf ablehnt, dass diese zu einer Überladung des öffentlichen Raums mit Warensauslagen führen würde. Durch die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen sollte diesem gerade ermöglicht werden, den Gewerbetreibenden auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge die Nutzung der von ihnen benötigten öffentlichen Flächen zu gestatten.
31 
Insgesamt dient das Vorgehen der Beklagten der Umgehung der gesetzlichen Vorgaben des Straßenrechts und stellt in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage zur Aufgabenübertragung eine unzulässige Flucht ins Privatrecht dar. Ohne gesetzliche Grundlage kann sich die Beklagte - auch nicht aus Gründen der Praktikabilität, Verwaltungsvereinfachung und Kostenersparnis - einer ihr kraft Gesetzes übertragenen Aufgabe entledigen. Durch die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den gesamten Innenstadtbereich an den Beigeladenen würde der kraft Gesetzes bestehende Anspruch des Einzelnen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten ausgehöhlt. Da dem Beigeladenen - mit Ausnahme des Verbots, die Erteilung einer Erlaubnis von der Mitgliedschaft im Gewerbeverein oder im City-Verein ... e.V. abhängig zu machen - nicht einmal verbindliche Kriterien für die Vergabe von Nutzungserlaubnissen vorgegeben wurden, könnte dieser hierüber praktisch nach Gutdünken entscheiden.
32 
Der Vortrag der Beklagten, die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen beeinträchtige andere Anlieger nicht in unvertretbarer Weise, weil der Beigeladene den Antrag auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis gleichsam in Vertretung für die Nagolder Geschäfte gestellt habe, die sich der Idee des „Kaufhauses ...“ und des „City-Commitments“ verpflichtet fühlten, stellt eine bloße Behauptung dar, die durch die vorliegende Klage gerade widerlegt wird.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VwGO. VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er durch Verzicht auf eine eigene Antragstellung kein Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) eingegangen ist. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, da es der Klägerin in Anbetracht der rechtlichen Problematik des vorliegenden Falls nicht zumutbar war, das Widerspruchsverfahren selbst zu führen.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1, 2 GKG, § 39 Abs. 1 GKG i.V. mit Ziff. 43.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525) auf EUR 5.000,- festgesetzt.
36 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
20 
Die Klage ist zulässig und begründet.
21 
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr gegeben, weil die Klägerin bereits für das Jahr 2008 erneut eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis beantragt hat und beabsichtigt, auch in Zukunft entsprechende Anträge zu stellen.
22 
Die Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 31.08.2007 und ihr Widerspruchsbescheid vom 12.11.2007 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
23 
Die von der Klägerin begehrte Aufstellung der Postkartenverkaufsständer stellt eine nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StrG erlaubnispflichtige Sondernutzung dar. Über die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis entscheidet gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 StrG die Straßenbaubehörde nach pflichtgemäßem Ermessen.
24 
Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StrG ist eine Sondernutzung die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus. Gemeingebrauch ist nach der Legaldefinition des § 13 Abs. 1 StrG der Gebrauch der öffentlichen Straßen, der jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattet ist, soweit er den Gemeingebrauch anderer nicht unzumutbar beeinträchtigt. Die Aufstellung eines Postkartenverkaufsständers ist von der Widmung zum „Fußgängerverkehr“ nicht umfasst und daher eine Benutzung über den Gemeingebrauch hinaus. Es handelt sich um eine gewerbliche Nutzung der öffentlichen Verkehrsfläche, bei der ein Verkehrsinteresse nicht vorhanden ist und die nicht auf individuelle Begegnung angelegt ist, sondern sich an die Allgemeinheit richtet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin Inhaberin eines an der Straße gelegenen Gewerbebetriebs ist. Zwar steht ihr insoweit - in den Grenzen der Verkehrsüblichkeit und Gemeinverträglichkeit (vgl. § 13 Abs. 1 StrG) - das Recht auf einen gesteigerten Gemeingebrauch (Anliegergebrauch) der Straße in Bezug auf solche Nutzungen zu, auf die sie als Anliegerin spezifisch angewiesen ist. Das Straßengesetz gewährleistet dem Grundeigentümer sowie dem Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs das Recht auf Anliegergebrauch jedoch nur in seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kerngehalt. Dazu gehören die Zugänglichkeit eines Grundstücks (vgl. § 15 StrG) und (bei Gewerbebetrieben) der „Kontakt nach außen“ (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.12.1999 - 5 S 2051/98 -, juris). Um diesen Anliegergebrauch geht es hier nicht. Die Zugänglichkeit des Ladengeschäftes der Klägerin steht nicht in Frage. Bestand und Ausübung ihres Gewerbebetriebes sind auch nicht davon abhängig, dass vor dem Ladengeschäft zwei Kartenverkaufsständer aufgestellt werden. Der für einen Gewerbebetrieb erforderliche „Kontakt nach außen“ ist der Klägerin auch durch Schaufensterwerbung möglich.
25 
Die Beklagte ist nach § 50 Abs. 3 Nr. 3 StrG die zuständige Straßenbaubehörde, da die... in ... gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 StrG als Gemeindestraße zu qualifizieren ist. Die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen obliegt der Beklagten als weisungsfreie Pflichtaufgabe (§ 48 Abs. 2 StrG, § 2 Abs. 2 Satz 1 GemO). Diese Aufgabe kann sie nicht - etwa im Wege der Beleihung - auf andere Rechtsträger übertragen. Für eine solche Übertragung fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.
26 
Bei der Versagung der beantragten Sondernutzungserlaubnis hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Ermessensentscheidungen sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. So prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Das Gericht prüft nicht die Zweckmäßigkeit einer Entscheidung, also etwa ob eine von mehreren zulässigen und vertretbaren Lösungen tatsächlich am sachgerechtesten erscheint.
27 
Vorliegend hat die Beklagte bei der Ausübung ihres Ermessens den Zweck der gesetzlichen Vorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 1 StrG nicht beachtet. Nach ständiger Rechtsprechung hat sich die Ermessensausübung bei der Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis in erster Linie an den Auswirkungen des beabsichtigten Verhaltens auf die widmungsgemäße Nutzung der Straße, insbesondere auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, dem Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger sowie an sonstigen unmittelbar auf den Straßengrund bezogenen sachlichen Erwägungen zu orientieren (BVerwG, Beschl. v. 12.08.1990 - 7 B 155/79 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.10.1996 - 5 S 1775/96 -, juris). Darüber hinaus darf die Straßenbaubehörde bei der Entscheidung städtebauliche und baugestalterische Belange berücksichtigen, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und der Gemeinderat ein konkretes Gestaltungskonzept beschlossen hat (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.12.1999 - 5 S 2051/98 -, juris; Urt. v. 01.08.1996 - 5 S 3300/95 -, juris). Ermessensfehlerhaft ist dagegen eine Einbeziehung von Gesichtpunkten, welche keinerlei wegerechtlichen Bezug aufweisen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.10.1996 - 5 S 1775/96 -, juris; Urt. v. 17.03.2000 - 5 S 369/99 -, juris).
28 
Nach diesen Maßgaben sind die Ermessenserwägungen der Beklagten in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. So hat die Beklagte der Klägerin die beantragte Sondernutzungserlaubnis versagt, weil sie diese bereits dem Beigeladenen erteilt habe. Diesem sei die Sondernutzungserlaubnis erteilt worden, damit er das „City-Commitment“ umsetzen könne. Das „City-Commitment“ bezweckt eine Steigerung der Attraktivität der Innenstadt durch die Schaffung eines einheitlichen Erscheinungsbildes der Geschäfte und öffentlichen Verkehrsflächen und die Durchsetzung von Kernladenöffnungszeiten im gesamten Innenstadtbereich. Diesen Zwecken diente folglich auch die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen und die ablehnende Entscheidung gegenüber der Klägerin. Die Erreichung eines einheitlichen Erscheinungsbildes in der Fußgängerzone ist unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, da sie städtebauliche und baugestalterische Belange zum Gegenstand hat. Für diese bestand hier in Form des Gestaltungsleitfadens ... Innenstadt vom 26.07.2005 auch ein durch den Gemeinderat beschlossenes Gestaltungskonzept. Die Durchsetzung von Kernladenöffnungszeiten entspricht dagegen nicht dem Zweck des § 16 Abs. 1 StrG, so dass insoweit ein Ermessensfehler vorliegt. Denn der Aspekt der Ladenöffnungszeiten weist keinen straßenrechtlichen Bezug auf. Die Durchsetzung von Kernladenöffnungszeiten dient vielmehr allein der Wirtschaftsförderung.
29 
Die Beklagte hat nicht berücksichtigt, dass das Rechtsinstitut der Sondernutzungserlaubnis gerade dem Ausgleich der widerstreitenden Interessen unterschiedlicher Straßennutzer dient. Vielmehr hat sie die Interessen des Beigeladenen einseitig vorangestellt. Dabei spielt es keine Rolle, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen noch kein anderer Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis vorlag. Denn zum einen war wegen der in der Vergangenheit erteilten Sondernutzungserlaubnisse absehbar, dass auch für das Jahr 2007 Anträge der Gewerbetreibenden auf die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen gestellt würden. Zum anderen kann sich die Beklagte nicht bereits im Vorfeld durch die Erteilung einer umfassenden Sondernutzungserlaubnis an einen einzigen Antragsteller der Entscheidung über jeden weiteren Antrag begeben. Unter Hinweis auf die bestehenden Nutzungsinteressen der Klägerin und den insoweit erforderlichen Interessenausgleich hätte die Beklagte die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis auf Grund des in der Erlaubnis geregelten Widerrufsvorbehalts jederzeit zumindest teilweise widerrufen können. Der Widerrufsvorbehalt ist in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 StrG nicht auf bestimmte Widerrufsgründe beschränkt worden.
30 
Die Argumentation der Beklagten ist insoweit widersprüchlich, als sie einerseits ausführt, der Gemeingebrauch werde durch die dem Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis nur unwesentlich beeinträchtigt und andererseits die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für zwei Postkartenständer mit einem Gesamtflächenbedarf von 1 m² unter dem Hinweis darauf ablehnt, dass diese zu einer Überladung des öffentlichen Raums mit Warensauslagen führen würde. Durch die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen sollte diesem gerade ermöglicht werden, den Gewerbetreibenden auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge die Nutzung der von ihnen benötigten öffentlichen Flächen zu gestatten.
31 
Insgesamt dient das Vorgehen der Beklagten der Umgehung der gesetzlichen Vorgaben des Straßenrechts und stellt in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage zur Aufgabenübertragung eine unzulässige Flucht ins Privatrecht dar. Ohne gesetzliche Grundlage kann sich die Beklagte - auch nicht aus Gründen der Praktikabilität, Verwaltungsvereinfachung und Kostenersparnis - einer ihr kraft Gesetzes übertragenen Aufgabe entledigen. Durch die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für den gesamten Innenstadtbereich an den Beigeladenen würde der kraft Gesetzes bestehende Anspruch des Einzelnen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten ausgehöhlt. Da dem Beigeladenen - mit Ausnahme des Verbots, die Erteilung einer Erlaubnis von der Mitgliedschaft im Gewerbeverein oder im City-Verein ... e.V. abhängig zu machen - nicht einmal verbindliche Kriterien für die Vergabe von Nutzungserlaubnissen vorgegeben wurden, könnte dieser hierüber praktisch nach Gutdünken entscheiden.
32 
Der Vortrag der Beklagten, die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen beeinträchtige andere Anlieger nicht in unvertretbarer Weise, weil der Beigeladene den Antrag auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis gleichsam in Vertretung für die Nagolder Geschäfte gestellt habe, die sich der Idee des „Kaufhauses ...“ und des „City-Commitments“ verpflichtet fühlten, stellt eine bloße Behauptung dar, die durch die vorliegende Klage gerade widerlegt wird.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VwGO. VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er durch Verzicht auf eine eigene Antragstellung kein Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) eingegangen ist. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, da es der Klägerin in Anbetracht der rechtlichen Problematik des vorliegenden Falls nicht zumutbar war, das Widerspruchsverfahren selbst zu führen.
34 
Beschluss
35 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1, 2 GKG, § 39 Abs. 1 GKG i.V. mit Ziff. 43.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525) auf EUR 5.000,- festgesetzt.
36 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.

2

Der Kläger wurde im Jahre 1970 in der Türkei geboren. Er ist türkischer Staatsangehöriger. Im August 1989 reiste er zusammen mit seiner Ehefrau in das Bundesgebiet ein. Er hat mittlerweile sechs Kinder. Der Kläger kann nicht lesen oder schreiben, da er nach eigenen Angaben nie eine Schule besucht hat.

3

Nach seiner Einreise in die Bundesrepublik stellte der Kläger einen Asylantrag. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erkannte den Kläger und seine damals mit ihm lebenden Familienangehörigen im Jahre 1994 als Asylberechtigte an. Seit 1993 ist der Kläger im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die seit dem 1. Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgilt.

4

Im Juni 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten seine Einbürgerung und unterzeichnete die sog. "Loyalitätserklärung". Bei einem im Mai 2002 durch die Volkshochschule P. durchgeführten Test "Deutsch für Analphabeten" hatte er 77 von möglichen 100 Punkten erreicht. Im September 2002 erteilte die Beklagte dem Kläger eine bis zum September 2004 befristete Einbürgerungszusicherung. Im Februar 2005 teilte das Innenministerium Baden-Württemberg der Beklagten mit, dass es die Zustimmung zur Einbürgerung des Klägers verweigere, nachdem bekannt geworden war, dass der Kläger am 24. Juni 2001 die sog. "PKK-Selbsterklärung" unterzeichnet hatte. Mit Bescheid vom 18. November 2005 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab, da er nicht die sprachlichen Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfülle.

5

Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium mit Bescheid vom 17. August 2006 zurück. Wegen tatsächlicher Anhaltspunkte, dass der Kläger die in § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG genannten Bestrebungen verfolge oder unterstütze bzw. verfolgt oder unterstützt habe und eine Abwendung von diesen Bestrebungen nicht glaubhaft gemacht worden sei, bestehe kein Einbürgerungsanspruch. Daneben erfülle er auch nicht die notwendigen Sprachanforderungen, da er nicht lesen und schreiben könne. Auch eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG scheide aus, da keine atypische Situation vorliege, die ein öffentliches Interesse an einer Einbürgerung begründe. Von dem Kläger, der nach eigenen Angaben keine Lese- und Schreibkenntnisse erworben habe, könne erwartet werden, dass er sich die notwendigen Sprachkenntnisse aneigne; eine körperliche oder geistige Behinderung oder eine Erkrankung, die ihn daran hindern könnten, lägen nicht vor.

6

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, den Kläger einzubürgern. Das der Beklagten nach § 8 StAG eingeräumte Einbürgerungsermessen sei zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert; bei einer Gesamtschau seiner persönlichen Situation und seiner bisherigen Integrationsleistungen könne dem Kläger die Nichterfüllung der Sprachanforderungen nicht entgegengehalten werden.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen der sog. Anspruchseinbürgerung nach den §§ 10 und 11 StAG in der für ihn in Bezug auf die Sprachanforderungen günstigeren, vor dem 28. August 2007 geltenden Fassung. Auch nach dieser Fassung stehe dem Anspruch des Klägers auf Einbürgerung der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. entgegen, weil er weder lesen noch schreiben könne und daher nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfüge. Es könne daher dahinstehen, ob die sonstigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 StAG erfüllt seien und (weitere) Ausschlussgründe nach § 11 StAG der Einbürgerung des Klägers entgegenstünden.

8

Der Kläger sei auch nicht nach § 8 StAG im Ermessenswege einzubürgern. Die Erwägung im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid sei nicht zu beanstanden, auch der Ermessenseinbürgerung stehe entgegen, dass der Kläger keine Kenntnisse der deutschen Schriftsprache habe und auch keine atypische Situation vorliege, die ein öffentliches Interesse an einer Einbürgerung begründe, weil von dem Kläger erwartet werden könne, dass er sich die notwendigen Sprachkenntnisse aneigne. Die Einbürgerungsbehörde dürfe auch bei der Betätigung des Einbürgerungsermessens nach § 8 StAG der Kenntnis der deutschen Schriftsprache eine sehr hohe Bedeutung beimessen. Die Widerspruchsbehörde habe in rechtlich vertretbarer Weise von den Sprachanforderungen nicht wegen besonderer Umstände abgesehen. Sie habe hierfür nicht den Umstand ausreichen lassen müssen, dass er auch in seiner Heimatsprache Analphabet sei. Auch habe sie berücksichtigen dürfen, dass eine körperliche oder geistige Behinderung oder eine Erkrankung, die den Kläger daran gehindert hätte, Kenntnisse der Schriftsprache zu erwerben, nicht vorlägen und es daher unverständlich sei, dass er nicht bereits größere Anstrengungen zum Erwerb der deutschen Sprache unternommen habe. Dass der Kläger aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten von vornherein außer Stande (gewesen) wäre, Schriftkenntnisse zu erwerben, sei weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Kläger habe noch nicht einmal geltend gemacht, sich erfolglos um den Erwerb von Kenntnissen der deutschen Schriftsprache (Lesefähigkeit) bemüht zu haben. Angesichts seines Lebensalters sei ihm eine Teilnahme an Alphabetisierungskursen bereits zum Zeitpunkt der Einreise, aber auch in der Folgezeit zumutbar gewesen.

9

Im Rahmen der eingeschränkten Überprüfung der Ermessensentscheidung sei auch nicht zu beanstanden, dass die Einbürgerungsbehörden die Defizite im Spracherwerb nicht als anderweitig ausgeglichen bewertet hätten. Diese dürften im Rahmen ihres Ermessens andere Integrationsleistungen berücksichtigen; sie seien rechtlich indes nicht verpflichtet, andere Integrationsleistungen im Ergebnis stärker zu gewichten als fehlende Kenntnisse der Schriftsprache. Durch die vormals erteilte, befristete Einbürgerungszusicherung sei die Beklagte nicht mehr gebunden. Ihre Entscheidung habe auch nicht gegen eine durch Verwaltungsvorschriften bewirkte Selbstbindung der Verwaltung verstoßen.

10

Mit der Revision verfolgt der Kläger weiterhin sein Einbürgerungsbegehren, er rügt eine Verletzung des § 8 StAG.

11

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Einbürgerung hat. Seiner Einbürgerung nach § 10 StAG steht jedenfalls entgegen, dass der Kläger nicht über die für eine Einbürgerung nach §§ 10, 11 StAG erforderlichen Mindestkenntnisse der deutschen Sprache verfügt (dazu 1.). Die Beklagte hat auch das ihr nach § 8 StAG eingeräumte Einbürgerungsermessen fehlerfrei dahin ausgeübt, den Kläger nicht einzubürgern (dazu 2.).

13

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung nach §§ 10, 11 StAG, weil er nicht über die für eine Anspruchseinbürgerung erforderlichen Sprachkenntnisse verfügt.

14

1.1 Das Berufungsgericht hat für die Anwendung des § 10 StAG zu Recht auf die Fassung abgestellt, welche die Vorschrift zum 1. Januar 2005 durch Art. 5 Nr. 8 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern - Zuwanderungsgesetz - (Gesetz vom 30. Juli 2004, BGBl I S. 1950) erhalten hat und die im hier entscheidungserheblichen Kern §§ 85, 86 AuslG entsprach. Denn der Kläger hatte seinen Einbürgerungsantrag im Juni 2002 und damit nach dem 16. März 1999 (dazu § 40c StAG), aber vor dem 1. April 2007 gestellt.

15

Diese zum 30. März 2007 in §§ 10, 11 StAG normierten Sprachanforderungen stellen an die Sprachkenntnisse eines Einbürgerungsbewerbers geringere Anforderungen als § 10 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 4 StAG (in der Fassung des Art. 5 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BGBl I S. 1970 ). Denn nach der Neuregelung liegt die Einbürgerungsvoraussetzung, dass der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, nur vor, wenn der Ausländer die Anforderungen der Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch in mündlicher und schriftlicher Form erfüllt. Diese Anforderungen verlangen im Gegensatz zur Rechtslage bis zum 27. August 2007 auch die Fähigkeit, sich in gewissem Maße schriftlich in deutscher Sprache äußern zu können, also nicht nur Lese-, sondern auch Schreibkenntnisse (Berlit, InfAuslR 2007, 457 <457, 461>).

16

Nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG in der hier anzuwendenden Fassung besteht ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG nicht, wenn der Ausländer "nicht über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" verfügt. Nach der zu dieser Gesetzesfassung ergangenen Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 5 C 8.05 - BVerwGE 124, 268 und - BVerwG 5 C 17.05 - DVBl 2006, 922), von der auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, reichen hierfür allein mündliche Sprachkenntnisse nicht aus. Vielmehr muss ein geschäftsfähiger Einbürgerungsbewerber über die Fähigkeit verfügen, selbständig in deutscher Sprache verfasste Schreiben, Formulare und sonstige Schriftstücke zu lesen und - nach Maßgabe von Alter und Bildungsstand - den sachlichen Gehalt zumindest von Texten einfacher Art aufgrund der Lektüre auch so zu erfassen, dass hierauf zielgerichtet und verständlich reagiert werden kann.

17

Der Kläger verfügt nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die den Senat mangels durchgreifender Verfahrensrügen binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht über solche Sprachkenntnisse; demgegenüber kann sich der Kläger nicht auf die nach seinen Angaben erfolgreiche Teilnahme an einem Test "Deutsch für Analphabeten" an einer Volkshochschule berufen, bei der Inhalt und Maßstab zudem nicht näher ausgeführt sind.

18

1.2 Der Kläger erfüllt nach diesen tatsächlichen Feststellungen erst recht nicht die höheren Erfordernisse nach § 10 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 4 StAG (F. 2007), nach dem die Einbürgerungsvoraussetzung ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache vorliegt, wenn der Ausländer die Anforderungen der Sprachprüfung zum Zertifikat Deutsch (B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen) in mündlicher und schriftlicher Form erfüllt.

19

Diese Neufassung der Sprachanforderungen durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ist auch nicht mit Blick darauf für den Kläger günstiger (§ 40c StAG), dass von den Sprachanforderungen als Einbürgerungsvoraussetzung abgesehen wird, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann (§ 10 Abs. 6 StAG). Der Kläger leidet nicht an einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung und befindet sich auch in einem Alter, in dem Kenntnisse der Schriftsprache regelmäßig vorhanden oder zumindest erlernbar sind, diese Einbürgerungsvoraussetzung also erfüllt werden könnte. Der Kläger ist vielmehr Analphabet.

20

Analphabetismus bezeichnet kulturell, bildungs- oder psychisch bedingte individuelle Defizite im Lesen und/oder Schreiben bis hin zu völligem Unvermögen. Er ist als solcher keine Krankheit oder Behinderung im Sinne des § 10 Abs. 6 StAG (F. 2007) (s.a. VG Berlin, Urteil vom 10. März 2009 - 30 V 55.08 - juris § 30 abs. 1 satz 1 nr. 2 aufenthg>; LSG Berlin, Urteil vom 22. Juli 2004 - L 3 RJ 15/03 - juris). Hierfür müssten die unzureichenden Sprachkenntnisse ihre wesentlichen Ursachen in einer Krankheit oder einer Behinderung haben, die auch einer Überwindung dieses Zustandes entgegenstehen. Dies ist bei dem hier vorliegenden (primären) Analphabetismus nicht der Fall. Analphabetismus hat zwar vielfältige Ursachen, die auch mit der Sozialisation oder der geistigen Entwicklung eines Menschen zusammenhängen können. Er kann zwar durch eine Behinderung, vor allem eine geistige Behinderung oder längerfristige oder chronische Krankheit verursacht oder mit dem als Lernbehinderung bezeichneten Komplex verbunden sein. Ein nicht behebbares Schicksal ist er - auch für erwachsene Menschen - indes nicht. Zu einer Behinderung wird Analphabetismus auch nicht durch die sozialen Folgen, die er für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben kann.

21

Es ist tatrichterlich nicht festgestellt - und wird von dem Kläger auch nicht geltend gemacht -, dass er deswegen Analphabet sei, weil er zum Erlernen der Schriftsprache (Lese- und Schreibfähigkeit) wegen einer geistigen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage sei. Der Kläger selbst macht geltend, deswegen Analphabet zu sein, weil er in der Türkei als Kind nicht in die Schule gegangen sei.

22

§ 10 Abs. 6 StAG (F. 2007) ist auch nicht zu Gunsten von Einbürgerungsbewerbern entsprechend anzuwenden, die Analphabeten sind. Es ist keine Regelungslücke gegeben, die durch Analogie oder erweiternde Auslegung zu schließen wäre. Es fehlt schon jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 10 Abs. 6 StAG (F. 2007) nicht erkannt haben könnte, dass auch Analphabeten die - erhöhten - Sprachanforderungen nicht erfüllen. Systematisch gegen eine Lücke spricht zudem, dass der Gesetzgeber in Bezug auf die nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG für eine Niederlassungserlaubnis vorausgesetzten "ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache" mit § 9 Abs. 2 Satz 4 und 5 AufenthG über § 10 Abs. 6 StAG hinausgehende Ausnahmeregelungen geschaffen hat. Denn § 10 Abs. 6 StAG erlaubt zwar - ähnlich wie § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG - eine Ausnahme von der Notwendigkeit ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache, wenn der Ausländer diese Voraussetzung wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann. § 10 Abs. 6 StAG enthält aber keine Regelung, nach der zur Vermeidung einer Härte auch in Fällen, in denen keine Krankheit oder Behinderung vorliegt, von ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache abgesehen werden kann (§ 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG), und auch nicht die Möglichkeit, ausnahmsweise die Fähigkeit, sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen zu können, ausreichen zu lassen (§ 9 Abs. 2 Satz 5 AufenthG). Dass Einbürgerungsbewerber, die Analphabeten sind, nach § 10 StAG keinen Einbürgerungsanspruch haben, war dem Gesetzgeber zudem aufgrund der Urteile des Senats vom 20. Oktober 2005 (a.a.O.) bekannt; der Gesetzgeber wollte durch die ausdrücklichen Regelungen bei der Anspruchseinbürgerung das Niveau der Sprachanforderungen gerade anheben (s.a. Berlit, InfAuslR 2007, 457 <461>).

23

2. Der Kläger kann seine Einbürgerung auch nicht nach § 8 StAG beanspruchen. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden, gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Ermessensentscheidung (2.1) mit erheblichem und hier ausschlaggebendem Gewicht berücksichtigen durfte, dass der Kläger nicht lesen kann (2.2), und die Ablehnung seiner Einbürgerung auch sonst nicht ermessensfehlerhaft ist (2.3).

24

2.1 Nach § 8 StAG kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden. Die Einbürgerung steht auch bei Erfüllung der in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 StAG bezeichneten Mindestvoraussetzungen im grundsätzlich weiten Ermessen der Einbürgerungsbehörde.

25

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s. etwa Urteile vom 17. Mai 1983 - BVerwG 1 C 163.80 - BVerwGE 67, 177 und 21. Oktober 1986 - BVerwG 1 C 44.84 - BVerwGE 75, 86 und Beschlüsse vom 11. Oktober 1985 - BVerwG 1 B 102.85 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 26 und vom 19. Februar 1991 - BVerwG 1 B 17.91 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 41) ist bei der Ausübung des Ermessens darauf abzustellen, ob ein staatliches Interesse an der beantragten Einbürgerung besteht. Die Behörde hat zu prüfen, ob die Einbürgerung sowohl nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers als auch nach allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Gesichtspunkten im staatlichen Interesse erwünscht ist, ohne dass eine Abwägung mit den persönlichen Interessen des Einbürgerungsbewerbers stattfindet. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Behörde rechtsfehlerhaft gehandelt, insbesondere von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 113 Abs. 4, § 114 VwGO). Die Verwaltungsgerichte dürfen nicht eigenes Ermessen an die Stelle des behördlichen Ermessens setzen, wenn ihnen eine dem Bewerber günstigere Ermessensausübung den Umständen des konkreten Falles angemessener erscheint.

26

Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen (dazu 2.2, 2.3), dass die Beklagte hier ihr Einbürgerungsermessen im Ergebnis rechtsfehlerfrei betätigt hat. Der vorliegende Fall gibt daher keinen Anlass zur vertiefenden Erörterung, ob daran festzuhalten ist, dass bei der Ermessensentscheidung ohne Abwägung der privaten Interessen des Einbürgerungsbewerbers allein das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung zu berücksichtigen ist (s. etwa Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 8 Rn. 50). Die zu seinen Gunsten streitenden abwägungserheblichen individuellen Belange und subjektiven Interessen des Klägers an der Einbürgerung sind hier - wenn auch in Gestalt eines öffentlichen Interesses - bei der Ermessensbetätigung der Beklagten erkannt und fehlerfrei gewichtet worden.

27

Es kann auch offenbleiben, ob der Bezug von Wohngeld geeignet ist, die Unterhaltsfähigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG) als Einbürgerungsvoraussetzung zu berühren und unter welchen Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 StAG in Fällen eines nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG etwa dem Grunde nach beachtlichen Wohngeldbezuges von dem Erfordernis der Unterhaltsfähigkeit abzusehen ist, wenn Wohngeld allein wegen einer überdurchschnittlichen Familiengröße bezogen wird. Rechtsirrig ist jedenfalls die von der Beklagten im Revisionsverfahren angedeutete Rechtsansicht, der Bezug von Wohngeld berühre bereits die Einbürgerungsvoraussetzung (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 StAG), dass der Einbürgerungsbewerber eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat.

28

2.2 Bei der auf Ermessensfehler beschränkten Überprüfung der Entscheidung der Beklagten ist nicht zu beanstanden, dass diese bei der Ausübung des Ermessens der Kenntnis der deutschen Schriftsprache eine sehr hohe Bedeutung beigemessen und hier wegen Fehlens dieser Sprachvoraussetzungen ein öffentliches Interesse abgelehnt hat, weil auch keine atypische Situation vorliege, welche ein Absehen von den Sprachanforderungen gebiete. Der Beklagten wäre allerdings in Bezug auf die Sprachanforderungen auch eine andere Gewichtung und Entscheidung als aus ihrer Sicht zweckmäßiger eröffnet gewesen.

29

2.2.1 Die Einbürgerungsbehörde darf bei der nach § 8 StAG zu treffenden Ermessensentscheidung zu Lasten eines Ausländers berücksichtigen, dass er Deutsch nicht lesen kann. Dies gilt auch für Analphabeten, die nicht infolge einer Krankheit oder Behinderung nicht lesen können und bei denen auch keine sonstigen besonderen Härtegründe vorliegen.

30

a) Gewisse Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache haben Bedeutung nicht nur als Einbürgerungsvoraussetzung für die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG. Auch für die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG gilt, dass Einbürgerungsbewerber sprachlich hinreichend in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet allgemein und in ihre Lebens-, Berufs- und Wohnumgebung integriert sein sollten. Wegen der Bedeutung, welche im Arbeits- und Berufsleben, aber auch bei der Kommunikation mit der gesellschaftlichen Umwelt einschließlich der Kontakte mit Behörden und Institutionen der schriftlichen Kommunikation zukommt, erfordert dies regelmäßig auch gewisse Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O.). Diese Sprachanforderungen sind nicht Selbstzweck; sie sind vielmehr typischerweise Voraussetzung für die Integration in die grundlegenden Bereiche der Bildung, der Beschäftigung und der Teilhabe am politischen Leben und damit für die soziale, politische und gesellschaftliche Integration.

31

Bereits dies rechtfertigt ihre Berücksichtigung auch bei der Ermessenseinbürgerung. Die Integrationsanforderungen sind bei der Ermessenseinbürgerung nicht grundsätzlich niedriger anzusetzen als bei der Anspruchseinbürgerung. Sie unterscheiden sich von diesen auch nicht qualitativ.

32

Der systematische Zusammenhang zwischen Anspruchs- und Ermessenseinbürgerung rechtfertigt ebenfalls eine Berücksichtigung der Anspruchsvoraussetzungen und -ausschlussgründe der §§ 10, 11 StAG; sie enthalten auch hinsichtlich der Sprachanforderungen keine abschließende Regelung. Soweit sie in § 8 Abs. 1 StAG nicht schon auf der Tatbestandsebene modifiziert sind, dürfen die Anspruchsvoraussetzungen bzw. Ausschlussgründe der §§ 10, 11 StAG der Sache nach bei der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden; § 11 StAG (F. 2007) gilt ohnehin unmittelbar auch für die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG. Unterschiede ergeben sich bei Anspruchsausschlussgründen allein in Bezug auf die Rechtsfolge. Sie führen bei der Anspruchseinbürgerung zwingend zur Ablehnung der Einbürgerung, während sie bei der Ermessenseinbürgerung als ermessenserheblicher Gesichtspunkt zu berücksichtigen sind, die Entscheidung aber nicht notwendig im Ergebnis vorprägen. Soweit die Mindestvoraussetzungen bei der Anspruchseinbürgerung nicht erfüllt sind, wird im Rahmen des § 8 StAG allein eine flexiblere Entscheidung ermöglicht, die nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles eine Absenkung der Sprachanforderungen bis hin zum vollständigen Verzicht auf Kenntnisse der Schriftsprache gestattet.

33

Die Auslegung, dass der Einbürgerungsbewerber auch bei der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG in der Lage sein muss, einen deutschsprachigen Text des alltäglichen Lebens zu lesen, zu verstehen und die wesentlichen Inhalte mündlich wiederzugeben, entspricht auch Nr. 8.1.2.1.1 Satz 2 StAR-VwV. Die Verwaltungsvorschrift bindet zwar die Verwaltungsgerichte nicht, steuert aber das Ermessen der Einbürgerungsbehörden im Interesse eines gleichheitskonformen Ermessensgebrauchs, ohne den Verzicht auf "ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache" nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles auszuschließen. Dies ist auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (VG Aachen, Urteil vom 9. Juni 2009 - 5 K 756/08 -; VG Augsburg, Urteil vom 21. Oktober 2008 - Au 1 K 07.1168 -; VG Darmstadt, Urteil vom 24. August 2007 - 5 E 1163/06 (3) -; BayVGH, Urteil vom 20. November 2006 - 5 BV 04.35 -; OVG Saarlouis, Beschluss vom 5. Oktober 2005 - 3 Q 11/05 -) sowie im Schrifttum (Hailbronner/Renner/Maaßen, a.a.O. § 8 Rn. 58 ff.; Marx, in: GK-StAR, § 8 StAG Rn. 201 ff., 216 ff.) anerkannt.

34

Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Senat in seinem Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 5 C 17.05 - (a.a.O.) die Frage offengelassen hat, welche Anforderungen an die Kenntnisse der deutschen Sprache bei einer auf § 8 StAG gestützten Ermessenseinbürgerung zu stellen sind und welches Gewicht bei der nach § 8 StAG zu treffenden, die Belange des Einbürgerungsbewerbers berücksichtigenden Ermessensentscheidung einem tatsächlich etwa geringeren Integrationsbedarf oder den vom Gesetzgeber im Aufenthaltsrecht für die Niederlassungserlaubnis geregelten Ausnahmen vom Erfordernis der ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache beizumessen ist. Der Gesetzgeber hat bei der Anspruchseinbürgerung zwischenzeitlich in § 10 Abs. 6 StAG (F. 2007) Ausnahmen von den Sprachanforderungen (§ 10 Abs.1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 4 StAG) normiert. Diese Ausnahmen berücksichtigen Fallkonstellationen, denen nach der früheren Rechtslage nur im Rahmen der Ermessenseinbürgerung Rechnung getragen werden konnte (s.a. Nr. 8.1.2.1.1 Satz 4 StAR-VwV).

35

b) Der Umstand, dass ein Einbürgerungsbewerber Analphabet ist und daher nicht über die Grundkenntnisse der Schriftsprache verfügt, die im Regelfall verlangt werden können, gebietet für sich allein nicht, aus Härtegründen von diesem Erfordernis abzusehen. § 10 Abs. 6 StAG (F. 2007) bekräftigt bei einer systematischen Auslegung vielmehr, dass das Fehlen gewisser Grundkenntnisse der Schriftsprache (hier: Lesefähigkeit) nicht schon dann unbeachtlich ist, wenn es auf Analphabetismus zurückzuführen ist, sondern regelmäßig nur dann, wenn Grund hierfür Krankheit, Behinderung oder Alter ist.

36

Das nach § 8 StAG eingeräumte Einbürgerungsermessen lässt zwar Raum für die Berücksichtigung weiterer Gründe für das Unvermögen, Deutsch lesen zu können, oder den Verzicht auf Mindestkenntnisse auch der Schriftsprache in Fällen, in denen dies zur Vermeidung einer Härte oder wegen anderweitiger Integrationsleistungen angezeigt ist. Analphabetismus ist aber für sich allein keine Härte. Keine andere Beurteilung gebietet, dass im Bundesgebiet eine Vielzahl von Personen lebt, die auch ohne (ausreichende) Kenntnisse der Schriftsprache ihr Alltagsleben bewältigen und dies auch für einen gewissen Anteil der im Bundesgebiet lebenden Ausländer gilt (s. Sonja Haug, Sprachliche Integration von Migranten in Deutschland, Working Paper 14/2008 der Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Mai 2008, S. 39 ff.).

37

2.2.2 Die Einbürgerungsbehörde darf in Fällen, in denen ein Einbürgerungsbewerber als Analphabet nicht über Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache (Lesekenntnisse) verfügt, ohne dass dies auf Krankheit, Behinderung oder Alter zurückzuführen ist, diesem Umstand auch ein erhebliches Gewicht beimessen, das für eine Einbürgerung streitende Belange überwiegen kann. Nicht zu vertiefen ist hier, dass sie hierzu unter Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit nicht verpflichtet ist und der Verzicht auf Kenntnisse der deutschen Schriftsprache jedenfalls dann ermessensfehlerfrei möglich ist, wenn eine für die Einbürgerung hinreichende Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse anderweitig belegt und im Einzelfall die Grundannahme des Gesetzgebers, dass Kenntnisse der deutschen Schriftsprache Voraussetzung einer gelungenen Integration sind, zumindest abgeschwächt ist.

38

Das nach § 8 StAG eingeräumte Ermessen eröffnet der Einbürgerungsbehörde die Befugnis, auch nach langjährigem Inlandsaufenthalt, der sprachbedingte Integrationsschwierigkeiten im Einzelfall nicht hat erkennen lassen, nach Maßgabe ihrer integrationspolitischen Vorstellungen zumindest für den Regelfall daran festzuhalten, dass der Einbürgerungsbewerber Deutsch zumindest muss lesen können.

39

Für die Gewichtung unzureichender Kenntnisse der Schriftsprache dürfen die Gründe, aus denen diese nicht ausreichend sind, auch insoweit berücksichtigt werden, als sie nicht auf Krankheit, Behinderung oder Alter zurückzuführen sind. Bei einem Einbürgerungsbewerber, der auch in seiner Herkunftssprache Analphabet ist, darf darauf abgestellt werden, welche Eingliederungsbemühungen er unternommen hat oder ob die Gründe, die einen hinreichenden Spracherwerb im Ergebnis verhindert haben, von ihm zu vertreten sind. In § 10 Abs. 3 StAG hat für die Anspruchseinbürgerung der Gedanke gesetzlich Niederschlag gefunden, dass das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einer Einbürgerung wächst, wenn sich ein Einbürgerungsbewerber aktiv um seine Integration und die Beseitigung von Integrationshindernissen bemüht. Dieser Gesichtspunkt ist auch für die Ermessenseinbürgerung von Bedeutung. Es darf daher - insoweit zu Lasten eines Einbürgerungsbewerbers - berücksichtigt werden, wenn dieser ihm erreichbare und zumutbare, insbesondere geeignete und erfolgversprechende Möglichkeiten, Grundkenntnisse der deutschen Schriftsprache zu erwerben, nicht ergriffen hat. Bemühungen um den Spracherwerb sind auch Personen abzuverlangen, die in ihrer Herkunftssprache Analphabeten sind; die Belastungen, die mit dem Erwerb von Mindestkenntnissen der Schriftsprache verbunden sind, sind dabei grundsätzlich auch neben einer Erwerbstätigkeit oder der Erfüllung von Familienpflichten zumutbar. Die Anforderungen an solche Bemühungen dürfen indes nicht überspannt werden und müssen neben der persönlichen Situation des Ausländers auch die Erreichbarkeit geeigneter Sprachvermittlungsangebote berücksichtigen. Bei der Ermessensentscheidung sind ernsthafte Bemühungen um den Erwerb der angezeigten Grundkenntnisse der Schriftsprache im Rahmen einer Gesamtabwägung auch dann zu würdigen, wenn der erhoffte Erfolg nicht oder nur teilweise erreicht werden konnte.

40

Die Beklagte und die Widerspruchsbehörde haben hiernach ihr Ermessen nicht rechtsfehlerhaft ausgeübt, weil sie darauf abgestellt haben, dass der Kläger keine Kenntnisse der deutschen Schriftsprache besitze. Dies gilt bei ihm ungeachtet dessen, dass er Analphabet ist; es liegt keine atypische Situation vor, weil dies nicht auf Krankheit oder Behinderung zurückzuführen ist, von ihm erwartet werden konnte, dass er sich die notwendigen Sprachkenntnisse aneignet, und er ihm zumutbare Bemühungen zum Spracherwerb nicht unternommen hat.

41

2.3 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Ermessenserwägungen der Beklagten zu Recht auch sonst nicht als fehlerhaft (§ 113 Abs. 4, § 114 VwGO) beanstandet.

42

2.3.1 Der Verwaltungsgerichtshof hat zutreffend darauf hingewiesen, dass unzureichende Kenntnisse der deutschen Schriftsprache zwar durch anderweitige Integrationsleistungen ausgeglichen werden können, und dies bei der nach § 8 StAG zu treffenden Ermessensentscheidung berücksichtigt werden darf. Bei dem Kläger rechnen hierzu seine durchgängige Erwerbstätigkeit und die gelungene Integration seiner Kinder, die teilweise deutsche Staatsangehörige sind und beachtliche schulische Erfolge aufzuweisen haben, was wiederum auf eine auf Integration gerichtete Erziehung auch durch den Kläger hinweist.

43

Beklagte und Widerspruchsbehörde haben dies bei ihrer Ermessensentscheidung aber nicht verkannt, sondern als für die Einbürgerung sprechende Aspekte berücksichtigt. Insoweit ist weder ein Ermessensausfall noch ein Ermessensfehlgebrauch dadurch festzustellen, dass nach Lage der Dinge entscheidungserhebliche Tatsachen nicht ermittelt oder berücksichtigt worden wären.

44

2.3.2 Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, dass der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen ist, die Beklagte habe in zulässiger Weise (§ 114 Satz 2 VwGO) ihre Ermessenserwägungen im Berufungsverfahren dahin ergänzt, es spreche auch gegen den Kläger, dass er öffentliche Leistungen in Form von Wohngeld beziehe. Inwieweit bei einer Gesamtabwägung in Bezug auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen auch solche Leistungen (zu Lasten des Einbürgerungsbewerbers) berücksichtigt werden dürfen, die nicht dazu führen, dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG nicht erfüllt ist oder von ihr nur nach § 8 Abs. 2 StAG abgesehen werden kann, ist nicht zu vertiefen. Selbst wenn der Bezug von Wohngeld dem Kläger hier wegen der hohen Zahl der Familienangehörigen nicht entgegengehalten werden dürfte, wirkte sich ein etwa hierin liegender Ermessensfehler nicht aus, weil er als - erst im gerichtlichen Verfahren ergänzte - Ermessenserwägung zu einer im Übrigen fehlerfreien Ermessensentscheidung hinzugetreten wäre.

45

2.3.3 Das Berufungsgericht musste auch nicht als Ermessensfehler beanstanden, dass die Beklagte der dem Kläger erteilten, befristeten und bedingten Einbürgerungszusicherung hier nur eine geringe und gegenüber den Sprachanforderungen nachrangige Bedeutung beigemessen hat. Diese Einbürgerungszusicherung ist bereits wegen Zeitablaufs unbeachtlich und kann ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit kein nachwirkendes, schutzwürdiges Vertrauen des Klägers darin begründen, es würden seine für die Einbürgerung unzureichenden Sprachkenntnisse auch künftig unberücksichtigt bleiben.

46

2.3.4 Nicht ermessensfehlerhaft ist auch, dass die Beklagte den Flüchtlingsstatus des Klägers nicht berücksichtigt hat. Dabei kann offenbleiben, ob aus Art. 34 der Genfer Flüchtlingskonvention, nach dem die vertragsschließenden Staaten gehalten sind, soweit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge zu erleichtern, ein innerstaatlich unmittelbar anwendbares, auf das Einbürgerungsermessen einwirkendes Wohlwollensgebot folgt. Denn hieraus folgt jedenfalls nicht, dass deswegen von einer Einbürgerungsvoraussetzung, die - wie die Sprachanforderungen - der Eingliederung dient, abzusehen wäre.

47

2.3.5 Die Beklagte hat bei der Betätigung des ihr eröffneten Ermessens auch nicht einzelnen Tatsachen und Umständen ein Gewicht beigemessen, das ihnen nach objektiven, am Zweck des Gesetzes und sonstigen einschlägigen Rechtssätzen orientierten Wertungsgrundsätzen nicht zukommt. Sie hat auch nicht schematisch und ohne Berücksichtigung der besonderen Situation des Einzelfalls entschieden oder gegen sie bindende, sonst von ihr auch beachtete ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften verstoßen. Die Beklagte hat insbesondere die ihr Ermessen lenkende Verwaltungsvorschrift beachtet, welche die Sprachanforderungen bei nicht krankheits- oder behinderungsbedingtem Analphabetismus gerade nicht generell absenkt, und hat nicht verkannt, dass eine Ausnahme nach den Besonderheiten des Einzelfalls durchaus in Betracht gekommen wäre.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.


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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Inhaber der Fa. ..., die in ihrem Geschäftslokal in der ... Straße ... in ... Gartenbedarf verkauft. Er wendet sich gegen den Widerruf der ihm erteilten Erlaubnis, Gartenbedarfsgegenstände vor seinem Ladenlokal aufstellen zu dürfen.
Die Beklagte erteilte dem Kläger auf seinen Antrag hin mit Bescheid vom 19.03.1997 in stets widerruflicher Weise die Erlaubnis, unmittelbar vor seinem Geschäft in der ... Straße ... auf einer Fläche von 6,0 m x 2,50 m Blumen, Töpfe etc. (Gartenbedarf) aufstellen zu dürfen.
Der Gemeinderat der Beklagten beschloss am 19.04.2007 neue Richtlinien zur Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen auf den öffentlichen Verkehrsflächen in der ... Innenstadt (Sondernutzungsrichtlinien Innenstadt). Darin wurde u. a. in Ziffer IV 2.4 (Warenauslagen) bestimmt, dass Einrichtungen zur Warenpräsentation unmittelbar vor dem Grundstück zugelassen sind, wenn sie nicht höher als 1, 50 m sind und je nach örtlichen Verhältnissen nicht tiefer als 1,00 m in den öffentlichen Verkehrsraum ragen. Nach Ziffer VII kann in besonders begründeten Einzelfällen eine Ausnahme gemacht werden. Für bereits zugelassene Warenauslagen im Geltungsbereich der Richtlinien ist eine Übergangszeit bis 31.12.2008 vorgesehen, während der die Anpassung der bestehenden Genehmigungen an die neuen Richtlinien erfolgen soll. Diese Richtlinien wurden gemeinsam mit den gleichzeitig beschlossen Gestaltungsrichtlinien zur Möblierung im öffentlichen Straßenraum am 26.04.2007 öffentlich bekanntgemacht.
Mit Schreiben vom 23.10.2008 unterrichtete die Beklagte den Kläger über die neuen Richtlinien und teilte diesem mit, dass ein Widerruf der ihm erteilten Sondernutzungserlaubnis beabsichtigt sei; sofern er ein Interesse habe, könne er eine den Sondernutzungsrichtlinien Innenstadt entsprechende neue Sondernutzungserlaubnis beantragen. Ihm wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.11.2008 eingeräumt.
Daraufhin teilte der Kläger mit Anwaltschreiben vom 12.11.2008 mit, dass nach seiner Auffassung keine sachlichen Gründe für einen Widerruf der ihm erteilten Sondernutzungserlaubnis bestünden. Da die Absicht des Widerrufs nicht unmittelbar nach der öffentlichen Bekanntgabe der neuen Sondernutzungsrichtlinien Innenstadt mitgeteilt worden sei, habe die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen, so dass nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe ein Widerruf gerechtfertigt sei. Solche gewichtigen Gründe lägen aber nicht vor, weil zum einen Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch die bisherige Nutzung des Straßenraums zur Anbietung von Waren nicht tangiert worden seien und eine ästhetische Warenpräsentation auf kleinerer Fläche nicht möglich sei.
Mit Bescheid vom 19.12.2008 wurde die dem Kläger am 19.03.1997 erteilte Sondernutzungserlaubnis zum 31.12.2008 widerrufen und ihm gleichzeitig - kostenfrei - ab 01.01.2009 eine neue Genehmigung entsprechend den geltenden Sondernutzungsrichtlinien Innenstadt erteilt. In der Begründung dieses Bescheids wird ausgeführt, die Beklagte habe sich mit der neuen Sondernutzungsrichtlinie zum Ziel gesetzt, das Stadtbild in der Innenstadt soweit wie nötig wieder zu ordnen, ausufernden Sondernutzungen entgegenzuwirken und für Fußgänger mehr Raum zur Verfügung zu stellen. Dadurch solle der Charakter der Fußgängerbereiche besonders betont werden. Mit der Begrenzung der Warenauslagen im Innenstadtbereich auf maximal 1 m in den Straßenraum hinein würden Warenauslagen auch künftig nicht verboten, sondern lediglich den Standards zur Gewährleistung des in den Sondernutzungsrichtlinien geforderten äußeren Erscheinungsbilds bezüglich der Größe angepasst. Durch einheitliche Regeln solle das bestehende Stadtbild als Ausdruck und Zeichen einer gewachsenen urbanen Kultur erhalten werden. Deshalb sei die dem Kläger erteilte Sondernutzungserlaubnis an die neuen Sondernutzungsrichtlinien anzupassen. Eine besonders begründbare Sondersituation oder Härte liege im vorliegenden Falle nicht vor, so dass auch eine Ausnahme nicht gerechtfertigt sei.
Dagegen legte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 29.12.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2009 zurückgewiesen.
Am 30.03.2009 hat der Kläger dagegen Klage erhoben. Zur Begründung bringt er ergänzend vor, da für Gastronomiebetriebe die Tiefenbegrenzung von 1 m nicht gelte, liege eine Ungleichbehandlung vor. Zudem liege eine Ungleichbehandlung auch darin, dass der sei der schräg gegenüberliegenden Fa. ... erlaubt worden sei, ihre Waren bis zu 5 m in den Straßenraum hinein aufzustellen. Im Übrigen achte der Kläger auf ein ästhetische Präsentation seiner Waren, so dass nach seiner Meinung eine Ausnahme nach Ziffer VII möglich sei.
Der Kläger beantragt,
10 
den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.03.2009 aufzuheben.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die dem Gericht vorliegenden Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Denn der Widerruf der dem Kläger erteilten Sondernutzungserlaubnis ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
16 
Rechtsgrundlage für die von der Beklagten getroffene Widerrufsentscheidung ist § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Diese Voraussetzungen für eine im Ermessen der Beklagten stehende Widerrufsentscheidung sind vorliegend gegeben, weil die dem Kläger am 19.03.1997 erteilte Sondernutzungserlaubnis ausdrücklich - wie in § 16 Abs. 1 S. 2 StrG vorgesehen und auch nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG ohne weiteres zulässig - nur "in stets widerruflicher Weise" erteilt worden war.
17 
Die von der Beklagten getroffene und vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbare (vgl. § 114 VwGO) Ermessensentscheidung, die erteilte Sondernutzungserlaubnis zu widerrufen, kann rechtlich nicht beanstandet werden. Insoweit gelten für die Ermessensausübung beim Widerruf die gleichen Grundsätze wie bei der Erteilung der Erlaubnis selbst. Deshalb muss der Widerruf von sachlichen Gründen getragen sein, die sich am gesetzlichen Schutzzweck orientieren müssen (vgl. VGH München, NJW 1986, 1564). Da § 16 StrG selbst die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gründe nicht aufführt, sind diese aus dem Gesamtzweck des Gesetzes herzuleiten. Hiervon ausgehend kann sich die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Ermessensausübung auf alle wegerechtlich relevanten, d. h. mit dem Bestand und der Nutzung der Straßen zusammenhängenden Erwägungen stützen (vgl. Nagel, StrG BW, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 7 m. w. N.). Hierzu gehören nach der Rechtsprechung neben den Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie sonstiger unmittelbar auf den Straßengrund bezogener sachlicher Erwägungen - insbesondere bei Fußgängerzonen - auch städtebauliche und baugestalterische Belange (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.08.1996 - 5 S 3300/95 -). Solche städtebaulichen und baugestalterischen Gesichtspunkte können insbesondere dann berücksichtigt werden, wenn sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und ein konkretes Gestaltungskonzept der Gemeinde vorliegt, wobei insoweit keine zu hohen Ansprüche an die Konkretisierung gestellt werden dürfen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.08.1996 - 5 S 3300/95 -). Dabei hat die Gemeinde bei der Erstellung des Gestaltungskonzepts "straßenrechtliche Gestaltungsfreiheit", die ihre Grenze nur im Willkürverbot findet. Wesentlich ist dabei, dass dieses Gestaltungskonzept vom Gemeinderat beschlossen worden ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies in Form einer Satzung oder durch die verwaltungsinterne Richtlinien erfolgt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.12.1999 - 5 S 2051/99 -).
18 
Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Ermessensentscheidung, die insoweit die Vorgaben der Sondernutzungsrichtlinie Innenstadt umsetzt. Ziel der Sondernutzungsrichtlinie war es, das Stadtbild der Innenstadt soweit wie nötig wieder zu ordnen, ausufernden Sondernutzungen entgegenzuwirken und für Fußgänger mehr Raum zur Verfügung zu stellen. Der Charakter der Fußgängerbereiche soll dadurch betont und durch einheitliche Regeln das bestehende Stadtbild als Ausdruck und Zeichen einer gewachsenen urbanen Kultur erhalten bleiben. Diese Zielsetzung hat damit einen sachlichen Bezug zur Straße, weil die Regelungen der Sondernutzungsrichtlinie u. a. dem den Schutz des Straßenbildes in der Innenstadt dienen. In diesen Regelungen kommt auch ein konkretes Gestaltungskonzept für den Bereich der Innenstadt zum Ausdruck, das mit einer Begrenzung der Warenpräsentation auf eine Tiefe von 1 m in die öffentliche Verkehrsfläche hinein zum einen Belange der Stadtgestaltung und zum anderen auch die Belange der Gewerbetreibenden an einer Präsentation „nach außen“ berücksichtigt. Im Zusammenhang mit der gleichzeitig erlassenen Gestaltungsrichtlinie, mit der u. a. einem „Zuviel an Installationen“ bzw. einer „Übermöblierung“ entgegengewirkt und das bestehende Stadtbild stärker herausgestellt werden soll, wird eine konzeptionelle Vorstellung sichtbar, die vom Gemeinderat in Form einer Richtlinie für die Sondernutzung umgesetzt wurde und die deshalb den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen entspricht.
19 
Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass in dieser Richtlinie zwar für Warenpräsentationen eine Tiefenbegrenzung von 1 m vorgenommen wird, nicht aber für die Außenbewirtschaftung (Gastronomie). Abgesehen davon, dass eine Sondernutzungserlaubnis für die Außenbewirtschaftung nur unter den in Ziffer VI der Sondernutzungsrichtlinie geregelten Einschränkungen erteilt werden darf, handelt es sich bei der jahreszeitlich und teilweise auch tageszeitlich beschränkten Außengastronomie einerseits und der Warenpräsentation von Geschäften andererseits um unterschiedliche Sachverhalte, die demzufolge auch unterschiedlich geregelt werden dürfen. Eine Ungleichbehandlung mit der der auf der gegenüberliegenden Straßenseite ansässigen Fa. ..., der ausnahmsweise eine Sondernutzungserlaubnis für die Warenpräsentation in einer Tiefe bis zu 2 m in den öffentlichen Verkehrsraum hinein erteilt wurde, liegt ebenfalls nicht vor. Denn die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass insoweit ein besonders gelagerter Ausnahmefall nach Ziffer VII der Sondernutzungsrichtlinie vorliegt, der eine Sondernutzungserlaubnis für eine größere Fläche rechtfertigt. Die Besonderheit liegt darin, dass sich dieser Laden mit einer Verkaufsfläche von mehreren hundert Quadratmetern in einem nach § 12 DSchG geschützten Denkmal befindet und auf Grund der Denkmaleigenschaft Veränderungen an der Fassade, wie z. B. Schaufenster oder Anbringen von Werbeanlagen, unzulässig sind; dieses Geschäft ist somit darauf angewiesen, durch entsprechende Warenpräsentation vor dem Geschäft auf sich aufmerksam zu machen. Demgegenüber bestehen vergleichbare Einschränkungen in Bezug auf Werbung und Außenpräsentation für das Ladengeschäft des Klägers nicht, so dass insoweit auch keine Ungleichbehandlung zwischen dem Ladengeschäft der Fa. ... und dem des Klägers vorliegt.
20 
Auf der Grundlage der das Ermessen bindenden Richtlinien der Beklagten ist demnach der Widerruf der dem Kläger am 19.03.1997 erteilten Sondernutzungserlaubnis ohne weiteres zulässig.
21 
Dem Widerruf stehen nach Ansicht des Gerichts auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Denn die dem Kläger erteilte Sondernutzungserlaubnis war ausdrücklich widerruflich erteilt worden, so er grundsätzlich mit einem Widerruf rechnen musste. Seinen Interessen wurde im Übrigen auch dadurch Rechnung getragen, dass für bereits erteilte Genehmigungen nach der Sondernutzungsrichtlinie ein Übergangszeitraum bis 31.12.2008 eingeräumt worden ist. Außerdem hat er zwischenzeitlich auch eine Sondernutzungserlaubnis nach den Sondernutzungsrichtlinien bis zu einer Tiefe von 1 m in den öffentlichen Verkehrsraums hinein erhalten.
22 
Schließlich ist der Widerruf auch nicht aus anderen Gründen ermessensfehlerhaft. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Kläger nach Ziffer VII der Sondernutzungsrichtlinie Innenstadt nunmehr ausnahmsweise eine Sondernutzung im Umfang der Erlaubnis vom 19.03.1997 beanspruchen könnte. Dass im vorliegenden Falle ein - wie nach Ziffer VII der Richtlinie erforderlich - „besonders begründeter Einzelfall“ anzunehmen wäre, ist bereits nicht ersichtlich. Zudem stünde eine Ausnahme im Ermessen der Beklagten. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie im gesamten Geltungsbereich der Sondernutzungserlaubnis Innenstadt lediglich in zwei Fällen Besonderheiten gesehen und Ausnahmen zugelassen hat. Neben der bereits erwähnten Ausnahme der Fa. ... in der ... Straße handelt es sich danach um ein seit langem bestehendes Blumengeschäft in der Stadtmitte, bei dem das eigentliche „Geschäftslokal“ lediglich aus einem Kassenhäuschen besteht. Dass beide Fälle mit der Situation des Klägers, der über ein Ladenlokal mit Schaufenster und Werbung verfügt, nicht vergleichbar sind, offensichtlich, so dass es die Beklagte rechtsfehlerfrei abgelehnt hat, beim Kläger eine Ausnahme zuzulassen.
23 
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
25 
Beschluss vom 15. September 2009
26 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
15 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Denn der Widerruf der dem Kläger erteilten Sondernutzungserlaubnis ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
16 
Rechtsgrundlage für die von der Beklagten getroffene Widerrufsentscheidung ist § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Diese Voraussetzungen für eine im Ermessen der Beklagten stehende Widerrufsentscheidung sind vorliegend gegeben, weil die dem Kläger am 19.03.1997 erteilte Sondernutzungserlaubnis ausdrücklich - wie in § 16 Abs. 1 S. 2 StrG vorgesehen und auch nach § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG ohne weiteres zulässig - nur "in stets widerruflicher Weise" erteilt worden war.
17 
Die von der Beklagten getroffene und vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbare (vgl. § 114 VwGO) Ermessensentscheidung, die erteilte Sondernutzungserlaubnis zu widerrufen, kann rechtlich nicht beanstandet werden. Insoweit gelten für die Ermessensausübung beim Widerruf die gleichen Grundsätze wie bei der Erteilung der Erlaubnis selbst. Deshalb muss der Widerruf von sachlichen Gründen getragen sein, die sich am gesetzlichen Schutzzweck orientieren müssen (vgl. VGH München, NJW 1986, 1564). Da § 16 StrG selbst die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gründe nicht aufführt, sind diese aus dem Gesamtzweck des Gesetzes herzuleiten. Hiervon ausgehend kann sich die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Ermessensausübung auf alle wegerechtlich relevanten, d. h. mit dem Bestand und der Nutzung der Straßen zusammenhängenden Erwägungen stützen (vgl. Nagel, StrG BW, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 7 m. w. N.). Hierzu gehören nach der Rechtsprechung neben den Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie sonstiger unmittelbar auf den Straßengrund bezogener sachlicher Erwägungen - insbesondere bei Fußgängerzonen - auch städtebauliche und baugestalterische Belange (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.08.1996 - 5 S 3300/95 -). Solche städtebaulichen und baugestalterischen Gesichtspunkte können insbesondere dann berücksichtigt werden, wenn sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und ein konkretes Gestaltungskonzept der Gemeinde vorliegt, wobei insoweit keine zu hohen Ansprüche an die Konkretisierung gestellt werden dürfen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 01.08.1996 - 5 S 3300/95 -). Dabei hat die Gemeinde bei der Erstellung des Gestaltungskonzepts "straßenrechtliche Gestaltungsfreiheit", die ihre Grenze nur im Willkürverbot findet. Wesentlich ist dabei, dass dieses Gestaltungskonzept vom Gemeinderat beschlossen worden ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob dies in Form einer Satzung oder durch die verwaltungsinterne Richtlinien erfolgt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 09.12.1999 - 5 S 2051/99 -).
18 
Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Ermessensentscheidung, die insoweit die Vorgaben der Sondernutzungsrichtlinie Innenstadt umsetzt. Ziel der Sondernutzungsrichtlinie war es, das Stadtbild der Innenstadt soweit wie nötig wieder zu ordnen, ausufernden Sondernutzungen entgegenzuwirken und für Fußgänger mehr Raum zur Verfügung zu stellen. Der Charakter der Fußgängerbereiche soll dadurch betont und durch einheitliche Regeln das bestehende Stadtbild als Ausdruck und Zeichen einer gewachsenen urbanen Kultur erhalten bleiben. Diese Zielsetzung hat damit einen sachlichen Bezug zur Straße, weil die Regelungen der Sondernutzungsrichtlinie u. a. dem den Schutz des Straßenbildes in der Innenstadt dienen. In diesen Regelungen kommt auch ein konkretes Gestaltungskonzept für den Bereich der Innenstadt zum Ausdruck, das mit einer Begrenzung der Warenpräsentation auf eine Tiefe von 1 m in die öffentliche Verkehrsfläche hinein zum einen Belange der Stadtgestaltung und zum anderen auch die Belange der Gewerbetreibenden an einer Präsentation „nach außen“ berücksichtigt. Im Zusammenhang mit der gleichzeitig erlassenen Gestaltungsrichtlinie, mit der u. a. einem „Zuviel an Installationen“ bzw. einer „Übermöblierung“ entgegengewirkt und das bestehende Stadtbild stärker herausgestellt werden soll, wird eine konzeptionelle Vorstellung sichtbar, die vom Gemeinderat in Form einer Richtlinie für die Sondernutzung umgesetzt wurde und die deshalb den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen entspricht.
19 
Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass in dieser Richtlinie zwar für Warenpräsentationen eine Tiefenbegrenzung von 1 m vorgenommen wird, nicht aber für die Außenbewirtschaftung (Gastronomie). Abgesehen davon, dass eine Sondernutzungserlaubnis für die Außenbewirtschaftung nur unter den in Ziffer VI der Sondernutzungsrichtlinie geregelten Einschränkungen erteilt werden darf, handelt es sich bei der jahreszeitlich und teilweise auch tageszeitlich beschränkten Außengastronomie einerseits und der Warenpräsentation von Geschäften andererseits um unterschiedliche Sachverhalte, die demzufolge auch unterschiedlich geregelt werden dürfen. Eine Ungleichbehandlung mit der der auf der gegenüberliegenden Straßenseite ansässigen Fa. ..., der ausnahmsweise eine Sondernutzungserlaubnis für die Warenpräsentation in einer Tiefe bis zu 2 m in den öffentlichen Verkehrsraum hinein erteilt wurde, liegt ebenfalls nicht vor. Denn die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass insoweit ein besonders gelagerter Ausnahmefall nach Ziffer VII der Sondernutzungsrichtlinie vorliegt, der eine Sondernutzungserlaubnis für eine größere Fläche rechtfertigt. Die Besonderheit liegt darin, dass sich dieser Laden mit einer Verkaufsfläche von mehreren hundert Quadratmetern in einem nach § 12 DSchG geschützten Denkmal befindet und auf Grund der Denkmaleigenschaft Veränderungen an der Fassade, wie z. B. Schaufenster oder Anbringen von Werbeanlagen, unzulässig sind; dieses Geschäft ist somit darauf angewiesen, durch entsprechende Warenpräsentation vor dem Geschäft auf sich aufmerksam zu machen. Demgegenüber bestehen vergleichbare Einschränkungen in Bezug auf Werbung und Außenpräsentation für das Ladengeschäft des Klägers nicht, so dass insoweit auch keine Ungleichbehandlung zwischen dem Ladengeschäft der Fa. ... und dem des Klägers vorliegt.
20 
Auf der Grundlage der das Ermessen bindenden Richtlinien der Beklagten ist demnach der Widerruf der dem Kläger am 19.03.1997 erteilten Sondernutzungserlaubnis ohne weiteres zulässig.
21 
Dem Widerruf stehen nach Ansicht des Gerichts auch keine Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegen. Denn die dem Kläger erteilte Sondernutzungserlaubnis war ausdrücklich widerruflich erteilt worden, so er grundsätzlich mit einem Widerruf rechnen musste. Seinen Interessen wurde im Übrigen auch dadurch Rechnung getragen, dass für bereits erteilte Genehmigungen nach der Sondernutzungsrichtlinie ein Übergangszeitraum bis 31.12.2008 eingeräumt worden ist. Außerdem hat er zwischenzeitlich auch eine Sondernutzungserlaubnis nach den Sondernutzungsrichtlinien bis zu einer Tiefe von 1 m in den öffentlichen Verkehrsraums hinein erhalten.
22 
Schließlich ist der Widerruf auch nicht aus anderen Gründen ermessensfehlerhaft. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn der Kläger nach Ziffer VII der Sondernutzungsrichtlinie Innenstadt nunmehr ausnahmsweise eine Sondernutzung im Umfang der Erlaubnis vom 19.03.1997 beanspruchen könnte. Dass im vorliegenden Falle ein - wie nach Ziffer VII der Richtlinie erforderlich - „besonders begründeter Einzelfall“ anzunehmen wäre, ist bereits nicht ersichtlich. Zudem stünde eine Ausnahme im Ermessen der Beklagten. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie im gesamten Geltungsbereich der Sondernutzungserlaubnis Innenstadt lediglich in zwei Fällen Besonderheiten gesehen und Ausnahmen zugelassen hat. Neben der bereits erwähnten Ausnahme der Fa. ... in der ... Straße handelt es sich danach um ein seit langem bestehendes Blumengeschäft in der Stadtmitte, bei dem das eigentliche „Geschäftslokal“ lediglich aus einem Kassenhäuschen besteht. Dass beide Fälle mit der Situation des Klägers, der über ein Ladenlokal mit Schaufenster und Werbung verfügt, nicht vergleichbar sind, offensichtlich, so dass es die Beklagte rechtsfehlerfrei abgelehnt hat, beim Kläger eine Ausnahme zuzulassen.
23 
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
24 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
25 
Beschluss vom 15. September 2009
26 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zu Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für einen sogenannten Stolperstein, den er in den Gehweg der als Ortsstraße gewidmeten ...-straße einbauen will.

Als Stolpersteine werden Gedenksteine bezeichnet, die von dem Künstler Gunter Demnig entworfen wurden und seit 1992 zum Gedenken an Menschen verlegt werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden. Es handelt sich um Betonwürfel mit einer Kantenlänge von ca. 10 cm, auf deren Oberseite eine Messingplatte mit den eingestanzten Angaben zu Vorname, Familienname, Geburtsjahr sowie Jahr und Ort der Ermordung befestigt ist. Sie werden bündig in den Weg vor dem jeweiligen letzten freigewählten Wohnort der NS-Opfer verlegt. Bislang wurden ca. 56.000 Stolpersteine in zahlreichen Städten und Gemeinden Deutschlands und anderer europäischer Staaten gesetzt. Sie gelten als größtes dezentrales Gesamtkunstwerk Europas (vgl. Online-Enzyklopädie Wikipedia, Stichwort „Stolpersteine“).

Der Stadtrat der Beklagten hatte sich am 16. Juni 2004 mit ausdrücklicher Billigung der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern (IKG) gegen die Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Straßenraum ausgesprochen. In der Folgezeit wurde die Thematik in München kontrovers diskutiert. Am 5. Dezember 2014 führte der Stadtrat ein Hearing durch, bei dem Befürworter und Gegner der Stolpersteinverlegung Gelegenheit zur Äußerung hatten. Am 29. Juli 2015 beschloss der Stadtrat der Beklagten:

„1. Der Stadtrat empfiehlt als Form individuellen und dezentralen Gedenkens Erinnerungstafeln an Hauswänden auf Blickhöhe. Das Kulturreferat und die anderen beteiligten Referate werden beauftragt, die für die Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

2. Der Stadtrat beschließt als Form individuellen und dezentralen Gedenkens Stelen mit Erinnerungstafeln auf öffentlichem Grund vor dem Gebäude zuzulassen. Das Kulturreferat und die anderen beteiligten Referate werden beauftragt, die für die Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

3. …“

Der in der Sitzungsvorlage des Kulturreferats der Beklagten enthaltene Beschlussvorschlag, als Form individuellen und dezentralen Gedenkens auch Stolpersteine im öffentlichen Raum zuzulassen, fand nicht die Mehrheit der Stadtratsmitglieder.

Am ... Juli 2015 ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten bei der Beklagten die „Erlaubnis … zur Verlegung von Stolpersteinen als erlaubte Sondernutzung“ an der ...-straße ... für seine 1941 ermordete Urgroßmutter beantragen und zur Begründung ausführen: Es sei zweifelhaft, ob eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich sei, weil der Gemeingebrauch und die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt werden. Der Stadtrat der Beklagten habe am 29. Juli 2015 eine Sondernutzungserlaubnis für Stolpersteine versagt und für Stelen erteilt, obwohl diese die straßenrechtlichen Belange wesentlich stärker beeinträchtigen würden. Schon wegen der Religionsfreiheit sei die Beklagte nicht berechtigt, die Form des Gedenkens im Einzelnen vorzuschreiben. Da sie Stelen und Schilder an Hauswänden erlaube, müsse sie auch Stolpersteine als alternative Form des Gedenkens zulassen, zumal diese in anderen Kommunen Deutschlands gängige Praxis seien. Nachdem der Stadtrat ausdrücklich Stelen und Schilder erlaubt habe, erfasse die rein politische Entscheidung in rechtlicher Hinsicht auch die Zulässigkeit der Verlegung von Stolpersteinen im öffentlichen Raum der Beklagten. Es liege daher gar keine Sondernutzung vor, hilfsweise werde ein Antrag auf Sondernutzungserlaubnis nach Art. 18 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) gestellt und auf Art. 22 BayStrWG hingewiesen, wonach sich eine gemeingebrauchsverträgliche Sondernutzung nach bürgerlichem Recht richte. Ein Erlaubnisanspruch ergebe sich aus den Grundrechten auf Kommunikationsfreiheit, Religionsfreiheit und Gleichbehandlung. Das Verbot von Stolpersteinen verletze offenkundig die Grundrechte aus Art. 5, 18 (richtig: 4) und 3 GG. Auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Abwägung zwischen Grundrechten und straßenrechtlichen Belangen bei der Frage der Zulässigkeit des Straßenverkaufs von Zeitungen am Sonntag werde verwiesen. Hier gehe es um viel mehr, nämlich um eine rechtskonforme Gestattung einer gleichberechtigten und würdigen Erinnerungs- und Gedächtniskultur in München. Der systematische Holocaust an jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern sei das schlimmste Verbrechen in der Geschichte Deutschlands. Stolpersteine würden in ganz Deutschland verlegt werden, die (ablehnenden) Äußerungen der Vorsitzenden der IKG seien deren Privatmeinung. Es liege allein in der Entscheidung des Klägers, in welcher Form er seiner Angehörigen gedenken wolle. Nach alledem werde gebeten, die Sondernutzungserlaubnis zur Verlegung des Stolpersteins zu erteilen.

Mit Bescheid vom 3. November 2015 lehnte die Beklagte den Antrag vom ... Juli 2015 auf Erteilung einer öffentlichrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zur Verlegung eines Stolpersteins in der ...-straße vor dem Anwesen Hausnummer ... ab. Der Gehweg der ...-straße sei Bestandteil dieser als Ortsstraße gewidmeten Straße, stehe im Eigentum der Beklagten, sei etwa 1,5 m breit und mit ca. 35 mal 35 cm großen Steinplatten belegt. Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG i. V. m. § 1 Abs. 3 Sondernutzungsgebührensatzung (SoNuGebS) unterlägen alle Sondernutzungen dem öffentlichen Recht, auch wenn durch sie der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt werden könne, sofern sie eine Benutzung des Straßenraums über der Straßenoberfläche darstellten. Die beabsichtigte Verlegung eines Stolpersteins sei nicht durch den Gemeingebrauch gedeckt, es werde nicht die bestehende Straße genutzt, sondern fremdes Eigentum verändert. Es handele sich nicht um eine verkehrliche Nutzung und auch nicht um kommunikativen Gemeingebrauch, sondern um einen dauerhaften Eingriff in die bauliche Substanz des bestehenden Straßenkörpers. Aus dieser Veränderung würden auch Verpflichtungen für den Träger der Straßenbaulast folgen. Die angeführten Grundrechte würden keine andere Beurteilung gebieten. Stolpersteine hingen nur mittelbar mit der Religionsausübung zusammen, sie sollten dem Gedenken an eine andere Person dienen und weder sei die ...-straße eine religiöse Kultstätte noch seien öffentliche Straßen generell Kultstätten einer bestimmten Religion. Die Meinungsäußerungsfreiheit finde ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die Eigentumsordnung und das Straßenrecht gehörten. Die dauerhafte Inanspruchnahme fremden Eigentums für die Äußerung der eigenen Meinung ohne Zustimmung des Eigentümers bzw. des Straßenbaulastträgers sei nicht durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt. Es sei zweifelhaft, ob die Erinnerung an einen verstorbenen Angehörigen noch eine Meinungsäußerung sei, jedenfalls wären nach der Argumentation des Klägers viele Personen zu Eingriffen in den Straßenkörper zum Zweck der Meinungsäußerung berechtigt. Die Entscheidung der Beklagten, Stelen zuzulassen, führe nicht über einen Gleichbehandlungsanspruch dazu, dass auch Stolpersteine zugelassen werden müssten. Die Beklagte sei berechtigt, gar keine Form des Gedenkens im öffentlichen Straßenraum zuzulassen, und wenn sie es zulasse, könne sie als Trägerin der Straßenbaulast und als Eigentümerin die Form des Gedenkens entsprechend ihren Vorstellungen zur Gestaltung des Stadtbildes bestimmen. Bei dem Kurt-Eisner-Denkmal handele es sich um ein städtisches Einzeldenkmal, das mit der Verlegung von Stolpersteinen im gesamten Stadtgebiet durch Einzelpersonen nicht vergleichbar sei. Eine Sondernutzung sei gemäß § 1 Abs. 3 SoNuGebS eine Benutzung des Straßenraums über der Straßenoberfläche, die vom Kläger angestrebte Nutzung verändere jedoch den Straßenkörper. Diese Maßnahme könne nur als Sondernutzung anerkannt werden, wenn dies in den Sondernutzungsrichtlinien vorgesehen sei. Der Antrag sei schon deshalb abzulehnen, weil es sich nicht per se um eine Sondernutzung, sondern primär um eine Veränderung bzw. einen Substanzeingriff in den Straßenkörper handele. Die dafür erforderliche Gestattung des Straßeneigentümers lehne die Beklagte ab.

Aber selbst wenn man die Verlegung von Stolpersteinen als Sondernutzung qualifiziere, bestehe kein Anspruch auf die entsprechende Erlaubnis, sondern nur auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. In den die Ermessensausübung allgemein regelnden Sondernutzungsrichtlinien seien die erlaubnispflichtigen Tatbestände abschließend und ohne die vom Kläger vorgesehene Verlegung von Stolpersteinen aufgeführt. Bei der Frage der Erlaubniserteilung könnten auch Belange des Straßen- und Stadtbildes, also insbesondere städtebauliche gestalterische Belange berücksichtigt werden. Die heranzuziehenden Gründe und die zu würdigenden Gesichtspunkte müssten einen sachlichen Bezug zur Straße, ihrem Umfeld und zu ihrer Funktion haben und den Widmungszweck berühren. Die Vorstellung des Stadtrates zur Gestaltung des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus im öffentlichen Straßenraum würden, wenn sie entsprechend in den Sondernutzungsrichtlinien und der Gebührensatzung verankert seien, das Ermessen das Straßenbaubehörde lenken. Der Stadtrat der Beklagten habe sich intensiv und wiederholt mit der Frage befasst, ob der NS-Opfer durch Stolpersteine auf öffentlichen Straßen gedacht werden solle, und sich nach reiflicher Abwägung und Anhörung betroffener Kreise mit großer Mehrheit dagegen entschieden. Sein Beschluss vom 16. Juni 2004, das Projekt „Stolpersteine in München“ nicht zu realisieren und keinen öffentlichen Grund dafür zur Verfügung zu stellen, sei unter anderem damit begründet worden, dass die Anbringung von Gedenktafeln im Straßenschmutz trotz des guten Willens der Initiatoren auch als herabsetzend empfunden werden könne und tatsächlich von vielen so empfunden werde. Der Stadtrat habe bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt, dass die IKG als demokratisch legitimierte Repräsentantin der Jüdinnen und Juden in München diese Form des Gedenkens ablehne. Er habe darauf hingewiesen, dass eine geringe Zahl von Stolpersteinen das Ausmaß des nationalsozialistischen Verbrechens mit über 4.500 Opfern allein in München eher verharmlosen und verniedlichen würde und weitere Gründe genannt. Mit Beschluss des Stadtrats vom 29. Juli 2015 sei entschieden worden, als Form individuellen und dezentralen Gedenkens Stelen mit Erinnerungstafeln auf öffentlichen Grund zuzulassen, nicht aber Stolpersteine. Die Beklagte habe sich damit gegen die Nutzung ihres Straßeneigentums durch Stolpersteine auf öffentlichen Straßen entschieden und die Verwaltung beauftragt, geeignete Formen für die genannten Stelen zu finden. Mit den Entscheidungen habe die Beklagte abschließend darüber entschieden, in welcher Form sie öffentliches Gedenken auf den ihrer Straßenbaulast unterliegenden Straßen zulassen will. Ein Rechtsanspruch auf Inanspruchnahme des dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßeneigentums der Beklagten durch die Verlegung von Stolpersteinen bestehe nicht. Die anderweitige Verfahrensweise anderer Kommunen verpflichte die Beklagte nicht. Es stehe ihr frei zu entscheiden, inwieweit in den Baukörper durch entsprechende dem Gedenken dienende Anlagen eingegriffen und das Straßen- und Stadtbild damit verändert werden darf. Dieses Ermessen habe der Stadtrat dahingehend ausgeübt, dass Stolpersteine als mögliche Sondernutzung nicht zugelassen werden.

Am ... November 2015 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 3. November 2015 zu verpflichten, die Erlaubnis zur Verlegung von Stolpersteinen an der ...-straße ... in München zu erteilen,

hilfsweise: die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom

3. November 2015 zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom ... Juli 2015 unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Verlegung eines Stolpersteins in der Straße sei kommunikativer Gemeingebrauch. Der Stadtrat der Beklagten habe sich für ein individuelles und dezentrales Gedenken durch Stelen mit Erinnerungstafeln auf öffentlichem Grund ausgesprochen und damit anerkannt, dass in den Straßen der Beklagten kommunikativer Gemeingebrauch durch individuelles Gedenken gestattet ist. Im Gegensatz zu Stolpersteinen würden Stelen die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs massiv behindern, weil sie echte Stolperfallen seien. Die Städte Mainz und Cuxhaven betrachteten Stolpersteine als dezentrales Gesamtkunstwerk, leisteten bei der Verlegung Hilfestellung und hielten für die Errichtung von Kunst im öffentlichen Raum Rechtsgutachten oder juristische Prüfungen nicht für erforderlich.

Für den Fall, dass das Gericht in der Verlegung von Stolpersteinen keinen kommunikativen Gemeingebrauch als Kunst im öffentlichen Raum, sondern eine Sondernutzung sehe, werde hilfsweise ausgeführt: Die Verlegung von Stolpersteinen sei eine gemeingebrauchsverträgliche Sondernutzung. Auf eine Beeinträchtigung ihres Eigentums könne sich die Beklagte nicht berufen, da sie Stelen zulassen wolle, die nichts anderes als große und hohe Stolpersteine und echte Stolperfallen seien. Belange des Straßenrechts würden durch Stolpersteine nicht beeinträchtigt. Wie bereits in der Antragsbegründung ausgeführt, ergebe sich aus den Grundrechten aus Art. 5, 18 (richtig: 4) und 3 GG ein Erlaubnisanspruch. Die Ansicht der Vorsitzenden der IKG, der die Beklagte gefolgt sei, überzeuge nicht, da auch Stelen getreten, beschmutzt oder beschädigt werden könnten. Für persönliche Meinungen sei das Straßenrecht nicht zugänglich. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. April 2007 zum Straßenverkauf von Sonntagszeitungen bestehe ein Anspruch auf die Erlaubnis und müsse die Erlaubnis nach pflichtgemäßem Ermessen erteilt werden, wenn keine straßenrechtlichen Belange entgegenstehen. Schutzzweck des Erlaubnisvorbehalts sei es, insbesondere Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auszuschließen oder zu mindern. Der Stadtratsbeschluss vom 29. Juni 2015 verletze die Grundsätze des Straßenrechts und des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Nachdem eine Erlaubnis zum Verlegen von Stelen erfolgt sei, müsse straßenrechtlich eine Erlaubnis zur Verlegung von Stolpersteinen erfolgen. Da die Beklagte Stelen auf Straßen durch Satzung zulassen wolle, müssten nach Art. 3 GG erst Recht auch Stolpersteine zugelassen werden, ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Zudem könne ein Eigentümer nach § 905 Abs. 1 BGB Einwirkungen nicht verbieten, die in einer solchen Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse habe. Nach der Erlaubnis von Stelen auf Straßen könne die Beklagte kein Interesse an der Ausschließung von Stolpersteinen haben. Der Hilfsantrag auf erneute Bescheidung werde für den Fall gestellt, dass das Gericht der Beklagten ein Ermessen dazu einräume, an welcher Stelle auf dem Gehweg ein Stolperstein verlegt werden solle.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 4. März 2016

die Klage abzuweisen.

Die Verlegung von Stolpersteinen durch Privatpersonen sei kein kommunikativer Gemeingebrauch, andernfalls wäre die Verpflichtungsklage auch gar nicht statthaft. Der Kläger wolle seiner verstorbenen Angehörigen gedenken und der für dieses private Gedenken und Trauern grundsätzlich vorgesehene Ort sei nach Art. 8 Abs. 1 Bestattungsgesetzt (BestG) der Friedhof. Soweit die Beklagte ein dezentrales und individuelles Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zulasse, habe sie nicht jede denkbare Form des Gedenkens zulassen, sondern die Form des der Sache nach öffentlichen Gedenkens durch Gestaltungsvorgaben steuern wollen, wie sich aus der sehr differenzierten Fassung des Beschlusses vom 29. Juli 2015 ergebe. Die Beklagte gewähre nach Maßgabe der beschlossenen Konkretisierungen eine Teilhabe an dieser Form des öffentlichen Erinnerns. Es sei anerkannt, dass eine öffentliche Verkehrsfläche nach den örtlichen Verhältnissen nicht nur gemäß Art. 14 Abs. 1 BayStrWG dem Verkehr im Sinne von Ortsveränderung und Fortbewegung, sondern unter den Gesichtspunkten der Verkehrs- und Ortsüblichkeit auch kommunikativen Zwecken dienen kann. So könne das nicht gewerbliche und nicht aggressive Verteilen von Zeitschriften und Informationsmaterial in Fußgängerzonen oder verkehrsberuhigten Bereichen ohne zusätzliche Hilfsmittel noch zum (kommunikativen) Gemeingebrauch zählen. Die vom Kläger erstrebte dauerhafte Nutzung des Straßenkörpers erfordere jedoch eine bauliche Inanspruchnahme des Straßenkörpers und sei nicht ortsüblich. Die Beklagte habe den öffentlichen Straßenraum nicht generell für jede Form des Gedenkens geöffnet, sondern verfolge ein vielschichtiges Konzept (Platz der Opfer des Nationalsozialismus, Jüdisches Museum, Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933 - 1945, virtuelles Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus durch die von der Beklagten realisierte Internetseite). Der Beklagten gehe es darum, für den öffentlichen Straßenraum eine würdige Form des Gedenkens zu finden, die ihren durch den Stadtrat konkretisierten Vorstellungen über die Gestaltung des öffentlichen Raums Rechnung trage. Die Beklagte habe nicht eine generelle Zulassung jedes individuellen und dezentralen Gedenkens an die Opfer des NS-Regimes in München zum kommunikativen Gemeingebrauch beschlossen. In dem Beschluss gehe es nicht um eine straßenrechtliche Entscheidung über Gemeingebrauch oder Sondernutzung, sondern um eine gestalterische Entscheidung, wie in einer bestimmten Form unter Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums der Opfer des Nationalsozialismus in München gedacht werden solle. Der in dem Beschluss enthaltene Zusatz, wonach das Kulturreferat und die anderen Beteiligten Referate die für die Umsetzung des Beschlusses notwendigen Maßnahmen zu ergreifen hätten, zeige, dass der Beschluss nicht „selfexecuting“ sei und gerade nicht automatisch zur Zulässigkeit jeder Form des dezentralen und individuellen Gedenkens führe. Erforderlich sei eine weitere Umsetzung durch Konkretisierung des Sondernutzungstatbestandes in den Sondernutzungsrichtlinien und der Sondernutzungsgebührensatzung der Beklagten.

Der Kläger benötige für die Verlegung von Stolpersteinen im Bereich des Gehweges eine Sondernutzungserlaubnis, auf deren Erteilung er keinen Anspruch habe. Die Sondernutzung sei auch nicht gemeinverträglich, da mit der Verlegung von Stolpersteinen unmittelbar in den Körper der öffentlichen Sache „Straße“ eingegriffen werde. Wegen der unterschiedlichen Auffassungen der beteiligten Kreise zu der Art des Gedenkens sei eine Sondernutzungserlaubnis geeignet, die widerstreitenden Interessen an der Nutzung des öffentlichen Straßenraums auszugleichen. Zudem habe die Beklagte auch gemeinverträgliche Sondernutzungen durch § 1 Abs. 3 SoNuGebS dem Art. 18 BayStrWG unterstellt. Bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sei nicht nur auf die verkehrliche Funktion der Straße, sondern auch auf die Belange des Straßenumfeldes abzustellen. Aufgrund der nach intensiver Auseinandersetzung mit Für und Wider des Erinnerns durch Stolpersteine gefassten Stadtratsbeschlüsse vom 16. Juni 2004 und vom 29. Juli 2015 stehe fest, dass die Beklagte im öffentlichen Straßenraum die Verlegung von Stolpersteinen aus gestalterischen Gründen nicht wünsche, da sie ihrer Konzeption des Erinnerns widerspräche. Im Übrigen sei die erforderliche weitere Konkretisierung der zulässigen Nutzung durch eine entsprechende Ergänzung der Sondernutzungstatbestände in der Sondernutzungsgebührensatzung und den Sondernutzungsrichtlinien noch nicht erfolgt. Die Ermessensausübung durch die Beklagte verletze auch keine Grundrechte des Klägers, insbesondere nicht den Gleichheitsgrundsatz und die Meinungsfreiheit, die durch Art. 18 Abs. 1 BayStrWG in zulässiger Weise eingeschränkt werde. Da die Beklagte ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt habe, stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf erneute Bescheidung zu.

Mit Schriftsatz vom ... Mai 2016 legte die Klägerseite eine vom gleichen Tag datierende „Rechtsgutachtliche Stellungnahme zur straßenrechtlichen Zulässigkeit der Verlegung von Stolpersteinen unter besonderer Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen“ vor. Zusammenfassend ergebe sich daraus ein Ermessensausfall aufgrund Entscheidungsunzuständigkeit des Baureferats der Beklagten, ein Ermessensfehlgebrauch durch Berücksichtigung straßenrechtsfremder Erwägungen, eine Ermessensüberschreitung durch Verstoß gegen Freiheitsrechte des Klägers, insbesondere durch nicht ausreichende Berücksichtigung des Rechts auf Gedenken (Art. 4 GG) und der Kunstfreiheit (Art. 5 GG), sowie eine Ermessensüberschreitung durch Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

In der beigefügten rechtsgutachtlichen Stellungnahme zu der Frage, ob die Verlegung von Stolpersteinen zulässig ist, insbesondere ob sich aus Grundrechten ein Recht auf Gedenken herleiten lässt, das entweder eine Erlaubnis entbehrlich macht oder zu deren Erteilung zwingt, wird unter anderem ausgeführt: Die Verlegung von Stolpersteinen sei als Eingriff in die Substanz des Straßenkörpers nicht mehr als Gemeingebrauch anzusehen, weil die Straße nicht nur genutzt werde. Es handle sich um eine nach öffentlichem Recht zu beurteilende Sondernutzung, weil jedenfalls die Bauarbeiten anlässlich der Verlegung und etwaige Instandhaltungsarbeiten den Gemeingebrauch beeinträchtigen würden. Auch wenn Grundrechte in aller Regel Abwehrrechte seien und keinen Leistungsanspruch gäben, könne sich in Verbindung mit einer Norm, die die Nutzung öffentlichen Eigentums für grundrechtliche Zwecke ermögliche, eine Verletzung von Grundrechten in ihrer Abwehrdimension ergeben. Man könne wohl nicht davon ausgehen, dass sich aus der Religionsfreiheit ein Recht auf Verlegung von Stolpersteinen an einem bestimmten Ort ergebe. Die Kunstfreiheit, auf die sich auch ein Vermittler von Kunst berufen könne, unterliege nur verfassungsimmanenten Schranken. Auf die mit der Inschrift auf Stolpersteinen verbundene Mahnung könne zwar durch ein allgemeines Gesetz eingewirkt werden, das aber in seiner grundrechtsbeschränkenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müsse. Die zweifelsfreie Zuordnung der Information über den letzten Wohnort eines Opfers der NS-Herrschaft zum Schutzbereich eines einzigen Freiheitsrechts sei schwierig, aber ohne Belang, wenn es nicht einmal entgegenstehende Rechtsgüter gäbe, die eine Beschränkung der unter einem Gesetzesvorbehalt stehenden Meinungsfreiheit rechtfertigen würden. Nennenswerte konkurrierende Nutzungsinteressen stünden nicht entgegen. Auch ein Präzedenzfall für weitere Hinweise im Straßengrund, die unter Berufung auf andere Grundrechte wie die Eigentumsgarantie oder die Berufsfreiheit beansprucht werden könnten, werde wegen der besonderen Bedeutung der Gedenksteine für Opfer der NS-Herrschaft nicht geschaffen. Der postmortale Persönlichkeitsschutz der Opfer könne, auch wenn dies keine Straßenbezogene Erwägung sei, wegen der Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde bei der Ermessensausübung nicht außer Acht gelassen werden. Da aber nahe Angehörige zur Wahrnehmung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes berechtigt seien und angesichts der weiten Verbreitung der Stolpersteine sei es ermessensfehlerhaft, gegen den Willen der Angehörigen den Schutz des Andenkens der Opfer in die Ermessensausübung einzubeziehen. Das Ermessen müsse aber unter Einbeziehung des allgemeinen Gleichheitssatzes ausgeübt werden, und eine Bevorzugung von Stelen, die den Gemeingebrauch stärker beeinträchtigen würden, erscheine willkürlich, da kein sachlicher straßenbezogener Grund für eine Ungleichbehandlung von Stolpersteinen spreche.

Die Beklagtenseite trat diesen Ausführungen mit Schriftsatz vom 27. Mai 2016 entgegen. Die Beklagte habe ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Bei der Verlegung von Stolpersteinen handele es sich um eine Sondernutzung, die den Gemeingebrauch beeinträchtige, da sie einen baulichen Eingriff in die Substanz des Straßenkörpers erfordere. Die Beklagte habe ihr Ermessen ausgeübt, indem nicht das Baureferat, sondern der Stadtrat nach umfassender Ermittlung und Bewertung der verschiedenen Nutzungsformen zum dezentralen und individuellen Gedenken eine Grundsatzentscheidung getroffen habe. Die Beklagte habe bei der Ermessensausübung auch das aus der kommunalen Selbstverwaltungshoheit folgende gestalterische Ermessen ausgeübt. Sie habe die Aufgabe, durch die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen die Nutzung der Straße zu verkehrlichen und kommunikativen Nutzungen zu ordnen und Konflikte möglichst weitgehend zu minimieren. Aus den vom Kläger angeführten Grundrechtspositionen ergebe sich keine Ermessensreduzierung auf Null. Der Kläger habe nicht aufgezeigt, dass die Religion gebiete, den öffentlichen Straßenraum zum individuellen Gedenken an Verstorbene in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte vermeide mit der durch die Selbstverwaltungshoheit gedeckten Ermessensausübung eine Gestaltung des Erinnerns, die andere verletzen könne. Die Auffassung, das postmortale Persönlichkeitsrecht könne nur an der Verlegung des eigenen Stolpersteins hindern, greife zu kurz. Die Kunstfreiheit berechtige nicht zur Verlegung von Stolpersteinen gegen das kommunale Gestaltungsrecht im öffentlichen Straßenraum, sie erstrecke sich nicht auf die Nutzung fremden Eigentums zum Zwecke künstlerischer Entfaltung. Die dauerhafte Gestaltung des Straßenraums stehe allein der Beklagten zu. Auch die Berufung des Klägers auf das Recht der Meinungsfreiheit führe zu keiner Ermessensbeschränkung; wenn die Beklagte das Gedenken im Straßenraum auf Opfer des Nationalsozialismus beschränken könne, gelte dies erst recht für die Form des Gedenkens. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor, maßgeblich sei nicht, ob Stelen den Verkehr mehr behindern würden als Stolpersteine. Die Klägerseite differenziere nicht ausreichend zwischen allgemeinen straßenrechtlichen und von der Beklagten verfolgten gestalterischen Anforderungen. Die Beklagte könne im Rahmen der Gestaltung dem Gedanken Rechnung tragen, dass das Gedenken Verstorbener nicht mit Füßen getreten werden solle.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2016, des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Gründe

Die fristgerecht erhobene Klage ist als Versagungsgegenklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Die Klage ist jedoch im Hauptantrag auf Aufhebung des Bescheids vom 3. November 2015 und Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis sowie im Hilfsantrag auf Aufhebung des Bescheids und Verpflichtung der Beklagten zu erneuter Verbescheidung unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der mit Schreiben vom ... Juli 2015 für die Verlegung eines Stolpersteins „als erlaubte Sondernutzung“ beantragten Sondernutzungserlaubnis, da für den Einbau eines Stolpersteins in den Gehweg eine bürgerlichrechtliche Vereinbarung und keine öffentlichrechtliche Gestattung erforderlich ist (1.). Im Übrigen bestünde selbst bei Annahme einer dem öffentlichen Recht unterliegenden Sondernutzung kein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis; in diesem Fall könnte der Kläger auch nicht beanspruchen, dass die Beklagte erneut über seinen Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis entscheidet (2.).

1. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu Recht abgelehnt, weil der Einbau eines Stolpersteins in dem als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeten Gehweg zwar eine Sondernutzung darstellt (a), jedoch den Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt (b) und als gemeingebrauchsverträgliche Sondernutzung von der Beklagten auch nicht durch Satzung dem öffentlichen Recht unterstellt wurde (c), mithin also keine Sondernutzungserlaubnis beansprucht werden kann (d).

a) Die Benutzung der öffentlichen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde, wenn durch die Benutzung der Gemeingebrauch beeinträchtigt werden kann, Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG. Gemeingebrauch ist die Benutzung der Straßen im Rahmen ihrer Widmung für den Verkehr, nicht jedoch, wenn jemand die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr nutzt (Art. 14 Abs. 1 BayStrWG).

Der Einbau eines Stolpersteins in den Gehweg ist eine Sondernutzung und keine Teilnahme am Verkehr. Verkehr i. S. v. Art. 14 Abs. 1 BayStrWG ist zwar nicht nur der Verkehr im engeren Sinne einer Ortsveränderung, sondern bei zentralen innerörtlichen Straßen und Plätzen auch der sogenannte kommunikative Verkehr, der auf Begegnung und Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern gerichtet ist, denn diese Straßen und Plätze sind nicht nur zur reinen Fortbewegung von Menschen und Sachen bestimmt, sondern dienen traditionell auch dem Austausch von Meinungen in Wort und Schrift (BayVGH, U. v. 22.06.2010 - 8 B 10.970 - juris Rn. 18; VGH BW, U. v. 24.4.1992 - 14 S 3212/89 - juris Rn. 17). Der Stolperstein, den der Kläger dauerhaft im Gehweg verankern will, kann zwar als eine vom Kläger stammende und an die Passanten gerichtete Botschaft („Ihr sollt meiner Angehörigen gedenken“) verstanden werden, eine Kommunikation zwischen Menschen, also zwischen dem Kläger persönlich und den Passanten, fände aber nicht statt. Zum kommunikativen Verkehr zwischen Verkehrsteilnehmern kann jedoch nur die individuelle Begegnung zwischen Menschen zählen und nicht die dauerhafte Anbringung eines Gegenstands (Wiget in: Zeitler, BayStrWG, Stand 15.10.2015, Art. 14 Rn. 38, 42). Selbst wenn die ...-straße noch zum zentralen innerörtlichen Bereich Münchens zu rechnen wäre, würde der Kläger mit einem Stolperstein keinen kommunikativen Gemeingebrauch ausüben.

Der Annahme, dass die Anbringung eines Stolpersteins im Straßenbelag eine Sondernutzung ist, steht entgegen der in dem angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht auch nicht entgegen, dass damit in die bauliche Substanz des Straßenkörpers eingegriffen wird. Auch der Einbau von Versorgungsleitungen greift in die Straßensubstanz ein und ist nach Art. 22 Abs. 2 BayStrWG gleichwohl eine Sondernutzung.

b) Durch den Stolperstein wird der an dem Gehweg der ...-straße bestehende Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt, sondern eine gemeingebrauchsverträgliche Sondernutzung ausgeübt. Der Stolperstein soll bündig in den Gehweg eingearbeitet werden, Fußgänger sollen nur in einem übertragenen und nicht im wörtlichen Sinn stolpern, also nur erinnern und gedenken, aber nicht stürzen. Soweit der von einem Passanten wahrgenommene Stolperstein bewirkt, dass der Passant kurz zum Lesen der Inschrift stehen bleibt oder aus Respekt vor dem Opfer des Holocausts ein Betreten des Stolpersteins vermeidet und seine Schritte an der 10 cm mal 10 cm großen Messingplatte vorbeilenkt, kann nicht ernsthaft von einer Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs die Rede sein. Auch die eigentliche Verlegung des Stolpersteins im Gehweg, also die ohne Einsatz von Baumaschinen zu bewerkstelligende Öffnung des Gehwegbelags auf wenigen Quadratzentimetern, das Setzen des Stolpersteins und die anschließende Verfüllung der Fugen stellen die Gemeingebrauchsverträglichkeit nicht in Frage. Der Kläger begehrt eine Sondernutzungserlaubnis für den dauerhaften Verbleib des Stolpersteins im Gehweg und nicht für die Durchführung der Bauarbeiten. Aber selbst wenn man neben einer Gestattung für den Eingriff in die Straßensubstanz und den dauerhaften Verbleib des Stolpersteins auch für die räumlich und zeitlich eng begrenzte Verlegungsarbeit eine öffentlichrechtliche Gestattung für erforderlich hielte, wäre dafür eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 8 StVO für eine vorübergehende Sperrung und keine Sondernutzungserlaubnis erforderlich (Art. 21 BayStrWG).

c) Die mithin gemeingebrauchsverträgliche Sondernutzung bedarf keiner Gestattung durch eine öffentlichrechtliche Sondernutzungserlaubnis, sondern durch eine bürgerlichrechtliche Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten. Nach Art. 22 Abs. 1 BayStrWG richtet sich die Einräumung von Rechten zur Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus nach bürgerlichem Recht, wenn durch die Benutzung der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt werden kann. Soweit die Beklagte Sondernutzungen an Straßen in ihrer Baulast gemäß Art. 22a BayStrWG durch § 1 Abs. 3 Satz 1 ihrer Sondernutzungsgebührensatzung vom 25. Juni 2014 (SoNuGebS, Münchner Amtsblatt S. 614) abweichend von Art. 22 Abs. 1 BayStrWG geregelt hat, folgt daraus nichts anderes. Nach Satz 1 dieser Satzungsbestimmung unterliegen Sondernutzungen an öffentlichen Straßen „dem öffentlichen Recht, auch wenn durch sie der Gemeingebrauch nicht beeinträchtigt werden kann, sofern sie eine Benutzung des Straßenraumes über der Straßenoberfläche darstellen“. Die Sondernutzung, für die der Kläger eine Erlaubnis begehrt, stellt jedoch keine Sondernutzung „über der Straßenoberfläche“ dar. Der würfelförmige Stolperstein mit einer Kantenlänge von ca. 10 cm soll bündig in den Straßenbelag eingebaut werden, er soll also ca. 10 cm tief im Straßenbelag sitzen und lediglich mit seiner Oberseite an der Straßenoberfläche sichtbar sein. Würde er auch nur geringfügig über den Straßenbelag herausragen und die Gefahr eines tatsächlichen Stolperns verursachen, könnte er von der Beklagten aus Gründen der Verkehrssicherheit ohnehin nicht zugelassen werden. Es trifft zwar zu, dass die in die Messingplatte eingestanzten Informationen von Passanten wahrgenommen werden können und sollen, die von dem Stolperstein ausgehende Botschaft also gewissermaßen in den Luftraum über der Straßenoberfläche hineinwirkt, aber diese bloß immaterielle „Ausstrahlung“ erfüllt entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht nicht den Tatbestand einer Benutzung des Gehwegs „über der Straßenoberfläche“ im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 SoNuGebS. Diese Vorschrift regelt eine Ausnahme von der grundsätzlichen gesetzlichen Bestimmung, wonach sich nicht gemeingebrauchsbeeinträchtigende Sondernutzungen nach bürgerlichem Recht richten (Art. 22 Abs. 1 Bay-StrWG) und ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Gegen die Annahme, auch in den Gehsteig eingebaute und nur an der Straßenoberfläche sichtbare Gegenstände würden nach § 1 Abs. 3 Satz 1 SoNuGebS dem öffentlichen Recht unterstellt werden, sprechen auch die in Anlage 1 (Gebührenverzeichnis) dieser Satzung unter Nrn. 1 bis 51 aufgelisteten Gebührentatbestände, die nur Anlagen und Tätigkeiten auf und über, nicht jedoch in oder an der Straßenoberfläche umfassen.

d) Da die vom Kläger beabsichtigte Sondernutzung nach alledem keiner öffentlichrechtlichen Sondernutzungserlaubnis, sondern einer bürgerlichrechtlichen Vereinbarung bedarf, wurde der Antrag auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis von der Beklagten zu Recht abgelehnt. Dem Kläger fehlt das Sachbescheidungsinteresse für den Erlass eines Verwaltungsakts, der für das von ihm beabsichtigte Vorhaben nicht notwendig und damit unnütz ist (Wittrek, BayVBl 2004,193/199 f.; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 22 Rn. 77). Eine vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung angeregte Verweisung des Rechtsstreits an ein für bürgerlichrechtliche Streitigkeiten zuständiges Gericht war nicht veranlasst, da kein Klageantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer privatrechtlichen Gestattung gestellt wurde.

2. Selbst wenn die Verlegung eines Stolpersteins im öffentlichen Straßengrund für eine nach öffentlichem Recht zu beurteilende Sondernutzung gehalten wird, bleibt die Klage in Haupt- und Hilfsantrag erfolglos. Die Beklagte hat (vorsorglich) ihr Ermessen ausgeübt (a), die maßgeblich angestellten Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden (b) und auch aus den vom Kläger geltend gemachten Grundrechten folgt kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis (c).

a) Der Einwand des Klägers, das Baureferat der Beklagten sei für den Erlass des ablehnenden Bescheids nicht zuständig gewesen und deshalb habe die Beklagte ihr Ermessen nicht ausgeübt, ist unbegründet. Das Baureferat hat ausweislich der Begründung des angefochtenen Bescheids für den Fall, dass die Verlegung von Stolpersteinen als erlaubnispflichtige Sondernutzung qualifiziert wird, einen Anspruch des Klägers auf fehlerfreien Ermessensgebrauch anerkannt und sich hinsichtlich der Ermessensausübung auf die Beschlüsse des Stadtrats vom 16. Juni 2004 und 29. Juli 2015 gestützt. Dieser hatte sich nach Anhörung betroffener Gruppierungen der Gesellschaft und nach ausführlicher Diskussion und Abwägung des Für und Wider mehrheitlich gegen die Zulassung von Stolpersteinen auf öffentlichen Straßen ausgesprochen und damit das vom Baureferat auszuübende Ermessen gelenkt (zur Zulässigkeit ermessenslenkender Vorschriften vgl. BayVGH, B. v. 05.12.2011 - 8 ZB 11.1748 - juris Rn. 25 ff.; B. v. 03.11.2011 - 8 ZB 11.1457 - juris Rn. 21 ff.). Für die Grundsatzentscheidung ist der Stadtrat zuständig (Art. 29 GO; vgl. VGH BW, U. v. 09.12.1999 - 5 S 2051/98 - NVwZ-RR 2000, 837/839), für den Vollzug im Einzelfall im Auftrag des Oberbürgermeisters der Beklagten eine städtische Dienststelle wie das Baureferat.

b) Die Beklagte hat bei ihrer ablehnenden Entscheidung das ihr nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die maßgeblich angestellten Erwägungen tragen die ablehnende Entscheidung. Dabei hat das Gericht nur zu prüfen, ob die Ablehnung der Sondernutzungserlaubnis rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO).

aa) Falls ein Stolperstein als gemeingebrauchsbeeinträchtigende Sondernutzung anzusehen wäre, stünde die Entscheidung nach Art. 18 Abs. 1 BayStrWG im pflichtgemäßen Ermessen der Straßenbaubehörde, hier also der Beklagten (Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayStrWG). Der Kläger hat einen Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch (Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand 15.10.2015, Art. 18 Rn. 26). Bei der Ermessensausübung dürfen in der Regel nur straßenbezogene Erwägungen berücksichtigt werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgeführt:

„Liegt eine straßenrechtliche Sondernutzung vor, so steht die Erteilung der Erlaubnis in pflichtgemäßem Ermessen der Behörde (BayVGH v. 29.10.2008 BayVBl 2009, 661). Die Ermessensausübung hat dem Normenzweck des Art. 18 ff. BayStrWG entsprechend sachbezogen nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu erfolgen. Die Stra-ßenbaubehörde kann somit Sondernutzungen in stets widerruflicher Weise ganz oder teilweise zulassen (vgl. Art. 18 Abs. 2 Satz BayStrWG), sie kann die Erlaubnis nach pflichtgemäßem Ermessen aber auch mit Nebenbestimmungen im Sinne von Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG versehen. Insbesondere kann sie dem Begünstigten durch Auflagen nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorschreiben. Auch bei der Ausübung des Ermessens nach Art. 36 Abs. 2, Art. 40 BayVwVfG muss sich die Behörde am Zweck der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage orientieren. Daher darf sie sich bei der Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis oder bei der Anordnung von Auflagen regelmäßig nur an Gründen orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben (zum Prüfprogramm vgl. BayVGH vom 24.11.2003 BayVBl 2004, 533/534; Wiget in: Zeitler, BayStrWG, Stand: Februar 2011, RdNr. 26 zu Art. 18). Zu diesen Gründen zählen vorrangig die in Art. 18 Abs. 2 Satz 2 BayStrWG ausdrücklich genannten Belange der Straßenbaulast und der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Daneben können aber auch baugestalterische oder städtebauliche Belange, wie etwa der Schutz eines bestimmten Straßen- oder Ortsbilds berücksichtigt werden, sofern sie einen sachlichen Bezug zur Straße haben und auf einem konkreten Gestaltungskonzept der Gemeinde beruhen (vgl. BayVGH vom 20.1.2004 BayVBl 2004, 336; vom 22.6.2010 BayVBl 2011, 176; VGH Baden-Württemberg vom 2.11.2009 NVwZ-RR 2010, 164). Dagegen ist die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis nicht dazu bestimmt, als zusätzliches Eingriffsinstrument für andere straßenrechtsfremde öffentliche Belange zu dienen. Daher können Auflagen in einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis etwa nicht auf Immissionsschutz-, Umwelt- oder sicherheitsrechtliche Überlegungen oder auf sonstige, mit der Straßennutzung nicht in Zusammenhang stehende öffentliche Belange gestützt werden (vgl. BayVGH vom 24.11.2003 BayVBl 2004, 533; vom 20.1.2004 BayVBl 2004, 336).“

(BayVGH, B. v. 5.12.2011 - 8 ZB 11.1748 - KommPrax 2012,107 (red. LS) und juris Rn. 19; B. v. 03.11.2011 - 8 ZB 11.1457 - juris Rn. 20)

bb) Im Ergebnis würde das Gleiche gelten, wenn ein Stolperstein eine gemeingebrauchsverträgliche Sondernutzung wäre, die gemäß § 22a BayStrWG durch Satzung und abweichend von Art. 22 Abs. 1 BayStrWG dem öffentlichen Recht unterstellt worden wäre. Auch dann hätte die Beklagte ihr Ermessen dem Sinn und Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayStrWG). Die der Ermessensentscheidung zugrunde liegende gesetzliche Regelung ist Art. 22a BayStrWG i. V. m. § 1 Abs. 3 Satz 1 SoNuGebS. Da auch ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für gemeingebrauchsverträgliche Sondernutzungen mit Grundrechtseingriffen verbunden sein kann, der Gesetzgeber die einzelnen Eingriffsbefugnisse jedoch nicht näher festgelegt oder umrissen hat, ist Art. 22a BayStrWG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Regelung nicht zu Grundrechtseingriffen ermächtigt, die wesentlich von dem insoweit grundsätzlich unbedenklichen System der Art. 18 ff. BayStrWG abweichen. Der Satzungsgeber hat sich deshalb vornehmlich an dem Leitbild dieser Gesetzesbestimmungen zu orientieren (BayVGH, U. v. 20.01.2004 - 8 N 02.3211 - BayVBl 2004, 336/337; v. 29.10.2008 - 8 B 05.1468, 8 B 05.1471 - DVBl 2009, 735 (LS) und juris Rn. 48 f.). Entsprechendes ist für den Satzungsvollzug anzunehmen, weshalb bei der Ermessensentscheidung in der Regel nur Gesichtspunkte berücksichtigt werden dürfen, die einen sachlichen Bezug zur Straße und ihrer Funktion haben.

cc) Die vom Stadtrat der Beklagten am 29. Juli 2015 gefassten Beschlüsse zu den „Formen dezentralen und individuellen Gedenkens an die Opfer des NS-Regimes in München“ bilden, auch wenn sie erst nach Abschluss des Wettbewerbs zur Gestaltung der Stelen redaktionell in die Sondernutzungsrichtlinien der Beklagten eingearbeitet werden sollen, ermessenslenkende Vorgaben zur Stadtgestaltung, die auf einem konkreten Gestaltungskonzept beruhen und grundsätzlich zulässig sind (BayVGH, B. v. 05.12.2011 - 8 ZB 11.1748 - KommPrax 2012, 107 (red. LS) und juris Rn. 19 f.; B. v. 03.11.2011 - 8 ZB 11.1457 - juris Rn. 20 f.). Allerdings lehnt die Beklagte Stolpersteine nicht aus ortsgestalterischen oder anderen straßenbezogenen Gründen ab, sondern weil Stolpersteine nach Ansicht des Stadtrats kein würdiges Gedenken seien und die Empfindungen heute lebender Münchner Jüdinnen und Juden verletzen würden. Obwohl die damit von der Beklagten maßgeblich berücksichtigten Belange keinen sachlichen Bezug zur Straße haben, konnten sie ermessensfehlerfrei berücksichtigt werden. Denn mit der Entscheidung über die Zulassung von Stolpersteinen oder anderen Formen des Gedenkens wie z. B. Stelen auf öffentlichen Straßen wird nicht nur über eine straßenrechtlich relevante Sondernutzung, sondern gleichzeitig über die Errichtung eines Denkmals im öffentlichen Raum und damit über eine zum eigenen Wirkungskreis der Beklagten gehörende kulturpolitische Angelegenheit entschieden. Eine Beschränkung der dabei berücksichtigungsfähigen Erwägungen auf rein straßenbezogene Belange würde das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Beklagten in unzulässiger Weise einschränken.

Bei der Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis geht es nicht nur um die Zulassung von zwei Stolpersteinen für seine Eltern, sondern im Hinblick auf eine Vielzahl weiterer Antragsteller und den von der Beklagten zu beachtenden Gleichheitssatz um die generelle Zulässigkeit von Gedenksteinen auf Ortsstraßen der Beklagten. Gegen eine isolierte Betrachtung des klägerischen Begehrens spricht auch das den Stolpersteinen zugrunde liegende künstlerische Konzept, wonach alle Stolpersteine eine einheitliche Größe und Gestaltung aufweisen, jeweils im Gehweg vor dem letzten freigewählten Wohnhaus angebracht werden und dem Gedenken an Menschen dienen, die das gleiche Schicksal erlitten haben. Der einzelne Stolperstein soll ein kleines Mahnmal für ein Opfer des Holocaust sein und gleichzeitig Teil eines großen dezentralen, aus vielen Stolpersteinen bestehenden Gesamtdenkmals sein, mit dem generell der Opfer des Holocaust gedacht wird. Wenngleich die Stolpersteine von Privatpersonen auf eigene Initiative und eigene Kosten verlegt werden sollen, handelt es sich dabei um ein auf öffentlichem Straßengrund zu errichtendes und für die Öffentlichkeit bestimmtes Denkmal. Eine Sondernutzung durch Verlegung von Stolpersteinen unterscheidet sich insoweit grundlegend von den üblicherweise zugelassenen Sondernutzungen, bei denen es regelmäßig nur um gewerbliche Tätigkeiten, Ausübung der Kleinkunst, Werbung für religiöse oder weltanschauliche Bekenntnisse, um politische, soziale, umweltbezogene oder andere ideelle Anliegen, jedenfalls um Angelegenheiten von Privatpersonen geht. Eine Sondernutzung durch Errichtung eines Denkmals führt jedoch dazu, dass die betreffenden Gehwege neben ihrer widmungsgemäßen Funktion als öffentliche Verkehrsfläche die zusätzliche Funktion einer Stätte öffentlichen Gedenkens und Erinnerns erhalten. Die Entscheidung über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für einen Stolperstein erweist sich damit nicht nur als straßenrechtliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer nicht unter den Gemeingebrauch fallenden Nutzung der Straße, sondern auch als eine Entscheidung über die Errichtung eines öffentlichen Denkmals, also als Entscheidung über eine den eigenen Wirkungskreis der Beklagten, nämlich die „örtliche Kulturpflege“ (Art. 83 BV), betreffende Angelegenheit. Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Beklagten, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“ (Art. 28 Abs. 2 GG) und „ihre Angelegenheit im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten“ (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV), beinhaltet auch das Recht, frei zu entscheiden, ob überhaupt und gegebenenfalls für welchen Zweck und in welcher Gestaltung ein öffentliches Denkmal auf ihren öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen errichtet wird. Diese kulturpolitische Entscheidung kann nicht nur mit Erwägungen getroffen werden, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben, sondern erfordert v.a. die Berücksichtigung kultureller, historischer und gesellschaftspolitischer Belange. Die vom Stadtrat der Beklagten und unter Bezugnahme darauf in den Gründen des angefochtenen Bescheids angestellten und für die getroffene Ermessensentscheidung maßgeblichen Erwägungen, ein Gedenken im Gehsteigbelag sei kein würdiges Gedenken und Stolpersteine würden von Mitgliedern der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern als verletzend empfunden, sind durch das kommunale Selbstverwaltungsrecht gedeckt, nicht willkürlich und rechtlich nicht zu beanstanden.

c) Die Beklagte ist auch nicht unter Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten Grundrechte zur Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis zu verpflichten. Nur bei Reduzierung des Ermessens auf Null, die v.a. durch grundrechtsrelevante Sachverhalte bewirkt werden kann, stünde ihm ausnahmsweise ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis zu (Wiget, a. a. O., Art. 18 Rn. 27). Dies ist jedoch hier nicht der Fall, insbesondere zwingen die Grundrechte des Klägers auf Gleichbehandlung, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Meinungsäußerungsfreiheit sowie Kunstfreiheit nicht zur Erlaubniserteilung.

aa) Die Versagung der Sondernutzungserlaubnis für Stolpersteine ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) vereinbar, wonach wesentlich Gleiches auch rechtlich gleich zu behandeln ist. Weder die von der Beklagten beabsichtigte Zulassung von Stelen, noch die Zulassung anderer in den Belag gewidmeter Straßen eingebrachter Denkmäler oder gar die Verwaltungspraxis anderer Kommunen, verpflichten die Beklagte nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz zur straßenrechtlichen Gestattung von Stolpersteinen.

Stelen zum Gedenken an Opfer des Holocaust, die nach der erklärten Absicht der Beklagten in einer erst noch festzulegenden einheitlichen Gestaltung auf gewidmeten Gehwegen zugelassen werden sollen, sind zwar voraussichtlich mit Stolpersteinen hinsichtlich Standort und Funktion vergleichbar. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten wird jedoch unter anderem darauf gestützt, dass die Anbringung von Gedenktafeln „im Straßenschmutz“ auch als herabsetzend empfunden werden kann und tatsächlich von vielen so empfunden wird, die Israelitische Kultusgemeinde für München und Oberbayern diese Form des Gedenkens ablehnt und die Assoziation zu einem antisemitischen Spruch („Wo man stolpert, da muss ein Jude begraben sein“), unbedingt vermieden werden solle. Auch wenn diese Gesichtspunkte nicht zwingend zur Bevorzugung von Stelen und Ablehnung von Stolpersteinen führen müssen, wie die Praxis anderer Gemeinden sowie die Befürwortung von Stolpersteinen u. a. durch Präsident und Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland zeigt, handelt es sich doch um vernünftige Erwägungen und hinreichend gewichtige Differenzierungsgründe, die eine unterschiedliche Beurteilung von Stolpersteinen und Stelen rechtfertigen. Denn als Grund für eine (verfassungsgemäße) Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 14). Im Übrigen hat die Beklagte bisher noch keine Sondernutzungserlaubnis für die Anbringung einer Stele auf einem öffentlichen Gehweg erteilt, sondern durch ihren Stadtrat nur die Grundsatzentscheidung getroffen, dass Stelen in einer erst noch zu bestimmenden einheitlichen Gestaltung zugelassen werden sollen.

Entsprechendes gilt für die Ungleichbehandlung von Stolpersteinen einerseits und von im Straßenbelag angebrachten Gedenktafeln für den 1919 ermordeten Ministerpräsidenten Kurt Eisner (in der Kardinal-Faulhaber-Straße), für die Mitglieder der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ (vor der Ludwig-Maximilians-Universität) sowie das geplante Denkmal für die wegen ihrer sexuellen Orientierung vom NS-Regime ermordeten Personen andererseits. Denn auch insoweit konnte die Beklagte die zur Anhörung vom 5. Dezember 2014 verfasste Stellungnahme der Präsidentin der IKG berücksichtigen, die Stolpersteine sehr dezidiert als unwürdige und verletzende Form des Gedenkens an die im Holocaust ermordeten Münchner Jüdinnen und Juden bezeichnet hat. Es ist - auch unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte das sittliche Empfinden der gewählten Repräsentanten dieser ca. 9.500 Mitglieder zählenden jüdischen Glaubensgemeinschaft berücksichtigt und Stolpersteine ablehnt.

Die ablehnende Entscheidung der Beklagten verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz, weil andere zahlreiche andere Städte und Gemeinden Stolpersteine, auf welcher Rechtsgrundlage auch immer, zugelassen haben, denn der Gleichheitssatz bindet jeden Hoheitsträger nur in seinem konkreten Zuständigkeitsbereich (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 9).

bb) Auch die verfassungsrechtlich verbürgte Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG, Art. 107 Abs. 1 und 2 BV) schränkt das der Beklagten zustehende Ermessen nicht dahingehend ein, dass der vom Kläger beabsichtigte Stolperstein zugelassen werden muss. Das Gedenken in Form von Stolpersteinen gehört nicht zum Schutzbereich dieses Grundrechts, das neben der inneren Freiheit, religiöse und weltanschauliche Überzeugungen zu bilden und zu haben, auch die äußere Freiheit schützt, diese Überzeugungen zu bekennen und zu verbreiten und sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens und Gewissens auszurichten und dieser Überzeugung gemäß zu handeln (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 4 Rn. 10 ff.). Es ist nicht ersichtlich, dass ein Stolperstein zum Gedenken an ermordete Angehörige Ausdruck einer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung des Klägers ist, und er nicht ohne innere Not, also ohne in Konflikt mit seinen Glaubens- oder Gewissensüberzeugungen oder gar zwingenden Geboten seines Glaubens zu geraten, auf einen Stolperstein in dem als Verkehrsfläche gewidmeten Gehweg verzichten kann.

cc) Aus dem Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 110 Abs. 1 Satz 1 BV) ergibt sich ebenfalls kein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für einen Stolperstein. Der vom Kläger erstrebte Einbau eines Stolpersteins in den Gehweg dürfte zwar am Schutzbereich dieses Grundrechts teilnehmen, obwohl auf der Messingplatte vordergründig nur Tatsachen mitgeteilt werden, nämlich Vor- und Zuname, Jahr der Geburt, Jahr und Ort der Ermordung sowie die Tatsache, dass die Angehörigen am Ort des Stolpersteins gewohnt haben. Denn mit dieser Tatsachenmitteilung wird das an den konkreten Personen verübte Verbrechen in Erinnerung gerufen, zum Ausdruck gebracht, dass sie Bürger der Stadt München waren, und die Öffentlichkeit aufgefordert, ihrer zu gedenken. Die Inschrift auf dem Stolperstein bringt damit über die bloße Tatsachenmitteilung hinaus auch eine Meinung zum Ausdruck und trägt zur Bildung und Bekräftigung einer Meinung bei (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 5; Krausnick in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 110 Rn. 8). Das Grundrecht der Meinungsfreiheit steht jedoch, auch soweit es durch Art. 110 Abs. 1 Satz 1 BV geschützt wird (Krausnick, a. a. O., Rn. 27), unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze, Art. 5 Abs. 2 GG, zu denen auch Art. 18 BayStrWG zählt (BVerfG, B. v. 12.04.2007 - 1 BvR 78/02 - NVwZ 2007,1306 und juris Rn. 30 zu § 16 StrG BW). Der Kläger muss daher bei der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung die Ermessensentscheidung der Beklagten, keinen Stolperstein auf öffentlichen Straßen zuzulassen, hinnehmen. Auch eine Auslegung der Bestimmungen über die Erlaubnispflicht für Sondernutzungen im Lichte des dadurch eingeschränkten Grundrechts führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagte verfolgt mit der Nichtzulassung von Stolpersteinen auf öffentlichen Verkehrsflächen legitime Zwecke, nämlich das Bestreben nach einem möglichst würdevollen Gedenken an die Opfer der Nazidiktatur und die Rücksichtnahme auf das Empfinden vieler heute in München lebender Jüdinnen und Juden. Die von der Beklagten vorgenommene Beschränkung des dezentralen namentlichen Gedenkens auf Stelen und die damit verbundene Beschränkung der Meinungsfreiheit ist auch verhältnismäßig, denn Stelen können ebenfalls vor dem letzten frei gewählten Wohnhaus angebracht werden und die gleiche Tatsachenmitteilung und Meinungsäußerung enthalten wie Stolpersteine. Es deutet auch nichts darauf hin, dass Stelen von Passanten weniger als Stolpersteine zur Kenntnis genommen werden und die Meinungsäußerungsfreiheit dadurch über Gebühr beeinträchtigt werden könnte.

dd) Auch das Grundrecht der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 108 BV) schränkt das von der Beklagten auszuübende Ermessen nicht dahingehend ein, dass sie zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis verpflichtet wäre. Stolpersteine gelten als Kunstwerke und sind auch rechtlich nach der gebotenen weiten Definition des materiellen Kunstbegriffs (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 118) als Kunst anzusehen, denn es handelt sich bei ihnen um eine freie schöpferische Gestaltung des Werktyps der Skulptur. Die Kunstfreiheit schützt neben der eigentlichen künstlerischen Tätigkeit, dem Werkbereich, auch die Vermittlung des Kunstwerks an Dritte, den Wirkbereich (BVerfG, B. v. 24.2.1971 - BvR 435/68 - NJW, 1971,1645/1646; B. v. 17.07.1984 - 1 BvR 816/82 - BVerfGE 67, 231, juris Rn. 28). Zweifelhaft ist, ob der Kläger, der den Stolperstein weder als Künstler selbst geschaffen hat, noch nach Art eines Verlegers oder Galeristen der Öffentlichkeit zugänglich macht, vorliegend Träger dieses Grundrechts ist. Dagegen spricht auch, dass sich der Kläger nicht als Mäzen oder Händler des Kunstwerks betätigen, sondern erreichen will, dass seiner Angehörigen in der Öffentlichkeit mittels eines Gedenksteins gedacht wird. Andererseits besteht die Besonderheit der Stolpersteine unter anderem darin, dass sie jeweils auf Initiative von Einzelpersonen, in der Regel von Angehörigen, gesetzt werden. Der einzelne Stolperstein ist insoweit Teil eines größeren Ganzen, das als „größtes dezentrales Gesamtkunstwerk Europas“ bezeichnet wird (Online-Enzyklopädie Wikipedia, Stichwort „Stolpersteine“). Das Anliegen des Klägers, auch für seine Eltern einen Stolperstein zu setzen und zur Erweiterung des dezentralen Kunstwerks beizutragen, könnte insoweit noch zum Wirkbereich der Kunstfreiheit zählen, als gerade er als Angehöriger zur Vermittlung dieses Teils des Gesamtkunstwerks berufen ist, also eine unentbehrliche Mittlerfunktion hat.

Jedoch kann die Frage dahingestellt bleiben, ob der Kläger hinsichtlich des Stolpersteins Träger der Kunstfreiheit ist, weil sich aus dem Grundrecht auf Kunstfreiheit bereits aus anderen Gründen kein Rechtsanspruch auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis ergibt. Die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG und Art. 108 BV ist ein Freiheits- und Abwehrrecht gegen hoheitliche Eingriffe, vermittelt aber keinen Anspruch auf Leistungen und auf Förderung der Kunst durch die Beklagte (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 126; Geis in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 108 Rn. 8). Da die Kunstfreiheit kein Teilhaberecht gewährt (BVerfG, B. v. 19.03.1984 - 2 BvR 1/84 - BayVBl 1984, 718), kann der Kläger nicht unter Berufung auf dieses Grundrecht beanspruchen, dass die Beklagte ihm einen Teil der gewidmeten, in ihrer Baulast stehenden und im Übrigen auch ihr zum Eigentum gehörenden Verkehrsfläche dauerhaft zur Verfügung stellt und dafür einen Eingriff in die Bausubstanz gestattet.

Zudem steht die Kunstfreiheit zwar nicht unter einem Gesetzesvorbehalt, sie wird jedoch durch andere verfassungsrechtlich geschützten Werte beschränkt (BVerfG, B. v. 17.07.1984 - 1 BvR 816/82 - BVerfGE 67, 231, juris Rn. 39; Jarass, a. a. O. Art. 5 Rn. 128, Geis, a. a. O. Art. 108 Rn. 10). Zu diesen verfassungsimmanenten Schranken zählt auch das aus dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 83 BV) folgende Recht der Beklagten, selbst über das ob und wie der Errichtung öffentlicher Denkmäler

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.