Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 16. Okt. 2014 - 3 A 509/13

bei uns veröffentlicht am16.10.2014

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag (Schmutzwasser).

2

Die Klägerinnen sind Eigentümerinnen des Grundstücks G 1 in einer Größe von 780 m². Das Grundstück ist an die vom Beklagten betriebene zentrale Abwasserbehandlungsanlage angeschlossen.

3

Mit Bescheid vom 29. Mai 2008 zog der Beklagte die Klägerinnen zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 3.276,00 EUR heran. Mit rechtskräftigem Urteil vom 9. März 2011 (– 3 A 1978/08 –) hob das Verwaltungsgericht den Beitragsbescheid auf und führte zur Begründung aus, dass die der Beitragserhebung zu Grunde liegende Satzung wegen einer nicht ordnungsgemäßen Ermittlung der satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung nichtig sei.

4

Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 10. August 2012 zog der Beklagte die Klägerinnen erneut zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 3.276,00 EUR heran. Ihren hiergegen gerichteten aber nicht näher begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2013 – zugestellt am 4. Juni 2013 – zurück.

5

Am 1. Juli 2013 haben die Klägerinnen Anfechtungsklage erhoben. Sie sind der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Schmutzwasserbeitragssatzung sei nichtig. Der darin normierte Beitragssatz beruhe auf einer fehlerhaften Kalkulation. Der Zweckverband habe die Kalkulation anhand des Aufwandes für 11 (technische) Anlagen und der von diesen Anlagen erschlossenen Flächen erstellt. Dies sei zwar grundsätzlich zulässig. Es aber erforderlich, dass die berücksichtigten Anlagen und die von ihnen erschlossenen Flächen für das Verbandsgebiet repräsentativ seien. Hieran fehle es. Nach den Kalkulationsunterlagen reinigten die berücksichtigten Anlagen 79,8 v.H. des im Verbandsgebiet anfallenden Abwassers (ausgedrückt durch Einwohnergleichwerte). Da der Zweckverband aber insgesamt 39 technische Anlagen betreibe, bedeute dies, dass 28 technische Anlagen lediglich 20,2 v.H. des Abwassers reinigten. Aufgrund dieser Diskrepanz könne nicht davon ausgegangen werden, dass die berücksichtigten Anlagen für das Verbandsgebiet repräsentativ seien.

6

Die Anlage sei zudem überdimensioniert. Der Beklagte sei in einer früheren Kalkulation selbst davon ausgegangen, dass die Überdimensionierung 12 v.H. betrage.

7

Weiter sei der Kalkulation nicht zu entnehmen, inwieweit der Aufwand für Erschließungsverträge vor 2005 einbezogen sei. Es sei davon auszugehen, dass dem Zweckverband in erheblichem Umfang Leistungen sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich übergeben worden seien, ohne dass eine entsprechende Berücksichtigung in der Betragskalkulation erfolgt sei.

8

Zudem sei es fehlerhaft, dass der Beklagte einen Aufwand von 155.000,00 EUR für Kanalsanierung und Beschichtungen berücksichtigt habe. Hierbei handele es sich um Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die im Rahmen der Kalkulation eines Herstellungsbeitrags nicht berücksichtigungsfähig seien. Gleiches gelte für die aufwandserhöhende Berücksichtigung von Kosten für die thermische Verwertung i.H.v. mehr als 12 Mio. EUR. Anlagen zur thermischen Verwertung seien nicht Bestandteil der vom Zweckverband betriebenen öffentlichen Einrichtung. Auch der prognostizierte Aufwand für die Kanalnetze in B., A-Stadt und S. i.H.v. mehr als 7 Mio. EUR sei nicht berücksichtigungsfähig, weil diese Anlagen bereits fertiggestellt seien. Dies habe der Beklagte durch die Aufnahme in das Anlagenverzeichnis bei der Gebührenkalkulation zumindest schlüssig erklärt.

9

Die Zuordnung der Grundstücksanschlüsse in § 2 Nr. 5 Buchst. b und Nr. 8 Satz 2 der Abwasseranschlusssatzung zur öffentlichen Einrichtung sei in sich widersprüchlich. Die erstgenannte Bestimmung ordne Grundstücksanschlüsse einschränkungslos der öffentlichen Einrichtung zu. Nach der zuletzt genannten Bestimmung gelte dies nur für nach dem 20. Juli 1999 hergestelle öffentliche Abwassereinrichtungen.

10

Die Maßstabsregelung in § 3 Abs. 5 SBS sei unvollständig. Sie enthalte keine Umrechnungsformel zur Ermittlung der Anzahl der Vollgeschosse bei Bebauungsplänen, die eine Baumassenzahl und eine zulässige Gebäudehöhe festsetzten. Ein solcher Bebauungsplan existiere im Gebiet der Stadt A-Stadt (Gewerbegebiet Mukran).

11

Die Klägerinnen beantragen,

12

den Bescheid des Beklagten vom 10. August 2012 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2013 aufzuheben.

13

Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Mit Beschluss vom 3. Juli 2014 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Er findet seine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen über die Erhebung von Beiträgen für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung (Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung - SBS) vom 21.06.2012.

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1. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam.

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a. So ist die Maßstabsregelung – es gilt ein abgestufter Vollgeschossmaßstab (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 SBS) – nicht zu beanstanden. Dies betrifft zunächst die in § 3 Abs. 4 Buchst. d SBS normierte „qualifizierte“ Tiefenbegrenzung. Die Fehler bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe, die zur Unwirksamkeit der dem Beitragsbescheid vom 29. Mai 2008 zugrunde liegenden Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 20. März 2008 geführt hatten, sind vom Beklagten zwischenzeitlich behoben worden (eingehend VG Greifswald, Urt. v. 26.07.2012 – 3 A 1424/09 –, juris Rn. 30). Soweit das erkennende Gericht bisher von der Unzulässigkeit der in der Satzung normierten „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung ausging (VG Greifswald, Urt. v. 15.11.2012 – 3 A 684/10 –, juris Rn. 19 im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris), wird daran mit Blick auf die neuere obergerichtliche Rechtsprechung (OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, S. 7 ff. des Entscheidungsumdrucks) nicht mehr festgehalten.

20

Die Maßstabsregelung weist auch im Übrigen keinen zur Nichtigkeit der Schmutzwasserbeitragssatzung führenden Fehler auf. Nach § 3 SBS erfolgt die Ermittlung der Beitragseinheiten nach einem abgestuften Vollgeschossmaßstab, der unter Vorteilsgesichtspunkten unbedenklich ist. Zwar ist die Bestimmung in § 3 Abs. 5 Buchst. b SBS unvollständig. Danach gilt bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan die Zahl der Vollgeschosse nicht festgesetzt, sondern nur eine zulässige Baumassenzahl oder nur die zulässige Höhe der baulichen Anlage angegeben ist, die durch 3,5 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl bzw. die durch 3,5 höchstzulässige Gebäudehöhe, jeweils auf ganze Zahlen gerundet als Zahl der Vollgeschosse nach Absatz 2. Die Vorschrift enthält damit eine Umrechnungsformel, anhand derer aus der im Bebauungsplan enthaltenen Festsetzung der zulässigen Gebäudehöhe bzw. Baumassenzahl die Anzahl der maßgeblichen Vollgeschosse ermittelt werden kann. Eine solche Regelung ist zulässig und geboten, wenn im Verbandsgebiet Grundstücke existieren, für die ein Bebauungsplan entsprechende Festsetzungen aufweist (VG Halle, Urt. v. 26.02.2004 – 4 A 683/01 –, juris Rn. 36 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 26.01.1979 – C 61-68 und 80-84.75 –, BauR 1979, 315 [zum Erschließungsbeitragsrecht]). Da § 3 Abs. 5 Buchst. b SBS keinen Bezugspunkt für die Ermittlung der zulässigen Gebäudehöhe angibt, ist wegen seines Regelungszusammenhangs zur Vollgeschossdefinition davon auszugehen, dass als Bezugspunkt die Geländeoberfläche dient (vgl. § 87 Abs. 2 Bauordnung – LBauO M-V).

21

Unvollständig ist die genannte Bestimmung, weil sie nur Fälle erfasst, in denen der Bebauungsplan die Baumassenzahl oder die zulässige Höhe der baulichen Anlage festsetzt. Die Bestimmung geht offensichtlich von einem Alternativverhältnis dieser Festsetzungen aus („nur“). Nun existiert im Gebiet der Stadt A-Stadt aber der mit Ablauf des 9. Juni 2008 in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. 7.1 „Gewerbe- und Industriegebiet Hafen Mukran“. Dieser weist für die in seinem Geltungsbereich gelegenen Grundstücke sowohl eine Baumassenzahl als auch eine zulässige Gebäudehöhe aus. Dieser Fall wird von § 3 Abs. 5 Buchst. b SBS nicht erfasst. Auch durch Auslegung lässt sich nicht ermitteln, wie bei einer kumulativen Festsetzung von Baumassenzahl und zulässiger Gebäudehöhe die Anzahl der Vollgeschosse zu ermitteln ist.

22

Allerdings führt diese Unvollständigkeit nach dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit nur dann zur Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregelung und damit zur Nichtigkeit der Schmutzwasserbeitragssatzung (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V), wenn die Berücksichtigung der Baumassenzahl zu einer anderen Vollgeschosszahl und damit zu einer anderen Beitragsbelastung führt als die Berücksichtigung der zulässigen Gebäudehöhe. Dies steht jedoch nicht fest und wird von den Klägerinnen auch nicht behauptet. Der Bebauungsplan weist durchgängig die Baumassenzahl 10,0 aus, was nach einer Teilung durch 3,5 und Aufrundung zu einem Ansatz von drei Vollgeschossen führt. Als zulässige Gebäudehöhen sieht der Bebauungsplan Höhen zwischen 30,00 und 36,00 m über HN (Höhennormal/Pegel Kronstadt)als Bezugspunkt vor. Da die Geländeoberfläche im Geltungsbereich des Bebauungsplanes nicht dem Höhennormal entspricht – dies ist in der mündlichen Verhandlung unstreitig gewesen –, kann aus der zulässigen Gebäudehöhe gemessen am Höhennormal nicht auf die zulässige Gebäudehöhe gemessen an der Geländeoberfläche geschlossen werden.

23

b. Ebenfalls fehlerhaft ist die Regelung über den Gegenstand der Beitragspflicht in § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS, wonach Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen, die an die öffentliche Einrichtung der biologisch reinigenden zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlagen angeschlossen werden können und die baulich oder gewerblich genutzt werden. Die Bestimmung verstößt gegen das Vorteilsprinzip.

24

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: § 2 Abs. 1 Buchst. a bis c SBS definiert, welche Grundstücke bereits beim Bestehen einer bloßen Anschlussmöglichkeit an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage der sachlichen Beitragspflicht unterliegen. Dabei bezieht sich § 2 Abs. 1 Buchst. a SBS auf Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen (§ 30 BaugesetzbuchBauGB), da nur in Bebauungsplänen einen bauliche oder gewerbliche Nutzung „festgesetzt“ werden kann. § 2 Abs. 1 Buchst. b SBS bezieht sich auf Grundstücke im unbeplanten Innenbereich. Auch wenn die Vorschrift nicht ausdrücklich auf § 34 Abs. 1 BauGB verweist, folgt dies aus der Wendung „ … die aber baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen …“. Damit stellt die Bestimmung nicht auf die tatsächliche bauliche oder gewerbliche Nutzung, sondern auf die zulässige ab. Außerhalb von Gebieten im Geltungsbereich von Bebauungsplänen ist eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nur noch im unbeplanten Innenbereich zulässig; bei Außenbereichsflächen scheidet sie regelmäßig aus (vgl. § 35 Abs. 2 BauGB). Demgegenüber stellt § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS allein auf die tatsächliche bauliche oder gewerbliche Nutzung ab. Da Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen bereits von § 2 Abs. 1 Buchst. a SBS und Grundstücke im unbeplanten Innenbereich bereits von § 2 Abs. 1 Buchst. b SBS erfasst sind, ist der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS auf Außenbereichsgrundstück beschränkt. Aus der Konjunktion „oder“ in der genannten Bestimmung folgt auch, dass nach es für die Beitragspflicht nach dieser Bestimmung nicht zusätzlich auf den tatsächlichen Anschluss an die zentrale Abwasseranlage ankommen soll.

25

Die Vorschrift ist damit so zu verstehen, dass Außenbereichsgrundstücke bei bestehender Anschlussmöglichkeit der Beitragspflicht unterliegen, wenn sie tatsächlich baulich oder gewerblich genutzt werden. Dies ist mit dem Vorteilsprinzip nicht zu vereinbaren. Denn bei (bebauten) Außenbereichsgrundstücken ist die Vorteilslage – anders als bei Grundstücken im Geltungsbereich von Bebauungsplänen und im unbeplanten Innenbereich – erst gegeben, wenn das Grundstück an die zentrale Abwasseranlage tatsächlich angeschlossen ist (OVG Greifswald, Urt. v. 15.04.2009 – 1 L 205/07 –, juris Rn. 43).

26

Die Fehlerhaftigkeit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS schlägt aber ebenfalls nicht auf die übrigen Bestimmungen der Vorschrift durch. Denn deren Regelungsbereiche sind logisch von dem des § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS trennbar. Die verbleibenden Regelungen des § 2 Abs. 1 SBS sind auch vollständig, denn die Bestimmungen decken die drei in Betracht kommenden Fallgruppen (Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen – § 2 Abs. 1 Buchst. a SBS, Grundstücke im unbeplanten Innenbereich – § 2 Abs. 1 Buchst. b SBS und Grundstücke im Außenbereich – § 2 Abs. 1 Buchst. d SBS) vollständig ab. Offen bleiben kann auch, ob und in welchem Umfang auf Grundlage des § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS Beitragseinheiten auf der Flächenseite der Beitragskalkulation berücksichtigt worden sind. Deren Berücksichtigung wäre ist zwar unzulässig. Der – hier nur unterstellte – Fehler führt jedoch lediglich dazu, dass die Anzahl der Beitragseinheiten überhöht ist. Wegen der damit verbundenen Absenkung des (höchstzulässigen) Beitragssatzes führt dies nicht zu einer Benachteiligung der Beitragspflichtigen. Es liegt damit ein Fall der Teilnichtigkeit nach dem Rechtsgedanken aus § 139 BGB vor.

27

c. Der normierte Beitragssatz von 4,20 EUR/m² ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Er beruht auf einer ordnungsgemäßen Beitragskalkulation. Die gegen die Kalkulation erhobenen Einwände der Klägerinnen verfangen nicht.

28

aa. Zunächst ist nicht nachvollziehbar, warum die Aufwands- und Flächenermittlung anhand von 11 technischen Anlagen und der von diesen Anlagen erschlossenen Flächen nicht für das Verbandsgebiet repräsentativ sein soll. In den berücksichtigten Anlagen werden beinahe 80 v.H. des im Verbandsgebiet anfallenden Abwassers behandelt. Soweit in dem Einwand anklingt, dass die berücksichtigten „großen“ Anlagen nicht repräsentativ sind, weil die restlichen 20 v.H. des Abwassers in insgesamt 28 „kleinen“ technischen Anlagen behandelt werden, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Entscheidung, welche technischen Anlagen als repräsentativ angesehen werden, steht im Ermessen des Beklagten. Dieser hat sich offenbar davon leiten lassen, dass „große“ Anlagen für das Verbandsgebiet repräsentativ seien. Den Klägerinnen ist zwar zuzugeben, dass die Auswahl der repräsentativen Anlagen wohl auch unter Einbeziehung kleinerer Anlagen fehlerfrei hätte erfolgen können. Dies zwingt jedoch nicht zur Annahme eines Ermessensfehlers. Denn Ermessensentscheidungen sind dadurch gekennzeichnet, dass es in der Regel nicht eine, sondern mehrere zutreffende Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Aus der Möglichkeit, eine andere Auswahl zu treffen, kann daher nicht auf die Fehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung geschlossen werden.

29

bb. Soweit die Klägerinnen behaupten, die Anlage sei überdimensioniert, ist der Einwand unsubstantiiert. Da dieser Einwand trotz eines entsprechenden Hinweises in der mündlichen Verhandlung nicht näher begründet oder belegt worden ist, besteht auch kein Anlass für weitere Ermittlungen zu dieser Frage. Dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus. Der Untersuchungsgrundsatz ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht würde mit seiner Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden (BVerwG, Buchholz 310 § 86 Nr. 76).

30

cc. Nicht nachvollziehbar ist der Einwand, der Kalkulation könne nicht entnommen werden, „inwieweit der Aufwand für Erschließungsverträge vor 2005“ einbezogen sei. Denn Erschließungsverträge i.S.d. § 124 Baugesetzbuch a.F. (BauGB a.F.) sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass der Erschließungsträger die Kosten der so genannten „inneren Erschließung“ zunächst selbst trägt und über die Kaufpreis auf die Erwerber der von ihm erschlossenen Baugrundstücke abwälzt. Damit entsteht der Gemeinde bzw. dem Zweckverband insoweit kein beitragsfähiger Aufwand. Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Erschließungsgebiete auf der Flächenseite der Kalkulation nicht berücksichtigt worden sind, bestehen nicht. Dies wird von den Klägerinnen auch nicht behauptet.

31

dd. Der an den Aufwand für die thermische Verwertung des im Rahmen der Abwasserbehandlung anfallenden Klärschlamms anknüpfende Einwand ist ebenfalls unerheblich. Dabei kann offen bleiben, ob ein solcher Aufwand überhaupt beitragsfähig ist. Dies ist zweifelhaft, weil die Abwasserbeseitigung nach § 54 Abs. 2 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) nur das Entwässern von Klärschlamm im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung umfasst. Die thermische Verwertung dient nicht der Abwasserbeseitigung, sondern der Abfallbeseitigung (und der Energiegewinnung). Daher spricht manches dafür, dass für die thermische Verwertung nicht das abwasserrechtliche, sondern das abfallrechtliche Regelungssystem gilt (zur Abgrenzung vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 24.01.2014 – 17 K 2868/11 –, juris Rn. 60 ff.). Ob eine Anlage, die möglicherweise dem Abfallrecht unterliegt, Bestandteil einer beitragsfähigen Abwasserbehandlungsanlage sein kann, ist fraglich.

32

Die Zweifel können jedoch auf sich beruhen. Die Beitragskalkulation (Stand 4. April 2012) weist zwei Varianten auf. Variante 1 basiert auf dem Aufwand unter Einschluss der Kosten der thermischen Verwertung. Im Rahmen der Variante 2 wurden die Kosten der thermischen Verwertung aus dem Gesamtaufwand herausgerechnet. Die Variante 2 weist aus, dass ein Beitragssatz von 4,20 EUR/m² einem angestrebten Deckungsgrad vom 75 v.H. entspricht. Diese Variante wurde ausweislich der Beschlussvorlage vom 4. Juni 2012 zur Beschlussfassung gestellt. Damit wurden die Kosten der thermischen Verwertung kalkulatorisch nicht berücksichtigt.

33

ee. Soweit sich die Klägerinnen gegen die Berücksichtigung des Aufwandes für Kanalsanierung und Beschichtungen wenden, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Maßgeblich ist nicht die Qualität einer bestimmten Einzelmaßnahme. Mit Blick auf das im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen geltende Gesamtanlagenprinzip kommt es für die Erhebung eines Herstellungsbeitrages nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V lediglich darauf an, ob sich die Einrichtung (noch) in der Herstellungsphase befindet, weil sie ihre Endausbaustufe nicht erreicht hat. Hat sie ihre Endausbaustufe dagegen erreicht, kommt eine Erneuerung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in Betracht. Innerhalb dieser beiden Phasen ist die Einordnung einer bestimmten Einzelmaßnahme entbehrlich. So ist es in Fällen, in denen die Anlage ihre Endausbaustufe noch nicht erreicht hat, ohne Belang, ob die Umgestaltung eines vorhandenen Mischwasserkanals in einen Schmutz- und einen Niederschlagswasserkanal einen „Umbau“ darstellt, ob die Anbindung eines neu entstandenen Wohngebiets eine „Erweiterung“ oder ob der Austausch einzelner Komponenten eines Klärwerks eine „Verbesserung“ darstellt. Denn bei den genannten Maßnahmen handelt sich jeweils um unselbstständige Kostenfaktoren des Merkmals „Herstellung“. Diese Betrachtungsweise entspricht der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifwald zu § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 (vgl. Beschl. v. 21.04.1999 – 1 M 12/99 –, juris Rn. 22; Beschl. v. 04.04.2001– 1 M 21/00 –, juris Rn. 19) und zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (eingehend: OVG Greifswald, Beschl. v. 13.02.2013 – 4 K 16/10 –, juris Rn. 20).

34

Aus denselben Erwägungen ist auch der prognostizierte Aufwand für die Kanalnetze in B., A-Stadt und S. nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass diese Anlagenteile Bestandteil der beitragsfähigen und der gebührenfähigen öffentlichen Einrichtung sind, schließt es nicht aus, dass an ihnen beitragsfähige Maßnahmen (Herstellungsbeitrag) durchgeführt werden.

35

ff. Ebenfalls unzutreffend ist der Einwand, die Kalkulation sei fehlerhaft, weil es der Beklagte versäumt habe, die auf die Anlagewerte entfallenden Abschreibungen aufwandsmindernd zu berücksichtigen. Eine solche Berücksichtigung ist in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nicht vorgesehen. Hiernach ist der Aufwand nach den tatsächlich entstandenen und voraussichtlich zu erwartenden Kosten unter Berücksichtigung der Leistungen und Zuschüsse Dritter zu ermitteln. Bei den gemäß § 6 Abs. 2 und 2a KAG M-V im Rahmen der Gebührenkalkulation zu berücksichtigenden Abschreibungen handelt sich insbesondere nicht um Leistungen Dritter i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Soweit die Klägerinnen zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung auf das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 14. November 2013 (– OVG 9 B 35.12 –, juris Rn. 51) verweisen, kann dem für die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern nicht gefolgt werden. Insbesondere besteht nicht die Gefahr einer Doppelbelastung mit Herstellungsbeiträgen und um Abschreibungen erhöhte Benutzungsgebühren. Denn die Abschreibungen nach § 6 Abs. 2 und 2a KAG M-V dienen nicht der Finanzierung der Herstellung der beitragsfähigen Einrichtung, sondern ihrer Erneuerung (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V). Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 6. November 2012 (– 9 BN 2/12 –, juris Rn. 3) zur Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt:

36

Die von dem Antragsteller angesprochene Problematik der Doppelbelastung durch Gebühren und Beiträge kann sich im Falle eines Systemwechsels, insbesondere bei der Umstellung des Finanzierungssystems von einer Beitragsfinanzierung auf eine reine Gebührenfinanzierung sowohl der Herstellungs- als auch der laufenden Kosten einschließlich der Abschreibungen stellen, nicht dagegen dann, wenn von Anfang an der "Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen" (§ 9 Abs. 1 Satz 1 KAG Mecklenburg-Vorpommern - KAG M-V) durch Anschlussbeiträge finanziert wird und die gleichzeitig erhobenen Benutzungsgebühren nicht zur Refinanzierung der Herstellungskosten, sondern zur Abdeckung der übrigen Kosten der Einrichtung dienen. Mit der Rüge, eine Doppelbelastung liege darin, dass er über Abschreibungen die Investitionskosten "tilge", übersieht der Antragsteller, dass Abschreibungen nicht der Tilgung von Herstellungskosten, sondern dazu dienen, den eintretenden Wertverzehr der Anlagegüter in der Rechnungsperiode abzugelten, um die Ersatzbeschaffung der Anlagegüter nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer zu finanzieren (…). Eine Doppelbelastung kann daher in der vorliegenden Konstellation allenfalls dann entstehen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt für die Erneuerung der abgeschriebenen Anlage Beiträge ohne Anrechnung der durch Gebühren bereits finanzierten Abschreibungen erhoben werden sollten (…).

37

Dem ist aus Sicht der Kammer nichts hinzuzufügen.

38

gg. Schließlich leidet die Kalkulation nicht an einem abgeleiteten Fehler, denn die Definition der beitragsfähigen öffentlichen Einrichtung in der Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen über den Anschluss an die öffentlichen zentralen Abwassereinrichtungen und ihre Benutzung (Abwasseranschlusssatzung – AAS) vom 21. Juni 2012 begegnet keinen Bedenken. Die ordnungsgemäße Definition des Umfangs der öffentlichen Einrichtung ist Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Abgabenkalkulation, weil nur auf Grundlage einer ordnungsgemäßen Einrichtungsdefinition der beitragsfähige Aufwand ermittelt werden kann. Daher muss die Einrichtungsdefinition in sich widerspruchsfrei sein. Dies ist entgegen der Auffassung der Klägerinnen auch in Ansehung der Grundstücksanschlüsse der Fall, die im Geschäftsgebiet des Zweckverbandes zur öffentlichen Einrichtung gehören, so dass der diesbezügliche Aufwand im Rahmen der Beitragskalkulation berücksichtigungsfähig ist (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V).

39

Insoweit bestimmt § 2 Nr. 5 Buchst. b AAS in nicht zu beanstandender Weise, dass die dort näher definierten Grundstücksanschlüsse zu den öffentlichen Abwassereinrichtungen gehören. Hierzu steht § 2 Nr. 8 Satz 2 AAS nur scheinbar im Widerspruch. Nach dieser Vorschrift ist der Grundstücksanschluss Bestandteil der öffentlichen Einrichtung, soweit die öffentliche Abwasseranlage nach dem 20. Juli 1999 hergestellt wurde. Den Klägerinnen ist zuzugeben, dass die Vorschrift insoweit missverständlich ist, als von der Herstellung der „öffentlichen Abwasseranlage“ und nicht von der Herstellung des Grundstücksanschlusses die Rede ist. Diese Unklarheit lässt sich jedoch ohne weiteres durch Auslegung der Bestimmung beseitigen. Hierfür ist das in § 2 Nr. 8 Satz 2 AAS enthaltene Datum von maßgeblicher Bedeutung. Denn in dem am 20. Juli 1999 erschienenen Amtsblatt des damaligen Landkreises Rügen Nr. 59 erfolgte die Bekanntgabe der Abwasseranschlusssatzung vom 13. Juli 1999. Diese Satzung sah die Einbeziehung der Grundstücksanschlüsse in die öffentliche Einrichtung erstmals vor. Nach der zuvor geltenden Abwassersatzung vom 2. März 1995 war dies nicht der Fall (vgl. § 2 Nr. 5 Abwassersatzung 1995). Da die vor dem 20. Juli 1999 hergestellten Grundstücksanschlüsse nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung sind, darf deren Herstellungsaufwand in der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden; dieser Aufwand war über Kostenersatzansprüche (vgl. § 10 Abs. 2 KAG M-V) zu decken. Daraus folgt, dass die Grundregel des § 2 Nr. 5 Buchst. b AAS einer Präzisierung in zeitlicher Hinsicht bedarf. Nichts anderes ist in § 2 Nr. 8 Satz 2 AAS geschehen.

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2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Insbesondere ist der Beitragsanspruch nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage, sondern gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V mit dem Inkrafttreten der Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21. Juni 2012 entstanden. Nach dieser Bestimmung, an deren Verfassungsgemäßheit auch mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (–1 BvR 2457/08 –) keine Zweifel bestehen (eingehend: OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014 – 1 L 142/13 –, S. 22 ff. des Entscheidungsumdrucks), entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Die Vorschrift gibt damit keine bestimmte zeitliche Reihenfolge für das Vorliegen der Entstehungsvoraussetzungen der sachlichen Beitragspflicht vor. Ausreichend – aber auch erforderlich – ist das Vorliegen eines Anschlusses bzw. einer Anschlussmöglichkeit des Grundstücks und die Existenz einer wirksamen Beitragssatzung. Liegen beide Voraussetzungen vor, so entsteht ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge ihres Eintritts die sachliche Beitragspflicht. Daraus folgt, dass bei Grundstücken, die – wie hier – vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung an die Anlage angeschlossen worden sind, die sachliche Betragspflicht gleichwohl erst mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entsteht.

41

Die am 22. Juni 2012 bekannt gemachte Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung ist die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes. Zu einem früheren Zeitpunkt konnte die Beitragspflicht nicht entstehen und damit auch die Festsetzungsfrist nicht ablaufen, denn die vor dem 22. Juni 2012 Geltung beanspruchenden Satzungen des Zweckverbandes sind allesamt unwirksam. Die in der Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21. Juni 2010 normierte Tiefenbegrenzung von 50 m beruht, wie bereits in dem gegenüber den Beteiligten ergangenen Urteil vom 11. Juli 2011 dargelegt, nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet. Sie ist damit unwirksam. Dieser Fehler, der erst „bekannt“ ist, seitdem das OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem Urteil vom 14. Dezember 2010 (– 4 K 12/07 –) die Anforderungen an die Ermittlung der Tiefenbegrenzung definiert hat, haftet sämtlichen Vorgängersatzungen an, so dass von einer Einzeldarstellung – auch zusätzlicher Fehler – abgesehen werden kann.

42

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.

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(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es1.einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Bet

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Baugesetzbuch - BBauG | § 30 Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans


(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts


Wasserhaushaltsgesetz - WHG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 139 Teilnichtigkeit


Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 170 Beginn der Festsetzungsfrist


(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

Abgabenordnung - AO 1977 | § 47 Erlöschen


Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ans

Baugesetzbuch - BBauG | § 124 Erschließungspflicht nach abgelehntem Vertragsangebot


Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag (Schmutzwasser).

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks G1 in einer Größe von 2.745 m². Das mit einer Ferienanlage bebaute Grundstück entwässert in die Kläranlage Göhren.

3

Mit Bescheid vom 27.11.2008 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 14.411,25 EUR heran. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2009 als unbegründet zurück.

4

Am 13.10.2009 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Bei ihrem Grundstück handele es sich um ein so genanntes altangeschlossenes Grundstück. Es sei daher unzutreffend, wenn der Beklagte behaupte, dem Grundstück sei erst im Zuge des Ausbaus der Ferienanlage eine Anschlussmöglichkeit geboten worden. Zudem fehle es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die dem Beitragssatz zu Grunde liegende Kalkulation sei fehlerhaft. Es sei unzulässig, den Beitragssatz anhand einer Globalkalkulation zu ermitteln. Die Kalkulation erfasse einen Zeitraum von 38 Jahren bis zur endgültigen Fertigstellung der Anlage im Jahr 2030. Der Prognosezeitraum betrage 18 Jahre. Dieser Zeitraum sei zu lang für verlässliche Schätzungen. Weiter sei zu beanstanden, dass im Einzugsbereich der Kläranlage Göhren eine Vielzahl von Grundstücken flächenseitig nicht berücksichtigt worden sei. Bei den meisten dieser Grundstücke enthalte die Spalte „Baurecht“ den Vermerk „unbebaut“. Die Einzugsgebiete der Kläranlagen Gustow, Sellin, Sagard, Poggenhof und Venz seien in der Kalkulation nicht berücksichtigt worden. Sellin sei ein durchaus repräsentativer Ort. Die Maßstabsregelung sei ebenfalls fehlerhaft. Die Satzung enthalte statt der gebotenen qualifizierten Tiefenbegrenzung eine unzulässige „starre“ Tiefenbegrenzung. Die Richtigkeit der der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe von 35 m zu Grunde liegenden tatsächlichen Erhebungen des Beklagten würden bestritten. Auch die Rechtsanwendung sei fehlerhaft. Das Grundstück sei in erheblichem Umfang mit einem öffentlichen Weg bebaut. Die Wegefläche nehme an der Vorteilsverteilung nicht teil.

5

Unter dem 10.11.2009 teilte der Beklagte mit, dass aus dem streitgegenständlichen Bescheid keine Rechte geltend gemacht werden, soweit die Festsetzung den Betrag von 13.908,72 EUR übersteigt.

6

Die Klägerin beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 27.11.2008 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 24.09.2009 und der Änderung vom 10.11.2009 aufzuheben.

8

Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Mit Beschluss vom 27.01.2012 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

12

Der Rechtsstreit kann trotz des Fehlens eines Vertreters der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, weil die Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 01.02.2012 ordnungsgemäß geladen ist. Die Ladung enthält einen Hinweis gemäß § 102 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

13

Auch der mit Schriftsatz vom 24.07.2012 gestellte Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht steht der Entscheidungsreife der Sache nicht entgegen, denn die dem Gericht nunmehr vom Beklagten vorgelegten Unterlagen sind der Klägerin mit Schreiben vom 25.06.2012 (Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe) bzw. 20.07.2012 (Beiakte II) übersandt worden. Die Klägerin hatte daher die Möglichkeit, diese Unterlagen vor der mündlichen Verhandlung einzusehen.

II.

14

In Ansehung des von der Erklärung vom 10.11.2009 erfassten Teilbetrages ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt das erforderliche Rechtsschutzinteresse, weil der Beklagte diesen Betrag nicht mehr geltend macht. Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

15

Der Bescheid findet seine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen über die Erhebung von Beiträgen für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung (Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung - SBS) vom 21.06.2012.

16

1. Die Satzung ist nach gegenwärtiger Erkenntnis wirksam.

17

a. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht nur zulässig, sondern geboten ist, auch die Eigentümer von altangeschlossenen Grundstücken, also Grundstücken, die - wie hier - bereits seit mehreren Jahrzehnten an eine zentrale Abwasserbehandlungsanlage angeschlossen sind, zu einem Herstellungsbeitrag heranzuziehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, der das erkennende Gericht folgt, unterliegen auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke der Beitragspflicht. Bereits in dem Beschluss vom 21.04.1999 (1 M 12/99, LKV 2000, S. 161) hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt:

18

"Bei der Differenzierung von Beitragssätzen ist § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG (a.F.) zu beachten, der eine gesetzliche Umschreibung eines allgemeinen beitragsrechtlichen Prinzips enthält. Nach dieser Vorschrift sind Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Es ist aber festzustellen, dass den Grundstückseigentümern ... derselbe Vorteil zugute kommt. Allen Grundstückseigentümern wird durch die vom Antragsgegner betriebene öffentliche Einrichtung erstmals der rechtlich gesicherte Vorteil geboten, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Entscheidend ist auf diese rechtliche Absicherung des Vorteils abzustellen, die erstmals nach Inkrafttreten des KAG M-V und nach Erlass einer wirksamen Beitragssatzung durch den Antragsgegner eintreten kann. Kein taugliches Kriterium zur Differenzierung des Vorteils sind die tatsächlichen Verhältnisse, das heißt ob rein faktisch zuvor das Abwasser in der einen oder anderen Weise hat abgeleitet werden können."

19

Diese Rechtsprechung hat das Gericht mehrfach, unter anderem mit Urteil vom 30.06.2004 (4 K 34/02) und zuletzt mit Beschluss vom 21.03.2007 (1 L 281/05) bestätigt. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die im Beitrittsgebiet im Jahr 1990 vorhandenen Abwasserbehandlungsanlagen den wasserrechtlichen Anforderungen vielfach nicht ansatzweise genügten und ein erheblicher Investitionsbedarf vorhanden war. Anders als in den alten Bundesländern, in denen die Abwasserbehandlungsanlagen den steigenden wasserrechtlichen Anforderungen und wirtschaftlichen Bedürfnissen über einen verhältnismäßig langen Zeitraum nach und nach angepasst wurden, ergab sich in den neuen Bundesländern die Notwendigkeit, diesen Investitionsstau in verhältnismäßig kurzer Zeit zu beseitigen, was dazu führte, dass nicht nur rechtlich, sondern auch praktisch tatsächlich neue Anlagen errichtet wurden. Dies rechtfertigt es, alle Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigten ungeachtet des Zeitpunkts der Schaffung der Anschlussmöglichkeit an eine zentrale Anlage der Abwasserbehandlung zu einem einheitlichen Beitrag heranzuziehen. Wollte man die Erhebung eines Herstellungsbeitrags auf die Eigentümer oder dinglich Berechtigten der Grundstücke beschränken, bei denen die Anschlussmöglichkeit erst nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geschaffen wurde, so hieße dies, die erheblichen Kosten im Wesentlichen - die Eigentümer altangeschlossener Grundstücke könnten allenfalls zu Erneuerungsbeiträgen herangezogen werden, die nach Lage der Dinge aber deutlich niedriger ausfallen dürften als Herstellungsbeiträge - vornehmlich auf den verhältnismäßig kleinen Kreis der Eigentümer von Grundstücken in den seit 1990 neu geschaffenen Eigenheim- oder Gewerbegebieten zu verteilen. Die damit verbundene erhebliche Belastung dieses Personenkreises wäre aber mit dem dem Beitragsrecht immanenten Solidarprinzip nicht zu vereinbaren (VG Greifswald, Urt. v. 30.03.2005 - 3 A 1064/04, S. 8 des Umdrucks).

20

Darin liegt auch keine im Regelfall nach Art 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) unzulässige (echte) Rückwirkung, sondern lediglich eine sog. tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung), die allgemein zulässig ist. Der Gesetzgeber regelt keinen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt mit Wirkung für die Vergangenheit neu, sondern nimmt einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt (Schaffung der Anschlussmöglichkeit bzw. des Anschlusses) zum Anlass, daran Rechtsfolgen für die Zukunft zu knüpfen (Beitragspflicht).

21

Unschädlich ist weiter, dass in der Vergangenheit womöglich Anschlussgebühren oder ähnliche Leistungsäquivalente gezahlt worden sind bzw. einzelne Anlagenteile in Eigenleistung hergestellt wurden. Denn beitragsfähig sind nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 - 1 L 197/05, NordÖR 2006, 160 <161>). Damit besteht auch insoweit keine "Gerechtigkeitslücke" (eingehend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 a.a.O.).

22

bb. Weiter ist es nicht zu beanstanden, dass die Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung die Erhebung eines Beitrages für die erstmalige Herstellung der Anlage i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V auch für solche Grundstücke regelt, die - wie das des Antragstellers - seit langem an eine zentrale Abwasserbehandlungsanlage angeschlossen sind. Dies rechtfertigt sich nach der bereits genannten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern Beschl. v. 21.04.1999, 1 M 12/99) aus folgenden Überlegungen:

23

"Vor dem Inkrafttreten des Landeswassergesetzes am 01.12.1992 hat es keine kommunalen Abwasserbeseitigungseinrichtungen gegeben. Eine Beitragspflicht für derartige Einrichtungen aufgrund des Kommunalabgabengesetzes hat daher erstmals nach diesem Zeitpunkt entstehen können, zumal auch das erste Kommunalabgabengesetz erst am 13.05.1991 in Kraft getreten ist. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG (a.F.) enthält eine Spezialregelung für das Entstehen der Anschlussbeitragspflicht, wobei diese Vorschrift vorrangig die Beitragspflicht für die (erstmalige) Herstellung und nicht etwa Verbesserungsbeiträge im Auge hat. Besondere beitragsrechtliche Tatbestände wie Aus- und Umbau, Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung liegen in der Regel bei der Abwasserbeseitigung (noch) nicht vor, weil erst unter Geltung des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern ein Herstellungsbeitrag entstehen kann."

24

Da in Ansehung der vom Zweckverband betriebenen Schmutzwasserbehandlungsanlage die Herstellungsphase auch gegenwärtig noch nicht abgeschlossen ist, kommt die Erhebung eines Erneuerungsbeitrags nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V nicht in Betracht.

25

b. Die Maßstabsregelung der Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung begegnet keinen Bedenken. § 3 Abs. 1 SBS bestimmt, dass der Anschlussbeitrag nach einem nutzungsbezogenen Flächenmaßstab berechnet wird.Bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche wird die nach Absatz 4 ermittelte beitragsfähige Grundstücksfläche mit einem Geschossfaktor vervielfacht (Vollgeschossmaßstab).

26

aa. § 3 Abs. 4 lit. d 1. Halbsatz SBS bestimmt, dass bei Grundstücken, die (in Bezug auf ihre Tiefe) teils dem Innenbereich und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind, oder bei denen (hinsichtlich ihrer Tiefe) fraglich sein kann, ob sie insgesamt dem Innenbereich zugeordnet werden können, als beitragsfähige Grundstücksfläche die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 35 m dazu verlaufenden Parallelen gilt. Die in dieser Vorschrift normierte Tiefenbegrenzung ist nicht zu beanstanden.

27

(1) Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt sich bei der Bestimmung um eine sog. qualifizierte Tiefenbegrenzung, die im Gegensatz zu der sog. „schlichten“ oder – um den von der Klägerin gewählten Begriff zu gebrauchen – „starren“ Tiefenbegrenzung nicht mit der Vermutung arbeitet, dass übertiefe Innenbereichsgrundstücke mit ihren rückwärtigen Teilflächen regelmäßig im Außenbereich liegen. Bei der qualifizierten Tiefenbegrenzung muss die Außenbereichslage der rückwärtigen Teilfläche feststehen oder zumindest die Zuordnung zum Innenbereich zweifelhaft sein. Dies ist unter Vorteilsgesichtspunkten (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V) nicht zu beanstanden, da Außenbereichsgrundstücke der Bebaubarkeit regelmäßig entzogen sind (vgl. § 35 Abs. 2 BauGB) und ihnen daher von der Schaffung der Anschlussmöglichkeit an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage kein beitragsrechtlich relevanter Vorteil vermittelt wird.

28

Die Bestimmung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als sie in Fällen, in denen die bodenrechtliche Einstufung des hinteren Grundstücksteils fraglich ist, die Geltung der Tiefenbegrenzung anordnet. Die Aufnahme einer solchen Zweifelsregelung ist aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die der Ortsgesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit berücksichtigen darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.10.1975 - VII C 64.74 - AS 49, 227 <230>), zulässig. Sie wird von der Erwägung getragen, dass angesichts der gerade in den neuen Bundesländern oftmals inhomogenen Bebauungsstrukturen die bodenrechtliche Einstufung eines Grundstücks oder Grundstücksteils oftmals schwierig ist und wegen der Vielzahl dieser Fälle ein Bedürfnis für eine pauschalierende Regelung besteht.

29

Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern auch die Normierung einer schlichten Tiefenbegrenzung zulässig ist (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 20.11.2003 – 1 M 180/03 – juris Rn. 13 m.w.N.).

30

(2) Die Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 35 m ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Bei der Tiefenbegrenzung – sei es der „schlichten“, sei es der „qualifizierten“ handelt es sich um eine eine vertypte Form der Abgrenzung vom Innen- zum Außenbereich. Nach der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Tiefenbegrenzungslinie zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt - wenn eine solche ermittelbar ist - die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Die gewählte Tiefenbegrenzung muss die typischen örtlichen Verhältnisse widerspiegeln und sich an der ortsüblichen Nutzung orientieren. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln, wobei eine Ermittlung der örtlichen Verhältnisse begrenzt auf repräsentativ ausgewählte Ortslagen zulässig ist. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 14.12.2010 - 4 K 12/07, S. 24 f. des Entscheidungsumdrucks m.w.N.).

31

Diesen rechtlichen Maßstäben wird die Festlegung der Tiefenbegrenzung in § 3 Abs. 4 lit. d SBS gerecht. Ausweislich der dokumentierten Ermessenserwägungen sind die von der Regelung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung betroffenen bebauten Grundstücke ermittelt und ist aus diesen eine Auswahl vorgenommen worden. Zweifel an der Repräsentativität der Auswahl bestehen bereits deshalb nicht, weil auf die in die berücksichtigten Kläranlagen entwässernden Grundstücke ca. 80 v.H. der schmutzwasserrelevanten Einwohnergleichwerte im Verbandsgebiet entfallen. Dieser Umstand und alle anderen tatsächlichen Erhebungen des Beklagten zur Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe werden von der Klägerin zwar pauschal bestritten. Das Bestreiten erfolgt jedoch offensichtlich „ins Blaue“ hinein und daher unbeachtlich.

32

Zu Recht wurde bei der Ermittlung der Bebauungstiefe nur Randlagengrundstücke, also Grundstücke im Übergang vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich, nicht aber Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nach § 30 Abs. 1 BauGB und zentrale Innenbereichsgrundstücke berücksichtigt. Denn diese Grundstücke geben für die Ermittlung einer ortsüblichen Bebauungstiefe von Grundstücken, die mit einer Teilfläche im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB und im Übrigen im Außenbereich nach § 35 BauGB liegen, nichts her (VG Greifswald, Urt. v. 07.09.2011 – 3 A 402/10 – juris Rn. 17).

33

Ein methodischer Fehler liegt auch nicht darin, dass der Beklagte bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe Grundstücke, die im Geltungsbereich einer Abrundungs- oder Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB) liegen, ebenfalls nicht berücksichtigt hat (vgl. VG Greifswald, a.a.O. Rn. 18 bis 21).

34

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass bei der Ermittlung der Bebauungstiefe auch die Tiefe der so genannten bauakzessorischen Nutzung berücksichtigt worden ist (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern a.a.O. Rn. 85). Denn nach der genannten Entscheidung steht es dem Ortsgesetzgeber frei, im Rahmen der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe nur auf die Tiefe der baulichen Nutzung (Gebäudegrenze) abzustellen oder zusätzlich die Tiefe der sog. bauakzessorischen Nutzung zu berücksichtigen.

35

Weiter besteht kein Widerspruch zwischen der „Cluster-Betrachtung“ in Nr. 3 der vom Beklagten vorgelegten Ermittlung der ortsüblichen Tiefe und der Darstellung des Ergebnisses der Messgruppen (Nr. 4). Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hinreichend plausibel erläutert, dass die Ermittlung der Bebauungstiefe nicht einzelgrundstücksbezogen erfolgt ist, sondern dass Gegenstand der Betrachtung zunächst jeweils Grundstückgruppen mit einer vergleichbaren Bebauungstiefe waren. Für diese Gruppen wurde dann die jeweilige Bebauungstiefe ermittelt. In einem weiteren Schritt wurde dieser Wert den jeweiligen Einzelgrundstücken zugeordnet. Das Ergebnis ist in der Anlage zu Nr. 4 tabellarisch aufgeführt. Durchgreifende Bedenken gegen diese Verfahrensweise bestehen mit Blick auf das dem Beklagten zustehende Ermessen nicht.

36

Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Beklagte die vorliegenden Messergebnisse nicht ermessensfehlerfrei gewichtet hat. Bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung ist von der üblichen im Sinne einer normalen, geläufigen, verbreiteten und in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffenden Bebauungstiefe in dem zu betrachtenden Gebiet auszugehen. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Für die Annahme der Ortsüblichkeit ist daher eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ausreichend, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O. Rn. 83). Damit hat eine wertende Betrachtung zu erfolgen. Der Beklagte hat die Bebauungstiefe von insgesamt 432 Grundstücken im Übergang von Innen- zum Außenbereich untersucht. Hiervon weisen 217 Grundstücke eine Bebauungstiefe von 30 bis 35 m auf. Dies entspricht einer Quote von knapp 50 v.H.. Diese Gruppe ist hinreichend groß um die Annahme einer üblichen Bebauungstiefe von 35 m zu begründen.

37

bb. Die Regelung zur Ermittlung der Anzahl der Vollgeschosse bei Grundstücken, die nicht im Geltungsbereich von Bebauungsplänen liegen (§ 3 Abs. 5 lit. d SBS), begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Sie weist den der Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 20.03.2008 i.d.F. der 1. Änderung noch anhaftenden Fehler (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 27.01.2010 – 3 A 194/09 – juris Rn. 17) nicht mehr auf.

38

cc. Ebenfalls unbedenklich ist die auf der Ermächtigung in § 9 Abs. 6 KAG M-V beruhende Regelung über die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht bei unbebauten Baugrundstücken in § 6 Abs. 3 SBS (eingehend: VG Greifswald a.a.O., juris Rn. 27 bis 31).

39

c. Gegen die Beitragskalkulation vom 10.04.2012 ist ebenfalls nichts zu erinnern.

40

aa. Es handelt sich um eine Globalkalkulation i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 2 erste Var. KAG M-V. Der Kalkulationszeitraum erstreckt sich auf den Zeitraum von der Gründung des Zweckverbandes und der damit beginnenden Investitionstätigkeit im Jahre 1992 bis zur prognostizierten endgültigen Herstellung der Gesamtanlage im Jahre 2030. Unschädlich ist, dass der Beklagte noch in der Beitragskalkulation vom 11.11.2007 von einer endgültigen Herstellung der Gesamtanlage im Jahre 2020 ausgegangen ist. Die Verlängerung des zunächst veranschlagten Herstellungszeitraums für die Gesamtanlage um 10 Jahre ist erfolgt, weil der Beklagte erkannt hat, dass sein Abwasserbeseitigungskonzept wegen der Verschiebung bestimmter Investitionen bis zum ursprünglich angestrebten Zeitpunkt nicht verwirklicht werden kann. Daraus folgt nicht die Fehlerhaftigkeit der Kalkulation. Denn es liegt auf der Hand, dass es sich bei der Festlegung des Herstellungszeitraums um eine Prognoseentscheidung handelt, bei der eine Vielzahl von Unwägbarkeiten einen Anpassungsbedarf auslösen kann.

41

bb. Soweit die Klägerin meint, die vom Beklagten vorgenommene Wahl der Kalkulationsmethode sei wegen der Länge des Prognosezeitraums ermessensfehlerhaft, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar steht die Entscheidung, die Beitragskalkulation als Global- oder Rechnungsperiodenkalkulation durchzuführen, im pflichtgemäßen Ermessen des Ortsgesetzgebers. Allerdings legt auch der verhältnismäßig lange Prognosezeitraum von 18 Jahren nicht die Annahme nahe, die Wahl der Kalkulationsmethode sei fehlerhaft. Denn lange Prognosezeiträume sind bei der Globalkalkulation systembedingt und daher hinzunehmen. Folgte man der gegenteiligen Auffassung der Klägerin, so wäre eine Globalkalkulation wegen der Länge des Prognosezeitraums regelmäßig unzulässig. Dieses Ergebnis entspräche ersichtlich nicht dem Willen des Gesetzgebers, der mit der Neufassung des § 9 KAG M-V im Rahmen der KAG-Novelle 2005 erstmals klargestellt hat, dass eine Rechnungsperiodenkalkulation überhaupt zulässig ist. Bis dahin ist das OVG Mecklenburg-Vorpommern davon ausgegangen, dass (nur) die Globalkalkulation ohne weiteres zulässig ist (zum damaligen Stand der Rechtsprechung vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 – juris Rn. 49).

42

cc. Ebenfalls unschädlich ist, dass die Globalkalkulation nicht das gesamte Verbandsgebiet in den Blick nimmt, sondern aufgrund der Daten repräsentativer Gebiete erstellt worden ist, die allerdings – wie bereits erwähnt – ca. 80 v.H. der im Verbandsgebiet bestehenden Einwohnergleichwerte umfasst. Dies verstößt nicht gegen § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V. Die Vorschrift ist nicht so zu verstehen, dass eine Globalkalkulation zwingend auf Grundlage der Daten des gesamten Erhebungsgebietes erstellt werden muss und lediglich die Rechnungsperiodenkalkulation auf Grundlage der Daten repräsentativ ausgewählter Teile des Erhebungsgebietes zulässig ist. Der Unterschied zwischen Global- und Rechnungsperiodenkalkulation besteht lediglich darin, dass bei jener der gesamte Herstellungsaufwand und alle Beitragseinheiten in der Endausbaustufe der Anlage zu berücksichtigten sind („Jahrhundertrechnung“), während bei dieser die Ermittlung der Kalkulationsgrundlagen auf bestimmte Zeiträume beschränkt ist. Eine Beschränkung der Ermittlungsgrundlage auf repräsentative Anlagenteile ist bei beiden Kalkulationsmethoden zulässig.

43

dd. Die Nichtberücksichtigung der Entsorgungsgebiete der Kläranlagen Gustow, Sellin, Sagard, Poggenhof und Venz beruht auf dem Umstand, dass der Kalkulation die Daten anderer Entsorgungsanlagen (Bergen, Göhren, Garz, Lobkevitz, Gingst, Ummanz, Lohme, Dreschvitz, Zirkow, Gagern und Boldevitz) zu Grunde lagen. Die diesbezüglichen Einwände der Klägerin gehen daher ins Leere. Unschädlich ist, dass die nunmehr getroffene Auswahl nicht mehr mit der der Kalkulation vom 11.11.2007 zu Grunde liegenden Auswahl identisch ist. Hierzu hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es sich bei der Kalkulation vom 10.04.2012 nicht um die Fortschreibung der Kalkulation vom 11.11.2007 handele. Statt dessen sei die Kalkulation völlig neu erstellt worden. Die noch der Kalkulation vom 11.11.2007 zu Grunde liegende Aufstellung der Referenzanlagen sei von der früher geltenden Unterscheidung in biologisch reinigende Anlagen mit bzw. ohne dritte Reinigungsstufe geprägt gewesen und zwischenzeitlich überholt. Gegenwärtig betreibe der Beklagte gemäß § 1 Abs. 2 lit. a Abwasseranschlusssatzung vom 20.03.2008 nur noch eine biologisch reinigende zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage. Aus diesem Grunde sei die Aufstellung modifiziert worden. Hiergegen ist mit Blick auf das dem Beklagten zustehende Ermessen nichts zu erinnern.

44

ee. Auch im Übrigen ist die Kalkulation nicht zu beanstanden. Der rechnerisch ermittelte (höchstzulässige) Beitragssatz beträgt bei Abzug der (anteiligen) Kosten der Klärschlammverwertungsanlage 5,60 EUR/m², ohne Abzug dieser Kosten beträgt der höchstzulässige Beitragssatz 6,35 EUR/m². Der beschlossene Beitragssatz beträgt 4,20 EUR/m² und überschreitet den höchstzulässigen Beitragssatz nicht. Geht man davon aus, dass die Kosten der Klärschlammverwertungsanlage nicht zum beitragsfähigen Aufwand gehören, so wird mit dem Beitragsatz von 4,20 EUR/m² ein Deckungsgrad, d.h. eine Refinanzierungsquote aus Beiträgen von 75 v.H. angestrebt. Geht man umgekehrt davon aus, das die Kosten der Klärschlammverwertungsanlage zum beitragsfähigen Aufwand gehören, so liegt der angestrebte Deckungsgrad immer noch bei 66 v.H.. Selbst bei dem angestrebten Deckungsgrad von 66 v.H. kann nicht von einem Verstoß gegen die Soll-Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ausgegangen werden (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008 – 3 A 1395/05 – juris Rn. 33).

45

ff. Unbegründet ist schließlich auch der Einwand, diverse Grundstücke im unbeplanten Innenbereich seien auf der Flächenseite der Kalkulation nicht berücksichtigt worden, weil sie unbebaut seien. Zwar nehmen Baugrundstücke grundsätzlich am Vorteilsausgleich teil - und zwar unabhängig davon, ob sie bebaut oder unbebaut sind. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass für unbebaute Grundstücke, die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 BauGB liegen, gemäß § 6 Abs. 3 SBS die Beitragspflicht erst als entstanden gilt, wenn das Grundstück mit anzuschließenden Gebäuden bebaut oder tatsächlich angeschlossen wird. Dass diese Bestimmung keinen Bedenken unterliegt, wurde bereits dargelegt. Offensichtlich ist der Beklagte bei den von der Klägerin benannten Grundstücken davon ausgegangen, dass diese Grundstücke im Kalkulationszeitraum nicht bebaut werden und daher die sachliche Beitragspflicht nicht entsteht. Dass diese Einschätzung fehlerhaft ist, wird auch von der Klägerin nicht behauptet.

46

2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegnet keinen Bedenken.

47

a. Der streitgegenständliche Bescheid kann auf die Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21.06.2012 gestützt werden. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt bei der Erhebung von Beiträgen für leitungsgebunden Einrichtungen der der mündlichen Verhandlung ist der der mündlichen Verhandlung. Dies folgt aus § 9 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz KAG M-V, wonach die sachliche Beitragspflicht frühesten mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entsteht. Aus diesem Grund ist auch keine Rückwirkung der Satzung erforderlich. Abweichendes folgt auch nicht aus dem rechtlichen Hinweis in dem Gerichtsschreiben vom 15.10.2009. Die dortigen Ausführungen beziehen sich auf die Frage des anzuwendenden Satzungsrechts bei aufeinanderfolgenden wirksamen Satzungen. In einem solche Fall ist die Satzung maßgebend, unter deren Geltung die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Diese Frage stellt sich vorliegend nicht, da die Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21.06.2012 die erste wirksame Beitragssatzung ist. Der Hinweis ist durch die Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 14.12.2010 – 4 K 12/07) überholt. Infolge dieser Entscheidung sind alle zuvor Geltung beanspruchenden Beitragssatzungen des Beklagten unwirksam (dazu sogleich).

48

b. Gegen die Beitragsberechnung ist nichts zu erinnern. Zu Recht hat der Beklagte der Beitragsberechnung die Gesamtfläche des klägerischen Grundstücks zu Grunde gelegt. Anhaltspunkte dafür, dass eine Teilfläche des klägerischen Grundstücks mit einer öffentlichen Wegefläche überbaut ist, was der Berücksichtigung dieser Fläche entgegen stehen würde, bestehen nicht. Richtig ist zwar, dass auf dem Grundstück Flurstücke 65/73 und 102/1 eine Wegefläche vorhanden ist. Die Klägerin hat jedoch ihre Behauptung, die Wegefläche sei öffentlich, nicht ansatzweise – etwa durch Vorlage einer Bestätigung der Gemeinde Ostseebad Sellin über eine erfolgte straßenrechtliche Widmung – belegt. Ermittlungen des Beklagten haben keinen Hinweis auf eine Öffentlichkeit der Wegefläche ergeben. Dass es sich bei dem Weg um eine private Erschließungsanlage (zu den hierfür geltenden Anforderungen vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 11.12.2003 – 1 M 218/03 – juris Rn. 29 ff.) handelt, was einer Berücksichtung der Wegefläche ebenfalls entgegen stehen dürfte, wird von der Klägerin nicht behauptet.

49

c. Der Beitragsanspruch ist schließlich nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage, sondern gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V mit dem Inkrafttreten der Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21.06.2012 entstanden. Nach dieser Bestimmung entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Die Vorschrift gibt damit keine bestimmte zeitliche Reihenfolge für das Vorliegen der Entstehungsvoraussetzungen der sachlichen Beitragspflicht vor. Ausreichend - aber auch erforderlich - ist das Vorliegen eines Anschlusses bzw. einer Anschlussmöglichkeit des Grundstücks und die Existenz einer wirksamen Beitragssatzung. Liegen beide Voraussetzungen vor, so entsteht ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge ihres Eintritts die sachliche Beitragspflicht. Daraus folgt, dass bei - wie hier - altangeschlossenen Grundstücken die sachliche Beitragspflicht mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung entsteht. Die am 22.06.2012 bekannt gemachte Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21.06.2012 ist die erste wirksame Beitragssatzung des Beklagten.

50

Zu einem früheren Zeitpunkt konnte die Beitragspflicht nicht entstehen und damit auch die Festsetzungsfrist nicht ablaufen, denn die vor dem 22.06.2012 Geltung beanspruchenden Satzungen des Zweckverbandes waren allesamt unwirksam. Die in der Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21.04.2010 normierte Tiefenbegrenzung von 50 m beruht nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsübliche Bebauungstiefe im Verbandsgebiet. Sie ist damit unwirksam (st. Rspr., zuletzt: VG Greifswald, Urt. v. 31.05.2012 – 3 A 510/10 – n.v.). Dieser Fehler, der erst „bekannt“ ist, seitdem das OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem Urteil vom 14.12.2010 (4 K 12/07) die Anforderungen an die Ermittlung der Tiefenbegrenzung definiert hat, haftet sämtlichen Vorgängersatzungen an, so dass von einer Einzeldarstellung – auch zusätzlicher Fehler – abgesehen werden kann.

51

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 15.12.2008 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 07.06.2010 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag (Schmutzwasser).

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des auf der Insel Hiddensee gelegenen Grundstücks Flurstücke G1, G2. Das Grundstück ist an die vom Zweckverband betriebene Schmutzwassereinrichtung angeschlossen.

3

Mit Bescheid vom 15.12.2008 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 8.059,80 EUR heran. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2010 zurück.

4

Am 06.07.2010 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Der Beitragsanspruch sei verjährt. Die Gemeinde Ostseebad Insel Hiddensee habe seit dem Jahre 1998 über eine wirksame Beitragssatzung verfügt, den Beitrag aber nicht festgesetzt. Damit sei die vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen. Der im Jahre 2003 erfolgte Beitritt der Gemeinde Ostseebad Insel Hiddensee zum Zweckverband und dessen Befugnis, Anschlussbeiträge zu erheben ändere an diesem Umstand nichts.

5

Die Klägerin beantragt,

6

den Bescheid des Beklagten vom 15.12.2008 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 07.06.2010 aufzuheben.

7

Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Mit Beschluss vom 27.08.2012 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

11

Der Rechtsstreit kann trotz des Fehlens eines Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, denn der Beklagte ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 30.08.2012 ordnungsgemäß geladen worden. Die Ladung enthält einen Hinweis gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

II.

12

Die zulässige Klage ist auch begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Ihm fehlt die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage.

13

Die vorliegend allein maßgebliche Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen über die Erhebung von Beiträgen für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung (Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung - SBS) vom 21.06.2012 ist nichtig. Sie weist eine fehlerhafte Maßstabsregelung auf. Die Satzung ist damit unvollständig (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) und insgesamt unwirksam. Soweit das erkennende Gericht bisher von einer Wirksamkeit der Satzung ausgegangen ist (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 26.07.2012 – 3 A 1424/09 –), kann daran mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 – [dazu sogleich]) nicht mehr festgehalten werden.

14

§ 3 Abs. 1 SBS bestimmt, dass der Anschlussbeitrag nach einem nutzungsbezogenen Flächenmaßstab berechnet wird. Bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche wird die nach Absatz 4 ermittelte beitragsfähige Grundstücksfläche mit einem Geschossfaktor vervielfacht (Vollgeschossmaßstab). § 3 Abs. 4 lit. d 1. Halbsatz SBS bestimmt, dass bei Grundstücken, die (in Bezug auf ihre Tiefe) teils dem Innenbereich und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind, oder bei denen (hinsichtlich ihrer Tiefe) fraglich sein kann, ob sie insgesamt dem Innenbereich zugeordnet werden können, als beitragsfähige Grundstücksfläche die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen gilt.

15

Die Bestimmung normiert eine so genannte „qualifizierte“ Tiefenbegrenzung, die von der „schlichten“ Tiefenbegrenzung zu unterscheiden ist. Die "schlichte" Tiefenbegrenzung gilt – vorbehaltlich des Falles einer grenzübergreifenden Bebauung – "immer", d.h. die rückwärtige, jenseits der Begrenzung gelegene Fläche eines Baugrundstücks bleibt ungeachtet ihrer bauplanungsrechtlichen Einstufung bei der Ermittlung des Beitrags regelmäßig unberücksichtigt. Sie ist damit sowohl auf „übertiefe“ Grundstücke anwendbar, die mit ihrer Gesamtfläche im unbeplanten Innenbereich liegen („zentrale Grundstücke“), als auch auf solche, die vom unbeplanten Innenbereich in den Außenbereich übergehen („Randlagengrundstücke“). Demgegenüber ist der Anwendungsbereich der "qualifizierten" Tiefenbegrenzung beschränkt: Sie greift nur in Fällen, in denen es sich bei der rückwärtigen Teilfläche eines Grundstücks um eine Außenbereichsfläche i.S.d. § 35 Baugesetzbuch (BauGB) handelt bzw. es zweifelhaft ist, ob die rückwärtige Teilfläche dem Außenbereich zuzuordnen ist. Ihr Anwendungsbereich ist damit auf „Randlagengrundstücke“ beschränkt. Dies ist nach der neueren Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern unzulässig.

16

Im Anschlussbeitragsrecht dient die Tiefenbegrenzung in beiden Spielarten der Abgrenzung von bevorteilten und nicht bevorteilten Grundstücksflächen. Diese Abgrenzung ist erforderlich, weil nur Baugrundstücken - hierzu gehören neben Grundstücken im Geltungsbereich rechtsverbindlicher Bebauungspläne Grundstücke im unbeplanten Innenbereich - durch die beitragsfähige Einrichtung ein Vorteil geboten wird, Grundstücken bzw. Teilflächen von Grundstücken, die kein Bauland darstellen, dagegen nicht. Nach der bisherigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern erfolgte diese Abgrenzung über das Begriffspaar „Innen- bzw. Außenbereich“. So hat das Gericht mehrfach ausgeführt, dass die Tiefenbegrenzung der Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen dient (Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 – juris Rn. 77 [zur „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung]; Beschl. v. 29.10.2003 – 1 M 62/03 – juris Rn. 8 m.w.N. [zur „schlichten“ Tiefenbegrenzung]). Dies entspricht der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (vgl. OVG Weimar, Urt. v. 18.12.2000 – 4 N 472/00 –, juris Rn. 111 OVG Magdeburg, Urt. v. 27.04.2006 – 4 L 186/05 –, juris Rn. 71; OVG Schleswig, Urt. v. 26.05.1999 – 2 K 23/97 –, juris Rn. 29). Soweit eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung dennoch für zulässig gehalten wird, wird dies mit dem Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität begründet (OVG Schleswig a.a.O., Rn. 30). Die darauf aufbauende Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (Urt. v. 27.08.2003 – 3 A 767/00) wurde vom OVG Mecklenburg-Vorpommern bestätigt (Beschl. v. 03.05.2005 – 1 L 268/03 – n.v.).

17

An dieser Auffassung hält das OVG Mecklenburg-Vorpommern nun nicht mehr fest (Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 – S.15 des Entscheidungsumdrucks). Zwar führt es in dem Urteil – wie bisher – aus, dass sich die Tiefenbegrenzungslinie zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten hat (S. 12 des Entscheidungsumdrucks). Dann aber stellt es klar, dass bezogen auf die Frage des beitragsrelevanten Vorteils nicht baulich nutzbare – jenseits der ortsüblichen Bebauungstiefe bzw. der hierauf gegründeten Tiefenbegrenzungslinie liegende – Teilflächen „übertiefer“, vollständig im Innenbereich liegender Grundstücke den Außenbereichsteilflächen „übertiefer“ Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, gleichstehen können. (…) Wenn eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt, verstößt es folglich nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit, und das in § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V normierte Vorteilsprinzip, bei vollständig im unbeplanten Innenbereich liegenden Grundstücken den die Tiefengrenze überschreitenden Grundstücksteilen, soweit sie nicht tatsächlich baulich oder gewerblich genutzt werden (können), keinen beitragsrelevanten Vorteil beizumessen (S. 16 des Entscheidungsumdrucks). Dabei bezieht sich das OVG Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich auf die zum Erschließungsbeitragsrecht ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 –) und führt aus, dass sich der Senat bereits in dem Beschluss vom 03.05.2005 auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezogen habe, wonach es keinen tragfähigen Grund gebe, die entwickelten Grundsätze für eine Tiefenbegrenzung auf einen wie auch immer gearteten „Randbereich“ des unbeplanten Innenbereichs im Übergang zum Außenbereich zu beschränken (S. 15 des Entscheidungsumdrucks).

18

Dies überrascht, denn bisher hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern weder in dem Beschluss vom 03.05.2005 noch in einer anderen Entscheidung zur Tiefenbegrenzung im Anschlussbeitragsrecht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.09.2004 (a.a.O.) zur Tiefenbegrenzung im Erschließungsbeitragsrecht Bezug genommen. Eine solche Bezugnahme ist auch nicht konkludent erfolgt, denn in dem Beschluss vom 03.05.2005 wird die Anwendbarkeit der Tiefenbegrenzung auf Einzelfälle übertiefer zentraler Innenbereichsgrundstücke mit dem Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 03.05.2005 – 1 L 268/03 – S. 8 des Entscheidungsumdrucks). Hätte das OVG Mecklenburg-Vorpommern bereits in dem Beschluss vom 03.05.2005 den Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts verfolgt, so wäre die Anwendung der satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung auf übertiefe zentrale Innenbereichsgrundstücke nicht lediglich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt, sondern aus Vorteilsgründen geboten (dazu sogleich). Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die in dem Beschluss vom 03.05.2005 enthaltenden Ausführungen zur Zulässigkeit der schlichten Tiefenbegrenzung wortgleich sind mit den diesbezüglichen Ausführungen in dem Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 13.11.2001 (– 4 K 16/00 – juris Rn. 45), einer Entscheidung, die älter ist als das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Weil bisher eine Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.09.2004 fehlte, hat sich das OVG Mecklenburg-Vorpommern auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der vom Bundesverwaltungsgericht für das Erschließungsbeitragsrecht entwickelte Ansatz überhaupt auf das Anschlussbeitragsrecht übertragbar ist (verneint vom OVG Weimar, Urt. v. 21.06.2006 – 4 N 574/98 – juris Rn. 163 f.).

19

Gemessen an den im Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 10.10.2012 (– 1 L 289/11 –) aufgestellten Maßgaben ist die Normierung einer – wie hier – „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung unzulässig, denn sie führt dazu, dass übertiefe, vollständig im unbeplanten Innenbereich gelegene Grundstücke regelmäßig vollständig berücksichtigt werden müssen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 3 Abs. 4 lit. d 1. Halbsatz SBS ist die Anwendbarkeit der Tiefenbegrenzung auf Grundstücke beschränkt, „die (in Bezug auf ihre Tiefe) teils dem Innenbereich und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind, oder bei denen (hinsichtlich ihrer Tiefe) fraglich sein kann, ob sie insgesamt dem Innenbereich zugeordnet werden können“. Auf „übertiefe“ Grundstücke, bei denen in Bezug auf ihre Tiefe die Innenbereichslage feststeht, kann die Vorschrift nicht angewandt werden.

20

Diese Beschränkung widerspricht dem Vorteilsprinzip, denn es gibt keinen Grund, die entwickelten Grundsätze für eine Tiefenbegrenzung auf einen wie auch immer gearteten „Randbereich“ des unbeplanten Innenbereichs im Übergang zum Außenbereich zu beschränken (OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O., S. 15 des Entscheidungsumdrucks; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 – juris Rn. 23). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, auf die sich das OVG Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich bezieht, beruht dies auf der Erwägung, dass Grundstücken von vergleichbarer Größe und Ausnutzbarkeit durch die durch eine Anbaustraße bewirkte Erschließung grundsätzlich annähernd gleiche Vorteile verschafft werden. Bei besonders tiefen (namentlich landwirtschaftlich genutzten) Grundstücken in unbeplanten Gebieten fehlt diese Korrelation zwischen Größe und Vorteil: Der Erschließungsvorteil, dessen Umfang von der zulässigen baulichen Nutzung (Ausnutzbarkeit) abhängt, ist bei ihnen regelmäßig nicht größer als bei den durchschnittlich tiefen Grundstücken eines Abrechnungsgebiets. Daraus ergibt sich unmittelbar kraft Gesetzes die Notwendigkeit einer Tiefenbegrenzung bei solchen Grundstücken (BVerwG, Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 – juris Rn. 22).

21

Anhaltspunkte dafür, dass das OVG Mecklenburg-Vorpommern den dargestellten Ansatz für das Anschlussbeitragsrecht modifiziert hat, sind nicht ersichtlich. Zwar führt es aus, dass, bezogen auf die Frage des beitragsrelevanten Vorteils, nicht baulich nutzbare – jenseits der ortsüblichen Bebauungstiefe bzw. der hierauf gegründeten Tiefenbegrenzungslinie liegende – Teilflächen „übertiefer“, vollständig im Innenbereich liegender Grundstücke den Außenbereichsteilflächen „übertiefer“ Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, gleichstehen können (S. 16 des Entscheidungsumdrucks). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass diese Gleichstellung im Ermessen des Ortsgesetzgebers steht. Insbesondere kann dieser nicht durch die Wahl der Tiefenbegrenzungsregelung darüber entscheiden, ob die rückwärtigen Teilflächen „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen sind (so bei der „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung) oder nicht (so bei der „schlichten“ Tiefenbegrenzung). Denn eine solche Annahme liefe darauf hinaus, dass der Ortsgesetzgeber darüber zu befinden hätte, ob die rückwärtigen Teilflächen „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke in beitragsrechtlicher Hinsicht bevorteilt sind. Das in § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V normierte Vorteilsprinzip unterliegt jedoch nicht der Disposition des Ortsgesetzgebers. Es ist – umgekehrt – Prüfungsmaßstab für die vom Ortsgesetzgeber zu normierende Maßstabsregelung und damit auch für die Regelung der Tiefenbegrenzung. Wenn – wie OVG Mecklenburg-Vorpommern angenommen – im Anschlussbeitragsrecht die rückwärtigen Teilflächen „übertiefer“ zentraler Innenbereichsgrundstücke nicht bevorteilt sind, ist es ausgeschlossen, diese Flächen zu berücksichtigten. Hieran hat sich die Maßstabsregelung im Anschlussbeitragsrecht zu orientieren. Eine Tiefenbegrenzungsregelung, die dem nicht Rechnung trägt, ist unwirksam.

22

Auf die übrigen Einwände der Klägerin kommt es entscheidungserheblich nicht an. Es sei vorsorglich aber darauf hingewiesen, dass eine Festsetzungsverjährung nicht eingetreten ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin konnte die Satzung der Gemeinde Seebad Insel Hiddensee über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung der zentralen Schmutzwasseranlage (Herstellungsbeitragssatzung - HBS) vom 09.07.1998 die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und damit den Lauf der Festsetzungsfrist nicht auslösen, da die Satzung unwirksam ist (eingehend: VG Greifswald, Urt. v. 27.01.2010 – 4 A 194/09 – juris Rn. 34 ff).

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die Anschlussbeitragssatzungen des weitaus größten Teils der beitragsberechtigten Körperschaften im Zuständigkeitsbereich des erkennenden Gerichts weisen „qualifizierte“ Tiefenbegrenzungen auf, die nach der zitierten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern nunmehr unzulässig sind.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011 – 3 A 402/10 – wie folgt geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldnerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Trinkwasser).

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flurstück .../..., Flur ..., Gemarkung ... mit einer Größe von 1.777 m², welches an die öffentliche Wasserversorgungsanlage des Wasserzweckverbandes Strelitz angeschlossen ist.

3

Mit Bescheid vom 01. Dezember 2008 zog der Beklagte, ausgehend von einer beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 1.263 m² und einem Vollgeschoss, die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 736,46 EUR heran. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 22. Juli 2009 reduzierte der Beklagte die Beitragsforderung aufgrund einer Änderung des bislang zugrunde gelegten Mehrwertsteuersatzes von 19 % auf 7 % auf 662,19 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2010, zugestellt am 26. März 2010, wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

4

Die Klägerin hat am 26. April 2010 Klage erhoben.

5

Sie hat vorgetragen, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Wasserabgabensatzung sei unter Beachtung der neuesten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern unwirksam, da der Tiefenbegrenzungslinie gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) der Satzung nicht die tatsächlichen Verhältnissen zugrunde gelegt worden seien. Fehlerhaft sei auch die Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche. Es könne lediglich die Fläche herangezogen werden, die an die Straße angrenze. Beitragspflichtig sei damit eine Fläche von 586 m², so dass sich ein Beitrag von 307,24 EUR errechne. Der Beklagte gehe satzungswidrig von einer Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen aus. Selbst bei Anwendung der Tiefenbegrenzung würde die Fläche nur 939,39 m² betragen, da sich die Parallele am Verlauf der Straße orientieren müsse. Die Klägerin hat insoweit zur Erläuterung auf einen von ihr an den Beklagten übermittelten Flurkartenausschnitt verwiesen; für die weiteren Einzelheiten wird dazu auf den bei den Verwaltungsvorgängen (Beiakte B, Bl. 3) befindlichen Flurkartenausschnitt verwiesen.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 – Az. 1620006 – in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 insoweit aufzuheben, als ein Beitrag von mehr als 307,24 EUR festgesetzt wird.

8

Der Beklagte hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Er hat vorgetragen, dass die in der Verbandsversammlung am 10. August 2011 beschlossene Wasserabgabensatzung eine ordnungsgemäß ermittelte Tiefenbegrenzungsregelung aufweise, und dies unter Vorlage der die Ermittlung und Festlegung der Tiefenbegrenzung betreffenden Dokumente erläutert; für die weiteren Einzelheiten wird auf diese Dokumente, die sich bei der Gerichtsakte befinden, verwiesen. Im Übrigen liege das klägerische Grundstück im unbeplanten Innenbereich und die Grundstücksfläche betrage bei Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung 1.263 m².

11

Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat der Wasserzweckverband Strelitz am 10. August 2011 seine Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) beschlossen, die am 17. August 2011 ausgefertigt worden ist. Die Satzung ist nach ihrem § 24 Satz 1 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten.

12

Mit dem angefochtenem Urteil vom 07. September 2011, Az. 3 A 402/10, hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 aufgehoben, soweit darin ein Beitrag von mehr als 307,24 EUR festgesetzt worden ist. Die zulässige Klage sei begründet. Dem angegriffenen Bescheid fehle die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage. Die am 10. August 2011 beschlossene Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) sei unwirksam. Die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung verstoße, soweit eine Tiefenbegrenzung von 50 m normiert werde, gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG bzw. das darin normierte Vorteilsprinzip. Dieser Verstoß führe zur Unwirksamkeit der Verteilungsregelung und damit zur Unwirksamkeit der Wasserabgabensatzung insgesamt. Die Bestimmung normiere eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung. Ihr Anwendungsbereich beschränke sich nicht auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen, straßennahen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen (sog. „Randlagengrundstücke“). Die Bestimmung finde vielmehr auch auf solche Grundstücke Anwendung, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, im unbeplanten Innenbereich lägen (sog. „zentrale Innenbereichsgrundstücke“). Eine „schlichte“ Tiefenbegrenzung sei im Anschlussbeitragsrecht zulässig. Sie habe sich zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfinde, stelle die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung stehe dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses ordnungsgemäß ausüben zu können, müsse er die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes sowohl für die ortsübliche Bebauungstiefe als auch für die ggf. einzubeziehende bauakzessorische Nutzung ermitteln. Nach diesen Kriterien entspreche die in der Wasserabgabensatzung festgesetzte Tiefenbegrenzungslinie von 50 m nicht den örtlichen Verhältnissen. So sei bereits die Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe methodisch fehlerhaft. Der Wasserzweckverband Strelitz habe bei den vorliegenden Messdaten zur Ermittlung der ortspezifischen Bebauungstiefe sowohl „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ als auch „Randlagengrundstücke“ berücksichtigt. Dies sei fehlerhaft, denn es widerspreche der Funktion der Tiefenbegrenzung. Auch die „schlichte“ Tiefenbegrenzung diene der Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen. Daher könnten nur „Randlagengrundstücke“ für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innenbereich in den Außenbereich übergehen. „Zentrale Innenbereichsgrundstücke“ gäben für diese Frage dagegen nichts her, da sie vollständig im unbeplanten Innenbereich lägen. Der Fehler sei nicht „ergebnisneutral“. Vielmehr begründe die Berücksichtigung von „zentralen Innenbereichsgrundstücken“ bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe die Gefahr einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen. Im Gebiet des Wasserzweckverbandes Strelitz lägen drei Kleinstädte. Angesichts der dort vorhandenen eher kleinteiligen Bebauungsstruktur habe die Berücksichtigung zentraler Innenbereichsgrundstücke die Folge, dass die Zahl der eher weniger tief bebauten Grundstücke zunehme und damit das Gesamtergebnis der Untersuchung dergestalt beeinflusse, dass die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung kleiner ausfalle, als bei einer ausschließlichen Berücksichtigung von „Randlagengrundstücken“. Sinke aber die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung, so steige bei dieser Sachlage die Anzahl der Grundstücke im zentralen Innenbereich bedenklich, die von der Tiefenbegrenzungsregelung profitierten.

13

Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn man den vorstehenden Ausführungen nicht folge und von einer methodisch fehlerfreien Ermittlung der Bebauungstiefe in den einzelnen Messreihen ausginge. Denn in diesem Fall habe der Beklagte die vorliegenden Messergebnisse nicht ermessensfehlerfrei gewichtet. Bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung habe eine wertende Betrachtung zu erfolgen. Der Beklagte habe vorliegend die ortspezifische Grundstückstiefe anhand von 14 repräsentativen Messreihen ermittelt und – unter zusätzlicher Berücksichtigung einer Tiefe der bauakzessorischen Nutzung von 15 m – die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m festgelegt, d.h. er sei grundsätzlich von einer üblichen Bebauungstiefe in seinem Verbandsgebiet von 35 m ausgegangen. Soweit dem die Überlegung zugrunde liege, die durchschnittliche Bebauungstiefe aller untersuchten Grundstücke betrage 31,59 m, sei dies fehlerhaft. Denn eine Durchschnittsbildung sei mit der erforderlichen Gewichtung nicht zu vereinbaren, weil in den Durchschnittswert regelmäßig auch „Ausreißer“, also Grundstücke mit einer außergewöhnlich großen bzw. geringen Bebauungstiefe einfließen würden, die gerade nicht die „übliche“ Bebauungstiefe widerspiegelten. Zur Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe könne entgegen der Beschlussvorlage vom 11. August 2011 auch nicht darauf abgestellt werden, dass 70,09 % aller Grundstücke im Verbandsgebiet bis zu einer Tiefe von 35 m bebaut worden seien. Denn die reine Addition der Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefen der ermittelten Messreihen gebe regelmäßig keine Auskunft darüber, welche Messreihen eine hinreichend große Gruppe von Grundstücken abbildeten, die eine in etwa gleiche Bebauungstiefe aufwiesen. Die Kammer verkenne nicht, dass die Bewertung der Messreihen im Ermessen des Beklagten stehe, und wolle dieses Ermessen nicht selbst ausüben. Es sei aber kein plausibler Grund für die vom Beklagten vorgenommene Bewertung erkennbar: Entweder man stütze sich auf die Messreihen mit den „zweistelligen“ Vom-Hundert-Sätzen (Messreihen 2 bis 5), dann sei eine Bebauungstiefe von bis zu 30 m ortsüblich, was unter Berücksichtigung der vom Beklagten festgestellten Tiefe der bauakzessorischen Nutzung (15 m) eine Tiefenbegrenzung von 45 m rechtfertigen würde. Oder aber man ziehe den Kreis der berücksichtigungsfähigen Messreihen weiter und berücksichtige zusätzlich die zahlenmäßig etwa gleichstarken Messreihen 6 (31 bis 35 m) und 7 (36 bis 40 m), die 8,93 % bzw. 9,69 % aller Grundstücke beträfen. Dann läge die ortsübliche Bebauungstiefe bei 40 m, was unter Berücksichtigung der Tiefe der bauakzessorischen Nutzung eine Tiefenbegrenzung von 55 m rechtfertigen würde. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil die Berufung wegen grundsätzliche Bedeutung der Rechtsache zugelassen.

14

Das Urteil ist dem Beklagten am 30. September 2011 zugestellt worden. Am 21. Oktober 2011 hat er Berufung eingelegt.

15

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor,

16

bei der in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung normierten Tiefenbegrenzungsregelung handele es sich um eine sog. „undifferenzierte“ Tiefenbegrenzungsregelung, die sämtliche Grundstücke im unbeplanten Innenbereich, unabhängig von ihrer Qualität als „Randlagengrundstück“ im Übergangsbereich zwischen Innen- und Außenbereich, betreffe. Das Verwaltungsgericht sei offensichtlich der Auffassung, dass die Tiefenbegrenzungslinie dort zu ziehen sei, wo sich die Bebauung im Sinne einer signifikanten Häufigkeit konzentriere. Diese Erwägung überzeuge nicht. Der Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts, auch bei der undifferenzierten Tiefenbegrenzung käme es ausschließlich darauf an, festzustellen, wann der Innenbereich in den Außenbereich übergehe, sei unzutreffend. Der Unterschied zwischen der „undifferenzierten“ und der sog. „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung liege gerade darin, dass von der undifferenzierten Tiefenbegrenzung auch die Grundstücke betroffen seien, die sich vollständig im Innenbereich befinden. Würde man der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen und annehmen, dass es auch bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzung ausschließlich um die typisierte Abgrenzung von Innen- und Außenbereich gehe, würden alle Grundstücke, die von der Tiefenbegrenzung betroffen seien, „Randlagengrundstücke“ sein, mit der Folge, dass es einen Unterschied zwischen qualifizierter und undifferenzierten Tiefenbegrenzung nicht gebe. Bei der undifferenzierten Tiefenbegrenzung sei daher nicht die Frage zu beantworten, wann der Innenbereich in den Außenbereich übergehe, sondern wie sich die ortstypische bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke am Maßstab der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB darstelle. Der Beklagte stütze sich dabei auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 01. September 2004 – 9 C 15.03 –, wonach maßgeblich gerade auf die bauliche Ausnutzbarkeit unter Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB abgestellt werde. Folgerichtig gehe es bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzungsregelung auch darum zu erkennen, dass der Erschließungsvorteil, dessen Umfang von der zulässigen baulichen Nutzung (Ausnutzbarkeit) abhänge, bei übergroßen Grundstücken im Innenbereich regelmäßig nicht größer sei, als bei den durchschnittlich tiefen Grundstücken eines Abrechnungsgebietes. Hinsichtlich dieses Kriteriums besäßen aber auch die zentral gelegenen Innenbereichsgrundstücke, auch soweit sie vollständig dem Innenbereich zuzuordnen seien, durchaus Aussagepotenzial hinsichtlich der typischen baulichen Ausnutzbarkeit von Innenbereichsgrundstücken. Aber selbst wenn man dieser Auffassung nicht folge und mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung sei, dass es auch bei der „undifferenzierten“ Tiefenbegrenzungsregelung um eine Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich gehe, erweise sich die Auffassung des Verwaltungsgerichts, man dürfe methodisch nur die „Randlagengrundstücke“ berücksichtigen, als unzutreffend. Die entsprechende Ermittlung der örtlichen Verhältnisse dürfte dann aber gerade auch dazu dienen, festzustellen, ab wann überhaupt von einem „Randlagengrundstück“ gesprochen werden könne. Wenn die Tiefenbegrenzungslinie den Übergang zwischen dem Innen- und Außenbereich markiere, dann stehe vor Feststellung der örtlichen Verhältnisse noch überhaupt nicht fest, bei welchen Grundstücken in einer Ortslage der Innenbereich in den Außenbereich übergehe. Ohne die erforderlichen Ermittlungen sei daher noch nicht bekannt, welche Grundstücke sogenannte „Randlagengrundstücke“ seien. Es sei schlechterdings nicht möglich, bei der Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse zur Festsetzung einer Tiefenbegrenzungslinie ausschließlich „Randlagengrundstücke“ zu berücksichtigen, weil die Randlage erst das Ergebnis der Ermittlungstätigkeit sei.

17

Soweit das Verwaltungsgericht meint, es sei unzulässig, die Tiefenbegrenzungslinie auf Grundlage eines ermittelten Durchschnittwertes der ortsüblichen Bebauung sowie durch eine Addition der Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefe der ermittelten Messreihen festzusetzen, sei dies ebenfalls nicht überzeugend. Zunächst sei darauf hinzuweisen, dass der beklagte Zweckverband seine Entscheidung, die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung einer bauakzessorischen Nutzung von 15 m anzunehmen, nicht alleine auf die ermittelte durchschnittliche Bebauungstiefe gestützt habe. Vielmehr habe die durchschnittliche Bebauungstiefe dazu gedient, festzustellen, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage hielten, d.h. also, ob die Anzahl der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, der Anzahl der Grundstücke in etwa entspreche, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Für diese Ausgewogenheit habe die durchschnittliche Bebauungstiefe Aussagekraft. Immerhin habe auch das Bundesverwaltungsgericht in der bereits erwähnten Entscheidung hinsichtlich der Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie maßgeblich darauf abgestellt, dass bei Innenbereichsgrundstücken die bauliche Ausnutzbarkeit regelmäßig nicht größer sei als bei den „durchschnittlich“ tiefen Grundstücke eines Abrechnungsgebietes. Um festzustellen, ab wann eine bauliche Nutzbarkeit der betroffenen Grundstücke typischerweise nicht mehr gegeben sei, sei es zudem erforderlich gewesen, gewissermaßen von unten kommend, sämtliche Vom-Hundert-Sätze der Bebauungstiefen zu summieren, und so festzustellen, ab wann eine Bebauung nur noch ausnahmsweise stattfinde. Zur Vorteilsgerechtigkeit gehöre, ausreichend Flächen heranzuziehen, um den Beitragssatz möglichst gering zu halten. Vor diesem Hintergrund halte es der Beklagte eben gerade nicht für vorteilsgerecht, beispielsweise die Tiefenbegrenzungslinie im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung bei 45 m zu ziehen, weil hier immerhin noch bei 40 % der untersuchten Fälle eine Bebauung jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Ein Verhältnis von 60 zu 40 stelle noch kein Regel-Ausnahme-Verhältnis dar. Demgegenüber erfasse die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung 70,09 % der untersuchten Grundstücke mit der Folge, dass lediglich bei 30 % der untersuchten Fälle die bauliche Nutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Hierin habe der beklagte Zweckverband unter Ausnutzung des ihm zustehenden weiten Ermessens angenommen, dass an dieser Stelle ein Regel-Ausnahmeverhältnis durchaus angemessen sei und angenommen werden könne. Darin liege auch der sachliche Grund, die Tiefenbegrenzungslinie bei der Messreihe 6 zu ziehen.

18

Der Beklagte beantragt,

19

die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008, Az. 1620006, in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 unter Aufhebung des Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. September 2011, Az. 3 A 402/10, abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei im Ergebnis richtig. Selbst bei ermessenfehlerfreier Festsetzung der Tiefenbegrenzungsregelung und damit wirksamer Satzungsgrundlage hätte es der Klage stattgeben müssen, da auch dann die streitgegenständlichen Bescheide in dem angefochtenen Umfang rechtswidrig gewesen wären. In Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung habe die Klägerin aufgrund der nur teilweisen Anfechtung des Beitragsbescheides den Beitrag bereits vollständig entrichtet. Darüber hinaus bestehe keine Beitragspflicht der Klägerin. Hätte der Beklagte auch die Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zur Beitragspflicht unterwerfen wollen, hätte es hierzu einer entsprechenden Satzungsregelung bedurft, wie sie in zahlreichen anderen Beitragssatzungen und der Mustersatzung des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V zu finden sei.

23

Das Verfahren ist in der mündlichen Verhandlung mit dem Verfahren Az. 1 L 27/09 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden.

24

Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakten samt der zu diesen gereichten Behördenakten und auf die beigezogenen Akten des Verfahrens Az. 1 M 91/09 (VG Greifswald Az. 3 B 249/09) nebst Behördenakten, die jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg.

26

Die zulässige Anfechtungsklage der Klägerin ist unbegründet; das verwaltungsgerichtliche Urteil war entsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen.

27

Der angefochtene Anschlussbeitragsbescheid des Beklagten vom 01. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2009 und des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin folglich nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er kann auf eine wirksame Rechtsgrundlage gestützt werden (1.); auch die Rechtsanwendung ist nicht zu beanstanden (2.).

28

1. Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mangels wirksamer, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KG M-V aber erforderlicher Rechtsgrundlage rechtwidrig. Die am 10. August 2011 beschlossene, am 17. August 2011 ausgefertigte und nach ihrem § 24 Satz 1 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getretene Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS) ist wirksam und damit Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides.

29

Die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B c) Wasserabgabensatzung geregelte Tiefenbegrenzung von 50 m verstößt entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht gegen § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG bzw. das darin normierte Vorteilsprinzip.

30

Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS bestimmt:

31

Als Grundstücksfläche gilt: bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen; bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Im Falle eines Eckgrundstückes ist die Tiefenbegrenzungsregelung in jede Richtung der vorhandenen Anbaustraßen aus zu ziehen.

32

Die in der Vorschrift enthaltene Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m ist nicht zu beanstanden.

33

Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie in Anlage 1 1. A Abs. 1 WAgS geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen. Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise – höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

34

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Es ist darauf abzustellen, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht. Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Gericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen.

35

Bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse ist eine Begrenzung auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt. Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i. S. v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann. Der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB muss nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden, sondern kann je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen (bauakzessorische Nutzung); auch topographische Verhältnisse können dabei eine prägende Rolle spielen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris; Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris; jeweils m. w. N.).

36

Nach Maßgabe dieses Maßstabes liegt der streitgegenständlichen Tiefenbegrenzungsregelung weder eine methodisch fehlerhafte Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe bzw. der diesbezüglichen örtlichen Verhältnisse im Gebiet des Zweckverbandes zugrunde (a) noch hat das satzungsgebende Organ des Wasserzweckverbandes die betreffenden Ermittlungsergebnisse bei seiner Festlegung im Übrigen ermessensfehlerhaft bewertet und gewichtet (b).

37

a) Das Verwaltungsgericht meint, es sei methodisch fehlerhaft gewesen, dass der Wasserzweckverband Strelitz zur Ermittlung der ortspezifischen Bebauungstiefe sowohl „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ als auch „Randlagengrundstücke“ berücksichtigt habe. Dies sei zu beanstanden, weil es der Funktion der Tiefenbegrenzung – der Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen – widerspreche. Daher könnten auch nur Randlagengrundstücke für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innenbereich in den Außenbereich übergingen. Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

38

aa) Das Verwaltungsgericht führt zunächst (S. 5 des Urteils) aus, der Anwendungsbereich der Regelung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS beschränke sich nicht auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen, straßennahen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen („Randlagengrundstücke“), vielmehr seien „auch“ solche Grundstücke erfasst, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, im unbeplanten Innenbereich lägen ( „zentrale Innenbereichsgrundstücke“). Von diesem grundsätzlichen Normverständnis ausgehend entwickelt es dann seinen Rechtsstandpunkt, nur die von ihm so bezeichneten Randlagengrundstücke dürften in die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe einbezogen werden.

39

Diesem Rechtsstandpunkt scheint damit eine grundlegende Fehldeutung des Regelungsgehalts der Bestimmung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS zugrunde zu liegen: Anlage 1 Ziff. 1.3 B. c) WAgS findet nicht „auch“, sondern nach seinem klaren Wortlaut („Grundstücken, … die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen“) entweder nur oder jedenfalls vor allem auf solche Grundstücke Anwendung, die vollständig, d.h. auch mit ihren rückwärtigen Teilflächen, „innerhalb“ des unbeplanten Innenbereichs liegen, daneben allenfalls „auch“ auf Grundstücke, die mit ihrer vorderen Teilfläche im unbeplanten Innenbereich und mit ihrer rückwärtigen Teilfläche im Außenbereich lägen („Randlagengrundstücke“). Das Verwaltungsgericht hat demzufolge in seinem grundsätzlichen Normverständnis den Regelungsgehalt der Bestimmung gewissermaßen in sein Gegenteil verkehrt. Seine methodische Kritik, es könnten nur „Randlagengrundstücke“ für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe herangezogen werden, denn nur diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie vom Innen- in den Außenbereich übergingen, verliert den Regelungsgehalt von Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS aus den Augen. Bei zutreffendem Verständnis der Norm betrachtet der Senat daher die Annahme, obwohl sie sich zumindest in erster Linie auf vollständig im Innenbereich belegene Grundstücke bezieht, dürften gerade diese Grundstücke für die Ermittlung der für sie vorgesehenen Tiefenbegrenzungsregelung nicht berücksichtigt werden, als unschlüssig.

40

Bleibt man im Übrigen eng am Wortlaut („Grundstücke, … die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen“), folgt daraus ohne Weiteres, dass es definitionsgemäß nach Maßgabe von Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS keine „Randlagengrundstücke“ und/oder „zentrale Innenbereichsgrundstücke“ geben kann, sondern eben ausschließlich nur innerhalb des Innenbereichs liegende Grundstücke, auf die die Tiefenbegrenzungsregelung Anwendung findet. Entsprechende Regelungen waren ohne Beanstandung insoweit bereits Gegenstand von Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 03.05.2005 – 1 L 268/03 – und Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 – sowie v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –). Auch dort beschäftigte sich insbesondere der 4. Senat mit den „insgesamt im Innenbereich gelegenen Grundstücken“.

41

bb) Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts stehen im Widerspruch zur Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 03. Mai 2005 – 1 L 268/03 – darauf hingewiesen, dass eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung, die die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegele, auch auf „zentrale“ Grundstücke des unbeplanten Innenbereichs anwendbar sei. Der Senat hat sich dabei auf die erschließungsbeitragsrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, BVerwGE 121, 365 – zitiert nach juris) bezogen, wonach es keinen tragfähigen Grund gebe, die entwickelten Grundsätze für eine Tiefenbegrenzung auf einen wie auch immer gearteten „Randbereich“ des unbeplanten Innenbereichs im Übergang zum Außenbereich zu beschränken oder – im Gegenteil – auf diesen Randbereich für unanwendbar zu halten. Wegen entsprechender örtlicher Verhältnisse könne danach die Anwendbarkeit einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung auch auf „zentrale“ Grundstücke mit § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB in Einklang stehen. Dann ist es grundsätzlich nicht gerechtfertigt, die „zentralen“ Grundstücke bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse „außen vor zu lassen“.

42

cc) Mit der in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS geregelten Tiefenbegrenzung soll nach dem zutreffenden Vortrag des Beklagten in erster Linie die Frage beantwortet werden, wie sich die ortsübliche bauliche Ausnutzbarkeit der Grundstücke am Maßstab der Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB darstellt bzw. ab welcher Linie typischerweise „übertiefe“ Grundstücke in ihrem hinteren Teil weder bebaut noch bauakzessorisch genutzt werden können; daneben mag es in Innenbereichsrandlagen auch um die Klärung gehen, ab wo der Innenbereich in den Außenbereich übergeht. Bezogen auf die Frage des beitragsrechtlichen Vorteils können nicht baulich nutzbare – jenseits der ortsüblichen Bebauungstiefe bzw. der hierauf gegründeten Tiefenbegrenzungslinie liegende – Teilflächen „übertiefer“, vollständig im Innenbereich liegender Grundstücke den Außenbereichsteilflächen „übertiefer“ Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, gleichstehen. Entsprechend hat das Oberverwaltungsgericht in den vorstehend in Bezug genommenen Entscheidungen formuliert, die Tiefenbegrenzung sei eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks „Bauland“ ist und jenseits eine bauliche Nutzung nicht mehr stattfinde, damit also das Kriterium der baulichen Nutzbarkeit unterstrichen. Wenn eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegelt, verstößt es folglich nicht gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit und das in § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V normierte Vorteilsprinzip, bei vollständig im unbeplanten Innenbereich liegenden Grundstücken den die Tiefengrenze überschreitenden Grundstücksteilen, soweit sie nicht tatsächlich baulich oder gewerblich genutzt werden (können), keinen beitragsrechtlichen Vorteil beizumessen (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.09.2004 – 9 C 15.03 –, a. a. O.). Insoweit sind die zentral gelegenen Innenbereichsgrundstücke, auch soweit sie vollständig dem Innenbereich zuzuordnen sind, bei der Ermittlung der ortsüblichen bzw. typischen baulichen Ausnutzbarkeit von Innenbereichsgrundstücken heranzuziehen.

43

dd) Vor Feststellung der örtlichen Verhältnisse steht zudem überhaupt noch nicht fest, bei welchen Grundstücken in einer Ortslage im Gebiet des Wasserzweckverbandes der Innenbereich in den Außenbereich überginge. Die Tiefenbegrenzungslinie soll in der Sichtweise des Verwaltungsgerichts gerade erst „vertypt“ die Grenze bestimmen, ab der dies der Fall wäre. Die „Randlage“ wird jedenfalls bei den betreffenden Grundstücken erst durch Ermittlung der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe konkretisiert. Der Beklagte weist insoweit zutreffend darauf hin, dass es schlechterdings nicht möglich sei, bei der Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse zur Festlegung einer Tiefenbegrenzungslinie ausschließlich Randlagengrundstücke zu berücksichtigen, weil die Randlage der Grundstücke im konkreten Einzelfall erst das Ergebnis der Ermittlungstätigkeit sei. Wollte das Verwaltungsgericht verlangen, unabhängig von einer Tiefenbegrenzungslinie sei im Vorfeld der eigentlichen Ermittlung derselben zunächst für jedes einzelne Grundstück eine Differenzierung nach zentralen Innenbereichs- und Randlagengrundstücken zu fordern, um dann anschließend nur unter Berücksichtigung der letzteren die tatsächlichen Grundlagen zu ermitteln und die Tiefenbegrenzungslinie festzulegen, ginge im Übrigen jeder Vereinfachungsvorteil derselben verloren.

44

ee) Wenn das Verwaltungsgericht meint, die Berücksichtigung von zentralen Innenbereichsgrundstücken begründe bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe die „Gefahr“ einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen, verkennt dies den skizzierten Regelungsgehalt der konkret in Rede stehenden Tiefenbegrenzungsregelung und erscheint dies zudem spekulativ. Eine „Gefahr“ einer unrealistischen Abbildung der tatsächlich bestehenden Außenbereichsgrenzen ist noch keine Feststellung einer solchen und vermag daher die gerichtliche Verwerfung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsfestlegung nicht zu tragen. Auch der weitere Hinweis darauf, dass im Gebiet des Wasserzweckverbandes Strelitz drei Kleinstädte lägen und angesichts der dort vorhandenen „eher“ kleinteiligen Bebauungsstruktur die Berücksichtigung zentraler Innenbereichsgrundstücke die Folge habe, dass die Zahl der „eher“ weniger tief bebauten Grundstücke zunehme und damit das Gesamtergebnis der Untersuchung dergestalt beeinflusse, dass die metrische Festlegung der Tiefenbegrenzung kleiner ausfalle als bei einer ausschließlichen Berücksichtigung von Randlagengrundstücken, liegt zum einen mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen neben der Sache und lässt zum anderen bereits eine hinreichende Tatsachenbasis und eine hinreichend konkrete Betrachtung der Verhältnisse im Verbandsgebiet bzw. der vorliegenden Ermittlungsergebnisse vermissen. Hierzu bestünde für die Gerichte im Übrigen grundsätzlich auch nur dann Anlass, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen oder geltend gemacht werden, die unter diesem Blickwinkel zur Annahme einer fehlerhaft zusammengestellten Tatsachenbasis für die Ermessensentscheidung führen könnten.

45

b) Der Wasserzweckverband hat – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – die Ergebnisse seiner Ermittlung der ortsüblichen Verhältnisse bei seiner Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m im Übrigen ermessensfehlerfrei bewertet und gewichtet.

46

Er ist bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m wie folgt vorgegangen: Er hat ein Referenz-/Untersuchungsgebiet mit 964 km² Fläche der ländlich geprägten Gesamtverbandsgröße von 984 km² zugrunde gelegt. Ausgewertet wurden insgesamt 5.038 Grundstücke im unbeplanten Innenbereich in drei von drei Kleinstädten sowie 86 von 103 Dörfern. Komplett erfasst wurden 17 von 18 Gemeinden und sechs Ortslagen der Gemeinde Feldberger Seenlandschaft. Hieraus resultiert die Übersicht „Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie / Zusammenfassung Bebauungstiefe im unbeplanten Innenbereich“, die die Zahl der Grundstücke mit einer bestimmten Bebauungstiefe, gestaffelt in 5 m-Schritten, darstellt. Die ermittelte Bebauungstiefe stellt dabei auf das Ende der tatsächlichen Bebauung ab. Die durchschnittliche Bebauungstiefe wurde mit 31,58 m ermittelt. Unter Einbeziehung einer bauakzessorischen Nutzung von 15 m wurde die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m festgelegt; dabei wurden insgesamt 70,09 % der Grundstücke in dem Sinne erfasst, dass ihre bauliche Nutzung bis an diese Grenze endet. In der Begründung der Beschlussvorlage VB/15/11 ist ausgeführt, dass neben der Bebauungstiefe die sogenannte bauakzessorische Nutzung (Garten, Terrasse, etc.) untersucht und im Verbandsgebiet mit 15 m als ortsüblich festgestellt worden sei. Weiter heißt es:

47

„Unter Berücksichtigung einer der größten Gruppen entsprechenden Bebauungstiefe bis 20 m ergäbe sich unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung eine Tiefenbegrenzungslinie von 35 m. Bei dieser Tiefenbegrenzungslinie würden allerdings lediglich 34,16 % aller Grundstücke erfasst werden. Dies ist eine noch nicht hinreichend große Anzahl von Grundstücken, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie ermöglichen würde.

48

Die Gruppe der Grundstücke, die unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung des Grundstücks von 15 m eine bauliche Nutzung zwischen 45 und 50 Metern aufweist, beträgt 8,93 %. Zieht man unter Einbeziehung dieser Gruppe die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 Metern, wären 70,09 % aller Grundstücke erfasst. Dies ist eine Zahl, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie zulässt. Dafür spricht zudem die Tatsache, dass die durchschnittliche bauliche Nutzung der Grundstücke unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung in dieser Gruppe liegt (46,58 %).“

49

Auf der Basis der Ermittlungen der Bebauungstiefe und der vorstehenden Erwägungen des Wasserzweckverbandes ist ein justitiabler Ermessensfehler bei der Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie auf 50 m nicht feststellbar.

50

Wie bereits ausgeführt geht es bei der Frage der Ortsüblichkeit nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe. Da es zwangsläufig auch Grundstücke mit nicht üblichen Bebauungstiefen gibt, die also nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen, kann für die Annahme der Ortsüblichkeit eine zahlenmäßig ausreichend große Gruppe von Grundstücken maßgeblich sein, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen.

51

Betrachtet man hiervon ausgehend und auf der Grundlage der Übersicht „Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie / Zusammenfassung Bebauungstiefe im unbeplanten Innenbereich“ einen Korridor der tatsächlichen Bebauungstiefe von 21 bis 50 m bzw. – nach Addition der ortsüblichen bauakzessorischen Nutzung – von 36 bis 65 m, also etwa 15 m unter- und oberhalb der normierten Tiefenbegrenzungslinie, lässt sich feststellen, dass mit diesem Korridor eine Gruppe von knapp 56 % aller Grundstücke erfasst ist. Es erscheint nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Wasserzweckverband in diesem Bereich eine im vorstehenden Sinne zahlenmäßig ausreichend große Gruppe von Grundstücken, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, verortet hat. Das gilt insbesondere mit Blick auf das ihm für die Festsetzung der Tiefenbegrenzung zustehende normgeberische und weit zu verstehende Ermessen.

52

Auch die Begründung der Beschlussvorlage benennt Kriterien, die entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts geeignet sind, die konkret bei 50 m festgelegte Tiefenbegrenzung ermessensfehlerfrei abzusichern. Insbesondere durfte der Wasserzweckverband auch die durchschnittliche Bebauungstiefe berücksichtigen, die er im Ergebnis seiner Untersuchungen festgestellt hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Berechnung einer solchen durchschnittlichen Bebauungstiefe – wie vorliegend mit 5.038 Grundstücken – eine hinreichend große Zahl von Grundstücken zugrunde liegt. Denn damit werden jedenfalls „Ausreißer“ weitgehend nivelliert. Dass die durchschnittliche Bebauungstiefe einen Bezug zur ortsüblichen Bebauungstiefe aufweist, ist aus Sicht des Senats offensichtlich: Je mehr Grundstücke in einem Bereich bebaut sind, der als ortsüblich qualifiziert werden kann, umso eher wird auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in diesem Bereich liegen, jedenfalls dann, wenn eine hinreichend große Zahl von Grundstücken in die Betrachtung einbezogen wird. Nicht unplausibel ist auch der diesbezügliche Vortrag des Beklagten, die durchschnittliche Bebauungstiefe erlaube die Kontrolle, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage hielten, d.h. also, ob die Anzahl der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, der Anzahl der Grundstücke in etwa entspreche, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende. Für diese Ausgewogenheit habe die durchschnittliche Bebauungstiefe Aussagekraft. Die durchschnittliche Bebauungstiefe kennzeichne nämlich die Linie, bei der sich die Anzahl der Grundstücke, deren bauliche Ausnutzbarkeit diesseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, mit der Anzahl der Grundstücke, deren bauliche Ausnutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, decke. Insoweit sei – zumindest als Kontrollüberlegung – eine Bezugnahme auf die durchschnittliche Bebauungstiefe durchaus zulässig. Schließlich hat auch der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 14. September 2010 – 4 K 12/07 – (juris, vgl. Rn. 83) den Gesichtspunkt der durchschnittlichen Bebauungstiefe im Kontext des Erfordernisses der Üblichkeit der Bebauungstiefe als relevant erwähnt.

53

Ebenfalls als nicht ermessensfehlerhaft erweist sich die Berücksichtigung des Umstandes, dass mit der Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m immerhin 70,09 % aller Grundstücke – in dem Sinne, dass dort ihre Bebauung spätestens endet – erfasst würden und dies eine Zahl sei, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit noch eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zulässige Typisierung durch eine Tiefenbegrenzungslinie zulasse. Auch dieser Aspekt ist im vorerwähnten Urteil des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts angesprochen worden. Er wird dem Umstand gerecht, dass aus einer ortsüblichen Bebauungstiefe als Basis der Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie zugleich folgt, dass das Eingreifen der Tiefenbegrenzungsregelung nicht der Regelfall sein kann. Wäre dies anders, läge darin ein Anhaltspunkt dafür, dass die ortsübliche Bebauungstiefe nicht korrekt ermittelt worden ist. In diese Richtung zielt auch das Vorbringen des Beklagten, zur Vorteilsgerechtigkeit gehöre, ausreichend Flächen heranzuziehen, um den Beitragssatz möglichst gering zu halten. Vor diesem Hintergrund halte er es für vorteilsgerecht, wenn die Tiefenbegrenzungslinie bei 50 m unter Berücksichtigung der bauakzessorischen Nutzung 70,09 % der untersuchten Grundstücke mit der Folge erfasse, dass lediglich bei 30 % der untersuchten Fälle die bauliche Nutzbarkeit jenseits der Tiefenbegrenzungslinie ende, und habe unter Ausnutzung des ihm zustehenden weiten Ermessens angenommen, dass an dieser Stelle ein Regel-Ausnahmeverhältnis durchaus angemessen sei und angenommen werden könne. Auch diese Erwägungen erscheinen jedenfalls nicht unplausibel.

54

Das Verwaltungsgericht kann seinerseits nicht überzeugend darlegen, warum die 50 m-Linie ermessensfehlerhaft sein soll. Ihm ist zuzugeben, dass die Tiefenbegrenzungslinie möglicherweise auch anders, z. B. bei 45 m hätte gezogen werden können. Selbst wenn man aber unterstellen wollte, dies wäre „richtiger“ gewesen, könnte dies nicht ohne weiteres damit gleichgesetzt werden, dass die 50 m-Linie vom Zweckverband ermessensfehlerhaft bzw. handgreiflich „falsch“ festgelegt worden wäre. Mit seinen Überlegungen zur Berücksichtigungsfähigkeit einzelner Messreihen beachtet das Verwaltungsgericht den diesbezüglich weiten Ermessensspielraum des Wasserzweckverbandes nicht im ausreichenden Maße.

55

2. Soweit die Klägerin weiter geltend macht, fehlerhaft sei auch die Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche, liegt auch kein Rechtsanwendungsfehler vor.

56

Die Klägerin meint, es könne lediglich die Fläche herangezogen werden, die an die Straße angrenze. Der Beklagte gehe demgegenüber fehlerhaft von einer Grundstücksfläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele aus. Selbst bei Anwendung der Tiefenbegrenzung würde die Fläche nur 939,39 m² betragen, da sich die Parallele an dem Verlauf der Straße orientieren müsse, die an der Ecke zum Nachbarflurstück 45/5 abknicke.

57

Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung satzungskonform. Der Wortlaut der Bestimmung gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 B. c) WAgS gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die berücksichtigungsfähige Fläche – auch – durch eine vom Endpunkt der Grundstücksstraßengrenze ausgehenden gedachten Senkrechten zur Straße zu begrenzen wäre. Der Wortlaut – „die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen“ – führt vielmehr zwanglos auf das Normverständnis des Beklagten, die gesamte Grundstücksfläche zwischen diesen Parallelen zu berücksichtigen, auch wenn im rückwärtigen Bereich Flächen erfasst werden, die ihrerseits nicht mehr „auf der Höhe“ der Grundstücksgrenze bzw. zwischen den beiden Endpunkten der Grundstücksstraßengrenze lägen sich also das Grundstück im rückwärtigen Bereich verbreitert. Systematisch wird das Normverständnis des Beklagten auch dadurch gestützt, dass nach der Tiefenbegrenzungsregelung bei Grundstücken, die nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen als Grundstücksfläche gilt. Auch dort ist offensichtlich die berücksichtigungsfähige Fläche nicht auf die Breite des betreffenden Weges beschränkt. Schließlich erschiene es vorteilswidrig, dergleichen rückwärtige Flächen unberücksichtigt zu lassen, wenn ihre bauliche Nutzung gerade ortsüblich ist. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, einen Unterschied zwischen der auf der einen und der auf der anderen Seite der gedachten Senkrechten liegenden Fläche zu machen. Die hilfsweise Argumentation der Klägerin, jedenfalls müsse sich die Parallele auf der gesamten Breite ihres Grundstücks am Verlauf der Straße orientieren, überzeugt ebenfalls nicht. Auch insoweit ist der Wortlaut der Bestimmung eindeutig, wonach die Parallele zur jeweiligen Straßengrenze zu ziehen ist. Die Parallele wird folglich nur zu der konkret vorhandenen Straßengrenze gezogen. Soweit das Grundstück der Klägerin im rückwärtigen Bereich über diese konkrete Grenze hinaus eine der Straße zugewandte Grundstücksseite aufweist, grenzt es gerade nicht an die Straße an. Die weitere Regelungsalternative der Tiefenbegrenzungsbestimmung – „bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen“ – ist jedenfalls im Hinblick auf das Grundstück der Klägerin nicht einschlägig, ebenso wenig die Regelung für Eckgrundstücke. Soweit der Abwasserbeseitigungszweckverband Tollensesee möglicherweise einer gleichlautenden Bestimmung ein anderes Normverständnis zugrunde legt, ist dies vorliegend rechtlich nicht von Bedeutung.

58

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

59

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

60

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 24. Februar 2012 (3 A 1484/10) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Schmutzwasserbeitragsbescheid des Beklagten.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des 386 qm großen, in der Gemarkung D-Stadt gelegenen Grundstückes mit der katasteramtlichen Bezeichnung Flur ..., Flurstück .../.... Der Beklagte veranlagte die Klägerin mit Bescheid vom 12. Februar 2009 (Nr. ...) auf der Grundlage der Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung-Festland Wolgast vom 19. Juni 2006 (SBS 2006) zu Anschlussbeiträgen für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in Höhe von 848,24 Euro. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 12. November 2010, zugestellt am 16. November 2010 zurück. Die Verjährungsfrist für die Festsetzung des Beitrages sei nicht abgelaufen gewesen. Nach § 9 Abs. 3 KAG MV komme es für das Entstehen der sachlichen Beitragspflichten auf das Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung des Verbandes an. Das sei die Beitragssatzung vom 19. Juni 2006. Die zuvor erlassenen Satzungen seien allesamt unwirksam gewesen.

3

Die Klägerin hat am 15. Dezember 2010 Klage vor dem Verwaltungsgericht Greifswald (3 A 1484/10) erhoben. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Beitragsforderung sei verjährt. Die Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung sei schon 1999 fertig gestellt und das Grundstück anschließbar gewesen. Es sei im Zusammenhang mit der Verjährung nicht zulässig, sich auf das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung zu berufen.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Februar 2012 abgewiesen. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sei die Schmutzwasserbeitragssatzung vom 19.06.2006 i.d.F. der 3. Änderungssatzung v. 09.08.2011. Die Satzung sei wirksam. Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Das einschlägige Satzungsrecht sei bis zur Schaffung der 3. Änderungssatzung zur Schmutzwasserbeitragssatzung v. 19.06.2006 nicht wirksam gewesen. Bis dahin habe die Festsetzung der qualifizierten Tiefenbegrenzung nicht auf einer sachgerechten Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet beruht. Die Tiefenbegrenzung nach § 4 Abs. 2 f) SBS 2006 sei nunmehr ordnungsgemäß kalkuliert worden. Dabei sei es zulässig gewesen, dass der Beklagte die Grundstücke, die im Geltungsbereich einer Abrundungs- oder Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 BauGB liegen, bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe insgesamt unberücksichtigt gelassen habe. Nur solche Grundstücke könnten maßstabsbildend sein, die von der Maßstabsregel selbst betroffen seien. Für die genannte Grundstücksgruppe sehe aber § 4 Abs. 2 f) SBS 2006 einen Vorrang der in einer Abrundungs- oder Klarstellungssatzung festgesetzten Grenze gegenüber der Tiefenbegrenzungslinie mit der Folge vor, dass Grundstücke, die ganz oder teilweise im Geltungsbereich einer solchen Satzung liegen, von § 4 Abs. 2 d) Satz 1 SBS 2006 nicht erfasst werden. Die Zulässigkeit einer Tiefenbegrenzung sei unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt. Würde man Grundstücke im Bereich von Abrundungs- oder Klarstellungssatzungen in die Ermittlungen einbeziehen, wären diese im Rahmen der Flächenermittlung in zweifacher Weise zu berücksichtigen, zum einen unmittelbar mit ihrem tatsächlichen Flächenanteil im Innenbereich und mittelbar mit ihrer ortsüblichen Bebauungstiefe für die metrische Festsetzung der Tiefenbegrenzungslinie in § 4 Abs. 2 f SBS 2006. Dies sei mit dem Vereinfachungsgedanken nicht zu vereinbaren.

5

Das Verwaltungsgericht hat wegen der Frage, ob bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse und der ortsüblichen Bebauungstiefe auch solche Grundstücke zu berücksichtigen seien, die im Geltungsbereich einer Abrundungs- oder Klarstellungssatzung liegen, die Berufung zugelassen. Diese Frage habe grundsätzliche Bedeutung.

6

Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 01. März 2012 zugestellt worden. Die Klägerin hat mit am 30. März 2012 bei dem Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz gegen das Urteil Berufung eingelegt. Mit am 30. April 2012 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat sie die Berufung unter Stellung eines Berufungsantrages begründet.

7

Sie vertritt weiterhin den Standpunkt, im vorliegenden Falle sei die Beitragsforderung bei ihrer Festsetzung durch den angefochtenen Bescheid vom 12. Februar 2009 verjährt gewesen. Auf die erste wirksame Beitragssatzung könne es nicht ankommen. Dies widerspreche jeglichen Verjährungsgrundsätzen. Eine solche Verfahrensweise sei im Zivilrecht undenkbar.

8

Die Klägerin beantragt,

9

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 24. Februar 2012, Az. 3 A 1484/10, abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 2009 (Bescheidnr. ...) und den Widerspruchsbescheid vom 12. November 2010 aufzuheben,

10

sowie,

11

die Revision zuzulassen.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Er tritt den Ausführungen der Klägerin entgegen und hält das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend. Die in der Beitragssatzung normierte Tiefenbegrenzung sei zulässig, was umfangreich begründet wird.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

17

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin gegen den Beitragsbescheid des Beklagten vom 12. Februar 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 12. November 2010 zu Recht abgewiesen. Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

18

Die Klägerin hat mit ihrem gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides erhobenen Haupteinwand keinen Erfolg, die Festsetzungsverjährungsfrist sei im Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides abgelaufen gewesen. Es ist in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren geklärt, ständige Rechtsprechung der mit dem Abgabenrecht beschäftigten Senate sowie seit dem 31. März 2005 in Mecklenburg-Vorpommern nach § 9 Abs. 3 KAG auch ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass im Anschlussbeitragsrecht die sachliche Beitragspflicht frühestens in dem Zeitpunkt entstehen kann, zu dem eine wirksame Beitragssatzung erlassen worden ist. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen, die die Klägerin nicht in Zweifel gezogen und die zu hinterfragen der Senat keinen Anlass hat, hat der Beklagte erstmals mit der 3. Änderungssatzung vom 09.08.2011 eine gültige Satzungsgrundlage geschaffen. Erst mit Inkrafttreten dieser Satzung (nach Artikel 2 der 3. Änderungssatzung vom 09.08.2011 rückwirkend zum 06.07.2010) sind daher die Beitragspflichten entstanden. Der von der Klägerseite erhobene Verjährungseinwand geht daher fehl, die Festsetzungsfrist gemäß § 12 Abs. 2 KAG M-V ist vom Beklagten gewahrt worden.

19

Der Wirksamkeit der Satzung steht nicht entgegen, dass der Beklagte im Zusammenhang mit der Festsetzung der („qualifizierten“) Tiefenbegrenzungslinie nach § 4 Abs. 2 d) SBS 2006 bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe keine Grundstücke berücksichtigt hat, die in den Geltungsbereich einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB (Klarstellungssatzung, Ergänzungssatzung) fallen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass es dem einer Tiefenbegrenzung im Anschlussbeitragsrecht zugrundeliegenden Gedanken der Verwaltungsvereinfachung (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 - 4 K 12/07 -, juris, Rn. 76) widerspräche, wenn solche Grundstücke bei der Betrachtung der ortsüblichen Bebauungstiefe (mit-) berücksichtigt werden müssten. Die Tiefenbegrenzungsregelung erfüllt den Zweck, dass die abgabenerhebende Körperschaft bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich liegen, keine exakte, metergenaue und fehleranfällige Einzelfallbewertung des beitragsrelevanten, im baurechtlichen Innenbereich liegenden Grundstücksteils vornehmen muss (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 - 4 K 12/07 -, a.a.O.). Dies trifft auch auf die Regelung nach § 4 Abs. 2 f) SBS 2006 zu, wonach bei Grundstücken im Geltungsbereich einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB die Satzungsgrenze der Tiefenbegrenzungslinie vorgeht. Auch hier ist keine grundstücksbezogene Einzelfallermittlung der Ausdehnung des baurechtlichen Innenbereiches (mehr) erforderlich. Es unterfällt daher dem Spielraum des Satzungsgebers, bei der ihm obliegenden Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Satzungsgebiet (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 - 4 K 12/07 -, juris, Rn. 77) die von einer baurechtlichen Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB erfassten Grundstücke bei der Betrachtung der üblichen Bebauungstiefe aus Vereinfachungserwägungen unberücksichtigt zu lassen. Anderenfalls müsste er zur Bildung der Tiefenbegrenzungsregel Grundstücke hinsichtlich ihrer Bebaubarkeit einzelfallbezogen bewerten, für deren Veranlagung er zulässigerweise auf eine allgemeine Regel in Form einer Satzungsgrenze zurückgreifen darf. Das würde die Anforderungen an die Ermessensausübung des Satzungsgebers im vorliegenden rechtlichen Zusammenhang überdehnen.

20

Zudem kann - jedenfalls grundsätzlich und im vorliegenden Fall gibt es keine anderslautenden Anhaltspunkte - auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Außerachtlassung der o.g. Grundstücke zu einer Verschiebung der ortsüblichen Bebauungstiefe in die eine oder andere Richtung führte. Es ist nicht ersichtlich, dass die in den baurechtlichen Satzungen festgelegte Grenze in besonderem Maße tief bebaute Grundstücke oder im Gegenteil vorzugsweise weniger tief bebaute Grundstücke erfasste. Ein Zusammenhang zwischen der Bebauungstiefe einzelner Grundstücke und der Existenz baurechtlicher Klarstellungs- bzw. Ergänzungssatzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB besteht nicht. Darf zudem der Satzungsgeber bei Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe seine Untersuchung der örtlichen Verhältnisse auf repräsentative Lagen beschränken (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 - 4 K 12/07 -, juris, Rn. 78), und muss er mithin nicht alle Grundstücke im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung untersuchen, so ist es ihm nicht verwehrt, Grundstücke bei der Ermittlung der Tiefenbegrenzung außer Betracht zu lassen, die im Geltungsbereich der o.g. Satzungen liegen.

21

Die Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung-Festland Wolgast vom 19. Juni 2006 i.d.F. ihrer 3. Änderungssatzung vom 09. August 2011 ist auch nicht etwa deshalb zu beanstanden, weil § 4 Abs. 2 d) SBS 2006 eine Tiefenbegrenzung (nur) für Grundstücke vorsieht, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegen. Zwar vertritt das Verwaltungsgericht Greifswald unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung, dass eine auf „Randlagengrundstücke“ beschränkte Tiefenbegrenzung im Anschlussbeitragsrecht unzulässig sei. Eine in diesem Sinne „qualifizierte“ Tiefenbegrenzung sei nach der neueren Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern nicht zulässig (so VG Greifswald, Urt. v. 15.11.2012 - 3 A 684/10 -, juris). Dieser Auffassung folgt der Senat aber nicht. Soweit das Verwaltungsgericht die Senatsrechtsprechung in diesem Sinne versteht, handelt es sich um eine Fehl- bzw. Überinterpretation einer Entscheidung, die Aussagen zu der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit von „schlichten“ oder „qualifizierten“ Tiefenbegrenzungen nicht getroffen hat.

22

Der Senat hat in dem von dem Verwaltungsgericht angesprochenen Urteil (OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 - 1 L 289/11 -, a.a.O.) - ebenso wie in zahlreichen anderen Entscheidungen und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des früheren 4. Senates des Oberverwaltungsgerichts Greifswald (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 - 4 K 12/07 -, juris) - die grundsätzliche Zulässigkeit einer Tiefenbegrenzung im Anschlussbeitragsrecht und ihre Bedeutung im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip betont. Die beitragsrelevanten Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG MV in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Darauf hat der Senat im Urteil vom 10. Oktober 2012 hingewiesen. Die Normierung einer Tiefenbegrenzung liegt im Ermessen des Satzungsgebers. Sie ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Fehlt sie in einer Beitragssatzung, d.h. verzichtet der Satzungsgeber auf dieses Instrument der Verwaltungsvereinfachung, sind in jedem Einzelfall die örtlichen Grundstücksverhältnisse zu betrachten und der Kalkulation des Beitragssatzes sowie der Heranziehung der einzelnen Grundstückseigentümer zugrundezulegen (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 - 4 K 12/07 -, Rn. 87). Ebenso wie der Satzungsgeber zu bestimmten der Verwaltungsvereinfachung und –praktikabilität dienenden pauschalierenden Tiefenbegrenzungen befugt ist, ist es ihm aus rechtlichen Gründen nicht untersagt, eine Tiefenbegrenzung nur für Grundstücke vorzusehen, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegen („qualifizierte“ bzw. „spezielle“ Tiefenbegrenzung), die sich jedoch auf vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke nicht erstreckt. Dies ist bereits in der Grundsatzentscheidung des 4. Senates des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 04. Juni 2004 (4 K 38/02, juris, Rn. 115) auch mit Blick auf weitere obergerichtliche Rechtsprechung als unstreitig bezeichnet worden. Der Effekt der Verwaltungsvereinfachung bzw. –praktikabilität tritt dann (im Falle einer qualifizierten Tiefenbegrenzung) bei der Gruppe der sog. „Übergangsgrundstücke“ bzw. „Randlagengrundstücke“ ein. Die Frage der zu berücksichtigenden beitragspflichtigen Grundstücksflächen bei sog. „zentralen Innenbereichsgrundstücken“ beantwortet sich in diesem Fall auf Grundlage einer Einzelbetrachtung der jeweiligen Grundstücksverhältnisse. Gesetzliche Maßgaben, die dem entgegenstünden, bestehen nicht.

23

Wenn das Verwaltungsgericht aus dem Urteil des Senates vom 10. Oktober 2012 auf die Unzulässigkeit der qualifizierten Tiefenbegrenzung schließt, weil – so das Verwaltungsgericht – diese dazu führte, dass übertiefe, vollständig im unbeplanten Innenbereich liegende Grundstücke im Widerspruch zum Vorteilsprinzip regelmäßig vollständig berücksichtigt werden müssten (VG Greifswald, Urt. v. 15.11.2012 - 3 A 684/10 -, juris, Rn. 19), so ist ein solcher Schluss nicht gerechtfertigt. Nicht die Normierung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung für Grundstücke in der Übergangszone vom unbeplanten Innen- zum Außenbereich muss zu einer bestimmten rechtlichen Betrachtung der beitragsrelevanten Grundstücksfläche bei zentralen Innenbereichsgrundstücken, d.h. mit der Sicht des Verwaltungsgerichts Greifswald zu einer unter Umständen nicht mehr vorteilsgerechten Anrechnung der gesamten Grundstücksfläche von zentralen Innenbereichsgrundstücken führen. Dies geschähe vielmehr aufgrund der einschlägigen Satzungsregelung, die bestimmt, in welchem Umfang die Fläche dieser Grundstücke als beitragsrelevante Grundstücksfläche anzusehen ist. Das ist im vorliegenden Falle die Regelung des § 4 Abs. 2 c) SBS 2006. Danach gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein B-Plan besteht und die vollständig innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen, die Gesamtfläche des Grundstücks.

24

Ordnet diese Maßstabsregelung bei zentralen Innenbereichsgrundstücken an, dass als nach § 4 Abs. 1 SBS 2006 „bevorteilte Grundstücksfläche“ die Gesamtgrundstücksfläche gilt, so ist das grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein in vollem Umfang im unbeplanten Innenbereich liegendes Grundstück hat grundsätzlich in vollem Umfange Baulandqualität (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 04.06.2004 - 4 K 38/02 -, juris, Rn. 115). Daraus folgt auch, dass es keinen Gleichheitsverstoß darstellt, die Tiefenbegrenzung auf den „Übergangsbereich“ zu beschränken und nicht auf vollständig im Innenbereich belegene Grundstücke („zentrale Innenbereichsgrundstücke“) zu erstrecken. Für die Grundstücke im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich kann regelmäßig angenommen werden, dass eine Teilfläche der Grundstücke jeweils dem Außenbereich zuzuordnen, folglich grundsätzlich nicht bebaubar und insoweit nicht bevorteilt ist. Für die Grundstücke, die vollständig im Innenbereich liegen, kann demgegenüber – wie gesagt – grundsätzlich von ihrer vollständigen Bebaubarkeit ausgegangen werden. Beide Fallgruppen sind damit in wesentlicher Hinsicht ungleich gelagert und dürfen (nicht: müssen) infolgedessen ohne Gleichheitsverstoß auch unterschiedlichen Regelungen unterzogen werden. Die Rechtmäßigkeit einer Maßstabsregelung wie § 4 Abs. 2 c) SBS 2006 hängt sodann nicht davon ab, ob die Bestimmung ordnungsgemäß theoretische Fallkonstellationen behandelt. Es kommt vor dem Hintergrund des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit vielmehr darauf an, ob die Vorschrift die im Veranlagungsgebiet vorkommenden praktisch relevanten Anwendungsfälle rechtmäßig regelt oder aber, ob es Fälle übertiefer, hinsichtlich ihrer hinteren von der Straße abgewandten Teilflächen nicht mehr bevorteilter Grundstücke gibt, die die Vorschrift womöglich nicht rechtmäßig erfasst. Auf diese Überlegung haben die Abgabensenate des Oberverwaltungsgerichts bereits in verschiedenen früheren Entscheidungen abgestellt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 24.04.2013 - 4 K 1/10 -, juris, Rn. 71; Urt. v. 03.05.2011 - 1 L 59/10 -, juris, Rn. 101; Urt. v. 14.09.2010 - 4 K 12/07 -, a.a.O., Rn. 44; Beschl. v. 03.05.2005 - 1 L 268/03 -, Beschlussabdruck, S. 18).

25

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

26

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

27

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 14. August 2007 - 3 A 2017/05 - geändert:

Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 28. Juni 2005 - Schmutzwasser - (Bescheid-Nr. ...) und der Widerspruchsbescheid vom 31. August 2005 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Klägers abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Klägers zu einem Anschlussbeitrag.

2

Der Kläger ist Eigentümer des aus dem Flurstück ..., Flur ..., Gemarkung ..., bestehenden und als Campingplatz genutzten Grundstücks mit einer Größe von 60.700 m². Das Grundstück liegt im Außenbereich der Gemeinde ... .

3

Auf dem Grundstück befindet sich ein Teil eines Pumpwerks des Wasserzweckverbandes Strelitz. Dieses Pumpwerk ist Teil einer Reihe von Pumpwerken entlang der Leitung bis zur Kläranlage und aufgrund der örtlichen Verhältnisse für die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage erforderlich. In dem Pumpwerk ist ein Abzweig vorgesehen, an den eine Hausentwässerungsleitung vom Grundstück des Klägers angeschlossen werden könnte. Ein Übergabeschacht existiert nicht. Unter den Beteiligten ist streitig, ob das Pumpwerk mit dem Einverständnis des Klägers errichtet worden ist.

4

Das auf dem Grundstück anfallende Abwasser wird dort in einer abflusslosen Grube gesammelt, die durch die Firma St... Mecklenburg-Vorpommern GmbH (....) entleert wird. Zwischen Pumpwerk und Sammelgrube besteht keine Verbindung.

5

Unter dem 03. August 1999 - Az. .... - wurde dem Kläger für "Umbau und Sanierung von Lagerhallen mit Nutzungsänderung - 3 Wohnungen mit Stellplätzen, Rezeption, Verkauf, Bistro - Sanitärgebäude I bis II" eine Baugenehmigung gestützt auf § 33 BauGB erteilt. Die insoweit ursprünglich zugrunde liegenden Planungen im Zusammenhang mit einem Vorhaben- und Erschließungsplan D 02/95 ("Ferien-und Freizeitanlage der F. M. am R.see des Herrn M.") sind zwischenzeitlich aufgegeben worden.

6

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Juni 2005 über die Festsetzung des Beitrages für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasseranlage im technischen Entsorgungsgebiet der Stadt Mirow und der Gemeinde Roggentin - Schmutzwasser - (Bescheid-Nr. ...) zog der Beklagte den Kläger zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 44.584,16 heran. In seiner Begründung wird darauf verwiesen, dass das Grundstück im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplanes D 02/95 liege und mit Fertigstellung der öffentlichen Abwasseranlage in F. die Beitragspflicht entsprechend § 7 der Abwasserabgabensatzung entstanden sei. Als Grundstücksfläche gelte nach §4 Abs. 1 Pkt. I der Abwasserabgabensatzung bei Campingplätzen die Gesamtfläche der ausgewiesenen Stellplätze zuzüglich der Grundfläche der errichteten Baulichkeit, geteilt durch die Grundflächenzahl 0,3, höchstens die tatsächliche Grundstücksfläche.

7

Am 27. Juli 2005 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2005 zurückwies.

8

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 30. September 2005 erhobenen Anfechtungsklage gewandt. Zu deren Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, die Beitragssatzung sei fehlerhaft. Sogenannte altgeschlossene Grundstücke würden nicht berücksichtigt. Auch die Rechtsanwendung sei fehlerhaft. Sein Grundstück unterliege als Außenbereichsgrundstück nicht der Beitragspflicht. Es sei unzulässig, dass für die Beitragsermittlung die gesamte Grundstücksfläche ohne jede Differenzierung in Ansatz gebracht worden sei.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Bescheid des Beklagten vom 28.06.2005 - .... - in der Gestalt seines Widerspruchbescheides vom 31.08.2005 aufzuheben.

11

Der Beklagte hat den angegriffenen Bescheid verteidigt und beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unbegründet, der angegriffene Beitragsbescheid rechtmäßig. Er finde seine wirksame Rechtsgrundlage in der Abwasserabgabensatzung (AAS) vom 23. März 2004 in Verbindung mit der Beitrags- und Gebührensatzung (BGS) vom 09. Juni 2004. Dabei sei unbedenklich, dass nach § 5 AAS die Beitragssätze für die Herstellung nach technischen Entsorgungsgebieten in einer gesonderten Satzung festgesetzt worden seien. Die Maßstabsregelung gemäß § 4 Abs. 4 Abschnitt I Abs. 1 Buchst. a - c AAS sei nicht zu beanstanden. Die Bestimmung in § 4 Abschnitt I Abs. 1 Satz 5 AAS sei zwar fehlerhaft. Wenn danach eine Geschosszahl wegen der Besonderheiten des Bauwerks nicht feststellbar sei, würden bei industriell genutzten Grundstücken je angefangene 3,50 m und bei allen in anderer Weise baulich oder gewerblich genutzten Grundstücken jeweils volle 2,60 m des Bauwerks als ein Vollgeschoss gerechnet. Die Bestimmung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Allerdings führe der Fehler nicht zur Nichtigkeit der Abwasserabgabensatzung insgesamt, denn für die Vorschrift gebe es keinen praktischen Anwendungsbereich. Keinen Bedenken unterliege die Regelung des § 4 Abschnitt I Abs. 2 Buchst.c Satz 2 AAS, wonach im Falle eines Eckgrundstücks die Tiefenbegrenzung des Satzes 1 Buchst. c in jede Richtung der vorhandenen Anbaustraßen aus zu ziehen sei. Die Bestimmung regele die Frage, von wo aus die Tiefenbegrenzungsregelung zur Anwendung komme, wenn ein Grundstück an zwei Verkehrsanlagen angrenze. Dass in diesen Fällen von beiden Verkehrsanlagen aus gemessen werde, führe bei Eckgrundstücken - sachgerecht - nicht zu einer Flächenreduzierung, sondern zu einer Flächenausweitung. Weiter beruhe der in § 1 Abs. 1 BGS normierte Beitragssatz für die zentrale öffentliche Abwasserbeseitigung von 10,23 /m² auf einer gültigen Kalkulation. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Kalkulation sogenannte altangeschossene Grundstücke nicht berücksichtigt worden seien.

14

Die Rechtsanwendung durch den Beklagten sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger meine, sein Grundstück unterliege nicht der Beitragspflicht, weil es nicht an die zentrale Abwasseranlage angeschlossen sei, treffe dies nicht zu. Nach § 7 Abs. 1 AAS entstehe die (sachliche) Beitragspflicht mit der betriebsfertigen Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasseranlage (Schmutz- bzw. Niederschlagswasser) vor dem Grundstück einschließlich der Fertigstellung des Grundstücksanschlusses bis zur Grundstücksgrenze. Diese Voraussetzungen seien unstreitig seit der Herstellung des Pumpwerkes auf dem klägerischen Grundstück erfüllt. Auf das Vorliegen eines Hausanschlusses komme es in diesen Zusammenhang ebensowenig an wie auf die Frage, ob der Zweckverband das Pumpwerk auf dem Grundstück des Klägers habe errichten dürfen. Allerdings könne nach § 7 Abs. 1 AAS die Beitragspflicht nur bei solchen Grundstücken entstehen, die auch (abstrakt) der Beitragspflicht unterlägen. Hierzu bestimme § 3 Abs. 1 AAS, dass grundsätzlich nur Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen (Buchst. a) beziehungsweise im unbeplanten Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB (Buchst. b) der Beitragspflicht unterlägen, denn bei diesen Grundstücke handele es sich um Bauland. Grundstücke im Außenbereich unterlägen in der Regel dagegen nicht der Beitragspflicht, weil sie in der Regel baulich nicht genutzt werden dürften. Eine Ausnahme gelte jedoch für bebaute Außenbereichsgrundstücke. Werde ein solches Grundstück an die zentrale Abwasseranlage tatsächlich angeschlossen, so unterliege es gemäß § 3 Abs. 2 AAS der Beitragspflicht danach auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind. Auch diese Bestimmung stelle nach ihrem eindeutigen Wortlaut - Anschluss des Grundstücks - auf die Herstellung des Grundstücksanschlusses und nicht erst auf die Herstellung des Hausanschlusses ab. Eine gegenteilige Auslegung verbiete sich. Von einem Anschluss der sich auf dem Grundstück befindlichen Gebäude an die zentrale Abwasseranlage sei in § 2 Abs. 8 Buchst. a Abwasserbeseitigungssatzung (ABS) nicht die Rede. Auch die Maßstabsregelung in § 4 Abschnitt I Abs. 2 Buchst. g Satz 1 AAS erlaube den Schluss, dass § 3 Abs. 2 AAS nicht auf das Vorliegen eines Hausanschlusses abstelle. Denn die Unterscheidung zwischen "anzuschließenden" bzw. "angeschlossenen" Baulichkeiten wäre sonst überflüssig. Außenbereichsgrundstücke, die ausnahmsweise baulich genutzt werden, würden durch die Abwasseranlage prinzipiell genauso bevorteilt wie Baugrundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen bzw. im unbeplanten Innenbereich, da auch auf diesen Grundstücken Abwasser anfalle. Allerdings ziehe § 3 Abs. 2 AAS den Kreis der zu berücksichtigenden Grundstücke enger als § 3 Abs. 1 AAS. Denn maßgebend sei nicht nur eine bauliche Nutzung des Grundstücks; hinzukommen müsse das Vorhandensein eines Grundstücksanschlusses. Allein auf die bauliche Nutzung dürfe der Ortsgesetzgeber aus Vorteilsgesichtspunkten nicht abstellen, denn bei einem bebauten Außenbereichsgrundstück bestehe immer das Risiko, dass die Baulichkeiten vor der Herstellung des Grundstücksanschlusses zerstört würden und das Grundstück nur im Rahmen des nach § 35 BauGB Zulässigen - also in der Regel nicht - wieder bebaut werden dürfe. Der Ortsgesetzgeber sei nicht dazu gezwungen, nur die Grundstücke im Außenbereich der Beitragspflicht zu unterwerfen, deren Baulichkeiten tatsächlich angeschlossen seien. Nach allgemeiner Lebenserfahrung könne davon ausgegangen werden, dass bei einem bebauten Außenbereichsgrundstück nach der Herstellung des Grundstücksanschlusses auch die Hausanschlussleitung zeitnah angelegt werde. Damit sei das Risiko eines zwischenzeitlichen Untergangs der auf dem Grundstück vorhandenen Baulichkeiten vernachlässigbar gering. Es wäre mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbaren, wenn die Eigentümer von Grundstücken im Geltungsbereich von Bebauungsplänen bzw. im unbeplanten Innenbereich ohne oder sogar gegen ihren Willen der Beitragspflicht unterworfen werden könnten, es dagegen die Eigentümer bebauter Außenbereichsgrundstücke in der Hand hätten, mit der Herstellung der Hausanschlussleitung zugleich über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für ihr Grundstück zu entscheiden. Gegen diese Erwägungen könne nicht eingewandt werden, dass es die Sache des Beklagten sei, gegebenenfalls den Anschluss- und Benutzungszwang nach den §§ 5 und 6 ABS umzusetzen und auf diese Weise die Herstellung einer Hausanschlussleitung zu erzwingen. Dies wäre systemwidrig, denn bei einer solchen Betrachtungsweise würde der Unterschied zwischen Beitrags- und Gebührenrecht aufgeweicht. Für das Entstehen von Beitragspflichten sei es unerheblich, ob für ein Grundstück ein Anschlusszwang bestehe, ob dem Grundstückseigentümer ein Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zustehe oder ob die Befreiung sogar gewährt worden sei.

15

Soweit der Kläger beanstande, bei der Beitragsermittlung sei die gesamte Grundstücksfläche ohne Differenzierung in Ansatz gebracht worden, sei dieser Einwand ebenfalls unzutreffend. Denn gemäß § 4 Abschnitt I Abs. 2 Buchst. i AAS sei die Fläche der ausgewiesenen Stellplätze des Campingplatzes und die Grundfläche der dort errichteten Baulichkeiten durch die Grundflächenzahl 0,3 geteilt worden. Da der so ermittelte Betrag die Gesamtfläche des Buchgrundstücks überschreite, werde nur die tatsächliche Grundstücksfläche berücksichtigt. Diese Begrenzungsregelung sei zwar in § 4 Abschnitt I Abs. 2 Buchst. i AAS nicht ausdrücklich normiert; hierbei handele es sich aber um ein durchgehendes Prinzip der Abwasserabgabensatzung. Das Fehlen einer ausdrücklichen Begrenzungsregelung in Buchstabe i könne deshalb im Wege der Analogie korrigiert werden.

16

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am 03. September 2007 zugestellt.

17

Am 18. September 2007 hat der Kläger Berufung eingelegt.

18

Mit am 05. November 2007, einem Montag, beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat er zur Begründung ausgeführt: Sein im Außenbereich belegenes Grundstück unterliege nicht der Beitragspflicht. Das Pumpwerk, auf das das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Frage des Grundstücksanschlusses abstelle, sei ohne seine Zustimmung auf seinem Grundstück errichtet worden. Aufgrund dieser illegalen Errichtung sei er so zu stellen, als wäre die öffentliche Abwasseranlage nicht vor seinem Grundstück betriebsfertig errichtet worden. Grundstücke im Außenbereich unterlägen grundsätzlich nicht der Beitragspflicht. Eine Ausnahme gelte für bebaute Außenbereichsgrundstücke. Werde ein solches Grundstück an die zentrale Abwasseranlage tatsächlich angeschlossen, so unterliege es gemäß § 3 Abs. 2 AAS der Beitragspflicht. Weder das Grundstück selbst noch die darauf befindlichen Baulichkeiten seien tatsächlich an die zentrale Abwasseranlage angeschlossen. Er habe nach wie vor eine Sammelgrube in Betrieb, die nach Bedarf von der Firma .... geleert werde. Die gesicherte Vorteilslage sei erst begründet, wenn die vorhandenen Baulichkeiten auch tatsächlich an die öffentliche Einrichtung angeschlossen seien.

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Der Kläger beantragt,

20

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifwald vom 14. August 2007 den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2005 (Az. ...) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2005 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

23

Er trägt vor, das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Recht abgewiesen. Das klägerische Grundstück unterliege der Anschlussbeitragspflicht. Es sei nicht erforderlich, dass die auf dem Grundstück befindlichen Baulichkeiten an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen worden seien. Es sei aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht einmal erforderlich, dass das Grundstück überhaupt an die Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen sei. Vielmehr sei es ausreichend, dass - wie bei beplanten oder Innenbereichsgrundstücken - allein die Möglichkeit des Anschlusses dem Grundstück einen Vorteil gewähre. Bei bebauten Außenbereichsgrundstücken sei der Vorteil spätestens dann gegeben, wenn das Grundstück angeschlossen sei. Es obliege dann dem jeweiligen Eigentümer zu entscheiden, ob und gegebenenfalls welche Gebäude er tatsächlich an die Abwasserbeseitigungsanlage anschließe. Bereits die Anschlussmöglichkeit löse eine Anschlussbeitragspflicht aus. Dies gelte jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - die baurechtliche Situation des Außenbereichsgrundstückes hinreichend gesichert sei und damit der Baulandcharakter des Grundstücks für die Zukunft feststehe. Das klägerische Grundstück weise Baulandcharakter auf. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es seiner jetzigen Nutzung über eine bestandskräftige Baugenehmigung nach § 33 BauGB zugeführt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bewirke bereits die Anerkenntniserklärung nach § 33 BauGB, dass eine öffentliche Last auf dem Grundstück liege, die in planungsrechtlicher Hinsicht den Status des Grundstückes festlege und das Inkrafttreten des Bebauungsplanes für dieses Grundstück im praktischen Ergebnis vorverlege. Daraus folge, dass selbst dann, wenn der Bauleitplan nicht mehr zur Durchführung gelange, die baurechtliche Qualität über die Genehmigung des § 33 BauGB endgültig und dauerhaft manifestiert sei. Diese Genehmigung weise ein entsprechendes Grundstück als Grundstück mit gesicherter Bebaubarkeit im beitragsrechtlichem Sinne aus und löse die Beitragspflicht aus. Hinsichtlich der maßgeblichen Grundstücksfläche gelte, dass die auf dem Campingplatz befindlichen Baulichkeiten Auswirkungen auf das gesamte Grundstück hätten. Bei einem insgesamt als Campingplatz genutzten Grundstück habe das gesamte Grundstück, auch in den unbebauten Bereichen, einen Bezug zu den dort befindlichen Gebäuden. Zumindest dürfte das Grundstück des Klägers aber über das Pumpwerk an die Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen sein und deshalb der Beitragspflicht unterliegen. Vorliegend sei insbesondere eine Druckrohrleitung bis zur Grundstücksgrenze errichtet worden, was nach § 2 Abs. 8 Buchst. a ABS ausreichend sei; ein Übergabeschacht sei nicht in jedem Fall notwendig.

24

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.

26

Seine zulässige Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2005 über die Festsetzung des Beitrages für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasseranlage im technischen Entsorgungsgebiet der Stadt Mirow, der Gemeinde Diemitz und der Gemeinde Roggentin - Schmutzwasser - (Bescheid-Nr. ...) und den Widerspruchsbescheid vom 31. August 2005 ist begründet; der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

27

Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Beitragsbescheides im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist die Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung (Abwasserabgabensatzung - AAS) vom 23. März 2004 i.V.m. der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die zentrale öffentliche Abwasserbeseitigung im technischen Entsorgungsgebiet der Stadt Mirow, der Gemeinde Diemitz und Gemeinde Roggentin (Beitrags- und Gebührensatzung - BGS) vom 09. Juni 2004 und der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Abwasserbeseitigung (Abwasserbeseitigungssatzung - ABS) vom 23. März 2004.

28

Die Rechtsanwendung des Beklagten und hier im besonderen die Anwendung des § 3 Abs. 2 AAS ist rechtsfehlerhaft. Das Grundstück des Klägers unterliegt weder nach § 3 Abs. 1, 2 AAS der Beitragspflicht (1.), noch folgt eine solche aus dem Umstand der nach Maßgabe von § 33 BauGB erteilten Baugenehmigung (2.)

29

1. Gemäß § 3 Abs. 1 AAS unterliegen der Beitragspflicht Grundstücke, die an eine zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage des Verbandes angeschlossen werden können und für die

30

a) eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen,

31

b) eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung in dem Verband zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen.

32

Ergänzend bestimmt § 3 Abs. 2 AAS, dass ein Grundstück, das an die zentrale Abwasseranlage tatsächlich angeschlossen wird, der Beitragspflicht auch dann unterliegt, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt sind.

33

Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AAS sind - im Sinne von Absatz 2 - nicht erfüllt. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht dabei davon ausgegangen, dass § 3 Abs. 1 Buchst. a AAS Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen erfasst und § 3 Abs. 1 Buchst. b AAS solche im unbeplanten Innenbereich (vgl. auch § 4 Abs. 2 Buchst. a und c AAS). Das vom Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der mündlichen Verhandlung angedeutete Verständnis der beiden Bestimmungen dahingehend, dass sie alle - auch im Außenbereich liegende - bebauten Grundstücke beträfen und § 3 Abs. 2 AAS alle unbebauten, aber tatsächlich angeschlossen Grundstücke, findet im Wortlaut dieser Regelungen und der Systematik der Abwasserabgabensatzung keine Stütze.

34

Das bebaute Außenbereichsgrundstück des Klägers unterliegt auch nicht nach § 3 Abs. 2 AAS der Beitragspflicht. Es ist nicht im Sinne von § 3 Abs. 2 AAS tatsächlich angeschlossen worden.

35

Entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Rechtsauffassung setzt § 3 Abs. 2 AAS in Übereinstimmung mit dem anschlussbeitragsrechtlichen Vorteilsbegriff nach Maßgabe des § 7 Abs.1 i.V.m. § 9 KAG M-V für die Beitragspflicht eines bebauten Außenbereichsgrundstücks voraus, dass die auf dem Grundstück befindlichen Baulichkeiten tatsächlich an die zentrale Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen sind. Insoweit ist es zwar notwendig, aber nicht hinreichend, dass ein Grundstücksanschluss im Sinne von § 2 Abs. 8 Buchst. a ABS vorhanden ist. Da die Baulichkeiten auf dem Grundstück des Klägers nicht an die zentrale Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen worden sind, ist das Grundstück infolgedessen nicht nach § 3 Abs. 2 AAS beitragspflichtig. Der angefochtene Beitragsbescheid ist deshalb rechtswidrig.

36

Zwar ist dem Verwaltungsgericht zunächst ohne Weiteres darin zuzustimmen, dass Außenbereichsgrundstücke auch unter Berücksichtigung von § 3 Abs. 2 AAS nur dann Gegenstand der Beitragspflicht sein können, wenn sie tatsächlich bebaut sind; selbst wenn vor dem betreffenden Grundstück ein betriebsfertiger Kanal hergestellt worden ist, können unbebaute Außenbereichsgrundstücke grundsätzlich mangels einer entsprechenden Vorteilslage nicht zu einem (Schmutzwasser-)Anschlussbeitrag herangezogen werden (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 23.07.2003 - 1 M 87/03 -, NordÖR 2003, 520 - zitiert nach juris).

37

Wenn das Verwaltungsgericht jedoch meint, bebaute Außenbereichsgrundstücke würden durch die Abwasseranlage prinzipiell genauso bevorteilt wie Baugrundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen bzw. im unbeplanten Innenbereich, da auch auf diesen Grundstücken Abwasser anfalle, nach § 3 Abs. 2 AAS müsse neben der baulichen Nutzung - nur - ein Grundstücksanschluss vorhanden sein und der Ortsgesetzgeber sei nicht gezwungen, nur die Grundstücke im Außenbereich der Beitragspflicht zu unterwerfen, deren Baulichkeiten tatsächlich angeschlossen seien, vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen.

38

Die Argumentation des Verwaltungsgericht zielt im Ergebnis auf eine unzulässige Gleichsetzung der Herstellung des Grundstücksanschlusses mit dem tatsächlichem Anschluss des Grundstücks an die zentrale Abwasserentsorgungsanlage im Sinne von § 3 Abs. 2 AAS.

39

Der Schlüssel zur Beantwortung der Frage, was unter "tatsächlichem Anschluss" i. S. v. § 3 Abs. 2 AAS zu verstehen ist, liegt in einer Analyse des Verhältnisses der Absätze 1 und 2 des § 3 AAS zueinander.

40

§ 3 Abs. 1 AAS unterwirft Grundstücke unter den dort näher geregelten Voraussetzungen bereits dann der Beitragspflicht, wenn die Grundstücke an eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen werden können. Berücksichtigt man, dass zur öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage auch die Grundstücksanschlüsse gehören (§ 2 Abs. 5 Buchst. d ABS), die der Verband gemäß § 11 Abs. 3 ABS herstellen lässt und deren Herstellung im Übrigen Voraussetzung der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht gemäß § 7 Abs. 1 AAS ist, "können" Grundstücke im Sinne von § 3 Abs. 1 AAS dann angeschlossen werden, wenn der Grundstücksanschluss vor bzw. - vgl. § 11 Abs. 3 Satz 2 ABS - auf dem Grundstück hergestellt ist. Dieses "Können" ist zwingend gleichzusetzen mit der bloßen Möglichkeit, ein auf dem Grundstück befindliches Gebäude anzuschließen. Es kann sich denklogisch nicht auf die Möglichkeit des Anschlusses des Grundstücks als solches beziehen, da dieses im Sinne der Satzung mit der Herstellung des Grundstücksanschlusses bereits angeschlossen ist, dadurch die angesprochene Möglichkeit erst eröffnet wird und die sachliche Beitragspflicht entsteht. § 3 Abs. 1 AAS liegt insoweit gewissermaßen der Blickwinkel des Grundstückseigentümers zugrunde, wenn er auf Grundstücke abstellt, die angeschlossen werden "können": Aus seiner Sicht erhält er mit der Herstellung des Grundstücksanschlusses - jenseits der Bestimmungen zum Anschluss - und Benutzungszwang - die Möglichkeit, etwaige auf dem Grundstück vorhandene oder geplante Baulichkeiten anschließen zu können. Bezogen auf den Zweck, den die Herstellung des Grundstücksanschlusses verfolgt, geht es darum, dass der Grundstückseigentümer die Möglichkeit erhält, anfallendes oder ggfs. zukünftig anfallendes Abwasser der zentralen Abwasserbeseitigungsanlage zuführen zu können.

41

Wäre die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zutreffend, würde für Grundstücke, die nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AAS erfüllen, also für Außenbereichsgrundstücke bzw. Grundstücke i. S. v. § 3 Abs. 2 AAS, im Vergleich dazu kein Unterschied bestehen: § 3 Abs. 2 AAS würde dann ebenfalls die Möglichkeit, ein Gebäude an die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage anzuschließen, für die Beitragserhebung ausreichen lassen.

42

Diese Schlussfolgerung, derzufolge kein Unterschied zwischen den Tatbestandsalternativen "angeschlossen werden können" und "tatsächlich angeschlossen" bestünde, widerspricht ersichtlich der Regelungskonzeption des § 3 AAS. Der Ortsgesetzgeber hat eindeutig zwei Fallgruppen und dementsprechend unterschiedliche Voraussetzungen für die Unterwerfung von Grundstücken unter die Beitragspflicht regeln wollen, je nachdem ob sie einerseits im beplanten bzw. unbeplanten Innenbereich oder andererseits im Außenbereich liegen. Dies verbietet es, dem § 3 Abs. 2 AAS einen Inhalt zu unterlegen, der diesen Unterschied beseitigen bzw. einebnen würde. Ein solcher Unterschied wird entsprechend der Regelungskonzeption demgegenüber zwanglos gewahrt, versteht man § 3 Abs. 2 AAS zutreffend - im Sinne des Klägervorbringens - dahin, dass "tatsächlicher Anschluss" den tatsächlichen Anschluss von auf einem Außenbereichsgrundstück befindlichen Gebäuden bzw. zumindest das Zuführen von Abwasser von dem Grundstück in die zentrale Abwasseranlage voraussetzt.

43

Auch nach dem Vorteilsbegriff, wie er dem KAG M-V in den §§ 7 und 9 zugrunde liegt, reicht die bloße Anschlussmöglichkeit für auf Außenbereichsgrundstücken errichtete Gebäude nicht aus und ist § 3 Abs. 2 AAS entsprechend auszulegen. Im Außenbereich belegene Grundstücke sind grundsätzlich kein Bauland. Die bloße Anschlussmöglichkeit ist daher mit dem Risiko behaftet, dass die Baulichkeit vor ihrer tatsächlichen Anschlussnahme zerstört wird und das Grundstück dann nicht - auch nicht im Rahmen der erleichterten Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 BauGB - erneut bebaut werden darf (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 23.07.2003 - 1 M 87/03 -, NordÖR 2003, 520 - zitiert nach juris; Klausing, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 1055 i.V.m. Rn. 1032). Hinsichtlich der Begründung des anschlussbeitragsrechtlichen Vorteils kommt es folglich darauf an, ob die Baulichkeit tatsächlich angeschlossen ist (vgl. Klausing, a.a.O.; OVG Lüneburg, Urt. v. 24.05. 1989 - 9 L 1/89 -, Nds. Rpfl. 1990, 15, 16; Beschl. v. 07.04.2000 - 9 M 2373/99 -, DVBl. 2000, 1227 - zitiert nach juris; VG Magdeburg, Urt. v. 13.09.2006 - 9 A 78/06 -, juris).

44

Anders konnte - insbesondere unter Berücksichtigung der darin unmittelbar davor genannten Zitate - insoweit auch die im Beschluss des Senats vom 23. Juli 2003 - 1 M 87/03 - (a.a.O.) enthaltene Aussage

45

"... Die bloße Anschlussmöglichkeit reicht deshalb nicht aus, weil im Außenbereich belegene Grundstücke grundsätzlich kein Bauland sind. Die Anschlussmöglichkeit ist daher mit dem Risiko behaftet, dass die Baulichkeit vor der Anschlussnahme zerstört wird und das Grundstück dann nicht - auch nicht im Rahmen der erleichterten Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 BauGB - erneut bebaut werden darf. ..."

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letztlich bei verständiger Würdigung nicht verstanden werden. Hätte der Senat danach nämlich bereits die Herstellung des Grundstücksanschlusses bzw. den Anschluss des Grundstücks als solches für ausreichend erachtet, machte die Verwendung des Begriffs der Anschlussmöglichkeit keinen Sinn mehr; das Grundstück wäre dann als solches tatsächlich angeschlossen. Anschlussmöglichkeit und tatsächlicher Anschluss fielen in einen Akt zusammen. Es gäbe keinen Zeitraum zwischen Eröffnung der Anschlussmöglichkeit und dem tatsächlichen Anschluss. Dann aber bestünde auch kein Risiko, "dass die Baulichkeit vor der Anschlussnahme zerstört wird" (vgl. auch Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2008, § 9 Anm. 4.1 und 7.5, der unter Berufung auf den Senatsbeschluss erkennbar diesen Standpunkt vertritt, wenn er ausführt, das Verwaltungsgericht habe mit seinem Urteil das Bestehen eines Grundstücksanschlusses ausreichen lassen und damit die Rechtsauffassung, erforderlich sei der tatsächliche Anschluss, jedenfalls teilweise infrage gestellt). Dass das Kommunalabgabengesetz M-V entsprechend dem vorstehend erläuterten Verständnis ebenfalls die Möglichkeit des Anschlusses von Gebäuden bzw. deren tatsächlichen Anschluss als maßgeblichen Gesichtspunkt in den Blick nimmt, kann zudem auch den Regelungen in § 9 Abs. 4 und 6 KAG M-V entnommen werden.

47

Im Hinblick auf das für Außenbereichsbebauungen bzw. baurechtlich relevante -nutzungen bestehende anschlussbeitragsrechtlich erhebliche Untergangsrisiko sind die verwaltungsgerichtlichen Erwägungen im Übrigen nicht überzeugend, da widersprüchlich: Einerseits (S. 10 des Urteils) wird dieses Risiko im Sinne der vorstehenden Erwägungen betont, andererseits (S. 11 des Urteils) aber unter Hinweis auf eine "allgemeine Lebenserfahrung", derzufolge davon ausgegangen werden könne, dass bei einem bebauten Außenbereichsgrundstück nach der Herstellung des Grundstücksanschlusses auch die Hausanschlussleitung zeitnah angelegt werde, als vernachlässigbar dargestellt. Abgesehen davon erscheint die Annahme einer solchen "allgemeinen Lebenserfahrung" schon angesichts des konkreten Falles zweifelhaft.

48

Auch wenn man - wie das Verwaltungsgericht - die Bestimmung des § 4 I Abs. 2 Buchst. g Satz 1 AAS, wonach als Grundstücksfläche "bei bebauten Grundstücken im Außenbereich (§ 35 BauGB) die Grundfläche der an die Abwasseranlage anzuschließenden bzw. angeschlossenen Baulichkeiten ..." gilt, in den Blick nimmt, ergibt sich gegenüber den vorstehenden Erwägungen nichts Abweichendes. Das Verwaltungsgericht legt § 3 Abs. 2 AAS auch mit Hilfe dieser Bestimmung in dem seinerseits der Regelung unterlegten Sinne aus: Es mache keinen Sinn von "anzuschließenden" Baulichkeiten zu sprechen, wenn die Beitragspflicht den tatsächlichen Anschluss der Baulichkeit voraussetzte. Nach Auffassung des Senats ist allerdings eher § 4 I Abs. 2 Buchst. g Satz 1 AAS im Lichte der Grundsatzbestimmung des § 3 Abs. 2 AAS auszulegen. § 3 AAS kennt aber die Kategorie des "anzuschließenden" Grundstücks nicht. Die Bestimmung nennt nur das Grundstück, das angeschlossen werden kann (nicht: muss) und das Grundstück, das tatsächlich angeschlossen wird. Insoweit ist unklar, was § 4 I Abs. 2 Buchst. g Satz 1 AAS mit der Formulierung "anzuschließenden" eigentlich meint. Das OVG Lüneburg hat in seinem Urteil vom 24. Mai 1989 - 9 L 1/89 - (Nds. Rpfl. 1990, 15, 16) zur dort in Rede stehenden entsprechenden ortsrechtlichen Bestimmung eine unerhebliche sprachliche Ungenauigkeit angenommen. Die Erklärung, die der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat, spricht ebenfalls gegen die Auslegung durch das Verwaltungsgericht. Danach wäre das "bzw." als ein "und" in dem Sinne zu lesen, dass der Ortsgesetzgeber Baulichkeiten meint, die zum einen - weil in ihnen Abwasser anfällt - anzuschließen sind "und" zum anderen aber auch tatsächlich angeschlossen sind.

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Hinzukommt, dass § 4 I Abs. 2 Buchst. g Satz 1 AAS ausdrücklich von "anzuschließenden bzw. angeschlossenen Baulichkeiten" spricht, was zeigt, dass auch der Ortsgesetzgeber ausdrücklich die Baulichkeiten hinsichtlich der Frage des Anschlusses im Blick hatte. Anderenfalls hätte er einfach z. B. formulieren können "die Fläche der auf dem Grundstück befindlichen Baulichkeiten".

50

Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn es der Außenbereichsgrundstückseigentümer allenfalls in begrenztem Umfang in der Hand hätte, mit dem Zeitpunkt der Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlage und der Verbindung derselben mit dem Grundstücksanschluss den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem das Grundstück der Beitragspflicht nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 AAS unterliegt; erst dann kann - insoweit wäre auch § 7 Abs. 1 AAS modifiziert zu verstehen - zudem die sachliche Beitragspflicht entstehen. Diese Möglichkeit ist rechtlich deshalb begrenzt, weil der Grundstückseigentümer regelmäßig seinerseits einem Anschlusszwang (vgl. § 5 ABS) unterliegt, der bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen durchgesetzt werden kann. Damit soll nicht gesagt sein, die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht hinge davon ab, dass das betreffende Grundstück dem Anschlusszwang unterliegen muss.

51

Angesichts der vorstehenden Erwägungen kommt dem Wortlautargument des Verwaltungsgerichts (tatsächlich angeschlossenes "Grundstück", nicht "Gebäude") kein durchschlagendes Gewicht zu.

52

Wenn sich das Verwaltungsgericht schließlich dadurch in seiner Auffassung bestätigt sieht, dass in § 2 Abs. 8 Buchst. a ABS nicht von einem Anschluss des Gebäudes an die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage die Rede sei, ist dieses systematische Argument nicht überzeugend, da es insoweit um die Definition des "Grundstücksanschlusses" geht und eine Erwähnung des Hausanschlusses als Teil der Grundstücksentwässerungsanlage (vgl. § 12 Abs. 2 ABS) schon deshalb hier nicht zu erwarten ist.

53

Nach alledem kann offen bleiben, ob - was das Verwaltungsgericht als Prämisse seiner Erwägungen zur Rechtsanwendung bzw. als "unstreitig" angenommen hat - überhaupt das Grundstück als solches im Rechtssinne tatsächlich angeschlossen worden ist: Das Verwaltungsgericht ist zwar davon ausgegangen, dass mit der Herstellung des Pumpwerks auf dem klägerischen Grundstück ein Grundstücksanschluss hergestellt worden sei. Ob dies zutreffend ist, bedürfte zumindest näherer Betrachtung. Nach § 2 Abs. 8 Buchst. a ABS ist als Grundstücksanschluss für Schmutzwasser definiert die Leitung vom Hauptsammler bis einschließlich Übergabeschacht auf der Grundstücksgrenze bzw. die Druckrohrleitung bis zur Grundstücksgrenze. Ein Übergabeschacht ist nicht vorhanden. Ob sich die Leitungsführung bis zum Pumpwerk in tatsächlicher Hinsicht und - das Pumpwerk ist Teil einer Reihe von Pumpwerken entlang der Leitung bis zur Kläranlage und aufgrund der örtlichen Verhältnisse als Teil der öffentlichen Anlage erforderlich - von ihrer Zwecksetzung her als Druckrohrleitung bis zur Grundstücksgrenze i. S. v. § 2 Abs. 8 Buchst. a ABS deuten lässt, hat das Verwaltungsgericht nicht untersucht, ist aber u.a. angesichts der Erläuterungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zu den tatsächlichen Gegebenheiten zumindest prüfungsbedürftig. Schließlich wäre der Frage nachzugehen, ob der im Pumpwerk vorhandene Abzweig für den Anschluss der Hausentwässerungsleitung des Klägers als Grundstücksanschluss i. S. v. § 2 Abs. 8 Buchst. a ABS gelten kann. Dies könnte u.a. deshalb problematisch sein, weil der Grundstücksanschluss wohl als unterirdische Vorrichtung vorgesehen ist (vgl. § 11 Abs. 1 S. 1 ABS) und zweifelhaft sein könnte, ob der Grundstückseigentümer eine Grundstücksbenutzung (vgl. § 15 ABS) in Gestalt der - vorliegend teilweisen - Errichtung eines Pumpwerks auf seinem Grundstück zulassen müsste.

54

2. Eine Beitragspflicht des Grundstücks des Klägers ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass dem Kläger auf der Grundlage von §33 BauGB eine Baugenehmigung erteilt worden ist. Die vom Beklagten u.a. unter Berufung auf ein Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 02. Februar 2005 - 8 A 11150/04 - (NVwZ 2005, 1448 - zitiert nach juris) vertretene Auffassung, die bestandskräftige Baugenehmigung vermittle dem Außenbereichsgrundstück des Klägers eine gesicherte Bebaubarkeit und damit einen Vorteil im beitragsrechtlichen Sinne unabhängig von einem tatsächlichen Anschluss der auf dem Grundstück befindlichen Baulichkeiten, geht fehl.

55

Die in dem Sinne "isolierte" Erteilung einer Baugenehmigung gemäß § 33 BauGB, dass die beabsichtigte Aufstellung eines Bebauungsplanes später nicht zustande kommt, führt nicht nach § 3 AAS zur Beitragspflichtigkeit des Grundstücks des Klägers. Das Satzungsrecht in Gestalt dieser Bestimmung kennt - wie dargestellt - nur die zwei Tatbestände gemäß Abs. 1 und 2, nach deren Maßgabe Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen. Der Sachverhalt der Erteilung einer Baugenehmigung gemäß § 33 BauGB lässt sich unter keinen dieser beiden Tatbestände subsumieren: Weder existieren wirksame Festsetzungen durch einen Bebauungsplan im Sinne von § 3 Abs. 1 Buchst. a AAS, noch ist das Grundstück nach der Verkehrsauffassung Bauland bzw. handelt es sich um ein Grundstück im unbeplanten Innenbereich i. S. v. § 34 BauGB (Buchst. b). Der Beklagte hat selbst nicht deutlich gemacht, inwieweit die Erteilung einer Baugenehmigung nach § 33 BauGB zur Erfüllung der satzungsrechtlichen Voraussetzungen führen können soll.

56

Auch aus einer näheren Betrachtung von Sinn und Zweck der Regelung des § 33 BauGB sowie der Rechtsfolgen der Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung lässt sich entgegen dem Vorbringen des Beklagten - jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht die Schlussfolgerung ziehen, für das betreffende Grundstück sei bereits wegen der Erteilung einer Baugenehmigung gemäß §33 BauGB mit Bestehen einer Anschlussmöglichkeit die Beitragspflicht begründet worden:

57

Die Zulässigkeit von Vorhaben während der Planaufstellung gemäß § 33 BauGB will der Tatsache Rechnung tragen, dass das Planaufstellungsverfahren als notwendige Durchgangsstation zu einem wirksamen Bebauungsplan gemäß § 10 BauGB zwangsläufig von gewisser Dauer ist. Der Gesetzgeber verschafft mit diesem Zulassungstatbestand einerseits dem Prinzip der Planmäßigkeit der städtebaulichen Entwicklung Geltung. Andererseits verschließt er sich nicht der Einsicht, dass das Planaufstellungsverfahren auf Hindernisse stoßen kann, die zu unvermeidbaren Verzögerungen führen. Diese Unwägbarkeiten sollen nicht zu Lasten eines Bauinteressenten gehen, der bereit ist, sich Festsetzungen, die sich für die Zukunft bereits verlässlich abzeichnen, zu unterwerfen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 01.08.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25 - zitiert nach juris).

58

Der Umstand, dass dem Kläger eine Baugenehmigung nach § 33 BauGB erteilt worden ist, ändert - da ein rechtswirksamer Bebauungsplan nicht existiert bzw. nicht zustande gekommen ist - nichts an dem Umstand, dass das Grundstück des Klägers im Außenbereich liegt und folglich nicht nach § 3 Abs. 1 AAS, sondern allenfalls nach § 3 Abs. 2 AAS beitragspflichtig sein könnte; dass dessen Voraussetzungen nicht vorliegen, wurde bereits ausgeführt. Die in § 33 BauGB genannten Gebiete bilden im Verhältnis zu den §§ 30, 34 und 35 BauGB keine besondere Kategorie, sondern gehören entweder zum Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, zum unbeplanten Innenbereich oder zum Außenbereich. §33 BauGB modifiziert lediglich das für das Gebiet geltende Recht, indem es dem Bauherrn einen nach den §§ 30, 34 und 35 BauGB nicht gegebenen Zulassungsanspruch einräumt (vgl. Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 33 Rn. 1; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 33 Rn. 1).

59

Kommt - wie im vorliegenden Fall - der Bebauungsplan nicht zustande, fällt der Inhaber der Genehmigung nach § 33 BauGB, der sein Bauvorhaben in die Tat umgesetzt hat, auf einen bloßen Bestandsschutz zurück (da - sonst hätte es einer Genehmigung nach § 33 BauGB nicht bedurft - sein Vorhaben nach § 35 BauGB nicht genehmigungsfähig war; vgl. Roeser, in: Berliner Kommentar BauGB, § 33 Rn. 11; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2008, § 33 Rn. 61) und steht damit einem Außenbereichsgrundstückseigentümer, auf dessen Grundstück sich ursprünglich rechtmäßig errichtete Gebäude (ohne dass eine Genehmigung nach §33 BauGB erteilt worden wäre) befinden, jedenfalls im Wesentlichen gleich; insoweit gilt auch für ihn das Risiko, dass die aufgrund der Genehmigung errichtete Baulichkeit vor ihrer tatsächlichen Anschlussnahme zerstört wird und das Grundstück dann nicht erneut bebaut werden darf. Wie aus § 2 Abs. 3 BauGB zu ersehen ist, hat der Einzelne bzw. der Inhaber einer Genehmigung nach § 33 BauGB insbesondere auch keinen Anspruch darauf, dass ein Bebauungsplan aufgestellt wird. Ebenso wenig gibt ihm das Gesetz ein Mittel an die Hand, das es ihm ermöglichte, darauf hinzuwirken, dass die Gemeinde eine von ihr mit dem Ziel der Aufstellung eines Bebauungsplans eingeleitete Planung zu Ende führt. Er muss es daher hinnehmen, wenn das Planaufstellungsverfahren - wie hier - nicht weiter betrieben oder gänzlich abgebrochen wird (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 01.08.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25 - zitiert nach juris). Deshalb kann jedenfalls in dieser Situation nicht davon gesprochen werden, der Kläger sei als Erlaubnisinhaber nach § 33 BauGB beitragsrechtlich nicht wie ein Eigentümer eines Grundstücks im Außenbereich, sondern wie ein Eigentümer im beplanten oder unbeplanten Innenbereich zu betrachten. An dieser für die Frage des anschlussbeitragsrechtlichen Vorteils bzw. die Frage, ab wann ein Grundstück der Beitragspflicht unterliegt, maßgeblichen Lage ändert auch der Umstand nichts, dass ein Anerkenntnis gemäß §33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB als eine öffentliche Last auf dem Grundstück liegt, die in planungsrechtlicher Hinsicht den baurechtlichen Status des Grundstücks festlegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 22.94 -, BVerwGE 101, 58 - zitiert nach juris; OVG Koblenz, Urt. v. 02.02.2005 - 8 A 11150/04 -, NVwZ 2005, 1448 - zitiert nach juris). Darüber hinaus verlegt das Anerkenntnis das Inkrafttreten des Bebauungsplanentwurfs nur im Verhältnis zwischen dem Antragsteller und der Baugenehmigungsbehörde (einschließlich der Gemeinde) im praktischen Ergebnis vor (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.1996 - 4 C 22.94 -, a.a.O.), also nicht im Verhältnis zum Beklagten. Zudem sind vorliegend durch ein vom Kläger erklärtes Anerkenntnis insoweit eingetretene Rechtswirkungen mit Blick auf die nach Maßgabe des erstinstanzlichen Vorbringens des Beklagten erfolgte - offensichtlich endgültige - Aufgabe der Planungen entfallen (vgl. Rieger, in: Schrödter, BauGB, 7. Aufl., § 33 Rn. 15).

60

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

61

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

62

Gründe für eine Zulassung der Revision (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.

Tenor

Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


123456789101112131415161718192021222324252627282930313233343536373839404142434445464748495051525354555657585960616263646566676869707172737475767778798081828384858687888990919293949596979899100101102103104105106107108109110111112113114115116117118119120121122123124125126127128129130131132133134135136137138139140141142143144145146147148149150151152153154155156157158159160161162163164165166167168169170171172173174175176177178179180181182183184185186187188189190191192193194195196197198199200201202203204205206207208209210211212213214215216217218219220221222223224225226227228229230231232233234235236237238239240241242243244245246247248249250251252253254255256257258259260261262263264265266267268269270271272273274275276277278279280281282283284285286287288289

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Kostenersatz für Maßnahmen an den Abwasserbeseitigungsanlagen der Stadt Güstrow (Anschlussbeitragssatzung – ABS) vom 08. November 2000 i.d.F. der ersten Änderung vom 04. November 2002 und der zweiten Änderung vom 15. Februar 2010.

2

Der Antragsteller ist Eigentümer des im Gebiet der Stadt Güstrow gelegenen Grundstücks Flurstück ##, Flur #, Gemarkung A-Stadt. Mit Duldungsbescheid vom 27. Dezember 2004 forderte der Bürgermeister der Antragsgegnerin den Antragsteller auf, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück wegen eines Anschlussbeitrages zu dulden. Die hiergegen gerichtete Klage wies das VG Schwerin mit Urteil vom 18.11.2010 (4 A 975/06) ab. Über den Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Berufung (1 L 235/10) ist noch nicht entschieden.

3

Bereits am 18. Mai 2010 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Er ist der Auffassung, der Antrag sei zulässig. Er werde durch die Erhebung von Anschlussbeiträgen auf Grundlage der genannten Satzung in seinen Rechten verletzt, weil die Satzung einen Eingriff in das durch Art. 14 Grundgesetz (GG) geschützte Eigentum gestatte.

4

Der Antrag sei auch begründet. Die Anschlussbeitragssatzung sei bereits formell rechtswidrig, weil die Hauptsatzung der Stadt Güstrow nichtig sei. Als Folge davon verfüge der Antragsgegner nicht über wirksame Vorschriften zur Bekanntmachung von Satzungsrecht. § 1 Abs. 2 ABS definiere das Stadtgebiet anhand einer als Anlage beigefügten Karte. In dieser Karte werde das Stadtgebiet aber nicht mit hinreichender Deutlichkeit vom nicht zur Stadt Güstrow gehörenden Umland abgegrenzt.

5

In materiell-rechtlicher Hinsicht sei die Anschlussbeitragssatzung wegen einer fehlerhaften Regelung des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht unwirksam. Das Kommunalabgabengesetz vom 01. Juni 1993 (KAG 1993) sei ohne die erforderliche Gesetzesbegründung erlassen worden und scheide daher als Rechtsgrundlage der Anschlussbeitragssatzung von vornherein aus. Entsprechendes gelte für die KAG-Novelle 2005. Diese leide zudem daran, dass ein damals am OEufach0000000005 tätiger Richter an der Ausarbeitung der Novelle mitgewirkt habe. Darin liege eine unzulässige Verquickung von Legislative, Exekutive und Judikative. Die Anschlussbeitragssatzung könne lediglich auf das Kommunalabgabengesetz vom 11. April 1991 (KAG 1991) gestützt werden. Während aber § 8 Abs. 7 KAG 1991 vorsehe, dass die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der Satzung entstehe, stelle § 7 Abs. 3 ABS auf das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung ab. Damit werde der Entstehenszeitpunkt der Beitragspflicht und auch der Ablauf der Festsetzungsfrist unzulässig hinausgezögert. Etwas anderes ergebe sich auch dann nicht, wenn man von der Wirksamkeit des Kommunalabgabengesetzes in der Fassung der Novelle 2005 (KAG M-V) ausgehe. Zwar stelle nunmehr auch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V für das Entstehen der Beitragspflicht auf das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung ab. Allerdings könne dies keine Auswirkung auf Festsetzungsfristen haben, die nach Maßgabe des KAG 1991 angelaufen und zwischenzeitlich abgelaufen seien. Auch die Beitragskalkulation sei fehlerhaft. Der Antragsgegner habe bereits im Rahmen der Kalkulation der Benutzungsgebühr Herstellungskosten berücksichtigt. Fehlerhaft sei schließlich die Fälligkeitsregelung in § 9 ABS.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Kostenersatz für Maßnahmen an den Abwasserbeseitigungsanlagen der Stadt Güstrow (Anschlussbeitragssatzung – ABS) vom 08. November 2000 i.d.F. ersten Änderung vom 04. November 2002 und der zweiten Änderung vom 15. Februar 2010 für unwirksam zu erklären.

8

Die Antragsgegnerin beantragt,

9

den Antrag abzulehnen.

10

Sie ist der Auffassung, der Antrag sei bereits unzulässig, da der Antragsteller die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht beachtet habe.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Senat haben bei der Entscheidung die bei der Antragsgegnerin entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

II.

12

1. Über den Normenkontrollantrag wird gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch Beschluss entschieden, weil der Senat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die in § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO genannten Entscheidungsformen sind gleichwertig (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.09.1988 – 4 NB 15/88 – juris Rn. 2; Beschl. v. 03.04.1992 – 7 NB 1/92 – juris Rn. 3). Gründe, die eine mündliche Verhandlung erfordern könnten, sind nicht ersichtlich. Der Antragsteller tritt einer Entscheidung im Beschlusswege zwar entgegen, nennt hierfür aber keine Gründe. Insbesondere hat er sich weder weiteren Sachvortrag vorbehalten, noch einen – in der mündlichen Verhandlung zu stellenden – Beweisantrag angekündigt.

13

Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht der Entscheidung im Beschlusswege nicht entgegen, da abgabenrechtliche Normenkontrollverfahren keine „zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen“ i.S.d. genannten Vorschrift zum Gegenstand haben (eingehend: VGH Mannheim, Beschl. v. 07.10.2002 – 2 S 2634/01 – juris Rn. 15).

14

2. Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 13 Ausführungsgesetz zum Gerichtsstrukturgesetz (AGGerStrG) statthafte Normenkontrollantrag ist unzulässig, soweit er sich auf die Anschlussbeitragssatzung vom 08. November 2000, die erste Änderungssatzung vom 04. November 2002 und Art. 1 Nr. 1 zweite Variante (Herstellung) sowie Nrn 2. bis 4. der zweiten Änderungssatzung vom 15. Februar 2010 bezieht (a.). Im Übrigen, d.h. in Bezug auf Art. 1 Nr. 1 erste Variante der zweiten Änderungssatzung (Anschaffung) ist der Antrag zwar zulässig, aber unbegründet (b.).

15

a) Der Antrag ist entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht innerhalb der – damals noch geltenden - zwei Jahre (§ 195 Abs. 7 VwGO) nach Bekanntmachung der Anschlussbeitragssatzung vom 08. November 2000 gestellt worden und daher verfristet. Der Normenkontrollantrag ist am 18. Mai 2010 beim OEufach0000000005 eingegangen. Die Anschlussbeitragssatzung ist jedoch bereits entsprechend der Maßgabe in § 12 Abs. 1 der Hauptsatzung der Stadt Güstrow vom 02. Juni 1999 (Hauptsatzung 1999 – HS 1999) im Güstrower Stadtanzeiger, dem amtlichen Bekanntmachungsblatt der Stadt Güstrow vom 01. Dezember 2000 bekannt gemacht worden. Damit liegt zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntmachung der Anschlussbeitragssatzung und der Stellung des Normenkontrollantrages ein Zeitraum von fast 10 Jahren.

16

Dabei kann dahin stehen, ob die Hauptsatzung vom 02. Juni 1999 wirksam ist und eine taugliche Rechtsgrundlage für die Bekanntmachung des Ortsrechts der Antragsgegnerin bildet. Denn der Lauf der Frist hängt nicht davon ab, dass die Bekanntmachung nach dem Maßstab der einschlägigen Bestimmungen fehlerfrei erfolgt ist (Ziekow in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Auflage 2010, § 47 Rn. 289). Die Frage der ordnungsgemäßen Bekanntmachung betrifft die formelle Rechtmäßigkeit der Rechtsvorschrift und damit die Begründetheit des Normenkontrollantrages. Für den Lauf der im Rahmen der Zulässigkeit des Normenkontrollantrages zu prüfenden Antragsfrist ist daher der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Vorschrift als Rechtsnorm mit formellem Geltungsanspruch veröffentlicht worden ist (BVerwG, Beschl. v. 10.04.1996 – 4 NB 8/96 – juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 02.03.2007 – 7 D 53/06.NE – juris Rn. 18). Dies ist vorliegend der 01. Dezember 2000.

17

Die vorstehenden Ausführungen gelten für die erste Änderungssatzung vom 04. November 2002 entsprechend. Die Satzung ist im Güstrower Stadtanzeiger vom 01. Dezember 2002 bekannt gemacht worden. Zwischen der Bekanntmachung und der Stellung des Normenkontrollantrages liegt ein Zeitraum von mehr als sieben Jahren.

18

Auch in Ansehung des Art. 1 Nr. 1 zweite Variante (Herstellung) sowie Nrn. 2. bis 4. der zweiten Änderungssatzung vom 15. Februar 2010 ist der Normenkontrollantrag nicht fristgerecht gestellt worden, denn in Bezug auf die genannte Vorschrift hat die Bekanntmachung keinen erneuten Fristenlauf in Gang gesetzt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats setzen Änderungen oder Neuregelungen der angegriffenen Rechtsvorschrift die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (nur) in Lauf, wenn mit ihnen eine neue oder zusätzliche Beschwer verbunden ist. Ein erneuter Fristenlauf beginnt dann, wenn sich aus der Neuregelung eine neue belastende Wirkung ergibt, z. B. durch das Zusammenwirken mit geänderten anderen Bestimmungen (Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 – juris Rn. 14; vgl. auch OVG Bautzen, Urt. v. 20.08.2008 – 5 D 24/06 – juris Rn. 18). Dies trifft vorliegend nicht zu, denn bei den in Art. 1 Nr. 1 zweite Variante sowie Nrn. 2. bis 4. der zweiten Änderungssatzung enthaltenen Neuregelungen handelt es sich lediglich um redaktionelle Änderungen, die keine neue oder zusätzliche Beschwer des Antragstellers zur Folge haben.

19

Durch die Regelungen des Art. 1 Nr. 1 der zweiten Änderungssatzung werden die Beitragstatbestände der Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V in der Fassung der KAG-Novelle 2005 angepasst. Während § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 noch die Tatbestände „Herstellung“, „Aus- und Umbau“, „Verbesserung“, „Erweiterung“ und „Erneuerung“ normierte, beschränkt sich § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V auf die Tatbestände „Anschaffung“ und „Herstellung“.

20

Das in Art. 1 Nr. 1 zweite Variante der zweiten Änderungssatzung normierte Merkmal „Herstellung“ entspricht dem bereits in der Ursprungsfassung der Satzung enthaltenen gleichlautenden Merkmal. Sowohl unter Geltung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 als auch unter Geltung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V war bzw. ist die Erhebung von Anschlussbeiträgen in der Regel nur unter dem Gesichtspunkt der Herstellung möglich. Der Anwendungsbereich der übrigen Beitragstatbestände des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 beschränkte sich auf den Bereich des Straßenbaubeitragsrechts. Dem entspricht die Neuregelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Für die Erhebung von Anschlussbeiträgen gilt: Maßgeblich ist nicht die Qualität einer bestimmten Einzelmaßnahme. Mit Blick auf das im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen geltende Gesamtanlagenprinzip kommt es für die Erhebung eines Herstellungsbeitrages nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V lediglich darauf an, ob sich die Einrichtung (noch) in der Herstellungsphase befindet, weil sie ihre Endausbaustufe nicht erreicht hat. Hat sie ihre Endausbaustufe dagegen erreicht, kommt eine Erneuerung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in Betracht. Innerhalb dieser beiden Phasen ist die Einordnung einer bestimmten Einzelmaßnahme entbehrlich. So ist es in Fällen, in denen die Anlage ihre Endausbaustufe noch nicht erreicht hat, ohne Belang, ob die Umgestaltung eines vorhandenen Mischwasserkanals in einen Schmutz- und einen Niederschlagswasserkanal einen „Umbau“ darstellt, ob die Anbindung eines neu entstandenen Wohngebiets eine „Erweiterung“ oder ob der Austausch einzelner Komponenten eines Klärwerks eine „Verbesserung“ darstellt. Denn bei den genannten Maßnahmen handelt sich jeweils um unselbstständige Kostenfaktoren des Merkmals „Herstellung“. Diese Betrachtungsweise entspricht der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifwald zu § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. So hat es zur Beitragsfähigkeit der Sanierung vorhandener Kanäle ausgeführt, sie bewirke keine belegbare Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne und sei damit lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließe und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten werde (Beschl. v. 21.04.1999 – 1 M 12/99 – juris Rn. 22). In dem Beschluss vom 04. April 2001 (– 1 M 21/00 – juris Rn. 19) hat es ausgeführt, dass die Umstellung eines vorhandenen Mischwassersystems in ein Trennsystem beitragsrechtlich als erstmalige Herstellung anzusehen sei.

21

Art. 1 Nr. 2 der zweiten Änderungssatzung enthält hinsichtlich der Definition des Vollgeschosses statt der bisher normierten Verweisung auf die Landesbauordnung eine mit § 87 Abs. 2 LBauO M-V inhaltsgleiche Vollregelung. Eine materielle Veränderung der Rechtslage ist damit nicht eingetreten.

22

Die in Art. 1 Nr. 3 der zweiten Änderungssatzung enthaltene Regelung, wonach die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entsteht (vgl. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), enthält ebenfalls keine neue oder zusätzliche Beschwer. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des OEufach0000000005 konnte die sachliche Beitragspflicht auch unter Geltung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entstehen (Beschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04 – S. 4 ff. des Entscheidungsumdrucks, weitere Nachweise bei Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 09/2012, § 9 Anm. 7.2). Entsprechendes gilt für die Entstehensregelung in § 8 Abs. 7 KAG 1991. Damit konnte eine unwirksame Satzung entgegen der Auffassung des Antragstellers den Lauf der Festsetzungsfrist nicht auslösen. Seine Ausführungen zur Umgehung abgelaufener Festsetzungsfristen können folglich auf sich beruhen.

23

Die Regelung in Art. 1 Nr. 4 der zweiten Änderungssatzung über die Entstehung eines Anspruchs auf Rückzahlung der Vorausleistung und seiner Verzinsung hat eine lediglich begünstigende Wirkung, so dass die Annahme eines Nachteils oder einer Beschwer von vornherein ausscheidet. Zudem entspricht sie der unmittelbar geltenden Regelung des § 7 Abs. 4 Sätze 4 und 5 KAG M-V. Ihr kommt daher eine lediglich deklaratorische Bedeutung zu.

24

b) In Ansehung des Art. 1 Nr. 1 erste Variante der zweiten Änderungssatzung (Anschaffung) ist der Antrag zwar zulässig. Insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden. Mit der Bekanntmachung der genannten Vorschrift im Güstrower Stadtanzeiger, Ausgabe März 2010 wurde die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Lauf gesetzt, da mit ihr eine zusätzliche Beschwer verbunden ist. Das in § 2 Abs. 1 ABS neu eingefügte Merkmal „Anschaffung“ war in der Anschlussbeitragssatzung in der Fassung der ersten Änderungssatzung nicht enthalten. Mit dem Merkmal wird der Kreis der beitragsfähigen Maßnahmen erweitert (dazu sogleich). Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beitragsbelastung für den Antragsteller erhöht.

25

Dem Merkmal „Anschaffung“ kommt gegenüber dem Merkmal „Herstellung“ eine eigenständige Bedeutung zu. Zwar bildet auch der Aufwand für die Anschaffung von Ausrüstungsgegenständen eines Klärwerks oder von für den Bau einer Anlage erforderlichen Grundstücksflächen nach dem oben Gesagten lediglich einen unselbstständigen Kostenfaktor im Zuge der erstmaligen Herstellung der Gesamtanlage und wird bereits von dem Merkmal „Herstellung“ erfasst. Mit der Einfügung des Merkmals „Anschaffung“ in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (und § 2 Abs. 1 ABS) wird darüber hinaus aber der Aufwand für die Übernahme bereits vorhandener privater Anlagen der Wasserversorgung oder Abwasserbehandlung in die öffentliche Einrichtung beitragsfähig gemacht (Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O. Anm. 2.5.3). Bestätigt wird diese Auslegung durch die Gesetzgebungsmaterialien (RegE, LT-Drs. 4/1307, S. 45). Die dort zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gemachten Ausführungen in Bezug auf die Anschaffung einer vorhandenen Einrichtung (Privatstraße) sind auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen übertragbar.

26

Allerdings ist der Antrag insoweit unbegründet. Die Bestimmung ist ersichtlich mit höherrangigem Recht vereinbar und damit rechtmäßig. Die Einfügung des Merkmals „Anschaffung“ in § 2 Abs. 1 ABS entspricht den Maßgaben des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Zweifel an der Wirksamkeit des Kommunalabgabengesetzes und damit auch der Bestimmung des § 9 Abs. 1 KAG M-V bestehen nicht. Sie folgen weder aus dem Umstand, dass das Gesetz „nicht begründet“ ist – ein solches Begründungserfordernis besteht weder nach nationalen Recht noch nach Gemeinschaftsrecht (eingehend: VG Schwerin, Urt. v. 29.08.2011 – 8 A 384/10 – S. 14 f. des Entscheidungsumdrucks), noch aus dem Umstand, dass ein früher am OEufach0000000005 tätiger Richter an der Ausarbeitung der KAG-Novelle 2005 „mitgewirkt“ hat (Senatsurteil v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 – juris Rn. 21).

27

Art. 1 Nr. 1 erste Variante der zweiten Änderungssatzung leidet schließlich auch nicht an einem formell-rechtlichen Fehler. Insbesondere ist die zweite Änderungssatzung entsprechend den Maßgaben in § 11 der Hauptsatzung der Barlachstadt A-Stadt vom 02. August 2006 (Hauptsatzung 2006 – HS 2006) ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die Bekanntmachung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil die Hauptsatzung ihrerseits fehlerhaft und damit nichtig wäre. Insbesondere ist das Stadtgebiet in § 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HS 2006 i.Vm. der als Anlage beigefügten Karte ordnungsgemäß bezeichnet. Die Hauptsatzung 2006 weist damit den vom Antragsteller in Bezug auf die Hauptsatzung 1999 gerügten Fehler nicht auf. Da Gegenteiliges vom Antragsteller nicht geltend gemacht wird, sieht der Senat von weiteren Darlegungen ab.

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) bestehen nicht. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).

29

Hinweis:

30

Die Festsetzung des Streitwerts ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 und § 66 Abs. 3 Satz 3 Gerichtskostengesetz (GKG) unanfechtbar.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. April 2013 – 4 A 1280/12 – wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag. Sie sind Eigentümer des bebauten Grundstücks gemäß Rubrumsadresse, bestehend aus dem 490 m² großen Flurstück, Gemarkung A-Stadt.

2

Die Anschlussbeitragserhebung durch den Beklagten unterlag hinsichtlich ihrer satzungsmäßigen Rechtsgrundlage in der Vergangenheit folgender Entwicklung:

3

Vom 06. November 1992 datiert als erste entsprechende Satzung die Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg (nachfolgend: Zweckverband). Am 24. Juni 1993 wurde nachfolgend die weitere Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung ausgefertigt und am 19. August 1993 (Regionalteile der „Schweriner Volkszeitung“) bzw. 22. März 1999 (Amtlicher Anzeiger Nr. 13, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern, S. 241) bekannt gemacht. Zu dieser Satzung folgten zwischen 1993 und 1995 vier Nachtragssatzungen, denen gemein war, dass auf der Flächenseite der Kalkulation Grundstücke von sog. „Altanschließern“ unberücksichtigt geblieben waren.

4

Mit der Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung vom 13. März 1997 (Amtlicher Anzeiger Nr. 13, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern 1999, S. 248) unternahm der Zweckverband erneut den Versuch, eine wirksame Rechtsgrundlage für die Beitrags- und Gebührenerhebung zu schaffen. Im Zeitraum zwischen 1997 und 1999 ergingen hierzu eine Ergänzungs- und zwei Änderungssatzungen. Nachdem das Verwaltungsgericht Schwerin u. a. mit Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 A 2022/99 – die Unwirksamkeit der Satzung vom 13. März 1997 angenommen hatte, weil die in den Regelungen zum Beitragssatz enthaltene Differenzierung zwischen erstmalig angeschlossenen und Grundstücken, die bereits vor Inkrafttreten der Satzung (teilweise) angeschlossen waren, gleichheitswidrig gewesen sei, beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes am 15. Februar 2001 die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung (Beitrags- und Gebührensatzung), die am 21. Mai 2001 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger vom 18. Juni 2001 (Amtlicher Anzeiger Nr. 29, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern, S. 671) öffentlich bekannt gemacht wurde und zum 1. Januar 2001 in Kraft trat. Mit Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 03. Juli 2002 – 4 K 35/01 – wurde diese Satzung rechtskräftig für nichtig erklärt (mit Ausnahme der Bestimmungen über die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Entsorgung von Niederschlagswasser und über die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Entsorgung von Niederschlagswasser <"Benutzungsgebühr B"> sowie des § 16, hinsichtlich derer der Antrag abgelehnt wurde).

5

Die weitere Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung vom 27. März 2002 (Satzungsbeschluss v. 18.03.2002, Amtlicher Anzeiger Nr. 16, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern, S. 541), zu der in der Folgezeit noch eine Änderungssatzung erging, betrachteten das Verwaltungsgericht Schwerin (Urt. v. 23.08.2012 – 4 A 1149/12 –) bzw. der Beklagte selbst wegen einer Nichtberücksichtigung sog. „Altanschließer“ auf der Flächenseite der Kalkulation ebenfalls als unwirksam.

6

Am 2. Dezember 2004 beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes eine neue Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung, die am 3. Dezember 2004 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger vom 27. Dezember 2004 (Nr. 52, S. 1513) öffentlich bekannt gemacht wurde und zum 1. Januar 2005 in Kraft trat. Unter dem 16. November 2005 wurde hierzu die 1. Änderungssatzung beschlossen (am 23. November 2005 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 54 vom 12. Dezember 2005, S. 1606, öffentlich bekannt gemacht), mit der im Wesentlichen die Vorschriften über die Beitragserhebung für die öffentliche Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung gestrichen wurden. Mit der am 5. Dezember 2007 beschlossenen 2. Änderungssatzung (am 12. Dezember 2007 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 52 vom 27. Dezember 2007, S. 1577, öffentlich bekannt gemacht) wurde im Wesentlichen ein einheitlicher Beitragssatz in Höhe von 12,51 EUR geregelt. Die am 19. November 2009 beschlossene 3. Änderungssatzung (am 1. Dezember 2009 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 50 vom 14. Dezember 2009, S. 1243, öffentlich bekannt gemacht) betraf im Wesentlichen die gebührenrechtlichen Vorschriften des § 12.

7

Mit rechtskräftigem Urteil vom 12. Oktober 2011 – 4 K 31/06 – erklärte das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 (BGS 04) in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 23. November 2005, der 2. Änderungssatzung vom 12. Dezember 2007 und der 3. Änderungssatzung vom 1. Dezember 2009 (nur) hinsichtlich der Regelung des § 7 Satz 1 für unwirksam.

8

Am 04. Dezember 2013 beschloss die Verbandsversammlung schließlich die Vierte Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung (am 09. Dezember 2013 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 51, S. 855, öffentlich bekannt gemacht). Die Änderung betrifft § 7 Satz 1 BGS und im Übrigen gebührenrechtliche Vorschriften.

9

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. Mai 2006 (Bescheidnummer B) zog der Beklagte die Kläger zu einem Anschlussbeitrag für das oben bezeichnete Grundstück in Höhe von 1.532,48 EUR heran.

10

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 06. Juni 2006 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006, zugestellt am 30. August 2006, zurückwies.

11

Am 29. September 2006 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Schwerin (zunächst unter dem Aktenzeichen 4 A 1803/06) Klage erhoben. Die zwischenzeitliche Anordnung des Ruhens des Verfahrens hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. August 2012 aufgehoben. In diesem Zuge hat das Verfahren das Az. 4 A 1280/12 erhalten.

12

Die Kläger haben im Wesentlichen vorgetragen,

13

ihr Grundstück sei bereits vor dem 3. Oktober 1990 an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen. Ein Beitrag für die Herstellung der Abwasseranlagen könne nicht erhoben werden. Der Zweckverband habe das vorhandene und funktionierende Abwassernetz, das von den Bürgern der DDR bezahlt worden sei, übernommen. Ihre Inanspruchnahme verstoße deshalb auch gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot. Unklar sei außerdem, für welche Investitionen die Beiträge erhoben werden sollen. Es werde bestritten, dass die Beiträge durch einen entsprechenden Aufwand an Investitionen gerechtfertigt seien, ebenso, dass die Beiträge zutreffend anhand des angefallenen Aufwands berechnet worden seien. Ihre Inanspruchnahme verstoße gegen § 242 Abs. 9 BauGB. Der darin enthaltene Rechtsgedanke, dass für Altanschlüsse keine Erschließungskosten mehr erhoben werden dürften, sei hier entsprechend anzuwenden. Der Anspruch des Beklagten sei verwirkt. Die Kläger seien über gute 15 Jahre nicht in Anspruch genommen worden. Es seien lediglich Beiträge von „Neuanschließern“ erhoben worden. Der Zweckverband habe damit Umstände geschaffen, aufgrund derer die Kläger darauf hätten vertrauen dürfen, nach so langer Zeit nicht noch mit Beiträgen belastet zu werden. Durch die Beitragserhebung würden einzelne Anlieger in unzumutbarer Art und Weise belastet. Als milderes Mittel hätten die Kosten über die jährlich zu erhebenden Gebühren umgelegt werden können.

14

Die Kläger haben beantragt,

15

den Bescheid des Beklagten über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. Mai 2006, Bescheidnummer B…., und seinen Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 aufzuheben.

16

Der Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er hat auf seine Ausführungen in den Verfahren des Verwaltungsgerichts Schwerin zu den Az. 4 A 1798/02 und 4 A 1799/02 sowie auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Das Grundstück befinde sich im unbeplanten Innenbereich und sei weniger als 45 m tief.

19

Mit dem angefochtenen Urteil vom 16. April 2013 – 4 A 1280/12 – hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen; zugleich hat es die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

20

Der Bescheid vom 19. Mai 2006 sei – ebenso wie der Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 – rechtmäßig und insbesondere materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die ihm zugrunde liegende Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 in der maßgeblichen Fassung der 2. Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg - vom 12. Dezember 2007 (im Folgenden: BGS) sei weder in formeller noch in materieller Hinsicht rechtlich zu beanstanden. Zur Rechtmäßigkeit des beitragsrechtlichen Teils der Satzung werde insoweit zunächst auf die Ausführungen in dem rechtskräftigen Normenkontrollurteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 12. Oktober 2011 – 4 K 31/06 – hingewiesen. Ergänzend sei auszuführen, dass die Entstehung der Beitragspflicht (mit der Anschlussmöglichkeit) in der Satzung zwar für Grundstücke im Außenbereich nach § 35 BauGB vordergründig nicht korrekt beschrieben werde. Im Zusammenspiel mit der entsprechenden Regelung im Beitragsmaßstab (§ 4 Abs. 3 Buchst. h BGS) werde jedoch hinreichend verdeutlicht, dass die bloße Anschlussmöglichkeit eines Grundstücks im Außenbereich gerade noch nicht die sachliche Beitragspflicht entstehen lasse, sondern erst der vorgenommene Anschluss.

21

Die Satzung bestimme auch unmissverständlich, dass bei einem Konflikt zwischen einer beitragssatzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung und einer gemeindlichen Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB für die Bestimmung der der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Grundstücksfläche allein die gemeindliche Satzung maßgebend sein soll. Diese Vorrangregelung verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

22

Mit der späteren anschlussbeitragsrechtlichen Nichtberücksichtigung unbebauter und nicht an die Kanalisation angeschlossener Grundstücke sei auch die (damals unverändert gebliebene) Globalkalkulation nicht rechtswidrig geworden. Die Kläger hätten insoweit keine Einwände erhoben. Die Beitragskalkulation gebe, soweit sie von anderen Klägern substantiiert angegriffen worden sei, keinen Anlass zu Beanstandungen. Insoweit werde etwa auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in dessen Urteil vom 12. Oktober 2011 verwiesen. Soweit die Kläger bestreiten würden, dass die Beiträge durch einen entsprechenden Aufwand an Investitionen gerechtfertigt seien, ebenso, dass sie zutreffend anhand des angefallenen Aufwands berechnet worden seien, gehe dies „ins Blaue“. Es sei ferner nicht zu beanstanden, dass der Zweckverband zunächst mehrere (fünf) öffentliche Einrichtungen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung betrieben habe. Im Übrigen betreibe er zum 1. Januar 2008 nur noch eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Entsorgung von Schmutzwasser (Art. 1 Ziff. 1 der 3. Änderungssatzung zur Abwasserentsorgungssatzung und Art. 1 Ziff. 1 der 2. Änderungssatzung der Beitrags- und Gebührensatzung, jeweils vom 12. Dezember 2007). Die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse zur (hier) schlichten Tiefenbegrenzung sei ordnungsgemäß erfolgt. Ob die Fortschreibung der Globalkalkulation nach Ablauf ihres (bisherigen) Kalkulationszeitraums nach dem Jahre 2010 erforderlich sei, spiele für das vorliegende Verfahren keine Rolle, da die hier zugrunde liegende Globalkalkulation, auf der der vorliegende Beitragsbescheid beruhe, rechtlich nicht zu beanstanden sei.

23

Soweit die Kläger die sog. „Altanschließer-Rechtsprechung“ des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern kritisierten, der sich das Verwaltungsgericht bereits in zahlreichen Entscheidungen angeschlossen habe, könne dem nicht gefolgt werden. Da der Zweckverband nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen zur Schmutzwasserentsorgung geschaffen habe, müsse ein Herstellungsbeitrag erhoben werden, und zwar sowohl von den sog. „Altanschließern“ mit faktischem Kanalnetzanschluss schon zu DDR- oder noch weiter zurückliegenden Zeiten als auch von den Eigentümern „neu“ an das Kanalnetz angeschlossener/anschließbarer Grundstücke. Denn allen angeschlossenen bzw. an die öffentliche Einrichtung anschließbaren Grundstücken werde erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern sei ebenfalls geklärt, dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sich nur auf die nach der Wende gegründeten Abgaben erhebenden Körperschaften beziehe. Selbst wenn die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger im Hinblick auf das streitbefangene Grundstück während der Existenz der DDR für den Anschluss des Grundstücks Gebühren o. Ä. – ein Nachweis dafür sei nicht vorgelegt worden – gezahlt haben sollten, könne es nach der Wende zu einem Herstellungsbeitrag nach dem Kommunalabgabengesetz herangezogen werden.

24

Den Ausführungen der Kläger zu § 242 Abs. 9 BauGB bzw. einer analogen Anwendung dieser Vorschrift sei ebenfalls nicht zu folgen. Vorliegend werde kein Erschließungsbeitrag für Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB erhoben, sondern ein Anschlussbeitrag nach § 9 KAG M-V. Kommunalabgabenrechtliche Anschlussbeiträge aufgrund der Herstellung einer öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung unterfielen nicht der Vorschrift des § 242 Abs. 9 BauGB.

25

Dem angegriffenen Bescheid selbst hafte ebenfalls kein materieller Fehler an. Der Beitrag sei insbesondere nicht in seiner Festsetzung verjährt. Die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht setze sowohl nach dem neuen als auch nach dem alten Kommunalabgabengesetz (§ 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bzw. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F.) eine wirksame Beitragssatzung voraus. Erst mit ihrer Existenz beginne die vierjährige Festsetzungsfrist zu laufen (§ 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 1 AO). Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, wonach die Festsetzungsfrist für die Erhebung eines Anschlussbeitrages erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung beginne. Diese Rechtsprechung habe der Landesgesetzgeber in der Neuregelung des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V ausdrücklich bestätigt. Die zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Satzung vom 03. Dezember 2004 über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung sei die erste wirksame Satzung des Zweckverbandes. Die Satzung vom 27. März 2002 sei wegen Nichtbeachtung der sog. „Altanschließer“ auf der Flächenseite der Kalkulation ebenso unwirksam gewesen wie die Satzung vom 23. Mai 2001. Anhaltspunkte für eine Verwirkung des streitigen Anschlussbeitrags lägen nicht vor.

26

Die der Satzung zugrundeliegenden Normen, insbesondere § 9 Abs. 3 KAG M-V, verstießen auch nicht gegen höherrangiges Recht, auch nicht vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –. Zunächst handele es sich bei der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b) cc) Spiegelstrich 2 Bayerisches Kommunalabgabengesetz um eine Verjährungsregelung, die in gleicher oder ähnlicher Weise im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht existent sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nach dem bayerischen Landesrecht beitragspflichtig derjenige ist, der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist oder war. Es komme hingegen nach der dortigen Regelung nicht darauf an, ob er im Zeitpunkt des Erlasses des Anschlussbeitragsbescheides noch Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist. Eine vergleichbare Verjährungsregelung gebe es im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht. § 12 Abs. 2 KAG M-V i.V.m. § 169 AO setze die Verjährungsfrist für alle Fälle auf vier Jahre ab dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fest. Ein beliebiges Auseinanderklaffen von Entstehung der Beitragspflicht und Eintritt der Verjährung sei damit ausgeschlossen.

27

Auch die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle von 2005 entsprechend der seit 1999 ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zu der Vorläuferregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 klargestellt bzw. präzisiert, dass Beiträge nur erhoben werden können, wenn sie auf eine rechtswirksame Satzung verweisen können. Auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde seitens des Verwaltungsgerichts an dieser Rechtsprechung festgehalten. Die Regelung widerspreche nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit. Die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern und die Regelungen im Bayerischen Kommunalabgabengesetz unterschieden sich insofern, da das Entstehen der sachlichen und persönlichen Beitragspflicht nach Artikel 5 Abs. 6 BayKAG zusammenfalle. Nach dem Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern sei nach § 7 Abs. 2 KAG M-V hingegen beitragspflichtig immer derjenige, der im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides die persönlichen Kriterien der Beitragspflicht als Grundstückseigentümer oder sonstiger Pflichtiger erfüllt. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayerischen Landesrecht, das unter Umständen – wie im Fall des Bundesverfassungsgerichts – an eine längst vergangene Eigentümerstellung anknüpfe, sei deshalb nicht möglich. Eine dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit zuwiderlaufende Regelung sei in § 9 Abs. 3 KAG M-V auch insoweit nicht zu erkennen, als dort nicht das Erfordernis der rückwirkenden Inkraftsetzung der Beitragssatzung oder aber eine starre äußerste zeitliche Grenze für das zulässige Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch Erlass einer wirksamen Beitragssatzung geregelt sei. Eine derartige Regelung gebiete das Verfassungsrecht nicht. Dabei sei zunächst darauf hinzuweisen, dass das bundesrechtlich geprägte (Straßen-) Erschließungsbeitragsrecht ebenfalls das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ggf. vom nachträglichen Erlass einer Erschließungsbeitragssatzung abhängig mache, ohne dass dort eine zeitliche Höchstgrenze festgelegt wäre. Diese durch das Richterrecht des Bundesverwaltungsgerichts geprägte Rechtslage sei bislang verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden. Schließlich sei im Hinblick auf eine „Verflüchtigung“ des Vorteils für das Anschlussbeitragsrecht nach Maßgabe des Landesrechts in Mecklenburg-Vorpommern zu berücksichtigen, dass der Anschlussvorteil ein weitaus länger währender sei als beispielsweise der Anliegervorteil aus einer Straßenbaumaßnahme. Die Konzeption und Realisierung einer Trinkwasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungsanlage sei weitaus aufwändiger als z. B. die Erneuerung einer Straße. Unter diesen Rahmenbedingungen könne eine zeitliche Höchstgrenze in Ansehung der konkreten Planungs- und Realisierungserfordernisse nicht gezogen werden, ohne auf der anderen Seite den ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zu verletzen. Eine „Verflüchtigung“ komme erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, ab dem die Vorteile, die die Anlage bietet, den Eigentümern vollständig zugeflossen sind. Bezug zu nehmen sei dabei auf die konkrete Anlage, für die die Vorteile abgeschöpft werden. Unerheblich sei es hingegen, ob es unter früheren Rechtsregimen ähnliche Entsorgungsmöglichkeiten gegeben habe. Eine andere verfassungsrechtliche Betrachtung möge sich im Einzelfall ergeben, wenn lange Zeit – d.h. mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte – nach Abschluss des in gemeindlicher Selbstverwaltung geplanten Ausbauzustandes bzw. der Investitionsmaßnahme immer noch keine wirksame Satzung als Voraussetzung der Beitragserhebung gegeben sei. Eine starre Bestimmung dieser zeitlichen Höchstgrenze sei für das Anschlussbeitragsrecht aber verfassungsrechtlich nicht geboten.

28

Das Urteil ist den Klägern am 21. Juni 2013 zugestellt worden.

29

Am 17. Juli 2013 haben die Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt und am 13. August 2013 beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern. Nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 23. September 2013 haben sie am 18. September 2013 nochmals beantragt, die Frist bis zum 15. Oktober 2013 zu verlängern. Nach entsprechender Verlängerung haben die Kläger mit am 11. Oktober 2013 eingegangenem Schriftsatz ihre Berufung dann begründet.

30

Die Kläger tragen im Wesentlichen vor,

31

das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Der angefochtene Bescheid sowie der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Eine mit dem angefochtenen Bescheid abgerechnete Neuherstellung der Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung liege nicht vor. Das Grundstück der Kläger sei bereits vor dem 03. Oktober 1990 im damaligen Beitrittsgebiet an eine bestehende Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen gewesen. Folglich sollten sie als Grundstückseigentümer im vorliegenden Fall zweimal für eine Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung bezahlen. Das Verwaltungsgericht hätte erkennen müssen, dass die Erhebung des Beitrages zu einer unzulässigen Doppelbelastung der Eigentümer führe, da der Beklagte ein bestehendes Kanalnetz übernommen habe, welches bereits zu DDR-Zeiten über die Bevölkerung finanziert worden sei. Sie seien als Grundstückseigentümer mit ihrem Grundstück bereits zu DDR-Zeiten an die Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen gewesen. Sie hätten nicht damit rechnen müssen, ein zweites Mal für die bereits vorhandene Anlage zahlen zu müssen. Sie hätten vielmehr darauf vertrauen dürfen, für die Herstellungskosten nicht mehr herangezogen zu werden, und sich auch auf die Einreden der Verjährung und der Verwirkung berufen.

32

Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung gebe überdies selbst auch keine Grundlage für die Festsetzung eines Herstellungsbeitrages gegenüber den Klägern. In § 3 der Satzung sei geregelt, dass die Beitragspflicht entstehe, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne. Das Grundstück der Kläger sei zu DDR-Zeiten an die öffentliche Einrichtung angeschlossen gewesen, nach dieser Regelung könne daher eine Beitragspflicht nicht entstehen. Soweit § 3 regele, dass für Grundstücke, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung bereits angeschlossen seien, eine Beitragspflicht mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entstehe, lasse sich diese Regelung allein dahingehend auslegen, dass auch hiervon nur Grundstücke betroffen seien, die zum 03. Oktober 1990 noch nicht an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen seien. Eine anderweitige Auslegung würde gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. Die Satzung stehe nicht im Einklang mit der Regelung in § 242 Abs. 9 BauGB. Die Kläger bestreiten, dass die Beiträge durch eine entsprechende Aufwandsinvestition gerechtfertigt seien. Ebenso werde bestritten, dass die Beiträge zutreffend anhand des angefallenen Aufwands berechnet worden seien. Das Verwaltungsgericht hätte diesem Bestreiten der Kläger nachgehen müssen. Die Berechnung des Beklagten könne von außenstehenden Laien kaum nachvollzogen werden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verkenne zudem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 – 1 BVR 2057/08 –. Hier sei ausgeführt worden, dass sogenannte Altanschließer geschützt werden müssten und nicht unbegrenzt die Möglichkeit bestehe, weitere Abgaben zu erheben. Das Bundesverfassungsgericht verlange, dass soweit Beitragspflichten zum Vorteilsausgleich an zurückliegende Tatbestände anknüpften, diese Inanspruchnahme zeitlich begrenzt sein müsse. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete demnach, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Im vorliegenden Fall hätten die Kläger bereits vor dem 03. Oktober 1990 für die Schmutzwasserbeseitigung gezahlt. Sie hätten daher nicht damit rechnen müssen, dass sie im Jahr 2006 plötzlich zu Beiträgen herangezogen würden. Die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern verstießen gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V. Da letztere keine zeitliche Begrenzung für sogenannte Altfälle vorsehe, seien sie und damit auch entsprechende Satzungen rechtswidrig. Auch dem Argument des Verwaltungsgerichts, wonach sich die hiesigen Regelungen und die des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes dadurch unterscheiden würden, dass das Entstehen der sachlichen und persönlichen Beitragspflichten nach Artikel 5 Abs. 6 Bayerisches KAG zusammenfallen würden und nach dem Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern nach § 7 Abs. 2 KAG M-V hingegen beitragspflichtig immer derjenige sei, der im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides die persönlichen Kriterien der Beitragspflicht erfülle, könne insoweit nicht gefolgt werden. Die Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern ermöglichten, dass quasi ohne zeitliche Begrenzung für Altfälle noch Beiträge erhoben werden könnten. § 9 Abs. 3 KAG M-V sei eine dem Anspruch auf Rechtssicherheit zuwiderlaufende Regelung, als dort keine starre äußerste zeitliche Grenze für das Entstehen der Beitragspflicht geregelt sei.

33

Die Kläger beantragen,

34

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin Az: 4 A 1280/12 vom 16.04.2013 den Bescheid des Beklagten über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19.05.2006 (Bescheid-Nr. B…) und seinen Widerspruchsbescheid vom 28.08.2006 aufzuheben.

35

Der Beklagte beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Der Beklagte trägt vor,

38

die Beitragserhebung sei gegenüber den Klägern auch mit Rücksicht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – rechtlich zulässig. Die rechtliche Struktur der Bestimmungen des § 9 Abs. 3 KAG M-V sowie des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b cc) Spiegelstrich 2 BayKAG sei erkennbar verschieden. In Bayern habe ein ursprünglicher Grundstückseigentümer noch jahrzehntelang zu einem Beitrag herangezogen werden können, auch wenn er etwa das Grundstück bereits verkauft gehabt und sich so der Vorteil in der Tat „verflüchtigt“ habe. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen werde stets der aktuelle Grundstückseigentümer herangezogen, der den Vorteil des erschlossenen Grundstücks gerade noch innehabe. In rechtlicher Hinsicht sei die Situation in Mecklenburg-Vorpommern vergleichbar mit derjenigen sogenannter „verhaltener Ansprüche“, etwa Arzt- oder Architekten-Honorarforderungen, die auch erst entstehen bzw. fällig würden, wenn eine entsprechende Rechnung gestellt werde. So wie dort genüge auch im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern das Rechtsinstitut der Verwirkung, um unbillige oder rechtsstaatlich unter dem Blickpunkt der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu rechtfertigende Einzelfälle zu korrigieren. Ergänzend komme die vom Bundesverfassungsgericht nicht gesehene Regelung des § 162 BGB analog hinzu, wonach ein Bedingungseintritt nicht treuwidrig verzögert werden dürfe. Dieser Rechtsgrundsatz relativiere die Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht gegen das Argument, das Rechtsinstitut der Verwirkung sei ausreichend, vorgebracht habe. Auch die Regelungen zur sachlichen und persönlichen Billigkeit dürften ergänzend eine Rolle spielen. Denn diese unbestimmten Rechtsbegriffe ließen eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend zu, dass erhobene Beiträge nach „Verflüchtigung“ des Vorteils nicht mehr beigetrieben werden könnten, da dies sachlich unbillig wäre.

39

Ergänzend sei von Bedeutung, dass sich der Vorteil durch das Erschlossensein durch eine leitungsgebundene Einrichtung nicht so schnell „verflüchtige“, wie das Bundesverfassungsgericht unterstelle. Die öffentliche Einrichtung mit ihren technischen Anlagen solle quasi „ewig“ vorgehalten werden. Die technischen Anlagen hätten typischerweise auch Nutzungsdauern von mehreren Jahrzehnten, die zudem durch Instandsetzungen und Erneuerungen noch verlängert würden. § 9 Abs. 3 KAG M-V wäre jedenfalls etwa dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass die sachliche Beitragspflicht unabhängig von einer wirksamen Satzung entstehe, wenn die öffentliche Einrichtung endgültig hergestellt worden sei, also mit Umsetzung des jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzeptes eines Abwasserentsorgers in Bezug auf technische Anlagen, die zu den jeweiligen öffentlichen Einrichtungen gehörten. Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe mit Urteil vom 14. November 2013 – 9 B 34.12 – die mit § 9 Abs. 3 KAG M-V vergleichbare Regelung im KAG Brandenburg verfassungskonform interpretiert. Es habe den vom Bundesverfassungsgericht betonten weiten Gestaltungsspielraum herangezogen und es für ausreichend erachtet, dass § 12 Abs. 3a KAG Brandenburg grundsätzlich für Altanschließer normiert habe, dass die Festsetzungsfrist frühestens am 31. Dezember 2011 ende. Es habe dabei zutreffend auf die Besonderheiten im Gebiet der ehemaligen DDR beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung abgestellt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 – verfassungskonform zu Erschließungsbeiträgen entschieden, dass diese ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der Verjährungsregelungen analog der 30-jährigen Verjährungsregel des dortigen Art. 53 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG verjährten.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, auf die Gerichtsakten in den Parallelverfahren Az. 1 L 139/13 und 1 L 140/13 und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Gerichtsakten bzw. Beiakten zu Gerichtsakten, die sämtlich jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, ferner auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

41

Die zulässige Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.

42

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist; der Bescheid des Beklagten über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. Mai 2006 (Bescheid-Nr. B…) und sein Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

43

Der Beitragsbescheid beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage (A.); auch die Rechtsanwendung des Beklagten ist nicht zu beanstanden (B.).

44

A. Gemäß § 1 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-​Vorpommern (KAG M-​V) können Zweckverbände in Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises Abgaben mit Ausnahme von Steuern erheben. Abgaben dürfen nur aufgrund einer Satzung erhoben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-​V). Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Satzung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg (nachfolgend: Zweckverband) über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 in der während des laufenden gerichtlichen Verfahrens maßgeblich gewordenen Fassung der Vierten Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 09. Dezember 2013 (im Folgenden: BGS) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

45

Die Rüge der Kläger, die Satzung stehe nicht im Einklang mit der Regelung des § 242 Abs. 9 BauGB, dringt nicht durch. Der Senat hat bereits entschieden, dass diese Bestimmung im vorliegenden Zusammenhang nicht maßgeblich sein kann, weil sie ausschließlich die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung vor allem von Straßen regelt, um die es aber hier nicht geht (vgl. – auch zum Folgenden – Beschl. v. 06.02.2007 – 1 L 295/05 –, NordÖR 2007, 433; Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris). Auch die von den Klägern begehrte analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht; ebenso wenig war der Landesgesetzgeber verpflichtet, für die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen eine entsprechende Regelung zu treffen. Das Vorbringen der Kläger lässt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Erschließungsbeiträgen nach den §§ 127 ff. BauGB und den Kanalanschlussbeiträgen außer Acht. Erschließungsanlagen nach § 127 Abs. 2 BauGB (zumeist öffentliche Straßen und Plätze) sind einzelne technische Einrichtungen mit bis zu ihrer endgültigen Herstellung von der Errichtung weiterer technischer Anlagen unabhängiger überschaubarer Bauzeit, die naturgemäß in dem Zeitraum vor der Wende ihren Abschluss finden konnten. In diesem Falle sollen die Anliegergrundstücke nicht mit hohen Erschließungsbeiträgen, sondern wegen des dann höheren Gemeindeanteils nur mit niedrigeren Straßenbaubeiträgen belastet und insoweit privilegiert werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.07.2007 – 9 C 5.06 –, juris, Rn. 27). Eine völlige Freistellung von Beiträgen ist demzufolge nicht geregelt. Bei der Abwasserbeseitigungseinrichtung handelt es sich um eine aus verschiedenen einzelnen technischen Bestandteilen (Leitungsnetz, Klärwerke, etc.) bestehende Gesamtanlage im rechtlichen Sinne, deren (erstmalige) Herstellung sich über Jahrzehnte erstrecken kann und deren Fertigstellungszeitpunkt als kommunale Anlage im Sinne des neuen Rechts nicht vor dem Zeitpunkt des Beitrittes liegen konnte (vgl. dazu näher nachfolgend unter B II 3 a). Infolgedessen waren Abwasserbeseitigungseinrichtungen vor dem Zeitpunkt des Beitritts noch nicht „bereits hergestellt“. Selbst wenn man das im Einzelfall aber annehmen wollte, müssten nach dem § 242 Abs. 9 BauGB zugrundeliegenden Gedanken (keine gänzliche Freistellung von Beiträgen) auch nunmehr Erneuerungsbeiträge für die umfangreichen Anlagenmodernisierungen erhoben werden. Weil jedoch ohnehin nur „Nachwendeinvestitionen“ als dem Betreiber der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage entstandener Aufwand umgelegt werden dürfen, wäre der danach zu erhebende Beitrag auch nicht geringer als der Beitrag für die Herstellung der Anlage. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund angenommen, eine analoge Anwendung von § 242 Abs. 9 BauGB scheide bereits mangels planwidriger Lücke aus. Die Kläger haben gegen dessen an die Senatsrechtsprechung anknüpfenden Erwägungen im Berufungsverfahren keine substantiellen Einwände erhoben.

46

Die von den Klägern betreffend den vom Zweckverband getätigten Aufwand bzw. die Beitragskalkulation erhobenen Einwendungen gehen „ins Blaue“. Auch wenn die Kläger insoweit Laien sein mögen, konnten sie jedenfalls mit Hilfe ihrer Prozessbevollmächtigten die entsprechenden Unterlagen des Zweckverbandes sichten und hätten dann ggf. substantielle Rügen erheben können (vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris). Im Übrigen sind nach Maßgabe des vorstehend zitierten Urteils bei einer Sichtung der Kalkulation durch den 4. Senat keine Kalkulationsmängel offen zu Tage getreten; diesen Erwägungen schließt sich der erkennende Senat an.

47

Weitere Rügen unmittelbar gegen die Wirksamkeit der der Beitragserhebung zugrunde liegenden Satzung sind von den Klägern im Berufungsverfahren nicht erhoben worden; im Übrigen verweist der Senat in dieser Frage auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 130b Satz 2 VwGO).

48

B. Die Kläger sind unter Zugrundelegung der Beitragssatzung (I.) und auch im Übrigen II.) rechtmäßig zur Beitragszahlung herangezogen worden.

49

I. Entgegen dem Berufungsvorbringen unterliegen sie zunächst der Beitragspflicht nach Maßgabe von § 3 BGS.

50

Die Beitragspflicht entsteht gemäß § 3 Satz 1 BGS, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden kann. Für Grundstücke, die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Satzung bereits angeschlossen sind, entsteht die Beitragspflicht mit dem In-Kraft-Treten dieser Satzung (Satz 2).

51

Die Kläger machen in Ansehung dieser Bestimmung zu Unrecht geltend, sie gebe ihnen gegenüber keine Grundlage für die Festsetzung eines Herstellungsbeitrages. In § 3 der Satzung sei geregelt, dass die Beitragspflicht entstehe, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne. Das Grundstück der Kläger sei zu DDR-Zeiten an die öffentliche Einrichtung angeschlossen gewesen, nach dieser Regelung könne daher eine Beitragspflicht auch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht entstehen. Soweit sich die Beitragssatzung in § 3 ferner darauf berufe, dass für Grundstücke, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Satzung bereits angeschlossen seien, eine Beitragspflicht mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entstehe, lasse sich diese Regelung allein dahingehend auslegen, dass auch hiervon nur Grundstücke betroffen seien, die zum 03. Oktober 1990 noch nicht an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen wären.

52

Auch diesem Vortrag der Kläger vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des 1. und – früheren – 4. Senats betreffend die sog. Altanschließerproblematik (vgl. etwa Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris), auf die sich das Verwaltungsgericht ausdrücklich stützt, kann und darf eine kommunale Anschlussbeitragssatzung nicht die schon in der Vergangenheit, insbesondere zur Zeit der DDR tatsächlich an eine Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung angeschlossenen Grundstücke von der Beitragspflicht ausnehmen und nur neu an die Anlage angeschlossene Grundstücke zu Beiträgen heranziehen. Dies wäre willkürlich. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Im Übrigen ist der Regelung des § 3 Satz 1 BGS offensichtlich immanent, dass sie eine Anschlussmöglichkeit unter ihrer Geltung zum Gegenstand hat: Ohne wirksame satzungsrechtliche Regelung zur Entstehung der Beitragspflicht könnte die Beitragspflicht gerade nicht entstehen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V); Bedingung der Entstehung der Beitragspflicht ist folglich die Existenz einer wirksamen Satzung. Nur dieses Normverständnis harmoniert mit § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bzw. der vorher schon existierenden Rechtslage. Mangels Geltung der Satzung zu DDR-Zeiten konnte folglich auch nicht früher schon die sachliche Beitragspflicht entstanden sein; ebenso verbietet sich von Verfassungs wegen ein Normverständnis dahingehend, dass ab Inkrafttreten der Satzung nur zukünftig anschließbare Grundstücke der Beitragspflicht („Neuanschließer“) unterliegen sollen. Insoweit ist die Satzung auch in Ansehung des Wortlauts des § 3 Satz 1 BGS wirksame Rechtsgrundlage zur Heranziehung der sog. Altanschließer; eine gegenteilige Auslegung der Norm ist ausgeschlossen, da dies ihre Unwirksamkeit nach sich zöge (vgl. Senatsurteil v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –). Dies stellt zudem jedenfalls – nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen in der rechtlichen gebotenen Weise – § 3 Satz 2 BGS klar.

53

II. 1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass vorliegend keine Festsetzungsverjährung eingetreten und der mit dem Beitragsbescheid vom 19. Mai 2006 geltend gemachte Beitragsanspruch des Beklagten folglich nicht wegen Festsetzungsverjährung gemäß § 47 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 und 2 KAG M-​V erloschen ist.

54

Nach Maßgabe von § 47 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-​V erlöschen Beitragsansprüche insbesondere durch Verjährung. Eine Beitragsfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, § 169 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-​V.

55

Abweichend von § 169 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V vier Jahre; bei der Erhebung eines Anschlussbeitrages nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V endet die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008.

56

Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V). Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung; § 3 BGS stimmt hiermit – wie ausgeführt – überein. Erste wirksame Satzung des Zweckverbandes ist die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung, die am 3. Dezember 2004 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger vom 27. Dezember 2004 öffentlich bekannt gemacht wurde und zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist; sie liegt inzwischen in der Fassung der 4. Änderungssatzung vor. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Beitragsbescheides am 19. Mai 2006 waren offensichtlich noch keine vier Jahre verstrichen und folglich war Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten; auf § 12 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz KAG M-V kommt es insoweit nicht an.

57

2. Der Beklagte hat den Beitragsanspruch auch nicht verwirkt. Nach Maßgabe der Senatsrechtsprechung bedeutet Verwirkung als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung) (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 16.09.2013 – 1 L 207/11 –; Urt. v. 02.11.2005 – 1 L 105/05 –, juris; Beschl. v. 05.11.2001 – 3 M 93/01 –, NordÖR 2001, 480 = NVwZ-​RR 2003, 15 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12.01.2004 – 3 B 101.03 –, NVwZ-​RR 2004, 314; BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4.89 –, NVwZ 1991, 1182 ff.; OVG Münster, Beschl. v. 07.08.1998 – 11 B 1555/98 –, NVwZ-​RR 1999, 540; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.11.1991 – 1 L 117/91 –).

58

Nach diesem Maßstab kommt die Annahme einer Verwirkung des Beitragsanspruchs durch den Beklagten nicht in Betracht. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Kläger aufgrund eines Verhaltens des Beklagten darauf hätten vertrauen dürfen, dass dieser den streitigen Beitragsanspruch nicht mehr geltend machen werde. Dabei ist zu beachten, dass das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bereits mit Beschluss vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 – (juris) die Gleichheitswidrigkeit einer Nichtheranziehung von Altanschließern festgestellt und anschließend in ständiger Rechtsprechung diesen Rechtsstandpunkt immer wieder bekräftigt hat (vgl. z.B. OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, KStZ 2002, 132 = NVwZ-​RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschl. v. 12.05.2005 – 1 L 477/04 –; Beschl. v. 11.08.2004 – 1 M 181/04 –; Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05 –, NordÖR 2006, 160; Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris; Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –, juris). Folglich mussten sich auch sog. Altanschließer auf ihre Heranziehung zu einem Zeitpunkt einstellen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 16.09.2013 – 1 L 207/11 –), in dem zudem auch das Zeitmoment noch nicht gegeben war. Damit fehlt es bereits an der erforderlichen Vertrauensgrundlage. Unabhängig von der Frage, ob die Kläger tatsächlich darauf vertraut haben, der Beitragsanspruch werde ihnen gegenüber nicht mehr verfolgt, ist zudem jedenfalls für eine beachtliche Vertrauensbetätigung ihrerseits nichts ersichtlich.

59

3. Schließlich hat sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge auch nicht nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris; vgl. auch Beschl. v. 03.09.2013 – 1 BvR 1282/13 -, juris; Beschl. v. 11.10.2013 – 1 BvR 2616/13 –) „verflüchtig“ oder erweist sich insbesondere die landesrechtliche Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V als verfassungswidrig.

60

Die Kläger machen anknüpfend an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Wesentlichen geltend, sie seien mit ihrem Grundstück bereits seit DDR-Zeiten bzw. jedenfalls seit der Wende an die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen gewesen. Ohne das in § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V geregelte Erfordernis einer wirksamen Satzung hätte die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V jeweils mit der Folge früher anlaufen müssen, dass zwischenzeitlich vor Erlass des streitgegenständlichen Beitragsbescheides Festsetzungsverjährung eingetreten wäre. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bewirke rechtsstaatwidrig, dass eine Beitragserhebung zeitlich unbegrenzt nach Eintritt der Vorteilslage möglich sei. Die Kläger hätten im Zeitpunkt der Beitragserhebung nicht mehr mit einer solchen rechnen müssen. Ihr entsprechendes Vertrauen sei schutzwürdig.

61

Mit diesem Vortrag vermögen die Kläger nicht durchzudringen.

62

Die der Beitragserhebung zugrundeliegenden Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes M-​V sind wirksam. Sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Das Anschlussbeitragsrecht in Mecklenburg-​Vorpommern hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen stand. Die streitgegenständliche Beitragserhebung und auch die Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V verstoßen nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit. Das Regelungssystem des Kommunalabgabengesetzes M-V bringt jedenfalls im Rahmen des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums insoweit die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit zu einem angemessenen Ausgleich.

63

a) Der Senat hat bereits in mehreren Berufungszulassungsverfahren entschieden und hält an dieser Auffassung auch im vorliegenden Berufungsverfahren fest, dass die Feststellung einer sog. „Altanschließersituation“ isoliert betrachtet keine „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung nach sich ziehen kann.

64

Mit Blick auf den Zeitpunkt der Entstehung des beitragsrechtlichen Vorteils wurde nach ständiger Senatsrechtsprechung auch allen Eigentümern von tatsächlich bereits angeschlossenen Grundstücken („Altanschließer“) mit den jeweiligen öffentlichen Entsorgungseinrichtungen von den kommunalen Einrichtungsträgern wie dem Zweckverband erstmalig und frühestens unter dem grundlegend neuen Rechtsregime nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können (gilt entsprechend für die Versorgung mit Trinkwasser durch einen Trinkwasseranschluss). In die Beitragskalkulation zur Abgeltung dieses Vorteils fließen zudem nur sog. „Nachwendeinvestitionen“ ein, so dass auch keine Rede davon sein kann, die Eigentümer bereits zuvor tatsächlich angeschlossener Grundstücke, die ggf. in der Vergangenheit in irgendeiner Form Zahlungen für diesen früheren Anschluss geleistet haben, würden „doppelt“ zu denselben Kosten herangezogen. Entscheidend ist auf diese rechtliche Absicherung des Vorteils abzustellen, die erstmals und frühestens nach Inkrafttreten insbesondere des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern – bzw. zeitlich danach mit Erlass einer wirksamen Beitragssatzung – eintreten kann. Kein taugliches Kriterium zur Differenzierung des Vorteils sind die tatsächlichen Verhältnisse, d. h. ob rein faktisch zuvor das Abwasser in der einen oder anderen Weise hat abgeleitet werden können. Daher kommt es z. B. nicht entscheidungserheblich darauf an, ob zu DDR-​Zeiten Schmutzwasserkanäle – von wem auch immer – erstellt worden sind. Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist, ob die betreffenden Grundstückseigentümer über eine wie auch immer geartete private Kläranlage oder Sammelgrube verfügt haben (vgl. zum Ganzen bereits OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, NVwZ-​RR 2002, 687 – zitiert nach juris).

65

Demnach war die Vorteilslage gerade nicht schon zu DDR-Zeiten eingetreten und ist das an die Situation der Kläger als „Altanschließer“ schon in dieser Zeit anknüpfende Berufungsvorbringen für sich gesehen folglich nicht geeignet, die Entscheidungserheblichkeit der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkret aufzuzeigen. Mit Blick darauf, dass nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts der rechtlich gesicherte Vorteil der Möglichkeit, Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können, erst mit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern frühestmöglich entstehen konnte, hat der Senat in diesem Sinne bereits darauf hingewiesen, dass es in Ansehung der sog. Altanschließerproblematik bzw. in ausschließlicher Betrachtung des Zeitraumes zwischen einem tatsächlichen Anschluss zu DDR-Zeiten und diesem Inkrafttreten nicht entscheidungserheblich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – und den darin entwickelten Gesichtspunkt der „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Erhebung von Beiträgen ankommen kann, weil sich der so rechtlich bzw. unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung so von Verfassungs wegen (vgl. zur Gleichheitswidrigkeit einer Nichtheranziehung von „Altanschließern“ z.B. OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, KStZ 2002, 132 = NVwZ-​RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschl. v. 12.05.2005 – 1 L 477/04 –; Beschl. v. 11.08.2004 – 1 M 181/04 –; Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05 –, NordÖR 2006, 160; Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris; Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –, juris) zu definierende Vorteil nicht bereits im Moment seiner frühestmöglichen Entstehung (Inkrafttreten des KAG) wieder „verflüchtigt“ haben kann (vgl. Beschl. des Senats v. 10.06.2013 – 1 L 139/10 –; v. 21.08.2013 – 1 L 86/13 –; v. 16.09.2013 – 1 L 207/11 –; Beschl. v. 24.02.2014 – 1 L 170/13, 1 L 167/12, 1 L 175/12 –). Anders gewendet konnte in diesem frühestmöglichen Moment der Vorteilsentstehung noch kein Vertrauen gebildet worden sein, von einer Heranziehung zu Anschlussbeiträgen verschont zu bleiben. Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit kann in dieser Sichtweise nicht berührt oder gar verletzt sein.

66

b) Auch im Übrigen führt die „Verflüchtigungsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts nicht zu der Schlussfolgerung, die streitgegenständliche Beitragserhebung sei rechtswidrig. Sie ist schon nicht auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes M-V anwendbar (aa). Selbst wenn man die Möglichkeit der „Verflüchtigung“ einer Legitimation zur Erhebung von Anschlussbeiträgen im Grundsatz bejahte, kann diese zur Überzeugung des Senats nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls angenommen werden. Insoweit wäre keine gesetzliche Neuregelung im Kommunalabgabengesetz M-V notwendig, da der Landesgesetzgeber bereits ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt hat, um den verschiedenen Fallgestaltungen und einer im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmenden „Verflüchtigung“ des Vorteils bzw. zur Legitimation einer Beitragserhebung gerecht zu werden (bb). Nach den Umständen des Einzelfalles ist vorliegend eine solche „Verflüchtigung“ zu verneinen (cc).

67

aa) Zunächst ist die erörterte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in ihrem Ausgangspunkt zu Bestimmungen des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes ergangen, die in wesentlicher Hinsicht vom hiesigen Landesrecht abweichen und folglich nicht ohne Weiteres auf dieses bzw. den vorliegenden Fall übertragen werden kann.

68

Bei der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b) cc) Spiegelstrich 2 Bayerisches Kommunalabgabengesetz handelt es sich um eine Verjährungsregelung, die sich in gleicher oder ähnlicher Weise im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht wiederfindet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem bayerischen Landesrecht beitragspflichtig derjenige ist, der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist oder war. Es kam hingegen nach der dortigen Regelung nicht darauf an, ob er im Zeitpunkt des Erlasses des Anschlussbeitragsbescheides noch Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist. Eine vergleichbare Verjährungsregelung gibt es im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht. § 12 Abs. 2 KAG M-V i.V.m. § 169 AO setzt die Verjährungsfrist für alle Fälle auf vier Jahre ab dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fest. Die dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – zugrundeliegende Fallgestaltung, dass ein früherer Grundstückseigentümer viele Jahre nach Aufgabe seines Eigentums zu einem Beitrag herangezogen wird, die Festsetzungsfrist jedoch erst mit Erlass der Heilungssatzung beginnt, kann sich nach den Bestimmungen des KAG M-V (im Regelfall) nicht ereignen. Nach Art. 5 Abs. 6 Satz 1 BayKAG ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld Eigentümer des Grundstücks ist. Entsteht die (sachliche) Beitragspflicht – wie im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall – aufgrund einer rückwirkenden Satzung zu einem früheren Zeitpunkt, so ist der damalige Grundstückseigentümer beitragspflichtig, auch wenn ihm zum Zeitpunkt der Erteilung des Beitragsbescheides das Grundstück nicht mehr gehört. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG MV ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des bevorteilten Grundstückes ist. Weiter kann die Satzung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG MV bestimmen, dass beitragspflichtig ist, wer im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten Eigentümer des bevorteilten Grundstückes ist. Eine solche Bestimmung enthält § 7 BGS vorliegend nicht. Trifft demnach die Beitragssatzung – wie hier – keine von § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG MV abweichende Regelung, so ist es nicht möglich, dass ein früherer Eigentümer herangezogen wird, für den sich in der Tat der Anschlussvorteil bzw. demgegenüber sich die Legitimation zur Beitragserhebung „verflüchtigt“ haben kann. Auch wenn man die gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt, ist folglich ihre Übertragung auf § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nicht überzeugend.

69

Der Schutzbereich des vom Bundesverfassungsgericht als Ausprägung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verstandenen Gebots der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit, das davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können, ist im Falle der Erhebung eines Anschlussbeitrags im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen bzw. im Anwendungsbereich von § 9 Abs. 3 KAG M-V nicht einschlägig bzw. berührt.

70

Die Verschaffung des Vorteils, d.h. der Möglichkeit der Inanspruchnahme (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) ist kein in tatsächlicher Hinsicht einmaliger, gewissermaßen in einer juristischen Sekunde abgeschlossener Vorgang, sondern dauert nach erstmaliger Anschlussmöglichkeit mehrere Jahrzehnte lang an. Schmutz- und Trinkwasserbeiträge nach § 9 KAG M-​V knüpfen nicht an in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge an. Die Legitimation des Anschlussbeitrags ergibt sich vielmehr aus der Überlegung, dass das bevorteilte Grundstück durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage (§ 9 Abs. 3 KAG M-​V) einedauerhafte Erschließung erfährt. Der Vorteilsbegriff ist grundstücksbezogen, der abzugeltende Vorteil ist für das Grundstück in der positiven Veränderung der Erschließungssituation zu sehen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 20.10.1998 – 1 M 17/98 –, juris). Die Möglichkeit des Anschlusses an eine Abwasserentsorgungs- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage ist für die ordnungsgemäße Erschließung eines Grundstücks in gleicher Weise erforderlich wie etwa das Vorhandensein einer Straße. Eine ausreichende und auf Dauer gesicherte Erschließung ist sowohl nach Bauplanungsrecht – §§ 30 ff. Baugesetzbuch (BauGB) – als auch nach Bauordnungsrecht unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung eines Grundstücks zu baulichen Zwecken. Die Sicherung der Erschließung bezieht sich somit nicht nur auf den Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung. Vielmehr wirkt die durch die Sicherung der Erschließung herbeigeführte Bebaubarkeit eines Grundstücks auf die Zukunft ab der erstmalig gebotenen Anschlussmöglichkeit. Beitragsfähig ist nur der Vorteil, der rechtlich sicher und auf Dauer geboten wird (vgl. Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2013, § 8, Rn. 532 ff., 537; vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 29. August 2013 – AN 3 S 13.01273 –, juris, zum Erschließungsbeitragsrecht). Der Schmutz- bzw. Trinkwasserbeitrag wird nicht dafür gezahlt, dass das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wurde oder angeschlossen werden konnte, sondern dafür, dass es angeschlossen ist oder angeschlossen werden kann und auf Dauer angeschlossen bleibt. Der Vorteil ist deshalb als Dauervorteil zu qualifizieren (vgl. nur VerfG des Landes Brandenburg, Urt. v. 21.09.2012 – 46/11 –, juris, Rn. 88).

71

In diesem Zusammenhang erscheinen die Erläuterungen des Bundesverfassungsgerichts zur Legitimation von Beiträgen (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 45) ohnehin nicht ohne Weiteres als zwingend. Diese soll danach in der Abgeltung eines Vorteils liegen, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist. Die vom Bundesverfassungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen (BVerfGE 49, 343, 352; 93, 319, 344) sagen nichts dazu, dass der Vorteil „in einem bestimmten Zeitpunkt“ zugekommen sein muss. In einem bestimmten Zeitpunkt beginnt naturgemäß die Vorteilslage, aber sie dauert dann – wie zuvor gesagt – auch über einen sehr langen Zeitraum an. Der zitierte Beschluss vom 12. Oktober 1978 (2 BvR 154/74 –, BVerfGE 49, 343) betrifft auch keinen Beitrag, sondern eine Steuer und erwähnt nur allgemein das Vorteilsprinzip. In der weiter angeführten Entscheidung findet sich gleichfalls kein Beleg für den aufgestellten Rechtssatz. Dort heißt es in Übereinstimmung mit den beitragsrechtlichen Grundsätzen zur Rechtfertigung von Vorzugslasten im Präsens: „So empfängt, wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, einen besonderen Vorteil, der es rechtfertigt, ihn zur Tragung der Kosten der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen“ (BVerfG, Beschl. v. 07.11.1995 – 2 BvR 413/88, 2 BvR 1300/93 –, BVerfGE 93, 319). Von einem abgeschlossenen Vorgang ist dort gerade nicht die Rede. Die Erhebung von Gebühren und Beiträgen wird danach dementsprechend durch ihre Ausgleichsfunktion legitimiert.

72

Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, die Legitimation von Beiträgen liege in der Abgeltung eines Vorteils, der dem Grundstückseigentümer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei, stellt auch unter anderem Blickwinkel eine jedenfalls im Anschlussbeitragsrecht unzulässige Fiktion dar. In Ergänzung zu den vorstehenden Ausführungen zum Gegenstand des anschlussbeitragsrechtlichen Vorteils und zu seiner Qualifizierung als Dauervorteil ist darauf zu verweisen, dass § 5 Abs. 1 der Abwasserentsorgungsatzung des Zweckverbandes – wie im Übrigen die entsprechenden Satzungen anderer Entsorgungsträger – anknüpfend an § 14 Abs. 2 Kommunalverfassung (KV M-V) bzw. als Kehrseite des Anschluss- und Benutzungszwangs gemäß § 15 KV M-V i.V.m. § 7 der Abwasserentsorgungssatzung den Klägern wie jedem Eigentümer eines im Gebiet des Verbands liegenden Grundstücks die Berechtigung einräumt, den Anschluss seines Grundstücks an die Abwasseranlage und das Einleiten der auf seinem Grundstück anfallenden Abwasser nach Maßgabe der Satzung und unter Beachtung der Einleitungseinschränkungen des § 6 verlangen zu können. Dieses Anschluss- und Benutzungsrecht unterliegt keinen Einschränkungen in zeitlicher Hinsicht und „verflüchtigt“ sich auch nicht durch schlichten Zeitablauf bzw. den Umstand, dass dem Zweckverband zunächst über längere Zeit eine Abgabenerhebung auf der Grundlage einer wirksamen Beitragssatzung nicht gelang. Genau wie im Moment des erstmaligen Anschlusses hat der Grundstückseigentümer auch Jahre und Jahrzehnte später noch den Anschlussanspruch, der sich z. B. bei Beschädigungen oder Zerstörungen der Leitungen, die sein Grundstück anschließen, aktualisieren kann. Insoweit wäre es widersprüchlich, wenn sich einerseits die Zahlungspflicht verflüchtigen, der Anschlussanspruch aber uneingeschränkt und jederzeit aktualisierbar fortbestehen soll. Der Senat hat im Zusammenhang mit den Fragen nach der Entstehung der Beitragspflichten bzw. dem tatsächlichen Angeschlossensein eines Grundstückes bereits ausgeführt (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 18.01.2013 – 1 M 185/10 –), der Grundstückseigentümer könne aufgrund seines Benutzungsrechts vom Einrichtungsträger die Instandsetzung eines Kanals zur Beseitigung etwaiger alterungs- und bauausführungsbedingter Mängel beanspruchen. Zwischen dem Eigentümer und dem Einrichtungsträger besteht ein auf dem Anschluss des Grundstücks an die Kanalisation beruhendes öffentlich-rechtlichen (Dauer-) Schuldverhältnis. Daraus ist letzterer verpflichtet, das Abwasser aus den Grundstücken aufzunehmen und abzuleiten und steht zu den Anschlussnehmern weitgehend so, wie ein eine Kanalisationsanlage betreibender Unternehmer des bürgerlichen Rechts zu seinen Kunden stünde. Dem Einrichtungsträger obliegt es daher, dafür zu sorgen, dass das Entwässerungssystem insgesamt funktioniert, denn der Grundstückseigentümer ist ohne eine ordnungsgemäß beschaffene Anschlussleitung nicht imstande, seiner Verpflichtung zur Benutzung nachzukommen und sein Benutzungsrecht auszuüben (vgl. auch BGH, Urt. v. 30.09.1970 – III ZR 87/69 –, BGHZ 54, 299, 303; Urt. v. 07.07.1983 – III ZR 119/82 –, NJW 1984, 615, 617; VGH Mannheim, Urt. v. 09.11.1990 – 8 S 1595/90 –, NVwZ-RR 1991, 325; OVG Münster, Urt. v. 25.01.1978 – II A 439/75 –, KStZ 1978, 213). Das bedeutet, dass der Einrichtungsträger auch dafür zu sorgen hätte, dass die bei Ausschöpfung der zulässigen Grundstücksnutzung anfallenden Abwässer ordnungsgemäß abgeführt werden können. Dieser auch nach Jahrzehnten fortbestehenden Pflichten-, vor allem aber auch Anspruchsbeziehung trägt die Annahme einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung keine Rechnung.

73

Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass nach dem Kommunalabgabengesetz M-V die Refinanzierung des Herstellungsaufwands kommunaler Entsorgungseinrichtungen gleichzeitig teilweise über Anschlussbeiträge und teilweise über Gebühren bzw. eine gemischte Beitrags- und Gebührenfinanzierung mit einem nur teilweisen Deckungsgrad der Beitragserhebung seit jeher zulässig, weil vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt ist (vgl. nur OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, juris; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64; Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 –, juris, Rn. 66; Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97 –, NordÖR 1998, 256). Da die Gebührenerhebung regelmäßig fortlaufend vom Zeitpunkt der Entstehung des Vorteils an erfolgt ist, auch wenn parallel ein Beitrag noch nicht erhoben worden ist oder – z. B. wegen einer unwirksamen Beitragssatzung – noch nicht erhoben werden konnte, ist eine „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Deckung des Herstellungsaufwandes durch Gebühren grundsätzlich nicht denkbar. In diesen Fällen erscheint es ebenfalls widersprüchlich, ab einem bestimmten Zeitpunkt einerseits die „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Deckung des Herstellungsaufwandes durch Anschlussbeiträge anzunehmen, andererseits eine solche „Verflüchtigung“ für die Deckung des Herstellungsaufwandes durch Gebühren zu verneinen.

74

Die Annahme der Möglichkeit einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung wird auch in anderer Hinsicht der Komplexität der Rechtsbeziehungen im Bereich der Refinanzierung leitungsgebundener öffentlicher Einrichtungen nicht gerecht. So „verflüchtigt“ sich jedenfalls etwa der vom Zweckverband getätigte Herstellungsaufwand nicht. Die Kosten der Herstellung müssen gedeckt werden. Fällt der Verband mit Beitragsforderungen wegen einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Erhebung derselben aus, müssen nach entsprechender Neukalkulation entweder andere Beitragspflichtige oder Gebührenschuldner diese Kosten zusätzlich tragen; soweit die Refinanzierung dann über Gebühren erfolgen sollte, müsste wohl auch der von der Pflicht zur Zahlung eines Anschlussbeitrags wegen „Verflüchtigung“ frei gewordene Grundstückseigentümer die entstandene Finanzierungslücke mittragen. Dafür, dass dieser nicht einmal teilweise mehr über Gebühren – wenn auch in voraussichtlich deutlich geringerem Umfang – zu den Herstellungskosten herangezogen werden kann, bietet die „Verflüchtigungsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts keinen Anhaltspunkt. In letzter Konsequenz müsste ggfs. eine Finanzierung der Anlage im Umfang der Einnahmeausfälle über aus Steuermitteln gespeiste staatliche Zuschüsse erfolgen, wenn der von der „Verflüchtigung“ betroffene Refinanzierungsbetrag nicht über Beiträge und Gebühren gedeckt werden könnte. Diese Erwägungen zeigen jedenfalls handgreiflich, dass – anders als das Bundesverfassungsgericht offenbar meint – in diesem Sinne keine „zweipolige“ Rechtsbeziehung (Entsorgungsträger – Grundstückseigentümer), sondern eine „dreipolige“ dergestalt besteht, dass eine Vielzahl von privaten Dritten durch die „Verflüchtigung“ von Beitragsforderungen zusätzlich und gleichzeitig weniger vorteilsgerecht belastet wird. Auch die Lebensentwürfe dieser Dritten sind schützenswert.

75

Dass als Gegenpol zum auf Seiten des Bürgers zu berücksichtigenden Prinzip der Rechtssicherheit das Interesse an materieller Gerechtigkeit und insbesondere Belastungsgleichheit vom Bundesverfassungsgericht als ausschließlich staatliches Interesse erwähnt wird, greift nach Auffassung des Senats zu kurz. Bei der Belastungsgleichheit geht es um die gleichmäßige Belastung der Abgabenschuldner. Wenn der eine Abgabenschuldner zu einem Beitrag herangezogen wird und zahlt, der andere – vielleicht später – ebenfalls herangezogen wird, aber wegen einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung nicht zahlen muss, so ist die ungleichmäßige Belastung der Bürger evident; ihr privates und grundrechtlich geschütztes Interesse an einer Belastungsgleichheit wird beeinträchtigt. Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass einzelne Grundstückseigentümer vollständig von der Zahlungspflicht frei werden sollen.

76

Zudem ist wie vorstehend ausgeführt insoweit eine weitere Verschärfung zu Lasten privater Gleichbehandlungsinteressen in Rechnung zu stellen, als Dritte ggf. zusätzliche Belastungen zu tragen haben. Hier tut sich im Verhältnis zwischen denen, die in der Vergangenheit einen Anschlussbeitrag gezahlt haben, und denjenigen, die nun nichts mehr zahlen müssen, eine eklatante Gerechtigkeitslücke auf. Diese kann nicht etwa dadurch gerechtfertigt werden, dass die einen Beitragsschuldner um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht haben, die anderen hingegen nicht: Denn auch diejenigen, die einen Anschlussvorteil erlangt haben, aber um Rechtsschutz gegen die Beitragserhebung nachgesucht haben, konnten grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt erwarten, keinerlei Beiträge zahlen zu müssen. Es konnte – spätestens ab dem Zeitpunkt der obergerichtlichen Klärung der Beitragspflichtigkeit auch der sog. Altanschließer (siehe dazu vorstehend) – nie ein Vertrauen von Grundstückseigentümern dahingehend entstehen oder ihr Lebensentwurf an die Erwartung anknüpfen, keinen Beitrag bzw. einen „Null-Beitrag“ zahlen zu müssen. Mit der – im Falle unwirksamer Satzungen: wiederholten – Publizierung von Beitragssatzungen hat der Einrichtungsträger in rechtsstaatlich gebotener und zugleich grundsätzlich einwandfreier Weise seine Absicht der Beitragserhebung öffentlich bekannt gemacht. Alle Grundstückseigentümer waren hierüber informiert bzw. mussten hierüber informiert sein. Es stand – unbeschadet der gesetzlichen Bestimmungen zur Verjährung – von der Veröffentlichung der ersten Beitragssatzung an fest, dass irgendwann ein Beitrag zu zahlen sein wird. Allenfalls war mit Blick auf gegen die Beitragerhebung gerichtete Rechtsschutzverfahren – auch von Dritten – eine gewisse Erwartung gerechtfertigt, dass möglicherweise ein anderer, ggf. geringerer Betrag zu zahlen sein wird. Konnte sich ein Beitragsschuldner aber zu keinem Zeitpunkt darauf einrichten, keinen Beitrag zahlen zu müssen, bestand mit Blick auf seine Dispositionsfreiheit allenfalls eine teilweise Einschränkung wegen einer entsprechend teilweisen Unsicherheit bezüglich der Höhe seiner Beitragszahlungspflicht. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Kommunalabgabengesetz seit seinem Inkrafttreten am 11. April 1991 eine Erhebung von Beiträgen vorgesehen hat. Die Abgabenpflichtigen mussten mithin stets damit rechnen, dass die Aufgabenträger zur Finanzierung leitungsgebundener Einrichtungen Anschlussbeiträge erheben würden.

77

Jedenfalls ist in den neuen Bundesländern eine Sondersituation (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, etwa Urt. v. 14.11.2013 – OVG 9 B 35.12 –, juris Rn. 65, und Beschl. v. 10.01.2014 – OVG 9 S 64.13 –, juris Rn. 15) zu berücksichtigen, die darin besteht, dass hier nach der Wende erst funktionierende Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden und flächendeckend „auf einen Schlag“ alle Grundstückeigentümer herangezogen werden mussten. Die kommunalen Aufgabenträger standen gleichzeitig vor der Aufgabe, zum einen eine technisch und ökologisch zeitgemäße dezentrale Abwasserentsorgung aufzubauen, zum anderen das neu geschaffene Kommunalverfassungs- und Kommunalabgabenrecht rechtmäßig anzuwenden und insbesondere auf seiner Grundlage das erforderliche Satzungsrecht ebenfalls erstmals zu schaffen und anzuwenden. Als parallele Prozesse können dabei auch die Herstellung der öffentlichen Einrichtungen zur Abwasserentsorgung samt ihrer rechtlichen Grundlagen und Folgeregelungen einerseits und die Klärung von rechtlichen Zweifelsfragen bzw. die Beseitigung von Rechtsunsicherheit durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte des Landes andererseits beschrieben werden, die sich gegenseitig beeinflusst haben. Wie die noch immer beträchtliche Zahl von Rechtsschutzverfahren auch der jüngeren Vergangenheit zeigt, in denen die Unwirksamkeit kommunaler Abgabensatzungen angenommen wird, ist der Aufbauprozess immer noch nicht vollständig abgeschlossen.

78

Die Geschichte der Beitragserhebung im Bereich des Zweckverbandes und insbesondere seine Satzungshistorie belegen dies eindrücklich. Abgesehen davon, dass sich der Zweckverband in gerichtlichen Verfahren Angriffen gegen seine wirksame Gründung, die Grundlage jeder Beitragserhebung war, ausgesetzt sah, waren die in der Zeit von 1992 bis 2002 ergangenen verschiedenen Beitragssatzungen samt Änderungs- und Nachtragssatzungen sämtlich aus verschiedenen Gründen, alle jedoch zumindest auch wegen einer rechtlich unhaltbaren Handhabung der (Nicht-)Heranziehung der sog. Altanschließer bzw. fehlerhaften Kalkulationen wegen der Nichtberücksichtigung von Altanschließergrundstücken auf der Flächenseite unwirksam. Gerade die Frage der zulässigen bzw. sogar rechtlich gebotenen Heranziehung der sog. Altanschließer war jedenfalls solange ungeklärt, bis der Senat mit Beschluss vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 – (NordÖR 1999, 302 – zitiert nach juris) entschieden hatte, dass die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für "alt-​angeschlossene" bzw. "neu anschließbare" Grundstücke im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist. Entsprechend hat dann – soweit ersichtlich – erstmalig das Verwaltungsgericht Schwerin mit seinen Urteilen vom 24. Februar 2000 – 4 A 2022/99 – u. a. für den Bereich des Zweckverbandes anknüpfend an den vorgenannten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts entschieden, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 13. März 1997 wegen derartig unterschiedlicher Beitragssätze unwirksam gewesen sei. Damit lagen allerdings zunächst lediglich eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren bzw. ein erstinstanzliches Urteil vor. Von einer abschließenden Klärung für das Landesrecht kann deshalb sogar erst mit den anschließend bzw. in den Folgejahren ergangenen Urteilen des Oberverwaltungsgerichts, die sich mit immer wieder neuen bzw. wiederholten Angriffen von sog. Altanschließern gegen ihre Heranziehung erneut auseinander gesetzt haben, ausgegangen werden. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der 1. und – frühere – 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts bis in die Gegenwart mit solchen Angriffen gegen Beitragssatzungen beschäftigt waren und sind, aufgrund der hier erörterten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nunmehr erneut in steigendem Maße.

79

Nimmt man das Erschließungsbeitragsrecht in den Blick, so ist dort insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an sich ebenfalls geklärt, dass eine sachliche Beitragspflicht so lange nicht entstehen kann, wie es an einer gültigen Beitragssatzung fehlt (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.1973 – IV C 39.72 –, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 46 – zitiert nach juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 15). Ebenso können Satzungsmängel nachträglich mit der Folge geheilt werden, dass erst mit Erlass einer gültigen Satzung die sachliche Beitragspflicht entsteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1981 – 8 C 14.81 -, juris, Rn. 17 ff.). Die entsprechende Änderungssatzung muss dazu nicht zurückwirken. Diese Rechtsprechung wäre denselben verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt wie die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V.

80

Der Rechtsgedanke einer möglichen „Verflüchtigung“ von Vorteilen und damit letztlich Beitragspflichten berührt schließlich auch die Wurzeln der kommunalen Selbstverwaltung, da die kommunalen Normsetzungsorgane letztlich nach Jahrzehnten, in denen sie – wie der Zweckverband – wiederholt den Versuch unternommen haben, wirksames Satzungsrecht zu schaffen, im Falle einer solchen „Verflüchtigung“ vor einem Scherbenhaufen bzw. der Frage stehen, wie sie die Finanzierung ihrer Einrichtungen nach der „Verflüchtigung“ von Beitragsansprüchen sicherstellen sollen. Der erhebliche Zeitverlust, der bei der Schaffung wirksamen Satzungsrechts vielfach zu verzeichnen ist, ist zudem weniger in der Sphäre der Selbstverwaltungskörperschaften zu suchen, sondern findet nicht selten seine Ursache in der Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren. Die Verantwortung hierfür liegt jedoch nicht bei den Einrichtungsträgern. Insoweit ist es nicht nachvollziehbar, die entsprechende Zeitversäumnis bei der Heranziehung der Beitragsschuldner den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften anzulasten.

81

bb) Bejahte man im Grundsatz – entgegen den vorstehenden Erwägungen – die Möglichkeit der „Verflüchtigung“ einer Legitimation zur Erhebung von Anschlussbeiträgen, kann eine solche zur Überzeugung des Senats nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls angenommen werden. Insoweit wäre zudem keine gesetzliche Neuregelung im Kommunalabgabengesetz M-V notwendig, da der Landesgesetzgeber bereits ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt hat, mit dem den verschiedenen Fallgestaltungen und einer im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmenden „Verflüchtigung“ des Vorteils bzw. der Legitimation einer Beitragserhebung hinreichend Rechnung getragen werden kann.

82

Ausgangspunkt der Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner „Verflüchtigungsentscheidung“ ist die Annahme, dass Rechtssicherheit und Vertrauensschutz im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug gewährleisten. Der Anknüpfung an den Lebensentwurf des Einzelnen ist eine Bezogenheit auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Einzelfall immanent: Die Selbstbestimmtheit des Lebensentwurfs eines Beitragspflichtigen wird – unabhängig von einer ggfs. eingetretenen Verjährung oder Verwirkung – jedenfalls grundsätzlich nicht in Frage gestellt sein, wenn sie einem absolut betrachtet betragsmäßig (insbesondere im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines Hausgrundstücks eher) niedrigen Beitrag ausgesetzt ist, sei es nun im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur erstmaligen Vorteilserlangung, sei es erst Jahre oder Jahrzehnte danach. Dies gilt umso mehr, je höher Einkommen und/oder Vermögen des Betroffenen sind. Selbst wenn es um betragsmäßig höhere Beitragsansprüche geht, ist im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Lebensentwurfs zum einen die Einkommens- und Vermögenssituation zu beachten, zum anderen der Umstand, dass einer vergleichsweise hohen Beitragsforderung regelmäßig in Gestalt des herangezogenen Grundstücks ein entsprechender Vermögenswert gegenüber stehen wird, der insoweit belastet werden kann. Zudem bietet das Beitragsrecht Möglichkeiten der Stundung und des Erlasses.

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Schon aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Frage des Vertrauensschutzes – jenseits der Regelungen zur Verjährung und des Rechtsinstituts der Verwirkung – grundsätzlich nicht losgelöst von den Umständen des Einzelfalls betrachtet werden kann.

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Diese Sichtweise wird auch unter einem anderen Blickwinkel untermauert. Bei den – im Regelfall persönlich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V – Beitragspflichtigen kann hinsichtlich des Heranziehungsvorgangs nämlich zwischen verschiedenen Gruppen differenziert werden:

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Es gibt zunächst etwa die Beitragspflichtigen, die zeitnah nach dem tatsächlichen Anschluss – bzw. im Fall von sog. Altanschließern nach erstmaliger Entstehung des rechtlich gesicherten Vorteils – aufgrund einer Beitragssatzung herangezogen worden sind, um Rechtsschutz nachgesucht und dabei wegen der Unwirksamkeit der Satzung obsiegt haben; dieser Vorgang kann sich anschließend noch wiederholt haben, um dann ggfs. nach mehreren Jahren/Jahrzehnten in ihre Heranziehung auf der Grundlage einer erstmalig wirksamen Beitragssatzung zu münden. In solchen Fällen erschiene die Annahme einer „Verflüchtigung“ der Legitimation der Abgaben erhebenden Körperschaften zur Beitragserhebung wenig plausibel. Solche Pflichtigen durften von vornherein nicht die Erwartung hegen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, weil der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Sie mussten im Gegenteil mit der Festsetzung des Beitrages rechnen, wenn der Hoheitsträger seine Absicht zur Beitragserhebung bereits durch – ggf. wiederholten – Erlass eines Bescheides und dessen Verteidigung im Widerspruchs- oder gerichtlichen Verfahren unter gleichzeitigen Versuchen, gültiges Satzungsrecht zu schaffen, dokumentiert hat. Die Frage, ob ein etwaiges Vertrauen der Betroffenen, wegen der Unwirksamkeit der Ausgangssatzung von einer Beitragspflicht überhaupt verschont zu bleiben, verfassungsrechtlichen (Vertrauens-)Schutz genießt, ist ohne Weiteres zu verneinen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1983 – 8 C 170/81 –, BVerwGE 67, 129; Urt. v. 28.11. 1975 – IV C 45.74 –, BVerwGE 50, 2 – jeweils zitiert nach juris). Dem etwaigen Vertrauen der Betroffenen, einen Beitrag nicht zahlen zu müssen, fehlt die Schutzwürdigkeit, weil die Betroffenen mit der Heranziehung zu einem Beitrag rechnen müssen. Sie müssten damit nicht nur deshalb rechnen, weil Beiträge als Ausgleich für gewährte Sondervorteile erhoben werden und allenfalls unter ganz ungewöhnlichen Voraussetzungen schutzwürdig erwartet werden darf, dass eine nach ihrem Wesen beitragspflichtige Leistung gleichwohl beitragsfrei gewährt werden solle. Gegen die Rechtfertigung einer solchen Erwartung spricht vielmehr durchgreifend auch der vorangegangene Erlass einer (wenn auch nichtigen) Satzung, weil diese unmissverständlich den Willen der Gemeinde zum Ausdruck bringt, dass ein Beitrag erhoben werden soll. Bei der Würdigung des Schutzes eines etwaigen Vertrauens der Betroffenen ist der Umstand von besonderer Bedeutung, dass der Satzungsregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorangegangen sind und deshalb einem solchen Vertrauen, einen Beitrag nicht zahlen zu müssen, die Schutzwürdigkeit fehlt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.02.1996 – 8 B 13/96 –, juris; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59 –, BVerfGE 13, 261 = juris, Rn. 54).

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Daneben gibt es Beitragspflichtige, die nicht zeitnah nach dem tatsächlichen Anschluss herangezogen worden sind, während allerdings die Abgaben erhebende Körperschaft die Beitragserhebung gegenüber Dritten erfolglos nach vorstehendem Muster betrieben hat, und die erstmalig, nachdem in einem rechtskräftigen Urteil von der Wirksamkeit der/einer Satzung ausgegangen wurde, herangezogen wurden.

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Weiter gibt es Beitragspflichtige, die nicht zeitnah nach dem tatsächlichen Anschluss herangezogen wurden, weil die Abgaben erhebende Körperschaft die Abgabenerhebung zunächst nicht betrieben hat, und sodann erst nach mehreren Jahren/Jahrzehnten zu Beiträgen veranlagt wurden. Diese beispielhaft benannten Fallgruppen können zudem zur weiteren Ausdifferenzierung noch jeweils mit einem System der Refinanzierung von Herstellungskosten sowohl durch Beiträge als auch Gebühren kombiniert werden, wie es oben erörtert worden ist.

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Selbst für den Fall, dass die erste Heranziehung all dieser verschiedenen Beitragspflichtigen aufgrund einer wirksamen Beitragssatzung zum gleichen Zeitpunkt bzw. nach der gleichen Zeitspanne zwischen Anschluss des Grundstücks/Erlangung des Vorteils und Ergehen des Bescheides erfolgen sollte, liegt es auf der Hand, dass ein Vertrauendürfen darauf, nicht zu einem Beitrag herangezogen zu werden, obwohl entsprechend – publiziertes – Beitragssatzungsrecht existiert, unterschiedlich stark ausgeprägt sein muss. Auch insoweit bedarf es folglich einer Einzelfallbetrachtung.

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Der Landesgesetzgeber hat für den als Ausnahme zu qualifizierenden Fall einer in Betracht zu ziehenden „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt, um den verschiedenen Fallgestaltungen und einer im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmenden „Verflüchtigung“ des Vorteils gerecht werden zu können.

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Nach § 12 Abs. 1 KAG M-V sind auf Kommunalabgaben die Vorschriften der Abgabenordnung in der jeweiligen Fassung entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Kommunalabgabengesetz M-V oder andere Gesetze besondere Vorschriften enthalten. Für die hier erörterten Einzelfälle kann eine Lösung unter Anwendung von Billigkeitsgesichtspunkten (§§ 163, 227 AO) in einer vom Bundesverfassungsgericht anderweitig selbst vorgeschlagenen Weise in Betracht kommen (vgl. im Übrigen auch BVerwG, Pressemitteilung zu Urt. v. 20.03.2014 – 4 C 11.13 – u. a., wonach eine Lösung nach Treu und Glauben in Betracht gezogen werden kann). Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass festgestellt, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem "ungewollten Überhang" führen würde. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot, nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zur Steuerleistung herangezogen zu werden (vgl. BVerfGE 19, 206 (215); 47, 1 (37)), enthält das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot, das dahin geht, dass der Steuerpflichtige nicht zu einer unverhältnismäßigen Vermögensteuer herangezogen wird. Dieses zwingt dazu, Befreiung von einer schematisierenden Belastung zu erteilen, wenn die Folgen extrem über das normale Maß hinausschießen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder anders ausgedrückt: wenn die Erhebung der Steuer im Einzelfall Folgen mit sich bringt, die unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellung durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind. Billigkeitsmaßnahmen dürfen jedoch nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen. Daraus folgt, dass mit verfassungsrechtlich gebotenen Billigkeitsmaßnahmen nicht die Geltung des ganzen Gesetzes unterlaufen werden kann. Wenn solche Maßnahmen ein derartiges Ausmaß erreichen müssten, dass sie die allgemeine Geltung des Gesetzes aufhöben, wäre das Gesetz als solches verfassungswidrig (vgl. zum Ganzen z.B. BVerfGE 99, 272; BVerfGE 48, 102 <116>).

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Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. BFH, Urt. v. 23.07.2013 – VIII R 17/10 –, juris; BFH-​Urteil in BFH/NV 2010, 606, m.w.N.).

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Nach Ergehen der „Verflüchtigungsentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts und mit Blick auf die gebotene Einzelfallprüfung ist davon auszugehen, dass bei Bejahung einer solchen „Verflüchtigung“ des Vorteils nach den dort formulierten Maßstäben ein entsprechender ungewollter Überhang der ansonsten verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung des § 9 Abs. 3 KAG M-V mit ihrem Anknüpfen an das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung anzunehmen ist, der einen Billigkeitserlass wegen sachlicher Unbilligkeit gemäß § 227 AO nach sich ziehen muss (Ermessensreduktion auf Null von Verfassungs wegen) und bei Offensichtlichkeit der maßgeblichen Umstände ggfs. sogar schon eine Berücksichtigung im Erhebungsverfahren verlangt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 20.05.2003 – 1 L 137/02 –, NordÖR 2003, 365 – zitiert nach juris). Die Beitragserhebung entspräche zwar dem Wortlaut des Gesetzes, aber liefe den Wertungen des Gesetzes zuwider. Der Landesgesetzgeber hätte neben den vorhandenen Regelungen zur Verjährung die Grundlagen für die Beitragserhebung anders als tatsächlich geschehen geregelt, wenn er die Verflüchtigungsproblematik als regelungsbedürftig erkannt hätte. Der Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass es den Abgaben erhebenden Körperschaften in überschaubarer Zeit gelingt, eine wirksame Satzung zu schaffen, dass ggfs. Verwaltungsgerichte zeitnah über die Wirksamkeit von Satzungen entscheiden und dass es nicht zu „Kettenunwirksamkeiten“ von Satzungen kommt.

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Die gesetzliche Regelung wird nicht unterlaufen, da nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen bzw. nach Auffassung des Senats eine „Verflüchtigung“ nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Bei Betrachtung des Zeitraumes zwischen erstmaliger Vorteilserlangung und Beitragserhebung muss die nach der Wiedervereinigung festzustellende „Umbruchphase“ nach Auffassung des Senats für die Frage, wann eine „Verflüchtigung“ des Vorteils und daraus resultierendes Freiwerden von der Beitragspflicht eintreten kann, außer Betracht bleiben, weil sie für jedermann offensichtlich bzw. allgemeinkundig war. In dieser Zeit, die mindestens bis 1999 angedauert hat, konnte grundsätzlich kein Vertrauenstatbestand begründet werden, der die Schlussfolgerung einer „Verflüchtigung“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hätte begründen können.

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cc) Folglich kann unter diesen Bedingungen im vorliegenden Verfahren keine „Verflüchtigung“ eingetreten sein. Alsbald nach Erlass der ersten wirksamen Beitragssatzung sind die Kläger zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden. Ihre Heranziehung liegt – vergleichsweise – wenige Jahre nach der erstmaligen Klärung der Frage nach der Beitragserhebung gegenüber sog. Altanschließern frühestens im Jahr 1999. Zudem hat der Beklagte ausweislich der Satzungshistorie des Zweckverbandes bereits seit 1992 die Erhebung von Anschlussbeiträgen betrieben. Die streitgegenständliche Beitragserhebung ist deshalb jedenfalls nicht aus sachlichen Gründen unbillig.

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dd) Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides jedenfalls mit Blick auf § 12 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz KAG M-V und die dort geregelte zeitliche Grenze zum 31. Dezember 2008, bis zu der Grundstückseigentümer jedenfalls mit einer Heranziehung rechnen mussten, bejaht werden kann (vgl. insoweit OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.05.2013 – 9 S 75.12 –, juris, zum Brandenburgischen KAG). Ebenso wenig bedarf es einer Erörterung, ob die Festsetzung von Anschlussbeiträgen – ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der Verjährungsregelungen – analog Art. 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG M-V ausgeschlossen ist, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind (vgl. VGH München, Urt. v. 14.11.2013 – 6 B 12.704 –, juris), und darin eine hinreichende Regelung dafür erblickt werden kann, dass nicht nach einer unübersehbaren Zahl von Jahren noch Beitragsansprüche geltend gemacht werden können.

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C. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Revision war mit Blick auf die Frage, ob die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern und im Besonderen § 9 Abs. 3 KAG M-V in Ansehung der Erhebung von Anschlussbeiträgen den rechtsstaatlichen, der Rechtssicherheit dienenden Geboten der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit hinreichend Rechnung tragen, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.