Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls der Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag.

2

Der Kläger ist Miteigentümer des Wohngrundstücks Flurstück G1 in einer Größe von 1.135 m².

3

Das im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 9 in der Straße „A.“ gelegene Grundstück ist über einen Stichweg (Flurstück G2) mit der Gemeindestraße „A.“ verbunden. Die Straße beginnt an der Einmündung in die Straße „B.“. Dieser Abschnitt wird in den Abrechnungsunterlagen des Beklagten als Planstraße A bezeichnet. Die Planstraße A führt zunächst in westliche Richtung, verschwenkt sich dann und führt dann als Planstraße C in nördliche Richtung parallel zum B.. Auf Höhe des zum B. führenden Fußweges verschwenkt sie sich erneut und führt in westliche Richtung (Planstraßen D und E). Im Übergangsbereich der Planstraße C in die Planstraße D mündet der in nördliche Richtung führende Stichweg (Planstraße G) in die Planstraße D. Die Straße „A.“ endet an einem Wendehammer nördlich der Klosterruine Eldena.

4

Die Straße „A.“ existierte bereits zu „DDR-Zeiten“. Die von den Abschnitten C, D und E erschlossenen Grundstücke wurden bereits damals zu Wohnzwecken bzw. gewerblich genutzt. An der Planstraße G war ein Garagenkomplex gelegen.

5

Am 29. Juli 2008 schlossen die Universitäts- und Hansestadt A-Stadt (nachfolgend: Stadt) und die neuste Stadtentwicklungsgesellschaft Neubrandenburg mbH (nachfolgend: Erschließungsträger) hinsichtlich des Plangebietes des Bebauungsplanes Nr. 9 einen notariellen Erschließungsvertrag. In der Präambel des Vertrages werden die vom Erschließungsträger erworbenen Flächen bezeichnet. Weiter ist in der Präambel ausgeführt, dass im Bebauungsplangebiet darüber hinaus einige Grundstücke lägen, welche im Eigentum Dritter stünden (Fremdanlieger).

6

Weiter heißt es in dem Vertrag:

7

㤠1 Gegenstand des Vertrages

8

3. Der Erschließungsträger verpflichtet sich zur Herstellung der Erschließungsanlagen gemäß §§ 2 und 3 dieses Vertrages auf eigene Kosten, im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko.

9

4. Sofern durch die Erschließungsanlagen Fremdanlieger erschlossen werden (in den Abschnitten C, D und E – dargestellt in Anlage 3), finanziert der Erschließungsträger diese Anlage vor und stellt die Kosten nach endgültiger Herstellung der Stadt in Rechnung. (…) Die Abrechnung der Kosten der Erschließungsanlagen erfolgt nach §§ 10 – 12 des Vertrages.

10

§ 10 Abrechnung Erschließungsanlagen

11

Sobald im Erschließungsgebiet nach § 1 die Erschließungsanlagen, mit denen auch Fremdanlieger erschlossen werden (vgl. § 1 Abs. 4), endgültig hergestellt und von der Stadt abgenommen (§ 8) sowie die Erschließungsflächen an die Stadt übereignet sind (§ 9), legt der Unternehmer der Stadt unter Beifügung prüffähiger Unterlagen eine Aufstellung über die Kosten der Erschließungsanlage vor, und zwar getrennt nach beitragsfähigen Erschließungsanlagen i.S. von § 127 Abs. 2 BauGB (§ 2) und Grundstücksver- und –entsorgungsanlagen. (…)

12

§ 11 Ausgleich der Kosten

13

1. Die Stadt erstattet dem Erschließungsträger 25 v.H. der durch die Herstellung der Erschließungsanlagen in den Abschnitten C, D und E (Ausbau) entsprechenden Kosten als satzungsgemäß festgesetzten Eigenanteil der Stadt an den umlagefähigen Kosten. (…)

14

2. Die nach Abzug des Eigenanteils der Stadt von 25 v.H. (Abs. 1) verbleibenden 75 v.H. des beitragfähigen Erschließungsaufwandes verteilt die Stadt nach Maßgabe ihrer Straßenausbaubeitragssatzung in der jeweils gültigen Fassung auf die Grundstücke des Erschließungsgebietes. Der danach auf die Grundstücke des Erschließungsträgers entfallende Straßenausbaubeitrag wird durch diesen abgelöst; der Ablösebetrag wird mit der Erstattungsforderung des Erschließungsträgers und den eventuell zu diesem Zeitpunkt offenen Kaufpreisforderungen gemäß des unter § 1 genannten Kaufvertrages verrechnet. Der auf die übrigen Grundstücke entfallende Straßenausbaubeitrag wird von den Eigentümern dieser Grundstücke erhoben und nach Bestandskraft der Beitragsbescheide an den Erschließungsträger weiter geleitet.“

15

In der Folgezeit wurde die Baumaßnahme vom Erschließungsträger durchgeführt und in Bezug auf die Abschnitte C, D und E gegenüber der Stadt abgerechnet. Die letzte Unternehmerrechnung datiert vom 25. März 2011.

16

Mit Bescheid vom 25. Juli 2011 zog der Beklagte den Kläger zu einem Straßenausbaubeitrag für die Straßenausbaumaßnahme „A.“ Planstraße D/E i.H.v. 3.349,16 EUR heran. Dabei berücksichtigte er auch Kosten, die dem Erschließungsträger auf Grundlage der Vereinbarung mit dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege geschlossene Vertrages vom 10./16. Februar 2009 über archäologische Bergungs- und Dokumentationsarbeiten im Bereich des Bebauungsplanes Nr. 9 entstanden sind, in Höhe von anteilig 3.607,68 EUR. Den gegen den Beitragsbescheid gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2012 zurück.

17

Am 9. Februar 2012 hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Er ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. Erforderliche Anhörungen habe der Beklagte nicht durchgeführt. Der Erschließungsvertrag sei unwirksam. Er nehme Bezug auf einen Kaufvertrag, den die Stadt mit dem Erschließungsträger geschlossen habe. Im Rahmen dieses Kaufvertrages sei es zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Die Aufwandsermittlung und -verteilung sei fehlerhaft, da die von der Planstraße D in nördliche Richtung abzweigende Planstraße G als unselbstständige Stichstraße Bestandteil der beitragsfähigen Anlage sei. Die Kosten des Wendehammers dürfte nicht allein der Planstraße D/E zugeordnet werden. Die Anlegung des Wendehammers sei erfolgt, weil andernfalls Müllfahrzeuge die Straßen nicht befahren dürften. Da die Müllentsorgung auch den Anliegern der Straßenabschnitte A, C und G zugute komme, seien auch diese an den Kosten des Wendehammers zu beteiligen. Die Kosten der Bodendenkmalpflege bildeten keinen beitragfähigen Aufwand; es bestehe überragendes öffentliches Interesse an der Bergung und Dokumentation der Mönchsgräber im Umfeld des Klosters. Daher seien diese Kosten von der Allgemeinheit zu tragen. Die Beitragskalkulation sei insgesamt nicht nachvollziehbar. Gleiches gelte für die Zuordnung der Kosten zu den einzelnen Planstraßen. Der Beklagte habe diese vom Erschließungsträger vorgenommene Zuordnung ungeprüft übernommen. Dies sei fehlerhaft, weil es dem Interesse des Erschließungsträgers entspreche, einen möglichst hohen Kostenanteil den Anlagen zuzuordnen, an die beitragspflichtige Fremdanliegergrundstücke angrenzten.

18

Der Kläger beantragt,

19

den Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 2011 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2012 aufzuheben, soweit die Festsetzung den Betrag von 1.675,00 EUR übersteigt.

20

Der Beklagte beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Er ist der Auffassung, die Beitragserhebung sei rechtmäßig. Die Planstraße G hätte nicht zusammen mit der Planstraße D/E abgerechnet werden dürfen, da für die Abrechnung unterschiedliche Rechtsgrundlagen gelten würden. Während die Abrechnung der Planstraße D/E nach Straßenausbaubeitragsrecht zu erfolgen habe, hätte die Abrechnung der Planstraße G nach Erschließungsbeitragsrecht erfolgen müssen. Zu Unrecht vermute der Kläger, dass die Zuordnung der Kosten der Bauabschnitte fehlerhaft sei. Der Beklagte habe sichergestellt, dass die Kostenzuordnung sachlich richtig sei. Zu diesem Zweck habe er bereits die Vorplanung durch ein ihm als zuverlässig bekanntes Planungsbüro durchführen lassen. Das Planungsbüro sei auch mit der Ausführungsplanung betraut gewesen. Bereits im Vergabeverfahren sei das Leistungsverzeichnis an die Planstraßenbezeichnung angepasst worden, so dass die die Einzelpositionen der Schlussrechnung des vom Erschließungsträger beauftragten Unternehmens den Planstraßenabschnitten zugeordnet werden konnten. Während der Bauberatungen seien Mitarbeiter des Beklagten anwesend gewesen. Der Erschließungsträger habe – gemäß seiner vertraglichen Verpflichtung – entstehende Mehrkosten jeweils angezeigt. Zudem habe der Beklagte die Schlussrechnung stichprobenartig mit den Aufmaßblättern abgeglichen. Schließlich habe der Beklagte einen „Soll-Ist-Vergleich“ durchgeführt. Dieser habe ergeben, dass im Abschnitt D geringere und im Abschnitt E höhere Kosten entstanden seien. Der höchste Kostenzuwachs sei im Abschnitt B zu verzeichnen gewesen.

23

Mit Beschluss vom 3. Dezember 2013 hat das Gericht den Rechtsstreit zu Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

25

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

26

Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für den Bau von Straßen, Wegen und Plätzen in der Universitäts- und Hansestadt A-Stadt (Straßenbaubeitragssatzung – SBS) i.d.F. der rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen 1. Änderungssatzung vom 10. Dezember 2012. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam. Da Gegenteiliges vom Kläger nicht geltend gemacht wird, kann von weiteren Darlegungen abgesehen werden. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten weist keine Fehler auf, die einen Aufhebungsanspruch des Klägers begründen.

27

Dabei kann in formell-rechtlicher Hinsicht dahin stehen, ob der der Kläger im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ordnungsgemäß angehört worden ist, denn ein solcher – hier nur unterstellter – Fehler begründet nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 127 Abgabenordnung (AO) keinen Aufhebungsanspruch, da der streitgegenständliche Bescheid in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden ist.

28

Dies betrifft zunächst die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes.

29

Die Regelungen des Erschließungsvertrages vom 29. Juli 2008 stehen der Annahme eines beitragsfähigen Aufwandes in Ansehung der Planstraßen D und E i.S.d. § 1 Satz 1 SBS nicht entgegen. Denn bei dem Vertrag handelt es sich trotz der Formulierung in § 1 Nr. 3 nicht durchgängig um einen so genannten „echten“ Erschließungsvertrag i.S.d. § 124 Baugesetzbuch a.F. (BauGB a.F.), der wegen der Kostentragungspflicht des Erschließungsträgers keinen beitragsfähigen Aufwand entstehen lässt. Zwar hat sich der Erschließungsträger in der genannten Vertragsbestimmung zur Herstellung der Erschließungsanlagen auf eigene Kosten, im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko verpflichtet, so dass kein beitragsfähiger Aufwand der Stadt entstehen kann. Allerdings wird in § 1 Nr. 4 des Vertrages klargestellt, dass es sich bei dem Vertrag nicht durchgehend um einen „echten“ Erschließungsvertrag handelt. Denn in Ansehung der Planstraßen C, D und E ist in § 1 Nr. 4 bestimmt, dass der Erschließungsträger diese Anlage lediglich vorfinanziert und die Kosten nach endgültiger Herstellung der Stadt in Rechnung stellt (vgl. auch die Erstattungsregelung in § 11). Insoweit ist der Vertrag als „unechter“ Erschließungsvertrag anzusehen, der einen beitragsfähigen Aufwand der Stadt entstehen lässt. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die durch die Baumaßnahme bevorteilten Fremdanlieger in den Vorteilsausgleich einbezogen werden können, was bei einem „echten“ Erschließungsvertrag nicht der Fall wäre. Dagegen ist nichts zu erinnern (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.01.2013 – 9 C 11/11 –, juris).

30

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Wirksamkeit des Erschließungsvertrages unter Hinweis auf Unregelmäßigkeiten bei dem in seiner Präambel genannten Grundstückskaufvertrag zwischen der Stadt und dem Erschließungsträger bezweifelt, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen hat der Kläger seine Behauptung nicht ansatzweise begründet. Zum anderen würde eine Unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrages nicht zur Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages führen, sondern allenfalls einen Anspruch auf Vertragsanpassung (Wegfall der Geschäftsgrundlage) auslösen. Ein Bedürfnis für eine Vertragsanpassung haben die Parteien des Erschließungsvertrages aber offenbar nicht gesehen, denn sie haben den Vertrag ohne Änderungen vollzogen.

31

Auch in räumlicher Hinsicht ist die Aufwandsermittlung nicht zu beanstanden. Die Abschnitte D und E der Straße „A.“ bilden eine einheitliche beitragsfähige Anlage i.S.d. sogenannten „natürlichen Betrachtungsweise“ (vgl. zu diesem Kriterium: OVG Greifswald, Beschl. v. 15.09.1998 – 1 M 54/98 –, VwRR MO 1999, 104). Anhaltspunkte dafür, dass die Aufwandsermittlung wegen der Nichtberücksichtigung des Abschnitts C fehlerhaft ist, bestehen ebenfalls nicht. Der beinahe rechtwinklige Übergang des Abschnitts C in den Abschnitt D erlaubt die Annahme eines Anlagenwechsels. Da diese Frage zwischen den Beteiligten nicht (mehr) umstritten ist, wird von weiteren Darlegungen abgesehen.

32

Zu Unrecht meint der Kläger, dass die Planstraße G bei der Aufwandsermittlung (und –verteilung) hätte berücksichtigt werden müssen. Dabei kann dahin stehen, ob die Planstraße G unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Betrachtungsweise einen unselbstständigen Bestandteil („Anhängsel“) der abgerechneten Planstraßen D und E bildet. Denn der Grundsatz der natürlichen Betrachtungsweise findet insoweit keine Anwendung. Er gilt nicht ausnahmslos, sondern unterliegt gewissen Einschränkungen. So zerfällt eine im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise einheitliche Anlage zum Beispiel dann in mehrere rechtlich selbständig zu betrachtende Anlagen, wenn das für die Refinanzierung maßgebliche Rechtsregime wechselt. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn ein Teil der Anlage aufgrund eines "echten" Erschließungsvertrages i.S.d. § 124 BauGB a.F. errichtet wurde und daher der Beitragserhebung entzogen ist (eingehend: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 6 Rn. 10 ff.). Dies trifft auf die Planstraße G zu. Sie wird von der Bestimmung in § 1 Nr. 4 des Erschließungsvertrages nicht erfasst und unterliegt daher der Geltung der Bestimmung in § 1 Nr. 3. Wegen des damit begründeten zivilrechtlichen Abrechnungsregimes (vgl. Driehaus a.a.O.) kann ihre Abrechnung nicht hoheitlich durch Beitragserhebung erfolgen. Damit ist der Beklagte daran gehindert, die Planstraße G in die Aufwandsermittlung (und –verteilung) für die Planstraße D/E einzubeziehen.

33

Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob in Ansehung der Planstraße G bei hoheitlicher Abrechnung das bundesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht oder – mit Blick auf § 242 Abs. 9 BauGB – das landesrechtliche Straßenausbaubeitragsrecht anzuwenden wäre. Diese Frage hat auf die Wirksamkeit des Erschließungsvertrages ebenfalls keinen Einfluss, da Gegenstand eines solchen Vertrages gemäß § 124 Abs. 2 Satz 1 BauGB a.F. sowohl nach Bundes- als auch nach Landesrecht beitragsfähige Erschließungsanlagen sein können (anders noch VG Greifswald, Urt. v. 22.11.2013 – 3 A 217/12 –, juris).

34

Die Kosten, die dem Erschließungsträger hinsichtlich der archäologischen Bergungs- und Dokumentationsarbeiten entstanden sind, sind unter dem Gesichtspunkt der Freilegung (§ 3 Abs. 2 SABS) beitragsfähig. Hierzu gehören alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die für die Erschließungsanlage erworbenen oder bereitgestellten Straßenflächen von Hindernissen freizumachen, die der Verwirklichung der der Planung entsprechenden Herstellung entgegen stehen (vgl. Driehaus a.a.O., § 13 Rn. 48). Die Freilegung erfasst auch die Beseitigung von Hindernissen unter der Erdoberfläche (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.11.1009 – 8 C 41.90 –, juris Rn. 15). Nach Auffassung des erkennenden Gerichts umfasst das Merkmal „Freilegung“ nicht nur die Beseitigung tatsächlicher Hindernisse, wie das Entfernen von Ruinen im Boden (BVerwG a.a.O.), sondern auch die Beseitigung „rechtlicher Hindernisse“, die durch im Boden befindliche Objekte begründet werden.

35

Ein solcher Fall liegt hier vor. Bei den im Bereich des Abschnitts E der Straße befindlichen mittelalterlichen Mönchsgräbern handelt es sich – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – um Bestandteile eines Bodendenkmals i.S.d. § 2 Abs. 5 Denkmalschutzgesetz (DSchG M-V). Die Durchführung der Baumaßnahme führte zu einer zumindest teilweisen Beseitigung des Denkmals und bedurfte daher der Genehmigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DSchG M-V. Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung war, dass sich der Erschließungsträger entsprechend den Maßgaben des § 6 Abs. 5 DSchG M-V verpflichtete, die Kosten für die fachgerechte Bergung und Dokumentation des Denkmals zu tragen. Nichts anderes ist mit dem Abschluss des Vertrages vom 10./16. Februar 2009 erfolgt.

36

Der Einwand des Klägers, die Kosten der archäologischen Bergungs- und Dokumentationsarbeiten seien nicht umlagefähig, da ein überragendes öffentliches Interesse an ihrer Durchführung bestehe, verfängt nicht. Zwar ist davon auszugehen, dass ein öffentliches Interesse an der Durchführung dieser Arbeiten besteht. Allerdings trifft die Kostentragungspflicht nicht die Allgemeinheit, sondern nach § 6 Abs. 5 DSchG M-V denjenigen, der einen Eingriff in ein Denkmal vornimmt. Abgesehen von der von Verfassungs wegen gebotenen Gewährung einer Entschädigung für die Erbringung eines Sonderopfers (§ 23 DSchG M-V) ist ein Ausgleich nicht vorgesehen. Da der Gesetzgeber somit trotz des öffentlichen Interesses an der Bergung und Dokumentation eines Denkmals keine hoheitliche Kostentragungspflicht begründet hat, ist der Beklagte nicht daran gehindert, diese Kosten auf die Eigentümer der von der Straßenbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke umzulegen.

37

Zu Recht wurden die Kosten des Wendehammers allein der Planstraße D/E zugeordnet, denn der Wendehammer ist Bestandteil dieser Anlage. Die vom Kläger geforderte anlagenübergreifende Aufwandsermittlung und -verteilung ist nur bei Bildung einer Abrechnungseinheit (vgl. § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB) zulässig. Den hierfür erforderlichen Beschluss über die Bildung einer Abrechnungseinheit hat die Stadt jedoch nicht gefasst. Zudem wäre die Bildung einer Abrechnungseinheit im Straßenausbaubeitragsrecht mangels gesetzlicher Ermächtigung fehlerhaft (VG Greifswald, Beschl. v. 10.11.2009 – 3 B 1405/09 –, juris Rn. 14).

38

Es bestehen auch keine Hinweise darauf, dass bei der Aufwandsermittlung Kosten berücksichtigt wurden, die dem Erschließungsträger außerhalb der Planstraße D/E entstanden sind. Der Beklagte ist der diesbezüglichen Behauptung des Klägers nachdrücklich entgegen getreten und verweist auf die Gestaltung des Leistungsverzeichnisses, die Einschaltung des Planungsbüros, die Beteiligung seiner Mitarbeiter an den Bauberatungen und den von ihm durchgeführten „Soll-Ist-Vergleich“. Der Umstand, dass die größte Kostensteigerung im Abschnitt B zu verzeichnen war, obwohl in diesem Abschnitt nach dem Erschließungsvertrag kein beitragsfähiger Aufwand entsteht, spricht ebenfalls gegen die Annahme einer fehlerhaften Kostenzuordnung. Da der Kläger seine diesbezüglichen Behauptungen auch nach der Gewährung von Akteneinsicht nicht substantiiert hat, besteht keine Anlass für weitere gerichtliche Nachforschungen.

39

Rechnerisch ist die Aufwandsermittlung ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Kalkulation ist mit den Erläuterungen des Beklagten in dem Schriftsatz vom 6. März 2014 nebst Anlagen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, plausibel und nachvollziehbar. Die vom Beklagten zugestandenen geringfügigen Fehler (keine Skonto-Berücksichtigung u. dgl.) haben keine Auswirkungen auf die Höhe des Beitragssatzes. Da es im Straßenausbaubetragsrecht entscheidungserheblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz ankommt (vgl. für das Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urt. v. 27.09.1982 – 8 C 145/81 –, DVBl. 1983, 135 m.w.N.), kann die Frage auf sich beruhen, ob die Kalkulation auch ohne die genannten Erläuterungen nachvollziehbar war.

40

Fehler bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes und der Heranziehung des Klägers werden nicht geltend gemacht. Sie drängen sich auch nicht auf.

41

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt. Gründe

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(1) Die Gemeinden erheben zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.

(2) Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind

1.
die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze;
2.
die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege, Wohnwege);
3.
Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Sammelstraßen sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind;
4.
Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind;
5.
Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, auch wenn sie nicht Bestandteil der Erschließungsanlagen sind.

(3) Der Erschließungsbeitrag kann für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen selbständig erhoben werden (Kostenspaltung).

(4) Das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind, bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für Anlagen zur Ableitung von Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 125 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen und zur Kostenerstattung für Maßnahmen für den Naturschutz.

2

Sie ist Eigentümerin eines in dem Neubaugebiet "W..." der beklagten Gemeinde an den Straßen "A..." und "F...straße" gelegenen Grundstücks. Die Erschließung des Neubaugebiets übertrug die Beklagte mit städtebaulichem Vertrag vom 21. Dezember 1999 der S. Service Gesellschaft R. mbH (SSG) als Erschließungsträger. Der Vertrag sah keine Kostenregelung zwischen Auftraggeber und Erschließungsträger vor. Am 5. November 2001 ersetzten die Beklagte und der Erschließungsträger den zwischenzeitlich mehrmals geänderten Vertrag durch einen weiteren städtebaulichen Vertrag über die Erschließung des Gebietes "W...", der in § 11 folgende Kostenregelung enthält:

"(1) Der Erschließungsträger stellt dem Auftraggeber die für das gesamte Erschließungsvorhaben entstandenen Kosten - aufgeführt in § 10 des Erschließungsvertrages - in Rechnung.

(2) Nach Prüfung der rechnerischen und sachlichen Richtigkeit werden dem Erschließungsträger die nach Abs. 1 in Rechnung gestellten Kosten innerhalb eines Monats nach schriftlicher Anforderung erstattet, soweit sich aus Abs. 3 nichts anderes ergibt.

(3) Soweit der Erschließungsträger gemäß § 10 Abs. 2 des Erschließungsvertrages privatrechtliche Werkverträge mit den Grundstückseigentümern - Fremdanlieger - abgeschlossen hat, findet abweichend von Abs. 2 eine Kostenerstattung durch den Auftraggeber im Wege der Verrechnung statt. Mit der Zahlung an den Erschließungsträger gelten die Erschließungsbeiträge im Verhältnis zwischen dem Auftraggeber und den Fremdanliegern als abgelöst im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB.

(4) Hinsichtlich der verbleibenden Erstattungspflicht des Auftraggebers für die Fremdanliegergrundstücke ohne privatrechtliche Werkverträge wird festgelegt: Der Auftraggeber zahlt dem Erschließungsträger die auf Fremdanliegergrundstücke entfallenden Erschließungsbeiträge (incl. der auf 2,70 EUR/qm pauschalierten Kosten des Erschließungsträgers) einschließlich dem Gemeindeanteil, der anteiligen nicht beitragsfähigen Aufwendungen sowie der anteiligen Finanzierungskosten innerhalb eines Monats nach schriftlicher Anforderung."

3

Eine Ausschreibung nach vergaberechtlichen Vorschriften ist dem Vertragsschluss nicht vorausgegangen. In der Folgezeit stellte die SSG die Erschließungsanlagen her und rechnete sie gegenüber der Beklagten ab.

4

Mit Bescheiden vom 31. März 2008 setzte die Beklagte den von der Klägerin insgesamt zu zahlenden Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Straße "A..." auf 4 697,07 € und für die erstmalige Herstellung der "F...straße" auf 5 376,04 € sowie mit gesondertem Bescheid den für die Durchführung von zugeordneten naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu zahlenden Kostenerstattungsbetrag auf 121,28 € fest.

5

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Mainz hinsichtlich des Beitragsbescheids für die "F...straße" abgetrennt und im Einverständnis mit den Beteiligten das Verfahren insoweit zum Ruhen gebracht und im Übrigen die Klage durch Urteil vom 21. April 2010 abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Klägerin mit dem angefochtenen Urteil vom 3. November 2010 zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die Beklagte und die SSG nicht gehindert gewesen, nachträglich einen unechten Erschließungsvertrag zu vereinbaren, obwohl sie mit dem Vertrag aus dem Jahr 1999 einen echten Erschließungsvertrag geschlossen hätten. Die Heranziehung der Klägerin scheitere auch nicht an einem Verstoß gegen das Vergaberecht. Ob überhaupt eine Pflicht zur Ausschreibung des Erschließungsvertrags vom 5. November 2001 nach landeshaushaltsrechtlichen Vorschriften bestanden habe, könne dahinstehen. Denn ein Vergabefehler wirke sich nur dann aus, wenn durch ihn die umgelegten Kosten eine grob unangemessene Höhe erreicht hätten. Das habe die Beklagte ausdrücklich bestritten und sei aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Auch die Klägerin habe hierzu nichts Substantiiertes vorgetragen, so dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht veranlasst seien. Die Beklagte sei nicht auf die Geltendmachung der Fremdanliegerkosten beschränkt gewesen, weil sie sich vertraglich zur Übernahme sämtlicher Erschließungskosten verpflichtet habe, ohne dass es darauf ankomme, ob die Erstattung an die SSG durch tatsächliche Zahlungen oder im Verrechnungsweg erfolgt sei.

7

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Revision vor: Das angegriffene Urteil verstoße gegen revisibles Recht, weil es den Herstellungsaufwand selbst bei einem Verstoß gegen vergaberechtliche Ausschreibungspflichten für beitragsfähig halte, solange die Grenze der grob unangemessenen Höhe noch nicht erreicht sei. Herstellungskosten einer Erschließungsanlage, die aufgrund eines nicht ausgeschriebenen unechten Erschließungsvertrags entstanden seien, seien nicht gesetzeskonform angefallen und könnten somit von einer Gemeinde nicht als aufwandbegründende Belastung vom Erschließungsträger übernommen werden. Sei die Gemeinde gehindert, einen nicht gesetzeskonformen Erschließungsaufwand zu übernehmen, so sei sie auch gehindert, Fremdanlieger zu Erschließungsbeiträgen heranzuziehen.

8

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. November 2010 und des Verwaltungsgerichts Mainz vom 21. April 2010 den Erschließungsbeitragsbescheid vom 31. März 2008 sowie den Bescheid über die Geltendmachung von Kostenerstattungsbeträgen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vom 31. März 2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2009, aufzuheben.

9

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

11

1. a) Ohne Verstoß gegen Bundesrecht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Beklagten ein beitragsfähiger Erschließungsaufwand (§ 127 Abs. 1 BauGB) entstanden ist. Dieser ergibt sich aus der in § 11 des städtebaulichen Vertrages vom 5. November 2001 (nachfolgend: Erschließungsvertrag) zwischen der Beklagten und der SSG als Erschließungsträger getroffenen Kostenvereinbarung über die Heranziehung von Fremdanliegern, deren Wirksamkeit keinen Bedenken begegnet. Wesentlicher Regelungsgegenstand eines Erschließungsvertrags nach § 124 Abs. 1 BauGB ist die Herstellung der Erschließungsanlagen im Namen und auf Kosten des Erschließungsträgers. Dies hat zur Folge, dass bei der Gemeinde kein beitragsfähiger Aufwand i.S.v. § 127 Abs. 1 BauGB verbleibt, soweit sie die Durchführung der Erschließung übertragen hat (vgl. Urteil vom 1. Dezember 2010 - BVerwG 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244 Rn. 31 m.w.N.). Der Erschließungsträger, der Eigentümer der Grundstücke im Erschließungsgebiet ist, refinanziert sich durch den Verkauf der erschlossenen Grundstücke, so dass im Ergebnis die Käufer die Erschließungskosten tragen. Ist der Erschließungsträger nicht Eigentümer aller Grundstücke im Erschließungsgebiet, muss er versuchen, die für die nicht in seinem Eigentum stehenden Grundstücke anfallenden Kosten durch privatrechtliche Verträge an die so genannten Fremdanlieger weiterzugeben. Steht - wie hier - keines der Grundstücke im Erschließungsgebiet im Eigentum des Erschließungsträgers (so genannter grundstücksloser Erschließungsträger), ist dieser zur Refinanzierung seiner Kosten durchgängig auf den Abschluss vertraglicher Vereinbarungen mit den Grundstückseigentümern angewiesen.

12

Gelingt es dem Erschließungsträger nicht, mit allen oder der überwiegenden Zahl der Fremdanlieger eine vertragliche Refinanzierungsregelung für die Herstellung der Erschließungsanlagen herbeizuführen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine dem Erschließungsvorteil Rechnung tragende Heranziehung der Fremdanlieger zu den Erschließungskosten durch eine den Erschließungsvertrag modifizierende Kostenabrede erreicht werden, mit der sich die Gemeinde dem Erschließungsträger gegenüber verpflichtet, die gesamten für die betreffende Erschließungsanlage entstehenden beitragsfähigen Aufwendungen nach entsprechendem Nachweis zu erstatten. Der Gemeinde entsteht bei einem durch eine Kostenabrede modifizierten Erschließungsvertrag bereits mit Vertragsabschluss ein erst mit der entsprechenden Bezifferung durch den Erschließungsträger aktualisierter beitragsfähiger Erschließungsaufwand, den sie nach Maßgabe der Verteilungsregelung ihrer Erschließungsbeitragssatzung auf alle durch die von dem Unternehmer hergestellte Erschließungsanlage erschlossenen Grundstücke (§ 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB) einschließlich der Grundstücke der Fremdanlieger zu verteilen hat (vgl. Urteil vom 22. März 1996 - BVerwG 8 C 17.94 - BVerwGE 101, 12 <22 f.>).

13

b) Die in der Literatur (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 6 Rn. 13 f.) gegen die Zulässigkeit dieser Modifikation des Erschließungsvertrags vorgebrachten Einwände überzeugen den Senat nicht. Eine eindeutige gesetzliche Konzeption, die bei Herstellung der Erschließungsanlagen durch einen Erschließungsträger eine Heranziehung des Fremdanliegers im Beitragsweg ausschließt, kann den §§ 123, 124 BauGB nicht entnommen werden.

14

Aus dem vom Senat in seinem Urteil vom 1. Dezember 2010 (a.a.O. Rn. 48) erwähnten Umstand, dass die Gemeinde durch § 124 Abs. 1 BauGB vor die Wahl gestellt wird, ob sie die Erschließung in "Eigenregie" durchführt, oder ob sie die Erschließung auf einen Dritten überträgt, der sie in "Fremdregie" durchführt und sich privatrechtlich refinanziert, folgt kein Verbot, bei einer Erschließung in "Fremdregie" in den Erschließungsvertrag eine Kostenvereinbarung aufzunehmen, die einen beitragsfähigen Erschließungsaufwand der Gemeinde begründet und auf diesem Weg eine vorteilsgerechte Beteiligung des Fremdanliegers an den Erschließungskosten ermöglicht.

15

Das aus § 123 Abs. 1 BauGB folgende Verbot einer vertraglichen Refinanzierung bei Erschließung in "Eigenregie" der Gemeinde soll verhindern, dass die zugunsten der Grundstückseigentümer bestehende Schutzfunktion des Erschließungsbeitragsrechts, das die Heranziehung der Eigentümer auf den in § 127 Abs. 2 BauGB abschließend aufgezählten Erschließungsaufwand begrenzt und die Gemeinde verpflichtet, mindestens 10 v.H. dieser Erschließungskosten selbst zu tragen (§ 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB), dadurch aufgehoben wird, dass sie die ihr entstandenen Kosten durch vertragliche Vereinbarungen auf die Anlieger überwälzt (vgl. Urteile vom 23. April 1969 - BVerwG 4 C 15.67 - Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 4 S. 2 f., vom 22. August 1975 - BVerwG 4 C 7.73 - BVerwGE 49, 125 <127 f.> und vom 1. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 45). Aus diesem Grund legt der Senat auch den Begriff des "Dritten" im Sinne des § 124 Abs. 1 BauGB eng aus (vgl. Urteil vom 1. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 44). Für die Annahme eines gewissermaßen spiegelbildlichen Verbots der Refinanzierung durch Beitragserhebung bei Erschließung in "Fremdregie" geben diese Überlegungen nichts her. Der das Verbot der Refinanzierung der Gemeinde auf vertraglicher Grundlage rechtfertigende Gedanke, dass sich die Gemeinde nicht den öffentlich-rechtlichen Begrenzungen des Beitragsrechts entziehen darf, greift für diese Konstellation nicht, weil die Schutzfunktion des Erschließungsbeitragsrechts durch die Refinanzierung des Erschließungsträgers mittels Beitragserhebung der Gemeinde auf der Grundlage eines modifizierten Erschließungsvertrags nicht in Frage gestellt wird. Die Fremdanlieger, die nicht zum Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Erschließungsträger bereit sind, können von der Gemeinde nur im Rahmen des Beitragsrechts und der sich daraus ergebenden Beschränkungen des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes zu den Kosten der Erschließungsanlage herangezogen werden; sie werden sich daher vielfach besser stellen, als diejenigen Fremdanlieger, die aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Erschließungsträger die Erschließungsanlage refinanzieren.

16

Überträgt die Gemeinde die Erschließung einem Dritten, folgt auch aus § 124 Abs. 2 Satz 2 BauGB, der die Kostentragungspflicht des Erschließungsträgers regelt, kein Verbot einer die privatrechtliche Refinanzierung ergänzenden Beitragserhebung. Dass der Gesetzgeber als Partner eines Erschließungsvertrags einen privaten Erschließungsträger als "Investor" vor Augen hatte, der seine Entscheidung unabhängig von der Gemeinde trifft und sich dabei vor allem an kaufmännischen Überlegungen und den Möglichkeiten des "Marktes" und der Gewinnerzielung orientiert (BTDrucks 12/3944 S. 24 und S. 29 ; Urteil vom 1. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 40), lässt nicht den Schluss zu, nach der gesetzgeberischen Konzeption gehöre die ausschließlich privatrechtliche Refinanzierung des Erschließungsträgers zu den Wesensmerkmalen eines Erschließungsvertrags nach § 124 BauGB. Zur gesetzgeberischen Konzeption gehört nämlich ebenso, dass den Gemeinden durch die Einschaltung eines Dritten eine (umfassende) finanzielle Entlastung von den Kosten der Erschließung ermöglicht wird, um dadurch im Interesse der Bauwilligen die Bereitstellung von Bauland zu erleichtern und zu beschleunigen (BTDrucks a.a.O.). Dieser gesetzgeberischen Konzeption trägt der modifizierte Erschließungsvertrag Rechnung. Er erlaubt auch in den Fällen, in denen sich die Erschließung für den Investor nicht rechnen würde, weil er die ihm entstehenden Kosten nicht oder nicht ausreichend auf die Anlieger überwälzen kann, eine beschleunigte Erschließung und finanzielle Entlastung der Gemeinden bei vorteilsgerechter Beteiligung aller Anlieger unter Wahrung der Schutzfunktion des Beitragsrechts.

17

Ein Verbot der Beitragsfinanzierung im Anwendungsbereich des § 124 BauGB kann schließlich auch nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass die die Beitragshöhe bestimmenden Herstellungsentscheidungen von der Gemeinde und nicht von einem Dritten getroffen werden müssten und daher nur für die in "Eigenregie" durchgeführte Erschließung, bei der die Gemeinde "das Heft in der Hand habe", Beiträge erhoben werden könnten (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 12. August 2009 - 15 A 2267/07 - juris Rn. 16; Driehaus a.a.O. Rn. 14). Abgesehen davon, dass die Gemeinde auch bei der Erschließung in Fremdregie regelmäßig die Ausführungsplanung zur Kenntnis erhält und genehmigen muss, und abgesehen davon, dass sie auch bei einer Erschließung in "Eigenregie" unter Einschaltung eines Generalunternehmers das Heft ein Stück weit aus der Hand gibt, greift dann, wenn die privatrechtliche Refinanzierung des Erschließungsträgers durch Beiträge "ergänzt" wird, die aus § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB ableitbare Beschränkung des beitragsfähigen Aufwandes auf das kostenmäßig Erforderliche, die den Beitragspflichtigen vor grob unangemessenen Belastungen schützt (vgl. Urteil vom 14. Dezember 1979 - BVerwG 4 C 28.76 - BVerwGE 59, 249 <253>). Auch insoweit stellt sich der dem Beitragsrecht unterliegende Fremdanlieger besser als der Fremdanlieger, der sich dem Erschließungsträger vertraglich zur Kostentragung verpflichtet hat.

18

2. a) Die Kostenklausel scheitert nicht an den an eine wirksame Ablösungsvereinbarung zu stellenden bundesrechtlichen Anforderungen. Die im Erschließungsvertrag gewählte Abwicklung des dem Erschließungsträger gegen die Gemeinde zustehenden Erstattungsanspruchs kann so erfolgen, dass die Gemeinde dem Erschließungsträger die auf die Grundstücke der Fremdanlieger entfallenden Beiträge nach deren Einziehung auszahlt, wobei die Erschließungsbeiträge der Fremdanlieger, die mit dem Erschließungsträger Verträge über den Kostenersatz abgeschlossen haben, als gemäß § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB abgelöst gelten und der Ablösungsbetrag auf den im Übrigen bestehenden Erstattungsanspruch angerechnet wird (vgl. Urteil vom 22. März 1996 - BVerwG 8 C 17.94 - BVerwGE 101, 12 <23 f.>). Eine diesen Grundsätzen entsprechende Vereinbarung haben die Beklagte und der Erschließungsträger in § 11 Abs. 3 und 4 des Erschließungsvertrags getroffen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses lagen mit § 11 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten auch ausreichende "Bestimmungen" im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 5 BauGB über die Zulässigkeit einer Ablösungsvereinbarung und die Berechnung des Ablösungsbetrages vor (vgl. hierzu Urteil vom 27. Januar 1982 - BVerwG 8 C 24.81 - BVerwGE 64, 361 <364 f., 368>). Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass nach § 10 Abs. 3 des Erschließungsvertrags dem Erschließungsträger gestattet ist, die Fremdanlieger, die sich ihm gegenüber vertraglich zur Kostenübernahme verpflichtet haben, über die beitragsfähigen Kosten hinaus zu belasten. Diese Vereinbarung bleibt ohne Auswirkungen auf die Höhe des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes und die Berechnung des Ablösungbetrages.

19

b) Im Einklang mit Bundesrecht hat das Oberverwaltungsgericht den Erschließungsvertrag für wirksam gehalten, obwohl zwischen der Beklagten und dem Erschließungsträger 1999 ein (echter) Erschließungsvertrag ohne Kostenvereinbarung geschlossen worden war. Ob der Ansicht des OVG Lüneburg (Beschluss vom 25. Juni 2008 - 9 ME 453/07 - NVwZ-RR 2009, 260) zu folgen ist, wonach die Modifizierung eines Erschließungsvertrags grundsätzlich schon in dem auf die Erschließung des Baugebiets ausgerichteten Vertrag erfolgen muss und nachträglich nur in Betracht kommt, wenn der entsprechende Wille der Vertragsparteien bereits im Erschließungsvertrag zum Ausdruck kommt, kann der Senat ebenso wie das Oberverwaltungsgericht dahinstehen lassen. Denn nach der Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht, die - vorbehaltlich hier nicht ersichtlicher Verstöße gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder gesetzliche Auslegungsregeln - das Revisionsgericht bindet (vgl. Urteile vom 19. Februar 1982 - BVerwG 8 C 27.81 - BVerwGE 65, 61 <69> und vom 1. Dezember 1989 - BVerwG 8 C 17.87 - BVerwGE 84, 157 <162>), lässt sich § 12 Abs. 3 des städtebaulichen Vertrags vom 21. Dezember 1999 ein Vorbehalt der späteren Modifizierung entnehmen. Davon abgesehen kann eine zeitliche Begrenzung des Rechts zur nachträglichen Modifizierung eines ursprünglich ohne Kostenabrede abgeschlossenen Vertrags nur in Betracht gezogen werden, wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage im Zeitpunkt der Vertragsmodifikation bereits begonnen wurde, was hier nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht der Fall war.

20

c) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Oberverwaltungsgericht als beitragsfähigen Erschließungsaufwand nicht nur die Kosten angesehen hat, die die Beklagte an den Erschließungsträger "kassenwirksam" auf dessen Anforderung hin gezahlt hat, sondern auch die von Fremdanliegern an den Erschließungsträger aufgrund geschlossener Werkverträge entrichteten und im Verhältnis der Beklagten zum Erschließungsträger verrechneten Beträge. Das Oberverwaltungsgericht hat unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 1996 (a.a.O. S. 23) zutreffend ausgeführt, dass ein beitragsfähiger Aufwand in Höhe der Gesamtkosten für die Herstellung der Erschließungsanlage dann entsteht, wenn sich die Gemeinde nicht nur zur Erstattung der ausschließlich den Grundstücken der Fremdanlieger zuzuordnenden Erschließungskosten verpflichtet, sondern zur Erstattung des gesamten für die betreffende Erschließungsanlage entstehenden beitragsfähigen Erschließungsaufwands. Dass eine solche umfassende Kostenerstattung zwischen der Beklagten und dem Erschließungsträger vereinbart wurde, und es sich bei der Verrechnung nur um eine Abwicklungsmodalität der Kostenerstattung handelt, hat das Oberverwaltungsgericht § 11 des Erschließungsvertrags entnommen. Rechtsfehler, die die Bindungswirkung dieser Vertragsauslegung entfallen lassen würden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

21

3. Das Berufungsgericht hat weiter ohne Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass ein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften des revisiblen Rechts nicht in Betracht zu ziehen ist und ein etwaiger Verstoß gegen das Gemeindehaushaltsrecht nicht zur Nichtigkeit des Erschließungsvertrags mit der für die Entstehung beitragsfähigen Aufwandes maßgeblichen Kostenabrede führt. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 21. April 2010, die sich das Berufungsgericht zu eigen gemacht hat, beliefen sich die Gesamtkosten der Herstellung aller Erschließungsanlagen auf 2 626 033,40 EUR (UA S. 15 unter Hinweis auf Bl. 84 der Gerichtsakten) und lagen damit unterhalb des für Bauaufträge geltenden Schwellenwertes von 5 Mio. € (vgl. § 2 der im Zeitpunkt des Abschlusses des Erschließungsvertrags maßgeblichen Vergabeverordnung vom 9. Januar 2001, BGBl I S. 110). Erst bei Erreichen dieses Schwellenwertes gelten die Vorgaben der die Vergabe-Richtlinie 93/37/EWG vom 14. Juni 1993 (ABl EG Nr. L 199 S. 54) umsetzenden Vorschriften der §§ 97 bis 129b GWB. Unterhalb der Schwellenwerte kommen in erster Linie bundes- oder landeshaushaltsrechtliche Vorschriften zur Anwendung (Glahs, in: Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 2. Aufl. 2012, Vergaberecht Einl. Rn. 8a f.; Harms/Schmidt-Wottrich, LKV 2011, 537 <542>). Für Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug wird zudem auch bei unterschwelligen Aufträgen die Anwendung unionsrechtlicher Vorschriften diskutiert (Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand September 2012, § 124 Rn. 91; Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 124 Rn. 13c; zur möglichen Ausschreibungspflicht von Bauleistungen durch den Erschließungsträger vgl. Burmeister, Praxishandbuch Städtebauliche Verträge, 2. Aufl. 2005, Rn. 219). Das Berufungsgericht hat daher zu Recht nur die Auswirkungen des von ihm unterstellten Verstoßes gegen eine kraft der landesrechtlichen Gemeindehaushaltsverordnung bestehende Ausschreibungspflicht geprüft und die Nichtigkeit des Erschließungsvertrags wegen eines Verstoßes gegen revisibles Recht nicht in Betracht gezogen.

22

4. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht auch die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass der Herstellungsaufwand einer Erschließungsanlage nur dann nicht (in voller Höhe) beitragsfähig sei, wenn die auf die Beitragspflichtigen umgelegten Kosten wegen des - unterstellten - vergaberechtswidrigen Verzichts auf eine Ausschreibung eine grob unangemessene Höhe erreichen würden. Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist aber die Annahme im Berufungsurteil, ein Verstoß gegen diese äußerste Grenze könne ohne weitere Sachaufklärung schon deswegen verneint werden, weil es die Klägerin insoweit an substantiierten Darlegungen habe fehlen lassen.

23

a) Mängel des Vergabeverfahrens führen nicht gleichsam automatisch zur Rechtswidrigkeit der Beitragserhebung. Das Beitragsrecht knüpft die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht an die Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften. Davon abgesehen weist auch das Vergaberecht selbst keine beitragsrechtlichen Bezüge auf. Es trägt dem Schutz der öffentlichen Haushalte Rechnung und dient darüber hinaus der Wahrung des lauteren Wettbewerbs (vgl. Glahs a.a.O. Einl. Rn. 2 f.). Hiervon ausgehend entfaltet es auch Schutzwirkung zugunsten des Bieters als Teilnehmer am Wettbewerb. Eine darüber hinausgehende drittschützende Wirkung kommt dem Vergaberecht hingegen nicht zu. Der Beitragsschuldner ist nicht Marktteilnehmer, sondern nur mittelbar Betroffener. Er ist daher darauf beschränkt, einen Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften im Rahmen der Anfechtung des Beitragsbescheids mit der Rüge, durch den Verstoß seien unangemessene Mehrkosten entstanden, geltend zu machen. Einschlägige Rechtsnorm hierfür ist § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB.

24

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB entsprechend anwendbar, wenn nicht die Erforderlichkeit der Anlage, sondern die Angemessenheit und in diesem Sinne die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten in Frage steht. Der in § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB zum Ausdruck kommende allgemeine beitragsrechtliche Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung bei Anlagen, die der Beitragspflicht unterliegen, trägt über ihren dem Gemeininteresse dienenden Zweck hinaus den Individualinteressen der beitragspflichtigen Eigentümer und Erbbauberechtigten der von einer Anlage erschlossenen Grundstücke Rechnung. Diesen Betroffenen kommt es in erster Linie zugute, wenn das Gesetz und insbesondere § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB dafür Sorge tragen, dass sich der beitragsfähige Erschließungsaufwand in den Grenzen des nach Lage der Dinge Angemessenen hält (Urteil vom 14. Dezember 1979 - BVerwG 4 C 28.76 - BVerwGE 59, 249 <252 f.>). Bei der Beurteilung der Angemessenheit kommt der Gemeinde ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Demgemäß wird für die Erforderlichkeit der aufgewendeten Kosten im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB lediglich eine äußerste Grenze markiert. Sie ist erst dann überschritten, wenn sich die Gemeinde ohne rechtfertigende Gründe nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, das heißt, wenn die Kosten in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreicht haben, also sachlich schlechthin unvertretbar sind (Urteile vom 14. Dezember 1979 a.a.O., vom 13. Dezember 1985 - BVerwG 8 C 66.84 - NVwZ 1986, 925 <927> § 128 bbaug nr. 35> und vom 10. November 1989 - BVerwG 8 C 50.88 - Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 81 S. 46 f.; Beschlüsse vom 30. April 1997 - BVerwG 8 B 105.97 - juris Rn. 6 und vom 18. Juli 2001 - BVerwG 9 B 23.01 - Buchholz 406.11 § 132 BauGB Nr. 49 S. 3).

25

b) Für ein Abrücken von dem Merkmal der "groben Unangemessenheit" für den Fall eines Verstoßes gegen das Vergaberecht sieht der Senat keinen Anlass. Die Forderung nach einer Senkung der Angemessenheitsschwelle in diesen Fällen mit der Begründung, anderenfalls bestehe die Gefahr, dass das Vergaberecht zu einer "leeren Hülse" werde (OVG Lüneburg, Urteil vom 25. November 1999 - 9 L 1832/99 - juris Rn. 13), übersieht, dass die Vorschriften des Vergaberechts gerade nicht dem Individualinteresse des Beitragspflichtigen dienen und es daher nicht Aufgabe des Beitragsrechts sein kann, Verstöße gegen diese Vorschriften in besonderer Weise zu sanktionieren. Es trifft auch nicht zu, dass Verstöße gegen das Vergaberecht bei Beibehaltung des Maßstabes der "groben Unangemessenheit" beitragsrechtlich folgenlos bleiben würden. Bereits in seiner grundlegenden Entscheidung zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB (Urteil vom 14. Dezember 1979 a.a.O. S. 253), die die Angemessenheit der Grunderwerbskosten betraf, hat das Bundesverwaltungsgericht betont, dass es auf die sachliche Vertretbarkeit der Mehrkosten ankomme und die Rechtfertigungsgründe für eine für die Gemeinde erkennbare Überschreitung der Verkehrswerte beim Grunderwerb umso gewichtiger sein müssten, je beträchtlicher die Mehrkosten seien. Unter diesen Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht der Gemeinde einen weiten Entscheidungsspielraum zugestanden, der es auch rechtfertigen kann, die Verkehrswerte unter Umständen beträchtlich zu überschreiten. Diese im Hinblick auf den Grunderwerb entwickelten Grundsätze führen auch im Zusammenhang mit dem Vergaberecht und etwaigen Vergaberechtsverstößen zu sachgerechten Ergebnissen.

26

Nimmt die Gemeinde eine nach dem Vergaberecht vorgeschriebene Ausschreibung ordnungsgemäß vor und entscheidet sie sich für den billigsten Anbieter, indiziert das die Erforderlichkeit der Kosten. In einer solchen Fallgestaltung ist es Sache des Klägers, Anhaltspunkte vorzutragen, die dafür sprechen, dass die Kosten gleichwohl eine grob unangemessene Höhe erreichen. Entscheidet sich die Gemeinde nicht für das billigste Angebot, sondern für ein Angebot, das (augenfällig) höhere Herstellungskosten als andere Angebote vorsieht, müssen sachlich vertretbare Gründe vorliegen, die das Angebot gleichwohl als wirtschaftlich erscheinen lassen. Solche Gründe können neben dem Preis z.B. Qualität, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst, technische Hilfe und Ausführungsfristen sein (Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, § 97 GWB Rn. 219; Eiding, in: Spannowsky/Uechtritz, BauGB, Stand 1. Dezember 2012, § 129 Rn. 25). Bei der Entscheidung, welchem Gesichtspunkt die Gemeinde den Vorzug gibt, steht ihr ein (weiter) Entscheidungsspielraum zu, wobei auch insoweit die Rechtfertigungsgründe für die Wahl des teureren Angebots umso gewichtiger sein müssen, je größer der Abstand zum nächstgünstigen Angebot ist. Dabei ergibt sich aus der Natur der Sache, dass der Abgabenschuldner regelmäßig nicht in der Lage sein wird, die Unangemessenheit der Kosten darzulegen. Es ist daher Sache der Gemeinde, die in ihre Einfluss- und Verantwortungssphäre fallenden Gründe zu benennen, die sie veranlasst haben, sich für ein teureres Angebot zu entscheiden. Vermag sie solche nicht zu benennen oder erweisen sie sich - gegebenenfalls nach entsprechender Sachaufklärung durch das Gericht - als nicht tragfähig, ist der Zuschlag für das teurere Angebot schlechthin unvertretbar und sind die dadurch verursachten Mehrkosten grob unangemessen.

27

Hat die Gemeinde - wie hier vom Berufungsgericht unterstellt - eine nach dem Vergaberecht vorzunehmende Ausschreibung nicht durchgeführt oder ist ein Vergabeverfahren mit Fehlern behaftet, fehlt es von vornherein an der von einem ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren ausgehenden Indizwirkung für die Erforderlichkeit der Kosten. Daraus folgt - wie oben ausgeführt - zwar noch nicht die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides oder eine Änderung des bei der Überprüfung der Erforderlichkeit der Kosten geltenden rechtlichen Maßstabes. Die fehlende Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften macht es aber erforderlich, dem Einwand, durch den Vergaberechtsverstoß seien augenfällige Mehrkosten entstanden, nachzugehen und ihn im gerichtlichen Verfahren zu klären.

28

Das Berufungsgericht hat eine Sachverhaltsklärung mit dem Hinweis darauf, dass die Beklagte Mehrkosten bestritten und die Klägerin eine grob unangemessene Höhe der Kosten nicht substantiiert dargelegt habe, als von Amts wegen nicht veranlasst angesehen. Dies steht mit den im Verwaltungsprozess geltenden Grundsätzen der Amtsermittlung und der richterlichen Überzeugungsbildung nicht in Einklang. In dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess ist es Aufgabe des Gerichts, von sich aus den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln, dazu von Amts wegen die erforderlichen Sachverhaltsaufklärungen zu betreiben und sich seine eigene Überzeugung zu bilden (§ 86 Abs. 1 Satz 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die den Beteiligten dabei auferlegte Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) entbindet das Gericht daher grundsätzlich nicht von seiner eigenen Aufklärungspflicht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings geklärt, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht dort ihre Grenze findet, wo das Vorbringen des Klägers keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachaufklärung bietet, und dass eine Verletzung der Mitwirkungspflichten durch die Beteiligten die Anforderungen an die Ermittlungspflicht des Gerichts herabsetzen kann (vgl. Urteil vom 29. Juni 1999 - BVerwG 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <177>). Nach diesen Maßstäben hätte das Berufungsgericht die kostenmäßige Angemessenheit im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB ohne weitere Sachaufklärung nicht bejahen dürfen.

29

Die Annahme einer Substantiierungspflicht der Klägerin durch das Berufungsgericht lässt unberücksichtigt, dass es wegen des - unterstellten - Verstoßes gegen eine Ausschreibungspflicht an der von einem ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren ausgehenden Indizwirkung für die Erforderlichkeit der Kosten fehlt und deswegen Anlass zur Klärung der Angemessenheit der Erschließungskosten bestand. Die Auffassung des Berufungsgerichts übersieht zudem, dass der Rechtsverstoß nicht in der Sphäre und dem Verantwortungsbereich der Klägerin als Beitragsschuldnerin, sondern der beklagten Gemeinde als Beitragsgläubigerin seinen Ursprung hatte. Der Beitragsschuldner wird - anders als die Gemeinde - regelmäßig nicht über die zur Beurteilung der Erforderlichkeit der Kosten bzw. der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens notwendigen Kenntnisse und Informationen verfügen und daher nicht in der Lage sein, sein Vorbringen, es seien durch den von der Gemeinde zu verantwortenden Fehler bei der Vergabe des Erschließungsauftrags sachlich nicht vertretbare Mehrkosten entstanden, durch weitere tatsächliche Angaben zu substantiieren. Ebenso wenig wird er Kenntnisse darüber haben, wie hoch die umgelegten durchschnittlichen Kosten bei vergleichbaren Erschließungsanlagen der Gemeinde oder in anderen Gemeinden sind. Über diese Informationen verfügt aber regelmäßig die Gemeinde, weshalb es in erster Linie ihre Sache ist, darzulegen, dass trotz des vergaberechtswidrigen Verfahrens die entstandenen Kosten sach- und marktgerecht sind. Ob darüber hinaus weitere Ermittlungen, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Angemessenheit der Kosten, erforderlich sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

30

Dass das Berufungsgericht auch den "vorgelegten Unterlagen" keine grob unangemessenen Mehrkosten entnehmen konnte, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn dieser pauschale Hinweis ist vor dem Hintergrund der vom Berufungsgericht zu Unrecht angenommenen Einschränkung der Amtsermittlungspflicht zu sehen und deswegen nicht aussagekräftig.

31

Die fehlerhafte Beurteilung der Mitwirkungspflicht erfasst nicht nur den Erschließungsbeitragsbescheid, sondern auch den auf §§ 135a bis 135c BauGB gestützten Bescheid über die Kostenerstattungsbeträge für die Durchführung von zugeordneten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, auf den § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB ebenfalls - in doppelter Analogie - Anwendung findet.

32

5. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Ob eine Ausschreibungspflicht - wie sie das Berufungsgericht unterstellt hat - nach den Bestimmungen der Gemeindehaushaltsverordnung tatsächlich bestand, kann im Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Zum einen hält der Senat es für sachgerecht, dass das Berufungsgericht die Auslegung der einschlägigen Vorschriften der Gemeindehaushaltsverordnung vornimmt, zum anderen ist nicht auszuschließen, dass in diesem Rahmen weitere Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht erforderlich wird. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.

(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden.

(2) Soweit am 29. Juni 1961 zur Erfüllung von Anliegerbeitragspflichten langfristige Verträge oder sonstige Vereinbarungen, insbesondere über das Ansammeln von Mitteln für den Straßenbau in Straßenbaukassen oder auf Sonderkonten bestanden, können die Länder ihre Abwicklung durch Gesetz regeln.

(3) § 125 Absatz 3 ist auch auf Bebauungspläne anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 in Kraft getreten sind.

(4) § 127 Absatz 2 Nummer 2 ist auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellt worden sind. Ist vor dem 1. Juli 1987 eine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden, so verbleibt es dabei.

(5) Ist für einen Kinderspielplatz eine Beitragspflicht bereits auf Grund der vor dem 1. Juli 1987 geltenden Vorschriften (§ 127 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Bundesbaugesetzes) entstanden, so verbleibt es dabei. Die Gemeinde soll von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzens des Kinderspielplatzes für die Allgemeinheit, geboten ist. Satz 2 ist auch auf vor dem 1. Juli 1987 entstandene Beiträge anzuwenden, wenn

1.
der Beitrag noch nicht entrichtet ist oder
2.
er entrichtet worden, aber der Beitragsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist.

(6) § 128 Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Umlegungsplan (§ 66 des Bundesbaugesetzes) oder die Vorwegregelung (§ 76 des Bundesbaugesetzes) vor dem 1. Juli 1987 ortsüblich bekannt gemacht worden ist (§ 71 des Bundesbaugesetzes).

(7) Ist vor dem 1. Juli 1987 über die Stundung des Beitrags für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (§ 135 Absatz 4 des Bundesbaugesetzes) entschieden und ist die Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden, ist § 135 Absatz 4 dieses Gesetzbuchs anzuwenden.

(8) § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung ist auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. Auf diese Verträge ist § 129 Absatz 1 Satz 3 weiterhin anzuwenden.

(9) Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Leistungen, die Beitragspflichtige für die Herstellung von Erschließungsanlagen oder Teilen von Erschließungsanlagen erbracht haben, sind auf den Erschließungsbeitrag anzurechnen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, bei Bedarf Überleitungsregelungen durch Rechtsverordnung zu treffen.

Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um einen Straßenausbaubeitrag.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin der sieben Grundstücke Gemarkung A., G1 (vormals G8), G2 (vormals G9) mit einer Größe von 2.361 qm, G3 (vormals G10) mit einer Größe von 7 qm, G16 (vormals G11) mit einer Größe von 6 qm, G4 (vormals G12) mit einer Größe von 165 qm, G5 (vormals G14) mit einer Größe von 184 qm, G6 (vormals G14) mit einer Größe von 213 qm und G7 (vormals G15) mit einer Größe von 491 qm. Auf den Grundstücken befinden sich ein Wohn- und Geschäftshaus mit Einkaufsmarkt und Stellflächen. Die Grundstücke liegen an der Leipziger Allee an.

3

Am 4. Mai 1995 schlossen der Gesellschafter der Klägerin, Herr K. und die Stadt Anklam einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, in dem sich Herr K. zu baulichen Maßnahmen an der Straße verpflichtete. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 27. Juli 2001 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Ausbaubeitrag für die Teileinrichtung Straßenbeleuchtung heran.

4

Der Beklagte baute die Leipziger Allee im Zeitraum von August 2002 bis März 2004 in den Teileinrichtungen Fahrbahn, Rad- und Gehwege, unselbstständige Park- und Abstellflächen, Straßenbegleitgrün, Straßenentwässerung und Bushaltebuchten aus. Die letzte Unternehmerrechnung ging am 6. Mai 2004 beim Beklagten ein. Der notwendige Grunderwerb war am 6. April 2005 abgeschlossen.

5

Mit Bescheid vom 28. Juni 2005 setzte der Beklagte gegen die Klägerin einen Ausbaubeitrag in Höhe von 22.817,82 Euro fest. Auf den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid setzte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2012 den Ausbaubeitrag auf insgesamt 19.011,47 Euro (15.834,08 Euro für das Grundstück G2; 587,19 Euro für die Grundstücke G3, G16 und G5; 491,81 Euro für das Grundstück G4; 634,88 Euro für das Grundstück G6; 1.463,51 Euro für das Grundstück G7) fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Dabei ging er davon aus, dass die G3, G G16 und G5 eine wirtschaftliche Einheit bilden.

6

Am 6. März 2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Beitragssatzung des Beklagten sei unwirksam, da sie eine fehlerhafte Maßstabsregel enthalte. Ein einheitlicher Steigerungsfaktor könne bei höheren Geschossigkeiten zur Unwirksamkeit der Satzung führen. Bei den ausgeführten Arbeiten handele es sich teilweise nicht um Erneuerungsmaßnahmen, sondern um laufende Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten. Die Erneuerung der Fahrbahndecke und des Gehwegbelags sei dem üblichen Verschleiß geschuldet. Zudem seien in den beitragsfähigen Aufwand Positionen eingeflossen, die der Herstellung der bereits abgerechneten Teileinrichtung Straßenbeleuchtung zuzurechnen seien. Hinzu komme, dass der Beklagte mit dem Vertrag vom 4. Mai 1995 den Ausbau im Wege einer Regimeentscheidung auf die Klägerin übertragen habe. Insoweit sei eine Beitragserhebung ausgeschlossen. Die Klägerin habe in die fraglichen Maßnahmen mehr als 150.000 DM investiert und rechne hiermit hilfsweise auf. Schließlich sei durch das mehrfache Ruhen des Verfahrens Festsetzungsverjährung eingetreten.

7

Die Klägerin beantragt,

8

den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2012 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide. Die Maßstabsregel sei wirksam. Es handele sich um eine Ausbaumaßnahme. Der Straßenausbau habe zusätzliche Verkehrsflächen geschaffen und die Straße zudem bautechnisch für den zunehmenden Scherlast- und Lieferverkehr ertüchtigt. Der Fahrbahnkörper sei verschlissen und abgängig gewesen. Rad- und Fußwege seien als „kurz vor der Nutzungsunfähigkeit“ eingestuft worden. Aufwendungen für die Straßenbeleuchtung seien in der Schlussrechnung aufgeführt, aber bei der Berechnung des beitragsfähigen Aufwandes nicht berücksichtigt worden. Der Vertrag aus dem Jahr 1995 habe nicht dem Ausbau der Straße sondern dazu gedient, die Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung zu schaffen. Verjährung sei nicht eingetreten.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

14

a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) dürfen Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden. Die Abgabenerhebung findet ihre danach erforderliche Rechtsgrundlage hier in der rückwirkend zum 1. Januar 1995 in Kraft gesetzten Satzung der Hansestadt Anklam über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 22. Mai 2007 in Gestalt der 1. Änderungssatzung vom 25. Oktober 2010 (Straßenausbaubeitragssatzung). Diese Satzung ist nach jetziger Erkenntnis wirksam.

15

Die Maßstabsregel in § 5 Abs. 3 Straßenausbaubeitragssatzung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Ein kombinierten Grundflächen- und Vollgeschossmaßstab ist im Ausbaubeitragsrecht zulässig (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 18, Rn. 30 ff, § 36 Rn. 7 m.w.N.). Eine Mehrbelastung für das erste Vollgeschoss findet in der Überlegung eine Rechtfertigung, dass ein Gebäude mit einem Vollgeschoss in der Regel noch über ein (untergeschossiges) Dachgeschoss und ein Kellergeschoss verfügt und dadurch überproportional vom Ausbau der Straße bevorteilt sind (Holz in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand Juli 2013, § 8, Anm. 1.5.5.2.1 m.w.N.). Es erscheint zudem nicht willkürlich, ab dem zweiten Vollgeschoss eine gleichmäßige Steigerung vorzusehen. Ein linearer Steigerungssatz je Vollgeschoss wird dem Vorteilsprinzip gerecht (vgl. zum Anschlussbeitragsrecht OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2001 – 4 K 16/00 –, juris).

16

b) Gegen die Rechtsanwendung im Einzelfall ist im Ergebnis gleichfalls nichts zu erinnern.

17

aa) Der Beklagte ist richtigerweise davon ausgegangen, dass die Leipziger Allee im Umfang des Ausbaus beitragsrechtsrechtlich als eine Anlage anzusehen ist. In Mecklenburg-Vorpommern ist der Begriff der Anlage im Sinne des § 8 Abs. 1 KAG M-V grundsätzlich mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff identisch. Ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht ist daher für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Anlage im Sinne des § 8 KAG M-V ist, grundsätzlich darauf abzustellen, was sich bei der natürlichen Betrachtungsweise aus der Sicht eines objektiven Betrachters als „gesamte Verkehrsanlage“ darstellt (OVG Greifswald, Beschluss vom 18. Oktober 2001 - 1 M 52/01 -, juris). Ob ein Straßenzug als eine einzelne Anlage zu qualifizieren ist oder aus mehreren Anlagen besteht, beurteilt sich grundsätzlich nach dem durch die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Erschließungsbeitragspflichten geprägten Erscheinungsbild. Es kommt für die Beantwortung der Frage, ob eine Verkehrsanlage beitragsrechtlich selbstständig oder unselbstständig ist, auf den Gesamteindruck an, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln; besondere Bedeutung kommt ihrer Ausdehnung und ferner ihrer Beschaffenheit, der Zahl der durch sie erschlossenen Grundstücke sowie vor allem dem Maß der Abhängigkeit zwischen ihr und der Straße zu, in die sie einmündet (so zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1996 – 8 C 30/94 -, BVerwGE 101, 225 und BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1985 – 8 C 106.83 -, juris). Nach diesen Maßstäben bildet die Leipziger Allee beginnend von der Abzweigung von der D. Straße bis zur Einmündung auf die F. Landstraße eine eigene Anlage. Das Gericht konnte sich insoweit aus den vorgelegten Karten sowie den Luftbildern aus dem Geodateninformationssystem Mecklenburg-Vorpommern einen genügenden Eindruck von den örtlichen Gegebenheiten verschaffen.

18

bb) Entgegen der Auffassung der Klage ist die abgerechnete Baumaßnahme beitragspflichtig. Die Anwendung des Ausbaubeitragsrecht ist nicht ganz oder teilweise dadurch ausgeschlossen, dass der Beklagte mit dem Vertrag vom 4. Mai 1995 eine „Regimeentscheidung“ zugunsten eines privatrechtlichen Straßenausbaus getroffen hätte. Eine Wahlmöglichkeit zwischen dem öffentlich-rechtlichen und dem privatrechtlichen Abrechnungsregime war gemäß §§ 123 Abs. 1, 124 a.F., 127 ff. Baugesetzbuch (BauGB) im Erschließungsbeitragsrecht eröffnet (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 6, Rn. 10 ff.), nicht jedoch im Ausbaubeitragsrecht, das den Ausbau einer bereits vorhandenen öffentlichen Einrichtung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V betrifft ausdrücklich nur öffentliche Straßen, Wege und Plätze) und nicht die Herstellung einer noch dem öffentlichen Verkehr zu widmenden Erschließungsanlage betrifft. Erschließungsmaßnahmen wurden im Vertrag vom 4. Mai 1995 nicht vereinbart, die Grundstücke der Klägerin waren im Rechtssinne erschlossen.

19

Gemäß § 1 Satz 1 Ausbaubeitragssatzung erhebt die Hansestadt Anklam zur teilweisen Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Umbau, die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen, auch wenn sie nicht zum Anbau bestimmt sind, von den Beitragspflichtigen, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen Vorteile erwachsen, Beiträge. Ausweislich des Erläuterungsberichts zum Bauvorhaben wurden durch den Ausbau zusätzliche Verkehrsflächen (Abbiegespuren, Querungshilfen, Fuß- und Radweg, Redwegfurten, regelgerechte Einmündungen, Stellflächen) geschaffen. Die vorhandenen Verkehrsanlagen (Fahrbahn, Fuß- und Radweg) wurden für die erhöhten Verkehrsanforderungen ertüchtigt und dazu neu und verstärkt aufgebaut. Das verwirklicht den Satzungstatbestand. Eine Verbesserung liegt vor, wenn sich der Zustand der Anlage nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht von ihrem ursprünglichen Zustand in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf die Benutzbarkeit hat. Dabei kommt es allein auf die Verbesserung der Anlage als solche an, so dass es unerheblich ist, ob die Anlieger den geschaffenen Zustand, der objektiv eine Verbesserung darstellt, subjektiv auch als solchen erkennen. In diesem Sinne ist die Verbesserung verkehrstechnisch zu verstehen. Entscheidend ist, dass die Maßnahme bewirkt, dass die jeweilige Teileinrichtung als „Anlage“ ihrer bestimmungsgemäßen Funktion besser zu dienen geeignet ist als zuvor. Bezogen auf die Verkehrsfunktion der Straße bedeutet das, dass eine Verbesserung anzunehmen ist, wenn die Anlage nach der Ausbaumaßnahme bessere verkehrstechnische Möglichkeiten eröffnet, das heißt wenn der Verkehr bei Zugrundelegung der bisherigen verkehrstechnischen Funktion auf der neu gestalteten Anlage zügiger, geordneter, unbehinderter oder reibungsloser abgewickelt werden kann als vorher (VG Greifswald, Urteil vom 23. Mai 2012 – 3 A 144/10 –, juris). Das ist hier der Fall. Der Erläuterungsbericht legt überzeugend dar, dass die Missstände bei der Abwicklung des Fußgänger-, Fahrrad- und des motorisierten Verkehrs durch die baulichen Veränderungen der Straße und ihrer Nebeneinrichtungen abgestellt werden konnten. Soweit der Straßen- und Wegeaufbau auf den bisherigen Trassen neu errichtet wurde, stellt sich dies als Erneuerung dar. Diese Maßnahmen lassen sich quantitativ und qualitativ nicht mehr als Instandsetzung verstehen. Soweit die Straßenführung verbreitert und ein neuer Geh- und Radweg angelegt wurden, sind auch die Tatbestände der Erweiterung und der Herstellung erfüllt.

20

bb) Die Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands geschah nach jetziger Erkenntnis fehlerfrei (so bereits VG Greifswald, Beschluss vom 17. April 2009 – 3 B 1355/08 -, n.v.). Im beitragsfähigen Aufwand in Höhe von 547.919,25 Euro sind entgegen der Auffassung der Klage Aufwendungen für Straßenbeleuchtung nicht enthalten, wie sich aus der Aufstellung des Beklagten (Blatt 1 der Beiakte X) ergibt. Die von Herrn K. im Jahr 1995 erbrachten Leistungen sind im abgerechneten Aufwand nicht erhalten. Selbst wenn man unterstellt, dass diese Maßnahmen Teil des Straßenausbaus sind, wurden diese richtigerweise als Leistungen Dritter nicht aufwandserhöhend berücksichtigt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V).

21

cc) Die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands verletzt die Klägerin jedenfalls nicht in ihren Rechten. Die klägerischen Grundstücke liegen im Abrechnungsgebiet. Die Grundstücke G2 und G4 ermöglichen als Anliegergrundstücke eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Anlage (§ 4 Abs. 1 Straßenausbaubeitragssatzung). Die übrigen herangezogenen Grundstücke waren als Hinterliegergrundstücke zu veranlagen. Sie grenzen zwar nicht selbst an die ausgebaute Straße an, sind allerdings über das ebenfalls im Eigentum des Klägers stehende Grundstück Flurstück 101 an Leipziger Allee angeschlossen. Gehören Anliegergrundstück und Hinterliegergrundstück wie hier demselben Eigentümer, so ist das Hinterliegergrundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands einzubeziehen, da dem Eigentümer des Hinterliegergrundstücks durch den Straßenausbau ein beitragsrelevanter Vorteil im Sinne des § 7 Abs. 1 KAG M-V geboten wird, weil er vom Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besitzt. Diese Möglichkeit besteht in den Fällen der Eigentümeridentität nicht nur beim Vorliegen einer einheitlichen Nutzung. Denn der Zugang zur Straße vom Hinterliegergrundstück ist regelmäßig schon wegen der Eigentümeridentität gewährleistet (VG Greifswald, Urteil vom 11. November 2011 – 3 A 1340/09 –, juris).

22

Ob für das Grundstück der Vorpommerschen Kulturfabrik ein Artzuschlag nach § 5 Abs. 5 Buchst. a Straßenausbaubeitragssatzung hätte vergeben werden müssen, kann hier letztlich dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte die Klägerin keinen Anspruch auf eine teilweise Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Eine solche Vergrößerung des gewichteten Vorteilsgebiets und die damit verbundene geringfügige Reduzierung des Beitragssatzes würde schon dadurch aufgezehrt werden, dass der Beklagte die Ausbaustraße zu Unrecht als Hauptverkehrsstraße abgerechnet hat. Tatsächlich handelt es sich um eine Innerortsstraße. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin einen weitaus höheren Anteil am beitragsfähigen Aufwand zu tragen hätte, als die angefochtenen Bescheide festsetzen.

23

Für die Abgrenzung der verschiedenen Straßenkategorien in § 3 Abs. 5 Straßenausbaubeitragssatzung kommt es auf die der Straße zugedachte Aufgabe und Zweckbestimmung an, die durch eine Gesamtbetrachtung verschiedener Kriterien zu ermitteln ist. Dazu gehören die Verkehrsplanung der Gemeinde, der darauf beruhende Ausbauzustand der Straße und die straßenrechtliche Gewichtung. Entscheidend ist die von der Gemeinde im Einklang mit ihrer Verkehrsplanung gewählte Zweckbestimmung der Anlage, die sich in einem diesem Zweck entsprechenden dauerhaften Ausbau ausdrückt. Straßen verschiedener Kategorie erfüllen in verkehrlicher Hinsicht unterschiedliche Aufgaben und sind daher zwangsläufig ausbaumäßig unterschiedlich ausgestattet. Gleichermaßen von Gewicht für die satzungsgerechte Einstufung einer ausgebauten Straße ist ihre Lage im Straßennetz der Gemeinde (OVG Greifswald, Beschluss vom 9. Juli 2007 - 1 M 40/07 -, juris). Nach diesen Maßstäben kann bei Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im Jahre 2005 nicht davon ausgegangen werden, dass die Leipziger Allee überwiegend dem überörtlichen Durchgangsverkehr diente (§ 3 Abs. 5 Nr. 3 Straßenausbaubeitragssatzung). Zu diesem Zeitpunkt war der südliche Teil der Ortsumgehung, namentlich der Hansering zwischen den Bundesstraßen 109 und 110, fertiggestellt und nahm des wesentlichen Teil des Durchgangsverkehrs auf. Dementsprechend stellt der Erläuterungsbericht des Ingenieurbüros Kühn vom 14. Dezember 2001 zum Bauvorhaben fest, dass die Leipziger Allee einen erheblichen Teil des innerstädtischen Verkehrs abwickle und neben der S.straße/K.straße die wichtigste Ost-West-Straßenverbindung im innerstädtischen Hauptstraßennetz sei. Neben der Verbindungsfunktion gebe es durch die Vielzahl an anliegenden Gewerbegrundstücken und Grundstücken mit öffentlicher Nutzung (Theater, Schule) einen erheblichen Ziel- und Quellverkehr. Dieser Funktion entsprechend erfolgte der Ausbau mit Abbiegespuren, Querungshilfen und Stellflächen. Auch daraus ergibt sich, dass die abgerechnete Anlage jedenfalls nicht überwiegend dem Durchgangsverkehr zu dienen bestimmt war.

24

Auf das von der Stadtvertretung der Hansestadt Anklam beschlossene Straßenverzeichnis kommt es demgegenüber nicht an. Dieses hat wie ein Ratsbeschluss im Einzelfall nur deklaratorische Bedeutung. Bei der Zuordnung der ausgebauten Straße zu einem Straßentyp handelt es sich um die Anwendung von Ortsrecht durch die Verwaltung, die voller gerichtlicher Kontrolle unterliegt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, § 34, Rn. 29 m.w.N.)

25

dd) Richtigerweise geht der Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid davon aus, dass das Grundstück im Sinne von §§ 2, 4 Ausbaubeitragssatzung das Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinn ist. Folgerichtig weist der Widerspruchsbescheid für die Grundstücke der Klägerin gesonderte Ausbaubeiträge aus. Soweit der Beklagte dabei die Grundstücke G3, G16 und G5 gemeinsam veranlagt hat, ist dagegen nichts zu erinnern. Der bürgerlich-rechtliche Grundstücksbegriff erfährt ausbaubeitragsrechtlich eine Ausnahme, wenn eine wirtschaftliche Grundstückseinheit vorliegt. Das ist der unter anderem der Fall, wenn sich ein wegen geringer Breite nicht selbstständig bebaubares Grundstück an ein breiteres, selbstständiges Grundstück desselben Eigentümers anschließt (VG Greifswald, Urteil vom 11. November 2011 – 3 A 1340/09 –, juris), was hier der Fall ist.

26

ee) Der Beitragsanspruch des Beklagten ist nicht durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Klägerin erloschen. Eine Aufrechnung ist vorliegend schon gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 226 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift können die Abgabenpflichtigen gegen Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen (VG Greifswald, Urteil vom 6. Dezember 2006 – 3 A 3276/02 –, juris; VG Greifswald, Urteil vom 18. Juli 2002 – 3 A 55/01 –, juris). Die Voraussetzungen des Aufrechnungsausschlusses sind vorliegend gegeben. Der von der Klägerin geltend gemachte Gegenanspruch ist bisher weder rechtskräftig festgestellt noch unbestritten. Zudem verkennt die Klägerin, dass ihr aus dem Rechtsverhältnis aus dem Vertrag vom 4. Mai 1995 schon deshalb keine Ansprüche zustehen können, weil nicht sie, sondern ihr Gesellschafter Herr K. Vertragspartei ist. Schon aus diesem Grund kann die Klage mit ihrer Auffassung, wonach der Beklagte aus Gründen von Treu und Glauben gehindert sei, seinen Beitragsanspruch durchzusetzen, nicht gefolgt werden. Das genannte Vertragsverhältnis besteht nicht zwischen den Beteiligten und kann insoweit keine Rechte und Pflichten begründen. Zudem ist für eine Treuwidrigkeit auch nichts zu erkennen. Der Vertrag vom 4. Mai 1995 beruht auf einer gegenseitigen Übereinkunft und hat seinen Grund nicht in einem Interesse des Beklagten, sondern im Interesse der Klägerin, ihre Grundstücke für das beabsichtigte Vorhaben baureif zu machen.

27

ff) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Beitragsanspruch schließlich nicht gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 47 AO infolge Festsetzungsverjährung erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Straßenausbaubeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Nach § 9 Satz 1 Ausbaubeitragssatzung entsteht die Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist. Das war am 6. April 2005 der Fall. Die Festsetzungsfrist begann danach am 1. Januar 2006 und lief am 31. Dezember 2009 ab. Der Beitragsbescheid vom 28. Juni 2005 erging vor Ablauf der Festsetzungsfrist. Auf die Dauer des Widerspruchsverfahrens kommt es nicht an.

28

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Es bestehen keine Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124, 124a VwGO.

(1) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann nach den tatsächlich entstandenen Kosten oder nach Einheitssätzen ermittelt werden. Die Einheitssätze sind nach den in der Gemeinde üblicherweise durchschnittlich aufzuwendenden Kosten vergleichbarer Erschließungsanlagen festzusetzen.

(2) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Abschnitte einer Erschließungsanlage können nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z. B. Grenzen von Bebauungsplangebieten, Umlegungsgebieten, förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) gebildet werden. Für mehrere Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, kann der Erschließungsaufwand insgesamt ermittelt werden.

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Straßenbaubeitragsbescheide des Antragsgegners vom 17.08.2009 für die Grundstücke Flurstücke G1, G2, G3, G4, G5, G6 sowie Flurstück G7 wird angeordnet.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 668,98 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der im Tenor zu 1. ersichtliche Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegeben, da der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung unter dem 01.10.2009 abgelehnt hat.

2

Der Antrag ist auch begründet. Vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gewährt das Gericht entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO u.a. dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides bestehen. So ist es hier.

3

1. An der Wirksamkeit der den Bescheiden zu Grunde liegenden Satzung der Stadt Friedland über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 29.04.2002 (Straßenausbaubeitragssatzung - SBS) bestehen erhebliche Zweifel. Die Regelung des § 2 Satz 3 SBS dürfte unwirksam sein, mit der Folge, dass die Beitragssatzung den Kreis der Abgabenschuldner nicht mehr vollständig angibt und damit nicht mehr den Mindestinhalt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) aufweist. Zwar bestimmt § 2 Satz 3 SBS im Einklang mit § 8 Abs. 10 Satz 3 KAG a.F., dass im Veranlagungsverfahren der Eigentümer eines Gebäudes auch zum Beitragspflichtigen bestimmt werden kann, wenn das Eigentum an einem Grundstück und an einem Gebäude infolge der Regelung des § 286 Zivilgesetzbuch vom 19. Juni 1975 (GBl. DDR I, S. 465) getrennt ist. Allerdings ist diese Bestimmung so nicht mehr zulässig, denn nunmehr bestimmt § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V, dass, wenn das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet ist, der Inhaber dieses Rechtesanstelle des Eigentümers beitragspflichtig ist. Der Antragsgegner kann daher den Grundeigentümer nicht mehr neben dem Gebäudeeigentümer heranziehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V. Die Regelung bestimmt, dass Satzungen, die aufgrund des Kommunalabgabengesetzes vom 1. Juni 1993 (GVOBl. M-V S. 522, 916), geändert durch Artikel 27 des Gesetzes vom 22. November 2001 (GVOBl. M-V S. 438) gültig erlassen worden sind, weiterhin in Kraft bleiben. Allerdings sind sie gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V bis zum 1. Januar 2007 dem geänderten Recht anzupassen. Anderenfalls werden die mit dem Kommunalabgabengesetz nicht mehr zu vereinbarenden satzungsrechtlichen Bestimmungen unwirksam. Die Bestimmung des § 2 Satz 3 SBS ist mit Ablauf der Anpassungsfrist unwirksam geworden; eine Anpassung ist nicht erfolgt. Eine geltungserhaltende Auslegung der Regelung des § 2 Satz 3 SBS ist nicht möglich. Insoweit lässt die Norm keinen Raum. Sie räumt dem Antragsgegner bei der Heranziehung des Beitragspflichtigen kein Ermessen ein. Nach der Norm ".. ist auch der Eigentümer eines Gebäudes, ..." beitragspflichtig, d.h. neben dem Grundstückseigentümer ist im Falle der Trennung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum - stets - auch der Gebäudeeigentümer heranzuziehen. Der Grundstücks- und der Gebäudeeigentümer haften in diesen Fällen als Gesamtschuldner.

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Die sachliche Beitragspflicht ist vorliegend auch nicht vor dem Ablauf der Anpassungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V entstanden. Nach § 8 Abs. 5 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung. Das Merkmal "endgültige Herstellung" wird in § 9 Satz 1 SBS definiert; die Bestimmung stellt maßgebend auf den Zeitpunkt ab, an dem die Kosten feststehen. Dies ist nach § 9 Satz 2 SBS frühestens der Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung. Zwar lag diese bereits Ende Dezember 2005 und damit vor Ablauf der Anpassungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V vor. Gleichwohl konnte die sachliche Beitragspflicht zu diesem Zeitpunkt nicht entstehen, denn die Vorteilslage - der Zeitpunkt an dem die Kosten feststehen - ist vorliegend erst mit Abschluss der Verwendungsnachweisprüfung durch den Landrat des Landkreises Neustrelitz im Dezember 2007 und damit nach Ablauf der Anpassungsfrist eingetreten. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern (vgl. nur OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.10.2008 - 1 L 104/05, n.V.; Holz in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabenrecht, Stand Juli 2009, § 8 Anm. 1.7) gibt es über die in § 8 Abs. 7 KAG a.F. (jetzt § 8 Abs. 5 KAG M-V) unmittelbar bzw. ausdrücklich im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale hinausgehende - ungeschriebene - Tatbestandsmerkmale, die verwirklicht sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entsteht. Bei der Gewährung von Zuwendungen, die - wie hier - auch den Beitragspflichtigen zu Gute kommen können, entsteht die sachliche Beitragspflicht erst, wenn der maßgebliche umlagefähige Aufwand bestimmt werden kann, also erst, wenn der Zuschussgeber mit dem Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung die endgültige Zuschusshöhe mitgeteilt hat, d.h. vorliegend mit der Mitteilung vom 03.12.2007. Diesen Umstand trägt § 9 Satz 2 SBS mit der Wendung Rechnung, dass die Beitragspflichtfrühestens mit dem Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung entsteht.

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2. Darüber hinaus bestehen Bedenken gegen die Rechtsanwendung. Zweifelhaft ist, ob der Antragsgegner sowohl bei der Heranziehung des Antragstellers zum Straßenausbaubeitrag für die Ausbaumaßnahme "Be.-Straße bis zum Abzweig nach R., An der Kirche, F.-Weg bis zum Grundstück Nr. 7 in Friedland, OT B." als auch bei der Heranziehung für die Ausbaumaßnahme " G.-Weg" den Anlagenbegriff richtig angewendet und demgemäß auch die Abrechnungsgebiete ordnungsgemäß gebildet hat.

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Nach § 4 Abs. 1 SBS bilden das Abrechnungsgebiet die Grundstücke, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Ebenso wie für die Aufwandsermittlung nach § 1 Satz 1 i.V.m. § 3 SBS ist für die Bildung des Abrechnungsgebietes der Anlagenbegriff maßgebend. Dieser ist identisch mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.09.1998 - 1 M 54/98, VwRR MO 1999, 104). Ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht ist daher für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Einrichtung (Anlage) i.S.d. § 8 KAG M-V ist, darauf abzustellen, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise als "gesamte Verkehrsanlage" darstellt, wobei auf den Zustand nach Abschluss des Bauprogramms, d.h. auf das äußere Erscheinungsbild, das die Straße nach ihrem Ausbau erlangt hat, abzustellen ist (OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.).

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Bereits die Aufwandsermittlung hat sich am Anlagenbegriff zu orientieren. Beitragsfähig kann nur der in Bezug auf die ausgebaute Anlage entstandene Aufwand sein. Damit beschränkt der Anlagenbegriff die Aufwandsermittlung in räumlicher Hinsicht. Nur so wird sichergestellt, dass der Beitragspflichtige ausschließlich an den Kosten "seiner" Verkehrsanlage beteiligt wird. Eine Beteiligung an den Kosten einer "fremden" Verkehrsanlage wäre vorteilswidrig und daher unzulässig. Bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes (Verteilungsphase) dient der Anlagenbegriff der vorteilsgerechten Lastenverteilung. Denn am umlagefähigen Aufwand müssen alle diejenigen - aber auch nur diejenigen - beteiligt werden, deren Grundstücken wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Anlage eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Anlage eröffnet wird.

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Diese Maßgaben sind vom Antragsgegner für beide Abrechnungsgebiete nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung verkannt worden.

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a. Ausweislich des vom Antragsgegner vorgelegten Übersichtsplanes wurden bei der Aufwandsermittlung der Ausbaumaßnahme " G.-Weg" der gesamte G.-Weg als eine Anlage zusammengefasst. Nach dem der Kammer vorliegenden Kartenmaterial und eines Luftbildes (über http://www.gaia-mv.de/gaia/gaia.php) ist zweifelhaft, ob die genannte Verkehrsanlage eine einheitliche Verkehrsanlage im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise bildet.

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Es ist zweifelhaft, ob es sich bei dem Abzweig vom G.-Weg in Höhe der Flurstücke G8 und G9, der Flur 1, Gemarkung B. in Richtung der Flurstücke G10 und G11, der Flur 3, Gemarkung B. um eine unselbständige Anlage - wie vom Antragsgegner angenommen - handelt. Die Abgrenzung einer unselbständigen von einer selbständigen Anlage richtet sich danach, ob die unselbständige Anlage als "Anhängsel" zu werten ist, dem lediglich die Funktion einer (verlängerten) Zufahrt zukommt. Demnach ist die Unselbständigkeit einer Anlage nur bei Sackgassen/Stichstraßen möglich. Die Unselbständigkeit einer Anlage - und damit ihr Charakter als Zufahrt bzw. Anhängsel - kommt in ihrer (geringen) Länge und in der (geringen ) Anzahl der durch sie erschlossenen Grundstücke zum Ausdruck. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob eine Verkehrsanlage erschließungsbeitragsrechtlich selbständig oder unselbständig ist, ist dabei der Gesamteindruck, die die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln, wobei besondere Bedeutung der Ausdehnung der Anlage, ihrer Beschaffenheit, der Zahl der durch sie erschlossenen Grundstücke und auch dem Maß der Abhängigkeit zwischen ihr und der Straße, in die sie einmündet, zukommt (vgl. dazu Holz, a.a.O., § 8 Anm. 1.1.3.2. m.w.N). Vorliegend weist der Abzweig von der Gartenstraße bis zur letzten Bebauung eine Länge von ca. 125 bis 130 m auf. Grundsätzlich ist jedoch eine von einer Anbaustraße abzweigende befahrbare Sackgasse dann als selbständig zu qualifizieren, wenn sie länger als 100 m ist (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 16.09.1998 - 8 C 8/97, DVBl. 1999, 395). Allein deshalb ist zweifelhaft, ob es sich um eine unselbständige Anlage handelt. Da es jedoch grundsätzlich auf den Gesamteindruck der Anlage ankommt und für eine Unselbständigkeit der Anlage der Umstand sprechen könnte, dass die Straße nur wenige (Wohn-) Grundstücke erschließt, bleibt die Klärung der Frage, ob eine unselbständige Anlage vorliegt, dem Hauptsachverfahren vorbehalten. In diesem sollte auch geklärt werden, ob es sich - wie das Kartenmaterial vermuten lässt - bei dem Abzweig tatsächlich um eine Stichstraße/Sackgasse handelt.

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Darüber hinaus kann die Kammer anhand der vorliegenden Unterlagen nicht abschließend feststellen, ob die Anlage " G.-Weg", beginnend von der Abzweigung Landesstraße MST 56 "B.er Allee", bei der Kreuzung G.-Weg/Weg zum Sportplatz endet oder - wie vom Antragsgegner angenommen - rechtwinklig abzweigt und bis zur Wiedereinmündung in die Landesstraße MST 56 führt. Dies bleibt der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

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b. Erhebliche Bedenken bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Bildung des Abrechnungsgebietes "Be.-Straße bis zum Abzweig nach R., An der Kirche, F.-Weg bis zum Grundstück Nr. 7 in Friedland, OT B.".

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Bei der Aufwandsermittlung wurden diese Straßen zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst. Nach Auffassung der Kammer spricht viel dafür, dass - wie auch von dem Antragsgegner erkannt - der F.-Weg und die Be.-Straße/An der Kirche keine einheitliche Verkehrsanlage bilden. Nach Ansicht der Kammer bilden jedoch die Straße "An der Kirche" und die "Be.-Straße" eine einheitliche Anlage im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise. Eine Abschnittsbildung bzw. Teilung der Strecke "An der Kirche" und "Be.-Straße" in zwei Anlagen ist jedoch unschädlich.

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Zweifelhaft ist jedoch, ob die genannten Anlagen zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden können. Nach § 4 Abs. 2 zweiter Hs. SBS können Verkehrsanlagen zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden und damit gemeinsam abgerechnet werden. Ein entsprechender Beschluss der Stadtvertretung Friedland liegt vor. Allerdings dürfte die Regelung des § 4 Abs. 2 zweiter Hs. SBS wegen einer fehlenden Rechtsgrundlage unwirksam sein (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 21.12.2006 - 5 TG 2329/06, KStZ 2007, 113; Urt. v. 10.10.1984 - V OE 101/82; a.A.: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 23.04.1997 - 6 M 114/96, S. 3 des Entscheidungsumdrucks; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflg., § 30 Rn. 44 unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urt.v . 18.03.1986 - 9 A 237/82 - bzw. OVG Münster, Beschl. v. 04.02.1985 - 2 B 499/84). Das Kommunalabgabengesetz kennt zwar die Bildung von Abrechnungsabschnitten (vgl. § 8 Abs. 4 KAG M-V), nicht aber eine dem § 130 Abs. 2 Satz 3 Baugesetzbuch (BauGB) entsprechende Bestimmung zur Bildung von Abrechnungseinheiten. Nach Auffassung der Kammer spricht einiges dafür, dass es nicht nur in Ansehung der Bildung von Abrechnungsabschnitten, sondern auch in Ansehung der Bildung von Abrechnungseinheiten einer gesetzgeberischen Entscheidung bedarf. Denn die Bildung einer Abrechnungseinheit führt gegenüber der vom Kommunalabgabengesetz als Regelfall vorgesehenen Einzelabrechnung zu einer Verschiebung der Beitragslasten und ist daher "wesentlich" im Sinne der Wesentlichkeitstheorie. Zum einen können in Ansehung der zusammengefassten Verkehrsanlagen unterschiedliche Baukosten pro Quadratmeter Straßenfläche bestehen. Zum anderen ist zu klären, ob Grundstücke, die an mehrere der zusammengefassten Anlagen angrenzen, bei der Bildung einer Abrechnungseinheit trotz ihres Angrenzens an mehrere Verkehrsanlagen wie im Erschließungsbeitragsrecht (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 2 BauGB) nur einmal berücksichtigt werden sollen. Dies wirkt sich auf die Ermittlung der Anzahl der auf die jeweiligen Grundstücke entfallenden Beitragseinheiten aus. Die Eigentümer der Grundstücke, die an mehrere der zusammengefassten Anlagen angrenzen, werden entlastet, die Eigentümer der übrigen in den Vorteilsausgleich einzubeziehenden Grundstücke werden dagegen belastet.

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Hiergegen wird allerdings eingewendet, die oben zitierte Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, wonach die Bildung von Abrechnungseinheiten auch ohne ausdrückliche landesgesetzgeberische Ermächtigung zulässig sei, weil § 8 KAG (a.F.) keine gegenteilige Regelung enthalte und im Übrigen der erschließungsbeitragsrechtliche Anlagenbegriff gelte, sei im Gesetzgebungsverfahren zur KAG-Novelle 2005 bekannt gewesen und daher vom Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen worden (Holz, a.a.O., § 8 Anm. 1.1.3.4). Dieser Einwand greift aber möglicherweise zu kurz, denn in der Entscheidung wird lediglich die Frage der Zulässigkeit der Zusammenfassung mehrerer selbständiger Anlagen unter dem Gesichtspunkt eines funktionalen Abhängigkeitsverhältnisses geklärt, während offen bleibt, ob die Bildung von Abrechnungseinheiten nur die Frage der Aufwandsermittlung betrifft oder ob sie sich auch auf die Aufwandsverteilung auswirkt. Damit ist auch offen, welchen Regelungsgehalt der Landesgesetzgeber im Rahmen der KAG-Novelle 2005 in seinen Willen aufgenommen hat. Besonders deutlich wird dieses Problem bei der bereits angesprochenen Frage der Behandlung von Grundstücken, die an mehrere der zusammengefassten Anlagen angrenzen. Die Regelung des § 131 Abs. 1 Satz 2 BauGB ist eine Reaktion des Bundesgesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 131 Abs. 1 BBauG (nunmehr § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB), wonach bei der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes für zwei einzelne Anbaustraßen eine zweifache Berücksichtigung von so genannten Eckgrundstücken unabhängig davon geboten ist, ob die Gemeinde den Erschließungsaufwand gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 BBauG bzw. BauGB trennt oder gemäß § 130 Abs. 2 Satz 2 BBauG (nunmehr § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB) gemeinsam ermittelt (BVerwG, Urt. v. 09.12.1983 - 8 C 112/82, BVerwGE, 68, 249, <259 ff.>). Der Bundesgesetzgeber hat sich mit Regelung des § 131 Abs. 1 Satz 2 BauGB im Rahmen seiner Zuständigkeit für die zweite Alternative entschieden; eine ausdrückliche Entscheidung des Landesgesetzgebers hierzu liegt nicht vor.

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Ungeachtet dessen fehlt es vorliegend an der für die Bildung einer Abrechnungseinheit erforderlichen funktionellen Abhängigkeit der selbständigen Erschließungsanlagen. Eine funktionelle Abhängigkeit kann nur angenommen werden, wenn Erschließungsanlagen in einer derartigen Beziehung zueinander stehen, dass eine Anlage ihre Funktion lediglich im Zusammenwirken mit einer bestimmten anderen Anlage in vollem Umfang erfüllen kann, d.h. wenn ausschließlich die letzte Anlage der ersteren die Anbindung an das übrige Straßennetz vermittelt. Dies ist nur denkbar für die Zusammenfassung einer (aufwendigeren) Hauptstraße mit einer (von ihr abzweigenden) selbständigen Sackgasse oder einer Straße mit einer von ihr abzweigenden und wieder einmündenden Ringstraße (vgl. dazu Holz, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Sowohl bei der Be.-Straße als auch bei dem F.-Weg handelt es sich um weiterführende Straßen, wobei die Be.-Straße später in die Landesstraße 282 mündet und der F.-Weg nach R. führt. Dass eine der beiden Straßen ihre Funktion nur mit der jeweils anderen Anlage erfüllen kann, ist nicht erkennbar.

17

Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass an der Rechtmäßigkeit der Abschnittsbildung bzgl. des F.-Weges erhebliche Zweifel bestehen. Voraussetzung für eine Abschnittsbildung ist, dass die Abschnitte gemäß § 8 Abs. 4 KAG M-V selbständig in Anspruch genommen werden können. Eine Teillänge einer Anlage kann nur dann mit der geforderten Selbständigkeit in Anspruch genommen werden, wenn dieses Teilstück sich nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten abgrenzen lässt (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 28.02.2005 - 4 L 233/01). Als örtlich erkennbare Merkmale kommen z.B. Straßeneinmündungen, Plätze, Brücken, Wassereinläufe oder Gleisanlagen in Betracht. Der in dem Beschluss vom 27.05.2009 gebildete Abschnitt "F.-Weg bis zum Grundstück G12 (F.-Weg 7)" genügt diesen Anforderungen wohl nicht, da unklar bleibt, wo genau der Abschnitt endet. Das Flurstück G12 liegt an einer Straßengabelung und wird von zwei Wegen umschlossen. Das Ende des Abschnittes kann daher sowohl an der weiterführenden Straße Richtung R. als auch an der Straße in Richtung des Grundstückes Flurstücke G13 und G14 liegen. Für die Bildung des Abrechnungsgebietes kommt dem letztlich entscheidende Bedeutung zu.

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c. Offen bleiben kann, ob der Antragsteller durch die Rechtsanwendungsfehler benachteiligt wird. Diese Frage, deren Beantwortung maßgebend davon abhängt, ob sich die Reduzierung des auf die "fremden" Anlagen entfallenden Aufwandes stärker auswirkt als der Wegfall der auf diese Anlagen entfallenden Beitragseinheiten, kann im Rahmen des Eilverfahrens nicht geklärt werden. Allerdings ist auf den summarischen Charakter des Verfahrens hinzuweisen. Es ist nicht die Aufgabe des Eilverfahrens, tatsächliche Fragen wie z.B. den Verlauf und die Abgrenzung unterschiedlicher Verkehrsanlagen abschließend zu klären. Eine gerichtliche Pflicht zur Spruchreifmachung (§§ 86 Abs. 1, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.09.2008 - 9 B 2.08, zit. nach Juris) besteht im Eilverfahren nicht. Die Spruchreifmachung ist einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Fehler bei der Bestimmung der beitragsfähigen Anlage bzw. des Abrechnungsgebietes reicht für die Annahme "ernstlicher Zweifel" aus (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 13.10.2006 - 3 B 1052/06).

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d. Auf die weiteren zwischen den Beteiligten umstrittenen Fragen kommt es im Rahmen dieses Eilverfahrens nicht mehr an. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Vorgehensweise des Antragsgegners hinsichtlich der Zustellung neuer Beitragsbescheide Bedenken unterliegt. Nach dem eigenen Vortrag des Antragsgegners werden neue Bescheide nur den Eigentümern zugestellt, die ihren zum ersten Bescheid eingelegten Widerspruch aufrecht erhalten oder den Beitrag noch nicht bezahlt haben. Bei den Beitragspflichtigen, die den ursprünglichen Straßenbaubeitragsbescheid haben bestandskräftig werden lassen und den Beitrag auch bezahlt haben, wird der Vorgang dagegen als abgeschlossen betrachtet, d.h. es erfolgt keine Heranziehung nach den neu errechneten Beiträgen. Sachliche Gründe für diese Ungleichbehandlung bei der Heranziehung sind derzeit nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Darüber hinaus steht die Entscheidung, wer nach der Neuberechnung des Straßenbaubeitrages heranzuziehen ist, nicht im Ermessen der Behörde. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer handelt es sich bei der Neuberechnung des Straßenbaubeitrages und der anschließenden (Neu-) Festsetzung des Beitrages um einen Fall der Nacherhebung, dem der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegensteht (vgl. ausführlich dazu VG Greifswald, Beschl. v. 13.03.2009 - 3 B 1901/08, n.V.; offen gelassen vom OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 19.11.2007 - 1 L 1/07, S. 4 des Umdrucks). Insbesondere stehen der Nacherhebung die Vorschrift der §§ 172 ff. Abgabenordnung (AO) die über die Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V Anwendung finden, nicht entgegen, weil durch die Nacherhebung der (bestandskräftige) frühere Heranziehungsbescheid nicht im Sinne der genannten Vorschriften aufgehoben bzw. abgeändert, sondern lediglich der Beitragsanspruch voll ausgeschöpft wird (vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/06, § 8 Rn. 26 bis 32 m.w.N.; so auch Dietzel, in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 511). Fraglich ist jedoch, welche Folgen sich daraus für das vorliegende Verfahren ergeben. Grundsätzlich wird im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eine Verböserung (reformatio in peius) als zulässig angesehen. Der Behörde soll damit die Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes ermöglicht werden. Macht die Behörde jedoch durch ihr Handeln - wie vorliegend der Fall - deutlich, dass die Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes offensichtlich nicht im Vordergrund steht, ist fraglich, ob nicht in diesem Einzelfall ausnahmsweise auch eine Verböserung im Widerspruchsverfahren als unzulässig angesehen werden muss. Letztlich bleibt die Klärung dieser Frage dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerte aus §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei die Höhe der streitigen Abgaben mit Blick auf den vorläufigen Charakter des Eilverfahrens zu vierteln war.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.