Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Straßenbaubeitragsbescheide des Antragsgegners vom 17.08.2009 für die Grundstücke Flurstücke G1, G2, G3, G4, G5, G6 sowie Flurstück G7 wird angeordnet.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 668,98 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der im Tenor zu 1. ersichtliche Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gegeben, da der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung unter dem 01.10.2009 abgelehnt hat.

2

Der Antrag ist auch begründet. Vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gewährt das Gericht entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO u.a. dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides bestehen. So ist es hier.

3

1. An der Wirksamkeit der den Bescheiden zu Grunde liegenden Satzung der Stadt Friedland über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen vom 29.04.2002 (Straßenausbaubeitragssatzung - SBS) bestehen erhebliche Zweifel. Die Regelung des § 2 Satz 3 SBS dürfte unwirksam sein, mit der Folge, dass die Beitragssatzung den Kreis der Abgabenschuldner nicht mehr vollständig angibt und damit nicht mehr den Mindestinhalt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) aufweist. Zwar bestimmt § 2 Satz 3 SBS im Einklang mit § 8 Abs. 10 Satz 3 KAG a.F., dass im Veranlagungsverfahren der Eigentümer eines Gebäudes auch zum Beitragspflichtigen bestimmt werden kann, wenn das Eigentum an einem Grundstück und an einem Gebäude infolge der Regelung des § 286 Zivilgesetzbuch vom 19. Juni 1975 (GBl. DDR I, S. 465) getrennt ist. Allerdings ist diese Bestimmung so nicht mehr zulässig, denn nunmehr bestimmt § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V, dass, wenn das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet ist, der Inhaber dieses Rechtesanstelle des Eigentümers beitragspflichtig ist. Der Antragsgegner kann daher den Grundeigentümer nicht mehr neben dem Gebäudeeigentümer heranziehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V. Die Regelung bestimmt, dass Satzungen, die aufgrund des Kommunalabgabengesetzes vom 1. Juni 1993 (GVOBl. M-V S. 522, 916), geändert durch Artikel 27 des Gesetzes vom 22. November 2001 (GVOBl. M-V S. 438) gültig erlassen worden sind, weiterhin in Kraft bleiben. Allerdings sind sie gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V bis zum 1. Januar 2007 dem geänderten Recht anzupassen. Anderenfalls werden die mit dem Kommunalabgabengesetz nicht mehr zu vereinbarenden satzungsrechtlichen Bestimmungen unwirksam. Die Bestimmung des § 2 Satz 3 SBS ist mit Ablauf der Anpassungsfrist unwirksam geworden; eine Anpassung ist nicht erfolgt. Eine geltungserhaltende Auslegung der Regelung des § 2 Satz 3 SBS ist nicht möglich. Insoweit lässt die Norm keinen Raum. Sie räumt dem Antragsgegner bei der Heranziehung des Beitragspflichtigen kein Ermessen ein. Nach der Norm ".. ist auch der Eigentümer eines Gebäudes, ..." beitragspflichtig, d.h. neben dem Grundstückseigentümer ist im Falle der Trennung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum - stets - auch der Gebäudeeigentümer heranzuziehen. Der Grundstücks- und der Gebäudeeigentümer haften in diesen Fällen als Gesamtschuldner.

4

Die sachliche Beitragspflicht ist vorliegend auch nicht vor dem Ablauf der Anpassungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V entstanden. Nach § 8 Abs. 5 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung. Das Merkmal "endgültige Herstellung" wird in § 9 Satz 1 SBS definiert; die Bestimmung stellt maßgebend auf den Zeitpunkt ab, an dem die Kosten feststehen. Dies ist nach § 9 Satz 2 SBS frühestens der Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung. Zwar lag diese bereits Ende Dezember 2005 und damit vor Ablauf der Anpassungsfrist des § 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V vor. Gleichwohl konnte die sachliche Beitragspflicht zu diesem Zeitpunkt nicht entstehen, denn die Vorteilslage - der Zeitpunkt an dem die Kosten feststehen - ist vorliegend erst mit Abschluss der Verwendungsnachweisprüfung durch den Landrat des Landkreises Neustrelitz im Dezember 2007 und damit nach Ablauf der Anpassungsfrist eingetreten. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern (vgl. nur OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.10.2008 - 1 L 104/05, n.V.; Holz in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabenrecht, Stand Juli 2009, § 8 Anm. 1.7) gibt es über die in § 8 Abs. 7 KAG a.F. (jetzt § 8 Abs. 5 KAG M-V) unmittelbar bzw. ausdrücklich im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale hinausgehende - ungeschriebene - Tatbestandsmerkmale, die verwirklicht sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entsteht. Bei der Gewährung von Zuwendungen, die - wie hier - auch den Beitragspflichtigen zu Gute kommen können, entsteht die sachliche Beitragspflicht erst, wenn der maßgebliche umlagefähige Aufwand bestimmt werden kann, also erst, wenn der Zuschussgeber mit dem Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung die endgültige Zuschusshöhe mitgeteilt hat, d.h. vorliegend mit der Mitteilung vom 03.12.2007. Diesen Umstand trägt § 9 Satz 2 SBS mit der Wendung Rechnung, dass die Beitragspflichtfrühestens mit dem Zeitpunkt des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung entsteht.

5

2. Darüber hinaus bestehen Bedenken gegen die Rechtsanwendung. Zweifelhaft ist, ob der Antragsgegner sowohl bei der Heranziehung des Antragstellers zum Straßenausbaubeitrag für die Ausbaumaßnahme "Be.-Straße bis zum Abzweig nach R., An der Kirche, F.-Weg bis zum Grundstück Nr. 7 in Friedland, OT B." als auch bei der Heranziehung für die Ausbaumaßnahme " G.-Weg" den Anlagenbegriff richtig angewendet und demgemäß auch die Abrechnungsgebiete ordnungsgemäß gebildet hat.

6

Nach § 4 Abs. 1 SBS bilden das Abrechnungsgebiet die Grundstücke, von denen aus wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Einrichtung eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung eröffnet wird. Ebenso wie für die Aufwandsermittlung nach § 1 Satz 1 i.V.m. § 3 SBS ist für die Bildung des Abrechnungsgebietes der Anlagenbegriff maßgebend. Dieser ist identisch mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.09.1998 - 1 M 54/98, VwRR MO 1999, 104). Ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht ist daher für die Beantwortung der Frage, was beitragsfähige Einrichtung (Anlage) i.S.d. § 8 KAG M-V ist, darauf abzustellen, was sich bei natürlicher Betrachtungsweise als "gesamte Verkehrsanlage" darstellt, wobei auf den Zustand nach Abschluss des Bauprogramms, d.h. auf das äußere Erscheinungsbild, das die Straße nach ihrem Ausbau erlangt hat, abzustellen ist (OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.).

7

Bereits die Aufwandsermittlung hat sich am Anlagenbegriff zu orientieren. Beitragsfähig kann nur der in Bezug auf die ausgebaute Anlage entstandene Aufwand sein. Damit beschränkt der Anlagenbegriff die Aufwandsermittlung in räumlicher Hinsicht. Nur so wird sichergestellt, dass der Beitragspflichtige ausschließlich an den Kosten "seiner" Verkehrsanlage beteiligt wird. Eine Beteiligung an den Kosten einer "fremden" Verkehrsanlage wäre vorteilswidrig und daher unzulässig. Bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes (Verteilungsphase) dient der Anlagenbegriff der vorteilsgerechten Lastenverteilung. Denn am umlagefähigen Aufwand müssen alle diejenigen - aber auch nur diejenigen - beteiligt werden, deren Grundstücken wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Anlage eine qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Anlage eröffnet wird.

8

Diese Maßgaben sind vom Antragsgegner für beide Abrechnungsgebiete nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung verkannt worden.

9

a. Ausweislich des vom Antragsgegner vorgelegten Übersichtsplanes wurden bei der Aufwandsermittlung der Ausbaumaßnahme " G.-Weg" der gesamte G.-Weg als eine Anlage zusammengefasst. Nach dem der Kammer vorliegenden Kartenmaterial und eines Luftbildes (über http://www.gaia-mv.de/gaia/gaia.php) ist zweifelhaft, ob die genannte Verkehrsanlage eine einheitliche Verkehrsanlage im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise bildet.

10

Es ist zweifelhaft, ob es sich bei dem Abzweig vom G.-Weg in Höhe der Flurstücke G8 und G9, der Flur 1, Gemarkung B. in Richtung der Flurstücke G10 und G11, der Flur 3, Gemarkung B. um eine unselbständige Anlage - wie vom Antragsgegner angenommen - handelt. Die Abgrenzung einer unselbständigen von einer selbständigen Anlage richtet sich danach, ob die unselbständige Anlage als "Anhängsel" zu werten ist, dem lediglich die Funktion einer (verlängerten) Zufahrt zukommt. Demnach ist die Unselbständigkeit einer Anlage nur bei Sackgassen/Stichstraßen möglich. Die Unselbständigkeit einer Anlage - und damit ihr Charakter als Zufahrt bzw. Anhängsel - kommt in ihrer (geringen) Länge und in der (geringen ) Anzahl der durch sie erschlossenen Grundstücke zum Ausdruck. Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob eine Verkehrsanlage erschließungsbeitragsrechtlich selbständig oder unselbständig ist, ist dabei der Gesamteindruck, die die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln, wobei besondere Bedeutung der Ausdehnung der Anlage, ihrer Beschaffenheit, der Zahl der durch sie erschlossenen Grundstücke und auch dem Maß der Abhängigkeit zwischen ihr und der Straße, in die sie einmündet, zukommt (vgl. dazu Holz, a.a.O., § 8 Anm. 1.1.3.2. m.w.N). Vorliegend weist der Abzweig von der Gartenstraße bis zur letzten Bebauung eine Länge von ca. 125 bis 130 m auf. Grundsätzlich ist jedoch eine von einer Anbaustraße abzweigende befahrbare Sackgasse dann als selbständig zu qualifizieren, wenn sie länger als 100 m ist (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 16.09.1998 - 8 C 8/97, DVBl. 1999, 395). Allein deshalb ist zweifelhaft, ob es sich um eine unselbständige Anlage handelt. Da es jedoch grundsätzlich auf den Gesamteindruck der Anlage ankommt und für eine Unselbständigkeit der Anlage der Umstand sprechen könnte, dass die Straße nur wenige (Wohn-) Grundstücke erschließt, bleibt die Klärung der Frage, ob eine unselbständige Anlage vorliegt, dem Hauptsachverfahren vorbehalten. In diesem sollte auch geklärt werden, ob es sich - wie das Kartenmaterial vermuten lässt - bei dem Abzweig tatsächlich um eine Stichstraße/Sackgasse handelt.

11

Darüber hinaus kann die Kammer anhand der vorliegenden Unterlagen nicht abschließend feststellen, ob die Anlage " G.-Weg", beginnend von der Abzweigung Landesstraße MST 56 "B.er Allee", bei der Kreuzung G.-Weg/Weg zum Sportplatz endet oder - wie vom Antragsgegner angenommen - rechtwinklig abzweigt und bis zur Wiedereinmündung in die Landesstraße MST 56 führt. Dies bleibt der Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

12

b. Erhebliche Bedenken bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Bildung des Abrechnungsgebietes "Be.-Straße bis zum Abzweig nach R., An der Kirche, F.-Weg bis zum Grundstück Nr. 7 in Friedland, OT B.".

13

Bei der Aufwandsermittlung wurden diese Straßen zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst. Nach Auffassung der Kammer spricht viel dafür, dass - wie auch von dem Antragsgegner erkannt - der F.-Weg und die Be.-Straße/An der Kirche keine einheitliche Verkehrsanlage bilden. Nach Ansicht der Kammer bilden jedoch die Straße "An der Kirche" und die "Be.-Straße" eine einheitliche Anlage im Sinne der natürlichen Betrachtungsweise. Eine Abschnittsbildung bzw. Teilung der Strecke "An der Kirche" und "Be.-Straße" in zwei Anlagen ist jedoch unschädlich.

14

Zweifelhaft ist jedoch, ob die genannten Anlagen zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden können. Nach § 4 Abs. 2 zweiter Hs. SBS können Verkehrsanlagen zu einer Abrechnungseinheit zusammengefasst werden und damit gemeinsam abgerechnet werden. Ein entsprechender Beschluss der Stadtvertretung Friedland liegt vor. Allerdings dürfte die Regelung des § 4 Abs. 2 zweiter Hs. SBS wegen einer fehlenden Rechtsgrundlage unwirksam sein (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 21.12.2006 - 5 TG 2329/06, KStZ 2007, 113; Urt. v. 10.10.1984 - V OE 101/82; a.A.: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 23.04.1997 - 6 M 114/96, S. 3 des Entscheidungsumdrucks; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflg., § 30 Rn. 44 unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urt.v . 18.03.1986 - 9 A 237/82 - bzw. OVG Münster, Beschl. v. 04.02.1985 - 2 B 499/84). Das Kommunalabgabengesetz kennt zwar die Bildung von Abrechnungsabschnitten (vgl. § 8 Abs. 4 KAG M-V), nicht aber eine dem § 130 Abs. 2 Satz 3 Baugesetzbuch (BauGB) entsprechende Bestimmung zur Bildung von Abrechnungseinheiten. Nach Auffassung der Kammer spricht einiges dafür, dass es nicht nur in Ansehung der Bildung von Abrechnungsabschnitten, sondern auch in Ansehung der Bildung von Abrechnungseinheiten einer gesetzgeberischen Entscheidung bedarf. Denn die Bildung einer Abrechnungseinheit führt gegenüber der vom Kommunalabgabengesetz als Regelfall vorgesehenen Einzelabrechnung zu einer Verschiebung der Beitragslasten und ist daher "wesentlich" im Sinne der Wesentlichkeitstheorie. Zum einen können in Ansehung der zusammengefassten Verkehrsanlagen unterschiedliche Baukosten pro Quadratmeter Straßenfläche bestehen. Zum anderen ist zu klären, ob Grundstücke, die an mehrere der zusammengefassten Anlagen angrenzen, bei der Bildung einer Abrechnungseinheit trotz ihres Angrenzens an mehrere Verkehrsanlagen wie im Erschließungsbeitragsrecht (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 2 BauGB) nur einmal berücksichtigt werden sollen. Dies wirkt sich auf die Ermittlung der Anzahl der auf die jeweiligen Grundstücke entfallenden Beitragseinheiten aus. Die Eigentümer der Grundstücke, die an mehrere der zusammengefassten Anlagen angrenzen, werden entlastet, die Eigentümer der übrigen in den Vorteilsausgleich einzubeziehenden Grundstücke werden dagegen belastet.

15

Hiergegen wird allerdings eingewendet, die oben zitierte Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, wonach die Bildung von Abrechnungseinheiten auch ohne ausdrückliche landesgesetzgeberische Ermächtigung zulässig sei, weil § 8 KAG (a.F.) keine gegenteilige Regelung enthalte und im Übrigen der erschließungsbeitragsrechtliche Anlagenbegriff gelte, sei im Gesetzgebungsverfahren zur KAG-Novelle 2005 bekannt gewesen und daher vom Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen worden (Holz, a.a.O., § 8 Anm. 1.1.3.4). Dieser Einwand greift aber möglicherweise zu kurz, denn in der Entscheidung wird lediglich die Frage der Zulässigkeit der Zusammenfassung mehrerer selbständiger Anlagen unter dem Gesichtspunkt eines funktionalen Abhängigkeitsverhältnisses geklärt, während offen bleibt, ob die Bildung von Abrechnungseinheiten nur die Frage der Aufwandsermittlung betrifft oder ob sie sich auch auf die Aufwandsverteilung auswirkt. Damit ist auch offen, welchen Regelungsgehalt der Landesgesetzgeber im Rahmen der KAG-Novelle 2005 in seinen Willen aufgenommen hat. Besonders deutlich wird dieses Problem bei der bereits angesprochenen Frage der Behandlung von Grundstücken, die an mehrere der zusammengefassten Anlagen angrenzen. Die Regelung des § 131 Abs. 1 Satz 2 BauGB ist eine Reaktion des Bundesgesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 131 Abs. 1 BBauG (nunmehr § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB), wonach bei der Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes für zwei einzelne Anbaustraßen eine zweifache Berücksichtigung von so genannten Eckgrundstücken unabhängig davon geboten ist, ob die Gemeinde den Erschließungsaufwand gemäß § 130 Abs. 2 Satz 1 BBauG bzw. BauGB trennt oder gemäß § 130 Abs. 2 Satz 2 BBauG (nunmehr § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB) gemeinsam ermittelt (BVerwG, Urt. v. 09.12.1983 - 8 C 112/82, BVerwGE, 68, 249, <259 ff.>). Der Bundesgesetzgeber hat sich mit Regelung des § 131 Abs. 1 Satz 2 BauGB im Rahmen seiner Zuständigkeit für die zweite Alternative entschieden; eine ausdrückliche Entscheidung des Landesgesetzgebers hierzu liegt nicht vor.

16

Ungeachtet dessen fehlt es vorliegend an der für die Bildung einer Abrechnungseinheit erforderlichen funktionellen Abhängigkeit der selbständigen Erschließungsanlagen. Eine funktionelle Abhängigkeit kann nur angenommen werden, wenn Erschließungsanlagen in einer derartigen Beziehung zueinander stehen, dass eine Anlage ihre Funktion lediglich im Zusammenwirken mit einer bestimmten anderen Anlage in vollem Umfang erfüllen kann, d.h. wenn ausschließlich die letzte Anlage der ersteren die Anbindung an das übrige Straßennetz vermittelt. Dies ist nur denkbar für die Zusammenfassung einer (aufwendigeren) Hauptstraße mit einer (von ihr abzweigenden) selbständigen Sackgasse oder einer Straße mit einer von ihr abzweigenden und wieder einmündenden Ringstraße (vgl. dazu Holz, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Sowohl bei der Be.-Straße als auch bei dem F.-Weg handelt es sich um weiterführende Straßen, wobei die Be.-Straße später in die Landesstraße 282 mündet und der F.-Weg nach R. führt. Dass eine der beiden Straßen ihre Funktion nur mit der jeweils anderen Anlage erfüllen kann, ist nicht erkennbar.

17

Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass an der Rechtmäßigkeit der Abschnittsbildung bzgl. des F.-Weges erhebliche Zweifel bestehen. Voraussetzung für eine Abschnittsbildung ist, dass die Abschnitte gemäß § 8 Abs. 4 KAG M-V selbständig in Anspruch genommen werden können. Eine Teillänge einer Anlage kann nur dann mit der geforderten Selbständigkeit in Anspruch genommen werden, wenn dieses Teilstück sich nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten abgrenzen lässt (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 28.02.2005 - 4 L 233/01). Als örtlich erkennbare Merkmale kommen z.B. Straßeneinmündungen, Plätze, Brücken, Wassereinläufe oder Gleisanlagen in Betracht. Der in dem Beschluss vom 27.05.2009 gebildete Abschnitt "F.-Weg bis zum Grundstück G12 (F.-Weg 7)" genügt diesen Anforderungen wohl nicht, da unklar bleibt, wo genau der Abschnitt endet. Das Flurstück G12 liegt an einer Straßengabelung und wird von zwei Wegen umschlossen. Das Ende des Abschnittes kann daher sowohl an der weiterführenden Straße Richtung R. als auch an der Straße in Richtung des Grundstückes Flurstücke G13 und G14 liegen. Für die Bildung des Abrechnungsgebietes kommt dem letztlich entscheidende Bedeutung zu.

18

c. Offen bleiben kann, ob der Antragsteller durch die Rechtsanwendungsfehler benachteiligt wird. Diese Frage, deren Beantwortung maßgebend davon abhängt, ob sich die Reduzierung des auf die "fremden" Anlagen entfallenden Aufwandes stärker auswirkt als der Wegfall der auf diese Anlagen entfallenden Beitragseinheiten, kann im Rahmen des Eilverfahrens nicht geklärt werden. Allerdings ist auf den summarischen Charakter des Verfahrens hinzuweisen. Es ist nicht die Aufgabe des Eilverfahrens, tatsächliche Fragen wie z.B. den Verlauf und die Abgrenzung unterschiedlicher Verkehrsanlagen abschließend zu klären. Eine gerichtliche Pflicht zur Spruchreifmachung (§§ 86 Abs. 1, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.09.2008 - 9 B 2.08, zit. nach Juris) besteht im Eilverfahren nicht. Die Spruchreifmachung ist einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Fehler bei der Bestimmung der beitragsfähigen Anlage bzw. des Abrechnungsgebietes reicht für die Annahme "ernstlicher Zweifel" aus (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 13.10.2006 - 3 B 1052/06).

19

d. Auf die weiteren zwischen den Beteiligten umstrittenen Fragen kommt es im Rahmen dieses Eilverfahrens nicht mehr an. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass die Vorgehensweise des Antragsgegners hinsichtlich der Zustellung neuer Beitragsbescheide Bedenken unterliegt. Nach dem eigenen Vortrag des Antragsgegners werden neue Bescheide nur den Eigentümern zugestellt, die ihren zum ersten Bescheid eingelegten Widerspruch aufrecht erhalten oder den Beitrag noch nicht bezahlt haben. Bei den Beitragspflichtigen, die den ursprünglichen Straßenbaubeitragsbescheid haben bestandskräftig werden lassen und den Beitrag auch bezahlt haben, wird der Vorgang dagegen als abgeschlossen betrachtet, d.h. es erfolgt keine Heranziehung nach den neu errechneten Beiträgen. Sachliche Gründe für diese Ungleichbehandlung bei der Heranziehung sind derzeit nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Darüber hinaus steht die Entscheidung, wer nach der Neuberechnung des Straßenbaubeitrages heranzuziehen ist, nicht im Ermessen der Behörde. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer handelt es sich bei der Neuberechnung des Straßenbaubeitrages und der anschließenden (Neu-) Festsetzung des Beitrages um einen Fall der Nacherhebung, dem der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegensteht (vgl. ausführlich dazu VG Greifswald, Beschl. v. 13.03.2009 - 3 B 1901/08, n.V.; offen gelassen vom OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 19.11.2007 - 1 L 1/07, S. 4 des Umdrucks). Insbesondere stehen der Nacherhebung die Vorschrift der §§ 172 ff. Abgabenordnung (AO) die über die Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V Anwendung finden, nicht entgegen, weil durch die Nacherhebung der (bestandskräftige) frühere Heranziehungsbescheid nicht im Sinne der genannten Vorschriften aufgehoben bzw. abgeändert, sondern lediglich der Beitragsanspruch voll ausgeschöpft wird (vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/06, § 8 Rn. 26 bis 32 m.w.N.; so auch Dietzel, in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rn. 511). Fraglich ist jedoch, welche Folgen sich daraus für das vorliegende Verfahren ergeben. Grundsätzlich wird im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eine Verböserung (reformatio in peius) als zulässig angesehen. Der Behörde soll damit die Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes ermöglicht werden. Macht die Behörde jedoch durch ihr Handeln - wie vorliegend der Fall - deutlich, dass die Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes offensichtlich nicht im Vordergrund steht, ist fraglich, ob nicht in diesem Einzelfall ausnahmsweise auch eine Verböserung im Widerspruchsverfahren als unzulässig angesehen werden muss. Letztlich bleibt die Klärung dieser Frage dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

20

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerte aus §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei die Höhe der streitigen Abgaben mit Blick auf den vorläufigen Charakter des Eilverfahrens zu vierteln war.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann nach den tatsächlich entstandenen Kosten oder nach Einheitssätzen ermittelt werden. Die Einheitssätze sind nach den in der Gemeinde üblicherweise durchschnittlich aufzuwendenden Kosten vergleichbarer Erschließungsanlagen festzusetzen.

(2) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Abschnitte einer Erschließungsanlage können nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z. B. Grenzen von Bebauungsplangebieten, Umlegungsgebieten, förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) gebildet werden. Für mehrere Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, kann der Erschließungsaufwand insgesamt ermittelt werden.

(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

(1) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann nach den tatsächlich entstandenen Kosten oder nach Einheitssätzen ermittelt werden. Die Einheitssätze sind nach den in der Gemeinde üblicherweise durchschnittlich aufzuwendenden Kosten vergleichbarer Erschließungsanlagen festzusetzen.

(2) Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden. Abschnitte einer Erschließungsanlage können nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z. B. Grenzen von Bebauungsplangebieten, Umlegungsgebieten, förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) gebildet werden. Für mehrere Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, kann der Erschließungsaufwand insgesamt ermittelt werden.

(1) Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand für eine Erschließungsanlage ist auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen. Mehrfach erschlossene Grundstücke sind bei gemeinsamer Aufwandsermittlung in einer Erschließungseinheit (§ 130 Absatz 2 Satz 3) bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nur einmal zu berücksichtigen.

(2) Verteilungsmaßstäbe sind

1.
die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung;
2.
die Grundstücksflächen;
3.
die Grundstücksbreite an der Erschließungsanlage.
Die Verteilungsmaßstäbe können miteinander verbunden werden.

(3) In Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erschlossen werden, sind, wenn eine unterschiedliche bauliche oder sonstige Nutzung zulässig ist, die Maßstäbe nach Absatz 2 in der Weise anzuwenden, dass der Verschiedenheit dieser Nutzung nach Art und Maß entsprochen wird.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 21. November 2007 - 3 A 1562/04 - wird abgelehnt.

Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1 278,38 EURO festgesetzt.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag der Kläger ist - nach Zustellung an ihren Bevollmächtigten am 01. Dezember 2006 - am 24. Dezember 2006 und damit fristgerecht (§ 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) eingegangen. Der Senat geht im Ergebnis auch davon aus, dass die Begründung des Zulassungsantrages fristgerecht beim Oberverwaltungsgericht eingegangen ist (§ 124a Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO). Zwar trägt der auf den 01. Februar 2007 datierte Begründungsschriftsatz den "normalen" Eingangsstempel des Gerichts vom 02. Februar 2007, nicht den Stempel, mit dem Post aus dem Nachtbriefkasten gekennzeichnet wird. Die Kläger haben jedoch durch Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen ihres Prozessbevollmächtigten und einer Zeugin hinreichend glaubhaft gemacht, dass es sich hier um einen Fehler des Gerichts handeln müsse, weil der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz in einem weißen Umschlag noch am 01. Februar 2007 gegen 19.15 Uhr persönlich in den Gerichtsbriefkasten eingeworfen habe; mit dem Inhalt der sehr allgemein gehaltenen Stellungnahme der Wachtmeister des Gerichts vom 14. Februar 2007 kann diese Angabe nicht widerlegt werden, zumal auch der Briefumschlag nicht mehr bei den Gerichtsakten vorhanden ist.

2

Der Zulassungsantrag, mit dem die Kläger ihr Begehren auf Aufhebung eines auf der Grundlage des Erschließungsbeitragsrechts ergangenen Nacherhebungsbescheids weiter verfolgen, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

3

1. Dies gilt zunächst für den zur Begründung des Zulassungsantrages angeführten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4

Der Senat sieht diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift - gegebenenfalls in Verbindung mit einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz - Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne Weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (OVG Greifswald, 02.06.1998 - 1 O 23/98 -, NordÖR 1998, 306; 05.08.1998 - 1 L 74/97 -, NVwZ-RR 1999, 476).

5

Mit seinem gegenüber der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausschließlich erhobenen Einwand, dass hier die Kläger nicht nochmals hätten herangezogen werden dürfen, weil insbesondere die über § 12 Abs. 1 Abs. 1 KAG M-V anwendbare Vorschrift des § 172 AO - es handele sich hier um Verfahrensvorschriften, für deren Erlass die Länderzuständigkeit nach Art. 84 Abs. 1 GG gegeben sei - der Nacherhebung entgegenstehe, berücksichtigt der Zulassungsantrag nicht hinreichend den Wortlaut des § 12 Abs. 1 KAG M-V sowie den Umstand, dass vorliegend Streitgegenstand ein Nacherhebungsbescheid auf dem Gebiet des Erschließungsbeitragsrechts ist.

6

Das Verwaltungsgericht ist insoweit in Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur und in Auseinandersetzung mit gegenteiligen Auffassungen zutreffend zu der Einschätzung gelangt, dass hier der allgemeine Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung der Nacherhebung deswegen nicht entgegen steht, weil § 127 Abs. 1 BauGB den Gemeinden eine Beitragserhebungspflicht auferlegt, die verlange, den Beitragsanspruch in vollem Umfang auszuschöpfen und deswegen gegebenenfalls auch fehlerhafte Berechnungen zu korrigieren und Differenzen nachzufordern, jedenfalls soweit nicht Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stünden nicht entgegen; insbesondere § 172 AO greife - was im Einzelnen dargelegt ist - nicht. Hier kann zunächst zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen werden, denen der Senat folgt (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

7

Entgegen der im Zulassungsantrag formulierten Auffassung hat der Gesetzgeber in M-V nämlich keine "vorbehaltlose Anordnung der entsprechenden Anwendung der AO" getroffen. Zum einen liegt schon in dem Begriff der "entsprechenden" Anwendung eine Einschränkung; diese erfordert bei jeder Einzelnorm der Abgabenordnung die Prüfung ihrer Zielsetzung und der Vergleichbarkeit der Anwendungsbereiche (siehe auch Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 12 Anm. 1.2). Daher kann allein aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern im Unterschied zu einigen anderen Bundesländern nicht bestimmte Regelungen der Abgabenordnung ausdrücklich für unanwendbar erklärt hat, nicht umgekehrt geschlossen werden, sie seien grundsätzlich anwendbar.

8

Zum anderen blendet der Zulassungsantrag aus, dass § 12 Abs. 1, letzter HS KAG M-V die entsprechende Anwendung ohnehin nur insoweit anordnet, als "nicht dieses Gesetz oder andere Gesetze besondere Vorschriften enthalten". Eine solche spezielle Reglung bildet jedenfalls für das Erschließungsbeitragsrecht § 127 Abs. 1 BauGB; danach sind die Gemeinden verpflichtet, einen entstandenen Beitragsanspruch bis zu dessen Erlöschen in voller Höhe auszuschöpfen. Dies schließt die Befugnis der Länder aus, die Zulässigkeit der (Nach-)Erhebung eines bisher nicht geltend gemachten Teils eines noch bestehenden Erschließungsbeitragsanspruchs von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen (vgl. BVerwG, 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938; 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163). Damit ist ein Nacherhebungsbescheid im Bereich des Erschließungsbeitragsrechts nicht an den Vorschriften der §§ 172 ff AO zu messen. Entgegen der Auffassung der Kläger steht somit ein bestandskräftiger Erschließungsbeitragsbescheid, durch den der gemeindliche Anspruch auf Erschließungsbeiträge nicht in vollem Umfang ausgeschöpft worden ist, dem Erlass eines (weiteren) Erschließungsbeitragsbescheides grundsätzlich nicht entgegen.

9

An dieser Bewertung ändert auch der Umstand nichts, dass das Erschließungsbeitragsrecht seit der Änderung des Grundgesetzes durch Gesetz vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3146) in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder übergegangen ist, wie der einschränkende Zusatz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG deutlich macht; denn nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG gilt "Recht, das als Bundesrecht erlassen worden ist, aber wegen der Änderung des Art. 74 Abs. 1,... nicht mehr als Bundesrecht erlassen werden könnte, als Bundesrecht fort". Da das Land Mecklenburg-Vorpommern bisher von der Ermächtigung zur eigenständigen Regelung des Erschließungsbeitragsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, gilt weiterhin der Vorrang des Bundesrechts.

10

Offen bleiben kann vorliegend nach alledem, ob die Frage der Nacherhebung für originäre Beiträge nach den landesrechtlichen Kommunalabgabengesetzen anders zu beantworten ist (vgl. hierzu ausführlich die Darstellung bei Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O. Anm. 50.2 ff.). Der Senat hat - soweit er bisher mit dieser Frage befasst war - in Zusammenhang mit der Erhebung von Schmutzwasserbeiträgen - also kommunalen Abgaben, die ausschließlich auf Landesrecht beruhen - z. B. erwogen, aus einer Gesamtschau der Regelungen des § 172 Abs. 1 AO im Bereich des kommunalen Abgabenrechts eine im Ermessen der erhebenden Behörde stehende Kompetenz zu bejahen, Abgabenbescheide zu ändern, ebenso wie dies bundesrechtlich für Verbrauchsteuern geregelt ist (vgl. OVG Greifswald, 28.11.2005 - 1 M 140/05 -, juris), also eine begrenzte Analogie gezogen.

11

2. Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, dass die Sache keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufweist, denn ihre Beantwortung ist höchstrichterlich geklärt und ergibt sich - jedenfalls für den Bereich des Erschließungsbeitragsrechts - ohne Weiteres aus dem Gesetz; der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es somit nicht. Eine konkrete Rechtsfrage, die trotz der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Rechtsprechung und Literatur noch als offen zu betrachten wäre, hat der Zulassungsantrag nicht formuliert.

12

3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO; da der Zulassungsantrag erfolglos geblieben ist, haben die Kläger die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

13

Die Festsetzung des Streitwertes für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 52 Abs. 3, 47 GKG.

14

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

15

Hinweis:

16

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.