Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 23. Sept. 2016 - 12 K 7819/16.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
3Der nach eigenem Vorbringen am 00.00.1990 in N. /Irak geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger islamischer Religionszugehörigkeit und kurdischer Volkszugehörigkeit.
4Er reiste nach eigenen Angaben am 11. April 2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 14. April 2016 einen Asylantrag.
5Das Bundesamt stellte aufgrund eines Eurodac-Treffers fest, dass der Kläger bereits in Bulgarien einen Asylantrag gestellt hatte. Es richtete daraufhin am 19. Mai 2016 ein Wiederaufnahmegesuch an die bulgarischen Behörden, das nicht beantwortet wurde.
6Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 10. Juni 2016 den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab, ordnete seine Abschiebung nach Bulgarien an und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung. Der Bescheid wurde dem Kläger am 28. Juni 2016 zugestellt.
7Der Kläger hat am 1. Juli 2016 die vorliegende Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (12 L 2272/16.A). Das Gericht hat den Antrag mit Beschluss vom 18. August 2016 abgelehnt.
8Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
9den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. Juni 2016 aufzuheben.
10Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
11Der Kläger hat auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Die Beklagte hat durch allgemeine Prozesserklärung auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakte 12 L 2272/16.A und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Ausländerbehörde der Stadt Mönchengladbach Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Das Gericht kann durch den Einzelrichter entscheiden, nachdem ihm das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 19. August 2016 zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 76 Abs. 1 AsylG). Die Entscheidung kann im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 101 Abs. 2 VwGO).
15Die Klage hat keinen Erfolg.
16Die Klage ist zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Variante VwGO statthaft.
17Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 C 32/14 –, juris, Rn. 13; OVG NRW, Urteil vom 16. September 2015 – 13 A 2159/14.A –, juris, Rn. 18f.
18Sie wurde auch fristgerecht erhoben. Es gilt die Klagefrist von einer Woche gemäß § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG. Diese wurde gewahrt, denn gegen den Bescheid vom 10. Juni 2016, ihm zugestellt am 28. Juni 2016, hat der Kläger am 1. Juli 2016 Klage erhoben.
19Die Klage ist jedoch unbegründet.
20Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 10. Juni 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG stellt das Gericht in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ab. Nach diesen Vorgaben ist das Asylgesetz in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I 2016, Seite 1939) anzuwenden.
22Nach dieser Maßgabe hat das Bundesamt den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27a AsylG a.F. (nunmehr: § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a AsylG) als unzulässig abgelehnt, auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG die Abschiebung des Klägers nach Bulgarien angeordnet und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
23Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31), für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung (Dublin III-Verordnung) wird der Antrag auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG).
24Bulgarien ist nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-Verordnung vorliegend zuständig. Dies folgt aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-Verordnung. Nach diesen Vorschriften ist für die Prüfung der Mitgliedstaat zuständig, dessen Grenze der Kläger aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat bzw. ‑ wenn sich dieser Mitgliedstaat nicht feststellen lässt – der erste Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde. Der Kläger hat in Bulgarien einen Asylantrag gestellt. Dies ergibt sich aus dem Ergebnis der Abfrage der Eurodac-Datenbank durch die Beklagte (Eurodac-Treffer: BG1BR105C1603170003).
25Bulgarien ist nach Art. 25 Abs. 2 Dublin III-Verordnung verpflichtet, den Kläger wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für dessen Ankunft zu treffen. Nach dieser Vorschrift ist davon auszugehen, dass einem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, wenn innerhalb der aufgrund des Eurodac-Treffers nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-Verordnung maßgeblichen Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt wird. Diese Voraussetzungen liegen vor. Bulgarien hat auf das Wiederaufnahmegesuch der Beklagten nach Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art 18 Abs. 1 Buchstabe b Dublin III-Verordnung nicht geantwortet.
26Ferner ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-Verordnung wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen. Nach dieser Vorschrift gilt: Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Denn die Frist wird bei einem rechtzeitigen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG) erneut in Lauf gesetzt, auch wenn das Verwaltungsgericht diesen Antrag ablehnt.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 2016 – 1 C 15/15 –, juris, Rn. 11.
28Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabsätze 2 und 3 Dublin III-Verordnung.
29Es liegen keine Voraussetzungen vor, unter denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Durchbrechung des den Bestimmungen der Dublin III-Verordnung zugrunde liegenden Systems des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gerechtfertigt wäre. Dies setzte voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Bulgarien aufgrund größerer Funktionsstörungen regelmäßig so defizitär wären, dass dem Kläger im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh, Art. 3 EMRK drohte (systemische Mängel).
30Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 – Rs. C-394/12 (Abdullahi) –, juris, Rn. 60, vom 14. November 2013 – C-4/11 (Puid) –, juris, Rn. 33ff., und vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 (N.S. u.a.) –, juris, Rn. 96; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6/14 –, juris, Rn. 9.
31Hiervon ausgehend fehlt es auf der Grundlage aktueller in das Verfahren eingeführter Erkenntnisse an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Bulgarien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr begründen, dass ein nicht ernsthaft erkrankter, alleinstehender Asylbewerber – wie hier der Kläger – im Falle seiner Überstellung nach Bulgarien unmenschlicher Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh, Art. 3 EMRK ausgesetzt würde.
32Ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. März 2016 – 3 L 47/16 –, juris, Rn. 30ff.; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 18. März 2015 – A 11 S 2042/14 –, juris, Rn. 57, und vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, juris, Rn. 42ff.; Bayerischer VGH, Urteil vom 29. Januar 2015 – 13a B 14.50039 –, juris, Rn. 29; VG München, Beschlüsse vom 18. Juli 2016 – M 12 S 16.50475 –, juris, Rn. 30, vom 13. Juli 2016 – M 1 S 16.50366 –, juris, Rn. 15, sowie Urteile vom 25. August 2016 – M 12 K 16.50117 –, juris, und vom 10. Mai 2016 – M 12 K 16.50110 –, juris, Rn. 34ff.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juni 2016 – 22 L 1913/16.A –, juris, Rn. 24ff.; VG Köln, Beschluss vom 29. April 2016 – 2 L 917/16.A –, juris, Rn. 29; VG Regensburg, Beschluss vom 23. Februar 2016 – RN 1 S 16.50036 –, juris, Rn. 21ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016 – 2a K 3697/15.A –, juris, Rn. 38.
33Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es auch weiterhin punktuelle Defizite geben mag, wie sich etwa aus den angeführten Fallbeispielen im Bericht von Pro Asyl aus April 2015 ersehen lässt.
34Vgl. Flüchtlinge in Bulgarien: Misshandelt, erniedrigt, schutzlos, abrufbar unter https://www.proasyl.de/news/pro-asyl-bericht-schwere-misshandlungen-von-fluechtlingen-in-Bulgarien/.
35Punktuelle Defizite vermögen aber im Gegensatz zu systemischen Mängeln keine Ausnahmen von dem der Dublin III-Verordnung zugrunde liegenden System des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu begründen.
36Das bulgarische Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer weist keine systemischen Mängel auf. Dublin-Rückkehrer besitzen zum Zeitpunkt ihrer Ankunft in Bulgarien den Status von Asylsuchenden. Denn das Asylverfahren wird bereits vor der Rückführung der Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien wieder aufgenommen und nach Maßgabe der bulgarischen Asylgesetze fortgeführt. Dublin-Rückkehrern wird in der Praxis regelmäßig ein Anhörungsrecht gewährt. Sie haben nach bulgarischem Recht einen Anspruch auf Ausstellung einer Registrierungskarte, mit der sie ihren Status als Asylsuchende nachweisen können. Dublin-Rückkehrer gelten nicht als illegale Immigranten und werden nicht zum Zweck der Abschiebung inhaftiert. Der Zugang zu den bulgarischen Gerichten ist eröffnet.
37Vgl. Rechtsgutachten von Frau Dr. W. J. zum Rechtsstatus der Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien vom 30. Juni 2016 für das VG Aachen, Seite 6ff.
38Soweit ein Risiko für Dublin-Rückkehrer angenommen wird, ohne sachliche Prüfung ihres Asylbegehrens als Folgeantragsteller behandelt zu werden und in eine Hafteinrichtung zu gelangen, wo sie unter Umständen mit unzureichenden Versorgungsbedingungen konfrontiert wären, ist dies auf die Situation, in der sich der Kläger befindet, nicht übertragbar. Denn diese Gefahr besteht allenfalls für diejenigen Dublin-Rückkehrer, deren Asylgesuch in Abwesenheit abgelehnt wurde.
39Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Juni 2016 – 22 L 1913/16.A –, juris, Rn. 30, m.w.N.
40Es deutet nichts darauf hin, dass das Asylverfahren des Klägers in Bulgarien bereits negativ abgeschlossen ist.
41Etwas anderes ergibt sich auch nicht für den Fall, dass das Asylverfahren des Klägers aufgrund seiner Ausreise aus Bulgarien ausgesetzt oder sogar (ohne Sachentscheidung) beendet worden wäre und ihm die bulgarischen Behörden deshalb die Rechte von Antragstellern im Asylverfahren (z.B. auf Unterkunft, Gesundheitsversorgung und finanzielle Unterstützung) nicht in vollem Umfang zuerkennen würden. Denn es ist dem Kläger zumutbar, sein Recht auf Fortsetzung des Asylverfahrens oder ggf. die Einleitung eines Folgeverfahrens und seine daraus folgenden Rechte in Bulgarien notfalls mithilfe eines bulgarischen Rechtsbeistandes vor den dortigen Gerichten durchzusetzen. Entsprechende Rechte des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens sehen Art. 18 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-Verordnung sowie das bulgarische Recht vor.
42Vgl. Rechtsgutachten von Frau Dr. W. J. zum Rechtsstatus der Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien vom 30. Juni 2016 für das VG Aachen, Seite 5.
43Die Aufnahmebedingungen für Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien begründen ebenfalls keine systemischen Mängel. Nach nationalem bulgarischem Recht besteht ein uneingeschränkter Anspruch auf sämtliche Aufnahmeleistungen einschließlich Unterkunft für Dublin-Rückkehrer, bezüglich derer Bulgarien sich zur Prüfung ihres Asylantrages verpflichtet hat. Dublin-Rückkehrer, deren Asylverfahren noch anhängig ist, werden nach Empfangnahme durch die bulgarische Grenzpolizei einer Aufnahmeeinrichtung der staatlichen Flüchtlingsbehörde überstellt.
44Vgl. Rechtsgutachten von Frau Dr. W. J. zum Rechtsstatus der Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien vom 30. Juni 2016 für das VG Aachen, Seite 1f.
45Die Kapazitäten in diesen Aufnahmeeinrichtungen reichen auch aus, um alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden aufzunehmen. Mit Stand vom 24. Dezember 2015 befanden sich laut UNHCR 612 Flüchtlinge in sechs Zentren, die insgesamt eine Kapazität von 5.130 Plätzen aufweisen. Die Situation in den Aufnahmezentren hat sich in letzter Zeit immer weiter verbessert und ist heute als akzeptabel zu bewerten. Die EU hat beträchtliche zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um umfassende Renovierungsarbeiten in allen Flüchtlingszentren zu Ende zu bringen. Die Öffnung weiterer Flüchtlingszentren ist geplant
46Vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 27. Januar 2016, Seite 3f.
47Vor diesem Hintergrund fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass dem Kläger im Falle seiner Rücküberstellung nach Bulgarien die Aufnahme in einer Asylbewerberunterkunft tatsächlich verweigert würde.
48Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Bescheides Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG analog).
49Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG bestehen ebenfalls keine Bedenken. Es sind keine Anhaltspunkte für innerstaatliche oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorgetragen oder sonst ersichtlich.
50Ebenso bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie die Länge der Frist. Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Dieses Ermessen hat die Beklagte erkannt und ohne ersichtliche Ermessensfehler ausgeübt.
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
52Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit und der Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 Satz 1 ZPO.
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Urteil einreichenVerwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 23. Sept. 2016 - 12 K 7819/16.A zitiert oder wird zitiert von 17 Urteil(en).
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
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dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.
(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Tatbestand
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Die Kläger, eine Mutter und ihr Sohn, sind pakistanische Staatsangehörige und gehören der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya an. Sie wenden sich gegen einen Bescheid der Beklagten, durch den ihre Asylanträge als unzulässig abgelehnt werden und ihre Abschiebung nach Spanien angeordnet wird.
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Die Kläger reisten gemeinsam mit zwei weiteren Kindern der Klägerin zu 1 (BVerwG 1 C 33.14 und 1 C 34.14) Anfang Januar 2013 nach Deutschland ein und stellten hier am 14. Januar 2013 Asylanträge. Dabei gaben alle vier Familienmitglieder an, aus religiösen Gründen in Pakistan verfolgt zu werden. Ein noch im gleichen Monat durchgeführter Abgleich der Fingerabdrücke mit Daten aus Eurodac ergab, dass zwar nicht die Klägerin zu 1, wohl aber ihre drei Kinder bereits in Spanien Asylanträge gestellt hatten.
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Im Mai 2013 wurde die Tochter (BVerwG 1 C 33.14) durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) persönlich angehört. Dabei gab sie - ohne ausdrücklich auch die Klägerin zu 1 einzubeziehen - an, bereits in Spanien einen Asylantrag gestellt zu haben. Sie alle hätten sich im November 2012 für drei oder vier Tage in Spanien aufgehalten und seien dort am Flughafen kontrolliert worden. Es sei kein Dolmetscher zugegen gewesen, und am Ende hätten sie etwas unterschreiben müssen. Sie wisse nicht, was sie unterschrieben habe, aber sie denke, es sei ein Asylantrag gewesen. Ihr eigentliches Ziel sei bereits damals Deutschland gewesen. Von Spanien aus seien sie zunächst nach Pakistan zurückgekehrt. Im Januar 2013 seien sie dann mit dem Flugzeug von Islamabad kommend nach Frankfurt a.M. geflogen. Ein Flugticket habe sie nicht mehr.
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Am 4. Dezember 2013 richtete die Beklagte unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO hinsichtlich sämtlicher vier Familienmitglieder Wiederaufnahmeersuchen an Spanien. Dabei gab sie an, dass es für die Klägerin zu 1 keinen Eurodac-Treffer gebe, diese aber gemeinsam mit ihrem Sohn gereist sei, der nach den aus Eurodac gewonnenen Daten am 1. Dezember 2012 in Malaga einen Asylantrag gestellt habe. Die Tochter (BVerwG 1 C 33.14) habe ebenfalls am 1. Dezember 2012 in Malaga einen Asylantrag gestellt, der älteste Sohn (BVerwG 1 C 34.14) am 3. Dezember 2012. Das spanische Innenministerium teilte mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 (BVerwG 1 C 33.14) und 19. Dezember 2013 (BVerwG 1 C 32.14 und 1 C 34.14), gleichfalls unter Bezugnahme auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO, mit, dass es die Wiederaufnahme sämtlicher vier Familienmitglieder akzeptiere.
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Mit Bescheid vom 29. Januar 2014 stellte die Beklagte fest, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig sind (Ziffer 1) und ordnete deren Abschiebung nach Spanien an (Ziffer 2). Die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG (jetzt: AsylG) unzulässig, da Spanien aufgrund der dort gestellten Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.
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Mit Beschluss vom 7. März 2014 ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klagen gegen die Abschiebungsanordnung an. Mit Urteil vom 22. April 2014 hat es den Bescheid der Beklagten aufgehoben. Die Ablehnung der Asylanträge als unzulässig und die Anordnung der Abschiebung der Kläger seien rechtswidrig. Denn Deutschland sei gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig, weil es die Wiederaufnahmegesuche an Spanien nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten gestellt habe. Hier habe bereits am 16. Januar 2013 aufgrund des Datenabgleichs mit Eurodac ein Hinweis für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der EU vorgelegen. Darüber hinaus habe die Tochter bei ihrer Anhörung auf einen Aufenthalt in Spanien und einen dort wahrscheinlich gestellten Asylantrag hingewiesen. Trotz dieser eindeutigen Hinweise habe die Beklagte erst am 4. Dezember 2013 Wiederaufnahmegesuche an Spanien gerichtet. Die in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO enthaltene Fristenregelung finde nicht nur in Verfahren auf Aufnahme eines Asylbewerbers Anwendung, sondern auch in Verfahren auf Wiederaufnahme.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss nach § 130a VwGO vom 25. August 2014 das Urteil des Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Deutschland sei nicht in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig geworden. Zur Anwendung komme allein das Verfahren zur Wiederaufnahme nach Art. 20 Dublin II-VO, weil die Kläger vor ihrer Einreise nach Deutschland in Spanien um Asyl nachgesucht hätten. Art. 20 der Dublin II-VO enthalte keine dem Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO entsprechende Fristbestimmung. Insoweit sei auch keine Regelungslücke zu erkennen, die durch eine analoge Heranziehung der Fristbestimmungen zur Aufnahme zu schließen wäre. Unabhängig davon könnten sich die Kläger auch nicht auf die Einhaltung der Zuständigkeits- und Fristenregelungen der Dublin II-VO berufen, denn sie dienten allein einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaates.
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Die Kläger wenden sich mit ihrer Revision gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zur Unzuständigkeit Deutschlands wie zur Abschiebungsanordnung. Das Verwaltungsgericht habe mit Recht die Fristenregelung für die Aufnahme auf das Verfahren der Wiederaufnahme übertragen, weil insoweit eine Regelungslücke vorliege. Damit sei Deutschland für die Behandlung der Asylanträge zuständig geworden. Andernfalls würden die Mitgliedstaaten für das Wiederaufnahmeverfahren keiner Fristbestimmung unterliegen. Dies würde der generellen Zielsetzung des Dublin-Regelwerks zuwiderlaufen, eine Beschleunigung der Asylverfahren zu erreichen. Es spreche zudem vieles dafür, dass die Kläger auch in ihren Grundrechten aus Art. 41 der GRC und Art. 6 Abs. 1 EMRK verletzt seien. Insoweit sei zu klären, ob sich ein Asylantragsteller in einem solchen Fall auf die Fristbestimmungen des Dublin-Regelungswerks berufen könne. Des Weiteren habe das Berufungsgericht verkannt, dass die gesetzliche Regelung des § 34a AsylG gegen Unionsrecht verstoße. Die Dublin II-VO sehe bei Unzuständigkeit eines Mitgliedstaates eine "Überstellung" vor. Damit habe das Unionsrecht eine neue Form der Aufenthaltsbeendigung geschaffen, die hinter der Abschiebung im Sinne des deutschen Ausländer- und Asylrechts zurückbleibe. Sowohl die Dublin II-VO als auch das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verböten, eine Überstellung eines Asylbewerbers mit dem Zwangsmittel einer Abschiebung durchzuführen.
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Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.
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Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren nicht beteiligt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Kläger ist unbegründet. Der Beschluss des Berufungsgerichts steht im Einklang mit revisiblem Recht. Die erhobene Anfechtungsklage ist statthaft (1.). Die Entscheidung der Beklagten, die Asylanträge als unzulässig abzulehnen, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (2.). Die angefochtene Abschiebungsanordnung erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylG (3.).
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798) und das Aufenthaltsgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), beide Gesetze zuletzt geändert durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722). Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylverfahrensrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie im vorliegenden Fall in Bezug auf die maßgebliche Dublin-Verordnung - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.
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1. Die Vorinstanzen haben mit Recht die Anfechtungsklage als die allein statthafte Klageart angesehen, wenn es - wie hier - um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach den unionsrechtlichen Regelungen der Dublin II-Verordnung geht (Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist - ABl. L 50 S. 1).
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Der Erhebung einer auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO steht entgegen, dass die Dublin II-Verordnung - Dublin II-VO - ein von der materiellen Prüfung eines Asylantrags gesondertes behördliches Verfahren für die Bestimmung des hierfür zuständigen Staats vorsieht (Art. 2 Buchst. e). Die Trennung der Verfahren zur Zuständigkeitsbestimmung und zur materiellen Prüfung des Asylbegehrens darf nicht dadurch umgangen werden, dass das Verwaltungsgericht im Fall der Aufhebung der Zuständigkeitsentscheidung sogleich über die Begründetheit des Asylantrags entscheidet (so auch VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 - juris Rn. 18). Vielmehr fordert das Dublin-Regelungswerk, dass im Fall einer vom Gericht für fehlerhaft erachteten Verpflichtung eines anderen Staats die für das Dublin-Verfahren zuständige Behörde - hier das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - die Möglichkeit erhält, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, um die Aufnahme oder Wiederaufnahme des Asylantragstellers zu ersuchen (vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a. [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. u.a. - Rn. 96 und vom 14. November 2013 - C-4/11 [ECLI:EU:C:2013:740], Puid - Rn. 33). Die Stellung eines solchen Ersuchens, das den Lauf von zuständigkeitsbegründenden Fristen auslöst, ist eine dem Bundesamt zugewiesene Aufgabe, die das Gericht im Fall des Durchentscheidens nicht erfüllen könnte (zur Notwendigkeit der Sicherung der dem Bundesamt zugewiesenen Steuerungsfunktion im Fall der gerichtlichen Überprüfung einer Einstellungsentscheidung nach §§ 32, 33 AsylG vgl. schon BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12).
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Das Bundesamt hat in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids auch eine rechtsgestaltende Regelung über die Zulässigkeit der beiden Asylanträge nach § 27a AsylG getroffen, deren Aufhebung mit der Anfechtungsklage begehrt werden kann. Ungeachtet der gewählten Formulierung des Bundesamts ("Die Asylanträge sind unzulässig") liegt nicht lediglich eine Feststellung vor, sondern eine rechtsgestaltende Entscheidung über die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig, wie das § 31 Abs. 6 AsylG verlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - juris Rn. 12). Auch für die Aufhebung der in Ziffer 2 des Bescheids getroffenen Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart.
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2. Die Entscheidung der Beklagten, die Asylanträge als unzulässig abzulehnen, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Dabei kann offenbleiben, ob die Beklagte bei Stellung ihres Ersuchens an Spanien in Bezug auf die Klägerin zu 1 die Frist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO zu beachten hatte und im Falle einer durch Fristversäumnis begründeten Zuständigkeit Spaniens für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zu 1 sich diese Zuständigkeit auch auf den Kläger zu 2 als mit der Klägerin zu 1 eingereistes minderjähriges Kind erstreckte (Art. 4 Abs. 3 Dublin II-VO). Denn auf eine etwaige Nichtbeachtung von Fristen für die Aufnahme oder Wiederaufnahme können sich die Kläger nicht berufen, weil die Fristenregelung für sie keine subjektiven Rechte begründet.
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a) Zwar ist der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgegangen, dass die Drei-Monats-Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO nur für Aufnahmegesuche gilt, nicht hingegen für Gesuche auf Wiederaufnahme von Asylantragstellern. Der Senat hat bereits entschieden, dass das Fehlen einer Fristvorgabe für die Stellung eines Wiederaufnahmeersuchens in der Dublin II-VO keine Regelungslücke darstellt, die durch eine analoge Anwendung von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO zu schließen wäre (BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 - juris Rn. 13; vgl. auch Beschluss vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 - juris Rn. 5). Es fehlt aber an hinreichenden tatrichterlichen Feststellungen, dass auch die Klägerin zu 1 - wie ihre Kinder - in Spanien einen Asylantrag gestellt hat und deshalb auch auf sie das Verfahren der Wiederaufnahme nach Art. 20 Dublin II-VO Anwendung findet. Hätte die Klägerin zu 1 in Spanien keinen Asylantrag gestellt, fänden auf sie die Dublin-Regeln über die Aufnahme Anwendung und die Beklagte hätte mit der Unterbreitung des Gesuchs an Spanien mehr als zehn Monate nach der Asylantragstellung die Drei-Monats-Frist des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO verstreichen lassen. Damit wäre Deutschland für die Prüfung des Asylantrags zuständig.
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b) Die Frage, ob die Klägerin zu 1 in Spanien einen Asylantrag gestellt hat, erweist sich jedoch nicht als entscheidungserheblich. Denn auf eine etwaige Nichtbeachtung der in diesem Fall zu beachtenden Drei-Monats-Frist für die Aufnahme nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO können sich die Kläger nicht berufen, weil die Fristenregelung für sie keine subjektiven Rechte begründet.
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Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil in der Rechtssache "Abdullahi" entschieden, dass in einer Situation wie der vorliegenden, in der der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme des Asylbewerbers zugestimmt hat, der Betroffene der Entscheidung, den Asylantrag nicht zu prüfen und den Asylbewerber in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen, nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GRC ausgesetzt zu werden (EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 [ECLI:EU:C:2013:813], Abdullahi - Rn. 60). Derartige systemische Mängel sind im vorliegenden Verfahren für Spanien weder gerichtlich festgestellt noch von den Verfahrensbeteiligten vorgetragen worden. In diesem Fall kann sich ein Asylbewerber nicht auf einen Fristablauf berufen, weil die Fristbestimmungen des Dublin-Regimes für die (Wieder-)Aufnahme lediglich als zwischen den Mitgliedstaaten wirkende Organisationsvorschriften anzusehen sind. Sie dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats, ohne dem Antragsteller dadurch einen Anspruch auf Prüfung des Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat zu gewährleisten (so auch Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: März 2015, § 27a AsylVfG Rn. 65; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: November 2014, § 27a AsylVfG Rn. 196.1.; Bergmann, ZAR 2015, 81 <84>). Ein erneuter Klärungsbedarf dieser Frage ergibt sich insoweit auch nicht aus zwei anhängigen Vorlageverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union, da sich diese nicht auf die Auslegung der hier maßgeblichen Dublin II-VO beziehen, sondern auf die Frage, ob die Rechtslage bei Anwendung der Dublin III-VO anders zu beurteilen ist (Vorlage der Rechtbank Den Haag/Niederlande vom 12. Februar 2015 - C-63/15 - Ghezelbash und Vorlage des Kammarrätten i Stockholm/Schweden vom 1. April 2015 - C-155/15 - Karim).
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Unter welchen Voraussetzungen im Fall einer überlangen Verfahrensdauer eine Pflicht zum Selbsteintritt des ersuchenden Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO besteht (vgl. dazu EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 u.a. - Rn. 108 und vom 14. November 2013 - C-4/11 - Rn. 35), braucht nicht entschieden werden. Denn eine Verfahrensdauer von etwas mehr als elf Monaten von der Asylantragstellung bis zur Erteilung der Zustimmung zur Wiederaufnahme weist jedenfalls keine solche Überlänge auf.
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c) Die Kläger können auch aus dem Recht auf eine gute Verwaltung gemäß Art. 41 Abs. 1 der GRC keinen Anspruch auf Behandlung ihrer Asylanträge durch Deutschland ableiten. Denn in der Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass sich dieses Recht nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich an die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union richtet und nicht an die Mitgliedstaaten, selbst wenn diese Unionsrecht anwenden (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida - Rn. 32 m.w.N.).
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d) Schließlich ergibt sich für die Kläger im Fall einer etwaigen Fristverletzung bei der Stellung eines Aufnahmegesuchs an Spanien auch aus Art. 6 Abs. 1 EMRK kein Anspruch auf Behandlung ihrer Asylanträge durch die Bundesrepublik Deutschland. Art. 6 Abs. 1 EMRK bezieht sich schon seinem Schutzbereich nach nicht auf das Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt, sondern enthält lediglich Verfahrensgarantien für Gerichtsverfahren und im Übrigen auch nur für solche Gerichtsverfahren, die zivilrechtliche Ansprüche oder strafrechtliche Anklagen betreffen. Hierzu gehören Streitigkeiten über Einreise, Aufenthalt und Ausweisung von Ausländern nicht (EGMR, Urteil vom 17. Mai 2011 - Nr. 43408/08, Izevbekhai u.a./Irland - NVwZ 2012, 686 Rn. 83; Entscheidung vom 24. März 2015 - Nr. 37074/13, Kerkez/Deutschland - EuGRZ 2015, 464 Rn. 40).
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3. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids zutreffend als rechtmäßig angesehen. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylG. Diese Vorschrift ist mit den unionsrechtlichen Bestimmungen des Dublin-Regelungswerks vereinbar, wie der Senat in seinem Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 26.14 - näher ausgeführt hat. Auf die Gründe dieses Urteils wird verwiesen.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
Tatbestand
- 1
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Der Kläger, ein guineischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig und die Anordnung seiner Abschiebung nach Spanien.
- 2
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Der Kläger reiste nach eigenen Angaben Anfang Oktober 2012 von Marokko aus (über Melilla) nach Spanien und wurde dort am 25. Oktober 2012 erkennungsdienstlich behandelt. Am 14. Januar 2013 beantragte er unter einem Aliasnamen in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - lehnte diesen Asylantrag durch Bescheid vom 13. März 2013 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Spanien an; die Überstellung erfolgte am 10. April 2013.
- 3
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Am 3. Juni 2013 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 7. Juni 2013 - nunmehr unter einem anderen Namen - erneut Asyl. Ein Eurodac-Abgleich vom 27. August 2013 ergab, dass der Kläger bereits in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden war. Auf ein entsprechendes Ersuchen des Bundesamtes anerkannten die spanischen Behörden mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages und erklärten ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers. Daraufhin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 4. Oktober 2013 den Asylantrag wegen anderweitiger internationaler Zuständigkeit als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Ziffer 2).
- 4
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Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 7. Januar 2014 einen Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zunächst ab und ordnete dann nach § 80 Abs. 7 VwGO mit Beschluss vom 24. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage an, weil zwischenzeitlich die sechsmonatige Überstellungsfrist abgelaufen sei. Das Verwaltungsgericht wies mit Urteil vom 12. September 2014 die Klage ab, weil nach der Dublin II-Verordnung weiterhin Spanien für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei.
- 5
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Das Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2014 die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet und in der Hauptsache mit Urteil vom 16. September 2015 den Bescheid des Bundesamtes aufgehoben. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass nach der hier anzuwendenden Dublin II-Verordnung zwar zunächst Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig gewesen sei. Diese Zuständigkeit sei aber inzwischen auf Deutschland übergegangen, weil der Kläger nicht innerhalb von sechs Monaten nach Spanien überstellt worden sei. Diese Frist habe mit der Annahme des Wiederaufnahmeersuchens durch Spanien im September 2013 begonnen und sei während des gerichtlichen Verfahrens nicht wieder neu eröffnet worden. Der rechtswidrige Bescheid bewirke auch eine Rechtsverletzung des Klägers. Dabei könne offenbleiben, ob und in welchem Umfang die Dublin-Regelungen Individualschutz entfalteten. Eine Verletzung subjektiver Rechte ergebe sich jedenfalls aus dem materiellen Recht, da der Kläger ansonsten seinen Anspruch auf die ihm durch Unionsrecht garantierte Überprüfung seines Begehrens durch einen Mitgliedstaat nicht wirksam durchsetzen könne. Zwar sei im Einzelfall denkbar, dass ein Mitgliedstaat nach Ablauf der Überstellungsfrist weiterhin zur Wiederaufnahme bereit sei; für den Regelfall könne hiervon aber nicht ausgegangen werden. In Ermangelung jeglichen Hinweises auf eine fortbestehende Aufnahmebereitschaft Spaniens sei hier von einer Rechtsverletzung des Klägers auszugehen. Die Unzulässigkeitsentscheidung könne auch nicht in eine andere rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.
- 6
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Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, dass bereits die Überstellungsfrist nicht abgelaufen und daher kein Zuständigkeitswechsel auf Deutschland bewirkt worden sei. Zudem dienten die in den Dublin-Verordnungen geregelten Fristen allein der zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und der zeitnahen Überstellung in diesen Staat, begründeten aber keine subjektiven Rechte des Schutzsuchenden.
- 7
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Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Entscheidungsgründe
- 8
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Die zulässige Revision ist begründet. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die durch die Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzte Überstellungsfrist werde durch einen fristgerechten Antrag nach § 34a AsylG nicht unterbrochen und dann auch bei einer ablehnenden Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht neu in Lauf gesetzt, verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) (3.). Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend (4.).
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1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des klägerischen Begehrens ist das Asylgesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) und das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom gleichen Tag (BGBl. I S. 394), sowie die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die neue Rechtslage zugrunde legen, soweit nicht hiervon - wie hier in Bezug auf die anzuwendende Fassung der Dublin-Verordnung - eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.
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2. Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend dahin erkannt, dass hinsichtlich der Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - vom 4. Oktober 2013 nur die Anfechtungsklage statthaft ist (BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 C 32.14 - NVwZ 2016, 154 Rn. 13 ff.). Für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit ist nach deren Art. 49 Abs. 2 die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 S. 31) - Dublin III-VO - nicht heranzuziehen, weil sie intertemporal nur auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt worden sind. Zutreffend ist das Berufungsgericht weiter zu dem Ergebnis gekommen, dass nach Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO Spanien jedenfalls wegen der Einreise des Klägers über diesen Mitgliedstaat mangels vorrangiger Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO originär zuständig war, und die Bundesrepublik Deutschland jedenfalls nicht wegen einer Versäumung der in Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO genannten Frist für die Prüfung des Asylantrages international zuständig geworden ist.
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3. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Asylantrag sei wegen Versäumung der Überstellungsfrist (Art. 19 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO) auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, verletzt indes Bundesrecht. Das Berufungsgericht vernachlässigt bei seiner Berechnung der Frist, die grundsätzlich mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat beginnt, dass bei einem rechtzeitigen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG) eine Abschiebung bis zu der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht vollzogen werden darf und daher die sechsmonatige Überstellungsfrist auch dann erneut in Lauf gesetzt wird, wenn das Verwaltungsgericht diesen Antrag ablehnt (s.a. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - Rn. 18 ff.). Aus der - zu Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO ergangenen - Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass dem Mitgliedstaat in Fällen der Inanspruchnahme von Rechtsschutz stets die volle Überstellungsfrist zur Vorbereitung und Durchführung zur Verfügung stehen muss und die Frist für die Durchführung der Überstellung daher erst zu laufen beginnt, wenn grundsätzlich vereinbart und sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird und lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - C-19/08 [ECLI:EU:C:2009:41], Petrosian - Rn. 43 ff.). Dem unionsrechtlichen Begriff der "aufschiebenden Wirkung" eines Rechtsbehelfs unterfällt mithin unabhängig von der terminologischen Einordnung nach nationalem Recht auch das allein durch die Antragstellung nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG bewirkte gesetzesunmittelbare Abschiebungsverbot (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich klar, dass dem Mitgliedstaat stets eine zusammenhängende sechsmonatige Überstellungsfrist zuzubilligen ist, so dass die in der Rechtsprechung vertretene Auffassung, nach der eine bloße Hemmung einer mit der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs in Lauf gesetzten Überstellungsfrist anzunehmen ist (so VGH Mannheim, Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92), nicht dem Unionsrecht entspricht.
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Im Zeitpunkt des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24. März 2014, durch den die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet worden war, war hiernach die Überstellungsfrist noch nicht abgelaufen. Da der Kläger gegen die Überstellungsentscheidung vom 4. Oktober 2013 Klage erhoben und im Oktober 2013 rechtzeitig einen Antrag auf Anordnung ihrer aufschiebenden Wirkung gestellt hatte, war die Überstellungsfrist unterbrochen worden. Sie begann erst (erneut) mit der Ablehnung des vorläufigen Rechtsschutzantrages durch das Verwaltungsgericht am 7. Januar 2014 zu laufen und war mithin am 24. März 2014, als das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage anordnete, noch nicht abgelaufen. Das Berufungsgericht hat die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung hier nach § 80b Abs. 2 VwGO auch fristgerecht angeordnet, so dass die Vollziehung weiterhin - bis zur Unanfechtbarkeit der Anordnung - ausgesetzt bleibt. Die derart unterbrochene Überstellungsfrist konnte daher nicht wegen der Überschreitung der in Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO genannten Fristen, die sich auf eine rechtlich mögliche Überstellung beziehen, ablaufen.
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Der Kläger hat hier die - unter einem Aliasnamen bewirkte - erste Überstellungsentscheidung des Bundesamtes vom 13. März 2013 bestandskräftig werden lassen und ist auch sonst nicht gegen die am 10. April 2013 bewirkte Überstellung vorgegangen. Die im Beschluss des Senats vom 27. April 2016 - 1 C 22.15 - aufgeworfenen Fragen stellen sich mithin nicht, zumal es der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls nicht verwehrt ist, auf den neuerlichen Asylantrag des Klägers hin das Dublin-Regime anzuwenden, die Anwendung der Dublin-Regelungen den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt und bei Nichtanwendbarkeit ein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland erst recht ausscheidet.
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4. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtmäßig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages ist insbesondere nicht ausnahmsweise wegen sog. systemischer Mängel (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N. S. u.a.; EGMR
, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M. S. S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413; s. nunmehr auch Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO) auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Der Kläger hat sich allerdings in seiner Klageschrift auf solche Mängel berufen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu indes ausgeführt, dass ihm keinerlei Erkenntnisse vorlägen, die die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestehen. Bereits im Berufungsverfahren hat der Kläger seinen Vortrag aus der Klageschrift nicht wieder aufgegriffen, so dass das Berufungsgericht - dem sich derartige Mängel für Spanien nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers oder von Amts wegen in aktueller Gesamtwürdigung der zu der jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen (dazu BVerfG, Kammerbeschluss vom 21. April 2016 - 2 BvR 273/16 - juris) auch nicht aufdrängen mussten - insoweit keine ausdrücklichen Feststellungen treffen musste. Auch im Revisionsverfahren hat der Kläger insoweit nicht an sein erstinstanzliches Vorbringen angeknüpft und nicht mit einer formgerechten Gegenrüge (dazu - m.w.N. - Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 137 Rn. 78) substantiiert zu systemischen Schwachstellen des Asylsystems in Spanien vorgetragen.
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5. Gründe für eine Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung (Ziffer 2 des Bescheides), die von der Vorfrage der internationalen Zuständigkeit (§ 27a AsylG) unabhängig sind, sind hier nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Gründe
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I.
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Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
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II.
- 2
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Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.
- 3
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1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
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"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."
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Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.
- 5
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Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).
- 6
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Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).
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Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).
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Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.
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2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.
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Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).
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An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.
Gründe
- 1
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg - 2. Kammer - vom 15. Januar 2016 hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§§ 138 Nr. 3 VwGO, 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 Satz 4 Asylgesetz - AsylG - bis zum Ablauf des 23. Oktober 2015 bezeichnet als Asylverfahrensgesetz - AsylVfG - vgl. Art. 1 Nr. 1 und Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 [BGBl. I S. 1722]) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 4 AsylG) haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt.
- 2
1.1. Soweit die Kläger unter Ziffer II. 1. ihrer Zulassungsschrift eine Gehörsverletzung nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO rügen, weil das Verwaltungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung allein auf die Situation international Schutzberechtigter (anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte) in Bulgarien Bezug genommen habe, obgleich die Kläger dieser Personengruppe nicht angehören und ihre Anerkennung noch begehren würden, rechtfertigt dies die Zulassung der Berufung nicht.
- 3
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, soweit sie entscheidungserheblich sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 - 1 BvR 168/89 u.a. -, BVerfGE 87, 363 <392 f.> [m. w. N.]; BVerwG, Urteile vom 29. November 1985 - 9 C 49.85 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 177 S. 65 [m. w. N.] und vom 20. November 1995 - 4 C 10.95 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 22). Soweit das Gericht bei seiner Entscheidung auf eine rechtliche Sichtweise oder auf eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht, gebietet es der Grundsatz des rechtlichen Gehörs außerdem, zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor der Entscheidung auf diese Gesichtspunkte hinzuweisen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2014 - 1 B 12.13 -, juris [m. w. N.]). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist allerdings nur dann dargetan, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht diesen Pflichten nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1975 - 2 BvR 1086/74 -, BVerfGE 40, 101 <104 f.>). Dazu muss das Gericht nicht auf sämtliches Tatsachenvorbringen und alle Rechtsauffassungen eingehen, die im Verfahren von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Juni 1975 a.a.O. und vom 5. Oktober 1976 - 2 BvR 558/75 -, BVerfGE 42, 364 <368>). Nur der wesentliche Kern des Tatsachenvorbringens einer Partei, der nach der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts von zentraler Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens ist, muss in den Gründen der Entscheidung behandelt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 1995, a.a.O.). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nur dann vor, wenn auf den Einzelfall bezogene Umstände deutlich ergeben, dass das Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder ersichtlich nicht erwogen worden ist(vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 -, BVerfGE 47, 182 <187 f.> und vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 -, BVerfGE 86, 133 <146>) oder dass die Entscheidung maßgebend auf Aspekte gestützt worden ist, mit denen im vorgenannten Sinne nicht zu rechnen war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2014 – 1 B. 12.13 -, juris).
- 4
Solche Umstände werden vorliegend von den Klägern nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr beschränkt sich ihr Vorbringen unter Ziffer II. 1. der Antragsschrift darauf, einen mit der "Begründungsrüge" geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 6 VwGO) darzulegen. Die Darlegung eines Begründungsmangels erfordert jedoch, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts aufgegriffen wird und dass aufgezeigt wird, dass diese den formellen Begründungsanforderungen nicht genügt. Unerheblich ist, ob die Begründung inhaltlich unzureichend ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 17. August 2005 - 1 ZB 05.30344 -, juris [m. w. N.]). Ein Verfahrensmangel gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, § 138 Nr. 6 VwGO liegt vor, "wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist". Das ist nicht nur der Fall, wenn die Entscheidung gar keine Begründung enthält, sondern auch, wenn die Begründung so unvollständig, unverständlich oder verworren ist, dass sie nicht erkennen lässt, welche Erwägungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1998 - 9 B 412.98 -, juris). § 138 Nr. 6 VwGO knüpft an den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils nach § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO sowie an § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO an. Danach sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Hierzu genügt eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (§ 173 VwGO, § 313 Abs. 3 ZPO).
- 5
Richtig ist zwar, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Bezugnahme auf die Entscheidung der 9. Kammer des Verwaltungsgerichtes Magdeburg vom 2. September 2015 (- 9 A 399/14 MD -, juris) jedenfalls auch Erwägungen zugrunde gelegt hat, die die Entscheidung nicht als solches zu tragen vermögen, denn bei den Klägern handelt es sich - wie sie zu Recht ausführen - um Personen, die um Schutz vor Verfolgung nachsuchen, und nicht um solche, die bereits in Bulgarien als Flüchtlinge anerkannt worden sind oder dort den Status des subsidiären Schutzes erlangt haben. Die Frage der Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in einem Mitgliedstaat, in den aufgrund der Dublinvorschriften die Rückführung eines Schutzsuchenden erfolgen soll, kann aber jedenfalls auch von rechtlicher Relevanz bei der Beurteilung der Situation von sog. "Dublin-Rückkehrern" sein (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1. April 2015 - A 11 S 106/15 -, juris Rdnr. 53 f.). Ungeachtet dessen ist das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung darüber hinaus davon ausgegangen, dass systemische Mängel in Bezug auf das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien nicht vorliegen. Zur Begründung hat es in Anwendung des § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und festgestellt, dass es im Übrigen den Gründen des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 21. Februar 2014 folge (vgl. Seite 7 des Urteilsabdrucks). Darin hat die Beklagte sowohl die Aufnahmebedingen als auch das Asylverfahren in Bulgarien in den Blick genommen und ein Systemversagen nicht feststellen können, was sich das Gericht zu Eigen gemacht hat. Hat das Verwaltungsgericht somit in den Entscheidungsgründen festgestellt, dass es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsakts folgt, und hat es deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, dann kommt es darauf an, ob die Begründung des Verwaltungsgerichts zusammen mit den in Bezug genommenen Erwägungen eine formell ausreichende Begründung darstellt (BayVGH, a. a. O.). Hiermit setzt sich die Antragsschrift der Kläger nicht ansatzweise auseinander. Es wird damit schon nicht in nachvollziehbarer Art und Weise aufgezeigt, weshalb die Begründung in ihrer Gesamtheit nicht ausreichen soll.
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1.2. Die unter Ziffer II. 2. der Antragsschrift geltend gemachten Einwendungen der Kläger rechtfertigen die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht.
- 7
"Grundsätzliche Bedeutung" im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf(vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Januar 2016 - 4 A 2103/15.A -, juris). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist daher nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren. Des Weiteren muss substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 9. Oktober 2015 - 8 LA 146/15 -, juris).
- 8
Die Kläger haben hinsichtlich der aufgeworfenen Fragen,
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1. Gehören eine alleinerziehende Mutter mit zwei oder mehreren minderjährigen Kindern, die älter als drei aber unter 18 Jahren sind, einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe an.
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2. Gilt dies jedenfalls dann, wenn diese Personen auf der Flucht bereits Opfer von erniedrigender bzw. unmenschlicher Behandlung geworden sind?
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3. Gilt dies jedenfalls dann, wenn sie zusätzlich wegen der erniedrigenden Behandlung an psychischen Auffälligkeiten leiden?
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4. Besteht die überwiegende Wahrscheinlichkeit für alleinerziehende Mütter mit Kindern, die älter als drei aber unter 18 Jahren sind, Opfer einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung in Bulgarien zu werden?
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5. Ist dies jedenfalls der Fall, wenn psychische Erkrankungen bei den Beteiligten vorliegen?
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6. Ist in jedem Fall, in dem eine Familie mit Kindern zwischen drei und 18 Jahren betroffen ist, eine Garantieerklärung Bulgariens hinsichtlich kindgerechter Unterbringung und Versorgung durch den Beklagten einzuholen?
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7. Ist dies jedenfalls dann so, wenn die Familienmitglieder bereits eine erniedrigende und unmenschliche Behandlung erfahren haben?
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8. Liegen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien vor, also strukturell bedingte, größere Funktionsstörungen?
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9. Liegen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien vor, also strukturell bedingte, größere Funktionsstörungen, soweit eine besonders schutzbedürftige Personengruppe betroffen ist?
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10. Liegen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien vor, also strukturell bedingte, größere Funktionsstörungen, soweit alleinerziehende Mütter und minderjährige Kinder betroffen sind?
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die Klärungsbedürftigkeit in nicht genügender Weise dargelegt.
- 20
1.2.1. Es kann hier hinsichtlich der zu Ziffer 1. gestellten Grundsatzfrage unterstellt werden, dass die alleinerziehende Klägerin zu 1. und ihre 12 und 9 Jahre alten minderjährigen Töchter, die Klägerinnen zu 2. und 3., besonders schutzbedürftige Personen i. S. v. Art. 21 der neugefassten Richtlinie (EU) 33/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. EU L 180 vom 29. Juni 2013 S. 96 ff.) - im Folgenden: RL (EU) 33/2013 - sind. Gemäß Art. 21 RL (EU) 33/2013 berücksichtigen die Mitgliedstaaten in dem einzelstaatlichen Recht zur Umsetzung dieser Richtlinie die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen wie Minderjährigen, unbegleiteten Minderjährigen, Behinderten, älteren Menschen, Schwangeren, Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern, Opfern des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z. B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang einwenden, der Mitgliedsstaat Bulgarien habe die Richtlinie noch nicht umgesetzt, erschöpft sich das Vorbringen schon in einer bloßen Behauptung. Unabhängig davon ist dem entgegenzuhalten, dass ausweislich des Anhanges zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat zum aktuellen Stand der Umsetzung der Prioritäten im Rahmen der Europäischen Migrationsagenda vom 10. Februar 2016 die Umsetzung der RL (EU) 33/2013 in bulgarisches Recht - anders als durch die Bundesrepublik Deutschland - bereits mitgeteilt worden ist und derzeit geprüft wird. Selbst die fehlende Umsetzung unterstellt, gilt die hier maßgebende Regelung, deren Umsetzung gemäß Art. 31 Abs. 1 Satz 1 RL (EU) 33/2013 bis zum 20. Juli 2015 zu erfolgen hatte, unmittelbar und verpflichtet den Mitgliedstaat Bulgarien zur Beachtung.
- 21
Ob die vom Verwaltungsgericht insoweit vorgenommene Bewertung einer rechtlichen Überprüfung standhält, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und der materiellen Richtigkeit der Entscheidung, die sich keinem der Zulassungsgründe des § 78 Abs. 3 AsylG zuordnen lassen(vgl. BayVGH, Beschluss vom 18. Dezember 2015 - 9 ZB 15.50140 -, juris). Ungeachtet dessen steht der Umstand, dass das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung davon ausgegangen ist, dass die Kläger der Gruppe der besonders schutzbedürftigen Personen nicht angehören würden, in keinem Widerspruch zu der nach Art. 21 RL (EU) 33/2013 vorzunehmenden Einordnung. Denn das Gericht hat hiermit die Zugehörigkeit der Kläger zum Personenkreis besonders Schutzbedürftiger nach Art. 21 RL (EU) 33/2013 schon nicht verneint, sondern unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach ausdrücklich Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zu drei Jahren in den Blick genommen werden(vgl. Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris), die Notwendigkeit einer Garantieerklärung geprüft. Hiernach muss in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaates bei belastbaren Anhaltspunkten für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer in diesen Mitgliedsstaat angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls sichergestellt werden, dass jedenfalls Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zu einem Alter von drei Jahren, die von einer Abschiebungsanordnung betroffen sind, bei ihrer Rückführung wenigstens eine gesicherte Unterkunft erhalten, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für die in besonderen Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen. Diese zum Mitgliedsstaat Italien ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung ist ohne Weiteres auf andere Mitgliedstaaten, in welche nach dem Dublin-System Überstellungen durchgeführt werden sollen, übertragbar. Gegenteiliges legt das Antragsvorbringen auch nicht dar.
- 22
1.2.2. Hinsichtlich der klägerischen Fragestellung zu 2. bedarf es deshalb keiner weiteren Klärung, weil der darauf beschränkte Vortrag der Kläger, einer dreiwöchigen Inhaftierung in Bulgarien ausgesetzt gewesen zu sein, für sich genommen nicht impliziert, dass die Kläger eine schwere Form von physischer oder psychischer Gewalt erlitten hätten und schon deshalb dem besonderes schutzbedürftigen Personenkreis i. S. v. Art. 21 RL (EU) 33/2013 angehören, die Frage mithin nicht entscheidungserheblich ist.
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1.2.3. Soweit die Kläger der unter Ziffer 3. gestellten Frage grundsätzliche Bedeutung beimessen, ob Personen, die wegen der erniedrigenden Behandlung an psychischen Auffälligkeiten leiden, der besonderes schutzbedürftigen Personengruppe angehören, besteht schon deshalb kein weiterer Klärungsbedarf, da nach der sich aufgrund des Art. 21 RL (EU) 33/2013 ergebenden Definition jedenfalls Personen, die psychische Störungen aufweisen, in den Schutzbereich fallen, mithin zu klären wäre, ob die jeweilige psychische Auffälligkeit den Grad einer psychischen Störung erreicht. Dies ist jedenfalls dann der Fall sein, wenn eine Behandlungsbedürftigkeit zu attestieren ist. Die - anwaltlich vertretenen - Kläger haben im erstinstanzlichen Verfahren lediglich behauptet, dass die minderjährigen Kläger zu 2. und 3. verhaltensauffällig seien (vgl. Seite 2 der Klage- und Antragsschrift vom 18. März 2014). Bis heute haben sie zu einer etwaigen behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung weder schlüssig vorgetragen noch eine solche im Ansatz nachgewiesen, obgleich aufgrund ihres seit November 2013 andauernden Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland eine medizinische Abklärung nahe gelegen hätte und auch erwartet werden konnte. Erstmals im Zulassungsverfahren - und damit verspätet - hat die Klägerin zu 1. zu einer ihrerseits bestehenden psychischen Erkrankung und Suizidalität unter Bezugnahme auf eine "Kurze psychologische Stellungnahme" datierend vom 11. Februar 2016 vorgetragen. Offen bleiben kann, ob die vorgelegte Stellungnahme überhaupt den rechtlichen Anforderungen an ein fachärztliches Attest genügt (vgl. hierzu im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, juris; OVG LSA, Beschluss vom 8. Februar 2012 - 2 M 29/12 -, juris). Zwar ist es nicht völlig ausgeschlossen, den Antrag auf Zulassung der Berufung in Streitigkeiten nach dem Asylgesetz wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auf neue tatsächliche Umstände zu stützen (vgl. hierzu im Einzelnen: BayVGH, Beschluss vom 4. Juli 2000 - A 9 S 1275/00 -, juris). Dies kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn es sich tatsächlich um neue Umstände handelt und diese die Klärungsbedürftigkeit einer Tat- oder Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung erstmals oder erneut begründen. Ausweislich der vorgelegten "Kurze(n) psychologischen Stellungnahme" vom 11. Februar 2016 hat die Klägerin zu 1. bereits am 27. Mai 2014 ein Erstgespräch im Psychosozialen Zentrum für Migrantinnen und Migranten in Sachsen-Anhalt in der Zweigstelle C-Stadt wahrgenommen, wobei die fachliche Einschätzung auf Geschehnissen im Heimatland der Klägerin und auf ihrer Flucht fußt. Aus welchen Gründen etwaige Angaben und Belege im erstinstanzlichen Verfahren ausblieben, legen die Kläger nicht im Ansatz dar.
- 24
1.2.4. Auch hinsichtlich der unter Ziffer 4. gestellten Grundsatzfrage, ob die überwiegende Wahrscheinlichkeit für alleinerziehende Mütter mit Kindern, die älter als drei aber unter 18 Jahren sind, besteht, Opfer einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung in Bulgarien zu werden, haben die Kläger die Klärungsbedürftigkeit nicht schlüssig dargelegt.
- 25
Voranzustellen ist, dass die Frage der erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung im vorliegenden Verfahren zuvorderst aus der Perspektive der "Dublin-Rückkehrer" zu beantworten ist und im unmittelbaren Zusammenhang mit den unter den Ziffern 8. bis 10. gestellten Grundsatzfragen steht, ob systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien - grundsätzlich, für besonders schutzbedürftige Personengruppen bzw. für alleinerziehende Mütter mit minderjährigen Kindern - vorliegen. Denn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedstaat liegen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dann vor, wenn ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden(vgl. Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 u.a. -, juris; mittlerweile ausdrücklich geregelt in Art. 3 Abs. 2, 2. UA Dublin III-VO [VO (EU) 604/2013 vom 26. Juni 2013, ABl. Nr. L 180 S. 31]).
- 26
An die Feststellung systemischer Mängel sind wegen der bestehenden Vermutungswirkung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht, hohe Anforderungen zu stellen. Deshalb kann von systemischen Mängeln des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur bei größeren Funktionsstörungen ausgegangen werden, die eine individuelle und konkrete Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung eines jeden einzelnen oder einer nennenswerten Anzahl von Asylbewerbern im Falle der Abschiebung begründen und von den nationalen Behörden tatenlos hingenommen werden (vgl. zu Italien: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18. März 2014 - 13 LA 75/13 -, juris; OVG LSA, Beschluss vom 2. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris). Es ist demgegenüber nicht Aufgabe deutscher Verwaltungsgerichte, die Durchführung des Asylverfahrens und die Aufnahmebedingungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union und die Einhaltung der dazu ergangenen Normen umfassend zu überprüfen. Vielmehr kann es in diesem Zusammenhang nur um eine Evidenzkontrolle gehen. Dies gebietet auch der Respekt vor dem verfassungsändernden Gesetzgeber, der die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG im Hinblick auf das Asylgrundrecht zu sicheren Drittstaaten erklärt hat. Eine Ausnahme von dem dieser Regelung zugrundeliegenden Konzept normativer Vergewisserung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur in den Fällen möglich, die von diesem Konzept nicht erfasst werden, wie es der Fall wäre, wenn der Drittstaat selbst zum Verfolgerstaat wird. Auch kann sich - in seltenen Ausnahmefällen - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergeben, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinen eingegangenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen will (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93 u.a. -, juris, Rdnr. 189). Diese verfassungsrechtliche Anknüpfung belegt, dass der Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 der VO (EU) 604/2013 Sonderfällen vorbehalten bleiben muss, wie sie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entnehmen sind. Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in dem betroffenen Drittstaat sowie damit einhergehende Verstöße gegen europarechtliche Normen reichen für eine Verpflichtung zum Selbsteintritt demnach nicht aus, sofern mit ihnen nicht konkret Gefahren einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung verbunden sind (vgl. zum Ganzen: OVG Niedersachsen, Beschluss vom 1. April 2014 - 13 LA 22/14 -, juris [m. w. N.]).
- 27
Das Verwaltungsgericht hat systemische Mängel im vorbezeichneten Sinne nach der bestehenden Auskunftslage verneint.
- 28
Die bloße Feststellung - dass die Klägerin zu 1. als alleinerziehende Mutter der minderjährigen 9 und 12 Jahren alten Klägerinnen zu 2. und 3. der besonders schutzbedürftigen Personengruppe nach Art. RL (EU) 33/2013 angehören, führt nicht dazu, gleichsam automatisch systemische Mängel des bulgarischen Asylsystems und der dortigen Aufnahmebedingungen bezogen auf die Kläger unterstellen, mithin von einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung ausgehen zu können. Die Kläger legen in ihrer Zulassungsschrift schon nicht hinreichender Art und Weise dar, dass der Mitgliedstaat Bulgarien, den sich nach Art. 21 ff. RL (EU) 33/2013 ergebenden Anforderungen an die Versorgung und Unterbringung der Kläger als besonders schutzbedürftige Personen nicht in ausreichendem Maße nachkomme.
- 29
Indem die Kläger auf Seite 6 ihrer Zulassungsschrift ohne Benennung von Quellen schlicht behaupten, dass vor dem Hintergrund stark steigender Zugangszahlen ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die bulgarischen Behörden derzeit nicht mehr in der Lage seien, Asylbewerber angemessen mit Unterkunft, Nahrung, Kleidung und dem sonstigem täglichen Bedarf zu versorgen und ihnen wenigstens medizinische Notversorgung zukommen zu lassen, wenden sie sich primär gegen die bei der zugrunde gelegten Auskunftslage erfolgte Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Ob die Bewertung des Verwaltungsgerichtes einer rechtlichen Überprüfung standhält, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und der materiellen Richtigkeit der Entscheidung, die sich keinem der Zulassungsgründe des § 78 Abs. 3 AsylG zuordnen lassen(vgl. BayVGH, Beschluss vom 18. Dezember 2015, a. a. O.). Im Übrigen wird das Vorbringen durch nichts belegt und steht im Widerspruch zu der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. Januar 2016 (zitiert nach VG Regensburg, Beschluss vom 23. Februar 2016 - RN 1 S 16.50036 -, juris) zu den derzeitigen Kapazitäts- und Versorgungsverhältnisses.
- 30
Die obergerichtliche Rechtsprechung - mit der sich die Kläger schon gar nicht auseinandergesetzt haben - geht davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel im Asylsystem und hinsichtlich der Aufnahmebedingungen im Regelfall nicht bestehen (vgl. insbesondere: VGH Bad.-Württ., Urteile vom 10. November 2014 - A 11 S 1778/14 -, vom 18. März 2015 – A 11 S 2042/14 -, vom 1. April 2015 - A 11 S 106/15 -; BayVGH, Urteil vom 29. Januar 2015 - 13a B 14.50039 -, alle juris). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bezogen auf besonders schutzbedürftige Personen festgestellt, dass der UNHCR (Bericht "Bulgarien als Asylland" vom April 2014) und andere Stellen nach wie vor beanstanden würde, dass effektive Mechanismen zur systematischen Identifizierung von Personen mit besonderen Bedürfnissen nicht zur Verfügung stünden bzw. jedenfalls nicht in dem gebotenen Maße tatsächlich genutzt würden und dass selbst Nichtregierungsorganisationen nicht in der Lage seien, die bestehenden Lücken und Defizite zu schließen bzw. zu beheben (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1. April 2015, a. a. O., Rdnr. 47). Gleichwohl hat Bulgarien seit Beginn dieses Jahres die von den Klägern als Aufnahmerichtlinie bezeichnete RL (EU) 33/2013 in nationales Recht - wie ausgeführt - umgesetzt, so dass eine Verbesserung dieser Situation nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Zudem ist davon auszugehen, dass die Feststellung der Zugehörigkeit der Kläger zu einer Personengruppe i. S. v. Art. 21 RL (EU) 33/2013 ohne weiteres möglich ist, da die Minderjährigkeit der Kläger zu 2. und 3. sowie der Umstand, dass die Klägerin zu 1. alleinerziehend ist, auf der Hand liegen und keiner besonderen Prüfung bedürfen. Soweit durch den UNHCR kritisiert wird, dass Flüchtlingskinder allenfalls teilweise Zugang zu schulischer Bildung, Sprachkursen und Freizeitaktivitäten haben, ist hierin keine menschenunwürdige Schlechtbehandlung zu sehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1. April 2015, a. a. O., Rdnr. 46). Zudem wird durch den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg festgestellt, dass unter Zugrundelegung des vorbezeichneten UNHCR Berichtes und weiterer Quellen aus dem April 2014 gewisse Verbesserungen bei den Unterbringungsbedingungen für Familien mit kleineren Kindern, alleinstehende Frauen mit Kindern und unbegleitete Minderjährige eingetreten seien. Daneben wird zwar dargestellt, dass das erforderliche Minimum an Privatheit nicht erreicht werde und damit nicht immer ausreichenden Schutz vor Übergriffen geboten werde. Indes kann angesichts der neueren und vor Ablauf der Antragsfrist veröffentlichten Erkenntnislage durch eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. Januar 2016 (zitiert bei VG Regensburg, Beschluss vom 23. Februar 2016 - RN 1 S 16.50036 -, juris) von solchen Unterbringungsbedingungen von Familien, die das erforderliche Minimum an Privatheit ausschließen sowie unzureichenden Schutz vor Übergriffen bieten und den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zur differenzierten Betrachtung bewogen haben, nicht mehr ausgegangen werden. Danach hat sich die Situation in den Aufnahmeeinrichtungen in Bulgarien aufgrund eigener Feststellungen des Auswärtigen Amtes immer weiter verbessert und ist insgesamt als akzeptabel zu bewerten. Bei einer nunmehrigen Kapazität von 5.130 Plätzen haben sich am 24. Dezember 2015 unter Zugrundelegung einer Auskunft des UNHCR nur 612 Personen in den sechs Zentren aufgehalten (2014: Belegungsquote 80% [vgl. insoweit UNHCR Bericht vom April 2014]; Dezember 2015 Belegungsquote: unter 15%). Insbesondere ist auch die medizinische Grundversorgung gewährleistet und eine ausreichende Zahl von Dolmetschern vorhanden. Die Aufnahmebedingungen für besonders schutzbedürftige Personen ist angesichts der bei weitem nicht erreichten Auslastung der Kapazitäten grundsätzlich gut (vgl. VG Regensburg, a. a. O.). Dies zugrunde gelegt, haben die Kläger schon nicht schlüssig dargelegt, dass eine veränderte Auskunftslage eine andere Entscheidung rechtfertigen würde. Ihr Vorbringen im Zulassungsverfahren beschränkt sich darauf, eine Verschlechterung der Aufnahmebedingungen in Bulgarien seit Mitte des Jahres 2015 unter Bezugnahme auf einen Vorfall aus dem Monat November 2015 zu rügen, wonach es in Ovcha Kupel weder Wasser noch Heizung gegeben habe. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass ein solch kurzfristiger Versorgungsmangel nicht als größere, strukturell bedingte Funktionsstörung im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (a. a. O.) begriffen werden kann.
- 31
Dass die Klägerin zu 1. als allein reisende Frau und die Klägerinnen zu 2. und 3. als Kinder überdurchschnittlich häufig Opfer von Gewalttaten/sexuellen Übergriffen in Bulgarien würden, legen die Kläger nicht schlüssig dar. Allein der Umstand, dass staatliche Behörden und Politiker nicht hinreichend aktiv vorbeugend sowie repressiv in der Strafverfolgung vorgehen würden und die bulgarische Gesellschaft kaum Erfahrungen mit ankommenden Flüchtlingen hätten bzw. Rassismus weit verbreitet sei, lässt den Schluss auf ein die Überstellung ausschließendes Systemversagen nicht zu, zumal gleichgelagerte Probleme auch in der deutschen Gesellschaft existieren.
- 32
Soweit die Kläger vortragen, dass Flüchtlinge in Bulgarien keinen sicheren Zugang zum Asylverfahren hätten und wegen "illegaler Einreise" mit einer Ausreiseaufforderung und Inhaftierung konfrontiert würden, trifft dies nicht auf die Kläger zu, die der Gruppe der sog. "Dublin-Rückkehrer" angehören und im Mitgliedstaat Bulgarien ihr Schutzgesuch anbringen. Auch haben die Kläger nicht zu befürchten, eine Wiederaufnahme ihrer Asylverfahren in Bulgarien nicht erreichen zu können, weil sie länger als drei Monate Bulgarien verlassen und deshalb während der Prüfung eines Wiederaufnahmeantrags weder Anspruch auf Unterkunft noch auf materielle Unterstützung hätten. Vielmehr haben die Kläger ausweislich ihrer sich mit dem EURODAC-Treffer der Kategorie 2 deckenden Angaben in der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 22. November 2013 noch keinen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes im Mitgliedsstaat Bulgarien gestellt, sondern sind dort lediglich erkennungsdienstlich behandelt worden. Dies zugrunde gelegt, bedarf es der Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahren schon nicht, da sie allein mit der Stellung ihres Schutzgesuches Aufnahme erhalten.
- 33
1.2.5. Der unter Ziffer 5. gestellten Frage der Kläger, ob Beteiligte, bei denen psychische Erkrankungen vorliegen, in Bulgarien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einer erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung zu rechnen haben, ist ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung für das vorliegende Verfahren beizumessen. Nach den unter 1.2.3. dargestellten Erwägungen des Senates kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an, da der Nachweis psychischer (behandlungsbedürftiger) Erkrankungen bisher nicht geführt wurde.
- 34
1.2.6. Auch hinsichtlich der von den Klägern unter Ziffer 6. gestellte Grundsatzfrage wird kein Klärungsbedarf schlüssig aufgezeigt. Zu der von den Klägern zur kindgerechten Unterbringung und Versorgung begehrten Garantieerklärung der bulgarischen Behörden hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass bei Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zu drei Jahren eine solche bei Kapazitätsengpässen einzuholen sei (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014, a. a. O.). Vorliegend legen die Kläger nicht schlüssig dar, dass Kapazitätsengpässe hinsichtlich der kindgerechten Unterbringung und Versorgung von Kindern, die wie die Klägerinnen zu 2. und 3. im Alter von 9 und 12 Jahren sind, bestehen (siehe Ausführungen unter Ziffer 1.2.4.).
- 35
1.2.7. Hinsichtlich der unter Ziffer 7. aufgeworfenen Frage ist auf die Ausführungen des Senates unter 1.2.2. zu verweisen. Die unter Ziffer 8. bis 10. gestellten Grundsatzfragen wurden bereits unter Ziffer 1.2.4. als nicht klärungsbedürftig mangels zureichender Darlegung erachtet.
- 36
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 83b AsylG.
- 37
3. Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 8. August 2014 - A 11 K 2448/14 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Tenor
I.
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihm drohende Überstellung nach Bulgarien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger und nach eigenen Angaben am
Am
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom
Mit Bescheid vom
Am
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt am
In der Akte befindet sich ein Bescheid, datiert auf den
Mit Bescheid vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG unzulässig, da Bulgarien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gem. Art. 3 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Gründe für die Annahme von systemischen Mängeln im bulgarischen Asylverfahren lägen nicht vor. Gründe für eine Reduzierung der Frist gem. § 11 Abs. 4 AufenthG lägen nicht, da keine besonders schutzwürdigen Belange gegeben seien. Es seien auch sonst keine Umstände ersichtlich, die im Rahmen des Ermessens zugunsten des Antragstellers berücksichtigt werden könnten.
Mit Schreiben vom
Am ... Juli 2016 hat der Antragsteller zur Niederschrift des Gerichts Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2016 aufzuheben.
Gleichzeitig hat er beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Bulgarien die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde auf ein Schreiben des Sozialdienstes für Flüchtlinge der ... e.V. verwiesen, das sich mit der Einhaltung der Antragsfrist beschäftigt.
Mit Schreiben vom ... Juli 2016 hat der Antragsteller weiter ausgeführt, dass er auf seiner Flucht etwa einen Monat in Bulgarien gewesen sei, davon 11 Tage im Gefängnis. Er sei dort ständiger Gewalt ausgesetzt gewesen. Die Polizei habe ihn geschlagen und verletzt. Er sei alle drei bis vier Stunden mit Stöcken geschlagen worden. Er habe alles abgeben müssen und sei bestohlen worden. Andere Flüchtlinge seien von Polizeihunden gebissen worden, die auf sie gehetzt worden seien. Er habe schlechtes Essen und stinkendes Wasser bekommen. Die Zustände seien unzumutbar gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom
Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er nicht verfristet. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde dem Antragsteller der Bescheid vom
Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht die Bestandskraft des Bescheides vom
Der Antrag ist jedoch in der Sache unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B. v. 18.9.2013 - 5 L 1234/13.TR - juris; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013 - 2 B 869/13 - juris). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Denn der Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2016 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt in Fällen, in denen der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann.
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht nach § 27a AsylG als unzulässig abgelehnt.
Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
Im Fall des Antragstellers ergibt sich die Zuständigkeit Bulgariens für die weitere Prüfung des Asylantrags des Antragstellers aus Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO. Nach dieser Norm ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, in den der betreffende Ausländer ausweislich der in dieser Norm genannten Erkenntnismittel aus einem Drittstaat kommend illegal eingereist ist, wenn der Tag des illegalen Grenzübertritts zum maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) noch nicht länger als zwölf Monate zurückliegt. Bulgarien hat dementsprechend auch der Rücküberstellung gem. Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO zugestimmt. Dass der Antragsteller entgegen seinem Vorbringen vor der Stellung seines Asylantrags in Deutschland bereits in Bulgarien einen Asylantrag gestellt hat, ergibt sich sowohl aus dem Schreiben Bulgariens vom 14. März 2016 als auch aus dem bei einer EURODAC-Abfrage für den Antragsteller erzielten Treffer mit der Kennzeichnung „BG1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26. Juni 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Neufassung) (EURODAC-VO)).
Der Antragsteller kann der Überstellung nach Bulgarien auch nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Bulgarien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO).
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Angesichts der grundlegenden Veränderungen im Laufe des Jahres 2014 bestehen in Bezug auf Bulgarien nach aktuellem Kenntnisstand keine durchgreifenden Bedenken, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 29.1.2015 - 13a B 14.50039 - juris) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - juris) geht das erkennende Gericht auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern (vgl. UNHCR, „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014 - abrufbar unter: http://www.refworld.org/docid/52c598354.html; UNHCR, „Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“ vom April 2014 - abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes; amnesty international, „Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue“ vom 31.3.2014 - abrufbar unter: https://www.amnesty.org/en/documents/EUR15/002/2014/en; amnesty international, „Amnesty report 2015 Bulgarien“ - abrufbar unter: https://www.amnesty.de/jahresbericht/2015/bulgarien; European Asylum Support Office (EASO), „Special Support Plan to Bulgaria“ vom 5.12.2014 - abrufbar unter: http://easo.europa.eu/wp-content/uploads/SSP-BG-2014-12-03.pdf; Pro Asyl, Presseerklärung vom 23.5.2014: „Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien“ - abrufbar unter: http://ww.proasyl.de/de/presse/detail/news/schwere _menschenrechtsverletzungen_an_fluechtlingen_in_bulgarien; Pro Asyl, „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ vom April 2015 - abrufbar unter: http://ww.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2015/Bulgarien_Broschu _re_Web_END.pdf; Asylum Information Database (aida), „Country Report Bulgaria“, Stand: 30.9.2015 - abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/bulgaria; European Council on Refugees and Exiles (ECRE), „ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation“ vom 7.4.2014 - abrufbar unter: http://www.ecre.org/component/down loads/downloads/873.html; Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg
Zwar war die Situation Asylsuchender in Bulgarien nach einem Anstieg der Asylanträge zu Beginn des Jahres 2014 teilweise heftiger Kritik ausgesetzt. So ging der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) im Januar 2014 davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden und plädierte dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen (vgl. „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014). Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (vgl. „Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue” vom 31.3.2014), European Council on Refugees and Exiles (vgl. „ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation” vom 7.4.2014) und Pro Asyl (vgl. Presseerklärung vom 23.5.2014: „Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien”) an. Auch in der Stellungnahme von Pro Asyl vom 30. Mai 2014 wird auf die von UNHCR Anfang 2014 festgestellten Mängel im bulgarischen Asylsystem Bezug genommen und eine Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien gefordert. In seiner aktualisierten Bestandaufnahme vom April 2014 („Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“, Seite 2 und 17) hält UNHCR ungeachtet fortbestehender ernsthafter Mängel einen generellen Aufschub aller Dublin-Überstellungen nach Bulgarien jedoch nicht länger für gerechtfertigt, sondern empfiehlt nur bei Personen mit besonderen Bedürfnissen oder besonderer Schutzwürdigkeit - zu denen der Antragsteller nicht gehört - von einer Überstellung abzusehen. Dem Bericht vom April 2014 zufolge haben sich die Aufnahmebedingungen im Vergleich zur Situation im Dezember 2013, die der Stellungnahme vom 2. Januar 2014 zugrunde lag, erheblich verbessert (vgl. auch VGH BW, U. v. 10.11. 2014 - A 11 S 1778/14 - Rn. 49). Auch amnesty international sieht im Jahresbericht 2015 („Amnesty report 2015, Bulgarien“) trotz weiterhin erhobener Kritik insbesondere an der mangelhaften Integration anerkannter Asylbewerber davon ab, ein Rücküberstellungsverbot zu fordern.
Nach aktueller Erkenntnislage sind die in der Vergangenheit festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes zwar nicht gänzlich ausgeräumt; allerdings sind weitgehende positive Veränderungen erkennbar, die der Annahme durchgreifender Mängel des bulgarischen Asylsystems entgegenstehen. So sind die Kapazitäten sowohl aufgrund einer technischen und personellen Aufrüstung als auch einer gezielten Ausbildung neuer Kräfte signifikant gestiegen. Damit ist mittlerweile sowohl eine ordnungsgemäße Registrierung einschließlich der notwendigen Information der Asylbewerber über den Zugang zum Verfahren gewährleistet als auch eine regelgerechte Durchführung der Asylverfahren. Die eingereisten Flüchtlinge können bei der Registrierung mit der ersten Befragung ihr Asylbegehren vorbringen; sie haben Zugang zu Dolmetschern. Haft ist für Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gesetzlich nicht mehr vorgesehen. Der Zugang zu regionalen Gerichten ist eröffnet (vgl. BayVGH, B. v. 29.1.15 - 13a B 14.50039 - juris Rn. 41 m. w. N.).
Auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen von Asylsuchenden in Bulgarien ist derzeit nicht von systemischen Mängeln im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auszugehen. Die früher bestehenden Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind in baulicher wie auch in personeller Hinsicht im Wesentlichen behoben worden. Bereits im Februar 2014 hat das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO) die Aufnahmezentren im Wesentlichen in einem vernünftigen Zustand vorgefunden. Die Unterkünfte wurden renoviert und die Sanitärbereiche erneuert. Nachdem UNHCR im April 2014 noch berichtet hatte, dass in zwei von sieben Zentren ungeeignete Rahmenbedingungen vorhanden seien, und aida im April 2014 sowie die Bundesregierung im Mai 2014 von einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82% ausgegangen waren, stellte EASO im Dezember 2014 fest, dass die Kapazitäten signifikant auf nunmehr 6000 Plätze angestiegen und die dortigen Lebensbedingungen deutlich verbessert worden seien. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal mit täglich zwei warmen Mahlzeiten sichergestellt; in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingearbeitet worden. Da jeder Asylantragsteller krankenversichert wird und eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger erhält, ist die medizinische Versorgung ebenfalls gewährleistet (vgl. BayVGH, B. v. 29.1.15 - 13a B 14.50039 - juris Rn. 41 m. w. N.).
Die Verbesserung der Aufnahmebedingungen wird auch in aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg
Hinsichtlich der Situation von Dublin-Rückkehrer lässt sich dem aktuellen aida-Länderbericht zu Bulgarien (Stand: 30.9.2015, S. 27 ff.) entnehmen, dass derzeit grundsätzlich keine Hindernisse beim Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer bestehen. Dublin-Rückkehrer erhalten die gleichen Rechte wie andere Antragsteller im Erstverfahren und werden im Anschluss an die Rückkehr üblicherweise in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht.
Auch der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen (vgl. EGMR, U. v. 21. 1.2011 - 30969/09 - juris Rn. 249); auch reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, B. v. 2. 4.2013 - 27725/10 - juris). Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst (vgl. VG Ansbach, U. v. 10.7.2015 - AN 14 K 15.50050 - juris Rn. 31; VG Düsseldorf, B. v. 15. 4.2013 - 17 L 660/13.A - juris Rn. 43 m. w. N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 29.1.2015 - 14 A 134/15.A). Anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien müssen sich nach alledem auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Lebensstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht.
Die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, stellt für sich genommen ebenfalls noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems dar. Denn mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 7.5.2015 - 13 L 1607/15.A - juris Rn. 32- 49; VG Minden, U. v. 10.2.2015 - 10 K 1660/14.A - juris Rn. 61 - 70).
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Bericht von Pro Asyl „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ vom April 2015. Soweit darin ein Überstellungsstopp gefordert wird, beruht dies auf Berichten von Einzelschicksalen aus den Jahren 2012 bis Anfang 2014. Die dort geschilderten Zustände sind jedoch aufgrund der neueren Entwicklungen überholt. Zudem lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass systemische Schwachstellen vorlägen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Die Bulgarien vorgeworfenen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot durch Zurückschiebungen an der bulgarisch-türkischen Grenze (vgl. Seite 27 f. des Berichts) betreffen den Antragsteller nicht, weil dieser sich bereits auf Unionsgebiet befindet. Anhaltspunkte dafür, dass Bulgarien in Bezug auf Dublin-Rückkehrer gegen das Refoulement-Verbot verstößt, lassen sich dem Bericht von Pro Asyl nicht entnehmen. Soweit sich der Bericht des Weiteren mit den Problemen befasst, denen sich Inhaber eines Aufenthaltstitels ausgesetzt sehen, handelt es sich hierbei aber nicht um Probleme während des Asylverfahrens, sondern - da insoweit den Quellen zufolge kein Unterschied zu bulgarischen Staatsbürgern besteht - um die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien und eine allgemeine soziale Problematik. Ein hinreichendes Indiz für systemische Schwachstellen im Asylverfahren wird dadurch nicht begründet.
Bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Erkenntnisse erreichen die noch bestehenden Mängel jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel. Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren.
Der Antragsteller kann nach überschlägiger Prüfung auch keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO beanspruchen. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung. Dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht unter Hinweis darauf, dass außergewöhnliche humanitäre Gründe nicht ersichtlich seien, vorliegend keinen Gebrauch gemacht, ist nicht zu beanstanden. Der Antragsteller ist ein gesunder junger Mann, der nicht zu den Personen mit besonderen Bedürfnissen oder besonderer Schutzwürdigkeit gehört.
Schließlich begegnet auch die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien keinen Bedenken. Die bulgarischen Behörden haben der Rückführung des Antragstellers mit Schreiben vom 14. März 2016 ausdrücklich zugestimmt. Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich.
Nach alledem war der Eilantrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger und reiste nach eigenen Angaben am
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für ... (Bundesamt) am 17. August 2015 gab der Kläger u. a. an, sein Heimatland am
Am
Auf ein Übernahmeersuchen der Beklagten vom
Mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom
Mit Schreiben vom .... Dezember 2015 hat sich die damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers bestellt und den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beschränkt. Mit Schreiben vom .... Dezember 2015 wurde der Beklagten der ausgefüllte Fragebogen für irakische Antragsteller zugeleitet.
In einem Aktenvermerk vom
Mit Bescheid vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylG unzulässig, da Bulgarien aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gem. Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe ohne genügende Entschuldigung seinen Termin zum persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 12. November 2015 nicht wahrgenommen. Somit mache er keine Gründe geltend, die gegen die Überstellung sprächen. Auch anderweitig lägen keine Informationen vor, die gegen eine Überstellung sprächen. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Es seien keine Gründe vorgetragen worden, die eine kürzere Fristsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange rechtfertigen könnten. Es seien auch sonst keine Umstände ersichtlich, die im Rahmen des Ermessens zugunsten des Klägers zu berücksichtigen seien.
Mit Schriftsatz seiner damaligen Bevollmächtigten vom .... Februar 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe in Bulgarien keinen Asylantrag gestellt. Er sei dort lediglich erkennungsdienstlich behandelt worden. Die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien sei rechtswidrig. In Bulgarien seien systemische Mängel des Asylverfahrens vorhanden. Diese würden u. a. in aktuellen Berichten von Pro Asyl (30.5.2014 und April 2015) bejaht. Auch das VG Stuttgart bejahe systemische Mängel
Mit Schreiben vom
Mit Beschluss vom 11. März 2016
Mit Schriftsatz vom .... Mai 2016 bestellte sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers.
Mit Schreiben vom
Mit Beschluss vom 10. August 2016
Mit Schriftsatz vom .... August 2016 hat der Klägerbevollmächtigte auf mündliche Verhandlung verzichtet und darauf hingewiesen, dass der Kläger verheiratet sei, was durch die ... ... vom .... Juni 2015 bestätigt werde. Somit sei es nicht gerechtfertigt, das Asylverfahren des Klägers als unzulässig abzuweisen, zumal es auch in Bulgarien systemische Mängel des Asylsystems gebe. Beigefügt war die Bestätigung der Eheschließung der ... ... ... e.V. vom .... Juni 2015 (s.o.). Die Beklagte hat mit Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 allgemein auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
Gründe
Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten dem zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom
1. Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist rechtmäßig.
Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl L 180 vom 29.6.2013, S. 31; im Folgenden: Dublin III-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Dublin III-VO. Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist Bulgarien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Der Kläger ist aus der Türkei kommend nach Bulgarien eingereist und hat einen Asylantrag gestellt. Dass der Kläger entgegen seinem Vorbringen vor der Stellung seines Asylantrags in Deutschland bereits in Bulgarien einen Asylantrag gestellt hat, ergibt sich sowohl aus dem Schreiben Bulgariens vom 26. Oktober 2015 als auch aus dem bei einer EURODAC-Abfrage für den Kläger erzielten Treffer mit der Kennzeichnung „BG1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26. Juni 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Neufassung) (EURODAC-VO)).
Eine Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich nicht aus den vorrangigen Zuständigkeitsbestimmungen der Art. 8 ff. Dublin III-VO, insbesondere nicht aus Art. 9 Dublin III-VO. Denn weder die Verlobte des Klägers noch sein Bruder sind Familienangehörige i. S. d. Definition des Art. 2 Buchst. g) Dublin III-VO. Zwar wird vorgetragen, dass der Kläger verheiratet sei. Die in der Bundesrepublik erfolgte Eheschließung vor dem Scheich der ... e.V. ist jedoch nicht rechtswirksam. Eine Ehe kann im Bundesgebiet gem. Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB nur in der hier vorgeschriebenen Form, d. h. vor dem Standesamt, geschlossen werden. Dies ist nicht erfolgt. Bei dem Scheich der ... e.V. handelt es sich auch nicht um eine von der Regierung des Irak ordnungsgemäß ermächtigte Person, der die Ehe in der nach irakischem Recht vorgeschriebenen Form geschlossen hätte (Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB).
Damit ist vorliegend Bulgarien der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat. Bulgarien hat dementsprechend auch der Rücküberstellung gem. Art. 20 Abs. 5 Dublin III-VO zugestimmt.
Die Zuständigkeit ist auch nicht zwischenzeitlich gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen. Unabhängig von der Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO durch die Beklagte, sind zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts noch keine sechs Monate seit der Entscheidung über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz am 11. März 2016 verstrichen (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO).
Der Kläger kann der Überstellung nach Bulgarien auch nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so dass eine Überstellung nach Bulgarien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO).
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Angesichts der grundlegenden Veränderungen im Laufe des Jahres 2014 bestehen in Bezug auf Bulgarien nach aktuellem Kenntnisstand keine durchgreifenden Bedenken, dass dem Kläger im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 29.1.2015 - 13a B 14.50039 - juris) und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - juris) geht das erkennende Gericht auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern (vgl. UNHCR, „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014 - abrufbar unter: www.refworld.org/docid/52c598354.html; UNHCR, „Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“ vom April 2014 - abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes; amnesty international, „Amnesty report 2015 Bulgarien“ - abrufbar unter: www.amnesty.de/jahresbericht/2015/bulgarien; „Amnesty report 2016 Bulgarien“ - abrufbar unter: www….; European Asylum Support Office (EASO), „Special Support Plan to Bulgaria“ vom 5.12.2014 - abrufbar unter: www…., Presseerklärung vom 23.5.2014: „Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien“ - abrufbar unter: www…., „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ vom April 2015 - abrufbar unter: www….pdf; Asylum Information Database (aida), „Country Report Bulgaria“, Stand: 30.9.2015 - abrufbar unter: www….; European Council on Refugees and Exiles (ECRE), „ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation“ vom 7.4.2014 - abrufbar unter: www … html; Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg
Zwar war die Situation Asylsuchender in Bulgarien nach einem Anstieg der Asylanträge zu Beginn des Jahres 2014 teilweise heftiger Kritik ausgesetzt. So ging der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) im Januar 2014 davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden und plädierte dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen (vgl. „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014). Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (vgl. „Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue” vom 31.3.2014), European Council on Refugees and Exiles (vgl. „ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation” vom 7.4.2014) und Pro Asyl an. Auch in der Stellungnahme von Pro Asyl vom 30. Mai 2014 wird auf die von UNHCR Anfang 2014 festgestellten Mängel im bulgarischen Asylsystem Bezug genommen und eine Aussetzung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien gefordert. In seiner aktualisierten Bestandaufnahme vom April 2014 („Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“, Seite 2 und 17) hält UNHCR ungeachtet fortbestehender ernsthafter Mängel einen generellen Aufschub aller Dublin-Überstellungen nach Bulgarien jedoch nicht länger für gerechtfertigt, sondern empfiehlt nur bei Personen mit besonderen Bedürfnissen oder besonderer Schutzwürdigkeit - zu denen der Kläger nicht gehört - von einer Überstellung abzusehen. Dem Bericht vom April 2014 zufolge haben sich die Aufnahmebedingungen im Vergleich zur Situation im Dezember 2013, die der Stellungnahme vom 2. Januar 2014 zugrunde lag, erheblich verbessert (vgl. auch VGH BW, U.v. 10.11. 2014 - A 11 S 1778/14 - Rn. 49). Auch amnesty international sieht im Jahresbericht 2015 und 2016 trotz weiterhin erhobener Kritik insbesondere an der mangelhaften Integration anerkannter Asylbewerber davon ab, ein Rücküberstellungsverbot zu fordern.
Nach aktueller Erkenntnislage sind die in der Vergangenheit festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes zwar nicht gänzlich ausgeräumt; allerdings sind weitgehende positive Veränderungen erkennbar, die der Annahme durchgreifender Mängel des bulgarischen Asylsystems entgegenstehen. So sind die Kapazitäten aufgrund einer technischen und personellen Aufrüstung als auch einer gezielten Ausbildung neuer Kräfte signifikant gestiegen. Damit ist mittlerweile sowohl eine ordnungsgemäße Registrierung einschließlich der notwendigen Information der Asylbewerber über den Zugang zum Verfahren gewährleistet als auch eine regelgerechte Durchführung der Asylverfahren. Die eingereisten Flüchtlinge können bei der Registrierung mit der ersten Befragung ihr Asylbegehren vorbringen; sie haben Zugang zu Dolmetschern. Haft ist für Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gesetzlich nicht mehr vorgesehen. Der Zugang zu regionalen Gerichten ist eröffnet (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.15 - 13a B 14.50039 - juris Rn. 41 m. w. N.).
Auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen von Asylsuchenden in Bulgarien ist derzeit nicht von systemischen Mängeln im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auszugehen. Die früher bestehenden Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind in baulicher wie auch in personeller Hinsicht im Wesentlichen behoben worden. Bereits im Februar 2014 hat das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office - EASO) die Aufnahmezentren im Wesentlichen in einem vernünftigen Zustand vorgefunden. Die Unterkünfte wurden renoviert und die Sanitärbereiche erneuert. Nachdem UNHCR im April 2014 noch berichtet hatte, dass in zwei von sieben Zentren ungeeignete Rahmenbedingungen vorhanden seien, und aida im April 2014 sowie die Bundesregierung im Mai 2014 von einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82% ausgegangen waren, stellte EASO im Dezember 2014 fest, dass die Kapazitäten signifikant auf nunmehr 6000 Plätze angestiegen und die dortigen Lebensbedingungen deutlich verbessert worden seien. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal mit täglich zwei warmen Mahlzeiten sichergestellt; in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingearbeitet worden. Da jeder Asylantragsteller krankenversichert wird und eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger erhält, ist die medizinische Versorgung ebenfalls gewährleistet (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.15 - 13a B 14.50039 - juris Rn. 41 m. w. N.).
Die Verbesserung der Aufnahmebedingungen wird auch in aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg
Hinsichtlich der Situation von Dublin-Rückkehrer lässt sich dem aktuellen aida-Länderbericht zu Bulgarien (Stand: 30.9.2015, S. 27 ff.) entnehmen, dass derzeit grundsätzlich keine Hindernisse beim Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer bestehen. Dublin-Rückkehrer erhalten die gleichen Rechte wie andere Antragsteller im Erstverfahren und werden im Anschluss an die Rückkehr üblicherweise in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht.
Auch der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen (vgl. EGMR, U.v. 21. 1.2011 - 30969/09 - juris Rn. 249); auch reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, B.v. 2. 4.2013 - 27725/10 - juris). Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst (vgl. VG Ansbach, U.v. 10.7.2015 - AN 14 K 15.50050 - juris Rn. 31; VG Düsseldorf, B.v. 15. 4.2013 - 17 L 660/13.A - juris Rn. 43 m. w. N.; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 29.1.2015 - 14 A 134/15.A). Anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien müssen sich nach alledem auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Lebensstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Bericht von Pro Asyl „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ vom April 2015. Soweit darin ein Überstellungsstopp gefordert wird, beruht dies auf Berichten von Einzelschicksalen aus den Jahren 2012 bis Anfang 2014. Die dort geschilderten Zustände sind jedoch aufgrund der neueren Entwicklungen überholt. Zudem lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass systemische Schwachstellen vorlägen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Die Bulgarien vorgeworfenen Verstöße gegen das Refoulement-Verbot durch Zurückschiebungen an der bulgarischtürkischen Grenze (vgl. Seite 27 f. des Berichts) betreffen den Kläger nicht, weil dieser sich bereits auf Unionsgebiet befindet. Anhaltspunkte dafür, dass Bulgarien in Bezug auf Dublin-Rückkehrer gegen das Refoulement-Verbot verstößt, lassen sich dem Bericht von Pro Asyl nicht entnehmen. Soweit sich der Bericht des Weiteren mit den Problemen befasst, denen sich Inhaber eines Aufenthaltstitels ausgesetzt sehen, handelt es sich hierbei aber nicht um Probleme während des Asylverfahrens, sondern - da insoweit den Quellen zufolge kein Unterschied zu bulgarischen Staatsbürgern besteht - um die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien und eine allgemeine soziale Problematik. Ein hinreichendes Indiz für systemische Schwachstellen im Asylverfahren wird dadurch nicht begründet.
Bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Erkenntnisse erreichen die noch bestehenden Mängel jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel. Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren.
Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, ihm sei nicht ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Zwar regelt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO, dass der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller führt, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern. Ob dieses bereits mit der Befragung vom 17. August 2015 angenommen werden kann oder die Beklagte aufgrund des Nichterscheinens zur Zweitbefragung am 12. November 2015 hierauf verzichten konnte, kann dahinstehen, da auch ein möglicher Verfahrensfehler keine Auswirkung auf die Entscheidung der Beklagten gehabt hätte (vgl. VG Ansbach, B.v. 29.10.2015 - AN 3 S 15.50473 - juris; VG Schwerin, B.v. 17.3.2015 - 3 B 687/15 As - juris; VG Berlin, B.v. 30.7.2014 - 34 L 95.14A - juris). Denn bei der Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Nur ausnahmsweise kann der unzuständige Staat in einem zweiten Schritt die Zuständigkeit nach Art. 17 Dublin III-VO an sich ziehen. Diese Selbsteintrittskompetenz wiederum begründet jedoch - wie auch die übrigen Bestimmungen der Dublin III-VO - grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Sie dienen als innerstaatliche Organisationsvorschriften vielmehr in erster Linie der klaren und praktikablen Bestimmung der Zuständigkeit innerhalb der Mitgliedstaaten (vgl. hierzu die Erwägungsgründe 3 und 16 der Verordnung, OVG R-P, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13 - juris; VG Düsseldorf, B.v. 9.1.2015 - 13 L 2878/14.A - juris). Allenfalls in Fällen, in denen die Durchsetzung einer Zuständigkeit nach der Dublin III-VO eine Verletzung der EMRK bedeuten würde, käme ein subjektives Recht des Drittstaatsangehörigen auf Durchsetzung der Ausübung des Selbsteintrittsrechts in Betracht (Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, K2 und K3 zu Art. 17). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat - auch im gerichtlichen Verfahren - weder Gesichtspunkte aufgezeigt noch sind solche ersichtlich, dass es in seinem Fall geboten ist, dass die Beklagte die Zuständigkeitsprüfung fortsetzen oder sogar von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsste. Der Kläger ist ein gesunder junger Mann, der nicht zu den Personen mit besonderen Bedürfnissen oder besonderer Schutzwürdigkeit gehört. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung. Dass die Beklagte von ihrem Selbsteintrittsrecht unter Hinweis darauf, dass außergewöhnliche humanitäre Gründe nicht ersichtlich seien, vorliegend keinen Gebrauch gemacht, ist nicht zu beanstanden. Allein die Existenz eines Bruders bzw. einer Verlobten, denen in Deutschland die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden sein soll, stellt keinen derart außergewöhnlichen humanitären Grund dar.
2. Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Klägers nach Bulgarien begegnet keinen Bedenken. Inlands- oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse liegen nicht vor. Die bulgarischen Behörden haben der Rückführung des Klägers mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 ausdrücklich zugestimmt.
3. Die im Bescheid unter Nr. 3 gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ausgesprochene Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf sechs Monate ist nach Maßgabe des § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Über die Länge der Frist wird gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden, wobei die Befristung im Regelfall fünf Jahre nicht überschreiten darf. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensausübung sind nicht erkennbar. Die von der Beklagten festgesetzte Frist hält sich im unteren Bereich der zulässigen Befristungsdauer. Gründe für einen noch kürzeren Befristungszeitraum sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 6. Juni 2016 gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 7072/16.A gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Mai 2016 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
6Der Antrag ist nach § 34a Abs. 2 S. 1 Asylgesetz (AsylG)
7in der Fassung der Bekanntmachung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394),
8zulässig, insbesondere ist die dort bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe gewahrt.
9Der Antrag ist aber unbegründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das bezüglich der Abschiebungsanordnung durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides begegnet bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Greifbare Anhaltspunkte, aufgrund derer das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen könnte, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
10Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 27a AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
11Gemäß § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III‑VO). Diese findet gemäß ihres Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, mithin auch auf den von dem Antragsteller im März 2016 gestellten Asylantrag.
12Nach Art. 13 Abs. 1 der Dublin III‑VO ist Bulgarien für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig. Nach dieser Norm ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, in den der betreffende Ausländer ausweislich der in dieser Norm genannten Erkenntnismittel aus einem Drittstaat kommend illegal eingereist ist, wenn der Tag des illegalen Grenzübertritts zum maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III‑VO) noch nicht länger als zwölf Monate zurückliegt. Die Anfrage im EURODAC‑Verzeichnis hat ergeben, dass sich der Antragsteller vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Bulgarien aufgehalten hat. Das stimmt überein mit seinen eigenen Angaben gegenüber dem Bundesamt am 1. März 2016, wonach er von Serbien kommend nach Bulgarien eingereist ist. Es liegen damit hinreichende Indizien dafür vor, dass der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal nach Bulgarien eingereist ist und diese Einreise zum Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat noch nicht länger als ein Jahr zurückliegt.
13Die damit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III‑VO für Bulgarien anzunehmende Zuständigkeit ist auch nicht nachträglich entfallen. Insbesondere hat das Bundesamt innerhalb der in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Frist am 11. April 2016 ein Wiederaufnahmegesuch an Bulgarien gerichtet. Bulgarien hat dem Ersuchen mit am 25. April 2016 beim Bundesamt eingegangenen Schreiben auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO stattgegeben.
14Ferner ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Bulgarien liegt weniger als sechs Monate zurück.
15Darüber hinaus kann sich der Antragsteller auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, weil seiner Überstellung nach Bulgarien rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert nur die Überstellung dorthin, begründet aber kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
16vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C 394/12 -, juris, Rdn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rdn. 37; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rdn. 7.
17Davon abgesehen ist die Antragsgegnerin aber auch nicht ‑ unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ‑ nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, den Antragsteller nach Bulgarien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
18EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413,
19der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
20Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 94.
21Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
22EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rdn. 86.
23Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rdn. 6 ff. m.w.N.
25Nach diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Bulgarien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr begründen, dass ein nicht ernsthaft erkrankter, alleinstehender Asylbewerber (wie hier der Antragsteller) im Falle seiner Überstellung nach Bulgarien unmenschlicher Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh, Art. 3 EMRK ausgesetzt würde,
26vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 10. November 2014 - A 11 S 1778/14 -, Rdn. 42 ff,. juris und vom 18. März 2015 – A 11 S 2042/14 –, Rdn. 57, juris; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. März 2016 ‑ 3 L 47/16 ‑, Rdn. 30 ff, juris; VG Minden, Urteil vom 10. Februar 2015 – 10 K 1660/14.A –, Rdn. 57, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016 ‑ 2a K 3697/15.A –, Rdn. 38, juris; VG Regensburg, Beschluss vom 23. Februar 2016 ‑ RN 1 S 16.50036 –, Rdn. 21 ff, juris; VG München, Beschluss vom 11. März 2016 – M 12 S 16.50118 –, Rdn. 29, juris; VG Köln, Beschluss vom 29. April 2016 ‑ 2 L 917/16.A ‑, Rdn. 29, juris sowie die jeweils zitierten Erkenntnisse und Auskünfte.
27Soweit mit Blick auf die auch derzeit noch aktuelle Erkenntnislage,
28insbesondere unter Auswertung des AIDA-Länderreports Bulgarien, Stand Oktober 2015,
29ein relevantes Risiko für Dublin-Rückkehrer angenommen wird, ohne sachliche Prüfung ihres Asylbegehrens als Folgeantragsteller behandelt zu werden und in eine Hafteinrichtung zu gelangen, wo sie mit unzureichenden Versorgungsbedingungen konfrontiert wären,
30vgl. VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 4. Februar 2016 – A 6 K 1356/14 –, Rdn. 24, juris,
31ist dies auf die Situation, in der sich der Antragsteller befindet, nicht übertragbar. Denn diese Gefahr zeigt der AIDA-Report ausdrücklich für diejenigen Dublin-Rückkehrer auf, deren Asylgesuch in Abwesenheit abgelehnt wurde, was (gerade bei einem Aufenthalt des Asylbewerbers in Bulgarien in der kritischen Periode von Ende 2013 bis Anfang 2014) sogar bei solchen Asylbewerbern der Fall sein könne, deren Wiederaufnahme Bulgarien nach Art. 13 Dublin III-VO akzeptiert habe,
32AIDA-Länderreport Bulgarien, Stand Oktober 2015, S. 29.
33Bezogen auf den Antragsteller liegt der Fall anders: Hier nahm die bulgarische Behörde das Wiederaufnahmeersuchen ausdrücklich auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO an. Bei dieser Sachlage deutet nichts darauf hin, dass das Asylverfahren des Antragstellers in Bulgarien bereits negativ abgeschlossen ist.
34Desgleichen fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass im Falle des Antragstellers die Gefahr besteht, dass er sein Recht auf Versorgung und Unterbringung verwirkt hätte,
35vgl. hierzu: VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 4. Februar 2016 – A 6 K 1356/14 –, Rdn. 24, juris.
36Zwar dürfte es auf Dublin-Rückkehrer - wie den Antragsteller - häufig zutreffen, dass sie die Aufnahmeeinrichtung mehr als drei Tage lang ohne erforderliche Erlaubnis verlassen haben, was den Verlust des Rechts auf Versorgung und Unterbringung nach sich ziehen kann,
37AIDA-Länderreport Bulgarien, Stand Oktober 2015, S. 29, 30.
38Zur Vorgehensweise der bulgarischen Behörden bei der Rücküberstellung von Dublin-Rückkehrern wird aber zuvor ausgeführt, dass Dublin-Rückkehrer, deren Asylverfahren noch anhängig ist, nach Empfangnahme durch die bulgarische Grenzpolizei zu einer Aufnahmeeinrichtung transferiert werden,
39AIDA-Länderreport Bulgarien, Stand Oktober 2015, S. 29.
40Angesichts der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse, dass die Kapazitäten in den bulgarischen Aufnahmeeinrichtungen ausreichen, um alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden aufzunehmen und die Belegungsrate durchschnittlich bei 50 % liegt,
41vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 30. November 2015 zum dortigen Verfahren 11 A 4488/15, Az. 508-9-516.80/48591; zur entsprechenden Belegungsrate des Aufnahmezentrums Ovcha Kupel nahe Sofia: Meldung der Zeitung TAZ „Eine Menschenrechtsorganisation aus Serbiens Hauptstadt Belgrad erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden eines EU-Mitgliedstaats“ vom 16. Dezember 2015,
42fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung nach Bulgarien die Aufnahme in einer Asylbewerberunterkunft tatsächlich verweigert würde.
43Soweit Erkenntnisse darüber vorliegen, dass nach Bulgarien einreisende Schutzsuchende unverhältnismäßiger Gewalt seitens der bulgarischen Grenzpolizei ausgesetzt sind und unter Verletzung rechtlicher Vorgaben gezwungen werden, in die Türkei bzw. nach Serbien zurückzukehren,
44vgl. ecre-Meldung “Asylum seekers in Bulgaria subject to violence, abuse and push-backs” vom 22. Januar 2016, http://www.ecre.org/asylum-seekers-in-bulgaria-subject-to-violence-abuse-and-push-backs/ m.w.N.; Meldung der Zeitung TAZ „Eine Menschenrechtsorganisation aus Serbiens Hauptstadt Belgrad erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden eines EU-Mitgliedstaats“ vom 16. Dezember 2015,
45oder nach Griechenland zurückgeschickt werden,
46vgl. Meldung der elektronischen Ausgabe der Zeitung Frankfurter Allgemeine (FAZ) „Bulgarien setzt Soldaten ein“ vom 30. Mai 2016,
47und die Bedingungen in bulgarischen Hafteinrichtungen von Gewalt sowie unzureichender Versorgung geprägt sind,
48vgl. ecre-Meldungen “Asylum seekers in Bulgaria subject to violence, abuse and push-backs” vom 22. Januar 2016, http://www.ecre.org/asylum-seekers-in-bulgaria-subject-to-violence-abuse-and-push-backs/ sowie „Refugees in Serbia report physical violence and abuses by the Bulgarian police” vom 20. November 2015, http://www.ecre.org/refugees-in-serbia-report-physical-violence-and-abuses-by-the-bulgarian-police/, jeweils m.w.N.; Meldung der Zeitung TAZ „Eine Menschenrechtsorganisation aus Serbiens Hauptstadt Belgrad erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden eines EU-Mitgliedstaats“ vom 16. Dezember 2015,
49fehlen ebenfalls hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller als Dublin-Rückkehrer, dessen Asylantrag in Bulgarien anhängig ist, hiervon betroffen sein wird.
50Soweit überdies in Bulgarien erhebliche Defizite bei der Versorgung anerkannter Schutzberechtigter bestehen mögen, ist der Antragsteller hiervon - bei seinem derzeitigen Status - ebenfalls nicht betroffen.“
51Unter diesen Umständen steht gegenwärtig auch im Sinne von § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat nach dieser gesetzlichen Maßgabe neben zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen. Für eine insoweit eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde verbleibt daneben kein Raum,
52vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 -18 B 1060/11 -, juris Rn. 4; OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. Juli 2012- 2 LB 163/10 -, juris Rn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 ‑ OVG 2 S 6.12 -, juris Rn. 4 ff.; VGH Bayern, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, juris Rn. 4 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris Rn. 9 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004- 2 M 299/04 -, juris Rn. 9 ff.
53Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen,
54vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris m.w.N.
55Derartige zielstaats- oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich.
56Sonstige Gründe für ein Überwiegen des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung der Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse sind nicht erkennbar.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
58Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller will mit seinem Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Der am ... 1980 geborene Antragsteller gab bei seiner Asylantragstellung am
Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates am
Das Innenministerium Bulgariens erklärte sich nach Art. 18 Abs. 1 b Dublin III-VO wegen des früheren Aufenthaltes In Bulgarien zur Rückübernahme des Antragstellers bereit.
Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid des Bundesamts vom
Der Bescheid wurde mit Schreiben vom
Mit Telefax seines Prozessbevollmächtigten vom
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, in Bulgarien leide das Asylverfahren unter systemischen Mängeln. Verbesserungen habe es nicht gegeben. Vielmehr gebe es in Bulgarien Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Der Zugang anerkannter Flüchtlinge oder subsidiär Geschützter zur Gesundheitsversorgung sei nicht gewährleistet. Der Kläger leide unter starkem Bluthochdruck und häufigen Schwindelanfällen. Fraglich sei, ob er reisefähig sei. Unklar sei auch, ob in Bulgarien ein wirksamer Asylantrag gestellt worden sei.
Bei seinem Gefängnisaufenthalt habe er nur farbiges Leitungswasser aus verrosteten Rohren zu trinken bekommen. Insgesamt habe es sich um eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung gehandelt. Das Auswärtige Amt habe in seiner Stellungnahme vom 23.7.2015 bestätigt, dass es keine Integrationsmaßnahmen und gegenüber bulgarischen Staatsangehörigen reduzierte Sozialleistungen gebe. Der Erhalt eines Schutzstatus führe zur Obdachlosigkeit. Es gebe keine Chance auf eine Arbeitsstelle und keine Unterstützung bei der Krankenversicherung. Die Kumulation der Benachteiligung bei behördlicher Gleichgültigkeit begründe eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Dies entspreche auch der neueren Rechtsprechung einiger Verwaltungsgerichte.
Der Kläger habe in Bulgarien erklärt, keinen Asylantrag stellen zu wollen. Er könne in Bulgarien auch nicht auf die Hilfe von Verwandten zurückgreifen.
Im Hinblick auf gravierende Konsequenzen, die dem Antragsteller auch in gesundheitlicher Hinsicht drohten, müsse die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werden.
Die Antragsgegnerin beantragte unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid, die Klage abzuweisen und
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird dahingehend ausgelegt, § 88 VwGO, dass er sich (nur) auf die Abschiebungsanordnung bezieht. Hinsichtlich der Ziffern 1. und 3. des angefochtenen Bescheides könnte eine Regelung auch allenfalls durch eine einstweilige Anordnung getroffen werden. Ein diesbezüglicher Antrag wäre aber zu Ziffer 1. des Bescheides bereits ohne Betrachtung der materiellen Rechtslage als Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig. Die Bestimmung der Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbotes in Ziffer 3. gilt erst ab dem Tag der Abschiebung, nicht im Falle der freiwilligen Ausreise. Es ist auch nichts vorgetragen, weshalb die relativ kurze Frist den Antragsteller in seinen Rechten verletzen soll. Hinsichtlich der Ziffern 1. und 3. des Bescheides fehlt auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung.
Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung nach Bulgarien mit Bescheid des Bundesamts vom
Nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylG) an, wenn der Ausländer dorthin abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
1. Bulgarien ist der für das Asylverfahren des Antragstellers zuständige Staat nach § 27 a AsylG, in den eine Abschiebung möglich ist. Denn Bulgarien hat auf die Übernahmenachfrage das Einverständnis mit der Wiederaufnahme des Antragstellers erklärt, nachdem sich dieser zuvor in Bulgarien aufhielt.
Nicht maßgeblich ist, dass der Antragsteller in Bulgarien keinen Asylantrag stellen wollte. Die Zuständigkeit des Vertragstaats Bulgarien nach der Dublin III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2013) ist nicht nur nach Art. 18 Abs. 1 a Dublin III-VO wegen Stellung eines Asylantrags in Bulgarien gegeben, sondern auch, weil der Antragsteller nach Bulgarien eingereist ist, Art. 3 Abs. 1, 13 Dublin III-VO. Auf die Frage, ob der Antragsteller zur Stellung eines Asylantrages gedrängt wurde, kommt es damit nicht an.
2. Mängel des bulgarischen Aufnahmesystems stehen einer Rücküberstellung des Antragstellers nach Bulgarien nicht entgegen.
§ 34 a AsylG, der die Abschiebung ohne materielle Prüfung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Asylantrags zulässt, beruht auf dem sogenannten Konzept der normativen Vergewisserung. Grundlage und Rechtfertigung des gemeinsamen europäischen Asylsystems ist die Vermutung, dass das Asylverfahren und die Aufnahme der Asylbewerber in jedem Mitgliedsstaat in Einklang stehen mit den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Demnach nimmt der Gesetzgeber an, dass dem Asylsuchenden im Zielstaat der Abschiebung keine politische Verfolgung droht und er dort - wie auch in der Bundesrepublik Deutschland - ein Asylverfahren vorfindet, das ihm Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm in seinem Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt. Ein Bedürfnis für eine Schutzgewährung (gerade) in der Bundesrepublik Deutschland wird deshalb nicht gesehen (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - BVerfGE 94, 49 ff.). Abweichungen von diesem Konzept sind nach der Rechtsprechung in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich und nötig. Das Konzept der normativen Vergewisserung wird vor allem dann durchbrochen, wenn ernsthaft zu befürchten steht, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Zielstaat der Abschiebung systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Asylbewerbers nach Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) implizieren (vgl. EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C 411/10, NVwZ 2012, 417). Es ist deshalb zu prüfen, ob bei der Behandlung von Asylbewerbern in Bulgarien die Mindeststandards im Allgemeinen eingehalten werden. Nicht jede Fehlleistung im Einzelfall lässt das Konzept der normativen Vergewisserung hinfällig werden. Erst wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im aufnahmebereiten Staat grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen, scheidet eine Abschiebung in diesen Mitgliedstaat aus.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat in seinem
Danach änderte der UNHCR mit seinem Bericht „Bulgaria As a Country of Asylum - UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom April 2014, deutsche Übersetzung: UNHCR; Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien, seine Einschätzung und erklärte aufgrund der festgestellten Verbesserungen ausdrücklich, dass ein generelles Absehen aller Überstellungen von Asylsuchenden gemäß der Dublin III-VO nicht mehr gerechtfertigt sei.
Die Mehrzahl der Asylbewerber sei Ende 2013 nach Bulgarien gereist, danach sei der Zustrom von Asylbewerbern sowie Personen, die insbesondere die bulgarisch-türkische Grenze überschritten hätten, deutlich zurückgegangen. Die Lebensbedingungen in den Zentren hätten sich signifikant im Vergleich zur beobachteten Situation im Dezember 2013 verbessert, besonders gelte dies für Harmanli, wo sich im Berichtszeitraum mehr als 1000 Personen aufgehalten hätten. Der Zugang zu medizinischer Erstversorgung, Registrierung der Asylbewerber, Unterbringung der Männer und Frauen sowie die finanzielle monatliche Unterstützung sei gegeben. Der UNHCR gebe seit Dezember 2013 in Harmanli, seit Februar in drei weiteren Zentren zwei warme Mahlzeiten pro Tag aus. Die bulgarische Flüchtlingsagentur SAR habe seit Februar 2014 die Verantwortung für alle Zentren übernommen. Die generelle medizinische Versorgung habe sich verbessert, nachdem Ärzte und Schwestern vom SAR rekrutiert worden seien. Versorgungslücken gebe es durchaus für Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen.
Am
Der UNHCR beobachte weiterhin eng die Entwicklungen in Bulgarien und werde weitere Beobachtungen veröffentlichen, wenn und soweit dies erforderlich sei.
Das Gericht ging nach dieser Auskunft nicht mehr davon aus, dass im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel mit der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta bestehen (so auch VG Augsburg, B. v. 25.8.2014, 7 S 14.50199; VG Würzburg, B. v. 18.8.2014, W 6 S14.50098; VG Regensburg, B. v. 25.6.2014, RN 3 S 14.50144,
Dem stand auch nicht entgegen, dass amnesty international im Bericht vom
Ergänzend erklärte der UNHCR (an VG Minden
In seiner Stellungnahme vom 31.7.2015 (an VG Meiningen, Aktualisierte Antworten auf Fragen von UNHCR Deutschland im Zusammenhang mit Überstellungen nach dem Dublin-Verfahren) wird darauf hingewiesen, dass die SAR eine um sechs Monate verlängerte Unterbringung von über 700 schutzberechtigten Personen dulde. Die Situation für Asylsuchende habe sich durch eine gestiegene Zahl von Asylbewerbern verschlechtert, da es auch zu wenig Dolmetscher (Ende Juni 2015 gebe es 20, wegen Geldmangels werde der ursprüngliche Plan, weitere 28 einzustellen, nicht verwirklicht) und weiteres Personal für die Bearbeitung der Asylfälle gebe. In Harmanli, wo über 1.800 Asylbewerber untergebracht seien, gebe es nur einen Dolmetscher. Auch sonstige Erschwernisse seien gegeben. Die Essensvorräte gingen zu Ende. Das gelte insbesondere für diätische Lebensmittel und Babynahrung.
Immer mehr Asylverfahren würden aber auch anderweitig erledigt, da viele Asylsuchende untertauchten. Die SAR habe erklärt, dass es monatliches Taschengeld nicht mehr gebe, da drei Mahlzeiten pro Tag bereitgestellt würden. Besonders Schutzbedürftige seien davon betroffen, da sie Medikamente nicht bezahlen könnten. Es fehle auch an Geld, um die medizinischen Fachkräfte in den Aufnahmeeinrichtungen zu bezahlen.
Sprachkurse würden nicht mehr angeboten. Die hygienischen Bedingungen in den Einrichtungen sei prekär. Die Anfang 2014 erweiterten Aufnahme- und Bearbeitungskapazitäten der SAR stießen allmählich an ihre Grenzen.
Erfolge die Überstellung eines Dublin-Rückkehrers mehr als drei Monate und zehn Tage nach der Registrierung des Asylantrags oder sei der Antrag in Abwesenheit des Antragstellers oder ein Folgeantrag abgelehnt worden, werde davon ausgegangen, dass sich der Antragsteller illegal im Land aufhalte. Er werde in Abschiebehaft genommen und nur entlassen, wenn er einen Platz in einer SAR-Einrichtung oder eine andere Adresse nachweisen könne und auf staatliche Unterstützung verzichte. Soweit im Asylverfahren noch nicht in der Sache entschieden worden sei, werde es prinzipiell an der Stelle wieder aufgenommen, an der es unterbrochen worden sei.
Vom 1.1.2015 bis 17.6.2015 seien in Bulgarien 4.339 Dublin-Gesuche eingegangen. 125 Überstellungen seien durchgeführt worden.
Am
Der Zugang zum Schulsystem begegne in der Praxis zahlreichen Hindernissen, insbesondere hinsichtlich der Sprachtests, die derzeit nicht angebotene Sprachkurse voraussetzten.
Nach der neuesten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27.1.2016 haben Dublin-Rückkehrer, selbst wenn ihr früheres Asylverfahren abgeschlossen wurde, die Möglichkeit, dass das Verfahren fortgeführt wird (Bezugnahme des Auswärtigen Amtes auf Auskünfte des UNHCR). Die Situation in den Aufnahmeeinrichtungen habe sich nach eigenen Feststellungen des Auswärtigen Amtes immer weiter verbessert und sei insgesamt als akzeptabel zu bewerten. Bei einer Kapazität von 5.130 Plätzen hätten sich am 24.12.2015 nach dem UNHCR (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27.1.2016) nur 612 Personen in sechs Zentren aufgehalten. Die medizinische Grundversorgung sei gewährleistet und eine ausreichende Zahl von Dolmetschern vorhanden. Die Aufnahmebedingungen für besonders schutzbedürftige Personen sei angesichts der bei weitem nicht erreichten Auslastung der Kapazitäten grundsätzlich gut.
Insgesamt lässt sich damit feststellen, dass Mitte 2015 aufgrund der damals hohen Zahlen von Asylbewerbern und Bewohnern der Einrichtungen Schwierigkeiten gegeben waren, die sich durch die mittlerweile stark gesunkene Zahl der Bewohner der Einrichtungen zwar noch nicht vollständig gelöst, aber wesentlich verbessert haben. Systemische Mängel im Asylverfahren sind damit ersichtlich nicht gegeben.
3. Zutreffend ist, dass demgegenüber die Situation von anerkannten Schutzberechtigten problematisch ist. Nach der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 23.7.2015 an das VG Stuttgart befinden sich unter den anerkannten Schutzberechtigten in Bulgarien nur etwa 700 Personen, die ernstzunehmende Pläne haben, sich eine dauerhafte Zukunft in Bulgarien aufzubauen. Das liege insbesondere an den fehlenden Integrationsplänen und den sehr geringen reellen Chancen, sich eine Existenz aufzubauen. Es erhielten auch nur wenige anerkannte Schutzberechtigte die finanzielle Unterstützung von ca. 33,-- EUR pro Monat. Nur ein verschwindend geringer Teil erhalte bei der Wohnungssuche Unterstützung. In der Regel bedeute der Erhalt des Schutzstatus Obdachlosigkeit.
Schutzberechtigte müssten sich auch selbst krankenversichern. Eine staatliche Unterstützung bestehe nicht. Der Zugang zum Arbeitsmarkt sei äußerst erschwert, zumal Sprachschwierigkeiten ohne ein ausgeweitetes Angebot von Sprachkursen bestünden. Oftmals fehle auch die Bereitschaft der Arbeitgeber, Schutzberechtigte einzustellen. Stellen am Schwarzmarkt würden größtenteils von Roma eingenommen. Auch für Akademiker bestünden keine erhöhten Chancen zur Integration am Arbeitsplatz.
Diese schwierige Situation betrifft zwar nicht unmittelbar Asylbewerber bzw. Dublin-Rückkehrer. Sie ist für die Gesamtbeurteilung aber bedeutsam, da ein Asylverfahren unzumutbar wäre, wenn zwangsläufige Folge eines erfolgreichen Asylverfahrens das Leben in einer aussichtslosen Situation unter Verletzung von Grundrechten wäre. Hiervon kann aber derzeit nicht ausgegangen werden.
Während sich im Jahr 2014 bei 11.081 Schutzsuchenden (aida country report vom 31.1.2015) die zuvor schlechte Situation der Flüchtlinge verbesserte, ist sie bei einer Steigerung auf 12.738 Flüchtlinge in der Zeit von Januar bis September 2015 (aida Oct. 2015, Steigerung um ca. 50%) hinsichtlich der anerkannten Schutzberechtigten weiterhin sehr schwierig. Möglicherweise hat sie sich sogar noch verschlechtert. Während der UNHCR in seiner Auskunft vom April 2014 darauf hinweist, dass Schutzberechtigte aufgrund mangelhafter Unterstützung bei der Suche nach einer angemessenen Unterkunft in den Aufnahmezentren bleiben müssten, hat das Auswärtige Amt im Zusammenhang mit den steigenden Asylbewerberzahlen darauf verwiesen, dass der Erhalt des Schutzstatus in der Regel Obdachlosigkeit bedeute.
Hieraus kann aber nicht darauf geschlossen werden, dass ein anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien unzumutbaren Umständen ausgesetzt wird.
Hierzu verweist das OVG Schleswig (Urt. v. 4.12.2015, 10 A 25/15, juris) auf die Grund-sätze des EGMR (Große Kammer) im Urteil vom 04.11.2014 - 29217/12
„[93] Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann die Ausweisung eines Asylbewerbers durch einen Konventionsstaat eine Frage nach Art. 3 EMRK aufwerfen, also die Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach der Konvention begründen, wenn es nachweislich ernsthafte Gründe für die Annahme gibt, dass er im Aufnahmeland tatsächlich Gefahr läuft, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Wenn das so ist, verpflichtet Art. 3 EMRK dazu, den Betroffenen nicht in dieses Land auszuweisen (s. EGMR, Slg. 2008 Nr. 152, insoweit in NVwZ 2008, 1330, nicht abgedruckt - Saadi/Italien; EGMR, Slg. 2011 Nr. 365 = NVwZ 2011, 413 - M. S. S./Bulgarien u. Griechenland; EGMR, 1989, Serie A, Bd. 161 Nr. 90 f. = NJW 1990, 2183 - Soering/Vereinigtes Königreich; EGMR, 1991, Serie A, Bd. 125 Nr. 103 = NVwZ 1992, 869 = NJW 1992, 3085 Ls. - Vilvarajah ua/Vereinigtes Königreich; EGMR, Slg. 1997- III Nr. 34 = NVwZ 1998, 163 - H. L. R./Frankreich; EGMR, Slg. 2000-VIII Nr. 38 = NVwZ Beil. I 2001, 97 - Jabari/Türkei; EGMR, Slg. 2007-I Nr. 135 - Salah Sheekh/Niederlande).
Zwar haben anerkannte Schutzberechtigte einen Anspruch darauf, z. B. die notwendigen Sozialhilfeleistungen, Art. 29 RL 2011/95/EU, wie die Staatsangehörigen des Mitgliedsstaats zu erhalten. Grundsätzlich stehen auch anerkannten Schutzberechtigten in Bulgarien diese Ansprüche zu, wenn auch Bulgarien nicht den ganzen Inhalt der Richtlinie umgesetzt hat (OVG Schleswig
Sind damit die Lebensumstände für anerkannte Schutzberechtigte nicht unzumutbar, können sie von Asylbewerbern einer Rückschiebung nach der Dublin III-VO nicht entgegengehalten werden.
4. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Darstellung des Antragstellers, er sei inhaftiert gewesen und habe nur Wasser aus verrosteten Wasserleitungen erhalten. Mit einer eintägigen Inhaftierung und einem zehntägigen Aufenthalt in einer geschlossenen Aufnahmeeinrichtung sind unter Berücksichtigung der großen Zahl von Asylverfahren in Bulgarien im Jahr 2015 die Formalien der Erstaufnahme in einem durchaus zumutbaren Rahmen erfolgt. Wie sich aus den Umständen der Erstaufnahmeregularien in Deutschland zeigt, bei denen Ende 2015 Tausende von Asylbewerbern über viele Tage im Freien in der Kälte warten mussten, ist es auch in einem Land, das sich um die Gewährleistung menschenwürdiger Umstände bemüht, oft nicht möglich zumutbare Bedingungen zu gewährleisten. Dies stellt aber noch keinen systemischen Mangel des Asylverfahrens dar.
5. Derzeit liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass für den Antragsteller ein nicht zielstaatsbezogenes Vollstreckungshindernis besteht.
Nach dem Wortlaut des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG darf eine Abschiebungsanordnung erst dann erfolgen, wenn feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Während bei der Abschiebungsandrohung die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse regelmäßig durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, ist dies bei der Abschiebungsanordnung anders. Eine Abschiebung darf nur dann erfolgen, wenn diese rechtlich und tatsächlich möglich ist; andernfalls ist die Abschiebung auszusetzen (Duldung). Liegen somit Duldungsgründe im Sinne des § 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, ist die Abschiebung unmöglich und kann auch im Sinne des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht durchgeführt werden. Abweichend von der üblichen Aufgabenverteilung zwischen Bundesamt und Ausländerbehörde hat das Bundesamt bei der Abschiebungsanordnung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass keine inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisse vorliegen (vgl. VG Regensburg, B. v. 30.5.2014 - RN 8 S 14.50117; BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427; OVG Hamburg, B. v. 3.12.2010 - 4 Bs 223/10; VGH Mannheim, B. v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 - jeweils juris). Vollstreckungshindernisse wurden aber weder vom Antragsteller vorgebracht, noch sind sie aus den Behördenakten ersichtlich. Insbesondere sind die genannten Erkrankungen des Klägers nur leicht und können, was z. B. den Bluthochdruck betrifft, auch mit preiswerten Medikamenten gut behandelt werden.
Keinen Anspruch auf ein Bleiberecht ergibt sich aus der möglichen Unterstützung des Antragstellers durch seine erwachsenen Brüder, die sich in Deutschland aufhalten, da diese nicht zur geschützten Kernfamilie gehören.
6. Nach allem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 83 b AsylG.
Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand:
2Der am °°°°° 1989 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger aus dem Volk der Kurden und yezidischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am 21. Mai 2015 ins Bundesgebiet ein und beantragte am 15. Juni 2015 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
3Am 24. Juni 2015 richteten die deutschen Behörden aufgrund eines Treffers der Kategorie 1 in der EURODAC-Datei ein Übernahmegesuch an Bulgarien. Die bulgarische „State Agency for Refugees – Dublin Unit“ erklärte mit Schreiben vom 9. Juli 2015 ihr Einverständnis mit der Rückführung des Klägers nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des
4Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Dublin III-VO –.
5Mit Bescheid vom 19. August 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers nach § 27a des Asylgesetzes – AsylG – als unzulässig ab und ordnete nach § 34a AsylG seine Abschiebung nach Bulgarien an. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – wurde auf zwölf Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, Bulgarien sei aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags für die Prüfung seines Antrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich.
6Der Kläger hat am 26. August 2015 Klage erhoben. Zur Begründung beruft er sich auf systemische Schwachstellen im bulgarischen Asylsystem. Die Verhältnisse in Bulgarien seien nach den vorliegenden Erkenntnissen von Nichtregierungs-Organisationen, insbesondere einem Bericht von „Pro Asyl“ aus April 2015, des UNHCR aus April 2014 und „Bordermonitoring EU – Trapped in Europe´s Quagmire“ aus Juli 2014, sowie dem aktuellen Länderbericht der Asylum Information Database zu Bulgarien menschenunwürdig. Insbesondere sei aufgrund der exorbitant gestiegenen Flüchtlingszahlen eine angemessene Unterbringung der Flüchtlinge nicht gewährleistet. Auch sei nicht sicher, dass sein Asylverfahren nach seiner Rückkehr nach Bulgarien fortgeführt werde. Aufgrund seiner Abwesenheit aus Bulgarien von mehr als drei Monaten und zehn Tagen sei sein laufendes Asylverfahren von den bulgarischen Behörden beendet worden mit der Folge, dass er nach seiner Rückkehr als illegaler Migrant behandelt und inhaftiert werden würde. In diesem Fall drohe ihm die Abschiebung in sein Heimatland Irak, wo er politisch verfolgt werde. Zwar habe er die Möglichkeit, in Bulgarien einen Folgeantrag zu stellen, allerdings werde ein solcher Antrag nur sachlich geprüft, wenn er Kriterien nachweisen könne, die nach der Einstellung des ersten Verfahrens eingetreten
7seien. An solchen würde es aber fehlen, sodass angenommen werden müsse, dass der Folgeantrag abgewiesen werden würde.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. August 2015 zu verpflichten, über seinen Asylantrag im nationalen Verfahren zu entscheiden.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung nimmt sie Bezug auf den angegriffenen Bescheid und ergänzt, Gründe für die Annahme systemischer Mängel im bulgarischen Asylverfahren lägen weiterhin nicht vor.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des zugehörigen Eilverfahrens – 18a L 1777/15.A – und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
14Entscheidungsgründe:
15Das Gericht entscheidet gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung. Auf diese Möglichkeit sind die Beteiligten mit der ordnungsgemäßen Ladung hingewiesen worden.
16Soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, über seinen Antrag im nationalen Verfahren zu entscheiden, ist die Klage unzulässig. Dem Kläger fehlt das nötige Rechtsschutzbedürfnis, weil das Bundesamt, wenn es zuständig ist, den Asylantrag von Amts wegen sachlich prüfen muss, und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es hier nach Aufhebung der Verfügung untätig bleiben würde.
17Vgl. zum Ganzen nur OVG NRW, Urteile vom 16. September 2015 – 13 A 800/15.A – und vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, sämtlich juris.
18Im Übrigen ist die Klage als Anfechtungsklage zulässig, aber unbegründet, weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
19Das Bundesamt durfte die Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers aussprechen und die Abschiebung nach Bulgarien anordnen.
20Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Hier ist die Republik Bulgarien für die Bearbeitung des Asylbegehrens des Klägers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO zuständig, da der Kläger in Bulgarien den ersten Asylantrag im Gebiet der Mitgliedstaaten gestellt hat. Die bulgarischen Behörden haben auf das von der Beklagten gestellte Aufnahmeersuchen vom 24. Juni 2015 mit Schreiben vom 9. Juli 2015 ausdrücklich ihre Zuständigkeit nach dieser Vorschrift bestätigt und der Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt.
21Die Zuständigkeit Bulgariens ist auch nicht nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO entfallen und auf die Beklagte übergegangen. Die Überstellungsfrist von sechs Monaten ist zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) noch nicht abgelaufen.
22Nach § 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO aufschiebende Wirkung hat.
23Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO bestimmt, dass die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht entweder die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung anordnen (Buchst. a), die automatische Aussetzung der Überstellung für einen bestimmten Zeitraum regeln, innerhalb dessen ein Gericht über die Aussetzung entscheidet (Buchst. b), oder ein gerichtliches Aussetzungsverfahren vorsehen (Buchst. c). Im letzteren Fall müssen die Mitgliedstaaten für einen wirksamen Rechtsbehelf in der Form sorgen, dass die
24Überstellung ausgesetzt wird, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ergangen ist.
25Das deutsche Recht sieht diesbezüglich vor, dass die Klage eines Asylsuchenden gegen eine Entscheidung des Bundesamtes nach §§ 27a, 34a Abs. 1 AsylG gemäß § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung hat. Um die aufschiebende Wirkung der Klage zu erreichen, ist bei Gericht innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe der Entscheidung ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht zulässig (§ 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG).
26Damit realisiert das deutsche Recht die Möglichkeit des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Dublin III-VO, d.h. der Asylsuchende hat die Möglichkeit, bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen. Dagegen hat die endgültige Entscheidung über den Rechtsbehelf, also die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in der Hauptsache, keine aufschiebende Wirkung, solange diese nicht im Wege des § 80 Abs. 5 VwGO angeordnet wird.
27Die Dublin III-Verordnung trifft aber keine Regelung zu der Frage, wie sich der Umstand, dass während des Aussetzungsverfahrens nicht abgeschoben werden darf, auf die Berechnung der Überstellungsfrist auswirkt. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO regelt nur den Fall des Art. 27 Abs. 3 Buchst. a) Dublin III-VO, in dem Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht die aufschiebende Wirkung der Klage oder der Überprüfung vorsehen, sowie den Fall, in dem nach Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Dublin III-VO ein Aussetzungsantrag Erfolg hat. Wie die Frist in Ansehung von Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Satz 2 Dublin III-VO zu berechnen ist, wenn ein Aussetzungsantrag erfolglos ist, bestimmt die Dublin III-Verordnung nicht.
28Es spricht nichts dafür, dass der europäischen Gesetzgeber diese Konstellation absichtlich nicht geregelt hat und bewusst in Kauf genommen hat, dass es bis zur unanfechtbaren Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unmöglich ist, die Überstellung durchzuführen, mit der Folge, dass bei einem
29langwierigeren Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Frist ohne weiteres ablaufen kann, ohne dass eine Überstellung möglich gewesen wäre.
30Damit liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, welche interessengerecht zu schließen ist. Diesem Anliegen entspricht es am besten, wenn während des vorübergehenden Vollstreckungshindernisses (in der Zeit zwischen der Zustellung des Bescheids bis zur Zustellung der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes) eine Ablaufhemmung angenommen wird mit der Folge, dass die Überstellungsfrist sich entsprechend verlängert. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass den Mitgliedstaaten grundsätzlich die vollen sechs Monate zur Verfügung stehen sollen, um die Modalitäten der Durchführung der Überstellung zu regeln und bei der Überstellung für den ersuchenden Mitgliedstaat bestehende rechtliche Hindernisse berücksichtigt werden müssen, um nicht zu untragbaren Ergebnissen zu kommen. Mit diesem Grundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Überstellungsfrist trotz des gesetzlichen Vollstreckungshindernisses in Art. 27 Abs. 3 Buchst. c) Satz 2 Dublin III-VO ungehemmt weiterliefe.
31Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 – Rs. C-19/08 – (Petrosian u.a.); OVG NRW, Beschlüsse vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A – und (im Ergebnis) vom 3. November 2015 – 13 A 2255/15.A –; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, sämtlich juris.
32Nach diesen Maßstäben war die sechsmonatige Überstellungsfrist für die Dauer der Antragsfrist und des anschließenden zugehörigen Eilverfahrens – 18a L 1777/15.A – vom Zeitpunkt des Zustellung des Bescheids am 24. August 2015 bis zur Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes mit Beschluss vom 2. November 2016 gehemmt. Die Überstellungsfrist läuft demnach erst am 19. März 2016 ab.
33Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union,
34Urteil vom 10. Dezember 2013 – Rs. C-394/12 – (Abdullahi), juris,
35kann der Asylbewerber gegen seine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat
36systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend machen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – EU-GRCh – bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention – EMRK – ausgesetzt zu werden.
37Systemische Mängel bestehen (erst) bei einer reellen Unfähigkeit des gesamten Verwaltungsapparats zur Beachtung des Art. 4 EU-GRCh, was gleichbedeutend ist mit strukturellen Störungen, die ihre Ursache im Gesamtsystem des nationalen Asylverfahrens haben. Die im jeweiligen nationalen Asylsystem festzustellenden Mängel müssen demnach so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig sind, sondern in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Dies kann einerseits darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind, andererseits aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Asylsystem – mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis – in weiten Teilen funktionslos wird.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –; OVG R.-P., Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13 –, beide juris.
39Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat als Maßstab für die Beantwortung der Frage, ob Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme im europäischen Zielstaat jegliches Überstellen von Asylbewerbern dorthin verhindern, benannt, ob eine Gleichgültigkeit der Behörden des betreffenden Staates gegenüber der stetig steigenden Zahl von Schutzsuchenden vorliegt.
40Vgl. EGMR, Urteile vom 4. November 2014 – Rs.-Nr. 29217/12 – (Tarakhel) sowie vom 21. Januar 2011 – Rs.-Nr. 30696/09 – (M.S.S. ./. Belgien und Griechenland); VGH Bad.-Württ, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14 –, sämtlich juris.
41Unerheblich ist, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein
42Drittstaatsangehöriger einer solchen tatsächlich schon einmal ausgesetzt gewesen ist. Derartige Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Überstellung vorliegen; nur in diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen zu berücksichtigen. Persönliche Erlebnisse Betroffener, die einige Jahre zurückliegen, können allerdings durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel.
43Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14 –, juris.
44In Anwendung dieses Maßstabs bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach Auswertung der vorliegenden Erkenntnisse zum bulgarischen Asylsystem,
45eingehende und aktuelle Informationen über das bulgarischen Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bieten etwa die Country Reports: Bulgaria der Asylum Information Database, Stand Oktober 2015, die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage mehrerer Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE vom 20. Mai 2014 (BT-Drs. 18/1446) und der Bericht des UNHCR von April 2014 (Bulgaria as a Country of Asylum),
46– trotz der zweifellos bestehenden Missstände – keine Anhaltpunkte für das Bestehen systemischer Mängel des bulgarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK.
47Ebenso in jüngerer Zeit VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30. Dezember 2015 – 18a L 2391/15.A –, nicht veröffentlich; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 13 L 1502/14.A –; VG Augsburg, Beschluss vom 12. Januar 2015 – Au 7 S 14.50364 –, beide juris.
48Für die Wertung, dass keine beachtliche Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen gegeben ist, sind die deutlichen
49Verbesserungen maßgeblich, die durch Bemühungen der bulgarischen Behörden sowie deren fachliche, personelle und finanzielle Unterstützung durch europäische Institutionen (insbesondere Europäische Kommission und European Asylum Support Office), den UNHCR und andere Nichtregierungsorganisationen erreicht wurden. Aufgrund dieser Verbesserungen hat der UNHCR, dessen Dokumenten und Stellungnahmen bei der Beurteilung der Situation und der Funktionsfähigkeit des Asylsystems der Mitgliedstaaten eine besondere Relevanz zukommt,
50vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C-528/11 –, juris,
51im April 2014 – jedenfalls für Personen ohne besondere Vulnerabilität – seine Empfehlung aufgehoben, von Überstellungen nach Bulgarien abzusehen und eine solche Empfehlung bislang auch nicht erneut ausgesprochen.
52Diese positiven Entwicklungen setzen sich nach den aktuellen Erkenntnissen fort. Danach reichen die Aufnahmekapazitäten in Bulgarien für alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden aus. Die Belegungsrate der Flüchtlingszentren liegt derzeit bei ca. 50 %. Die Situation in den Aufnahmezentren hat sich immer weiter verbessert und ist heute als akzeptabel zu bewerten. Die Europäische Union hat zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um die umfassenden Renovierungsarbeiten in den Flüchtlingszentren zu Ende zu bringen und laut Auskunft der bulgarischen Behörden ist die Öffnung weiterer Flüchtlingszentren geplant. Die Verpflegung aller Flüchtlinge sowie die medizinische Grundversorgung sind gesichert. Personen mit besonderen medizinischen Bedürfnissen können zwar nicht immer angemessen versorgt werden. Dies betrifft in Bulgarien jedoch nicht nur Schutzsuchende, sondern auch den Großteil der Allgemeinbevölkerung. Auch die Aufnahmebedingungen für Personen mit besonderer Vulnerabilität – etwa Familien mit Kleinkindern – sind angesichts der bei weitem nicht erreichten Auslastung der Kapazitäten gut.
53Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 30. November 2015 sowie an das VG Aachen vom 27. Januar 2015.
54Aus denen soeben zitierten Auskünften ergibt sich auch, dass, sollte das Asylverfahren eines rückgeführten Asylbewerbers während seiner Abwesenheit aus Bulgarien eingestellt worden sei, da er sich nicht innerhalb von drei Monaten nach Aussetzung seines Verfahrens bei der jeweiligen Flüchtlingsagentur gemeldet hat, sein Verfahren nach seiner Rückführung wiederzueröffnen und in der Sache zu prüfen ist. Die Vorschriften über Folgeanträge finden nach Auskunft der bulgarischen Behörden in diesen Fällen der Einstellung des Verfahrens keine Anwendung. Auch nimmt die bulgarische Flüchtlingsagentur in diesen Fällen keine Festnahmen von Personen vor. Nur wenn der Asylantrag in Abwesenheit des Asylbewerbers negativ beschieden worden ist, können die Asylbewerber als „endgültig abgelehnte Asylsuchende“ betrachtet werden, auf die das Verbot der Abschiebung nicht mehr anwendbar wäre. Nur diese Personen können bei einer Wiedereinreise direkt in eines der Abschiebungszentren „Special Centre for the Temporary Accomodation of Foreigners“ – SCTAF – gebracht werden.
55Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 27. Januar 2015.
56Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass sein Asylantrag in seiner Abwesenheit negativ beschieden worden ist. Auch die Antwort der bulgarischen Behörden auf die Wiederaufnahmeanfrage des Bundesamts spricht gegen diese Annahme, da die Behörden ihre Zuständigkeit auf Grundlage von Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO angenommen hat. Dies bedeutet, dass ein Mitgliedstaats verpflichtet ist, einen Asylbewerber, der sich während der Prüfung seines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, wiederaufzunehmen. Hätte Bulgarien den Asylantrag des Klägers bereits abgelehnt, so hätte es seine Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO erklärt.
57Auch die unzureichende Lebenssituation von anerkannten international Schutzberechtigten,
58vgl. auch Urteile der Kammer vom heutigen Tag – 2a K 2174/15.A, 2a K 2466/15.A und 2a K 5485/15.A –, zur Veröffentlichung vorgesehen,
59begründet keine systemischen Mängel des bulgarischen Asylsystems. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Bewertung der in Bulgarien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen diejenigen Umstände heranzuziehen sind, welche auf die Situation des Klägers zutreffen. Dabei ist abzustellen auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen oder tatsächlichen Situation, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen und tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Solche Umstände können allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese auf die Situation des Klägers auswirken (können).
60Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12 –, juris.
61Da dem Kläger nach eigenen Angaben in Bulgarien noch kein Schutzstatus zuerkannt worden ist, kann die Lage von Personen, denen in Bulgarien ein internationaler Schutz zuerkannt wurde, lediglich mittelbare Auswirkungen auf die Bewertung des Zustands des bulgarischen Asylsystems und der Aufnahmebedingungen haben. Die Situation anerkannter Schutzberechtigter steht einer Überstellung des Klägers nach Bulgarien zum Zwecke der Durchführung eines Asylverfahrens nicht entgegen, da nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass sich die Lebensumstände anerkannter internationaler Schutzberechtigter auf die Situation des Klägers auswirken können. Es bestehen zu viele ungewisse Zwischenschritte, wie der Ausgang des Asylverfahrens oder eine Änderung der Lebensbedingungen anerkannter Schutzberechtigter bis zum bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens des Klägers, um anzunehmen, dass der Kläger alsbald nach seiner Rückkehr als anerkannter Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter erniedrigender oder unmenschlicher Behandlung ausgesetzt sein wird.
62Auch Berichte über Pushbacks an der Grenze und über eine Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte mit so genannten Menschenjägern können für den hier interessierenden Einzelfall nicht herangezogen werden. Diese Berichte betreffen nicht die Situation von Dublin-Rückkehrern wie dem Kläger, sondern kritisieren das Vorgehen von Polizei und Grenzschutzbehörden zur Verhinderung einer Einreise.
63Schließlich führen auch die Schilderungen des Klägers über die bereits in Bulgarien erlebte Behandlung nicht zur Annahme systemischer Mängel des bulgarischen Asylsystems. Nach den dargestellten Maßstäben sind persönliche Vorerfahrungen bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des betreffenden Asylsystems lediglich mittelbar von Bedeutung, sodass der Vortrag des Klägers, die Zustände in Bulgarien seien fast so schlimm wie im Irak und er sei gezwungen worden, seine Fingerabdrücke abzugeben, unter Zugrundelegung dieses Maßstabes nicht geeignet ist, systemische Mängel des bulgarischen Asylsystems zu belegen.
64Auch Ziffer 2. des angefochtenen Bescheids ist rechtmäßig. Zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung steht fest, dass eine Abschiebung nach Bulgarien durchgeführt werden kann, § 34a Abs. 1 AsylG.
65Insbesondere hat der Kläger weder ein der Abschiebung nach Bulgarien entgegenstehendes zielstaats- oder inlandsbezogenes Abschiebungshindernis geltend gemacht noch begegnet die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung in den für das Asylverfahren des Klägers zuständigen Mitgliedstaat Bulgarien Bedenken.
66Auch die Befristungsentscheidung in Ziffer 3. des angegriffenen Bescheids ist hinsichtlich der Ermessensausübung bezüglich der Dauer der Befristung nicht zu beanstanden.
67Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO, § 83b AsylG, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO und §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 6. Juni 2016 gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 22 K 7072/16.A gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. Mai 2016 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
6Der Antrag ist nach § 34a Abs. 2 S. 1 Asylgesetz (AsylG)
7in der Fassung der Bekanntmachung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394),
8zulässig, insbesondere ist die dort bestimmte Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe gewahrt.
9Der Antrag ist aber unbegründet. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag im Rahmen einer eigenen Ermessensentscheidung die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers an der beantragten Aussetzung der Vollziehung das bezüglich der Abschiebungsanordnung durch § 75 AsylG gesetzlich angeordnete öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides begegnet bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Greifbare Anhaltspunkte, aufgrund derer das Suspensivinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegen könnte, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich.
10Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 27a AsylG zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
11Gemäß § 27a AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III‑VO). Diese findet gemäß ihres Art. 49 Unterabsatz 2 Satz 1 auf Schutzgesuche Anwendung, die nach dem 31. Dezember 2013 gestellt werden, mithin auch auf den von dem Antragsteller im März 2016 gestellten Asylantrag.
12Nach Art. 13 Abs. 1 der Dublin III‑VO ist Bulgarien für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers zuständig. Nach dieser Norm ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig, in den der betreffende Ausländer ausweislich der in dieser Norm genannten Erkenntnismittel aus einem Drittstaat kommend illegal eingereist ist, wenn der Tag des illegalen Grenzübertritts zum maßgeblichen Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III‑VO) noch nicht länger als zwölf Monate zurückliegt. Die Anfrage im EURODAC‑Verzeichnis hat ergeben, dass sich der Antragsteller vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Bulgarien aufgehalten hat. Das stimmt überein mit seinen eigenen Angaben gegenüber dem Bundesamt am 1. März 2016, wonach er von Serbien kommend nach Bulgarien eingereist ist. Es liegen damit hinreichende Indizien dafür vor, dass der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal nach Bulgarien eingereist ist und diese Einreise zum Zeitpunkt der erstmaligen Beantragung internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat noch nicht länger als ein Jahr zurückliegt.
13Die damit nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III‑VO für Bulgarien anzunehmende Zuständigkeit ist auch nicht nachträglich entfallen. Insbesondere hat das Bundesamt innerhalb der in Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO genannten Frist am 11. April 2016 ein Wiederaufnahmegesuch an Bulgarien gerichtet. Bulgarien hat dem Ersuchen mit am 25. April 2016 beim Bundesamt eingegangenen Schreiben auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO stattgegeben.
14Ferner ist die Zuständigkeit nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III‑VO wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Antragsgegnerin übergegangen. Die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Bulgarien liegt weniger als sechs Monate zurück.
15Darüber hinaus kann sich der Antragsteller auch nicht erfolgreich darauf berufen, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, weil seiner Überstellung nach Bulgarien rechtliche Hindernisse entgegenstünden. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert nur die Überstellung dorthin, begründet aber kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
16vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - C 394/12 -, juris, Rdn. 60, 62 und Urteil vom 14. November 2013 - C 4/11 -, juris, Rdn. 37; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6/14 -, juris, Rdn. 7.
17Davon abgesehen ist die Antragsgegnerin aber auch nicht ‑ unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ‑ nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO gehindert, den Antragsteller nach Bulgarien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gäbe, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufwiesen, die für den Antragsteller eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) bzw. Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) mit sich brächten. Die Voraussetzungen, unter denen dies nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
18EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 83 ff., 99; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413,
19der Fall wäre, liegen hier nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sinne können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Schwere nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können.
20Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rdn. 94.
21Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren,
22EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al. –, juris, Rdn. 86.
23Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 – 10 B 6.14 –, juris, Rdn. 6 ff. m.w.N.
25Nach diesen Maßstäben fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen in Bulgarien mit systemischen Mängeln behaftet wären, die eine beachtliche Gefahr begründen, dass ein nicht ernsthaft erkrankter, alleinstehender Asylbewerber (wie hier der Antragsteller) im Falle seiner Überstellung nach Bulgarien unmenschlicher Behandlung im Sinne von Art. 4 GrCh, Art. 3 EMRK ausgesetzt würde,
26vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 10. November 2014 - A 11 S 1778/14 -, Rdn. 42 ff,. juris und vom 18. März 2015 – A 11 S 2042/14 –, Rdn. 57, juris; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29. März 2016 ‑ 3 L 47/16 ‑, Rdn. 30 ff, juris; VG Minden, Urteil vom 10. Februar 2015 – 10 K 1660/14.A –, Rdn. 57, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19. Februar 2016 ‑ 2a K 3697/15.A –, Rdn. 38, juris; VG Regensburg, Beschluss vom 23. Februar 2016 ‑ RN 1 S 16.50036 –, Rdn. 21 ff, juris; VG München, Beschluss vom 11. März 2016 – M 12 S 16.50118 –, Rdn. 29, juris; VG Köln, Beschluss vom 29. April 2016 ‑ 2 L 917/16.A ‑, Rdn. 29, juris sowie die jeweils zitierten Erkenntnisse und Auskünfte.
27Soweit mit Blick auf die auch derzeit noch aktuelle Erkenntnislage,
28insbesondere unter Auswertung des AIDA-Länderreports Bulgarien, Stand Oktober 2015,
29ein relevantes Risiko für Dublin-Rückkehrer angenommen wird, ohne sachliche Prüfung ihres Asylbegehrens als Folgeantragsteller behandelt zu werden und in eine Hafteinrichtung zu gelangen, wo sie mit unzureichenden Versorgungsbedingungen konfrontiert wären,
30vgl. VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 4. Februar 2016 – A 6 K 1356/14 –, Rdn. 24, juris,
31ist dies auf die Situation, in der sich der Antragsteller befindet, nicht übertragbar. Denn diese Gefahr zeigt der AIDA-Report ausdrücklich für diejenigen Dublin-Rückkehrer auf, deren Asylgesuch in Abwesenheit abgelehnt wurde, was (gerade bei einem Aufenthalt des Asylbewerbers in Bulgarien in der kritischen Periode von Ende 2013 bis Anfang 2014) sogar bei solchen Asylbewerbern der Fall sein könne, deren Wiederaufnahme Bulgarien nach Art. 13 Dublin III-VO akzeptiert habe,
32AIDA-Länderreport Bulgarien, Stand Oktober 2015, S. 29.
33Bezogen auf den Antragsteller liegt der Fall anders: Hier nahm die bulgarische Behörde das Wiederaufnahmeersuchen ausdrücklich auf der Grundlage des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO an. Bei dieser Sachlage deutet nichts darauf hin, dass das Asylverfahren des Antragstellers in Bulgarien bereits negativ abgeschlossen ist.
34Desgleichen fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass im Falle des Antragstellers die Gefahr besteht, dass er sein Recht auf Versorgung und Unterbringung verwirkt hätte,
35vgl. hierzu: VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 4. Februar 2016 – A 6 K 1356/14 –, Rdn. 24, juris.
36Zwar dürfte es auf Dublin-Rückkehrer - wie den Antragsteller - häufig zutreffen, dass sie die Aufnahmeeinrichtung mehr als drei Tage lang ohne erforderliche Erlaubnis verlassen haben, was den Verlust des Rechts auf Versorgung und Unterbringung nach sich ziehen kann,
37AIDA-Länderreport Bulgarien, Stand Oktober 2015, S. 29, 30.
38Zur Vorgehensweise der bulgarischen Behörden bei der Rücküberstellung von Dublin-Rückkehrern wird aber zuvor ausgeführt, dass Dublin-Rückkehrer, deren Asylverfahren noch anhängig ist, nach Empfangnahme durch die bulgarische Grenzpolizei zu einer Aufnahmeeinrichtung transferiert werden,
39AIDA-Länderreport Bulgarien, Stand Oktober 2015, S. 29.
40Angesichts der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisse, dass die Kapazitäten in den bulgarischen Aufnahmeeinrichtungen ausreichen, um alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden aufzunehmen und die Belegungsrate durchschnittlich bei 50 % liegt,
41vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 30. November 2015 zum dortigen Verfahren 11 A 4488/15, Az. 508-9-516.80/48591; zur entsprechenden Belegungsrate des Aufnahmezentrums Ovcha Kupel nahe Sofia: Meldung der Zeitung TAZ „Eine Menschenrechtsorganisation aus Serbiens Hauptstadt Belgrad erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden eines EU-Mitgliedstaats“ vom 16. Dezember 2015,
42fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung nach Bulgarien die Aufnahme in einer Asylbewerberunterkunft tatsächlich verweigert würde.
43Soweit Erkenntnisse darüber vorliegen, dass nach Bulgarien einreisende Schutzsuchende unverhältnismäßiger Gewalt seitens der bulgarischen Grenzpolizei ausgesetzt sind und unter Verletzung rechtlicher Vorgaben gezwungen werden, in die Türkei bzw. nach Serbien zurückzukehren,
44vgl. ecre-Meldung “Asylum seekers in Bulgaria subject to violence, abuse and push-backs” vom 22. Januar 2016, http://www.ecre.org/asylum-seekers-in-bulgaria-subject-to-violence-abuse-and-push-backs/ m.w.N.; Meldung der Zeitung TAZ „Eine Menschenrechtsorganisation aus Serbiens Hauptstadt Belgrad erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden eines EU-Mitgliedstaats“ vom 16. Dezember 2015,
45oder nach Griechenland zurückgeschickt werden,
46vgl. Meldung der elektronischen Ausgabe der Zeitung Frankfurter Allgemeine (FAZ) „Bulgarien setzt Soldaten ein“ vom 30. Mai 2016,
47und die Bedingungen in bulgarischen Hafteinrichtungen von Gewalt sowie unzureichender Versorgung geprägt sind,
48vgl. ecre-Meldungen “Asylum seekers in Bulgaria subject to violence, abuse and push-backs” vom 22. Januar 2016, http://www.ecre.org/asylum-seekers-in-bulgaria-subject-to-violence-abuse-and-push-backs/ sowie „Refugees in Serbia report physical violence and abuses by the Bulgarian police” vom 20. November 2015, http://www.ecre.org/refugees-in-serbia-report-physical-violence-and-abuses-by-the-bulgarian-police/, jeweils m.w.N.; Meldung der Zeitung TAZ „Eine Menschenrechtsorganisation aus Serbiens Hauptstadt Belgrad erhebt schwere Vorwürfe gegen Behörden eines EU-Mitgliedstaats“ vom 16. Dezember 2015,
49fehlen ebenfalls hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller als Dublin-Rückkehrer, dessen Asylantrag in Bulgarien anhängig ist, hiervon betroffen sein wird.
50Soweit überdies in Bulgarien erhebliche Defizite bei der Versorgung anerkannter Schutzberechtigter bestehen mögen, ist der Antragsteller hiervon - bei seinem derzeitigen Status - ebenfalls nicht betroffen.“
51Unter diesen Umständen steht gegenwärtig auch im Sinne von § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat nach dieser gesetzlichen Maßgabe neben zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zu prüfen, ob der Abschiebung inlandsbezogene Vollzugshindernisse entgegenstehen. Für eine insoweit eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde verbleibt daneben kein Raum,
52vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 -18 B 1060/11 -, juris Rn. 4; OVG Niedersachsen, Urteil vom 4. Juli 2012- 2 LB 163/10 -, juris Rn. 41; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 ‑ OVG 2 S 6.12 -, juris Rn. 4 ff.; VGH Bayern, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, juris Rn. 4 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris Rn. 9 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004- 2 M 299/04 -, juris Rn. 9 ff.
53Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen,
54vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14-, juris m.w.N.
55Derartige zielstaats- oder inlandsbezogene Abschiebungshindernisse sind nicht ersichtlich.
56Sonstige Gründe für ein Überwiegen des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung der Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse sind nicht erkennbar.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.
58Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.