Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2018 - B 6 K 16.578

bei uns veröffentlicht am08.08.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Bayreuth

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerinnen wenden sich gegen ihre Ausweisung und das sich daraus ergebene Einreise- und Aufenthaltsverbot und beantragen hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf den Tag der mündlichen Verhandlung bzw. jedenfalls kürzer als vier Jahre zu befristen.

Die Klägerinnen sind mazedonische Staatsangehörige und besitzen gültige mazedonische Reisepässe. Die Klägerin zu 1 war in erster Ehe mit Herrn M.I. verheiratet, von dem sie sich nach eigenen Angaben 1991 scheiden ließ. Herr M.I ist Vater ihrer zwei Söhne, die in Deutschland leben und ihrer zwei mit ihr in Mazedonien zusammen lebenden Töchter, darunter die Klägerin zu 2, für die sie die alleinige Personensorge hat.

Nachdem die Asylverfahren der Klägerin zu 1 in Deutschland im Jahr 1991 sowie in Belgien und Schweden in den Jahren 2012 und 2013 erfolglos geblieben waren, beantragten die Klägerin zu 1 und die Klägerin zu 2 am 23.01.2014 in N... (Schleswig-Holstein) unter Alias-Namen Asyl und wurden dem Kreis St... zugewiesen. Nach Ablehnung der Asylanträge am 21.04.2015 stellten die Klägerinnen am 22.12.2015 in B... Asylanträge, die das Bundesamt als Folgeantrag (Klägerin zu 1) bzw. einen Erstantrag (Klägerin zu 2) wertete. Seit 08.12.2015 waren sie verpflichtet, ihren Wohnsitz in der damals sogenannten Ankunfts- und Rückführungseinrichtung in Bamberg zu nehmen.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 07.01.2016 wurden die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffern 1 und 2), die Anträge auf subsidiären Schutz abgelehnt (Ziffer 3) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Klägerinnen wurden unter Fristsetzung von einer Woche und Abschiebungsandrohung nach Mazedonien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat zur Ausreise aufgefordert (Ziffer 5). Weiter ordnete die Behörde ein auf 10 Monate ab der Ausreise befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG an (Ziffer 6) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7).

Die dagegen gerichteten Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschlüssen jeweils vom 20.01.2016 ab (B 4 S 16.30040 und B 4 S 16.30043). Die entsprechenden Klageverfahren wurden am 12.05.2016 wegen Nichtbetreibens eingestellt (B 4 K 16.30041 und B 4 K 16.30043).

Am 27.01.2016 heiratete die Klägerin zu 1 den deutschen Staatsangehörigen … S..., geb. am …, und zog nach G... (Landkreis F...*). Am 31.03.2016 beantragten die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann mit einer notariell beurkundeten Erklärung die Annahme der Klägerin zu 2 als Kind durch ihren Stiefvater. Zur Annahme als Kind gibt es noch keine familiengerichtliche Entscheidung.

Am 03.04.2016 reisten die Klägerinnen nachweislich freiwillig nach Mazedonien aus. Nach eigenen Angaben reisten jedoch bereits am 06.04.2016 wieder ein. Am 19.05.2016 wurden sie von der Polizeiinspektion G... im Bundesgebiet aufgegriffen. Die für den 13.06.2016 geplante Abschiebung der Klägerinnen scheiterte daran, dass sie an ihrem angegebenen Wohnsitz in G... nicht angetroffen wurden.

Mit Schreiben vom 22.06.2016 beantragten die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerinnen beim Bundesamt die Aufhebung der Einreise- und Aufenthaltsverbote, hilfsweise ihre Befristung auf Null. Am selben Tag stellten sie beim Landratsamt F...den gleichen Antrag und beantragten zusätzlich die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 28 bzw. § 32 AufenthG. Dabei gaben ihre damaligen Verfahrensbevollmächtigten an, die Klägerin zu 1 lebe mit Herrn … S... in ehelicher Lebensgemeinschaft. Über diese Anträge wurde nicht entschieden.

Mit Telefax vom 26.06.2016 haben die damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth beantragt, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, vorläufig von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen (Az. B 4 E 16.467). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.08.2016 (veröffentlich in juris) lehnte das Gericht die Anträge ab. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Voraussetzungen für eine Abschiebung vorlägen und die Klägerinnen keinen Anspruch auf eine Duldung glaubhaft gemacht hätten.

Mit Bescheid vom 27.07.2016 wies die Regierung von O - Zentrale Ausländerbehörde Bamberg die Klägerinnen aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1), drohte ihnen ohne Fristsetzung für eine freiwillige Ausreise die Abschiebung nach Mazedonien oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Ziffer 2 und 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf vier Jahre, beginnend mit der Ausreise (Ziffer 4).

Die Ausweisung begründete die Behörde damit, das öffentliche Interesse daran, dass die Klägerinnen ausreisen, überwiege ihre privaten Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Das Ausweisungsinteresse wiege schwer, weil sie sich seit 20.05.2016 illegal im Bundesgebiet aufhielten und damit nicht nur geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstießen. Da die Klägerinnen, die von den Einreisebestimmungen für mazedonische Staatsangehörige Kenntnis haben mussten, sich dennoch über einen längeren Zeitraum unter Verstoß dagegen in Deutschland aufhielten, sei davon auszugehen, dass von ihnen auch künftig weitere Verstöße zu befürchten seien, so dass sie aus spezialpräventiven Gründen auszuweisen seien. Dahinter trete in der Abwägung das Bleibeinteresse zurück. Zwar sei die Klägerin zu 1 mit einem Deutschen verheiratet. Eine familiäre Lebensgemeinschaft bestehe jedoch nicht. Denn der Ehemann habe in G... eine eigene Wohnung angemietet.

Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf nunmehr vier Jahre sei angemessen, aber auch ausreichend, insbesondere auch deshalb, weil die Klägerinnen über keine schützenswerten Bindungen im Bundesgebiet verfügten.

Mit Telefax vom 15.08.2016 erhoben die damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragten zunächst die Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2016.

Am 06.10.2016 wurden die Klägerinnen nach Mazedonien abgeschoben, wo sie sich seither ständig aufhalten.

Mit Schreiben vom 10.03.2017 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerinnen die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 24.10.2017 ab. Dagegen wurde am 23.11.2017 Klage erhoben (B 6 K 17.925). Mit Gerichtsbescheid vom 27.08.2018 wurde die Klage abgewiesen.

Nachdem die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 des Bescheides (Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung) für erledigt erklärt hatten, trennte das Gericht mit Beschluss vom 12.01.2018 das Verfahren insoweit ab, stellte dieses Verfahren unter dem Az. B 6 K 18.50 ein und legte den Klägerinnen die Kosten auf.

Mit Schriftsätzen vom 09.03.2018 und 04.04.2018 hat der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen nunmehr beantragt,

den Bescheid der Regierung von O... vom 27.07.2016 in Ziffern 1 und 4 aufzuheben;

Hilfsweise: den Beklagten zu verpflichten, das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit mit sofortiger Wirkung zu befristen;

Weiter hilfsweise: den Beklagten zu verpflichten, das Einreise- und Aufenthaltsververbot auf eine kürzere als vier Jahre in das Ermessen des Gerichts gestellte Dauer zu befristen.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Ausweisung sei rechtswidrig. Der Beklagte habe zu Unrecht ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse angenommen. Die Klägerinnen hätten Nationalpässe mitgeführt und deshalb nicht gegen ihre Passpflicht verstoßen. Zudem sei ihr Aufenthalt nicht „illegal“ gewesen. Denn als Mazedonierinnen hätten sie sich jedenfalls 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen visumfrei aufhalten dürfen, auch wenn sie von vorherein einen Daueraufenthalt beabsichtigt hätten.

Einreise und Aufenthalt seien zwar wegen des Einreise- und Aufenthaltsverbotes rechtswidrig gewesen. Doch sei die Klägerin zu 1 aufgrund einer Auskunft der Deutschen Botschaft in Skopje davon ausgegangen, dass die Einreise erlaubt sei, um einen Antrag für eine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung im Bundesgebiet zu stellen. Zudem würde damit über den Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG ein Ausweisungsinteressen wegen eines Verhaltens begründet, das nicht mit einer strafrechtlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr gleichzusetzen sei, die Voraussetzung für ein über § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG begründetes schweres Ausweisungsinteresse sei.

Weiterhin habe der Beklagte zu Unrecht ein Bleibeinteresse aufgrund der Ehe der Klägerin mit dem deutschen Staatsangehörigen … S... verneint. Bei der Ehe handele es sich nicht um eine Scheinehe. Vor der Ausreise habe eine familiäre Lebensgemeinschaft in G... bestanden. Nach der Abschiebung sei der Ehemann nach P... gezogen und sei bis heute keine anderweitige Beziehung eingegangen Die Klägerinnen und er telefonierten zweimal die Woche über Facebook mit Video, außerdem an Geburtstagen, Weihnachten und Ostern. Der Klägerin zu 2 komme dabei zustatten, dass sie perfekt Deutsch spreche. Im Sommer 2017 habe der Ehemann eine Urlaubswoche bei den Klägerinnen verbracht. Sollten die Klägerinnen nach Deutschland zurückkehren können, sei eine gemeinsame Reise nach Punta Cana (Dominikanische Republik) geplant.

Während des erzwungenen Auslandsaufenthaltes der Klägerinnen ruhe die eingeleitete Adoption der Klägerin zu 2 durch Herrn … S... Die Ausweisung sei zudem unverhältnismäßig, weil der Beklagte stattdessen als milderes Mittel die Wiedereinreisesperre für die Klägerinnen hätte verlängern können.

Das Einreise- und Aufenthaltsverbot sei im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK mit sofortiger Wirkung zu befristen.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 13.01.2017 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheides aus, ein Bleibeinteresse habe nicht berücksichtigt werden müssen, weil die Klägerinnen und Herr … S... vor der Ausreise nicht in familiärer Lebensgemeinschaft gelebt hätten.

Mit Beschluss vom 12.07.2018 hat das Gericht Herrn … S... als Zeugen zu dem Beweisthema „Eheliche Verhältnisse“ geladen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung am 08.08.2018, ini der die Klägerinnen informatorisch angehört und Herr S... als Zeuge vernommen wurde, wird über die darüber gefertigte Niederschrift verwiesen. Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte und den vorgelegten Behördenakten.

Gründe

Die Klagen werden abgewiesen.

Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Die Anfechtungsklagen sind unbegründet, weil die Verwaltungsakte nicht rechtswidrig sind und die Klägerinnen dadurch nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 VwGO, nachfolgend 1.). Die hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklagen sind nicht begründet, weil die Klägerinnen unter keinem rechtlichen Aspekt den geltend gemachten Anspruch haben (§ 113 Abs. 5 VwGO, nachfolgend 2.).

1. Die Ausweisungen aus der Bundesrepublik Deutschland sind rechtmäßig.

a) Ausweisungen sind auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zu überprüfen, wie sie sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung darstellt, weil im Streit um das Fortbestehen eines Aufenthaltsrechts aus materiellrechtlichen Gründen auf einen möglichst späten Beurteilungszeitzeitpunkt abzustellen ist, um die Berücksichtigung aktueller tatsächlicher Entwicklungen etwa im Lichte von Art. 6 GG zu ermöglichen, (BVerwG; U. v.15.11.2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20/25f. Rn. 18 = InfAuslR 2008, 156/157; seither st. Rspr.). Da die Ausweisung als gebundene Entscheidung konzipiert ist, hat sich das Gericht dabei nicht auf die rechtliche Bewertung der entsprechenden Erwägungen der Ausländerbehörde zu beschränken, sondern die Behördenentscheidung in vollem Umfang zu überprüfen und ggf. eine eigene Entscheidung darüber zu treffen, ob die Ausweisung gesetzlich geboten ist (VGH Kassel, B. v. 02.03.2016 - 9 B 1756/15 - InfAuslR 2016, 228/229).

Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Gemäß § 54 AufenthG werden die dort aufgeführten Ausweisungsinteressen entweder als „besonders schwerwiegend“ (Abs. 1) oder als „schwerwiegend“ (Abs. 2) qualifiziert. Gleiches gilt umgekehrt für die Bleibeinteressen (§ 55 AufenthG). Schließlich nennt § 53 Abs. 2 AufenthG Umstände, die zusätzlich bei der Abwägung zu berücksichtigen sind.

Das Gericht hat deshalb zunächst festzustellen, ob einer der in § 54 AufenthG normierten Tatbestände verwirklicht ist, die spezielle öffentliche Interessen an einer Ausweisung umschreiben, und dann weiter zu prüfen, ob die von dem Ausländer ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitraum fortbesteht. Anschließend sind die Bleibeinteressen anhand von § 55 AufenthG zu bestimmen. Schließlich ist das Ausweisungsinteresse gegen das Bleibeinteresse abzuwägen und zu ermitteln, welches Interesse überwiegt. Dabei sind je nach Einzelfall die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Umstände und das Ausweisungsbzw. Bleibeinteresse gemäß § 54 und § 55 AufenthG nach ihrem spezifischen Gewicht zu berücksichtigen (vgl. dazu grundlegend BVerwG U. v. 22.02.2017 - 1 C 3/16 - BVerwGE 157, 325/329-332 = NVwZ 2017, 1883/1884f., jew. Rn. 20-26).

b) Zum Anlass für die Ausweisungsverfügung hat der Beklagte die Einreise und den Aufenthalt der Klägerinnen seit 06.04. 2016 bis 06.10.2016 genommen.

Hinzu kommt der Antrag beim Landratsamt F...auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus familiären Gründen vom 22.06.2016 unter Verweis auf die familiäre Lebensgemeinschaft mit Herrn … S...

c) Aufgrund ihrer Wiedereinreise und ihrem erneuten Aufenthalt im Bundesgebiet und aufgrund der Berufung auf die familiäre Lebensgemeinschaft beim Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug hat die Klägerin zu 1 jeweils ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse verwirklicht.

Das Ausweisungsinteresse im Sinne von Absatz 1 wiegt u.a. dann schwer, wenn der Ausländer einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat (§ 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG).

Dabei ist nicht erforderlich, dass der Ausländer wegen des Verstoßes bereits bestraft wurde. Zu beachten ist allerdings, dass zwischen § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG und den anderen ein schwer wiegendes Ausweisungsinteresse begründenden Tatbeständen wie insbesondere § 54 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 AufenthG, nicht dadurch eine Schieflage eintritt, dass § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG auch auf vergleichsweise unbedeutende Verstöße angewandt wird, die nicht einmal strafrechtlich geahndet worden seien (Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 54 AufenthG Rn. 76f.).

aa) Kein geringfügiger Verstoß ist die unerlaubte Einreise ins Bundesgebiet (Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 54 Rn. 80). Die Einreise eines Ausländers ist u.a. dann gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG unerlaubt, wenn er nach § 11 Abs. 7 AufenthG nicht einreisen darf, es sei denn er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 8 AufenthG. Ob dem Ausländer, der eingereist ist, ein persönlicher Vorwurf zu machen ist, spielt dabei anders als für die Verwirklichung des einschlägigen Straftatbestandes (§ 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG), d.h. der unerlaubten Einreise, keine Rolle (Westphal in Bergmann/Dienelt, a.a.O. § 14 Rn. 4 AufenthG).

Die Klägerin zu 1 ist unerlaubt eingereist. Mit bestandkräftigem Bescheid vom 07.01.2016 hatte das Bundesamt ein auf 10 Monate ab der Ausreise befristetes Einreiseverbot festgesetzt. Die Klägerin zu 1 ist am 03.04.2016 nach Mazedonien ausgereist, nach Angaben ihres Sohnes C... in der mündlichen Verhandlung aber bereits am 06.04.2016 wieder eingereist, ohne eine Betretenserlaubnis zu besitzen. Damit liegen die Voraussetzungen für eine unerlaubte Einreise gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG vor. Da es nicht darauf ankommt, ob sie wissentlich und willentlich unerlaubt eingereist ist, kann sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei eingereist, weil sie, wie ihr Sohn in der mündlichen Verhandlung erklärte, eine Auskunft der Deutschen Botschaft in Skopje dahingehend verstanden habe, sie dürfe einreisen und im Bundesgebiet die Frage der Adoption der Klägerin zu 2 zu klären. Auf die Visumfreiheit für mazedonische Staatsangehörige für Kurzaufenthalte gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, § 15 AufenthV, Art. 20 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 2 Schengener Durchführungsabkommen i. V. m. Anhang II EG-VisaVO kommt es dabei nicht an. Denn diese Regelung befreit nur von der Visumpflicht, sie hebt keine generelle Einreisesperre auf und gilt zudem nur für Mazedonier, die, anders als die Klägerin zu 1, keinen Daueraufenthalt beabsichtigen.

bb) Kein geringfügiger Verstoß ist auch der unerlaubte Aufenthalt im Bundesgebiet (Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, a.a.O. § 54 Rn. 80), weil damit die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Straftat erfüllt werden (BVerwG, U. v. 24.09.1996 - 1 C 9/94 - BVerwGE 102, 63/66f. = NVwZ 1997, 1123/1124, zum insoweit vergleichbaren § 46 Nr. 2 AuslG).

Gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sich im Bundesgebiet aufhält.

Die Klägerin zu 1 hat sich von der Wiedereinreise am 06.04.2016 bis zu ihrer Abschiebung am 06.10.2016 entgegen der mit Bescheid des Bundesamtes vom 27.01.2016 verfügten vollziehbaren Aufenthaltssperre im Bundesgebiet aufgehalten. Wenn nicht bereits von vornherein, war ihr jedenfalls mit Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 23.08.2016, in dem darauf eingegangen worden war, bekannt, dass sie sich unter Zuwiderhandlung gegen eine Aufenthaltssperre im Bundesgebiet aufhielt. Dennoch unternahm sie nichts, um ihren Aufenthalt von sich aus sogleich zu beenden, sondern setzte ihn fort, bis sie am 06.10.2016 abgeschoben wurde. Damit hat sie den Straftatbestand vorsätzlich verwirklicht.

cc) Keinen geringfügigen Verstoß begeht ein Ausländer schließlich auch dann, wenn er in einem Aufenthaltserlaubnisverfahren unrichtige Angaben macht, weil er auch dann den Tatbestand einer vorsätzliche Straftat erfüllt.

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unrichtige Angaben macht, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel zu beschaffen (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

Die Vorschrift ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das als Rechtsgut das formelle Verfahren schützt, das der Gewährleistung materiell richtiger Aufenthaltstitel dient. Deshalb genügt es, dass die Angaben der Behörde in einem Verfahren nach dem AufenthG schriftlich zugegangen sind. Dagegen setzt der Tatbestand nicht voraus, dass die Angaben zur Ausstellung einer Urkunde geführt haben (Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand April 2018, § 95 AufenthG Rn. 56 m.w. N.).

Unrichtige Angaben werden gemacht, wenn der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels damit begründet wird, mit einem deutschen Partner die Ehe eingegangen zu sein und mit ihm in ehelicher Gemeinschaft zu leben, obwohl keine eheliche Lebensgemeinschaft vorliegt und es sich nur um eine zwecks Erlangung eines Aufenthaltstitels geschlossene Scheinehe handelt (Senge, a.a.O. Rn. 57 m.w.N.; BayObLG, B. v. 22.09.1989 - RReg 4 St 200/89 -NVwZ 1990, 302/303 zu § 47 Abs. 1 Nr. 6 AuslG).

Aufenthaltstitel für den Familiennachzug zu Deutschen werden zur Herstellung und Wahrung der familiären bzw. ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet erteilt (§ 27 Abs. 1 AufenthG). Allein das formale Band der Ehe reicht daher für sich genommen nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zu entfalten. Erst der Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich herzustellen oder aufrechterhalten, löst den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus. Allerdings verbietet es sich angesichts der Vielfalt der von Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Ausgestaltungsmöglichkeiten der familiären Lebensgemeinschaft, schematische oder allzu strenge Mindestvoraussetzungen für das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft zu formulieren. Maßgeblich ist der nachweisbar betätigte Wille, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen (BVerwG, B. v. 22.05.2013 - 1 B 25.12 - BayVBl 2014, 56/57). Dieser Wille muss, wie sich aus dem Wesen der Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ergibt, bei beiden Eheleuten bestehen. Ist der Wille, die eheliche Gemeinschaft im Bundesgebiet herzustellen, auch nur bei einem der Eheleute lediglich vorgeschützt, liegt eine Scheinehe vor (BVerwG, U. v. 30.3.2010 - 1 C 7.09 - BVerwGE 130, 222/227 Rn. 15f. = InfAuslR 2010, 350/351f.).

Die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin zu 1 haben am 22.06.2016 beim Landratsamt F... unter Verweis auf die am 27.01.2016 geschlossene Ehe und die eheliche Lebensgemeinschaft mit Herrn S... eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 AufenthG beantragt.

Damit hat die Klägerin zu 1, der der Vortrag zuzurechnen ist, unrichtige Angaben gemacht.

Denn nach der Überzeugung des Gerichts, die die Kammer gemäß § 108 Abs. 1 VwGO aus dem Gesamtergebnis des Verfahren insbesondere auch durch die informatorische Befragung der Klägerinnen und die Vernehmung von Herrn S... als Zeugen in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, ist die innere Tatsache, eine eheliche Lebensgemeinschaf tim Bundesgebiet führen zu wollen, im Zeitpunkt der Antragstellung am 22.06.2016 bei der Klägerin zu 1 nicht erweislich, so dass zu diesem Zeitpunkt keine eheliche Lebensgemeinschaft vorlag.

Ein gewichtiges Argument gegen eine beabsichtigte eheliche Lebensgemeinschaft liegt bereits darin, dass die Ehe am 27.01.2016 in unmittelbarer zeitlicher Nähe zwischen der Ablehnung des Asylfolgeantrages durch das Bundesamt am 07.01.2016 geschlossen wurde.

Darüber hinaus fällt ins Auge, dass die Klägerin zu 1, wie bei der getrennten Befragung der Ehegatten deutlich geworden ist, so gut wie gar nicht und wenn dann falsch über die persönlichen Verhältnisse ihres Ehemanns informiert ist. Auch wenn die mündliche Verhandlung, erst mehr als zwei Jahre nach der Beantragung des Aufenthaltstitels Ende Juni 2016 stattgefunden hat, ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1 keineswegs ihr Bekanntes inzwischen vergessen hat, sondern dass die Umstände ihr schon damals nicht bekannt waren, weil sie sich, entgegen dem ihn einer Lebensgemeinschaft Üblichen, nicht sonderlich für die Person ihres Ehemannes interessierte. So gab sie an, ihr Ehemann habe zwei Söhne aus einer früheren Ehe, während er glaubhaft versicherte, er habe vier erwachsene Kinder. Auch wusste sie nicht, ob seine Eltern noch leben und hatte keinen Kontakt zu seinen Verwandten. Außerdem räumte sie ein, sie wisse nicht, wo ihr Mann zum Zeitpunkt der Heirat gearbeitet habe.

Weiterhin sticht ins Auge, dass die Klägerin zu 1 die näheren Umstände ihres Kennenlernens und ihrer Heirat nur mit dürren Worten und ganz anders als ihr Ehemann schildert, der darüber detaillierter und mit großer Begeisterung und damit glaubhaft berichtet hat. Während sie berichtete, sie hätten sich in Passau einen Monat vor der Eheschließung in einem Cafe kennengelernt, gab er an, sei hätten sich bei McDonalds kennengelernt und erst nach einigen Monaten geheiratet. Auch die Hochzeitsfeier beschrieben die Eheleute unterschiedlich: Während die Klägerin zu 1 angab, sie hätten zu zweit gefeiert, sprach der Zeuge von einer Feier zusammen mit den Kindern der Klägerin zu 1 im P... Stadtteil O... Außerdem konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass sich der Wille der Klägerin mit ihrem Ehemann eine Lebensgemeinschaft zu führen, in einem familiären Zusammenleben von der Heirat Ende Januar 2016 bis zur Abschiebung Anfang Oktober 2016, unterbrochen lediglich von einer Rückkehr nach Mazedonien für wenige Tage im April 2016, verwirklicht hat.

Zwar haben die Eheleute die äußeren Voraussetzungen für ein Zusammenleben in G... geschaffen, indem der Ehemann im Erdgeschoss des Wohnhauses, in dem auch der älteste Sohn C... der Klägerin zu 1 im dritten Stock wohnte, eine Wohnung im Erdgeschoss anmietete und sich in G... anmeldete. Zudem besuchte die Klägerin zu 2 dort die Grundschule als Ganztagsschule.

Das Gericht ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1 und ihre Tochter in einem über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden Umfang mit dem Zeugen in G... zusammengelebt haben. Zwar berichtete der Zeuge über gemeinsame Aktivitäten am Sonntag wie Baden, Essen und Spazierengehen.

Doch spricht gegen eine Lebensgemeinschaft, dass die Eheleute und die Klägerin zu 2 die angemietete Wohnung im Erdgeschoss bis Ende Juni 2016 nicht bezogen haben, wie die mit der (gescheiterten) Abschiebung am 13.06.2016 betrauten Polizeibeamten schriftlich festgehalten haben. Diese Feststellung hat der Zeuge mit dem nicht überzeugenden Argument, er habe die Wohnung bei seinem Wegzug nach P... Ende des Jahres 2016 ausgeräumt, nicht nachvollziehbar widerlegt. Außerdem fällt ins Gewicht, dass die Klägerin zu 1, wie sich bei ihrer Anhörung gezeigt hat, kaum Deutsch spricht, während ihr Ehemann des Mazedonischen nicht mächtig ist, und beide auch keine gemeinsame Fremdsprache, wie z.B. Englisch sprechen. Damit waren die Eheleute selbst für alltägliche Unterhaltungen auf die Hilfe der gut Deutsch sprechenden Klägerin zu 2 angewiesen.

Besonderes Gewicht hat schließlich, dass die Klägerin zu 1, obwohl sie angibt, mit dem Zeugen tagtäglich zusammengelebt zu haben, nicht genau wusste, wo er arbeitete und außerdem erklärte, er sei mit dem Zug oder Bus zu Arbeit gefahren und habe werktäglich acht Stunden gearbeitet. Demgegenüber hat der Zeuge, der darüber mit Sicherheit besser Bescheid weiß, in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei als selbständiger Maurer um 5.00 Uhr mit dem Auto zu wechselnden Arbeitsstellen gefahren und abends erst um 07.00 Uhr zurückgekehrt.

Alle diese Umstände bezeugen, dass die Klägerin zu 1, wenn ihr Ehemann sie nicht ohnehin lediglich an den Wochenenden von P... aus, wo er sein Gewerbe als selbständiger Mauerer angemeldet hatte, besuchte, während sie mit der Klägerin zu 2 in G... in der Nähe ihres Sohnes lebte, jedenfalls nicht der inneren Willen hatte, mit ihm eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen.

Die Klägerin zu 1 ist damit im Jahr 2016 unerlaubt eingereist, hat sich hier unerlaubt aufgehalten und unrichtige Angaben gemacht, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Damit hat sie dreifach in nicht geringfügiger Weise gegen eine aufenthaltsrechtliche und zwei strafrechtliche Rechtsvorschriften verstoßen. Es ist deshalb auch im Hinblick des eher restriktiv auszulegenden weitgefassten Tatbestandes des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG gerechtfertigt, daraus ein schweres Ausweisungsinteresse abzuleiten.

d) Die von der Klägerin zu 1 ausgehende Gefahr bestand zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fort.

Bei der dazu vom Gericht eigenständig zu treffenden Prognose sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Schwere des Verstoßes, die Umstände seiner Begehung, das Gewicht des bei einem erneuten Verstoß bedrohten Rechtsgutes sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden und der je höher der Rang des bedrohten Rechtsgutes ist, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen (BayVGH, B. v. 08.11.2017 - 10 ZB 16.2199 - juris Rn. 6, 8).

Nach den besonderen Umständen des Einzelfalles hält es das Gericht für beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin zu 1 erneut vergleichbare Verstöße begehen wird.

Zwar ist davon auszugehen, dass sie seit der Abschiebung am 06.10.2016 nicht erneut trotz des Einreiseverbotes gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG eingereist ist, bevor ihr für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung eine Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erteilt wurde.

Dennoch hält es das Gericht für beachtlich wahrscheinlich, dass sie erneut gegen das Einreiseverbot verstößt. Denn für sie ist es relativ leicht und preisgünstig möglich, mit Pkw oder Bus aus ihrem Heimatland ins Bundesgebiet zu kommen. Außerdem leben hier neben ihrem Ehemann auch ihre beiden Söhne, mit denen sie nach dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung gewinnen konnte, in wirklich enger Verbindung steht. Zudem ist das Gericht überzeugt, dass sie in Mazedonien fast nichts hält und sie nur darauf aus ist, wieder ins Bundesgebiet zu kommen und hier zu leben, nicht zuletzt auch um ihrer Tochter eine Schulausbildung im Bundesgebiet zu ermöglichen. Diese Umstände sprechen dafür, dass sie die Einreisesperre nicht abwartet. Zudem hat sie sich schon in der Vergangenheit, wie ihr halbjähriger illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet im Jahr 2016 und die Asylantragstellung unter falschem Namen beweisen, nicht rechtstreu gezeigt.

Würde die Klägerin zu 1 sich dann trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes im Bundesgebiet aufhalten, würde sie erneut gegen § 95 Abs. Abs. 2 Nr. 1b AufenthG verstoßen. Mit dieser Strafvorschrift sollen die sich aus dem AufenthG ergebenden Verhaltenspflichten durchgesetzt und damit mittelbar der Zuzug ins Bundesgebiet kontrolliert werden (Gericke in Münchner Kommentar zum StGB, Band 8, 3. Aufl. 2018, § 95 AufenthG Rn.1). Der Rang dieser Rechtsgüter rechtfertigt es, auch wenn die Klägerin zu 1 sich seit der Abschiebung an das Aufenthaltsverbot gehalten hat, die geschilderten Umstände ausreichen zu lassen, um einen erneuten Verstoß für wahrscheinlich zu erachten.

Schließlich erscheint es auch beachtlich wahrscheinlich, dass sie sich bei einem künftigen Aufenthaltserlaubnisverfahren darauf berufen, wird, sie sei mit einem Deutschen verheiratet und wolle mit ihm eine eheliche Lebensgemeinschaft führen. Damit würde sie gegen § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG verstoßen. Diese Vorschrift schützt das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Rechtmäßigkeit von Aufenthaltstiteln (OLG Stuttgart, U. v. 10.09.2009 - 1 Ss 1161/09, NStZ-RR 2009. 387/387). Dieses hohe Rechtsgut rechtfertigt es, keine zu hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Verstoßes zu stellen. Deshalb reicht es aus, dass die Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung mit Nachdruck die Auffassung vertrat, dass zwischen ihr und ihrem Ehemann seit Ende Januar 2016 bis heute eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht. Dass sie vom Bestehen einer Ehe mit allen Konsequenzen ausgeht, wird im Übrigen auch daran deutlich, dass sie, obwohl sie laut Eheurkunde nach deutschem Recht nicht den Familiennamen ihres Mannes angenommen hat, am 25.09.2017 für sich und ihre Tochter mazedonische Reisepässe auf den Namen „S...“ ausstellen ließ.

e) Auch gegenüber der Klägerin zu 2 besteht ein weiterhin bestehendes schwerwiegendes Ausweisungsinteresse. Für die Klägerin zu 1 und ihre Tochter, für die sie die Personensorge ausübt, ist eine familienbezogene Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Da im Regelfall davon ausgehen ist, dass minderjährige Kinder gemeinsam mit den Eltern einreisen, sich hier aufhalten und das Bundesgebiet wieder verlassen, teilen sie das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Eltern (BayVGH, B. v. 13.07.2010 - 19 ZB 10.1129 - juris Rn. 7).

f) Der Klägerin zu 1 steht kein besonders schwer oder schwer wiegendes Bleibeinteresse zur Seite.

Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG wiegt das Bleibeinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt.

Eine familiäre Gemeinschaft kann auch bestehen, wenn die Familienangehörigen aus gewichtigen Gründen wenig persönlichen Kontakt haben. Dann ist es allerdings erforderlich, dass das Bestehen einer über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausreichenden familiären Beistandsgemeinschaft auf andere Weise erkennbar sichergestellt ist, etwa durch eine intensive Kommunikation zwischen den Familienangehörigen als Indiz für eine gemeinsame Lebensgestaltung, durch Beistandsleistungen oder durch Besuche im Rahmen des Möglichen. Maßgeblich ist der nachweisbar betätigte Wille, mit den Familienangehörigen als wesentlichen Bezugspersonen ein gemeinsames Leben zu führen. Ob dieser Wille vorliegt und praktiziert wird, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, B. v. 22.05.2013 - 1 B 25.12 - BayVBl 2014, 56/57 zur ehelichen Lebensgemeinschaft).

Auch wenn im Hinblick darauf, dass die Klägerinnen sich nicht im Bundesgebiet aufhalten dürfen, abgesenkte Voraussetzungen an das Vorliegen einer familiären Lebensgemeinschaft mit Herrn … S..., der inzwischen wieder in P... lebt, gelten, leben die Klägerinnen zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht in einer familiären Lebensgemeinschaft mit ihm, die als Ausdruck des Willens einer gemeinsamen Lebensführung anzusehen ist.. Diese Überzeugung hat das Gericht insbesondere aus der getrennten Befragung der Klägerinnen und des Zeugen in der mündlichen Verhandlung sowie der Antwort des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 06.04.2018 auf eine Anfrage des Gerichts zu bestehenden Kontakten gewonnen.

Zwar ist der Kontakt zwischen den Eheleuten nach der Abschiebung nicht abgebrochen. Vielmehr hat die Klägerin zu 1 angegeben, sie würden regelmäßig ein-, zweimal die Woche skypen und könnten sich auf Deutsch unterhalten, weil die Klägerin zu 2 und ihre ältere Schwester dolmetschten. Zudem riefen sich die Familienmitglieder zu Feiertagen und Geburtstagen an. Weiter erklärten die Eheleute übereinstimmend, Herr S... überweise monatlich einen Geldbetrag zum Lebensunterhalt der Klägerin zu 1, die in Mazedonien weder arbeite noch Sozialleistungen beziehe. Auch erklärte sie, ohne weitere Details zu nennen, an ihrem Hochzeittag habe ihr Mann sie in Mazedonien besucht. Schriftsätzlich ließ sie weiter mitteilen, ihr Ehemann habe im Sommer 2017 eine Urlaubswoche in Mazedonien verbracht. Zudem versicherte sie, in den nächsten Tagen bis zum Ablauf der Betretenserlaubnis am 12.08.2018 wolle sie mit Mann und Tochter zusammen sein, kochen und spazieren gehen.

Die Kommunikation der Eheleute ist jedoch, näher betrachtet, kein Anzeichen dafür, dass die Klägerin zu 1 ihr Leben gemeinsam mit ihrem Ehemann als wichtigster Bezugsperson neben ihren Kindern gestalten will. Denn sie erklärte, sie unterhielten sich hauptsächlich darüber, wie die Klägerinnen wieder herkommen könnten und dass sie in Deutschland arbeiten könne. Außerdem tauschen sich die Eheleute über wichtige Veränderungen im Leben des anderen nicht aus. So musste die Klägerin zu 1 einräumen, nach ihrer Einreise zur mündlichen Verhandlung sei sie überrascht gewesen, dass er jetzt in P... wohne, weil sie von seinem Umzug aus G... zuvor nichts mitbekommen habe. Umgekehrt hat sie ihrem Ehemann zwar mitgeteilt, dass sie innerhalb Mazedoniens nach Str... umgezogen sei, aber nicht zeitnah berichtet, dass sie sich dort in einem von ihrer älteren Tochter erworbenen Haus niedergelassen hat.

Darüber hinaus bestehen unterschiedliche Vorstellungen, was die Wohnsituation bei einem künftigen Zusammenleben angeht. Während die Klägerin zu 1 sich nicht eben begeistert zeigte, künftig mit einer Zweizimmerwohnung in P... vorlieb nehmen zu müssen, versicherte der Zeuge, er renoviere derzeit seine zweite Wohnung, eine Vierzimmerwohnung, für die Rückkehr der Klägerinnen.

Angesichts des Vorstehenden vermag auch der Umstand, dass die zielstrebig auf einen erneuten Aufenthalt im Bundesgebiet hinarbeitenden Klägerin zu 1 und dem in der mündlichen Verhandlung deutlich angeheiterten Zeugen im Falle der erfolgreichen Sicherung des Aufenthalts der Klägerinnen im Bundesgebiet eine Reise in die Dominikanische Republik planen, keine innere eheliche Verbundenheit zu dokumentieren.

g) Die Abwägung zwischen dem Ausweisungsinteresse und dem Bleibeinteresse ergibt, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt.

Gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

Beim Ausweisungsinteresse schlägt zunächst zu Buche, dass die Klägerin zu 1 durch ihre Einreise und ihren sechsmonatigen Aufenthalt von April bis Oktober 2016 und die unrichtigen Angaben gegenüber der Ausländerbehörde trotz der bestehenden Einreise- und Aufenthaltssperre nicht nur vereinzelt oder geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen hat und damit den Tatbestand eines schwer wiegenden Ausweisungsinteresses erfüllt.

Bezüglich des weiteren öffentlichen Interesses daran, dass die Klägerinnen sich nicht im Bundesgebiet aufhalten, ist festzuhalten, dass die Klägerin zu 1 sich schon seit ihrer Einreise im Jahr 2014 nicht rechtstreu verhalten hat, weil sei unter falschem Namen in K... (Schleswig-Holstein) gelebt, einen Asylantrag gestellt und vom 14.08.2015 bis 08.03.2016 Duldungen von der Ausländerbehörde des dortigen Kreises St... erhalten hat. Zudem hat sie sich, obwohl sie verpflichtet war, in Bamberg ihren Wohnsitz zu nehmen, in G... niedergelassen. Des Weiteren war ihr Aufenthalt im Bundesgebiet seit 2014, außer in der Zeit des Asylerstverfahrens, nicht rechtmäßig sondern allenfalls geduldet. Hinzukommt, dass die Klägerin zu 1 zwar unter allen Umständen ihr Heimatland verlassen und in Deutschland leben will. Sie hat allerdings familiäre und verwandtschaftliche Verbindungen in Mazedonien und ist erst vor einiger Zeit in ein von ihrer volljährigen Tochter in Str... erworbenes Haus umgezogen. Schließlich ist zu beachten, dass sie trotz ihres mehrjährigen Aufenthalts weiterhin kaum Deutsch spricht und im Bundesgebiet bisher weder gearbeitet noch einen konkreten Arbeitsplatz in Aussicht hat.

Für ein Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet kann die Klägerin zu 1 bei Erlass des Bescheides am 27.07.2016 nicht mit Erfolg geltend machen, sie sei mit einem Deutschen verheiratet und lebe mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft, so dass bei ihr gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG ein besonders schwer wiegendes Bleibeinteresse vorliege. Denn sie lebte nicht in familiärer Lebensgemeinschaft mit ihrem Ehemann und der Klägerin zu 2. Daran hat sich zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nichts geändert, weil auch jetzt keine familiäre Lebensgemeinschaft besteht.

Was die übrigen, für einen Aufenthalt im Bundesgebiet sprechenden Umstände anbelangt, kann die Klägerin zu 1 für sich geltend machen, dass sie persönliche Beziehungen nach Deutschland hat, weil hier ihr Ehemann lebt, mit dem sie zwar keine schützenswerte Lebensaber immerhin eine Begegnungsgemeinschaft verbindet. Zudem haben sich hier bereits seit längerem ihre beiden volljährigen Söhne mit aufenthaltsrechtlich gesichertem Status niedergelassen, mit denen sie in regem Kontakt steht. Zudem stünde für sie eventuell eine Wohnung in P... bereit, die gerade renoviert wird.

Die Klägerin zu 2 kann sich darauf berufen, dass ihre Adoption durch ihren Stiefvater eingeleitet ist, die ihr bei erfolgreichem Abschluss des Verfahrens gemäß § 6 StAG durch die Annahme als Kind zur deutschen Staatsangehörigkeit verhelfen würde. Zudem spricht sie gut Deutsch und hat in Deutschland schon die Schule besucht. Ihre fehlenden Bindungen nach Mazedonien haben außerdem dazu geführt, dass sie dem dortigen Schulunterricht schon wegen der kyrillischen Schriftzeichen nur schwer folgen kann.

Wägt man die angeführten Belange gegeneinander ab, überwiegt unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls das Ausweisungsinteresse.

Nicht außer Betracht bleiben kann dabei, dass die Ausweisung zwar am 27.07.2016 verfügt wurde, als sich die Klägerinnen noch in Deutschland aufhielten. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts leben sie jedoch schon fast zwei Jahre in Mazedonien. Auch die Ausweisung eines Ausländers, der sich im Ausland aufhält, weil er in Vollzug einer unanfechtbaren asylrechtlichen Abschiebungsandrohung abgeschoben wurde, ist im Hinblick auf die über die der Begründung der Ausreisepflicht hinausgehenden Wirkungen der Ausweisung rechtlich zulässig (BVerwG, U. v. 31.03.1998 - 1 C 28.97- InfAuslR 1998, 285/ 286-288). Bei der Abwägung ist jedoch im Blick zu behalten, dass die Ausweisung der Klägerinnen derzeit vorrangig den Zweck verfolgt, ihre erneute Einreise und ihren erneuten Aufenthalt zu verhindern.

Das Ausweisungsinteresse überwiegt deshalb, weil zu Lasten der Klägerin zu 1 wirkt, dass sie den Tatbestand eines schwer wiegenden Ausweisungsinteresses verwirklicht hat und sich schon zuvor als nicht rechtstreu erwiesen hat. Außerdem hat sie sich während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet von 2014 bis 2016 nicht integriert. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, kann sie sich demgegenüber nicht auf ein aus einer familiären Lebensgemeinschaft beruhendes Bleibeinteresse berufen, weil weder für die Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland noch jetzt der Wille festzustellen ist, zusammen mit der Klägerin zu 2 mit Herrn S... ein gemeinsames Leben zu führen. Vielmehrt benutzt sie die Ehe nur zu dem ehefremden und strafrechtlich sanktionierten Zweck, sich und der Klägerin zu 2 die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.

Gleiches gilt für die Klägerin zu 2. Auch das zu ihren Gunsten begonnene Adoptionsverfahren soll dazu dienen, wie ihr eigene Befragung in der mündlichen Verhandlung gezeigt hat, ihr zur deutschen Staatsangehörigkeit und damit ihr und auch der Klägerin zu 1 zu einem Aufenthalt in Deutschland zu verhelfen, und nicht dazu, gemäß § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ihrem Wohl einer im Werden befindlichen Eltern-Kind-Beziehung eine rechtliche Grundlage zu verleihen. Im Übrigen teilt sie das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer allein personensorgeberechtigten Mutter.

Die Ausweisungsentscheidung ist darüber hinaus auch verhältnismäßig.

Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass die Ausländerbehörde nicht die vom Bundesamt verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG (10 Monate ab der Ausreise) bzw. gemäß § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG (36 Monate ab dem Tag der Abschiebung) wegen der Einreise und dem Aufenthalt trotz der bestehenden Einreise - und Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 9 Satz 2 AufenthG verlängert und damit ein milderes Mittel gewählt hat. Vielmehr hat sie im Rahmen des ihr als Ordnungsbehörde eingeräumte Entschließungsermessens eine Ausweisung mit einem neuen auf vier Jahre befristeten Einreise.-und Aufenthaltsverbot ab dem Tag der Abschiebung erlassen. Dazu sah sich die Behörde insbesondere auch deshalb veranlasst, weil bis zum Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.01.2018, wie dem Gericht bekannt ist, Rechtsunsicherheit bei Behörden und Rechtsanwälten darüber bestand, ob für eine Veränderung und damit auch die Verlängerung eines vom Bundesamt verfügten und befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes gemäß § 11 Abs. 1 und 2 oder § 11 Abs. 7 AufenthG gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG die Ausländerbehörde oder gemäß § 75 Nr. 12 das Bundesamt zuständig ist (BVerwG, U. v. 25.01.2018 - 1 C 7/17 - InfAuslR 2018, 202/203f. : jeweils Ausländerbehörde - für § 11 Abs. 2 vgl. Rn. 13, für § 11 Abs. 7 vgl. Rn. 12-23). Zudem wollte die Ausländerbehörde, nachdem der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen in einem Schriftsatz an das Landgericht P... vom 24.06.2016 geltend gemacht hatte, die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamtes vom 07.06.2016 sei durch die freiwillige Ausreise verbraucht und eine Rückführungsentscheidung i.S. d. Art. 6 Abs. 1 Rückführungsrichtlinie nicht getroffen mit dem Erlass der Ausweisung samt Abschiebungsandrohung sicher gehen und eine entsprechende Rückführungsentscheidung treffen.

Weiter ist die Ausweisung auch deshalb verhältnismäßig, weil die Klägerinnen es in der Hand haben, durch eine glaubhafte Abkehr von ihrem bisherigen Verhalten eine Aufhebung oder Verkürzung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen (zu diesem Argument vgl. BVerwG, U. v. 22.02.2017 - 1 C 3/16 - BVerwGE 157, 325/ 351 = NVwZ 2017, 1883/1892 jew. Rn.58).

2. Die Klägerinnen haben darüber hinaus keinen Anspruch darauf, dass die vom Beklagten festgesetzte Befristung aufgehoben und der Beklagte verpflichtet wird, eine Befristung auf Null oder zumindest von kürzer als vier Jahren festzusetzen.

Gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen wurde, weder erneut in dasBundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem AufenthG, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise-. und Aufenthaltsverbot). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).

Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Dazu hat sie in einem ersten Schritt im Einzelfall zu prognostizieren, wie lange das Verhalten des Ausländers, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die so ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, insbesondere an Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG gemessen und gegebenenfalls relativiert werden. Das Gericht hat bei seiner Kontrolle der Ermessensentscheidung gemäß § 114 Abs. 1 VwGO insbesondere zu prüfen, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als gesetzliche Ermessensgrenze nicht überschritten wurde. Wird ermessensfehlerhaft eine zu lange Frist festgesetzt, ist die Entscheidung aufzuheben und die Behörde zur Neubescheidung zu verpflichten. Ohne dazu verpflichtet zu sein, kann das Gericht dann in den Entscheidungsgründen ergebende absolute Obergrenze für die Dauer der Frist festlegen (BVerwG, U. v. 22.02.2017 - 1 C 27/16 - BVerwGE 157, 356/363-365 = InfAuslR 2017, 336/338f. jew. Rn. 23- 25).

Die gestellten Verpflichtungsanträge der Klägerinnen haben keinen Erfolg, weil sich das Ermessen der Behörde nicht entsprechend zu ihren Gunsten dahingehend verdichtet hat, dass das Einreise- und Aufenthaltsverbot bis zum 08.08.2018 oder jedenfalls auf weniger als vier Jahre zu befristen ist.

Die Befristung durch den Beklagten auf vier Jahre ab dem Tag der Abschiebung, d.h. bis 06.10.2020, war ermessensgerecht. Die Ausländerbehörde hat erkannt, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat und hat ihr Ermessen zu Recht dahingehend ausgeübt, das sie nunmehrstatt wie das Bundesamt eine Frist von drei Jahren - jetzt eine Frist von vier Jahren festgesetzt hat.

Zwar geht die Begründung der Befristung ersichtlich fehlt, wenn darauf abgestellt wird, die Klägerinnen seien aus der Republik Albanien (!) nur eingereist, um Sozialleistungen zu beziehen. Aber das weitere angeführte Argument, die Klägerinnen hätten keine schützenswerten Bindungen im Bundesgebiet erweist sich als selbständig tragfähig.

Zum einen löst erst der bei beiden Eheleuten bestehende Wille, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet tatsächlich herzustellen oder aufrechtzuerhalten, den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG aus (BVerwG, B. 22.05.2013 - 1 B 25.12 - BayVBl 2014, 56/57). Aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat das Gericht jedoch die Überzeugung gewonnen, dass die Klägerin zu 1 diesen Willen nicht hat und, soweit derzeit vorhersehbar, auch in absehbarer Zeit nicht haben und sich dennoch auch zukünftig darauf berufen wird, sie führe mit Ehemann und Tochter eine familiäre Lebensgemeinschaft. Zum anderen ändert auch der Umstand, dass ihre beiden volljährigen Söhne rechtmäßig in Deutschland leben und hier erwerbstätig sind, nichts daran, dass eine Frist von vier Jahren festgesetzt werden durfte. Zwar unterfällt auch die Beziehung von Eltern zu ihren volljährigen Kindern Art. 6 Abs. 1 GG (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 27 AufenthG Rn.40). Daraus ergibt sich aber kein Anspruch auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet. Aufenthaltsrechtliche Konsequenzen lassen sich aus einer Beziehung zu volljährigen Kindern nur ausnahmsweise dann ableiten, wenn die erwachsenen Kinder im Sinne einer Beistandsgemeinschaft auf die Lebenshilfe der ausländischen Eltern angewiesen sind oder umgekehrt (BVerwG, U. v. 30.11.1982 - 1 C 25/78- BVerwGE 66, 268/272f. = NJW 1983, 532/534 betr. den Nachzug nach dem AuslG). Dies wurde hier aber nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.

Handelte der Beklagte bei der Festsetzung der Vierjahresfrist damit ermessensfehlerfrei, konnte sich sein Ermessen nicht darauf reduzieren, abweichend davon die beantragte kürzere Befristung anzuordnen.

3. Als unterliegender Teil tragen die Klägerinnen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2018 - B 6 K 16.578

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2018 - B 6 K 16.578

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2018 - B 6 K 16.578 zitiert 29 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 159


Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 28 Familiennachzug zu Deutschen


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 54 Ausweisungsinteresse


(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 4 Erfordernis eines Aufenthaltstitels


(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 27 Grundsatz des Familiennachzugs


(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verläng

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 95 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,2. ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet a

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 32 Kindernachzug


(1) Dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil einen der folgenden Aufenthaltstitel besitzt:1.Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 71 Zuständigkeit


(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann be

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 14 Unerlaubte Einreise; Ausnahme-Visum


(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er 1. einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,2. den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,2a. zwar ein nach § 4 erforderliche

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1741 Zulässigkeit der Annahme


(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung ein

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 15 Gemeinschaftsrechtliche Regelung der Kurzaufenthalte


Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern für Kurzaufenthalte richtet sich nach dem Recht der Europäischen Union, insbesondere dem Schengener Durchführungsübereinkommen und der Verordnung

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 6


Mit der nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen erwirbt das Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Erwerb der deutschen

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2018 - B 6 K 16.578 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2018 - B 6 K 16.578 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2017 - 10 ZB 16.2199

bei uns veröffentlicht am 08.11.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt. Gründ

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 25. Jan. 2018 - 1 C 7/17

bei uns veröffentlicht am 25.01.2018

Tatbestand 1 Der Kläger, ein albanischer Staatsangehöriger, begehrt die Aufhebung eines gegen ihn vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) verhängten Einr

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 22. Feb. 2017 - 1 C 3/16

bei uns veröffentlicht am 22.02.2017

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus Deutschland. Hilfsweise erstrebt er eine neue Entscheidung des Beklagten über die Befristung des mit der A

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 22. Feb. 2017 - 1 C 27/16

bei uns veröffentlicht am 22.02.2017

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Aufhebung, hilfsweise die Befristung des mit seiner Ausweisung eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf unter vier Jahre.

Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 10. Aug. 2009 - 1 Ss 1161/09

bei uns veröffentlicht am 10.08.2009

Tenor Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Stuttgart wird das Urteil des Landgerichts - 31. kleine Strafkammer - Stuttgart vom 09. März 2009 mit den Feststellungen

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil einen der folgenden Aufenthaltstitel besitzt:

1.
Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Absatz 1 Satz 3 oder nach Abschnitt 3 oder 4,
2.
Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative,
3.
Aufenthaltserlaubnis nach § 28, § 30, § 31, § 36 oder § 36a,
4.
Aufenthaltserlaubnis nach den übrigen Vorschriften mit Ausnahme einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative,
5.
Blaue Karte EU, ICT-Karte, Mobiler-ICT-Karte,
6.
Niederlassungserlaubnis oder
7.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU.

(2) Hat das minderjährige ledige Kind bereits das 16. Lebensjahr vollendet und verlegt es seinen Lebensmittelpunkt nicht zusammen mit seinen Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in das Bundesgebiet, gilt Absatz 1 nur, wenn es die deutsche Sprache beherrscht oder gewährleistet erscheint, dass es sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder 2, eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt,
2.
der Ausländer oder sein mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebender Ehegatte eine Niederlassungserlaubnis nach § 18c Absatz 3, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 18f, § 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 besitzt, oder
3.
der Ausländer oder sein mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebender Ehegatte unmittelbar vor der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18a, 18b Absatz 1, den §§ 18d, 19c Absatz 1 für eine Beschäftigung als leitender Angestellter, als Führungskraft, als Unternehmensspezialist, als Wissenschaftler, als Gastwissenschaftler, als Ingenieur oder Techniker im Forschungsteam eines Gastwissenschaftlers oder als Lehrkraft, § 19c Absatz 2 oder 4 Satz 1 oder § 21 war.

(3) Bei gemeinsamem Sorgerecht soll eine Aufenthaltserlaubnis nach den Absätzen 1 und 2 auch zum Nachzug zu nur einem sorgeberechtigten Elternteil erteilt werden, wenn der andere Elternteil sein Einverständnis mit dem Aufenthalt des Kindes im Bundesgebiet erklärt hat oder eine entsprechende rechtsverbindliche Entscheidung einer zuständigen Stelle vorliegt.

(4) Im Übrigen kann dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es auf Grund der Umstände des Einzelfalls zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist. Hierbei sind das Kindeswohl und die familiäre Situation zu berücksichtigen. Für minderjährige ledige Kinder von Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative besitzen, gilt § 36a.

(5) Hält sich der Ausländer gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet auf, so bedarf das minderjährige ledige Kind keines Aufenthaltstitels, wenn nachgewiesen wird, dass sich das Kind in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig als Angehöriger des Ausländers aufgehalten hat. Die Voraussetzungen nach § 18e Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 3 und 4 und Absatz 6 Satz 1 und die Ablehnungsgründe nach § 19f gelten für das minderjährige Kind entsprechend.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus Deutschland. Hilfsweise erstrebt er eine neue Entscheidung des Beklagten über die Befristung des mit der Ausweisung verbundenen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

2

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit. Er wurde 1973 in der Türkei geboren, ist verheiratet und hat sieben Kinder. Er reiste 1997 nach Deutschland ein und beantragte hier Asyl, da er in der Türkei wegen seines Engagements in prokurdischen Vereinen und Parteien sowie verwandtschaftlichen Beziehungen zu Guerillakämpfern der sog. Arbeiterpartei Kurdistans - PKK - an Leib und Leben bedroht sei. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) vom 9. Oktober 1997 wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach dem damaligen § 51 Abs. 1 AuslG 1990 zuerkannt und zu seinen Gunsten ein Abschiebungsverbot wegen drohender Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK (damals § 53 Abs. 4 AuslG 1990) festgestellt. Der Kläger ist lediglich sporadisch und für kurze Zeiträume einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, gleiches gilt für seine Ehefrau. Er bezieht mit seiner Familie Leistungen nach dem SGB II.

3

Vom 1. April 1998 bis zum 1. Dezember 2009 war der Kläger im Besitz jeweils befristeter Aufenthaltstitel. Am 13. März 2009 teilte das Bundesamt der Ausländerbehörde mit, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 oder 2 AsylVfG nicht vorlägen. Im März 2009 stellte der Kläger bei der Ausländerbehörde der Stadt M. einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Auf Anfrage teilte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg der Ausländerbehörde im Mai 2009 mit, dass hinsichtlich der Person des Klägers "Erkenntnisse" vorlägen, über die das Innenministerium Baden-Württemberg gesondert informiert worden sei. Dessen ungeachtet wurde dem Kläger am 4. Dezember 2009 ohne weitere Mitteilung zum Stand der Sicherheitsüberprüfung eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG erteilt.

4

Das Regierungspräsidium K. teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2010 mit, dass die Niederlassungserlaubnis in Unkenntnis der Sicherheitsbedenken erteilt worden sei und derzeit deren Rücknahme und eine Ausweisung geprüft werde. Hierzu werde dem Kläger die Möglichkeit eines Sicherheitsgesprächs zur weiteren Aufklärung gegeben. Dieses fand im Februar 2011 statt; allerdings verweigerte der Kläger mit Ausnahme eines durch ihn ausgefüllten Fragebogens die weitere Mitwirkung.

5

Mit Verfügung vom 10. Januar 2012 wies das Regierungspräsidium K. den Kläger aus (Ziffer 1) und stützte sich dabei auf § 54 Nr. 5, § 56 Abs. 1, § 55 AufenthG a.F. Zudem wurde der Kläger verpflichtet, sich zweimal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, und sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt M. begrenzt (Ziffer 2).

6

Die Ausweisung sei gerechtfertigt, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger Vereinigungen unterstütze, die ihrerseits den Terrorismus unterstützten. So habe der Kläger nach den vorliegenden Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in den Jahren 2001 bis 2010 regelmäßig an näher bezeichneten Veranstaltungen und Demonstrationen der PKK-Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL teilgenommen und sei teilweise auch selbst als Redner bei derartigen Veranstaltungen aufgetreten. Von 2001 bis 2003/2004 sei er Vorsitzender des der KONGRA-GEL nahestehenden "Kurdischer Kulturverein e.V." in L. gewesen. Außerdem sei er seit langem Vorstandsmitglied und nunmehr sogar zweiter Vorsitzender des der KONGRA-GEL nahestehenden "Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM). Die Ausweisung sei trotz des dem Kläger als anerkanntem Flüchtling zustehenden besonderen Ausweisungsschutzes aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt und auch mit Blick auf die Bleibeinteressen des Klägers verhältnismäßig. Sie führe zudem nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung, vielmehr bleibe seine Abschiebung ausgesetzt, da ihr Abschiebungsverbote aufgrund der Rechtsstellung des Klägers als Flüchtling sowie nach § 60 Abs. 5 AufenthG entgegenstünden. Die angeordnete zweimalige wöchentliche Meldepflicht und die räumliche Beschränkung auf den Stadtbezirk M. beruhten auf § 54a AufenthG (a.F.) und seien mit Blick auf die gebotene Überwachung des Klägers und zur Eindämmung seiner gefahrbegründenden Aktivitäten erforderlich und angemessen.

7

Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Verfügung gerichtete Klage mit Urteil vom 27. Januar 2015 abgewiesen, zugleich aber den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen. Mit Urteil vom 13. Januar 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zurückgewiesen. Dabei hat er die angefochtene Ausweisungsverfügung an der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung des AufenthG gemessen. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere ausgeführt: Im Fall des Klägers liege ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil der Kläger in überwiegend herausgehobener Funktion die PKK und damit eine terroristische oder den Terrorismus unterstützende Vereinigung unterstützt habe. Dabei seien allerdings nur Aktivitäten nach Juli 2010 heranzuziehen, also nach der an den Kläger gerichteten Mitteilung, wegen seiner Aktivitäten werde die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis und eine Ausweisung geprüft. Als tatbestandserhebliches Unterstützen sei hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirke. Nach diesem Maßstab seien die im Urteil im Einzelnen näher bezeichneten und durch den Kläger in der Sache eingeräumten Betätigungen als Teilnehmer, Mitglied, Redner und Versammlungsleiter bei diversen die PKK unterstützenden Veranstaltungen sowie als Vorstandsmitglied der die PKK unterstützenden YEK-KOM und deren Nachfolgeorganisation NAV-DEM als Unterstützungshandlung zu werten. Angesichts des Ablaufs der Veranstaltungen, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um den PKK-Führer Öcalan sowie gefallene Märtyrer bestünden für das Berufungsgericht keine Zweifel daran, dass sich der Kläger den Zielen der PKK verpflichtet fühle und sie mit seinem Tun unterstützen wolle.

8

Die Ausweisungsverfügung werde auch dem erhöhten Ausweisungsschutz gerecht, der dem Kläger als anerkanntem Flüchtling nach § 53 Abs. 3 AufenthG zustehe. Denn es lägen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU vor, wonach ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel widerrufen werden könne.

9

Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse stehe ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber. Denn er habe eine Niederlassungserlaubnis besessen, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen sei. Er lebe mit deutschen Familienangehörigen (sechs seiner Kinder) in familiärer Lebensgemeinschaft und übe sein Personensorgerecht für seine minderjährigen Kinder aus. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung überwiege jedoch das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers.

10

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt in mehrfacher Hinsicht eine Verletzung von Bundesrecht. Zunächst habe das Berufungsgericht den Begriff des "Unterstützens" in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG fehlerhaft ausgelegt und angewandt. Der von ihm in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht angewandte Unterstützungsbegriff sei rechtsstaatlich nicht hinreichend konkret. Jedenfalls auf der Grundlage des neuen, seit Jahresanfang 2016 geltenden Ausweisungsrechts, das nach "schwerwiegenden" und "besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteressen" differenziere, sei dieser Unterstützungsbegriff nicht mehr als Abgrenzungskriterium geeignet. Notwendig sei ein gefahrenabwehrrechtlich ausgerichteter Unterstützungsbegriff, der sich etwa in Anlehnung an strafrechtliche Zurechnungskriterien wie Anstiftung oder Beihilfe oder die im Strafrecht für Organisationsdelikte entwickelten Zurechnungskriterien gewinnen lassen könne.

11

Fehlerhaft sei zudem die Auslegung und Anwendung von § 53 Abs. 3 AufenthG im Hinblick auf die sich aus Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie ergebenden Voraussetzungen. Denn das Berufungsgericht habe weder festgestellt, dass der Kläger unmittelbar der PKK angehöre, noch dass sich die YEK-KOM oder die NAV-DEM selbst terroristischer Methoden bedienten. Weiterhin verkenne das Berufungsgericht die durch den Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13) aufgestellten Anforderungen an die festzustellenden Unterstützungshandlungen. Danach sei insbesondere zu prüfen, ob der Betroffene selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zwecke der Begehung solcher Handlungen beteiligt war und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel für ihre Begehung verschafft habe. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts habe der EuGH damit nicht lediglich beispielhaft die in den maßgeblichen Vorlagefragen des Ausgangsverfahrens vorgehaltenen Handlungen herausgegriffen, sondern in einem abschließenden Sinne bestimmte Kriterien vorgegeben.

12

Weiter setze der Gefahrenbegriff des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine "konkrete Gefahr" voraus. Weder der Wortlaut noch die der Vorschrift zugrunde liegende Entstehungsgeschichte rechtfertigten eine Absenkung dieser Gefahrenschwelle. Das Berufungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob der Kläger die für die objektive Unterstützung zu Grunde gelegten Tatsachen und Umstände gekannt und eine zweckgerichtete Unterstützung auch gewollt habe.

13

Schließlich habe das Berufungsgericht verkannt, dass dem Kläger nach dem Urteil des EuGH vom 24. Juni 2015 selbst dann, wenn ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie entzogen werden dürfe, für die Zeit der Fortdauer seines Flüchtlingsstatus die Rechte nach Kapitel VII dieser Richtlinie erhalten bleiben. Deshalb beantragte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hilfsweise, den Beklagten zu der Feststellung zu verpflichten, dass ihm auch nach Bestandskraft der Ausweisung weiterhin die Rechte nach Kapitel VII der Richtlinie 2011/95/EU zustehen mit Ausnahme der Rechte aus Art. 24 der Richtlinie.

14

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und tritt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei.

15

Während des Revisionsverfahrens hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 20. Oktober 2016 die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes für den Kläger widerrufen und entschieden, ihm weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Gegen den Bescheid hat der Kläger Klage erhoben.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist im Wesentlichen unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Ausweisung des Klägers und die ihm auferlegte Meldepflicht und Aufenthaltsbeschränkung im Ergebnis zu Recht als rechtmäßig eingestuft. Allerdings war auf der Grundlage der seit 1. August 2015 geltenden Neuregelung des § 11 AufenthG der Beklagte zu einer nunmehr gebotenen Ermessensentscheidung über die festzusetzende Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG zu verpflichten.

17

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Aufhebung der Ausweisung (Ziffer 1 des Bescheids) sowie der Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkung (Ziffer 2 des Bescheids). Aber auch der Streit über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs - im Berufungsverfahren und anschließend im Revisionsverfahren angefallen. Denn das Befristungsbegehren ist als Minus notwendiger Bestandteil des Begehrens auf Aufhebung einer Ausweisung und kann daher von den Parteien nicht gesondert aus dem Verfahren ausgegliedert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 28 ff.). Hiervon sind im Übrigen vorliegend auch die Parteien übereinstimmend ausgegangen.

18

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m.w.N.). Der Entscheidung sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162) zugrunde zu legen, zuletzt geändert durch das am 29. Dezember 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AuslPersGrSiuSHRegG) vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155).

19

A. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG, weil der Kläger anerkannter Flüchtling ist.

20

1. Nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ergibt sich der Grundtatbestand der Ausweisung aus § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

21

Das neue Ausweisungsrecht gibt das mit dem Ausländergesetz 1990 eingeführte dreistufige Konzept der Ist-, Regel- und Kann-Ausweisung auf. Stattdessen hat sich der Gesetzgeber für ein einheitliches System der rechtlich gebundenen Ausweisung entschieden ("wird ausgewiesen"), das vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. § 54 AufenthG benennt konkret die Gründe, wann das Ausweisungsinteresse "besonders schwer" oder "schwer" wiegt und knüpft damit an Tatbestände der früheren Ist- und Regelausweisung an. In § 55 AufenthG werden - spiegelbildlich hierzu - Tatbestände normiert, denen zufolge das Bleibeinteresse "besonders schwer" oder "schwer" wiegt, wobei auch die Aufzählung der "schwer" wiegenden Bleibeinteressen nicht abschließend ist. In § 53 Abs. 2 AufenthG werden Gesichtspunkte genannt, die bei der Abwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind, insbesondere die Dauer des Aufenthalts, Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, Folgen der Ausweisung für Angehörige und Partner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat.

22

Die Rechtsprechung des Senats, die ihrerseits Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aufgreift (vgl. Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <301 ff.> und vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 14 ff.), hat bei der Entwicklung des neuen Ausweisungsrechts eine entscheidende Rolle gespielt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Februar 2015, BT-Drs. 18/4097 S. 49). Dabei griff der Gesetzgeber Vorschläge zur Neuregelung des Ausweisungsrechts auf, die Vertreter der Rechtsprechung unterbreitet haben (vgl. Dörig, NVwZ 2010, 921 <922>; Bergmann, ZAR 2013, 318 <322> sowie Gesetzesvorschlag Bergmann/Dörig vom Januar 2014, veröffentlicht in: Barwig u.a., Steht das europäische Migrationsrecht unter Druck?, 2014, S. 111 f.). Die Ausweisung setzt nunmehr nach § 53 Abs. 1 AufenthG eine umfassende und ergebnisoffene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls voraus, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. Sofern nach dieser Gesamtabwägung das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib in Deutschland überwiegt, wird der Ausländer ausgewiesen, andernfalls kommt eine Aufenthaltsbeendigung nach § 53 Abs. 1 AufenthG nicht in Betracht.

23

Die Tatbestandsmerkmale der "öffentlichen Sicherheit und Ordnung" im ausweisungsrechtlichen Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG sind nach der Begründung des Gesetzgebers im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts zu verstehen (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 49). Auch die Gefährdung dieser Schutzgüter bemisst sich nach den im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht entwickelten Grundsätzen. Erforderlich ist die Prognose, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet ein Schaden an einem der aufgeführten Schutzgüter eintreten wird. Mit Blick auf die verwendeten Begriffe sollte keine Ausweitung des Gefahrenbegriffs gegenüber dem bislang geltenden Recht erfolgen, vielmehr sollten lediglich die bislang verwandten unterschiedlichen Formulierungen aneinander angeglichen werden. Die von § 53 Abs. 1 AufenthG geforderte Abwägung der Interessen an der Ausweisung mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers in Deutschland erfolgt dabei nach der Intention des Gesetzgebers nicht auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen eines der Ausländerbehörde eröffneten Ermessens, sondern auf der Tatbestandsseite einer nunmehr gebundenen Ausweisungsentscheidung und ist damit gerichtlich voll überprüfbar.

24

Der Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfährt durch die weiteren Ausweisungsvorschriften mehrfache Konkretisierungen. So wird einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen durch den Gesetzgeber in den §§ 54, 55 AufenthG von vornherein ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als entweder "besonders schwerwiegend" (Absatz 1) oder als "schwerwiegend" (Absatz 2). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sind neben den explizit in den §§ 54, 55 AufenthG aufgeführten Interessen aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 49). Die Katalogisierung schließt demnach die Berücksichtigung weiterer Umstände im Rahmen der nach § 53 Abs. 2 AufenthG zu treffenden Abwägungsentscheidung nicht aus. Dies folgt bereits aus dem Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG, ist aber für die schwerwiegenden, aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebenssituationen bewusst nicht abschließend aufgezählten Bleibeinteressen in § 55 Abs. 2 AufenthG nochmals ausdrücklich normiert. Die nunmehr als schwerwiegend oder besonders schwerwiegend qualifizierten Ausweisungsinteressen im Sinne von § 54 AufenthG decken sich weitgehend - aber nicht vollständig - mit den früheren Gründen für eine Regel- und Ist-Ausweisung, die schwerwiegenden und besonders schwerwiegenden Bleibeinteressen greifen Fälle des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 AufenthG a.F. auf.

25

Bei der Abwägung sind schließlich gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Bei diesem Kriterienkatalog hat sich der Gesetzgeber an den Maßstäben orientiert, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 EMRK als maßgeblich ansieht ("Boultif/Üner-Kriterien"). Die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Umstände sollen sowohl zugunsten als auch zulasten des Ausländers wirken können und sind nach Auffassung des Gesetzgebers nicht als abschließend zu verstehen.

26

Die in § 54 AufenthG fixierten Tatbestände erfüllen zwei Funktionen: Sie sind gesetzliche Umschreibungen spezieller öffentlicher Interessen an einer Ausweisung im Sinne von § 53 Abs. 1 Halbs. 1 AufenthG und weisen diesen Ausweisungsinteressen zugleich ein besonderes Gewicht für die durch § 53 Abs. 1 Halbs. 2 und Abs. 3 AufenthG geforderte Abwägung zu. Ein Rückgriff auf die allgemeine Formulierung eines öffentlichen Ausweisungsinteresses in § 53 Abs. 1 Halbs. 1 AufenthG ist deshalb entbehrlich, wenn der Tatbestand eines besonderen Ausweisungsinteresses nach § 54 AufenthG verwirklicht ist. Allerdings bedarf es auch bei Verwirklichung eines Tatbestandes nach § 54 AufenthG stets der Feststellung, dass die von dem Ausländer ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbesteht.

27

2. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG festgestellt. Ein solches liegt dann vor, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wobei hiervon u.a. dann auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er (jedenfalls) eine solche Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, er nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.

28

a) Der Tatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist dem Wortlaut nach weitgehend an den früheren Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung angelehnt, auf den die Ausweisungsverfügung auch ursprünglich gestützt war. Das Berufungsgericht hat für die Auslegung des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu Recht dieselben rechtlichen Maßstäbe herangezogen, die der Senat zur Auslegung des früheren Regelausweisungstatbestandes nach § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung entwickelt hat.

29

In der Rechtsprechung des Senats war die Auslegung des Regelausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung weitgehend geklärt. So ist anerkannt, dass eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da die Vorschrift der präventiven Gefahrenabwehr dient und auch die Vorfeldunterstützung durch sogenannte Sympathiewerbung erfasst. Der Tatbestand des Unterstützens des Terrorismus durch eine Vereinigung setzt allerdings voraus, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung (auch) auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind; ein bloßes Ausnutzen der Strukturen einer Vereinigung durch Dritte in Einzelfällen reicht hierfür nicht aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 20 ff. und vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 13 ff.).

30

Für den im Gesetz verwandten Begriff des Terrorismus sind Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen. Jedoch können wesentliche Kriterien aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. L 164 S. 3) sowie dem gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Aufnahme einer Organisation in die vom Rat der Europäischen Union angenommene Liste terroristischer Organisationen im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344 S. 93 - vgl. auch ABl. L 116 vom 3. Mai 2002, S. 75) ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass die Organisation terroristischer Art ist oder im Verdacht steht, eine solche zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 [ECLI:EU:C:2015:413], H.T./Land Baden-Württemberg - Rn. 83). Hier sind von den Tatsachengerichten ergänzende Feststellungen zu treffen. Dabei ist trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs anerkannt, dass als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen und Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele anzusehen sind (Urteile vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>, vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 und Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79 <87> m.w.N.).

31

Weiterhin ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer Vereinigung, die eine terroristische Vereinigung unterstützt, im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. alle Verhaltensweisen erfasst, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne gleichzeitige Mitgliedschaft. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen kann eine Unterstützung in diesem Sinne darstellen, wenn sie geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. missbilligten Ziele zu entfalten. Auf einen nachweisbaren oder messbaren Nutzen für diese Ziele kommt es nicht an, ebenso wenig auf die subjektive Vorwerfbarkeit der Unterstützungshandlungen. Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen erfüllen allerdings solche Handlungen den Tatbestand der individuellen Unterstützung nicht, die erkennbar nur auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende - etwa humanitäre oder politische - Ziele der Vereinigung gerichtet sind. Für den Ausländer muss schließlich die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auf eine darüber hinaus gehende innere Einstellung des Ausländers kommt es hingegen nicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 15 und 18 m.w.N.).

32

Diese vom Senat zur Auslegung von § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. entwickelten Grundsätze lassen sich entgegen dem Vorbringen der Revision auch auf den Tatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung nach dem neu gefassten § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG übertragen. Ein Vergleich der Textfassungen ergibt, dass der Gesetzgeber die früheren Regelausweisungstatbestände nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG a.F. in der neuen Vorschrift des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zusammengefasst hat, wobei unter den vorliegenden Umständen die Fälle staatsgefährdender Gewalttaten nach § 89a StGB außer Betracht bleiben können. Gegenüber dem früheren Recht ist der Hinweis entfallen, dass eine Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Eine Änderung der materiellen Rechtslage ist damit aber nicht verbunden, da auch nach neuem Recht eine fortbestehende Gefahr erforderlich ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ("gefährdet") und ist implizit auch dem neuen Zusatz in § 54 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz AufenthG zu entnehmen, wonach von einer Gefährdung nicht auszugehen ist, wenn der Ausländer erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt.

33

Den Gesetzgebungsmaterialien ist nichts dafür zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber hinsichtlich des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung für eine Abkehr von dem bisherigen Verständnis des Ausweisungstatbestandes hat entscheiden wollen. Zwar hat er in Satz 2 einen Halbsatz neu eingefügt, wonach ein Unterstützen nicht vorliegt, wenn der Ausländer erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt. Das stellt jedoch keine inhaltliche Änderung des Unterstützerbegriffs dar, sondern normiert lediglich ein in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits entwickeltes Kriterium zur individuellen Zurechnung eines Unterstützerverhaltens. Denn der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die objektive Tatsache der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in der Vergangenheit dem Ausländer dann nicht mehr zugerechnet werden kann, wenn er sich glaubhaft hiervon distanziert (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <131>, vom 30. April 2009 - 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 35 und vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 17). Die nunmehr normierten Tatbestandsmerkmale lassen keine Abkehr von der Senatsrechtsprechung erkennen, denn ein "erkennbares Abstandnehmen" vom sicherheitsgefährdenden Handeln entspricht dem Distanzieren im Sinne der Senatsrechtsprechung. Allerdings findet sich in der Begründung zu dieser Neuregelung die Aussage, die Möglichkeit der "Exkulpation" zeige, dass der Betroffene Kenntnis davon gehabt haben müsse, dass die Vereinigung den Terrorismus unterstütze, der "undolose Unterstützer" daher nicht unter die Regelung falle (BT-Drs. 18/4097 S. 51). Aus diesem Satz in der Gesetzesbegründung könnte man ableiten, der Gesetzgeber habe eine Regelung treffen wollen, nach der für die subjektive Seite des Unterstützens mehr erforderlich ist (Vorsatz) als nach dem bisherigen Verständnis (Erkennbarkeit). Wäre dies tatsächlich so Gesetz geworden, hätte dies eine nicht unerhebliche Einschränkung der Rechtsprechung zur subjektiven Zurechnung bedeutet, nach der es ausreicht, dass der Ausländer erkennen konnte, dass die Vereinigung den Terrorismus unterstützt. Die Begründung hat jedoch im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden, denn nach diesem wird Vorsatz im Hinblick auf die terroristische Betätigung der unterstützten Vereinigung nicht verlangt. Es reicht somit auch für die Erfüllung des subjektiven Unterstützertatbestands weiterhin die Erkennbarkeit einer terroristischen Betätigung der Vereinigung aus. Vorsatz bleibt hingegen weiter erforderlich für das eigene Handeln des Ausländers, das von dem Ziel geleitet sein muss, die Vereinigung zu unterstützen. Für diese Auslegung spricht auch, dass der Gesetzgeber der Vorfeldunterstützung des Terrorismus durch die Gesetzesänderung erhöhte Bedeutung beimessen wollte, indem er den bisher als Tatbestand für eine Regelausweisung normierten Ausweisungsgrund zu einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 AufenthG heraufstufte, was im bisherigen Recht dem Tatbestand einer zwingenden Ausweisung entsprochen hätte. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass das stärkere Gewicht, das der Gesetzgeber diesem Ausweisungsinteresse beimessen wollte (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 23), mit einer engeren Interpretation seiner Tatbestandsmerkmale einhergehen sollte.

34

Eine vom früheren Begriffsverständnis abweichende Auslegung des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass dieser bisher eigenständige Tatbestand nunmehr in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG funktional mit einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verknüpft wird ("hiervon ist auszugehen, wenn"). Vielmehr ergibt eine systematische Auslegung der Vorschrift, dass der Inhalt des Ausweisungstatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung unverändert geblieben ist, während der Begriff der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland eine Erweiterung erfahren hat. Denn der Gesetzgeber hat mit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr kraft Gesetzes definiert, wann von einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen ist, nämlich (jedenfalls) dann, wenn eine der dort genannten Tatbestandsalternativen erfüllt ist. Die Auslegung des Begriffs der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland richtet sich daher (auch) nach diesen Tatbestandsalternativen, nicht umgekehrt. Anderes lässt sich hinsichtlich des Gefahrenmaßstabs auch nicht der Regelung des § 53 Abs. 1 AufenthG entnehmen. Denn anders als bei den übrigen Ausweisungsinteressen hat der Gesetzgeber in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG das Erfordernis einer Gefahr (nochmals) ausdrücklich aufgeführt, was unter systematischen Gesichtspunkten für eine gewisse Eigenständigkeit des Gefahrentatbestandes gegenüber § 53 Abs. 1 AufenthG fruchtbar gemacht werden kann. Es gilt damit nunmehr, dass das Gesetz bereits die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Bundesgebiet als eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ansieht, unabhängig davon ob die terroristische Vereinigung Gewaltakte auch auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland oder gegen deutsche Einrichtungen im Ausland begeht. Weiterhin gilt jedenfalls für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch Vorfeldmaßnahmen erfasst und keine von der Person des Unterstützers ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordert. Die Rechtsprechung des Senats zur Unterstützung des Terrorismus durch Handlungen in dessen Vorfeld hat dem Rechnung zu tragen und dabei auch die Bedeutung zu berücksichtigen, die der Unionsgesetzgeber dieser Vorfeldunterstützung durch den Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9) - EU-Anerkennungsrichtlinie - beimisst.

35

Ein Anlass für eine verfassungsrechtliche Neubewertung des Gefahrenmaßstabs besteht entgegen dem umfangreichen Revisionsvorbringen nicht. In der Rechtsprechung des Senats ist seit dem Urteil zum Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus - Terrorismusbekämpfungsgesetz - vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361, 3142) anerkannt, dass der Unterstützungsbegriff weit auszulegen und anzuwenden ist, um damit der auch völkerrechtlich begründeten Zielsetzung des Gesetzes gerecht zu werden, dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <127 ff.>). Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Einen bislang nicht berücksichtigten verfassungsrechtlichen Rechtssatz, der den so umschriebenen Ausgleich zwischen dem legitimen und schon wegen seiner völkerrechtlichen Vorgaben besonders gewichtigen gesetzgeberischen Ziel der Terrorismusbekämpfung und den geschützten Grundrechtspositionen eines Ausländers infrage stellen würde, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere sprechen der Charakter der Ausweisung als Maßnahme der Gefahrenabwehr sowie die spezifische Zielsetzung der Terrorismusbekämpfung gegen eine Übertragung strafrechtlicher Rechtsprechungsgrundsätze, wie sie etwa für die Abgrenzung strafbarer und straffreier Meinungsäußerungen gelten. Der Senat hält auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.

36

b) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angenommen. Dies gilt sowohl für die Qualifizierung der PKK als terroristische oder jedenfalls den Terrorismus unterstützende Vereinigung (aa) als auch - jedenfalls im Ergebnis - für die Qualifizierung der Handlungen des Klägers als relevante Unterstützungshandlungen (bb). Ebenso wenig zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat (cc).

37

(aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Qualifizierung der PKK als eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Das Gericht legt seiner Entscheidung die in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Definition einer terroristischen Vereinigung zugrunde (UA Bl. 27 f.) und geht damit von einem zutreffenden Maßstab aus. Für die Bewertung der PKK als eine solche Vereinigung hat das Gericht zunächst darauf abgestellt, dass sie auch noch aktuell auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt ist, ohne diesem Umstand eine über einen deutlichen Anhaltspunkt hinausgehende Bedeutung beizumessen (UA Bl. 31). Hieran anknüpfend hat das Berufungsgericht sodann auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnismittel festgestellt, dass die PKK zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele in der Türkei weiterhin Gewalttaten gegen staatliche Einrichtungen und Amtsträger sowie die Zivilbevölkerung verübt und im Übrigen etwa zur Finanzierung ihrer Aktivitäten oder zur Bekämpfung von Kritikern auch nicht vor Verbrechen gegenüber ihren eigenen Anhängern und auch darüber hinaus gegenüber der kurdischstämmigen Bevölkerung insgesamt zurückschreckt. Insbesondere sei die zwischen dem türkischen Staat und der PKK ausgehandelte (relative) Waffenruhe seitens der PKK zuletzt Ende Juli 2015 ausdrücklich aufgekündigt worden (UA Bl. 32 f.). Diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind von der Revision nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden und daher für den Senat bindend. Sie erlauben dem Senat zudem eine eigene rechtliche Bewertung des Inhalts, dass die PKK eine terroristische Vereinigung darstellt und nicht lediglich eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung.

38

(bb) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Kläger die PKK in rechtserheblicher Weise individuell unterstützt hat. Allerdings ist das Gericht unter Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass zu Lasten des Klägers nur solche Unterstützungshandlungen berücksichtigt werden dürfen, die in zeitlicher Hinsicht nach der Mitteilung des Regierungspräsidiums vom Juli 2010 lagen, wonach eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis und eine Ausweisung geprüft würden.

39

Das Berufungsgericht ist insoweit rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass ein Ausweisungsinteresse bereits dann aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht ist und nicht mehr zur Begründung einer Ausweisung herangezogen werden kann, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis oder dem Staat zuzurechnender Unkenntnis erteilt oder verlängert wurde (UA S. 34 f.). Zwar ist in der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich anerkannt ist, dass Ausweisungsgründe in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einem Ausländer nur dann und so lange entgegengehalten werden dürfen, als sie noch aktuell und nicht verbraucht sind und die Ausländerbehörde auf ihre Geltendmachung nicht ausdrücklich oder konkludent verzichtet hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <313> und vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <121 f.>). Aus der Ableitung dieser Kriterien aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes folgt jedoch, dass die Ausländerbehörde einen ihr zurechenbaren Vertrauenstatbestand geschaffen haben muss, aufgrund dessen der Ausländer annehmen kann, ihm werde ein bestimmtes Verhalten im Rahmen einer Ausweisung nicht entgegengehalten. Aus der Rechtsprechung des Senats ergibt sich zudem, dass ein hierauf gegründetes Vertrauen des Ausländers schützenswert sein muss. Hieran fehlt es, wenn die Ausländerbehörde - wie vorliegend - dem Kläger auf dessen Anfrage zum Stand des Verfahrens auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis lediglich mitteilt, dass gegenwärtig noch eine Sicherheitsüberprüfung stattfinde, und dann zu einem späteren Zeitpunkt ohne jegliche Erläuterung zum Ausgang der Sicherheitsüberprüfung die begehrte Niederlassungserlaubnis erteilt. Auf dieser Grundlage kann der Betroffene nämlich weder wissen, welchen konkreten Umständen die Ausländerbehörde im Rahmen ihrer Sicherheitsüberprüfung nachgegangen ist, noch zu welchen konkreten Erkenntnissen sie hierbei nach Abschluss der Überprüfung gelangt ist. Daher kann der Betroffene aus der Erteilung der Niederlassungserlaubnis billigerweise auch nicht schließen, dass die Ausländerbehörde bei ihrer Sicherheitsüberprüfung alle als potentielle Versagungsgründe in Betracht kommenden Umstände tatsächlich ermittelt und sodann als für die Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis unbeachtlich eingestuft hat.

40

Das angefochtene Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Rechtsverstoß, weil das Berufungsgericht auch ohne Berücksichtigung der vor dem für maßgeblich erachteten Zeitpunkt liegenden Umstände von rechtserheblichen individuellen Unterstützungshandlungen des Klägers ausgegangen ist und die diesbezüglichen Feststellungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Im Übrigen wäre der Kläger durch die Nichtberücksichtigung weiterer, ihn belastender Umstände auch nicht beschwert. Im Einzelnen hat das Berufungsgericht für die Bestimmung der rechtserheblichen individuellen Unterstützungshandlungen zutreffend auf die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäbe zu § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung abgestellt (UA Bl. 35 ff.). Keine abweichende Beurteilung ergibt sich aus dem Einwand des Klägers, die PKK nicht unmittelbar unterstützt zu haben, sondern sich in legalen Vereinigungen betätigt zu haben, die ihrerseits die PKK im Wissen um deren Charakter gewollt und gezielt unterstützen. Denn es stellt keine verminderte Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus dar, wenn die Unterstützung terroristischer Vereinigungen nicht durch isolierte Einzelhandlungen, sondern in Vereinigung mit anderen erfolgt. Hierin liegt auch kein Fehlen der Unmittelbarkeit der Unterstützungshandlungen.

41

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht sodann nach Auswertung der ihm vorliegenden umfangreichen Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden festgestellt, dass der Kläger über mehrere Jahre in teils hervorgehobener Funktion als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter oder Redner regelmäßig an Veranstaltungen teilgenommen und mitgewirkt hat, bei denen offene Propaganda für die PKK betrieben worden ist (UA Bl. 39 - 42). Unter Einbeziehung der Aktivitäten des Klägers in der Zeit seit 2001, wie sie in der Ausweisungsverfügung (S. 3 - 9, 16 - 23) aufgelistet, vom Kläger nicht in Abrede gestellt und vom Berufungsgericht in Bezug genommen worden sind (UA S. 39 f.), stellt sich das Unterstützungshandeln des Klägers wie folgt dar: Der Kläger war von 2001 bis 2003/2004 Vorsitzender des "Kurdischen Kulturverein e.V." in L., der der KONGRA-GEL nahestand. Im Oktober 2004 wurde er in das 15-köpfige Führungskomitee der "Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland" (YEK-KOM) gewählt und gehörte diesem bis zur Auflösung der YEK-KOM im Jahr 2014 an, zeitweilig (bis 2011) war er der 2. Vorsitzende der Vereinigung. Er hat sich im Juni 2014 in den fünfköpfigen Vorstand der die PKK unterstützenden NAV-DEM wählen lassen und diese Vorstandstätigkeit bis zum Tage der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausgeübt (UA Bl. 43 - 45).

42

Der Kläger beteiligte sich seit Mitte 2003 regelmäßig an Kundgebungen und Demonstrationen in unterschiedlichen deutschen Städten (u.a. Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Frankfurt, Gelsenkirchen, Düsseldorf, Stuttgart) und in Straßburg/Frankreich, die sich unter anderem für eine Freilassung des inhaftierten PKK-Führers Öcalan aussprachen, des Gründungsjahrestags der PKK und/oder der "Märtyrer des kurdischen Freiheitskampfes" gedachten und Parolen auf die PKK ausriefen. Der Kläger hielt auf einigen dieser Veranstaltungen eine Rede, im Februar 2007 hob er dabei die Bedeutung der Gefallenen für die kurdische Sache hervor, im Januar 2009 sprach er zur aktuellen Lage der Kurden in ihrer Heimat, im März 2010 kritisierte er die Exekutivmaßnahmen der belgischen Polizei gegenüber dem kurdischen TV-Sender ROJ-TV, im November 2011 sprach er auf einer Kundgebung, die zum Thema u.a. die Verwendung von Napalmgas und chemischer Waffen gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei hatte, im Januar 2013 verurteilte er auf einer Kundgebung die Ermordung von drei PKK-Aktivisten in Paris, im Oktober 2015 hielt er anlässlich einer Protestaktion der NAV-DEM in Frankfurt eine Rede.

43

Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger nicht nur seine individuellen Unterstützungshandlungen, sondern sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied persönlich zuzurechnen sind. Die YEK-KOM, der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK nach den gerichtlichen Feststellungen durch eine Vielzahl von Aktionen. Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen oder ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie "Freiheit für Öcalan" und "Frieden für Kurdistan". Im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die "logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans" verankert. Der Verein biete der PKK oder ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Für die NAV-DEM gilt nach den getroffenen Feststellungen nichts anderes. Der Verein sei keine Neugründung, sondern eine Umbenennung des Vereins YEK-KOM. Im Übrigen werde deutlich, dass die NAV-DEM ihre Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen durchführe wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM. Diese zutreffende Würdigung bedeutet auch nicht, dass jeder Einsatz für die Interessen und Belange kurdischer Volkszugehöriger (oder eine Kritik an der Kurdenpolitik der Türkischen Republik) als eine Unterstützung der PKK und damit des Terrorismus einzuordnen wäre.

44

(cc) Soweit schließlich nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausscheidet, wenn der Ausländer ernsthaft und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt, hat das Berufungsgericht ebenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger ausweislich seines auch während des Ausweisungsverfahrens fortgesetzten Engagements als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner auch künftig an seiner Unterstützung der PKK festhalten wird. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Unterstützerverhalten des Klägers sind detailreich und stellen - entgegen der Auffassung der Revision - keine zu schmale Tatsachengrundlage für die getroffenen Feststellungen dar. Damit erfüllt der Kläger die gesetzlichen Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, und es liegt ein Ausweisungsinteresse vor, das besonders schwer wiegt.

45

3. Die angefochtene Verfügung des Beklagten erfüllt auch die besonderen Voraussetzungen, die nach § 53 Abs. 3 AufenthG an die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings zu stellen sind. Ein solcher darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

46

a) Diese den Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG ergänzende Vorschrift legt erhöhte Ausweisungsvoraussetzungen für mehrere rechtlich privilegierte Personengruppen fest, nämlich für Ausländer, die als Asylberechtigte anerkannt sind, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießen, die einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention besitzen, denen nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder die eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU besitzen. Für all diese Personengruppen gilt der besondere aus Art. 12 der Daueraufenthaltsrichtlinie 2003/109/EG abgeleitete Maßstab, den der Gerichtshof der Europäischen Union auch auf Ausländer erstreckt hat, denen nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 [ECLI:EU:C:2011:809], Ziebell - Slg. 2011, I-12735 Rn. 79, 86). Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach die Voraussetzungen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 53 Abs. 3 AufenthG von vornherein "bereichsspezifisch" gemäß dem durch das Unionsrecht für den jeweiligen Personenkreis bestimmten Ausweisungsschutz auszulegen sind. Vielmehr hat der Gesetzgeber den unionsrechtlichen Schutzstandard für daueraufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige für ausreichend befunden und dessen Geltung für alle genannten Personengruppen angeordnet. Dies entbindet freilich nicht davon, in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob für die jeweils betrachtete Personengruppe der so durch den nationalen Gesetzgeber definierte Ausweisungsschutz dem unionsrechtlichen Maßstab tatsächlich genügt. Nur wenn der unionsrechtliche Maßstab strenger ist als derjenige, der durch den Gesetzgeber in § 53 Abs. 3 AufenthG festgelegt worden ist, bedarf § 53 Abs. 3 AufenthG nach allgemeinen Grundsätzen einer unionsrechtskonformen Auslegung, die angesichts der Weite der Tatbestandsmerkmale und des erkennbaren gesetzgeberischen Willens, europarechtlichen Maßstäben zu genügen, auch möglich ist (so auch Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 54).

47

Im vorliegenden Fall ist § 53 Abs. 3 AufenthG unionsrechtskonform nach den Vorgaben der EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU auszulegen. Die Richtlinie formuliert keine Vorgaben für eine Ausweisung im Sinne des deutschen Rechts, wohl aber für eine Zurückweisung in den Herkunftsstaat (Art. 21 Abs. 2 und 3) und für den Entzug des Aufenthaltstitels (Art. 24 Abs. 1).

48

b) Nach Art. 21 Abs. 3 der EU-Anerkennungsrichtlinie darf ein Mitgliedstaat den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, wenn die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 2012 - 1 C 8.11 - BVerwGE 143, 138 Rn. 21). Fällt ein Flüchtling nicht in den Anwendungsbereich von Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie, kann auch Abs. 3 dieser Vorschrift nicht zu Anwendung kommen (EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 - Rn. 44). Eine Zurückweisung ist nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a zulässig, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass der Flüchtling eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält. Es kann offenbleiben, ob vom Kläger eine Gefahr im Sinne dieser Vorschrift ausgeht, denn die Zurückweisung ist nur unter der weiteren Voraussetzung rechtmäßig, dass sie dem Mitgliedstaat nicht aufgrund seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist (Art. 21 Abs. 2). Dazu zählen die Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK (vgl. Begründung der Kommission im Richtlinienvorschlag vom 12. September 2001 KOM (2001) 510 endg. S. 33 zu Art. 19). Dem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK kommt absoluter Charakter zu; es kann mithin - anders als das Refoulement-Verbot nach Art. 33 Abs. 1 GFK - nicht unter den Voraussetzungen von Art. 21 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU i.V.m. Art. 35 Abs. 2 GFK durchbrochen werden (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 5. April 2016 - C-404/15 und C-659/15 PPU [ECLI:EU:C:2016:198], Aranyosi und Căldăraru - Rn. 85 - 87; EGMR, Urteil vom 17. Dezember 1996 - Nr. 71/1995/577/663, Ahmed/Österreich - NVwZ 1997, 1100 Rn. 39 - 41). Für den Kläger besteht ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK. Denn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat im Anerkennungsbescheid vom 9. Oktober 1997 nicht nur die Flüchtlingseigenschaft des Klägers nach dem seinerzeit maßgeblichen § 51 Abs. 1 AuslG 1990, sondern auch ein Abschiebungsverbot nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990 hinsichtlich der Türkei festgestellt und dieses damit begründet, dass dem Kläger in der Türkei unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Diese Feststellung des Bundesamts begründet hier ein - absolutes - nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Insoweit kommt der Feststellung des Bundesamts im vorliegenden Verfahren über § 42 AsylG auch Bindungswirkung zu. Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU begrenzt damit den behördlichen Handlungsspielraum für eine Abschiebung in einen Verfolgerstaat oder einen Staat, in dem Gefahren nach Art. 3 EMRK drohen. Die Vorschrift setzt jedoch keine Maßstäbe für eine lediglich "inlandsbezogene" Ausweisung, die - wie hier - insbesondere den Verlust des Aufenthaltstitels zur Folge hat.

49

c) Unionsrechtliche Maßstäbe für eine zum Verlust des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings führende inlandsbezogene Ausweisung lassen sich aus Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie gewinnen. Die Vorschrift verpflichtet die Mitgliedstaaten, einem Flüchtling so bald wie möglich nach der Anerkennung einen Aufenthaltstitel auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

50

(aa) Der Inhalt dieser Norm wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union in einem auf ein Vorlageersuchen des Berufungsgerichts ergangenen Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13) näher bestimmt. Die Entscheidung bezieht sich zwar auf Art. 24 Abs. 1 der EG-Anerkennungsrichtlinie 2004/83/EG, ihre Aussagen sind aber uneingeschränkt auf die in der Sache unveränderte Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU übertragbar. Danach kann einem Flüchtling nach Art. 24 Abs. 1 nicht nur die Erteilung eines Aufenthaltstitels versagt werden, sondern der erteilte Aufenthaltstitel auch nachträglich widerrufen werden, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen (a.a.O. Rn. 55). Soweit in der Neufassung der Vorschrift nunmehr von zwingenden Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung die Rede ist, ist damit keine inhaltliche Änderung verbunden. Diese Wirkung einer Entziehung des Aufenthaltstitels kommt der hier verfügten Ausweisung zu, die wegen des entgegenstehenden Abschiebungsverbots nach Art. 3 EMRK nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung führt. Entgegen einer am Wortlaut orientierten Auslegung von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie hat der darin verwendete Begriff der "zwingenden Gründe" nach dem EuGH-Urteil eine weitere Bedeutung als der Begriff der "stichhaltigen Gründe" in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Das bedeutet, dass bestimmte Umstände, die nicht den Schweregrad aufweisen, um eine Zurückweisung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie verfügen zu können, den Mitgliedstaat gleichwohl dazu berechtigen können, auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie dem betroffenen Flüchtling seinen Aufenthaltstitel zu entziehen (a.a.O. Rn. 75).

51

Bei der Bestimmung des Bedeutungsgehalts der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" hat der EuGH zunächst Bezug auf seine Rechtsprechung zu den Begriffen der "öffentlichen Sicherheit" und der "öffentlichen Ordnung" in Art. 27 und 28 der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG genommen (a.a.O. Rn. 77 ff.). Danach umfasst der Begriff "öffentliche Sicherheit" im Sinne von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats. Die öffentliche Sicherheit kann danach berührt sein, wenn das Funktionieren staatlicher Einrichtungen und seiner wichtigen öffentlichen Dienste beeinträchtigt wird oder eine Gefahr für das Überleben der Bevölkerung oder einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker besteht oder militärische Interessen beeinträchtigt werden. Dabei deutet der Begriff der "zwingenden Gründe" auf einen besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung hin (a.a.O. Rn. 78). Den Begriff der "öffentlichen Ordnung" hat der EuGH für die Unionsbürgerrichtlinie dahin ausgelegt, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliegen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (a.a.O. Rn. 79). Zugleich betont er, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, nach ihren nationalen Bedürfnissen, die je nach Mitgliedstaat und Zeitpunkt unterschiedlich sein können, zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordern (a.a.O. Rn. 77).

52

Für den Fall der Unterstützung des Terrorismus hat der EuGH zudem auf den 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83/EG, heute 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95/EU hingewiesen, wonach der Begriff der "öffentlichen Sicherheit und Ordnung" auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Dabei muss das nationale Gericht in einem ersten Schritt prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedrohen. Wird eine vom Flüchtling unterstützte Vereinigung in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344 S. 93) geführt, ist dies ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation ist oder im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein (a.a.O. Rn. 83). Allein der Umstand, dass ein Flüchtling eine solche Organisation unterstützt hat, darf jedoch nicht automatisch zur Aufhebung seines Aufenthaltstitels führen. Vielmehr ist in einem zweiten Schritt einzelfallbezogen die Rolle zu prüfen, die der Betreffende im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt hat (a.a.O. Rn. 90), und auch der Schweregrad der Gefahr zu beurteilen, die von seinen Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (a.a.O. Rn. 92).

53

(bb) Das Berufungsgericht hat die vom Kläger geleisteten und ihm zuzurechnenden Unterstützungshandlungen an dem vom EuGH präzisierten Maßstab für die Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie gemessen und ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass sich hieraus zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ergeben, die einen Entzug des Aufenthaltstitels gegenüber dem Kläger rechtfertigen. Das Gericht hat bereits im Rahmen seiner Prüfung des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausführlich begründet, warum die PKK eine terroristische oder jedenfalls den Terrorismus unterstützende Vereinigung darstellt (UA S. 27 - 34). Dabei hat es gewürdigt, dass die PKK auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt ist und auch weiterhin terroristische Aktivitäten entfaltet. In einem zweiten Schritt hat es näher dargelegt, warum die in Deutschland agierenden Vereinigungen YEK-KOM und NAV-DEM, für die der Kläger seit mehr als zwölf Jahren in hervorgehobenen Funktionen wirkte, und der Kläger auch individuell durch Anmeldung und Leitung von Versammlungen sowie Redebeiträge und weitere Aktivitäten die PKK unterstützt haben und weiter unterstützen (UA S. 55, 34 - 48). Die Bewertung des Berufungsgerichts, dass der Kläger damit die Voraussetzungen für den Entzug seines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie erfüllt, steht mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang. Zwar hat er selbst keine terroristischen Handlungen begangen, auch nicht andere Personen hierzu angeleitet oder sich an der Planung oder Finanzierung terroristischer Aktionen beteiligt, wie das der EuGH als mögliches Unterstützerhandeln erwähnt (a.a.O. Rn. 90). Diese Aufzählung des Gerichtshofs ist jedoch nur beispielhaft, macht zugleich aber deutlich, dass der Betreffende eine gewichtige Rolle im Rahmen seiner Unterstützung der terroristischen Organisation gespielt haben muss.

54

Bei der Frage, was als gewichtig anzusehen ist, ist der 37. Erwägungsgrund der Richtlinie zu berücksichtigen, wonach auch die Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, und die Unterstützung einer derartigen Vereinigung als Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung anzusehen sind. Die abschließende Bewertung, ob die Unterstützungshandlung hinreichend gewichtig ist, um "zwingende Gründe" darzustellen, überlässt der Gerichtshof dem verantwortlichen nationalen Gericht und erkennt auch einen Einschätzungsspielraum der Mitgliedstaaten an, nach ihren nationalen Bedürfnissen zu bestimmen, was die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung erfordern. Diese abschließende Bewertung hat das Berufungsgericht dahin getroffen, dass die Unterstützungshandlungen des Klägers dem von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie geforderten Gewicht entsprechen. Es hat dies auf der Grundlage der Gewichtungsvorgabe des nationalen Gesetzgebers in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nachvollziehbar mit dem mehr als zwölfjährigem Unterstützerhandeln des Klägers in hervorgehobener Position innerhalb zweier Vereinigungen begründet, in dessen Rahmen er an zahlreichen Veranstaltungen mitwirkte, an denen sich Akteure beteiligten, die offen für die PKK warben und deren Kurs vorbehaltlos befürworteten (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.). Für das Gewicht seines Unterstützerhandelns durfte das Gericht auch berücksichtigen, dass der Kläger nach den tatrichterlichen Feststellungen in vollem Bewusstsein um dessen Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen gehandelt hat, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen (UA S. 55).

55

(cc) Der EuGH hat in seinem Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13 Rn. 95 ff.) aber hervorgehoben, dass ein Flüchtling, dessen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie aufgehoben wird, seinen Flüchtlingsstatus behält, sofern und solange ihm nicht dieser Status entzogen worden ist. Daher ist er auch nach dem Verlust seines Aufenthaltstitels weiterhin Flüchtling und hat in dieser Eigenschaft weiterhin Anspruch auf die Vergünstigungen, die das Kapitel VII der Richtlinie jedem Flüchtling gewährleistet, so insbesondere auf Schutz vor Zurückweisung, auf Wahrung des Familienverbands, auf Ausstellung von Reisedokumenten, auf Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie auf Zugang zu Integrationsmaßnahmen, sofern nicht eine in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehene Ausnahme eingreift. Diese Rechte dürfen, auch soweit sie nach nationalem Recht an den Besitz eines Aufenthaltstitels anknüpfen, von den zuständigen Behörden daher nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Aufenthalt des Flüchtlings infolge der Ausweisung rechtswidrig geworden ist. Allerdings darf die Ausstellung eines Reiseausweises nach Art. 25 EU-Anerkennungsrichtlinie versagt werden, wenn - etwa zur Begegnung der Gefahr terroristischen Unterstützungshandelns - zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen. Ebenso dürfen nach Art. 33 der Richtlinie aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen verfügt werden, wenn diese aus Gründen der öffentlichen Sicherheit auch gegenüber sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltenden Ausländern zulässig sind.

56

Eventuelle Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der dem Flüchtling auch nach Entzug des Aufenthaltstitels weiter zustehenden Rechte nach Kapitel VII der EU-Anerkennungsrichtlinie infolge unzureichender Umsetzung der Richtlinie in den einschlägigen nationalen Fachgesetzen berühren nicht die Rechtmäßigkeit der verfügten Ausweisung. An die Beachtung der einen Flüchtling unmittelbar begünstigenden Vorschriften in Kapitel VII der Richtlinie und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH sind seit Ablauf der Umsetzungsfrist alle nationalen Behörden gebunden. Der Flüchtling hat seine Rechte gegenüber den jeweils zuständigen Behörden und erforderlichenfalls Gerichten geltend zu machen. Auch die Generalanwältin hat es insoweit als die Pflicht der nationalen Gerichte angesehen, für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen der Richtlinie Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen (Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11. September 2014 - C-373/13 - Rn. 114 letzter Absatz).

57

4. Dem öffentlichen Ausweisungsinteresse stehen gewichtige Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1, § 55 AufenthG gegenüber. Diese hat das Berufungsgericht zutreffend bestimmt (UA S. 59 f.). Es hat berücksichtigt, dass der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG).

58

5. Das Berufungsgericht hat das öffentliche Ausweisungsinteresse gegen die Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG unter Berücksichtigung der den Einzelfall prägenden Umstände abgewogen und ist unter Beachtung des hierfür zentralen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt (UA S. 60 - 64). Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Gericht hat berücksichtigt, dass der Kläger besonderen Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie genießt, hier allerdings auf absehbare Zeit keine Aufenthaltsbeendigung beabsichtigt ist, da ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht. Es hat seinen langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und seine familiären Bindungen im Sinne von Art. 6 GG, Art. 8 EMRK gewürdigt, diesen durch die Verfügung allerdings insoweit nicht als beeinträchtigt angesehen, als keine Aufenthaltsbeendigung erfolgt. Es hat bei seiner Abwägung berücksichtigt, dass der Kläger in seinen geschützten Bindungen dadurch betroffen ist, dass sein Aufenthalt auf das Gebiet der Stadt M. beschränkt und er Meldeauflagen unterworfen ist. Weitere schützenswerte Bindungen hat das Gericht nicht anerkannt und dies nachvollziehbar damit begründet, dass der Kläger ungeachtet seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland kaum deutsch spricht, nur sporadisch und für kürzere Zeiträume erwerbstätig war und seit längerem von Sozialleistungen abhängig ist. Schließlich hat das Berufungsgericht in die Abwägung eingestellt, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen.

59

6. Ohne Rechtsverstoß wertet das Berufungsurteil die in Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung angeordnete Aufenthaltsbeschränkung und die verfügten Meldeauflagen als rechtmäßig gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den - wie hier - eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Gestützt auf diese Ermächtigung hat der Beklagte bestimmt, dass sich der Kläger zweimal wöchentlich zu melden hat. Ferner hat er den Aufenthalt des Klägers auf den Bereich der Stadt M. beschränkt, wie das § 56 Abs. 2 AufenthG vorsieht, wenn die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen durften gegenüber dem Kläger trotz dessen Rechtsstellung als Flüchtling ergehen. Dadurch wird sein Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 33 EU-Anerkennungsrichtlinie nicht verletzt. Denn derartige Maßnahmen dürfen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, wie sie hier wegen des Erfordernisses der Abwehr von terrorismusfördernden Aktivitäten vorliegen, auch gegenüber sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltenden Ausländern verfügt werden (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).

60

7. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass die für die Ausweisung des Klägers anwendbaren Regelungen des Ausweisungsrechts nicht gegen assoziationsrechtliche Verschlechterungsverbote aus Art. 13 ARB 1/80, Art. 7 ARB 2/76 und Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen (BGBl. 1972 II S. 385) verstoßen. Dabei kann offenbleiben, ob hier überhaupt eines der Verschlechterungsverbote Anwendung findet. Denn der zum 1. Januar 2016 eingeführte Übergang von einer Ermessensentscheidung zu einer gebundenen Entscheidung stellt keine Verschlechterung der Rechtsstellung des betroffenen Ausländers dar (a). Die mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 erfolgte Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung bewirkte zwar eine Verschlechterung der Rechtslage für betroffene Ausländer, diese ist aber durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt (b).

61

a) Die zum 1. Januar 2016 eingeführte Neuregelung des Ausweisungsrechts, die die bisherige Ermessensausweisung durch eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte gebundene Ausweisung abgelöst hat, hat die Rechtsstellung der Ausländer in der hier gebotenen und auch unionsrechtlich statthaften Gesamtschau nicht verschlechtert, sondern jedenfalls teilweise verbessert. Denn bisher sah das Gesetz Tatbestände einer zwingenden Ausweisung (Ist-Ausweisung), regelmäßig erfolgenden Ausweisung (Soll-Ausweisung) und Ausweisung nach Ermessen (Kann-Ausweisung) vor. Die zwingende Ausweisung und die regelmäßig erfolgende Ausweisung widersprachen für den Personenkreis der unionsrechtlich privilegierten Ausländer der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach eine Ausweisung ausschließlich auf ein persönliches Verhalten des Ausländers gestützt werden darf, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-482/01 und C-493/01 [ECLI:EU:C:2004:262], Orfanopoulos und Oliveri - Slg. 2004, I-5257 Rn. 66 f.). Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass eine Regelung gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, wonach eine Ausweisung automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung verfügt wird, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird (a.a.O. Rn. 70). Aber auch die nationale Bestimmung über die Regelausweisung hat für den Gerichtshof den Anschein erweckt, dass trotz der Berücksichtigung individueller Umstände ein gewisser Automatismus oder jedenfalls eine Vermutung besteht, dass der betreffende Staatsangehörige auszuweisen ist (a.a.O. Rn. 92).

62

Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht die Schlussfolgerung gezogen, dass die gesetzliche Regelung zur zwingenden Ausweisung und Regelausweisung auf unionsrechtlich privilegierte Ausländer nicht mehr angewendet werden darf (BVerwG, Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <302> betreffend Unionsbürger und - 1 C 29.02 - BVerwGE 121, 315 <321> betreffend Assoziationsberechtigte nach ARB 1/80). Der Gesetzgeber hat daraus durch das zum 1. Januar 2016 in Kraft getretene neue Ausweisungsrecht die Konsequenzen gezogen. Insofern stellt die neue Rechtslage eine Verbesserung gegenüber der bisherigen dar. Eine Ausweisung nach neuem Recht hat eine einzelfallbezogene umfassende Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen und orientiert sich dabei strikt am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG). Damit setzt der Gesetzgeber Vorgaben um, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-482/01 und C-493/01 - Rn. 99) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR , Urteil vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 57 - 60) ergeben.

63

Es stellt keine Verschlechterung der Rechtslage für unionsrechtlich privilegierte Ausländer dar, dass ihre Ausweisung nach früherer Rechtslage im Wege einer Ermessensentscheidung erfolgte, nach neuem Recht hingegen im Wege einer rechtlich gebundenen Ausweisung, die von einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung geleitet wird. Damit entfällt zwar die Möglichkeit, aus Gründen der Zweckmäßigkeit von einer Aufenthaltsbeendigung abzusehen. Auf ein solches Absehen von einer rechts- und ermessensfehlerfrei möglichen Ausweisung hatte der Ausländer aber zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch, auch die gerichtliche Kontrolle war insoweit durch § 114 VwGO eingeschränkt; durch die gesetzliche Neuregelung wird also keine individuelle Rechtsposition beeinträchtigt. Im Übrigen ist für die Beachtung des Verschlechterungsverbots auf die tatsächliche Praxis und nicht allein auf die abstrakte Rechtslage abzustellen. Die Rechtspraxis wurde maßgeblich durch die Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz des Bundesministeriums des Innern vom 26. Oktober 2009 gesteuert. Danach lag die Ausweisungsentscheidung im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde, bei der Ermessensausübung waren das schutzwürdige Interesse des Ausländers am weiteren Verbleib in Deutschland und das öffentliche Interesse an der Ausweisung gegeneinander abzuwägen (Ziffer 55.1.3). Das weist auf eine Rechtspraxis hin, die der heute normierten gebundenen Ausweisung entspricht, die von einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung geleitet wird. Insofern hat sich die Rechtsstellung des Ausländers nicht verschlechtert.

64

b) Die mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 erfolgte Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung hat zwar eine Verschlechterung der Rechtslage für die betroffenen Ausländer bewirkt, diese ist aber durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Die seinerzeitige Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung (§ 54 Nr. 5 AufenthG a.F.) führte zu einer Verschärfung des Ausweisungsrechts gegenüber der früheren Rechtslage, die allein den Tatbestand der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland kannte. Durch die Rechtsänderung wurde nun auch die Vorfeldunterstützung des Terrorismus erfasst. Diese ist jedoch mit Blick auf das Verschlechterungsverbot aus Art. 13 ARB 1/80 aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 14 ARB 1/80, jedenfalls aber durch ein zwingendes Allgemeininteresse, namentlich die völkerrechtlich gebotene Terrorismusbekämpfung auch bereits im Vorfeld unmittelbarer terroristischer Handlungen, gerechtfertigt.

65

8. Nach der seit 1. August 2015 geltenden Neuregelung des § 11 AufenthG ist über die Länge der Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach Ermessen zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Diese gesetzgeberische Entscheidung ist mit höher- und vorrangigem Recht zu vereinbaren (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom gleichen Tage - 1 C 27.16 - Rn. 20 ff.). Das Urteil des Senats zur Vorläuferfassung des § 11 AufenthG a.F., wonach eine gebundene Entscheidung zu treffen war (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 31 ff.), erging ausdrücklich vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift. Ihm ist nicht zu entnehmen, dass die bei der Auslegung der damaligen Gesetzesfassung herangezogenen verfassungs-, unions- und menschenrechtlichen Vorgaben der gesetzlichen Einräumung eines behördlichen Ermessensspielraums zwingend entgegenstehen. Eine solche Ermessensentscheidung hat der Beklagte hier noch nicht getroffen. Vielmehr hat bisher das Verwaltungsgericht das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der seinerzeit geltenden Rechtslage im Wege einer gebundenen Entscheidung auf acht Jahre festgesetzt.

66

Der Beklagte hat die nach neuem Recht nunmehr gebotene Ermessensentscheidung nachzuholen. Das Erfordernis einer Ermessensentscheidung ändert nichts am behördlichen Prüfprogramm. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die auf diese Weise an der Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den unions- und konventionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 GRC und Art. 8 EMRK, gemessen und ggf. relativiert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 42). Über dieses normative Korrektiv lassen sich auch bei einer Ermessensentscheidung die einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen begrenzen. Dabei sind von der Ausländerbehörde nicht nur die nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG schutzwürdigen Bleibeinteressen des Ausländers in den Blick zu nehmen, sondern bedarf es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles einer umfassenden Abwägung der betroffenen Belange.

67

B. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte (weitere) Hilfsantrag, den Beklagten zu der Feststellung zu verpflichten, dass dem Kläger auch nach Bestandskraft der Ausweisung weiterhin die Rechte nach Kapitel VII der Richtlinie 2011/95/EU zustehen mit Ausnahme der Rechte aus Art. 24 der Richtlinie, ist unzulässig. Er stellt eine unzulässige Klageerweiterung im Revisionsverfahren dar (§ 142 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen bedarf es einer solchen behördlichen Feststellung auch nicht. Aus dem für alle nationalen Behörden verbindlichen EuGH-Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13) ergibt sich bis zu einer dem Gesetzgeber vorbehaltenen Anpassung der einschlägigen Fachgesetze hinreichend deutlich, dass dem Kläger - solange er die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der EU-Anerkennungsrichtlinie genießt - auch die mit dieser Rechtsstellung einhergehenden Rechte nach Kapitel VII der Richtlinie zustehen, sofern nicht eine in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehene Ausnahme eingreift (vgl. dazu auch die vorstehenden Ausführungen in Rn. 55 f. dieses Urteils).

68

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat gewichtet den gegen die Ausweisung, die Meldeauflage, die Aufenthaltsbeschränkung und die Abschiebungsandrohung gerichteten Anfechtungsantrag mit 4/5 und den auf Befristung zielenden Verpflichtungsantrag mit 1/5 (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 46).

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet ist unerlaubt, wenn er

1.
einen erforderlichen Pass oder Passersatz gemäß § 3 Abs. 1 nicht besitzt,
2.
den nach § 4 erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt,
2a.
zwar ein nach § 4 erforderliches Visum bei Einreise besitzt, dieses aber durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde und deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder annulliert wird, oder
3.
nach § 11 Absatz 1, 6 oder 7 nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8.

(2) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden können Ausnahme-Visa und Passersatzpapiere ausstellen.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern für Kurzaufenthalte richtet sich nach dem Recht der Europäischen Union, insbesondere dem Schengener Durchführungsübereinkommen und der Verordnung (EU) 2018/1806 in Verbindung mit den nachfolgenden Bestimmungen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist,
1a.
rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten
a)
gegen das Leben,
b)
gegen die körperliche Unversehrtheit,
c)
gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach den §§ 174, 176 bis 178, 181a, 184b, 184d und 184e jeweils in Verbindung mit § 184b des Strafgesetzbuches,
d)
gegen das Eigentum, sofern das Gesetz für die Straftat eine im Mindestmaß erhöhte Freiheitsstrafe vorsieht oder die Straftaten serienmäßig begangen wurden oder
e)
wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte oder tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte,
1b.
wegen einer oder mehrerer Straftaten nach § 263 des Strafgesetzbuchs zu Lasten eines Leistungsträgers oder Sozialversicherungsträgers nach dem Sozialgesetzbuch oder nach dem Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
2.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuchs bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorbereitet oder vorbereitet hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand,
3.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
4.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
5.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt,
es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem Handeln Abstand.

(2) Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt schwer, wenn der Ausländer

1.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt worden ist,
2.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
3.
als Täter oder Teilnehmer den Tatbestand des § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Betäubungsmittelgesetzes verwirklicht oder dies versucht,
4.
Heroin, Kokain oder ein vergleichbar gefährliches Betäubungsmittel verbraucht und nicht zu einer erforderlichen seiner Rehabilitation dienenden Behandlung bereit ist oder sich ihr entzieht,
5.
eine andere Person in verwerflicher Weise, insbesondere unter Anwendung oder Androhung von Gewalt, davon abhält, am wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Leben in der Bundesrepublik Deutschland teilzuhaben,
6.
eine andere Person zur Eingehung der Ehe nötigt oder dies versucht oder wiederholt eine Handlung entgegen § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 des Personenstandsgesetzes vornimmt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen diese Vorschrift darstellt; ein schwerwiegender Verstoß liegt vor, wenn eine Person, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, beteiligt ist,
7.
in einer Befragung, die der Klärung von Bedenken gegen die Einreise oder den weiteren Aufenthalt dient, der deutschen Auslandsvertretung oder der Ausländerbehörde gegenüber frühere Aufenthalte in Deutschland oder anderen Staaten verheimlicht oder in wesentlichen Punkten vorsätzlich keine, falsche oder unvollständige Angaben über Verbindungen zu Personen oder Organisationen macht, die der Unterstützung des Terrorismus oder der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verdächtig sind; die Ausweisung auf dieser Grundlage ist nur zulässig, wenn der Ausländer vor der Befragung ausdrücklich auf den sicherheitsrechtlichen Zweck der Befragung und die Rechtsfolgen verweigerter, falscher oder unvollständiger Angaben hingewiesen wurde,
8.
in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland
a)
falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat oder
b)
trotz bestehender Rechtspflicht nicht an Maßnahmen der für die Durchführung dieses Gesetzes oder des Schengener Durchführungsübereinkommens zuständigen Behörden mitgewirkt hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde oder
9.
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Handlung begangen hat, die im Bundesgebiet als vorsätzliche schwere Straftat anzusehen ist.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000‚- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2015 weiter, mit dem er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen und die Wirkungen der Ausweisung auf sieben (unter der Bedingung der Straffreiheit) bzw. auf neun Jahre ab Ausreise festgesetzt wurden; ferner wurde seine Abschiebung angeordnet bzw. angedroht.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet; der als Grund für eine Zulassung allein geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor.

Anlass der Ausweisung waren mehrere Verurteilungen wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften, der Verbreitung kinderpornographischer Schriften und des sexuellen Missbrauchs von Kindern, weshalb der Kläger derzeit eine nachträglich gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten verbüßt. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem Urteil vom 20. September 2016 abgewiesen, weil zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vom Kläger nach dem Maßstab des § 53 Abs. 1 und Abs. 3 AufenthG die Gefahr der Begehung erneuter gravierender Straftaten nach wie vor gegenwärtig bestehe und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisung für die Wahrung dieses Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich sei.

Der Kläger rügt als Verfahrensmangel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO einen Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen den Amtsermittlungsgrundsatz. Dieses habe versäumt aufzuklären, „ob vom Kläger derzeit noch eine besonders schwere Gefahr für die Sicherheit und Ordnung ausgeht, vom Kläger nach erfolgreichem Abschluss der Therapie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, nach Abschluss der Therapie ein Rückfallrisiko vorliegt, der Kläger therapiewillig und therapiefähig ist und mit welcher voraussichtlichen Behandlungsdauer gerechnet werden muss und ob die Behandlung nach Ablauf der verbleibenden Haftzeit engmaschig extern weitergeführt werden könnte“. Den Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu diesen Fragen habe das Verwaltungsgericht in der Sitzung am 20. September 2016 abgelehnt, da das Gericht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abgestellt und zu diesem Zeitpunkt eine Wiederholungsgefahr bejaht habe, weil eine abgeschlossene Therapie noch gar nicht vorliege. Die Äußerung der Justizvollzugsanstalt vom 13. September 2016 sei kein aussagekräftiges fachärztliches Attest. Weil der Kläger unter die privilegierte Personengruppe des § 53 Abs. 3 AufenthG falle, hätte im Rahmen der Abwägung des besonders schweren Bleibeinteresses des Klägers gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG mit dem Ausweisungsinteresse auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger mittlerweile in der Haft eine Sexualtherapie begonnen habe, fachärztlich abgeklärt werden müssen, ob tatsächlich eine Rückfallgefahr vorliegt. Denn wäre fachärztlich festgestellt worden, dass der Kläger nunmehr fertig therapiert sei, dann wäre wohl die Abwägung für ihn positiv ausgefallen.

Damit ist aber kein Verfahrensfehler dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat weder seine Aufklärungspflicht verletzt noch sonst den Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt.

Die Frage, „ob vom Kläger derzeit noch eine besonders schwere Gefahr für die Sicherheit und Ordnung ausgeht“, ist eine Rechtsfrage, die vom Verwaltungsgericht selbst zu beantworten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben nämlich Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auch der Rang des bedrohten Rechtsguts ist dabei zu berücksichtigen; an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit dürfen andererseits keine zu geringen Anforderungen gestellt werden (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18).

Bei der Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die Gerichten allgemein zugänglich sind. Gerade die Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann daher grundsätzlich von den Gerichten ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden (stRspr des Senats: BayVGH, B.v. 18.3.2015 – 1 C 14.2655 – juris Rn. 22 m.w.N.; B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 11). Nur ausnahmsweise bedarf es der Zuziehung eines Sachverständigen, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände – etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen – nicht ohne spezielle fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 5). Im Übrigen kann auch ein Sachverständigengutachten die Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern nur Hilfestellung bieten (BVerwG, U.v. 13.3.2009 – 1 B 20.08 – juris Rn. 5).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger aufgrund seiner Verurteilungen den Tatbestand eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt; es war deshalb zu prüfen, ob die vom Kläger ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbestand (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 26). Das Verwaltungsgericht hat seine (negative) Prognose wesentlich darauf gestützt, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung „noch nicht einmal ansatzweise eine abgeschlossene Therapie“ vorliege, „die jedoch Voraussetzung für das Entfallen einer Wiederholungsgefahr wäre“ (UA S. 12). Es stützt sich dabei unter anderem auf den Bericht der Justizvollzugsanstalt vom 13. September 2016 – also nur wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung –, in dem es heißt: „Er hat in der Deliktgruppe bereits seine Biographie vorgestellt und hat begonnen, seine verschiedenen Delikte in der Einzeltherapie aufzuarbeiten. Wesentliche Bestandteile der Deliktarbeit stehen jedoch noch aus, weswegen es dem Gefangenen auch noch nicht möglich ist, seine grundsätzlichen deliktischen Motive zu erkennen, Risikofaktoren herauszuarbeiten und alternative Verhaltensänderungen vorzunehmen. Auch die Erstellung eines Rückfallvermeidungsplanes steht noch aus.“ In Anbetracht dieser Tatsachengrundlage gab es für das Verwaltungsgericht keinerlei Anlass, durch ein (fachärztliches) Sachverständigengutachten weiter klären zu lassen, ob der Kläger gleichwohl „nunmehr fertig therapiert“ sei, so dass von ihm keine relevante Gefahr der Begehung weiterer Straftaten mehr ausgeht.

Den Fragen, ob „vom Kläger nach erfolgreichem Abschluss der Therapie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, nach Abschluss der Therapie ein Rückfallrisiko vorliegt, der Kläger therapiewillig und therapiefähig ist und mit welcher voraussichtlichen Behandlungsdauer gerechnet werden muss und ob die Behandlung nach Ablauf der verbleibenden Haftzeit engmaschig extern weitergeführt werden könnte“, brauchte das Verwaltungsgericht ebenfalls nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen.

Bei der hier zu treffenden Gefahrenprognose hatte das Verwaltungsgericht von den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Umständen auszugehen; wie sich die Gefahrenprognose in einer ungewissen Zukunft darstellen könnte, ist insoweit unerheblich (BayVGH, B.v. 27.10.2017 – 10 ZB 17.993 – juris Rn. 16). Ob sich in der Zukunft die tatsächlichen Umstände ändern werden, insbesondere ob die begonnene Therapie in vollem Umfang erfolgreich sein wird, kann im Vorhinein auch durch ein Sachverständigengutachten nicht zuverlässig geklärt werden.

Dass der Kläger (nunmehr) therapiewillig und –fähig ist, hat das Verwaltungsgericht im Übrigen zu seinen Gunsten unterstellt und sowohl bei der Gefahrenprognose (UA S. 12) wie auch bei der Abwägung im Rahmen seines Bleibeinteresses (UA S. 14) gewürdigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 sich im Bundesgebiet aufhält,
2.
ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 sich im Bundesgebiet aufhält, wenn
a)
er vollziehbar ausreisepflichtig ist,
b)
ihm eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und
c)
dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist,
3.
entgegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 in das Bundesgebiet einreist,
4.
einer vollziehbaren Anordnung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 oder 2 oder § 47 Abs. 1 Satz 2 oder Abs. 2 zuwiderhandelt,
5.
entgegen § 49 Abs. 2 eine Angabe nicht, nicht richtig oder nicht vollständig macht, sofern die Tat nicht in Absatz 2 Nr. 2 mit Strafe bedroht ist,
6.
entgegen § 49 Abs. 10 eine dort genannte Maßnahme nicht duldet,
6a.
entgegen § 56 wiederholt einer Meldepflicht nicht nachkommt, wiederholt gegen räumliche Beschränkungen des Aufenthalts oder sonstige Auflagen verstößt oder trotz wiederholten Hinweises auf die rechtlichen Folgen einer Weigerung der Verpflichtung zur Wohnsitznahme nicht nachkommt oder entgegen § 56 Abs. 4 bestimmte Kommunikationsmittel nutzt oder bestimmte Kontaktverbote nicht beachtet,
7.
wiederholt einer räumlichen Beschränkung nach § 61 Abs. 1 oder Absatz 1c zuwiderhandelt oder
8.
im Bundesgebiet einer überwiegend aus Ausländern bestehenden Vereinigung oder Gruppe angehört, deren Bestehen, Zielsetzung oder Tätigkeit vor den Behörden geheim gehalten wird, um ihr Verbot abzuwenden.

(1a) Ebenso wird bestraft, wer vorsätzlich eine in § 404 Abs. 2 Nr. 4 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder in § 98 Abs. 3 Nr. 1 bezeichnete Handlung begeht, für den Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 4 Abs. 1 Satz 1 eines Aufenthaltstitels bedarf und als Aufenthaltstitel nur ein Schengen-Visum nach § 6 Abs. 1 Nummer 1 besitzt.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
entgegen § 11 Absatz 1 oder in Zuwiderhandlung einer vollziehbaren Anordnung nach § 11 Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1
a)
in das Bundesgebiet einreist oder
b)
sich darin aufhält,
1a.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 56a Absatz 1 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch eine in § 56a Absatz 3 genannte zuständige Stelle verhindert oder
2.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen oder das Erlöschen oder die nachträgliche Beschränkung des Aufenthaltstitels oder der Duldung abzuwenden oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 und der Absätze 1a und 2 Nr. 1 Buchstabe a ist der Versuch strafbar.

(4) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 2 Nr. 2 bezieht, können eingezogen werden.

(5) Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bleibt unberührt.

(6) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 steht einem Handeln ohne erforderlichen Aufenthaltstitel ein Handeln auf Grund eines durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkten oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichenen Aufenthaltstitels gleich.

(7) In Fällen des Absatzes 2 Nummer 1a wird die Tat nur auf Antrag einer dort genannten zuständigen Stelle verfolgt.

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Stuttgart wird das Urteil des Landgerichts - 31. kleine Strafkammer - Stuttgart vom 09. März 2009 mit den Feststellungen

aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stuttgart

zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Das Landgericht Stuttgart hat den Angeklagten vom Vorwurf, er habe bei der Beantragung einer Niederlassungserlaubnis unrichtige Angaben gemacht (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG), freigesprochen.
Nach den Feststellungen fasste der Angeklagte, der türkischer Staatsangehöriger ist, im Oktober 2007 den Entschluss, eine Niederlassungserlaubnis zu beantragen. Da er im Umgang mit Behörden unerfahren gewesen sei und nur über geringe Deutschkenntnisse verfüge, habe er einen Gast seines Cafes um Hilfe bei der Ausfüllung des Antrags gebeten. Im Antragsformular habe er die Frage "Sind Sie vorbestraft ?", verneint. In der mit dem Antrag abzugebenden Erklärung habe er angegeben, bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten zu sein. Tatsächlich war der Angeklagte durch Strafbefehl des Amtsgerichts S. vom 05. Juli 2006 wegen Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Körperverletzung zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,-- Euro rechtskräftig verurteilt worden.
Eine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sei nicht gegeben. Für die Angaben des Angeklagten im Antragsformular könne dies dahin stehen, da diese nicht Gegenstand des Anklagevorwurfs seien. Der Angeklagte habe sich insoweit auch zutreffend als "nicht vorbestraft" bezeichnen dürfen, da eine Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen nicht in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen sei. Auch durch seine Erklärung, er sei bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, habe er sich nicht strafbar gemacht. Dies sei nur bei (bewusst) unzutreffenden Angaben der Fall, die im allgemeinen, wenn auch nicht notwendig im konkreten Fall, zur Verschaffung eines unrechtmäßigen Aufenthaltstitels geeignet seien. Das Verschweigen einer Vorstrafe unter 90 Tagessätzen sei jedoch für die ausländerrechtliche Entscheidung über die Niederlassungserlaubnis nicht relevant, da nach der Aussage der Sachbearbeiterin des Ausländeramtes die wahrheitsgemäße Offenbarung der Vorstrafe von 30 Tagessätzen keinen Einfluss auf die Erteilung der Niederlassungserlaubnis gehabt hätte und regelmäßig nur Vorstrafen über 90 Tagessätzen von Bedeutung seien. Der Annahme einer abstrakten Gefährdung des ausländerrechtlichen Verfahrens stehe weiter entgegen, dass sich eine Ausfertigung des Strafbefehls vom 05. Juli 2006 in der Ausländerakte befunden habe.
II.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft Stuttgart führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung.
Zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, dass § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltstitels schützt und der Schutzzweck der Norm bereits dann berührt ist, wenn das materielle Aufenthaltsrecht lediglich abstrakt gefährdet ist (vgl. BayObLG NStZ-RR 2000, 344; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2009, § 95 AufenthG Rdnr. 94; HK-AuslR/Wingerter § 95 Rdnr. 27; Erbs/Kohlhaas - Senge, Strafrechtl. Nebengesetze, Stand März 2008, § 95 AufenthG Rdnr. 56). Die Tatbestandsverwirklichung setzt nicht voraus, dass die Angaben tatsächlich dazu geführt haben, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Erforderlich ist lediglich, dass es sich um ausländerrechtlich erhebliche Angaben handelt, die sich im Allgemeinen, d. h. abstrakt, zur Verschaffung eines Aufenthaltstitels eignen (BGH NStZ 2004, 699; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 376; Hailbronner, a.a.O.). Hiervon ausgenommen sind beispielsweise Angaben zum Beruf des Vaters, dem Alter der Geschwister, dem Vorliegen einer Schwangerschaft etc. (vgl. HK-AuslR/Wingerter, § 95 AufenthG Rdnr. 27).
Für eine Strafbarkeit ist daher nicht maßgebend, ob dem Ausländer gleichwohl oder aus anderen Gründen ein Aufenthaltstitel zu erteilen gewesen wäre, denn durch § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG wird das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die materielle Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltstitels geschützt. Eine Strafbarkeit besteht deshalb auch dann, wenn trotz der falschen oder unvollständigen Angaben ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder einer Duldung bestehen würde (HK-AuslR/Wingerter a.a.O., Rdnr. 29). Falsche Angaben auf Fragen der Ausländerbehörden gefährden jedenfalls abstrakt die richtige Anwendung des materiellen Ausländerrechts, weil unwahres Vorbringen im allgemeinen geeignet ist, Ausländern zu Unrecht einen Aufenthaltstitel zu verschaffen (vgl. Hailbronner a.a.O. Rdnr. 94).
Entgegen den Annahmen im angefochtenen Urteil ist es deshalb unerheblich, dass dem Angeklagten auch bei wahrheitsgemäßer Angabe der Vorstrafe von 30 Tagessätzen eine Niederlassungserlaubnis erteilt worden wäre, wenn auch die übrigen Voraussetzungen des § 95 Abs. 2 AufenthG vorgelegen hätten. Durch die Ausgestaltung der Norm als abstraktes Gefährdungsdelikt soll gerade eine hypothetische Formalprüfung vermieden werden. Wollte man in Fällen, in denen bei unzutreffendem Tatsachenvorbringen hypothetisch ein Aufenthaltsrecht gewährt worden wäre, eine Tatbestandsverwirklichung verneinen, müsste der Strafrichter stets prüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus irgend einem anderen als dem fälschlicherweise behaupteten oder verschwiegenen Sachverhalt erfüllt sind. Gerade dies wollte der Gesetzgeber jedoch vermeiden (vgl. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 376 zu § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 AuslG).
Für die Tatbestandserfüllung ist auch unerheblich, ob die Behörde bereits Kenntnis von der Vorstrafe des Angeklagten hatte. Der Angeklagte war gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 7 BZRG nicht berechtigt, die Auskunft bzgl. seiner Vorstrafen zu verweigern. Auf eine Kausalität der unrichtigen Angaben bei der Erteilung des Aufenthaltstitels kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob Angaben zu Vorstrafen für das ausländerrechtliche Verfahren - wie vorliegend - von Bedeutung sind. Zutreffend hebt die Revision daher darauf ab, dass auch bei Vorstrafen bis zu 90 Tagessätzen zwar regelmäßig Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung einer Erteilung der Niederlassungserlaubnis nicht entgegenstehen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass diese generell unerheblich sind. Daher kann von Antragstellern hierzu eine umfassende Auskunft verlangt werden.
Da das Urteil in der Sache keinen Bestand haben konnte, war es aufzuheben und zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

Mit der nach den deutschen Gesetzen wirksamen Annahme als Kind durch einen Deutschen erwirbt das Kind, das im Zeitpunkt des Annahmeantrags das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erstreckt sich auf die Abkömmlinge des Kindes. Beruht die Annahme als Kind auf einer ausländischen Entscheidung, setzt der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit voraus, dass das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist und das Annahmeverhältnis einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht. Liegen die Voraussetzungen des Satzes 3 nicht vor und wird eine Umwandlung des Annahmeverhältnisses nach § 3 des Adoptionswirkungsgesetzes ausgesprochen, gilt Satz 1 entsprechend.

(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, soll ein Kind nur dann annehmen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(2) Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen. Ein Ehepaar kann ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen. Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. Er kann ein Kind auch dann allein annehmen, wenn der andere Ehegatte das Kind nicht annehmen kann, weil er geschäftsunfähig ist oder das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. Nach Satz 2 kann durch die zuständigen Stellen der betroffenen Länder auch geregelt werden, dass den Ausländerbehörden eines Landes für die Bezirke von Ausländerbehörden verschiedener Länder Aufgaben zugeordnet werden. Für die Vollziehung von Abschiebungen ist in den Ländern jeweils eine zentral zuständige Stelle zu bestimmen. Die Länder sollen jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten, die bei Visumanträgen nach § 6 zu Zwecken nach den §§ 16a, 16d, 17 Absatz 1, den §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19, 19b, 19c und 20 sowie bei Visumanträgen des Ehegatten oder der minderjährigen ledigen Kinder zum Zweck des Familiennachzugs, die in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden, die zuständige Ausländerbehörde ist.

(2) Im Ausland sind für Pass- und Visaangelegenheiten die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Das Auswärtige Amt wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines Visums zu übertragen. Soweit von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, stehen dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Befugnisse zur Datenverarbeitung sowie alle sonstigen Aufgaben und Befugnisse einer Auslandsvertretung bei der Erteilung von Visa gemäß Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b sowie gemäß den §§ 54, 66, 68, 69, 72, 72a, 73, 73a, 75, 87, 90c, 91d und 91g zu.

(3) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden sind zuständig für

1.
die Zurückweisung und die Zurückschiebung an der Grenze, einschließlich der Überstellung von Drittstaatsangehörigen auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird,
1a.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bei oder nach der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/399 (Binnengrenze) aufgegriffen wird,
1b.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bereits unerlaubt eingereist ist, sich danach weiter fortbewegt hat und in einem anderen Grenzraum oder auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen, Flug- oder Landeplatz oder See- oder Binnenhafen aufgegriffen wird,
1c.
die Befristung der Wirkungen auf Grund der von ihnen vorgenommenen Ab- und Zurückschiebungen nach § 11 Absatz 2, 4 und 8,
1d.
die Rückführungen von Ausländern aus anderen und in andere Staaten; die Zuständigkeit besteht neben derjenigen der in Absatz 1 und in Absatz 5 bestimmten Stellen,
1e.
die Beantragung von Haft und die Festnahme, soweit es zur Vornahme der in den Nummern 1 bis 1d bezeichneten Maßnahmen erforderlich ist,
2.
die Erteilung eines Visums und die Ausstellung eines Passersatzes nach § 14 Abs. 2 sowie die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2a,
3.
die Rücknahme und den Widerruf eines nationalen Visums sowie die Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009
a)
im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, soweit die Voraussetzungen der Nummer 1a oder 1b erfüllt sind,
b)
auf Ersuchen der Auslandsvertretung, die das Visum erteilt hat, oder
c)
auf Ersuchen der Ausländerbehörde, die der Erteilung des Visums zugestimmt hat, sofern diese ihrer Zustimmung bedurfte,
4.
das Ausreiseverbot und die Maßnahmen nach § 66 Abs. 5 an der Grenze,
5.
die Prüfung an der Grenze, ob Beförderungsunternehmer und sonstige Dritte die Vorschriften dieses Gesetzes und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Anordnungen beachtet haben,
6.
sonstige ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen, soweit sich deren Notwendigkeit an der Grenze ergibt und sie vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hierzu allgemein oder im Einzelfall ermächtigt sind,
7.
die Beschaffung von Heimreisedokumenten im Wege der Amtshilfe in Einzelfällen für Ausländer,
8.
die Erteilung von in Rechtsvorschriften der Europäischen Union vorgesehenen Vermerken und Bescheinigungen vom Datum und Ort der Einreise über die Außengrenze eines Mitgliedstaates, der den Schengen-Besitzstand vollständig anwendet; die Zuständigkeit der Ausländerbehörden oder anderer durch die Länder bestimmter Stellen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

(4) Für die erforderlichen Maßnahmen nach den §§ 48, 48a und 49 Absatz 2 bis 9 sind die Ausländerbehörden, die Polizeivollzugsbehörden der Länder sowie bei Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben die Bundespolizei und andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörden zuständig. In den Fällen des § 49 Abs. 4 sind auch die Behörden zuständig, die die Verteilung nach § 15a veranlassen. In den Fällen des § 49 Absatz 5 Nummer 5 und 6 sind die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. In den Fällen des § 49 Absatz 8 und 9 sind auch die Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge befugt, bei Tätigwerden in Amtshilfe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die unbegleitet in das Bundesgebiet eingereist sind, vorzunehmen; diese Maßnahmen sollen im Beisein des zuvor zur vorläufigen Inobhutnahme verständigten Jugendamtes und in kindgerechter Weise durchgeführt werden.

(5) Für die Zurückschiebung sowie die Durchsetzung der Verlassenspflicht des § 12 Abs. 3 und die Durchführung der Abschiebung und, soweit es zur Vorbereitung und Sicherung dieser Maßnahmen erforderlich ist, die Festnahme und Beantragung der Haft sind auch die Polizeien der Länder zuständig.

(6) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle entscheidet im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt über die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren (§ 3 Abs. 1); die Entscheidungen ergehen als Allgemeinverfügung und können im Bundesanzeiger bekannt gegeben werden.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein albanischer Staatsangehöriger, begehrt die Aufhebung eines gegen ihn vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) verhängten Einreise- und Aufenthaltsverbots.

2

Er reiste 2015 nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 15. April 2016 die Anträge des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab. Weiter entschied es, dass dem Kläger kein Anspruch auf subsidiären Schutz zusteht und keine Abschiebungsverbote vorliegen. Er wurde aufgefordert, Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen, und ihm wurde die zwangsweise Abschiebung nach Albanien angedroht. Gleichzeitig ordnete das Bundesamt ein zehnmonatiges Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG ab dem Tag der Ausreise an (Ziffer 6) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG für den Fall der Abschiebung des Klägers auf 30 Monate (Ziffer 7).

3

Da der Kläger inzwischen mit einem deutschen Mann eine Lebenspartnerschaft begründet hatte, beantragte er im Mai 2016 beim Beklagten eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Wahrung dieser lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft. Zugleich beantragte er sowohl beim Bundesamt als auch beim Beklagten die Aufhebung des vom Bundesamt nach § 11 Abs. 7 AufenthG angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots. Beide Behörden lehnten eine Entscheidung über den Aufhebungsantrag wegen Unzuständigkeit ab. Der Beklagte erteilte dem Kläger fortlaufend Duldungen, die letzte befristet bis zum 31. März 2020.

4

Die vom Kläger gegen den Beklagten erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 14. Februar 2017 mit der Begründung ab, dass nicht die Ausländerbehörde, sondern das Bundesamt über die Aufhebung entscheiden müsse. Dessen Zuständigkeit ergebe sich aus § 75 Nr. 12 AufenthG. Diese Sonderregelung gehe der allgemeinen Zuständigkeitsregelung für die Ausländerbehörden in § 71 Abs. 1 AufenthG vor und begründe die Zuständigkeit des Bundesamts auch für Folgeentscheidungen zu dem von ihm verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG. Denn § 11 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erkläre § 11 Abs. 4 AufenthG für entsprechend anwendbar, welcher die nachträgliche Aufhebung oder Fristverkürzung regele. Dem stehe der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Wille, es für Aufhebungs- und Verkürzungsentscheidungen bei der allgemeinen Zuständigkeit der Ausländerbehörden zu belassen, nicht entgegen, da dieser Wille im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden habe.

5

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision. Er ist der Auffassung, die Zuständigkeit des Bundesamts beziehe sich schon nach dem Wortlaut des § 75 Nr. 12 AufenthG nur auf die erstmalige Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG. Selbst wenn der Wortlaut unterschiedliche Auslegungen zulasse, rechtfertige dies nicht ein Abweichen vom eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der die Ausländerbehörden als zuständig ansehe.

6

Der Beklagte tritt der Revision entgegen. Er bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Ergänzend beruft er sich darauf, dass in § 72 AufenthG eine gesetzliche Beteiligungsregelung zugunsten des Bundesamts fehle, was dafür spreche, dass das Gesetz von dessen Zuständigkeit auch für Aufhebungs- und Befristungsentscheidungen ausgehe und nicht von einer solchen der Ausländerbehörden. Bei der Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei zu bewerten, ob eine solche Entscheidung asylrechtlich geboten sei. Hierfür sei das Bundesamt die sachnähere Behörde.

7

Das beigeladene Bundesamt und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließen sich der Argumentation des Klägers an.

Entscheidungsgründe

8

Die (Sprung)Revision des Klägers ist zulässig (1.) und hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Beklagte ist verpflichtet, über das Begehren des Klägers auf Aufhebung des gegen ihn vom Bundesamt nach § 11 Abs. 7 AufenthG verhängten Einreise- und Aufenthaltsverbots in der Sache zu entscheiden (2.). Die gegenteilige Entscheidung des Verwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht. Der Kläger hat allerdings nur einen Bescheidungsanspruch, keinen Aufhebungsanspruch. Soweit er mit der Revision seinen Aufhebungsanspruch weiterverfolgt, war diese zurückzuweisen (3.).

9

1. Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig. Es handelt sich bei dem auf § 11 Abs. 7 i.V.m. Abs. 4 AufenthG gestützten und gegen die Ausländerbehörde gerichteten Aufhebungsbegehren um eine ausländerrechtliche Streitigkeit, für die die Sprungrevision - anders als bei asylrechtlichen Streitigkeiten bis zum 29. Juli 2017 (BGBl. I 2780) - auch schon bei ihrer Einlegung im März 2017 statthaft war. Aus § 83c AsylG ergibt sich nichts Abweichendes, da die Vorschrift das gegen die Ausländerbehörde gerichtete Verpflichtungsbegehren nicht erfasst.

10

2. Der Beklagte ist verpflichtet, über das Begehren des Klägers auf Aufhebung des gegen ihn verhängten Einreise- und Aufenthaltsverbots zu entscheiden. Seine Zuständigkeit ergibt sich aus § 71 Abs. 1 AufenthG.

11

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei ausländerrechtlichen Verpflichtungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 1 C 16.14 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 22 Rn. 14). Dabei sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsänderungen, die nach der Entscheidung des Tatsachengerichts eintreten, vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Tatsachengericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71). Maßgeblich ist hiernach das Aufenthaltsgesetz - AufenthG - i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter bei der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618).

12

Nach § 71 Abs. 1 AufenthG sind die Ausländerbehörden für aufenthaltsrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach dem Aufenthaltsgesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen zuständig, sofern keine gesetzliche Sonderzuständigkeit besteht. Das Begehren des Klägers auf Aufhebung des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots bestimmt sich nach § 11 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 AufenthG, er erstrebt also eine Entscheidung nach dem Aufenthaltsgesetz im Sinne von § 71 Abs. 1 AufenthG.

13

Eine Sonderzuständigkeit des Bundesamts für die begehrte Aufhebungsentscheidung besteht nicht. Sie ergibt sich nicht aus § 75 Nr. 12 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist das Bundesamt u.a. zuständig für "die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG". Diese Sonderzuständigkeit erfasst nur die erstmalige "Anordnung und Befristung" eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG, nicht jedoch dessen nachträgliche Aufhebung oder Fristverkürzung nach § 11 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 AufenthG.

14

Dafür spricht schon der Wortlaut des § 75 Nr. 12 AufenthG, der die Zuständigkeit des Bundesamts nur für die "Anordnung und Befristung" eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 7 AufenthG begründet, nicht auch für Änderungen dieser Verfügungen. Allerdings lässt der Wortlaut auch eine andere Auslegung zu, weil er pauschal auf § 11 Abs. 7 AufenthG verweist. Dieser ordnet in § 11 Abs. 7 Satz 3 AufenthG die entsprechende Anwendung der Absätze 1 bis 5 an. Damit erfasst er auch § 11 Abs. 4 AufenthG, der die Rechtsgrundlage für die nachträgliche Aufhebung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots darstellt sowie für die Verkürzung der hierfür festgesetzten Frist.

15

Auch eine systematische Auslegung führt zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zwar wird mangels abweichender Gesichtspunkte in aller Regel die Behörde zur Abänderung von Verfügungen zuständig bleiben, die sie originär getroffen hat, insbesondere für deren Rücknahme und Widerruf. Zwingend ist dies jedoch nicht, zumal die nachträgliche Aufhebung oder Fristverkürzung nach § 11 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 AufenthG die ursprüngliche Befristung weder zurücknimmt oder widerruft, sondern eine eigenständige, tatbestandlich an die Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 AufenthG gebundene neue Entscheidung trifft.

16

Eine Begrenzung der Bundesamtszuständigkeit auf die Erstentscheidung entspricht der allgemeinen Aufgabenverteilung zwischen dem Bundesamt und den Ausländerbehörden. Das Asylverfahren und damit die Zuständigkeit des Bundesamts endet grundsätzlich mit der bestandskräftigen Entscheidung des Bundesamts über den Asylantrag und die damit verbundenen Nebenentscheidungen. Der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet und - nach Abschiebung oder freiwilliger Ausreise - eine erneute Wiedereinreise richten sich dann nach dem Aufenthaltsgesetz. Verbleibt ein Ausländer nach Abschluss seines Asylverfahrens in Deutschland, sind für weitere aufenthaltsrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach § 71 Abs. 1 AufenthG die Ausländerbehörden zuständig. Dies gilt auch für Entscheidungen über ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG, soweit die sachliche Zuständigkeit nicht ausnahmsweise einer anderen Behörde zugewiesen ist. Eine solche Ausnahmeregelung enthalten § 11 Abs. 7 Satz 1 und § 75 Nr. 12 AufenthG, die als Ausnahme von der Regel eher eng auszulegen sind. Dafür, dass sich die Zuständigkeit des Bundesamts bei Entscheidungen nach § 11 Abs. 7 AufenthG nur auf die erstmalige Anordnung und Befristung (nach § 11 Abs. 7 Satz 1 und 4 AufenthG), nicht aber auf eine nachträgliche Aufhebung oder Befristung (nach § 11 Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 4 AufenthG) bezieht, spricht auch der Vergleich mit den weiteren dem Bundesamt in Bezug auf § 11 AufenthG zugewiesenen Aufgaben. Denn nach § 75 Nr. 12 AufenthG ist das Bundesamt in bestimmten Fällen auch hinsichtlich des nach § 11 Abs. 1 AufenthG an eine Abschiebung anknüpfenden gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots für dessen "Befristung nach § 11 Abs. 2 AufenthG" (hier: Ziffer 7 des Bescheids) zuständig. Diese Zuständigkeitszuweisung erstreckt sich schon nach dem Wortlaut nicht auf eine auch in diesen Fällen mögliche nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung (nach § 11 Abs. 4 AufenthG). Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum die Ausländerbehörde zwar für die nachträgliche Änderung einer vom Bundesamt nach § 11 Abs. 2 AufenthG getroffenen Befristungsentscheidung, nicht aber auch für die nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung eines vom Bundesamt mit der Ablehnung des Asylantrags angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig sein sollten.

17

Aus § 83c AsylG lassen sich keine Argumente für eine bestimmte Behördenzuständigkeit ableiten. Diese Vorschrift stellt lediglich klar, dass die das gerichtliche Verfahren betreffenden Sonderregelungen im Asylgesetz auch bei "Rechtsbehelfen gegen die Entscheidungen des Bundesamts nach § 75 Nr. 12 AufenthG gelten", ohne sich zum Umfang der Zuständigkeit des Bundesamts nach § 75 Nr. 12 AufenthG zu verhalten.

18

Für die Zuständigkeit der Ausländerbehörden spricht im Übrigen vor allem der gesetzgeberische Wille. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass das Bundesamt nur die Ausgangsentscheidung nach § 11 Abs. 7 AufenthG treffen sollte, nachträgliche Abänderungsentscheidungen aber in die Zuständigkeit der Ausländerbehörden fallen sollten. Die Zuständigkeitsnorm des § 75 Nr. 12 AufenthG geht auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Februar 2015 zurück und wurde wie folgt begründet (BT-Drs. 18/4097 S. 58):

"Die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 kann nur durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung von Amts wegen zu befristen. Die Zuständigkeit für die Befristung wird im Gleichklang mit der Zuständigkeit für die Anordnung ebenfalls dem Bundesamt zugeordnet. Für die Aufhebung, Verkürzung oder Verlängerung der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Absatz 4 verbleibt es bei den allgemeinen Zuständigkeiten nach § 71."

19

Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich das gesetzgeberische Ziel, nur die erstmalige Anordnung und Befristung nach § 11 Abs. 7 AufenthG dem Bundesamt zuzuweisen, Abänderungsentscheidungen aber durch die Ausländerbehörden nach § 71 AufenthG vornehmen zu lassen. In diesem Sinne hat die Bundesregierung in der Folgezeit auch eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag beantwortet (Antwort der Bundesregierung vom 9. März 2015, BT-Drs. 18/4262 S. 4). Gegenläufige Bekundungen zur Zuständigkeitsfrage erfolgten im Gesetzgebungsverfahren nicht. Damit dürfte die Einschätzung der Bundesregierung auch dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Dieser gesetzgeberische Wille hat sich - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch im Gesetz niedergeschlagen, da § 75 Nr. 12 AufenthG die Zuständigkeit des Bundesamts nur für die "Anordnung und Befristung" eines Einreise- und Aufenthaltsverbots begründet.

20

Die Auslegung der Zuständigkeitsregelungen durch den Senat entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Nach der Gesetzesbegründung soll die in § 11 Abs. 7 AufenthG neu geschaffene Möglichkeit der Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt generalpräventiv der Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylverfahrens dienen. Dies soll zugleich einer Überlastung der Asylverfahren durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen entgegenwirken, damit die entsprechenden Kapazitäten für die Prüfung der Asylanträge tatsächlich schutzbedürftiger Personen eingesetzt werden können (BT-Drs. 18/4097 S. 38).

21

Dieser Gesetzeszweck rechtfertigt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Anordnung eines (befristeten) Einreise- und Aufenthaltsverbots unmittelbar durch das Bundesamt zusammen mit seiner ablehnenden Entscheidung über den Asylantrag. Gründe sowohl der Effektivität als auch der Praktikabilität sprechen in diesem Verfahrensstadium für eine (ausnahmsweise) Zuständigkeit des Bundesamts. Vergleichbare Gründe sind für Folgeentscheidungen nach Abschluss des Asylverfahrens nicht ersichtlich. Zur Verhinderung von Missbrauchsfällen bedarf es keiner Annexzuständigkeit des Bundesamts für nachträgliche Entscheidungen nach § 11 Abs. 4 AufenthG. Vielmehr sind insoweit die Ausländerbehörden die sachnäheren Behörden, weil sie die weitere aufenthaltsrechtlich relevante Entwicklung des Ausländers verfolgen und insofern besser in der Lage sind, die von § 11 Abs. 4 AufenthG für die Aufhebungs- und Verkürzungsentscheidung geforderte umfassende Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen zu treffen.

22

Eine (fortbestehende) Zuständigkeit des Bundesamts würde zudem in erheblichem Umfang Kapazitäten des Bundesamts durch offensichtlich nicht schutzbedürftige Personen binden, die dann nicht für die Prüfung der Asylanträge tatsächlich schutzbedürftiger Personen eingesetzt werden könnten. Damit würde der Gesetzeszweck nicht nur teilweise verfehlt, sondern letztlich sogar das Gegenteil bewirkt.

23

Dem steht nicht entgegen, dass § 72 AufenthG kein Beteiligungserfordernis des Bundesamts vorsieht. Insoweit hat der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass § 72 Abs. 3 AufenthG die Abänderung von Befristungsentscheidungen des Bundesamts nicht erfasst. Denn § 72 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AufenthG verweist ausdrücklich nur auf § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, nicht auch auf § 11 Abs. 7 AufenthG. Dies stellt in Bezug auf Entscheidungen nach § 11 AufenthG offensichtlich eine abschließende Entscheidung dar. Daraus lässt sich jedoch kein Argument für eine Zuständigkeit des Bundesamts ableiten. Denn für dessen Beteiligung an der von den Ausländerbehörden zu treffenden Entscheidung besteht kein Bedarf. Die hier zu treffende Ermessensentscheidung ist auch in anderen Fällen von den Ausländerbehörden in eigener Verantwortung zu treffen, bei der es im Wesentlichen um die Würdigung einer nach der Erstentscheidung eingetretenen individuellen Entwicklung geht. Die Einbeziehung des allgemeinen öffentlichen Interesses an der Verhinderung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Asylverfahrens in die Abwägungsentscheidung der Ausländerbehörden setzt keine besondere Sachkunde voraus, die eine Beteiligung des Bundesamts erfordert.

24

3. Der Kläger kann von der Beklagten nur die Bescheidung seines Aufhebungsbegehrens verlangen, die von der Beklagten nach § 11 Abs. 7 i.V.m. Abs. 4 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung ist nicht auf Null reduziert.

25

Allein der Umstand, dass der Kläger nach Aktenlage wohl die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen erfüllt, reicht hierfür nicht aus. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus der Regelung in § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, wonach (selbst) bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen das Einreise- und Aufenthaltsverbot lediglich aufgehoben werden "soll". Die familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers mit seinem deutschen Lebenspartner ist dadurch gewährleistet, dass die Ausländerbehörde nicht beabsichtigt, den Kläger abzuschieben, und er im Besitz einer mehrjährigen Duldung zu Ausbildungszwecken ist. Auch der Zeitablauf seit Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtfertigt im hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keine andere Beurteilung. Weitere Gründe, aus denen sich eine Ermessensverdichtung auf Null ergeben könnte, sind vom Kläger nicht geltend gemacht, so dass es auch keiner (Zurück-)Verweisung an das Verwaltungsgericht zur weiteren Sachaufklärung bedarf. Soweit die Ausländerbehörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärt hat, dass sie im Falle ihrer Zuständigkeit eine Aufhebung verfügen würde, stellt dies lediglich eine das Gericht rechtlich nicht bindende Absichtserklärung dar.

26

Der Berücksichtigung der Lebenspartnerschaft bei der nun vom Beklagten zu treffenden Entscheidung über eine nachträgliche Aufhebung oder Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots steht nicht entgegen, dass der Kläger diesen Umstand schon gegenüber dem Bundesamt hätte geltend machen können, dies aber unterlassen hat. Denn es geht bei der nach § 11 Abs. 4 AufenthG zu treffenden Entscheidung nicht um ein Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens beim Bundesamt, sondern darum, ob und in welchem Umfang ein - gesetzliches oder ausdrücklich angeordnetes - Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Zukunft aufrechterhalten bleibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die persönlichen Bindungen des Klägers mit fortschreitender Dauer an Gewicht gewinnen, während die dem Einreise- und Aufenthaltsverbot hier zugrunde liegenden generalpräventiven Erwägungen an Gewicht verlieren.

27

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem teilweisen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus Deutschland. Hilfsweise erstrebt er eine neue Entscheidung des Beklagten über die Befristung des mit der Ausweisung verbundenen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

2

Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit. Er wurde 1973 in der Türkei geboren, ist verheiratet und hat sieben Kinder. Er reiste 1997 nach Deutschland ein und beantragte hier Asyl, da er in der Türkei wegen seines Engagements in prokurdischen Vereinen und Parteien sowie verwandtschaftlichen Beziehungen zu Guerillakämpfern der sog. Arbeiterpartei Kurdistans - PKK - an Leib und Leben bedroht sei. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) vom 9. Oktober 1997 wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach dem damaligen § 51 Abs. 1 AuslG 1990 zuerkannt und zu seinen Gunsten ein Abschiebungsverbot wegen drohender Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK (damals § 53 Abs. 4 AuslG 1990) festgestellt. Der Kläger ist lediglich sporadisch und für kurze Zeiträume einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, gleiches gilt für seine Ehefrau. Er bezieht mit seiner Familie Leistungen nach dem SGB II.

3

Vom 1. April 1998 bis zum 1. Dezember 2009 war der Kläger im Besitz jeweils befristeter Aufenthaltstitel. Am 13. März 2009 teilte das Bundesamt der Ausländerbehörde mit, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 oder 2 AsylVfG nicht vorlägen. Im März 2009 stellte der Kläger bei der Ausländerbehörde der Stadt M. einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Auf Anfrage teilte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg der Ausländerbehörde im Mai 2009 mit, dass hinsichtlich der Person des Klägers "Erkenntnisse" vorlägen, über die das Innenministerium Baden-Württemberg gesondert informiert worden sei. Dessen ungeachtet wurde dem Kläger am 4. Dezember 2009 ohne weitere Mitteilung zum Stand der Sicherheitsüberprüfung eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG erteilt.

4

Das Regierungspräsidium K. teilte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Juli 2010 mit, dass die Niederlassungserlaubnis in Unkenntnis der Sicherheitsbedenken erteilt worden sei und derzeit deren Rücknahme und eine Ausweisung geprüft werde. Hierzu werde dem Kläger die Möglichkeit eines Sicherheitsgesprächs zur weiteren Aufklärung gegeben. Dieses fand im Februar 2011 statt; allerdings verweigerte der Kläger mit Ausnahme eines durch ihn ausgefüllten Fragebogens die weitere Mitwirkung.

5

Mit Verfügung vom 10. Januar 2012 wies das Regierungspräsidium K. den Kläger aus (Ziffer 1) und stützte sich dabei auf § 54 Nr. 5, § 56 Abs. 1, § 55 AufenthG a.F. Zudem wurde der Kläger verpflichtet, sich zweimal wöchentlich unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, und sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt M. begrenzt (Ziffer 2).

6

Die Ausweisung sei gerechtfertigt, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger Vereinigungen unterstütze, die ihrerseits den Terrorismus unterstützten. So habe der Kläger nach den vorliegenden Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in den Jahren 2001 bis 2010 regelmäßig an näher bezeichneten Veranstaltungen und Demonstrationen der PKK-Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL teilgenommen und sei teilweise auch selbst als Redner bei derartigen Veranstaltungen aufgetreten. Von 2001 bis 2003/2004 sei er Vorsitzender des der KONGRA-GEL nahestehenden "Kurdischer Kulturverein e.V." in L. gewesen. Außerdem sei er seit langem Vorstandsmitglied und nunmehr sogar zweiter Vorsitzender des der KONGRA-GEL nahestehenden "Föderation Kurdischer Vereine in Deutschland e.V." (YEK-KOM). Die Ausweisung sei trotz des dem Kläger als anerkanntem Flüchtling zustehenden besonderen Ausweisungsschutzes aus spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt und auch mit Blick auf die Bleibeinteressen des Klägers verhältnismäßig. Sie führe zudem nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung, vielmehr bleibe seine Abschiebung ausgesetzt, da ihr Abschiebungsverbote aufgrund der Rechtsstellung des Klägers als Flüchtling sowie nach § 60 Abs. 5 AufenthG entgegenstünden. Die angeordnete zweimalige wöchentliche Meldepflicht und die räumliche Beschränkung auf den Stadtbezirk M. beruhten auf § 54a AufenthG (a.F.) und seien mit Blick auf die gebotene Überwachung des Klägers und zur Eindämmung seiner gefahrbegründenden Aktivitäten erforderlich und angemessen.

7

Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Verfügung gerichtete Klage mit Urteil vom 27. Januar 2015 abgewiesen, zugleich aber den Beklagten verpflichtet, die Wirkungen der Ausweisung auf acht Jahre nach Ausreise des Klägers zu befristen. Mit Urteil vom 13. Januar 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zurückgewiesen. Dabei hat er die angefochtene Ausweisungsverfügung an der seit dem 1. Januar 2016 geltenden Fassung des AufenthG gemessen. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere ausgeführt: Im Fall des Klägers liege ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil der Kläger in überwiegend herausgehobener Funktion die PKK und damit eine terroristische oder den Terrorismus unterstützende Vereinigung unterstützt habe. Dabei seien allerdings nur Aktivitäten nach Juli 2010 heranzuziehen, also nach der an den Kläger gerichteten Mitteilung, wegen seiner Aktivitäten werde die Rücknahme der Niederlassungserlaubnis und eine Ausweisung geprüft. Als tatbestandserhebliches Unterstützen sei hiernach jede Tätigkeit des Ausländers anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, auswirke. Nach diesem Maßstab seien die im Urteil im Einzelnen näher bezeichneten und durch den Kläger in der Sache eingeräumten Betätigungen als Teilnehmer, Mitglied, Redner und Versammlungsleiter bei diversen die PKK unterstützenden Veranstaltungen sowie als Vorstandsmitglied der die PKK unterstützenden YEK-KOM und deren Nachfolgeorganisation NAV-DEM als Unterstützungshandlung zu werten. Angesichts des Ablaufs der Veranstaltungen, der dort gehaltenen Reden und der klaren Ausrichtung auf den Führerkult um den PKK-Führer Öcalan sowie gefallene Märtyrer bestünden für das Berufungsgericht keine Zweifel daran, dass sich der Kläger den Zielen der PKK verpflichtet fühle und sie mit seinem Tun unterstützen wolle.

8

Die Ausweisungsverfügung werde auch dem erhöhten Ausweisungsschutz gerecht, der dem Kläger als anerkanntem Flüchtling nach § 53 Abs. 3 AufenthG zustehe. Denn es lägen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU vor, wonach ein einem Flüchtling erteilter Aufenthaltstitel widerrufen werden könne.

9

Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse stehe ein gleichfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse des Klägers gegenüber. Denn er habe eine Niederlassungserlaubnis besessen, die gerade durch die Ausweisungsverfügung betroffen sei. Er lebe mit deutschen Familienangehörigen (sechs seiner Kinder) in familiärer Lebensgemeinschaft und übe sein Personensorgerecht für seine minderjährigen Kinder aus. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung überwiege jedoch das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse des Klägers.

10

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Revision und rügt in mehrfacher Hinsicht eine Verletzung von Bundesrecht. Zunächst habe das Berufungsgericht den Begriff des "Unterstützens" in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG fehlerhaft ausgelegt und angewandt. Der von ihm in Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht angewandte Unterstützungsbegriff sei rechtsstaatlich nicht hinreichend konkret. Jedenfalls auf der Grundlage des neuen, seit Jahresanfang 2016 geltenden Ausweisungsrechts, das nach "schwerwiegenden" und "besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteressen" differenziere, sei dieser Unterstützungsbegriff nicht mehr als Abgrenzungskriterium geeignet. Notwendig sei ein gefahrenabwehrrechtlich ausgerichteter Unterstützungsbegriff, der sich etwa in Anlehnung an strafrechtliche Zurechnungskriterien wie Anstiftung oder Beihilfe oder die im Strafrecht für Organisationsdelikte entwickelten Zurechnungskriterien gewinnen lassen könne.

11

Fehlerhaft sei zudem die Auslegung und Anwendung von § 53 Abs. 3 AufenthG im Hinblick auf die sich aus Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie ergebenden Voraussetzungen. Denn das Berufungsgericht habe weder festgestellt, dass der Kläger unmittelbar der PKK angehöre, noch dass sich die YEK-KOM oder die NAV-DEM selbst terroristischer Methoden bedienten. Weiterhin verkenne das Berufungsgericht die durch den Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13) aufgestellten Anforderungen an die festzustellenden Unterstützungshandlungen. Danach sei insbesondere zu prüfen, ob der Betroffene selbst terroristische Handlungen begangen habe, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zum Zwecke der Begehung solcher Handlungen beteiligt war und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel für ihre Begehung verschafft habe. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts habe der EuGH damit nicht lediglich beispielhaft die in den maßgeblichen Vorlagefragen des Ausgangsverfahrens vorgehaltenen Handlungen herausgegriffen, sondern in einem abschließenden Sinne bestimmte Kriterien vorgegeben.

12

Weiter setze der Gefahrenbegriff des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine "konkrete Gefahr" voraus. Weder der Wortlaut noch die der Vorschrift zugrunde liegende Entstehungsgeschichte rechtfertigten eine Absenkung dieser Gefahrenschwelle. Das Berufungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob der Kläger die für die objektive Unterstützung zu Grunde gelegten Tatsachen und Umstände gekannt und eine zweckgerichtete Unterstützung auch gewollt habe.

13

Schließlich habe das Berufungsgericht verkannt, dass dem Kläger nach dem Urteil des EuGH vom 24. Juni 2015 selbst dann, wenn ihm der Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie entzogen werden dürfe, für die Zeit der Fortdauer seines Flüchtlingsstatus die Rechte nach Kapitel VII dieser Richtlinie erhalten bleiben. Deshalb beantragte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hilfsweise, den Beklagten zu der Feststellung zu verpflichten, dass ihm auch nach Bestandskraft der Ausweisung weiterhin die Rechte nach Kapitel VII der Richtlinie 2011/95/EU zustehen mit Ausnahme der Rechte aus Art. 24 der Richtlinie.

14

Der Beklagte tritt der Revision entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren und tritt der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts bei.

15

Während des Revisionsverfahrens hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 20. Oktober 2016 die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes für den Kläger widerrufen und entschieden, ihm weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Gegen den Bescheid hat der Kläger Klage erhoben.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist im Wesentlichen unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Ausweisung des Klägers und die ihm auferlegte Meldepflicht und Aufenthaltsbeschränkung im Ergebnis zu Recht als rechtmäßig eingestuft. Allerdings war auf der Grundlage der seit 1. August 2015 geltenden Neuregelung des § 11 AufenthG der Beklagte zu einer nunmehr gebotenen Ermessensentscheidung über die festzusetzende Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG zu verpflichten.

17

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Aufhebung der Ausweisung (Ziffer 1 des Bescheids) sowie der Meldeauflagen und Aufenthaltsbeschränkung (Ziffer 2 des Bescheids). Aber auch der Streit über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs - im Berufungsverfahren und anschließend im Revisionsverfahren angefallen. Denn das Befristungsbegehren ist als Minus notwendiger Bestandteil des Begehrens auf Aufhebung einer Ausweisung und kann daher von den Parteien nicht gesondert aus dem Verfahren ausgegliedert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 28 ff.). Hiervon sind im Übrigen vorliegend auch die Parteien übereinstimmend ausgegangen.

18

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung, der Meldepflicht und der Aufenthaltsbeschränkung sowie der vom Kläger hilfsweise begehrten Befristung der Wirkungen der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 8 m.w.N.). Der Entscheidung sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162) zugrunde zu legen, zuletzt geändert durch das am 29. Dezember 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AuslPersGrSiuSHRegG) vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155).

19

A. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG, weil der Kläger anerkannter Flüchtling ist.

20

1. Nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ergibt sich der Grundtatbestand der Ausweisung aus § 53 Abs. 1 AufenthG. Danach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

21

Das neue Ausweisungsrecht gibt das mit dem Ausländergesetz 1990 eingeführte dreistufige Konzept der Ist-, Regel- und Kann-Ausweisung auf. Stattdessen hat sich der Gesetzgeber für ein einheitliches System der rechtlich gebundenen Ausweisung entschieden ("wird ausgewiesen"), das vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. § 54 AufenthG benennt konkret die Gründe, wann das Ausweisungsinteresse "besonders schwer" oder "schwer" wiegt und knüpft damit an Tatbestände der früheren Ist- und Regelausweisung an. In § 55 AufenthG werden - spiegelbildlich hierzu - Tatbestände normiert, denen zufolge das Bleibeinteresse "besonders schwer" oder "schwer" wiegt, wobei auch die Aufzählung der "schwer" wiegenden Bleibeinteressen nicht abschließend ist. In § 53 Abs. 2 AufenthG werden Gesichtspunkte genannt, die bei der Abwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen sind, insbesondere die Dauer des Aufenthalts, Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, Folgen der Ausweisung für Angehörige und Partner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat.

22

Die Rechtsprechung des Senats, die ihrerseits Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) aufgreift (vgl. Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <301 ff.> und vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 14 ff.), hat bei der Entwicklung des neuen Ausweisungsrechts eine entscheidende Rolle gespielt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Februar 2015, BT-Drs. 18/4097 S. 49). Dabei griff der Gesetzgeber Vorschläge zur Neuregelung des Ausweisungsrechts auf, die Vertreter der Rechtsprechung unterbreitet haben (vgl. Dörig, NVwZ 2010, 921 <922>; Bergmann, ZAR 2013, 318 <322> sowie Gesetzesvorschlag Bergmann/Dörig vom Januar 2014, veröffentlicht in: Barwig u.a., Steht das europäische Migrationsrecht unter Druck?, 2014, S. 111 f.). Die Ausweisung setzt nunmehr nach § 53 Abs. 1 AufenthG eine umfassende und ergebnisoffene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls voraus, die vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geleitet wird. Sofern nach dieser Gesamtabwägung das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Ausländers am Verbleib in Deutschland überwiegt, wird der Ausländer ausgewiesen, andernfalls kommt eine Aufenthaltsbeendigung nach § 53 Abs. 1 AufenthG nicht in Betracht.

23

Die Tatbestandsmerkmale der "öffentlichen Sicherheit und Ordnung" im ausweisungsrechtlichen Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG sind nach der Begründung des Gesetzgebers im Sinne des Polizei- und Ordnungsrechts zu verstehen (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 49). Auch die Gefährdung dieser Schutzgüter bemisst sich nach den im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht entwickelten Grundsätzen. Erforderlich ist die Prognose, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet ein Schaden an einem der aufgeführten Schutzgüter eintreten wird. Mit Blick auf die verwendeten Begriffe sollte keine Ausweitung des Gefahrenbegriffs gegenüber dem bislang geltenden Recht erfolgen, vielmehr sollten lediglich die bislang verwandten unterschiedlichen Formulierungen aneinander angeglichen werden. Die von § 53 Abs. 1 AufenthG geforderte Abwägung der Interessen an der Ausweisung mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers in Deutschland erfolgt dabei nach der Intention des Gesetzgebers nicht auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen eines der Ausländerbehörde eröffneten Ermessens, sondern auf der Tatbestandsseite einer nunmehr gebundenen Ausweisungsentscheidung und ist damit gerichtlich voll überprüfbar.

24

Der Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfährt durch die weiteren Ausweisungsvorschriften mehrfache Konkretisierungen. So wird einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen durch den Gesetzgeber in den §§ 54, 55 AufenthG von vornherein ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beigemessen, jeweils qualifiziert als entweder "besonders schwerwiegend" (Absatz 1) oder als "schwerwiegend" (Absatz 2). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sind neben den explizit in den §§ 54, 55 AufenthG aufgeführten Interessen aber noch weitere, nicht ausdrücklich benannte sonstige Bleibe- oder Ausweisungsinteressen denkbar (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 49). Die Katalogisierung schließt demnach die Berücksichtigung weiterer Umstände im Rahmen der nach § 53 Abs. 2 AufenthG zu treffenden Abwägungsentscheidung nicht aus. Dies folgt bereits aus dem Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG, ist aber für die schwerwiegenden, aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebenssituationen bewusst nicht abschließend aufgezählten Bleibeinteressen in § 55 Abs. 2 AufenthG nochmals ausdrücklich normiert. Die nunmehr als schwerwiegend oder besonders schwerwiegend qualifizierten Ausweisungsinteressen im Sinne von § 54 AufenthG decken sich weitgehend - aber nicht vollständig - mit den früheren Gründen für eine Regel- und Ist-Ausweisung, die schwerwiegenden und besonders schwerwiegenden Bleibeinteressen greifen Fälle des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 56 AufenthG a.F. auf.

25

Bei der Abwägung sind schließlich gemäß § 53 Abs. 2 AufenthG nach den Umständen des Einzelfalls insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Bei diesem Kriterienkatalog hat sich der Gesetzgeber an den Maßstäben orientiert, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 EMRK als maßgeblich ansieht ("Boultif/Üner-Kriterien"). Die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten Umstände sollen sowohl zugunsten als auch zulasten des Ausländers wirken können und sind nach Auffassung des Gesetzgebers nicht als abschließend zu verstehen.

26

Die in § 54 AufenthG fixierten Tatbestände erfüllen zwei Funktionen: Sie sind gesetzliche Umschreibungen spezieller öffentlicher Interessen an einer Ausweisung im Sinne von § 53 Abs. 1 Halbs. 1 AufenthG und weisen diesen Ausweisungsinteressen zugleich ein besonderes Gewicht für die durch § 53 Abs. 1 Halbs. 2 und Abs. 3 AufenthG geforderte Abwägung zu. Ein Rückgriff auf die allgemeine Formulierung eines öffentlichen Ausweisungsinteresses in § 53 Abs. 1 Halbs. 1 AufenthG ist deshalb entbehrlich, wenn der Tatbestand eines besonderen Ausweisungsinteresses nach § 54 AufenthG verwirklicht ist. Allerdings bedarf es auch bei Verwirklichung eines Tatbestandes nach § 54 AufenthG stets der Feststellung, dass die von dem Ausländer ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbesteht.

27

2. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG festgestellt. Ein solches liegt dann vor, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wobei hiervon u.a. dann auszugehen ist, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er (jedenfalls) eine solche Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, er nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.

28

a) Der Tatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist dem Wortlaut nach weitgehend an den früheren Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung angelehnt, auf den die Ausweisungsverfügung auch ursprünglich gestützt war. Das Berufungsgericht hat für die Auslegung des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu Recht dieselben rechtlichen Maßstäbe herangezogen, die der Senat zur Auslegung des früheren Regelausweisungstatbestandes nach § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung entwickelt hat.

29

In der Rechtsprechung des Senats war die Auslegung des Regelausweisungstatbestands des § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung weitgehend geklärt. So ist anerkannt, dass eine Vereinigung den Terrorismus unterstützt, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da die Vorschrift der präventiven Gefahrenabwehr dient und auch die Vorfeldunterstützung durch sogenannte Sympathiewerbung erfasst. Der Tatbestand des Unterstützens des Terrorismus durch eine Vereinigung setzt allerdings voraus, dass die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung (auch) auf die Unterstützung des Terrorismus gerichtet sind; ein bloßes Ausnutzen der Strukturen einer Vereinigung durch Dritte in Einzelfällen reicht hierfür nicht aus (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 20 ff. und vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 13 ff.).

30

Für den im Gesetz verwandten Begriff des Terrorismus sind Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen. Jedoch können wesentliche Kriterien aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (ABl. L 164 S. 3) sowie dem gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die Aufnahme einer Organisation in die vom Rat der Europäischen Union angenommene Liste terroristischer Organisationen im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344 S. 93 - vgl. auch ABl. L 116 vom 3. Mai 2002, S. 75) ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass die Organisation terroristischer Art ist oder im Verdacht steht, eine solche zu sein (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 [ECLI:EU:C:2015:413], H.T./Land Baden-Württemberg - Rn. 83). Hier sind von den Tatsachengerichten ergänzende Feststellungen zu treffen. Dabei ist trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs anerkannt, dass als terroristisch jedenfalls der Einsatz gemeingefährlicher Waffen und Angriffe auf das Leben Unbeteiligter zur Durchsetzung politischer Ziele anzusehen sind (Urteile vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>, vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 und Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79 <87> m.w.N.).

31

Weiterhin ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass die individuelle Unterstützung einer terroristischen Vereinigung oder einer Vereinigung, die eine terroristische Vereinigung unterstützt, im Sinne des § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. alle Verhaltensweisen erfasst, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeit der Vereinigung auswirken. Darunter kann die Mitgliedschaft in der terroristischen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne gleichzeitige Mitgliedschaft. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen kann eine Unterstützung in diesem Sinne darstellen, wenn sie geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. missbilligten Ziele zu entfalten. Auf einen nachweisbaren oder messbaren Nutzen für diese Ziele kommt es nicht an, ebenso wenig auf die subjektive Vorwerfbarkeit der Unterstützungshandlungen. Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen erfüllen allerdings solche Handlungen den Tatbestand der individuellen Unterstützung nicht, die erkennbar nur auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende - etwa humanitäre oder politische - Ziele der Vereinigung gerichtet sind. Für den Ausländer muss schließlich die eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. Auf eine darüber hinaus gehende innere Einstellung des Ausländers kommt es hingegen nicht an (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 15 und 18 m.w.N.).

32

Diese vom Senat zur Auslegung von § 54 Nr. 5 AufenthG a.F. entwickelten Grundsätze lassen sich entgegen dem Vorbringen der Revision auch auf den Tatbestand des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung nach dem neu gefassten § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG übertragen. Ein Vergleich der Textfassungen ergibt, dass der Gesetzgeber die früheren Regelausweisungstatbestände nach § 54 Nr. 5, 5a und 5b AufenthG a.F. in der neuen Vorschrift des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zusammengefasst hat, wobei unter den vorliegenden Umständen die Fälle staatsgefährdender Gewalttaten nach § 89a StGB außer Betracht bleiben können. Gegenüber dem früheren Recht ist der Hinweis entfallen, dass eine Ausweisung auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen nur gestützt werden kann, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Eine Änderung der materiellen Rechtslage ist damit aber nicht verbunden, da auch nach neuem Recht eine fortbestehende Gefahr erforderlich ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ("gefährdet") und ist implizit auch dem neuen Zusatz in § 54 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz AufenthG zu entnehmen, wonach von einer Gefährdung nicht auszugehen ist, wenn der Ausländer erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt.

33

Den Gesetzgebungsmaterialien ist nichts dafür zu entnehmen, dass sich der Gesetzgeber hinsichtlich des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung für eine Abkehr von dem bisherigen Verständnis des Ausweisungstatbestandes hat entscheiden wollen. Zwar hat er in Satz 2 einen Halbsatz neu eingefügt, wonach ein Unterstützen nicht vorliegt, wenn der Ausländer erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt. Das stellt jedoch keine inhaltliche Änderung des Unterstützerbegriffs dar, sondern normiert lediglich ein in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits entwickeltes Kriterium zur individuellen Zurechnung eines Unterstützerverhaltens. Denn der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die objektive Tatsache der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in der Vergangenheit dem Ausländer dann nicht mehr zugerechnet werden kann, wenn er sich glaubhaft hiervon distanziert (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <131>, vom 30. April 2009 - 1 C 6.08 - BVerwGE 134, 27 Rn. 35 und vom 30. Juli 2013 - 1 C 9.12 - BVerwGE 147, 261 Rn. 17). Die nunmehr normierten Tatbestandsmerkmale lassen keine Abkehr von der Senatsrechtsprechung erkennen, denn ein "erkennbares Abstandnehmen" vom sicherheitsgefährdenden Handeln entspricht dem Distanzieren im Sinne der Senatsrechtsprechung. Allerdings findet sich in der Begründung zu dieser Neuregelung die Aussage, die Möglichkeit der "Exkulpation" zeige, dass der Betroffene Kenntnis davon gehabt haben müsse, dass die Vereinigung den Terrorismus unterstütze, der "undolose Unterstützer" daher nicht unter die Regelung falle (BT-Drs. 18/4097 S. 51). Aus diesem Satz in der Gesetzesbegründung könnte man ableiten, der Gesetzgeber habe eine Regelung treffen wollen, nach der für die subjektive Seite des Unterstützens mehr erforderlich ist (Vorsatz) als nach dem bisherigen Verständnis (Erkennbarkeit). Wäre dies tatsächlich so Gesetz geworden, hätte dies eine nicht unerhebliche Einschränkung der Rechtsprechung zur subjektiven Zurechnung bedeutet, nach der es ausreicht, dass der Ausländer erkennen konnte, dass die Vereinigung den Terrorismus unterstützt. Die Begründung hat jedoch im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden, denn nach diesem wird Vorsatz im Hinblick auf die terroristische Betätigung der unterstützten Vereinigung nicht verlangt. Es reicht somit auch für die Erfüllung des subjektiven Unterstützertatbestands weiterhin die Erkennbarkeit einer terroristischen Betätigung der Vereinigung aus. Vorsatz bleibt hingegen weiter erforderlich für das eigene Handeln des Ausländers, das von dem Ziel geleitet sein muss, die Vereinigung zu unterstützen. Für diese Auslegung spricht auch, dass der Gesetzgeber der Vorfeldunterstützung des Terrorismus durch die Gesetzesänderung erhöhte Bedeutung beimessen wollte, indem er den bisher als Tatbestand für eine Regelausweisung normierten Ausweisungsgrund zu einem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 AufenthG heraufstufte, was im bisherigen Recht dem Tatbestand einer zwingenden Ausweisung entsprochen hätte. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass das stärkere Gewicht, das der Gesetzgeber diesem Ausweisungsinteresse beimessen wollte (vgl. BT-Drs. 18/4097 S. 23), mit einer engeren Interpretation seiner Tatbestandsmerkmale einhergehen sollte.

34

Eine vom früheren Begriffsverständnis abweichende Auslegung des Tatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass dieser bisher eigenständige Tatbestand nunmehr in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG funktional mit einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verknüpft wird ("hiervon ist auszugehen, wenn"). Vielmehr ergibt eine systematische Auslegung der Vorschrift, dass der Inhalt des Ausweisungstatbestandes des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung unverändert geblieben ist, während der Begriff der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland eine Erweiterung erfahren hat. Denn der Gesetzgeber hat mit § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nunmehr kraft Gesetzes definiert, wann von einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen ist, nämlich (jedenfalls) dann, wenn eine der dort genannten Tatbestandsalternativen erfüllt ist. Die Auslegung des Begriffs der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland richtet sich daher (auch) nach diesen Tatbestandsalternativen, nicht umgekehrt. Anderes lässt sich hinsichtlich des Gefahrenmaßstabs auch nicht der Regelung des § 53 Abs. 1 AufenthG entnehmen. Denn anders als bei den übrigen Ausweisungsinteressen hat der Gesetzgeber in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG das Erfordernis einer Gefahr (nochmals) ausdrücklich aufgeführt, was unter systematischen Gesichtspunkten für eine gewisse Eigenständigkeit des Gefahrentatbestandes gegenüber § 53 Abs. 1 AufenthG fruchtbar gemacht werden kann. Es gilt damit nunmehr, dass das Gesetz bereits die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Bundesgebiet als eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ansieht, unabhängig davon ob die terroristische Vereinigung Gewaltakte auch auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland oder gegen deutsche Einrichtungen im Ausland begeht. Weiterhin gilt jedenfalls für die Fälle des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung ein abgesenkter Gefahrenmaßstab, der auch Vorfeldmaßnahmen erfasst und keine von der Person des Unterstützers ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr erfordert. Die Rechtsprechung des Senats zur Unterstützung des Terrorismus durch Handlungen in dessen Vorfeld hat dem Rechnung zu tragen und dabei auch die Bedeutung zu berücksichtigen, die der Unionsgesetzgeber dieser Vorfeldunterstützung durch den Erwägungsgrund 37 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9) - EU-Anerkennungsrichtlinie - beimisst.

35

Ein Anlass für eine verfassungsrechtliche Neubewertung des Gefahrenmaßstabs besteht entgegen dem umfangreichen Revisionsvorbringen nicht. In der Rechtsprechung des Senats ist seit dem Urteil zum Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus - Terrorismusbekämpfungsgesetz - vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361, 3142) anerkannt, dass der Unterstützungsbegriff weit auszulegen und anzuwenden ist, um damit der auch völkerrechtlich begründeten Zielsetzung des Gesetzes gerecht zu werden, dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <127 ff.>). Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell gefährlich erscheint. Wegen der tatbestandlichen Weite des Unterstützungsbegriffs ist allerdings bei der Anwendung der Vorschrift darauf zu achten, dass nicht unverhältnismäßig namentlich in das auch Ausländern zustehende Recht auf freie Meinungsäußerung jenseits der zumindest mittelbaren Billigung terroristischer Bestrebungen eingegriffen wird. Einen bislang nicht berücksichtigten verfassungsrechtlichen Rechtssatz, der den so umschriebenen Ausgleich zwischen dem legitimen und schon wegen seiner völkerrechtlichen Vorgaben besonders gewichtigen gesetzgeberischen Ziel der Terrorismusbekämpfung und den geschützten Grundrechtspositionen eines Ausländers infrage stellen würde, zeigt die Revision nicht auf. Insbesondere sprechen der Charakter der Ausweisung als Maßnahme der Gefahrenabwehr sowie die spezifische Zielsetzung der Terrorismusbekämpfung gegen eine Übertragung strafrechtlicher Rechtsprechungsgrundsätze, wie sie etwa für die Abgrenzung strafbarer und straffreier Meinungsäußerungen gelten. Der Senat hält auch unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.

36

b) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angenommen. Dies gilt sowohl für die Qualifizierung der PKK als terroristische oder jedenfalls den Terrorismus unterstützende Vereinigung (aa) als auch - jedenfalls im Ergebnis - für die Qualifizierung der Handlungen des Klägers als relevante Unterstützungshandlungen (bb). Ebenso wenig zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat (cc).

37

(aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die vom Berufungsgericht vorgenommene Qualifizierung der PKK als eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Das Gericht legt seiner Entscheidung die in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze für die Definition einer terroristischen Vereinigung zugrunde (UA Bl. 27 f.) und geht damit von einem zutreffenden Maßstab aus. Für die Bewertung der PKK als eine solche Vereinigung hat das Gericht zunächst darauf abgestellt, dass sie auch noch aktuell auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt ist, ohne diesem Umstand eine über einen deutlichen Anhaltspunkt hinausgehende Bedeutung beizumessen (UA Bl. 31). Hieran anknüpfend hat das Berufungsgericht sodann auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnismittel festgestellt, dass die PKK zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele in der Türkei weiterhin Gewalttaten gegen staatliche Einrichtungen und Amtsträger sowie die Zivilbevölkerung verübt und im Übrigen etwa zur Finanzierung ihrer Aktivitäten oder zur Bekämpfung von Kritikern auch nicht vor Verbrechen gegenüber ihren eigenen Anhängern und auch darüber hinaus gegenüber der kurdischstämmigen Bevölkerung insgesamt zurückschreckt. Insbesondere sei die zwischen dem türkischen Staat und der PKK ausgehandelte (relative) Waffenruhe seitens der PKK zuletzt Ende Juli 2015 ausdrücklich aufgekündigt worden (UA Bl. 32 f.). Diese tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts sind von der Revision nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden und daher für den Senat bindend. Sie erlauben dem Senat zudem eine eigene rechtliche Bewertung des Inhalts, dass die PKK eine terroristische Vereinigung darstellt und nicht lediglich eine den Terrorismus unterstützende Vereinigung.

38

(bb) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass der Kläger die PKK in rechtserheblicher Weise individuell unterstützt hat. Allerdings ist das Gericht unter Verstoß gegen Bundesrecht davon ausgegangen, dass zu Lasten des Klägers nur solche Unterstützungshandlungen berücksichtigt werden dürfen, die in zeitlicher Hinsicht nach der Mitteilung des Regierungspräsidiums vom Juli 2010 lagen, wonach eine Rücknahme der Niederlassungserlaubnis und eine Ausweisung geprüft würden.

39

Das Berufungsgericht ist insoweit rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass ein Ausweisungsinteresse bereits dann aus Gründen des Vertrauensschutzes verbraucht ist und nicht mehr zur Begründung einer Ausweisung herangezogen werden kann, wenn ein Aufenthaltstitel in Kenntnis oder dem Staat zuzurechnender Unkenntnis erteilt oder verlängert wurde (UA S. 34 f.). Zwar ist in der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich anerkannt ist, dass Ausweisungsgründe in Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes einem Ausländer nur dann und so lange entgegengehalten werden dürfen, als sie noch aktuell und nicht verbraucht sind und die Ausländerbehörde auf ihre Geltendmachung nicht ausdrücklich oder konkludent verzichtet hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <313> und vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <121 f.>). Aus der Ableitung dieser Kriterien aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes folgt jedoch, dass die Ausländerbehörde einen ihr zurechenbaren Vertrauenstatbestand geschaffen haben muss, aufgrund dessen der Ausländer annehmen kann, ihm werde ein bestimmtes Verhalten im Rahmen einer Ausweisung nicht entgegengehalten. Aus der Rechtsprechung des Senats ergibt sich zudem, dass ein hierauf gegründetes Vertrauen des Ausländers schützenswert sein muss. Hieran fehlt es, wenn die Ausländerbehörde - wie vorliegend - dem Kläger auf dessen Anfrage zum Stand des Verfahrens auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis lediglich mitteilt, dass gegenwärtig noch eine Sicherheitsüberprüfung stattfinde, und dann zu einem späteren Zeitpunkt ohne jegliche Erläuterung zum Ausgang der Sicherheitsüberprüfung die begehrte Niederlassungserlaubnis erteilt. Auf dieser Grundlage kann der Betroffene nämlich weder wissen, welchen konkreten Umständen die Ausländerbehörde im Rahmen ihrer Sicherheitsüberprüfung nachgegangen ist, noch zu welchen konkreten Erkenntnissen sie hierbei nach Abschluss der Überprüfung gelangt ist. Daher kann der Betroffene aus der Erteilung der Niederlassungserlaubnis billigerweise auch nicht schließen, dass die Ausländerbehörde bei ihrer Sicherheitsüberprüfung alle als potentielle Versagungsgründe in Betracht kommenden Umstände tatsächlich ermittelt und sodann als für die Erteilung der begehrten Niederlassungserlaubnis unbeachtlich eingestuft hat.

40

Das angefochtene Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Rechtsverstoß, weil das Berufungsgericht auch ohne Berücksichtigung der vor dem für maßgeblich erachteten Zeitpunkt liegenden Umstände von rechtserheblichen individuellen Unterstützungshandlungen des Klägers ausgegangen ist und die diesbezüglichen Feststellungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Im Übrigen wäre der Kläger durch die Nichtberücksichtigung weiterer, ihn belastender Umstände auch nicht beschwert. Im Einzelnen hat das Berufungsgericht für die Bestimmung der rechtserheblichen individuellen Unterstützungshandlungen zutreffend auf die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten Maßstäbe zu § 54 Nr. 5 AufenthG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung abgestellt (UA Bl. 35 ff.). Keine abweichende Beurteilung ergibt sich aus dem Einwand des Klägers, die PKK nicht unmittelbar unterstützt zu haben, sondern sich in legalen Vereinigungen betätigt zu haben, die ihrerseits die PKK im Wissen um deren Charakter gewollt und gezielt unterstützen. Denn es stellt keine verminderte Gefahr der Vorfeldunterstützung des Terrorismus dar, wenn die Unterstützung terroristischer Vereinigungen nicht durch isolierte Einzelhandlungen, sondern in Vereinigung mit anderen erfolgt. Hierin liegt auch kein Fehlen der Unmittelbarkeit der Unterstützungshandlungen.

41

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Berufungsgericht sodann nach Auswertung der ihm vorliegenden umfangreichen Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden festgestellt, dass der Kläger über mehrere Jahre in teils hervorgehobener Funktion als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter oder Redner regelmäßig an Veranstaltungen teilgenommen und mitgewirkt hat, bei denen offene Propaganda für die PKK betrieben worden ist (UA Bl. 39 - 42). Unter Einbeziehung der Aktivitäten des Klägers in der Zeit seit 2001, wie sie in der Ausweisungsverfügung (S. 3 - 9, 16 - 23) aufgelistet, vom Kläger nicht in Abrede gestellt und vom Berufungsgericht in Bezug genommen worden sind (UA S. 39 f.), stellt sich das Unterstützungshandeln des Klägers wie folgt dar: Der Kläger war von 2001 bis 2003/2004 Vorsitzender des "Kurdischen Kulturverein e.V." in L., der der KONGRA-GEL nahestand. Im Oktober 2004 wurde er in das 15-köpfige Führungskomitee der "Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland" (YEK-KOM) gewählt und gehörte diesem bis zur Auflösung der YEK-KOM im Jahr 2014 an, zeitweilig (bis 2011) war er der 2. Vorsitzende der Vereinigung. Er hat sich im Juni 2014 in den fünfköpfigen Vorstand der die PKK unterstützenden NAV-DEM wählen lassen und diese Vorstandstätigkeit bis zum Tage der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausgeübt (UA Bl. 43 - 45).

42

Der Kläger beteiligte sich seit Mitte 2003 regelmäßig an Kundgebungen und Demonstrationen in unterschiedlichen deutschen Städten (u.a. Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg, Frankfurt, Gelsenkirchen, Düsseldorf, Stuttgart) und in Straßburg/Frankreich, die sich unter anderem für eine Freilassung des inhaftierten PKK-Führers Öcalan aussprachen, des Gründungsjahrestags der PKK und/oder der "Märtyrer des kurdischen Freiheitskampfes" gedachten und Parolen auf die PKK ausriefen. Der Kläger hielt auf einigen dieser Veranstaltungen eine Rede, im Februar 2007 hob er dabei die Bedeutung der Gefallenen für die kurdische Sache hervor, im Januar 2009 sprach er zur aktuellen Lage der Kurden in ihrer Heimat, im März 2010 kritisierte er die Exekutivmaßnahmen der belgischen Polizei gegenüber dem kurdischen TV-Sender ROJ-TV, im November 2011 sprach er auf einer Kundgebung, die zum Thema u.a. die Verwendung von Napalmgas und chemischer Waffen gegen die kurdische Bevölkerung in der Türkei hatte, im Januar 2013 verurteilte er auf einer Kundgebung die Ermordung von drei PKK-Aktivisten in Paris, im Oktober 2015 hielt er anlässlich einer Protestaktion der NAV-DEM in Frankfurt eine Rede.

43

Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger nicht nur seine individuellen Unterstützungshandlungen, sondern sämtliche Aktionen der YEK-KOM und der NAV-DEM aufgrund seiner Stellung als Vorstandsmitglied persönlich zuzurechnen sind. Die YEK-KOM, der deutschlandweit etwa 60 kurdische Vereine angeschlossen sind, unterstützt die PKK nach den gerichtlichen Feststellungen durch eine Vielzahl von Aktionen. Sie betreibe eine intensive Öffentlichkeitsarbeit, darunter immer wieder Aktionen und Aufrufe mit dem Ziel der Aufhebung des Betätigungsverbots der Kurdischen Arbeiterpartei in Deutschland. Auch mobilisiere sie jedes Jahr aus Anlass der Newroz-Feier die kurdische Bevölkerung in Europa zu zentralen Kundgebungen. Dabei würden Grußworte von Öcalan oder von anderen PKK-Führungsmitgliedern vorgelesen oder ausgestrahlt. Im Zentrum stünden dann die aktuellen politischen Interessen der PKK. Auf der Agenda der vergangenen Jahre hätten Themen gestanden wie "Freiheit für Öcalan" und "Frieden für Kurdistan". Im Arbeitsprogramm der YEK-KOM sei die "logistische Unterstützung des nationalen Befreiungskampfes Kurdistans" verankert. Der Verein biete der PKK oder ihren Nachfolgeorganisationen eine Plattform, indem er ihre Erklärungen und Äußerungen von Funktionären unkommentiert, d.h. auch unkritisch veröffentliche. Auf Maßnahmen der Sicherheitsbehörden oder der Justiz gegen Personen und Einrichtungen mit dem Verdacht eines PKK-Bezugs reagiere die YEK-KOM stets mit einer verurteilenden Erklärung. Hochrangige YEK-KOM-Funktionäre beteiligten sich an PKK-Aktionen und träten auf PKK-Veranstaltungen als Redner auf. Für die NAV-DEM gilt nach den getroffenen Feststellungen nichts anderes. Der Verein sei keine Neugründung, sondern eine Umbenennung des Vereins YEK-KOM. Im Übrigen werde deutlich, dass die NAV-DEM ihre Veranstaltungen und Kundgebungen mit gleichem Ablauf und gleichen Themen durchführe wie zuvor schon unter dem Namen YEK-KOM. Diese zutreffende Würdigung bedeutet auch nicht, dass jeder Einsatz für die Interessen und Belange kurdischer Volkszugehöriger (oder eine Kritik an der Kurdenpolitik der Türkischen Republik) als eine Unterstützung der PKK und damit des Terrorismus einzuordnen wäre.

44

(cc) Soweit schließlich nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausscheidet, wenn der Ausländer ernsthaft und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt, hat das Berufungsgericht ebenfalls in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger ausweislich seines auch während des Ausweisungsverfahrens fortgesetzten Engagements als Vorstandsmitglied, Versammlungsleiter und Redner auch künftig an seiner Unterstützung der PKK festhalten wird. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Unterstützerverhalten des Klägers sind detailreich und stellen - entgegen der Auffassung der Revision - keine zu schmale Tatsachengrundlage für die getroffenen Feststellungen dar. Damit erfüllt der Kläger die gesetzlichen Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, und es liegt ein Ausweisungsinteresse vor, das besonders schwer wiegt.

45

3. Die angefochtene Verfügung des Beklagten erfüllt auch die besonderen Voraussetzungen, die nach § 53 Abs. 3 AufenthG an die Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings zu stellen sind. Ein solcher darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

46

a) Diese den Grundtatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG ergänzende Vorschrift legt erhöhte Ausweisungsvoraussetzungen für mehrere rechtlich privilegierte Personengruppen fest, nämlich für Ausländer, die als Asylberechtigte anerkannt sind, die im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießen, die einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention besitzen, denen nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder die eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU besitzen. Für all diese Personengruppen gilt der besondere aus Art. 12 der Daueraufenthaltsrichtlinie 2003/109/EG abgeleitete Maßstab, den der Gerichtshof der Europäischen Union auch auf Ausländer erstreckt hat, denen nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 [ECLI:EU:C:2011:809], Ziebell - Slg. 2011, I-12735 Rn. 79, 86). Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach die Voraussetzungen des besonderen Ausweisungsschutzes nach § 53 Abs. 3 AufenthG von vornherein "bereichsspezifisch" gemäß dem durch das Unionsrecht für den jeweiligen Personenkreis bestimmten Ausweisungsschutz auszulegen sind. Vielmehr hat der Gesetzgeber den unionsrechtlichen Schutzstandard für daueraufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige für ausreichend befunden und dessen Geltung für alle genannten Personengruppen angeordnet. Dies entbindet freilich nicht davon, in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob für die jeweils betrachtete Personengruppe der so durch den nationalen Gesetzgeber definierte Ausweisungsschutz dem unionsrechtlichen Maßstab tatsächlich genügt. Nur wenn der unionsrechtliche Maßstab strenger ist als derjenige, der durch den Gesetzgeber in § 53 Abs. 3 AufenthG festgelegt worden ist, bedarf § 53 Abs. 3 AufenthG nach allgemeinen Grundsätzen einer unionsrechtskonformen Auslegung, die angesichts der Weite der Tatbestandsmerkmale und des erkennbaren gesetzgeberischen Willens, europarechtlichen Maßstäben zu genügen, auch möglich ist (so auch Bauer, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 53 AufenthG Rn. 54).

47

Im vorliegenden Fall ist § 53 Abs. 3 AufenthG unionsrechtskonform nach den Vorgaben der EU-Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU auszulegen. Die Richtlinie formuliert keine Vorgaben für eine Ausweisung im Sinne des deutschen Rechts, wohl aber für eine Zurückweisung in den Herkunftsstaat (Art. 21 Abs. 2 und 3) und für den Entzug des Aufenthaltstitels (Art. 24 Abs. 1).

48

b) Nach Art. 21 Abs. 3 der EU-Anerkennungsrichtlinie darf ein Mitgliedstaat den einem Flüchtling erteilten Aufenthaltstitel widerrufen, wenn die Voraussetzungen für eine Zurückweisung nach Art. 21 Abs. 2 vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 2012 - 1 C 8.11 - BVerwGE 143, 138 Rn. 21). Fällt ein Flüchtling nicht in den Anwendungsbereich von Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie, kann auch Abs. 3 dieser Vorschrift nicht zu Anwendung kommen (EuGH, Urteil vom 24. Juni 2015 - C-373/13 - Rn. 44). Eine Zurückweisung ist nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a zulässig, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass der Flüchtling eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedstaats darstellt, in dem er sich aufhält. Es kann offenbleiben, ob vom Kläger eine Gefahr im Sinne dieser Vorschrift ausgeht, denn die Zurückweisung ist nur unter der weiteren Voraussetzung rechtmäßig, dass sie dem Mitgliedstaat nicht aufgrund seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen untersagt ist (Art. 21 Abs. 2). Dazu zählen die Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK (vgl. Begründung der Kommission im Richtlinienvorschlag vom 12. September 2001 KOM (2001) 510 endg. S. 33 zu Art. 19). Dem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK kommt absoluter Charakter zu; es kann mithin - anders als das Refoulement-Verbot nach Art. 33 Abs. 1 GFK - nicht unter den Voraussetzungen von Art. 21 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU i.V.m. Art. 35 Abs. 2 GFK durchbrochen werden (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 5. April 2016 - C-404/15 und C-659/15 PPU [ECLI:EU:C:2016:198], Aranyosi und Căldăraru - Rn. 85 - 87; EGMR, Urteil vom 17. Dezember 1996 - Nr. 71/1995/577/663, Ahmed/Österreich - NVwZ 1997, 1100 Rn. 39 - 41). Für den Kläger besteht ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK. Denn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat im Anerkennungsbescheid vom 9. Oktober 1997 nicht nur die Flüchtlingseigenschaft des Klägers nach dem seinerzeit maßgeblichen § 51 Abs. 1 AuslG 1990, sondern auch ein Abschiebungsverbot nach § 53 Abs. 4 AuslG 1990 hinsichtlich der Türkei festgestellt und dieses damit begründet, dass dem Kläger in der Türkei unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Diese Feststellung des Bundesamts begründet hier ein - absolutes - nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Insoweit kommt der Feststellung des Bundesamts im vorliegenden Verfahren über § 42 AsylG auch Bindungswirkung zu. Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU begrenzt damit den behördlichen Handlungsspielraum für eine Abschiebung in einen Verfolgerstaat oder einen Staat, in dem Gefahren nach Art. 3 EMRK drohen. Die Vorschrift setzt jedoch keine Maßstäbe für eine lediglich "inlandsbezogene" Ausweisung, die - wie hier - insbesondere den Verlust des Aufenthaltstitels zur Folge hat.

49

c) Unionsrechtliche Maßstäbe für eine zum Verlust des Aufenthaltstitels eines Flüchtlings führende inlandsbezogene Ausweisung lassen sich aus Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie gewinnen. Die Vorschrift verpflichtet die Mitgliedstaaten, einem Flüchtling so bald wie möglich nach der Anerkennung einen Aufenthaltstitel auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

50

(aa) Der Inhalt dieser Norm wurde vom Gerichtshof der Europäischen Union in einem auf ein Vorlageersuchen des Berufungsgerichts ergangenen Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13) näher bestimmt. Die Entscheidung bezieht sich zwar auf Art. 24 Abs. 1 der EG-Anerkennungsrichtlinie 2004/83/EG, ihre Aussagen sind aber uneingeschränkt auf die in der Sache unveränderte Vorschrift des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU übertragbar. Danach kann einem Flüchtling nach Art. 24 Abs. 1 nicht nur die Erteilung eines Aufenthaltstitels versagt werden, sondern der erteilte Aufenthaltstitel auch nachträglich widerrufen werden, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen (a.a.O. Rn. 55). Soweit in der Neufassung der Vorschrift nunmehr von zwingenden Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung die Rede ist, ist damit keine inhaltliche Änderung verbunden. Diese Wirkung einer Entziehung des Aufenthaltstitels kommt der hier verfügten Ausweisung zu, die wegen des entgegenstehenden Abschiebungsverbots nach Art. 3 EMRK nicht zu einer Aufenthaltsbeendigung führt. Entgegen einer am Wortlaut orientierten Auslegung von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie hat der darin verwendete Begriff der "zwingenden Gründe" nach dem EuGH-Urteil eine weitere Bedeutung als der Begriff der "stichhaltigen Gründe" in Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie. Das bedeutet, dass bestimmte Umstände, die nicht den Schweregrad aufweisen, um eine Zurückweisung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 der Richtlinie verfügen zu können, den Mitgliedstaat gleichwohl dazu berechtigen können, auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie dem betroffenen Flüchtling seinen Aufenthaltstitel zu entziehen (a.a.O. Rn. 75).

51

Bei der Bestimmung des Bedeutungsgehalts der "zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung" hat der EuGH zunächst Bezug auf seine Rechtsprechung zu den Begriffen der "öffentlichen Sicherheit" und der "öffentlichen Ordnung" in Art. 27 und 28 der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG genommen (a.a.O. Rn. 77 ff.). Danach umfasst der Begriff "öffentliche Sicherheit" im Sinne von Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats. Die öffentliche Sicherheit kann danach berührt sein, wenn das Funktionieren staatlicher Einrichtungen und seiner wichtigen öffentlichen Dienste beeinträchtigt wird oder eine Gefahr für das Überleben der Bevölkerung oder einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker besteht oder militärische Interessen beeinträchtigt werden. Dabei deutet der Begriff der "zwingenden Gründe" auf einen besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung hin (a.a.O. Rn. 78). Den Begriff der "öffentlichen Ordnung" hat der EuGH für die Unionsbürgerrichtlinie dahin ausgelegt, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliegen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (a.a.O. Rn. 79). Zugleich betont er, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, nach ihren nationalen Bedürfnissen, die je nach Mitgliedstaat und Zeitpunkt unterschiedlich sein können, zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordern (a.a.O. Rn. 77).

52

Für den Fall der Unterstützung des Terrorismus hat der EuGH zudem auf den 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83/EG, heute 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95/EU hingewiesen, wonach der Begriff der "öffentlichen Sicherheit und Ordnung" auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Dabei muss das nationale Gericht in einem ersten Schritt prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedrohen. Wird eine vom Flüchtling unterstützte Vereinigung in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABI. L 344 S. 93) geführt, ist dies ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation ist oder im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein (a.a.O. Rn. 83). Allein der Umstand, dass ein Flüchtling eine solche Organisation unterstützt hat, darf jedoch nicht automatisch zur Aufhebung seines Aufenthaltstitels führen. Vielmehr ist in einem zweiten Schritt einzelfallbezogen die Rolle zu prüfen, die der Betreffende im Rahmen seiner Unterstützung dieser Organisation tatsächlich gespielt hat (a.a.O. Rn. 90), und auch der Schweregrad der Gefahr zu beurteilen, die von seinen Handlungen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (a.a.O. Rn. 92).

53

(bb) Das Berufungsgericht hat die vom Kläger geleisteten und ihm zuzurechnenden Unterstützungshandlungen an dem vom EuGH präzisierten Maßstab für die Auslegung des Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie gemessen und ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass sich hieraus zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ergeben, die einen Entzug des Aufenthaltstitels gegenüber dem Kläger rechtfertigen. Das Gericht hat bereits im Rahmen seiner Prüfung des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausführlich begründet, warum die PKK eine terroristische oder jedenfalls den Terrorismus unterstützende Vereinigung darstellt (UA S. 27 - 34). Dabei hat es gewürdigt, dass die PKK auf der vom Rat der Europäischen Union erstellten Liste der Terrororganisationen aufgeführt ist und auch weiterhin terroristische Aktivitäten entfaltet. In einem zweiten Schritt hat es näher dargelegt, warum die in Deutschland agierenden Vereinigungen YEK-KOM und NAV-DEM, für die der Kläger seit mehr als zwölf Jahren in hervorgehobenen Funktionen wirkte, und der Kläger auch individuell durch Anmeldung und Leitung von Versammlungen sowie Redebeiträge und weitere Aktivitäten die PKK unterstützt haben und weiter unterstützen (UA S. 55, 34 - 48). Die Bewertung des Berufungsgerichts, dass der Kläger damit die Voraussetzungen für den Entzug seines Aufenthaltstitels nach Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie erfüllt, steht mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang. Zwar hat er selbst keine terroristischen Handlungen begangen, auch nicht andere Personen hierzu angeleitet oder sich an der Planung oder Finanzierung terroristischer Aktionen beteiligt, wie das der EuGH als mögliches Unterstützerhandeln erwähnt (a.a.O. Rn. 90). Diese Aufzählung des Gerichtshofs ist jedoch nur beispielhaft, macht zugleich aber deutlich, dass der Betreffende eine gewichtige Rolle im Rahmen seiner Unterstützung der terroristischen Organisation gespielt haben muss.

54

Bei der Frage, was als gewichtig anzusehen ist, ist der 37. Erwägungsgrund der Richtlinie zu berücksichtigen, wonach auch die Zugehörigkeit zu einer Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstützt, und die Unterstützung einer derartigen Vereinigung als Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung anzusehen sind. Die abschließende Bewertung, ob die Unterstützungshandlung hinreichend gewichtig ist, um "zwingende Gründe" darzustellen, überlässt der Gerichtshof dem verantwortlichen nationalen Gericht und erkennt auch einen Einschätzungsspielraum der Mitgliedstaaten an, nach ihren nationalen Bedürfnissen zu bestimmen, was die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung erfordern. Diese abschließende Bewertung hat das Berufungsgericht dahin getroffen, dass die Unterstützungshandlungen des Klägers dem von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie geforderten Gewicht entsprechen. Es hat dies auf der Grundlage der Gewichtungsvorgabe des nationalen Gesetzgebers in § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nachvollziehbar mit dem mehr als zwölfjährigem Unterstützerhandeln des Klägers in hervorgehobener Position innerhalb zweier Vereinigungen begründet, in dessen Rahmen er an zahlreichen Veranstaltungen mitwirkte, an denen sich Akteure beteiligten, die offen für die PKK warben und deren Kurs vorbehaltlos befürworteten (Auftreten in Guerillauniform, Märtyrergedenken, Grußbotschaften an die Kämpfer an der Front usw.). Für das Gewicht seines Unterstützerhandelns durfte das Gericht auch berücksichtigen, dass der Kläger nach den tatrichterlichen Feststellungen in vollem Bewusstsein um dessen Bedeutung für den ideologischen Zusammenhalt der PKK und in dem Willen gehandelt hat, diese vorbehaltlos auch in Bezug auf deren terroristische Aktivitäten zu unterstützen (UA S. 55).

55

(cc) Der EuGH hat in seinem Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13 Rn. 95 ff.) aber hervorgehoben, dass ein Flüchtling, dessen Aufenthaltstitel nach Art. 24 Abs. 1 der EU-Anerkennungsrichtlinie aufgehoben wird, seinen Flüchtlingsstatus behält, sofern und solange ihm nicht dieser Status entzogen worden ist. Daher ist er auch nach dem Verlust seines Aufenthaltstitels weiterhin Flüchtling und hat in dieser Eigenschaft weiterhin Anspruch auf die Vergünstigungen, die das Kapitel VII der Richtlinie jedem Flüchtling gewährleistet, so insbesondere auf Schutz vor Zurückweisung, auf Wahrung des Familienverbands, auf Ausstellung von Reisedokumenten, auf Zugang zur Beschäftigung, zu Bildung, zu Sozialhilfeleistungen, zu medizinischer Versorgung und zu Wohnraum, auf Freizügigkeit innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats sowie auf Zugang zu Integrationsmaßnahmen, sofern nicht eine in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehene Ausnahme eingreift. Diese Rechte dürfen, auch soweit sie nach nationalem Recht an den Besitz eines Aufenthaltstitels anknüpfen, von den zuständigen Behörden daher nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Aufenthalt des Flüchtlings infolge der Ausweisung rechtswidrig geworden ist. Allerdings darf die Ausstellung eines Reiseausweises nach Art. 25 EU-Anerkennungsrichtlinie versagt werden, wenn - etwa zur Begegnung der Gefahr terroristischen Unterstützungshandelns - zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung entgegenstehen. Ebenso dürfen nach Art. 33 der Richtlinie aufenthaltsbeschränkende Maßnahmen verfügt werden, wenn diese aus Gründen der öffentlichen Sicherheit auch gegenüber sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltenden Ausländern zulässig sind.

56

Eventuelle Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der dem Flüchtling auch nach Entzug des Aufenthaltstitels weiter zustehenden Rechte nach Kapitel VII der EU-Anerkennungsrichtlinie infolge unzureichender Umsetzung der Richtlinie in den einschlägigen nationalen Fachgesetzen berühren nicht die Rechtmäßigkeit der verfügten Ausweisung. An die Beachtung der einen Flüchtling unmittelbar begünstigenden Vorschriften in Kapitel VII der Richtlinie und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH sind seit Ablauf der Umsetzungsfrist alle nationalen Behörden gebunden. Der Flüchtling hat seine Rechte gegenüber den jeweils zuständigen Behörden und erforderlichenfalls Gerichten geltend zu machen. Auch die Generalanwältin hat es insoweit als die Pflicht der nationalen Gerichte angesehen, für die volle Wirksamkeit der Bestimmungen der Richtlinie Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen (Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 11. September 2014 - C-373/13 - Rn. 114 letzter Absatz).

57

4. Dem öffentlichen Ausweisungsinteresse stehen gewichtige Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1, § 55 AufenthG gegenüber. Diese hat das Berufungsgericht zutreffend bestimmt (UA S. 59 f.). Es hat berücksichtigt, dass der Kläger eine Niederlassungserlaubnis besessen hat, die durch die Ausweisungsverfügung betroffen ist, er mit deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und er sein Personensorgerecht für minderjährige ledige Deutsche ausübt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 und 4 AufenthG).

58

5. Das Berufungsgericht hat das öffentliche Ausweisungsinteresse gegen die Bleibeinteressen des Klägers und seiner Familie gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG unter Berücksichtigung der den Einzelfall prägenden Umstände abgewogen und ist unter Beachtung des hierfür zentralen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass das Ausweisungsinteresse überwiegt (UA S. 60 - 64). Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Gericht hat berücksichtigt, dass der Kläger besonderen Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 24 Abs. 1 EU-Anerkennungsrichtlinie genießt, hier allerdings auf absehbare Zeit keine Aufenthaltsbeendigung beabsichtigt ist, da ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht. Es hat seinen langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und seine familiären Bindungen im Sinne von Art. 6 GG, Art. 8 EMRK gewürdigt, diesen durch die Verfügung allerdings insoweit nicht als beeinträchtigt angesehen, als keine Aufenthaltsbeendigung erfolgt. Es hat bei seiner Abwägung berücksichtigt, dass der Kläger in seinen geschützten Bindungen dadurch betroffen ist, dass sein Aufenthalt auf das Gebiet der Stadt M. beschränkt und er Meldeauflagen unterworfen ist. Weitere schützenswerte Bindungen hat das Gericht nicht anerkannt und dies nachvollziehbar damit begründet, dass der Kläger ungeachtet seines langjährigen Aufenthalts in Deutschland kaum deutsch spricht, nur sporadisch und für kürzere Zeiträume erwerbstätig war und seit längerem von Sozialleistungen abhängig ist. Schließlich hat das Berufungsgericht in die Abwägung eingestellt, dass es der Kläger in der Hand hat, durch eine glaubhafte Abkehr von seinem bisherigen Verhalten eine Aufhebung der Wirkungen der Ausweisung nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zu erreichen.

59

6. Ohne Rechtsverstoß wertet das Berufungsurteil die in Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung angeordnete Aufenthaltsbeschränkung und die verfügten Meldeauflagen als rechtmäßig gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG. Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG unterliegt ein Ausländer, gegen den - wie hier - eine Ausweisungsverfügung aufgrund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AufenthG besteht, der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Gestützt auf diese Ermächtigung hat der Beklagte bestimmt, dass sich der Kläger zweimal wöchentlich zu melden hat. Ferner hat er den Aufenthalt des Klägers auf den Bereich der Stadt M. beschränkt, wie das § 56 Abs. 2 AufenthG vorsieht, wenn die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft. Diese aufenthaltsbeschränkenden Maßnahmen durften gegenüber dem Kläger trotz dessen Rechtsstellung als Flüchtling ergehen. Dadurch wird sein Recht auf Freizügigkeit gemäß Art. 33 EU-Anerkennungsrichtlinie nicht verletzt. Denn derartige Maßnahmen dürfen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, wie sie hier wegen des Erfordernisses der Abwehr von terrorismusfördernden Aktivitäten vorliegen, auch gegenüber sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltenden Ausländern verfügt werden (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).

60

7. Zutreffend ist das Berufungsgericht auch zu dem Ergebnis gekommen, dass die für die Ausweisung des Klägers anwendbaren Regelungen des Ausweisungsrechts nicht gegen assoziationsrechtliche Verschlechterungsverbote aus Art. 13 ARB 1/80, Art. 7 ARB 2/76 und Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen (BGBl. 1972 II S. 385) verstoßen. Dabei kann offenbleiben, ob hier überhaupt eines der Verschlechterungsverbote Anwendung findet. Denn der zum 1. Januar 2016 eingeführte Übergang von einer Ermessensentscheidung zu einer gebundenen Entscheidung stellt keine Verschlechterung der Rechtsstellung des betroffenen Ausländers dar (a). Die mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 erfolgte Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung bewirkte zwar eine Verschlechterung der Rechtslage für betroffene Ausländer, diese ist aber durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt (b).

61

a) Die zum 1. Januar 2016 eingeführte Neuregelung des Ausweisungsrechts, die die bisherige Ermessensausweisung durch eine am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte gebundene Ausweisung abgelöst hat, hat die Rechtsstellung der Ausländer in der hier gebotenen und auch unionsrechtlich statthaften Gesamtschau nicht verschlechtert, sondern jedenfalls teilweise verbessert. Denn bisher sah das Gesetz Tatbestände einer zwingenden Ausweisung (Ist-Ausweisung), regelmäßig erfolgenden Ausweisung (Soll-Ausweisung) und Ausweisung nach Ermessen (Kann-Ausweisung) vor. Die zwingende Ausweisung und die regelmäßig erfolgende Ausweisung widersprachen für den Personenkreis der unionsrechtlich privilegierten Ausländer der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, wonach eine Ausweisung ausschließlich auf ein persönliches Verhalten des Ausländers gestützt werden darf, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt (EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-482/01 und C-493/01 [ECLI:EU:C:2004:262], Orfanopoulos und Oliveri - Slg. 2004, I-5257 Rn. 66 f.). Der Gerichtshof hat weiter entschieden, dass eine Regelung gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, wonach eine Ausweisung automatisch aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung verfügt wird, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt wird (a.a.O. Rn. 70). Aber auch die nationale Bestimmung über die Regelausweisung hat für den Gerichtshof den Anschein erweckt, dass trotz der Berücksichtigung individueller Umstände ein gewisser Automatismus oder jedenfalls eine Vermutung besteht, dass der betreffende Staatsangehörige auszuweisen ist (a.a.O. Rn. 92).

62

Daraus hat das Bundesverwaltungsgericht die Schlussfolgerung gezogen, dass die gesetzliche Regelung zur zwingenden Ausweisung und Regelausweisung auf unionsrechtlich privilegierte Ausländer nicht mehr angewendet werden darf (BVerwG, Urteile vom 3. August 2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297 <302> betreffend Unionsbürger und - 1 C 29.02 - BVerwGE 121, 315 <321> betreffend Assoziationsberechtigte nach ARB 1/80). Der Gesetzgeber hat daraus durch das zum 1. Januar 2016 in Kraft getretene neue Ausweisungsrecht die Konsequenzen gezogen. Insofern stellt die neue Rechtslage eine Verbesserung gegenüber der bisherigen dar. Eine Ausweisung nach neuem Recht hat eine einzelfallbezogene umfassende Güter- und Interessenabwägung vorzunehmen und orientiert sich dabei strikt am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 53 Abs. 1 und 2 AufenthG). Damit setzt der Gesetzgeber Vorgaben um, die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - C-482/01 und C-493/01 - Rn. 99) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR , Urteil vom 18. Oktober 2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande - NVwZ 2007, 1279 Rn. 57 - 60) ergeben.

63

Es stellt keine Verschlechterung der Rechtslage für unionsrechtlich privilegierte Ausländer dar, dass ihre Ausweisung nach früherer Rechtslage im Wege einer Ermessensentscheidung erfolgte, nach neuem Recht hingegen im Wege einer rechtlich gebundenen Ausweisung, die von einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung geleitet wird. Damit entfällt zwar die Möglichkeit, aus Gründen der Zweckmäßigkeit von einer Aufenthaltsbeendigung abzusehen. Auf ein solches Absehen von einer rechts- und ermessensfehlerfrei möglichen Ausweisung hatte der Ausländer aber zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch, auch die gerichtliche Kontrolle war insoweit durch § 114 VwGO eingeschränkt; durch die gesetzliche Neuregelung wird also keine individuelle Rechtsposition beeinträchtigt. Im Übrigen ist für die Beachtung des Verschlechterungsverbots auf die tatsächliche Praxis und nicht allein auf die abstrakte Rechtslage abzustellen. Die Rechtspraxis wurde maßgeblich durch die Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz des Bundesministeriums des Innern vom 26. Oktober 2009 gesteuert. Danach lag die Ausweisungsentscheidung im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde, bei der Ermessensausübung waren das schutzwürdige Interesse des Ausländers am weiteren Verbleib in Deutschland und das öffentliche Interesse an der Ausweisung gegeneinander abzuwägen (Ziffer 55.1.3). Das weist auf eine Rechtspraxis hin, die der heute normierten gebundenen Ausweisung entspricht, die von einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung geleitet wird. Insofern hat sich die Rechtsstellung des Ausländers nicht verschlechtert.

64

b) Die mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 erfolgte Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung hat zwar eine Verschlechterung der Rechtslage für die betroffenen Ausländer bewirkt, diese ist aber durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Die seinerzeitige Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung (§ 54 Nr. 5 AufenthG a.F.) führte zu einer Verschärfung des Ausweisungsrechts gegenüber der früheren Rechtslage, die allein den Tatbestand der Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland kannte. Durch die Rechtsänderung wurde nun auch die Vorfeldunterstützung des Terrorismus erfasst. Diese ist jedoch mit Blick auf das Verschlechterungsverbot aus Art. 13 ARB 1/80 aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 14 ARB 1/80, jedenfalls aber durch ein zwingendes Allgemeininteresse, namentlich die völkerrechtlich gebotene Terrorismusbekämpfung auch bereits im Vorfeld unmittelbarer terroristischer Handlungen, gerechtfertigt.

65

8. Nach der seit 1. August 2015 geltenden Neuregelung des § 11 AufenthG ist über die Länge der Frist für das mit der Ausweisung einhergehende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach Ermessen zu entscheiden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Diese gesetzgeberische Entscheidung ist mit höher- und vorrangigem Recht zu vereinbaren (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom gleichen Tage - 1 C 27.16 - Rn. 20 ff.). Das Urteil des Senats zur Vorläuferfassung des § 11 AufenthG a.F., wonach eine gebundene Entscheidung zu treffen war (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 31 ff.), erging ausdrücklich vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift. Ihm ist nicht zu entnehmen, dass die bei der Auslegung der damaligen Gesetzesfassung herangezogenen verfassungs-, unions- und menschenrechtlichen Vorgaben der gesetzlichen Einräumung eines behördlichen Ermessensspielraums zwingend entgegenstehen. Eine solche Ermessensentscheidung hat der Beklagte hier noch nicht getroffen. Vielmehr hat bisher das Verwaltungsgericht das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach der seinerzeit geltenden Rechtslage im Wege einer gebundenen Entscheidung auf acht Jahre festgesetzt.

66

Der Beklagte hat die nach neuem Recht nunmehr gebotene Ermessensentscheidung nachzuholen. Das Erfordernis einer Ermessensentscheidung ändert nichts am behördlichen Prüfprogramm. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die auf diese Weise an der Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) und den unions- und konventionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 GRC und Art. 8 EMRK, gemessen und ggf. relativiert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 42). Über dieses normative Korrektiv lassen sich auch bei einer Ermessensentscheidung die einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen begrenzen. Dabei sind von der Ausländerbehörde nicht nur die nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG schutzwürdigen Bleibeinteressen des Ausländers in den Blick zu nehmen, sondern bedarf es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles einer umfassenden Abwägung der betroffenen Belange.

67

B. Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte (weitere) Hilfsantrag, den Beklagten zu der Feststellung zu verpflichten, dass dem Kläger auch nach Bestandskraft der Ausweisung weiterhin die Rechte nach Kapitel VII der Richtlinie 2011/95/EU zustehen mit Ausnahme der Rechte aus Art. 24 der Richtlinie, ist unzulässig. Er stellt eine unzulässige Klageerweiterung im Revisionsverfahren dar (§ 142 Abs. 1 VwGO). Im Übrigen bedarf es einer solchen behördlichen Feststellung auch nicht. Aus dem für alle nationalen Behörden verbindlichen EuGH-Urteil vom 24. Juni 2015 (C-373/13) ergibt sich bis zu einer dem Gesetzgeber vorbehaltenen Anpassung der einschlägigen Fachgesetze hinreichend deutlich, dass dem Kläger - solange er die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne der EU-Anerkennungsrichtlinie genießt - auch die mit dieser Rechtsstellung einhergehenden Rechte nach Kapitel VII der Richtlinie zustehen, sofern nicht eine in der Richtlinie selbst ausdrücklich vorgesehene Ausnahme eingreift (vgl. dazu auch die vorstehenden Ausführungen in Rn. 55 f. dieses Urteils).

68

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat gewichtet den gegen die Ausweisung, die Meldeauflage, die Aufenthaltsbeschränkung und die Abschiebungsandrohung gerichteten Anfechtungsantrag mit 4/5 und den auf Befristung zielenden Verpflichtungsantrag mit 1/5 (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 46).

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Aufhebung, hilfsweise die Befristung des mit seiner Ausweisung eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf unter vier Jahre.

2

Der Kläger, ein 1977 geborener marokkanischer Staatsangehöriger, reiste 1997 zu Studienzwecken nach Deutschland ein. Nach Heirat einer deutschen Staatsangehörigen erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug, die nach Trennung von seiner Ehefrau als Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG verlängert worden ist.

3

Mit Verfügung vom 24. August 2012 wies der Beklagte den Kläger für die Dauer von sieben Jahren aus dem Bundesgebiet aus (Ziffer 1), drohte ihm die Abschiebung an (Ziffer 3 und 4), verpflichtete ihn, sich regelmäßig bei der örtlichen Polizeiinspektion zu melden (Ziffer 5), beschränkte seinen Aufenthalt auf das Gebiet des Landkreises (Ziffer 6), drohte ihm Zwangsmittel an, wenn er den Verpflichtungen aus Ziffer 5 und 6 nicht nachkommt (Ziffer 7), und lehnte einen Antrag des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 9). Die Ausweisung wurde damit begründet, dass der Kläger durch Bezahlung von Telefonrechnungen für einen Terrorverdächtigen die Terrororganisation Al-Qaida unterstützt und in Sicherheitsgesprächen falsche oder unrichtige Angaben über seine Kontakte zu terrorverdächtigen Personen und Organisationen gemacht habe.

4

Die gegen diese Verfügung erhobene Klage hatte beim Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren wandte sich der Kläger nur noch gegen die Regelungen in Ziffer 1 (Ausweisung und Befristung), 5, 6 und 7. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht stellte der Beklagte die Ausweisung wegen eines zwischenzeitlich vom Kläger gestellten Asylantrags unter die Bedingung, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes abgeschlossen wird oder dass eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist. Nach Aufhebung der Regelungen Ziffer 5, 6 und 7 haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

5

Mit Urteil vom 10. Mai 2016 hat das Oberverwaltungsgericht auf den Hilfsantrag des Klägers die Befristung aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung hat es damit begründet, dass der Kläger die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährde und an seiner Ausweisung nach § 54 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG ein schwerwiegendes Interesse bestehe, weil er den der Unterstützung des Terrorismus verdächtigen "Ali" mehr als nur flüchtig kenne und diesen Umstand im Sicherheitsgespräch vom 31. Oktober 2011 bewusst verschwiegen habe. Für die Annahme eines gegenwärtigen Sicherheitsrisikos spreche, dass er nach wie vor nicht bereit sei, dies einzuräumen und zu erklären. Das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers überwiege dessen Bleibeinteresse, auch wenn er sich seit über 18 Jahren überwiegend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, die deutsche Sprache spreche, hier unterschiedliche Erwerbstätigkeiten ausgeübt habe, strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei und unterstellt werde, dass er über Kontakte zu in Deutschland lebenden Personen verfüge. Er habe aber auch noch erhebliche Bindungen an seinen Heimatstaat Marokko, in dem er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe, dessen Sprache er beherrsche, in dem seine Eltern, fünf Geschwister und sein 2013 geborenes Kind lebten und in dem er sich angesichts seines bisherigen Werdegangs eine Existenzgrundlage aufbauen könne. Auch dem Umstand, dass er eine deutsche Staatsangehörige heiraten wolle, komme angesichts des überwiegenden Ausweisungsinteresses keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Bezüglich der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehe ein Anspruch auf Neubescheidung, da die festgesetzte Frist von sieben Jahren zu lang sei. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebung des Verbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Über die Länge der Frist sei nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen zu entscheiden. Dies sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die bei der Fristbestimmung einzuhaltenden unions-, verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben stellten ebenso wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine gesetzliche Ermessensgrenze dar, deren Einhaltung nach § 114 VwGO gerichtlich überprüfbar sei. Unerheblich sei, dass der Behörde bei der Ausweisung kein Ermessen zustehe. Auch der Richtlinie 2008/115/EG sei nicht zu entnehmen, dass ein Ermessensspielraum bei der Fristbemessung unionsrechtswidrig wäre. Für eine über fünf Jahre andauernde Frist fehle es aber an einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Der Kläger sei strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, ihm sei nur eine vereinzelte Falschangabe anzulasten, die mehrere Jahre zurückliege und der kein gesteigertes Gewicht zukomme. Bei der Neubestimmung habe sich der Beklagte deshalb im Fristrahmen von bis zu fünf Jahren zu bewegen, wobei eine Frist von mehr als vier Jahren nach den Umständen des Falles kaum vertretbar sein dürfte. Im Übrigen seien das Gewicht des Ausweisungsinteresses und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Bei einer spezialpräventiv motivierten Ausweisung bedürfe es der prognostischen Einschätzung, wie lange das der Ausweisung zugrunde liegende Verhalten das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermöge. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Frist müsse sich an höherrangigem Recht messen und ggf. relativieren lassen. Dabei seien insbesondere die in § 53 Abs. 2, § 55 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange in den Blick zu nehmen. Die Abwägung sei nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls im Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorzunehmen und in einem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren unter Kontrolle zu halten.

6

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit sich die Klage auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bezieht. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hinsichtlich der Ausweisung hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 10. August 2016 - 1 B 92.16 - verworfen.

7

Der Kläger begehrt mit seiner Revision die Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, hilfsweise zur Befristung auf unter vier Jahre. Das Berufungsgericht hätte nicht zur Neubescheidung verpflichten dürfen, sondern selbst eine kürzere Frist bestimmen müssen. Soweit § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Behörde einen Entscheidungsspielraum einräume, sei dies mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem Unionsrecht, nicht zu vereinbaren.

8

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

9

Der Kläger ist im Juli 2016 nach Marokko zurückgekehrt. Mit Bescheid vom 24. November 2016 hat der Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot auf den 25. Juli 2020 befristet.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Frage, ob der Kläger hinsichtlich des mit seiner Ausweisung kraft Gesetzes eingetretenen Einreise- und Aufenthaltsverbots - über den Bescheidungsausspruch des Berufungsgerichts hinaus - einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung, hilfsweise zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren hat. Dieses Begehren hat sich nicht dadurch erledigt, dass der Beklagte - in Umsetzung der vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung zur Neubescheidung - das Einreise- und Aufenthaltsverbot inzwischen auf vier Jahre seit der Ausreise festgesetzt hat.

11

Soweit der Kläger primär die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots erstrebt, ist die Revision mangels Zulassung nicht statthaft (1.). Hinsichtlich des auf Befristung gerichteten Hilfsantrags ist sie zwar zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsurteil verstößt insoweit nicht gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer bestimmten Frist von weniger als vier Jahren, da die Befristung im Ermessen der Ausländerbehörde liegt und die Voraussetzungen für eine Ermessensverdichtung zu seinen Gunsten nicht vorliegen (2.).

12

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der klägerischen Begehren ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts. Rechtsänderungen während des Revisionsverfahrens sind allerdings zu beachten, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, vgl. Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 6). Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch das am 29. Dezember 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AuslPersGrSiuSHRegG) vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155). Durch die während des Revisionsverfahrens eingetretenen Gesetzesänderungen hat sich die Rechtslage hinsichtlich der hier maßgeblichen Regelungen in § 11 AufenthG aber nicht geändert.

13

1. Die Revision ist hinsichtlich der vom Kläger mit seinem Hauptantrag begehrten Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots mangels Zulassung nicht statthaft.

14

Das Berufungsgericht hat die Revision (nur) zugelassen, soweit sich die Klage auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bezieht. Begründet hat es dies mit den in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen unterschiedlichen Auffassungen zum Rechtscharakter der Befristungsentscheidung (UA S. 33). Damit bezieht sich die Zulassung nur auf die vom Kläger hilfsweise begehrte Befristung und nicht (auch) auf die vorrangig angestrebte Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Zwar bedarf es nach dem Gesetzeswortlaut des § 11 Abs. 4 AufenthG ("kann") auch bei der Aufhebung einer Ermessensentscheidung. Die Frage des Rechtscharakters war für das Berufungsgericht insoweit aber nicht entscheidungserheblich, da es schon das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 AufenthG verneint hat.

15

Die Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht ist wirksam, weil es sich bei der Aufhebung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots prozessual um unterschiedliche Streitgegenstände handelt. Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der - wie der Kläger - ausgewiesen worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Dieses (gesetzliche) Verbot ist nach § 11 Abs. 2 AufenthG gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung von Amts wegen zu befristen und kann unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 AufenthG aufgehoben oder nachträglich verkürzt oder verlängert werden. Mit dieser durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung (AufenthBeendBlReNG) vom 27. Juli 2015 (BGBl. I S. 1386) eingeführten Differenzierung hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des Senats aufgegriffen, wonach unter engen Voraussetzungen eine vollständige Beseitigung der Wirkungen einer Ausweisung ohne vorherige Ausreise geboten sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 Rn. 13 m.w.N.), und hierfür in § 11 Abs. 4 AufenthG eine spezielle Rechtsgrundlage geschaffen (BT-Drs. 18/4097 S. 36 f.). Seit dieser gesetzlichen Neuordnung der Regelungen zur Beseitigung der Wirkungen einer Ausweisung bedarf die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots einer eigenständigen, von der Befristung zu trennenden Entscheidung, die von der Ausländerbehörde nicht nur nachträglich, sondern zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers auch schon zusammen mit der Ausweisung getroffen werden kann.

16

2. Hinsichtlich des auf Befristung gerichteten Hilfsantrags ist die Revision zulässig, aber unbegründet.

17

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger insoweit - anstelle des im Berufungsverfahren gestellten Bescheidungsantrags - im Revisionsverfahren auf einen Verpflichtungsantrag übergegangen ist. Diese Neuformulierung des Klagebegehrens stellt keine nach § 142 Abs. 1 VwGO unzulässige Klageänderung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2004 - 1 C 23.03 - BVerwGE 122, 193 = juris Rn. 10). Der Kläger hat - über die vom Berufungsgericht ausgesprochene Verpflichtung der Behörde zur Neubescheidung hinaus - aber keinen Anspruch auf Verpflichtung zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren.

18

Nach § 11 Abs. 2 AufenthG ist das mit einer Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise und ist gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung festzusetzen. Über die Länge der Frist wird nach § 11 Abs. 3 AufenthG nach Ermessen entschieden (Satz 1). Die Frist darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (Satz 2), und soll zehn Jahre nicht überschreiten (Satz 3).

19

Damit hat der Ausländer einen Anspruch auf eine Befristungsentscheidung zusammen mit der Ausweisungsverfügung ("ob"). Hinsichtlich der Länge der festzusetzenden Frist ("wie") bestimmt § 11 Abs. 3 AufenthG in seiner aktuellen Fassung ausdrücklich, dass hierüber im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe nach Ermessen zu entscheiden ist, dass die Frist nur unter bestimmten Voraussetzungen fünf Jahre überschreiten darf und zehn Jahre nicht überschreiten soll. Mit dieser durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung im Jahr 2015 eingeführten Regelung hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des Senats reagiert, wonach die Bemessung der Frist nach Inkrafttreten des Richtlinienumsetzungsgesetzes 2011 nicht mehr im Ermessen der Ausländerbehörde stand, es sich vielmehr um eine gebundene Entscheidung handelte. Dies hat der Senat vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift mit dessen unionsrechtlicher Prägung durch die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie - (ABl. L 348 S. 98) und der Bedeutung der Befristung für die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK begründet (BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 31 ff.). Mit der Änderung in § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG wollte der Gesetzgeber den früheren Rechtszustand wieder herstellen, indem er den bisher offenen Wortlaut der Vorschrift konkretisiert und damit klargestellt hat, dass über die Dauer der Sperrfrist im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörden zu entscheiden ist (BT-Drs. 18/4097 S. 36).

20

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diese gesetzgeberische Entscheidung mit höher- und vorrangigem Recht zu vereinbaren ist. Die - jedenfalls in Bezug auf die Rechtsfolgen einer Ausweisung - gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (Urteil vom 9. Dezember 2015 - 11 S 1857/15 - InfAuslR 2016, 138 = juris Rn. 25 ff.) überzeugt im Ergebnis nicht (so im Ergebnis auch VGH München, Urteil vom 28. Juni 2016 - 10 B 15.1854 - juris Rn. 49; OVG Koblenz, Urteil vom 8. November 2016 - 7 A 11058/15 - juris Rn. 26; Hailbronner, AuslR, Stand Februar 2017, § 11 AufenthG Rn. 72 ff.). Die Entscheidung des Senats vom 14. Februar 2012 (BVerwG 1 C 7.11) zu § 11 AufenthG a.F. erging ausdrücklich vor dem Hintergrund des seinerzeit offenen Wortlauts der Vorschrift. Ihr ist nicht zu entnehmen, dass die bei der Auslegung der damaligen Gesetzesfassung herangezogenen verfassungs-, unions- und menschenrechtlichen Vorgaben der gesetzlichen Einräumung eines behördlichen Ermessensspielraums zwingend entgegenstehen.

21

Eine gebundene Entscheidung folgt zunächst nicht aus der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie), und zwar ungeachtet der vom Senat bislang offengelassenen Frage, ob die Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung an den Bestimmungen dieser Richtlinie zu messen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 45). Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG enthält mit Ausnahme der grundsätzlich geltenden Fünfjahresfrist keine weiteren inhaltlichen Vorgaben bezüglich der Dauer der Frist, sondern schreibt nur die Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls vor. Hierzu bedarf es nicht zwingend einer gebundenen Entscheidung. Auch dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 13 der Richtlinie 2008/115/EG ist nicht zu entnehmen, dass der Ausländerbehörde vom nationalen Gesetzgeber kein Ermessensspielraum eingeräumt werden darf. Denn die Wirksamkeit eines Rechtsbehelfs bezieht sich auf die umfassende gerichtliche Überprüfung der normativ vorgegebenen Grenzen behördlichen Handelns.

22

Die vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim herangezogenen strukturellen Erwägungen stehen einer Ermessensregelung ebenfalls nicht zwingend entgegen. Der Umstand, dass es sich bei der Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG inzwischen um eine gebundene Entscheidung mit einer tatbestandsbezogenen Abwägung handelt, zwingt den Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht zu einer Regelung, nach der dies auch in Bezug auf die Dauer der mit der Ausweisung verbundenen gesetzlichen Rechtsfolgen der Fall sein muss. Die Ausgestaltung der Ausweisung als gerichtlich voll überprüfbare Abwägungsentscheidung ist auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel zurückzuführen, eine "Beschleunigung des Verfahrens und schnellere Rechtssicherheit" zu erreichen (BT-Drs. 18/4097 S. 49 f.). Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber, dass über die Dauer der Sperrfrist von der zuständigen Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist (BT-Drs. 18/4097 S. 36). Dieser gesetzgeberischen Entscheidung stehen auch die vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim herangezogenen verfassungs- und menschenrechtlichen Vorgaben nicht entgegen. Die Befristung der gesetzlichen Wirkungen einer Ausweisung wirkt sich zwar mit Blick auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 8 EMRK auf die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 1 C 7.11 - BVerwGE 142, 29 Rn. 33 m.w.N. aus der Rechtsprechung des EGMR). Die Verhältnismäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung kann aber nicht nur durch eine gebundene Befristungsentscheidung sichergestellt werden. Denn auch bei einer Ermessensentscheidung ist die Frage der Verhältnismäßigkeit (auf der Rechtsfolgenseite) zu beachten.

23

Das Erfordernis einer Ermessensentscheidung ändert auch nichts am behördlichen Prüfprogramm. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die auf diese Weise an der Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG), sowie unions- und konventionsrechtlich den Vorgaben aus Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 12. Dezember 2007 (BGBl. 2008 II S. 1165) und Art. 8 EMRK gemessen und ggf. relativiert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juli 2012 - 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 Rn. 42). Über dieses normative Korrektiv lassen sich auch bei einer Ermessensentscheidung die einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen begrenzen. Dabei sind von der Ausländerbehörde nicht nur die nach § 55 Abs. 1 und 2 AufenthG schutzwürdigen Bleibeinteressen des Ausländers in den Blick zu nehmen, sondern bedarf es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls einer umfassenden Abwägung der betroffenen Belange. Da für die gerichtliche Überprüfung der Befristungsentscheidung - wie oben dargelegt - auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen ist, trifft die Ausländerbehörde auch während des gerichtlichen Verfahrens - wie nach altem Recht bei der Ermessensausweisung (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 - 1 C 45.06 - BVerwGE 130, 20 Rn. 20 m.w.N.) - eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit ihrer Befristungsentscheidung und ggf. zur Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen.

24

Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt auch als Ermessensentscheidung über § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass bei der Ermessensausübung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die Behörde eine gesetzliche Ermessensgrenze darstellt, ein Verstoß dagegen zu einer Ermessensüberschreitung führt und der gerichtlichen Überprüfung nach § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt. Nichts anderes gilt in Bezug auf unionsrechtlich zu beachtende Vorgaben. Die Entscheidung des Gesetzgebers, der Ausländerbehörde bei der Bestimmung der Frist einen gewissen Spielraum einzuräumen, führt daher im Ergebnis nicht zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung des Betroffenen, da die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens von dem im Einzelfall zulässigen Höchstmaß der Frist nicht zu Lasten des Ausländers abweichen darf. Die Einhaltung dieser Obergrenze unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.

25

Bei einer Ermessensentscheidung obliegt die konkrete Festsetzung der Dauer der Frist grundsätzlich der Ausländerbehörde. Setzt sie ermessensfehlerhaft eine zu lange Frist fest, ist diese Entscheidung im gerichtlichen Verfahren aufzuheben und die Behörde zur Neubescheidung zu verpflichten. Dabei kann das Gericht in den Entscheidungsgründen eine sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebende absolute Obergrenze für die Dauer der Frist festlegen. Verpflichtet sind die Gerichte hierzu aber nicht. Allerdings dürfte bei einem hinreichend geklärten Sachverhalt eine grobe Eingrenzung des zulässigen Rahmens der Ausländerbehörde eine sachgerechte Ermessensausübung regelmäßig erheblich erleichtern.

26

Die von der Behörde bei einer Neubescheidung zu beachtenden gerichtlichen Vorgaben können auch den Kläger (materiell) beschweren, denn die in einem rechtskräftigen Bescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) verbindlich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Gerichts wirkt sich auf die Rechtskraft im Sinne des § 121 VwGO aus. Folglich beschwert ein stattgebendes Bescheidungsurteil nicht allein die Behörde, sondern auch den Kläger, wenn sich die vom Gericht als verbindlich erklärte Rechtsauffassung nicht mit der des Klägers deckt und für ihn ungünstiger ist, so dass bei der erneuten Bescheidung auf ihrer Grundlage mit einem ungünstigeren Ergebnis zu rechnen ist als bei Anwendung der vom Kläger für richtig gehaltenen Rechtsansicht. Auf Grund der in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO angeordneten Bindung an die einem Bescheidungsurteil zugrunde liegende Rechtsauffassung führt ein Rechtsmittel gegen ein solches Urteil auch dann zu einer anderen Entscheidung, wenn sich die Rechtsauffassung, die bei der Neubescheidung maßgebend sein soll, als unzutreffend erweist. In diesem Fall hat das Rechtsmittelgericht das angefochtene Urteil aufzuheben und ggf. selbst ein Bescheidungsurteil zu erlassen, in dem es seine eigene bei der Neubescheidung zu beachtende Rechtsauffassung zum Ausdruck bringt (vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Januar 1995 - 8 C 8.93 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70 = juris Rn. 13 und vom 18. Juli 2013 - 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216 Rn. 15 f., jeweils m.w.N.).

27

In Anwendung dieser Grundsätze ist das Berufungsurteil nicht zu beanstanden. Da die Entscheidung über die Länge des Einreise- und Aufenthaltsverbots im Ermessen der Ausländerbehörde liegt, hat der Kläger einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf die von ihm begehrte Verpflichtung des Beklagten zur Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren nur im Falle einer entsprechenden Ermessensverdichtung zu seinen Gunsten. Hierfür ist auf der Grundlage der vom Kläger nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nichts ersichtlich. § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bestimmt lediglich, unter welchen Voraussetzungen die Frist fünf Jahre überschreiten darf. Dies steht hier nicht (mehr) im Streit, nachdem das Berufungsgericht festgestellt hat, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet unter den gegebenen Umständen nicht die Festsetzung einer Frist von unter vier Jahren. Auch ansonsten weisen die vom Berufungsgericht seinem Bescheidungsausspruch zugrunde gelegten Erwägungen keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers auf. Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Neubescheidung verpflichtet, weil es der Auffassung war, dass die zusammen mit der Ausweisung festgesetzte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots von sieben Jahren zu lang und damit ermessensfehlerhaft ist. In diesem Zusammenhang hat es der Behörde keine über die gesetzliche Grenze des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG hinausgehende, der revisionsgerichtlichen Rechtskontrolle unterliegende Obergrenze verbindlich vorgegeben, sondern lediglich angemerkt, dass eine Frist von mehr als vier Jahren nach den Umständen des Falls kaum vertretbar sein dürfte. Ob die vom Beklagten inzwischen - in Umsetzung der gerichtlichen Verpflichtung zur Neubescheidung - mit Bescheid vom 24. November 2016 verfügte Befristung auf vier Jahre ermessensfehlerfrei ergangen ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige (Familiennachzug) wird zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert.

(1a) Ein Familiennachzug wird nicht zugelassen, wenn

1.
feststeht, dass die Ehe oder das Verwandtschaftsverhältnis ausschließlich zu dem Zweck geschlossen oder begründet wurde, dem Nachziehenden die Einreise in das und den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, oder
2.
tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.

(2) Für die Herstellung und Wahrung einer lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft im Bundesgebiet finden die Absätze 1a und 3, § 9 Abs. 3, § 9c Satz 2, die §§ 28 bis 31, 36a, 51 Absatz 2 und 10 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(3) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs kann versagt werden, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfindet, für den Unterhalt von anderen Familienangehörigen oder anderen Haushaltsangehörigen auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist. Von § 5 Abs. 1 Nr. 2 kann abgesehen werden.

(3a) Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs ist zu versagen, wenn derjenige, zu dem der Familiennachzug stattfinden soll,

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat oder er eine in § 89a Absatz 1 des Strafgesetzbuches bezeichnete schwere staatsgefährdende Gewalttat nach § 89a Absatz 2 des Strafgesetzbuches vorbereitet oder vorbereitet hat,
2.
zu den Leitern eines Vereins gehörte, der unanfechtbar verboten wurde, weil seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet,
3.
sich zur Verfolgung politischer oder religiöser Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder mit Gewaltanwendung droht oder
4.
zu Hass gegen Teile der Bevölkerung aufruft; hiervon ist auszugehen, wenn er auf eine andere Person gezielt und andauernd einwirkt, um Hass auf Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen oder Religionen zu erzeugen oder zu verstärken oder öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften in einer Weise, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören,
a)
gegen Teile der Bevölkerung zu Willkürmaßnahmen aufstachelt,
b)
Teile der Bevölkerung böswillig verächtlich macht und dadurch die Menschenwürde anderer angreift oder
c)
Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit, ein Kriegsverbrechen oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs darf längstens für den Gültigkeitszeitraum der Aufenthaltserlaubnis des Ausländers erteilt werden, zu dem der Familiennachzug stattfindet. Sie ist für diesen Zeitraum zu erteilen, wenn der Ausländer, zu dem der Familiennachzug stattfindet, eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18d, 18f oder § 38a besitzt, eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte oder eine Mobiler-ICT-Karte besitzt oder sich gemäß § 18e berechtigt im Bundesgebiet aufhält. Im Übrigen ist die Aufenthaltserlaubnis erstmals für mindestens ein Jahr zu erteilen.

(5) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so gilt § 100 der Zivilprozeßordnung entsprechend. Kann das streitige Rechtsverhältnis dem kostenpflichtigen Teil gegenüber nur einheitlich entschieden werden, so können die Kosten den mehreren Personen als Gesamtschuldnern auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.