Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 02. März 2016 - AN 9 K 15.01258, AN 9 K 14.02026
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 9 K 15.01258, AN 9 K 14.02026
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 2. März 2016
9. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 0920
Hauptpunkte:
Anfechtung einer Baugenehmigung nach Jahren; Verwirkung; Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten Immissionen eines Gewerbebetriebs Situationsbelastung einer Betriebsleiterwohnung im Gewerbegebiet
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Klägerin -
bevollmächtigt: ... Rechtsanwälte
gegen
Freistaat Bayern vertreten durch: Landratsamt ...
- Beklagter -
beigeladen: ... GmbH vertreten durch den Geschäftsführer ...
bevollmächtigt: Rechtsanwälte...
wegen Baurechts
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 9. Kammer, durch ... und durch ... aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. März 2016 am 2. März 2016 folgendes Urteil:
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamtes ... vom 28. Januar 2004 erteilte Baugenehmigung (AN 9 K 14.02026) und begehrt bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber der Beigeladenen (AN 9 K 15.01258).
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Getrennt durch das Wegegrundstück Fl.Nr. ..., das westlich des klägerischen Grundstücks in den Wendeplatz der von da nach Nord-Westen verlaufenden ...Straße mündet, liegt nördlich des klägerischen Grundstücks das Grundstück der Beigeladenen Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., auf dem die Beigeladene als Unternehmen des Lebensmittelgroßhandels eine Lagerhalle mit Büroräumen betreibt. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. ... „Gewerbegebiet ... Straße“ der als Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet (GE) nach § 8 BauNVO festsetzt. Für das klägerische Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... erteilte das Landratsamt ... mit Bescheid vom 16. Juli 1991 die Baugenehmigung für die Errichtung einer „Lagerhalle mit Büro, Sozialräumen und eine Betriebswohnung“. Die Wohnräume sind dabei nach Süden und Osten ausgerichtet, während das Lagergebäude entlang der westlichen Grundstücksgrenze und Büro, eine kleine Werkstatt und ein Garagengebäude im nördlichen Grundstücksbereich gelegen sind, wo sich auch vier Stellplätze und die Zufahrt zur ...Straße befinden.
Die Betriebsgebäude der Beigeladenen auf dem Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... sind mit Baugenehmigung vom 21. August 1989 als Lagerhalle mit Bürogebäude bauaufsichtlich genehmigt worden. In Erweiterung des Betriebs wurde der Firma ... Lebensmittelgroßhandels GmbH als Rechtsvorgängerin der Beigeladenen mit Bescheid vom 13. August 2002 die bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung einer Doppelgarage, Änderung des Parkplatzes und Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit genehmigt. Unter II. wurden folgende Auflagen aufgeführt:
„4. Die Beurteilungspegel der vom Gesamtbetrieb ausgehenden Geräusche dürfen an den nachfolgend aufgeführten Immissionsorten nach Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA-Lärm die zugehörigen aufgrund der Summenwirkung mit anderen Betrieben reduzierten Immissionsrichtwerte nicht überschreiten:
Immissionsort Betriebswohnung auf Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., tags 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr 62 dB(A), nachts 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 47 dB(A).
(…)
5. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 Buchstabe b) der TA-Lärm (tags 65 dB(A), nachts 50 dB(A) am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.“
In der der Baugenehmigung zugrunde liegenden Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2002 ist folgendes ausgeführt:
„Die Firma ... Lebensmittelgroßhandels GmbH befasst sich mit dem Handel von Lebensmitteln, Tiefkühlprodukten und hierzu abrundendem Warensortiment. Die Waren werden direkt vom Hersteller bzw. Importeur per Lkw in das Lager der Firma ... geliefert und entsprechend den Kundenbestellungen kommissioniert. Die Auslieferung erfolgt über firmeneigene Lkws und Mittelspeditionen. Es handelt sich um einen Zustellbetrieb, Publikumsverkehr ist nicht vorhanden. Beliefert werden Großküchen von Krankenhäusern, Altenheime, Betriebscasinos, Restaurants und Hotels im Bereich Mittel und Oberfranken. (...) Betriebszeiten: Das Hauptgeschäft findet wochentags zwischen 6.00 und 18.00 Uhr statt. Vorbereitende Arbeiten und Beginn der 1. Auslieferungen sind in geringem Umfang ab 4.00 Uhr nachts möglich. Start der ersten Lkws ab 5.00 Uhr. Ladevorgänge zwischen 4.50 und 5.30 Uhr - 4 Lkw. Zwischen 5.30 Uhr und 6.00 Uhr Abfahrt weiterer 4 Lkw. Ab 6.00 Uhr beladen und Abfahrt weiterer Lkw. Die ersten Mitarbeiter erreichen dem Betriebsparkplatz zwischen 4.30 Uhr und 5.00 Uhr. Aufgrund von Fernanlieferungen sind vereinzelte Nachtanlieferungen einzelner Lkws, zum Beispiel in der Nacht von Sonntag auf Montag zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr sowie zwischen Dienstag und Mittwoch zwischen 22.00 und 6.00 Uhr notwendig. Weitere Warenanlieferungen und -auslieferungen werden während der Betriebszeiten des Hauptgeschäftes getätigt. Fremdfahrzeuge sind angewiesen, das Firmengelände nur während der Hauptbetriebszeiten anzufahren und eventuelle Wartezeiten in entsprechenden Autohöfen, wie Raststätte Autobahn ... zu verbringen. „
Im Auftrag der Firma ... erstellte das ... Ingenieurbüro für Bauphysik GmbH unter dem 5. Juni 2002 ein schallimmissionsschutztechnisches Gutachten gemäß TA-Lärm für die Betriebsgenehmigung für die Nachtzeit. Die dabei beurteilten Immissionsorte 1 und 2 liegen auf dem klägerischen Grundstück an der Ost- bzw. Südseite vor den Wohnräumen, dort werden im Gutachten für die lauteste Nachtstunde Beurteilungspegel von jeweils 39 dB(A) errechnet, wobei folgende Tätigkeiten für die lauteste Nachtstunde von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr beurteilt werden:
„- Beladen von vier Lkw an den Rampen 6-9 mit jeweils ca. 20 Rollcontainern
- Abfahrt von vier Lkw
- Anfahrt von vier Lkw und Beladen der Lkw an den Rampen 6-9 mit jeweils 20 Rollcontainern
- Anfahrt von zwei Lkw an das Tor 1 und Entladen einer bzw. drei Paletten
- Anfahrt von 12 Mitarbeiter-Pkw auf den neuen Parkplatz“
Als Ergebnis der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung wird unter „7. Zusammenfassung“ folgendes ausgeführt:
„Die Firma ... Lebensmittelgroßhandel GmbH beabsichtigt die Beantragung der Nachtbetriebsgenehmigung.
Im vorliegenden Bericht werden die Ergebnisse der seitens der Genehmigungsbehörde geforderten schallimmissionsschutztechnischen Untersuchungen für den Nachtzeitraum gemäß TA-Lärm - Beurteilung der vollen Nachtstunde mit dem höchsten Beurteilungspegel - zusammengefasst und beurteilt. Die volle Nachtstunde mit dem höchsten Beurteilungspegel tritt hier im Zeitraum von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Demnach ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung der beschriebenen Berechnungseingangsdaten an den Immissionsorten 1, 2 und 4 mit der Einhaltung der gestellten schallimmissionsschutztechnischen Anforderung zu rechnen ist. Am Immissionsort 3 wird der Immissionsrichtwert nachts eingehalten. Der vom Landratsamt ... gegenüber dem Immissionsrichtwert um 3 dB(A) reduzierte Immissionsrichtwertanteil wird um 1 dB überschritten.“
Die Anzeige des Baubeginns gemäß Art. 72 Abs. 7 BayBO erfolgte am 8. August 2006.
Mit Bescheid vom 28. Januar 2004 erteilte das Landratsamt ... der Firma ... Lebensmittelgroßhandel GmbH als Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung zur Erweiterung des Kühllagers mit Überladeboxen und Büro-/Sozialtrakt im ersten Obergeschoss. Unter II. Auflagen ist folgendes ausgeführt:
„9. Die Bestimmung der technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) vom
26. August 1998 sind einzuhalten.
10. Die Beurteilungspegel der vom Gesamtbetrieb ausgehenden Geräusche dürfen an den nachfolgend aufgeführten Immissionsorten nach Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA-Lärm die zugehörigen aufgrund der Summenwirkung mit anderen Betrieben reduzierten Immis-sionsrichtwerte nicht überschreiten:
Immissionsort Betriebswohnung auf Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., tags 62 dB(A), nachts 47 dB(A) Immissionsrichtwert. (…)
11. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 Buchstabe b) der TA-Lärm (tags 65 dB(A), nachts 50 dB(A) am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. (…)
13. Die Kühlaggregate der wartenden Lkws sind über das Stromnetz der Firma ... zu versorgen. Entsprechende Anschlussmöglichkeiten sind bereit zu stellen. (...)
17. Die vorgelegte Betriebsbeschreibung mit den ergänzenden Angaben ist Bestandteil der Baugenehmigung.“
In der Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 wird dargelegt, dass es sich bei der Beigeladenen um einen Zustellgroßhandel für Lebensmittel und Tiefkühlprodukte handele. Im Einzelnen ist folgendes ausgeführt:
„Die Waren werden direkt vom Hersteller bzw. Importeur per Lkw an das Lager der Firma ... angeliefert und dort gemäß den Kundenbestellungen kommissioniert. Beliefert werden Großküchen von Krankenhäusern, Altenheimen, Betriebskasinos, Restaurants und ähnlichem. Es findet kein Direktverkauf und somit kein Publikumsverkehr statt. Die Betriebszeiten sind derzeit im Zweischichtbetrieb von 5.00 Uhr bis 20.00 Uhr, für die gewerblich Beschäftigten bis ca. 16.00 Uhr. Die Anlieferung erfolgt von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Gegenwärtig ist die Firma ... dabei, weitere Grundstücksflächen zu erwerben, um die Betriebserweiterung vornehmen zu können. Im Rahmen dieser Betriebserweiterung wird eine vollständige Trennung des Anliefer-und Auslieferverkehrs stattfinden, so dass eine erhebliche Verkehrsentlastung von der ...Straße stattfinden wird. Die Anlieferung erfolgt dann über die ... Straße.“
Die Betriebsbeschreibung wurde mit E-Mail-Schreiben vom 14. Oktober 2003 seitens der Beigeladenen weiter ergänzt. Unter „2.) Zeitliche Abfolge und Kfzverkehr“ ist folgendes ausgeführt:
„Lieferverkehr 20-4 Uhr Anfahrt von 4-5 Groß-Lkw Anlieferung und Entladung von 1-5 Paletten über Rampen
Werkverkehr 4-7 Uhr 20 ... Lkw 7,5-20 t. Beladung je 10-27 Rollcontainer für Auslieferung, Abfahrt.
Lieferverkehr 7-16 Uhr Anfahrt von 30 Lkw 7,5-20 t. Anlieferung und Entladung von je 1-30 Paletten über Rampen.
Werkverkehr 7-20 Uhr Anfahrt von 10 ... Lkw 7,5-20 t. Beladung je 10-27 Rollcontainer für Auslieferung, Abfahrt.
3.30-20 Uhr Anfahrt und Abfahrt der Mitarbeiter mit Pkw“
Darüber hinaus enthält die Betriebsbeschreibung Angaben zu den Fahrzeug- und Maschinendaten, insbesondere Kühlaggregaten.
In der immissionsfachlichen Stellungnahme vom 15. Dezember 2003 im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens wird ausgeführt, dass die nächtlichen Fahr- und Ladetätigkeiten durch den geplanten Neubau entschärft werde, weil ein Teil der Anlieferung über die ... Straße stattfinden werde. Dort befänden sich zwar auch Betriebswohnungen, diese würden allerdings durch vorhandene Gebäude vom Ladebereich abgeschirmt. Hinsichtlich der Geräuschemissionen der Kühlaggregate sei durch den Betreiber die Möglichkeit zu schaffen, die Kühlaggregate der wartenden Lkws direkt an das Stromnetz anzuschließen. Über die immissionsfachliche Stellungnahme hinaus wurde im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung des geänderten Betriebsablaufs mit Bescheid vom 28. Januar 2004 keine erneute oder weitergehende schallimmissionsschutztechnische Begutachtung vom Betreiber gefordert. Eine Zustellung der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 an die Klägerin erfolgte nicht. Spätestens mit Rückforderung der Bürgschaft für Bepflanzungen im Mai 2007 waren die Bauarbeiten abgeschlossen.
Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 30. Dezember 2014 hat die Klägerin Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts ... vom 28. Januar 2004 erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, die Angaben der ergänzenden Betriebsbeschreibung korrespondierten nicht mit den Angaben und Untersuchungen der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchungen des Ingenieurbüros ... aus dem Jahr 2002. Vielmehr gehe das Gutachten von einer im Wesentlichen unterschiedlichen Nutzung aus. Aus den ergänzenden Angaben der Betriebsbeschreibung ergebe sich, dass der „Lieferverkehr“ in Zeiträume von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr sowie der „Werkverkehr“ in Zeiträume von 4.00 Uhr bis 7.00 Uhr unterteilt sei. Die An- und Abfahrt der Mitarbeiter mit Pkw sei lediglich in einem Zeitraum von 3.30 Uhr bis 20.00 Uhr angegeben. Eine Zuordnung, welche Verkehrsströme und Betriebsgeräusche in den Zeiträumen von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr und außerhalb der Zeiträume von 22.00 Uhr und 6.00 Uhr aufträten, sei weder in den ergänzenden Angaben zur Betriebsbeschreibung noch in der Betriebsbeschreibung selbst vorgesehen. Die Klägerin sei aufgrund der Erteilung der Genehmigung unter Heranziehung der vorgelegten Betriebsbeschreibung sowie den ergänzenden Ausführungen zu dieser Betriebsbeschreibung in ihren Rechten verletzt. Zudem verstoße die Baugenehmigung gegen das in § 15 BauNVO normierte Gebot der Rücksichtnahme. Denn durch die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 könne gerade nicht sichergestellt werden, dass vom Betrieb auf den Baugrundstücken keine Lärmbelästigungen ausgingen, die für die Klägerin unzumutbar seien.
Die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Die Forderung nach hinreichender Bestimmtheit habe gerade bei gewerblichen Anlagen besondere Bedeutung. Hier sei u. a. die konkrete Betriebsgestaltung in der Baugenehmigung festzulegen. Die bei der Durchführung des genehmigten Betriebs zwangsläufig anfallenden geräuschintensiven betrieblichen Aktivitäten müssten hinreichend klar definiert werden. Für die Beschreibung der Nutzung einer gewerblichen Anlage, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht bedürfe, sei es erforderlich, eine Betriebsbeschreibung vorzulegen, die u. a. Angaben für die Art der gewerblichen Tätigkeit unter Angabe der Art und Zahl der Fahrzeuge, Maschinen oder Apparate beinhalte. Nach diesen Maßstäben seien Art und Umfang des Betriebs des Lebensmittelgroßhandels auf dem Baugrundstück durch die Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 sowie die ergänzenden Ausführungen zu dieser Betriebsbeschreibung nicht ausreichend genau festgelegt. Eine Verletzung dem Schutz der Klägerin dienender Vorschriften könne aus diesem Grund nicht sicher ausgeschlossen werden. Gegenstand der Baugenehmigung sei die Erweiterung sowie die Änderung der Betriebsabläufe eines Lebensmittelgroßhandels mit einer gesamten Geschossfläche von ca. 8.200 qm. Aufgrund der Größe des Betriebs sei mit einem erheblichen Verkehrsaufkommen einhergehend mit erheblichen Lärmimmissionen zu rechnen. Der Betriebsbeschreibung könne jedoch weder entnommen werden, welcher Lieferverkehr noch welcher Werksverkehr noch welcher Personalverkehr während der Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr stattfinde. Aufgrund der Betriebsbeschreibung sei es nicht bestimmbar, ob beispielsweise alle maximal fünf Groß-Lkw im Zeitraum zwischen 0.00 Uhr und 4.00 Uhr anfahren sowie entladen würden oder ob dies im Zeitraum zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr geschehe. Gleiches gelte für den Werksverkehr, auch hier sei unklar, ob dies im Zeitraum zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr geschehe. Auch wäre es möglich, dass alle 20 Lkw im Zeitraum von 4.00 Uhr bis 6.00 Uhr beladen sowie abfahren würden. Darüber hinaus enthalte die Betriebsbeschreibung keine Angaben darüber, dass während der Nachtzeit die Betriebstore zu schließen seien, so dass von einem durchgängigen Betrieb zur Nachtzeit ausgegangen werden müsse. Es fehlten zudem Angaben darüber, wie ein Rückstau wartender Lkw vermieden werden könne oder insbesondere sichergestellt werden könne, dass durch die auf oder vor dem Betriebsgelände befindlichen Lkw Tiefkühlaggregate mittels Motoren und nicht durch elektrische Versorgung oder gar nicht betrieben würden. Vielmehr ergebe sich bereits aus der Betriebsbeschreibung unter Ziffer V. Sonstiges, die pauschal den Betrieb von Tiefkühlaggregaten als erforderlich ausweise, eine Diskrepanz zur Auflage II. Nr. 13 der Baugenehmigung. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte im Bereich des Hauses der Klägerin überschritten würden. Dies gelte im Hinblick darauf, dass eine Prüfung der aus der ergänzenden Betriebsbeschreibung entstehenden Schallimmissionen im Baugenehmigungsverfahren gar nicht stattgefunden habe. Ohnehin würden die dem Bescheid beigefügten Angaben der ergänzten Betriebsbeschreibung keine hinreichenden Ansatzpunkte für eine ordnungsgemäße Schallschutzbegutachtung liefern, da nicht ersehen werden könne, in welchen Zeiträumen welche Mengen an Fahrzeugen und Betriebsgeräten zum Einsatz kämen. Die Baugenehmigung verstoße darüber hinaus gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da der Betrieb der Beigeladenen für die Klägerin unzumutbare Lärmbelästigungen erzeuge. Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit seien die Beurteilungspegel der TA-Lärm heranzuziehen. Es sei Sache des Antragstellers im Baugenehmigungsverfahren, die für die immissionsschutzrechtliche Prüfung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens erforderlichen Gutachten beizubringen. Dabei seien an die im Genehmigungsverfahren vorzunehmende prognostische Einschätzung hohe Anforderungen zu stellen. Andernfalls müssten die regelmäßig nicht zu vermeidenden Unsicherheiten bei der nachträglichen Kontrolle, ob der bei der Genehmigung vorausgesetzte Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen tatsächlich gewahrt sei, zulasten der zu schützenden Betroffenen gehen. Das jeweilige Gutachten müsse daher geeignet sein, die abschließende Prüfung der konkret zu erwartenden Immissionen zu ermöglichen (mit Verweis auf OVG NRW, B. v. 5.2.2001 - 7 A 410/01 - und
Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2014,
den Baugenehmigungsbescheid des Beklagten vom 28. Januar 2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Klägerin beantrage die Aufhebung der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 28. Januar 2004. Zur Beurteilung der Lärmeinwirkung auf die dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... bestehende Betriebswohnung sei vor allem der bestandskräftige Baugenehmigungsbescheid vom 13. August 2002, der die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit beinhaltete, heranzuziehen. Grundlage für diese Baugenehmigung sei insbesondere die schallimmissionsschutztechnische Untersuchung des Ingenieurbüros für Bauphysik ... vom 5. Juni 2002 gewesen, deren Ergebnisse als Nebenbestimmung in die Baugenehmigung eingearbeitet worden seien.
Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung sei die Errichtung einer Lagerhalle mit Büroeinbau und Erweiterung des Firmengeländes auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... sowie der direkte Anbau an das auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... bereits bestehende Betriebsgebäude auf den dem klägerischen Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... abgewandten Grundstücksteilflächen im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. ... in der Fassung der ersten Änderung, der ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO festsetze. Maßgeblich für die genehmigte bauliche Nutzung sei die auf Nachforderung am 14. Oktober 2003 per E-Mail eingegangene Betriebsbeschreibung mit ergänzenden Angaben.
In der immissionsschutzfachlichen Stellungnahme vom 15. Februar 2003, der neben der ergänzten Betriebsbeschreibung auch die schallimmissionsschutztechnische Untersuchung vom 5. Juni 2002 sowie eine Auflistung des Marktes ... vom 14. März 2002 über umliegende Grundstücke zugrunde liege, werde einführend darauf hingewiesen, dass durch den Neubau der bisher nur über die ...Straße stattfindende Fahrverkehr nun auch großteils über die ... Straße abgewickelt werde. Durch die abschirmende Wirkung der Bestandsgebäude und des Neubaus würden dessen geräuschintensive Gebäudeteile (Laderampen und Hofraum), die in einem Abstand von mehr als 90 m zum klägerischen Grundstück (lärmabgewandte Seite) stünden, zu keiner für die Klägerin lärmrelevanten weitergehenden Belastung führen. Soweit sei aus fachtechnischer Sicht eine schallimmissionsschutztechnische Untersuchung auch in Bezug auf andere in diesem Gewerbegebiet vorhandene Betriebswohnungen nicht erforderlich gewesen. Maßgeblich seien daher nach wie vor die Immissionsrichtwerte in der Baugenehmigung vom 13. August 2002, die nachrichtlich auch in die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 übernommen worden seien.
Der Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, aus Sicht der Beigeladenen bestünden bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Zwar werde ohne eine Bekanntgabe der Baugenehmigung keine Klagefrist in Gang gesetzt. Dies führe jedoch nicht dazu, dass eine Anfechtungsklage wie im vorliegenden Fall zehneinhalb Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung und Fertigstellung der Erweiterung eingereicht werden könne. Ein Nachbar, der sich gegen eine Baugenehmigung wende, ohne dass ihm diese zugestellt worden wäre, werde zunächst auf den Zeitpunkt verwiesen, in dem er sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt habe oder hätte erlangen können. Dies sei vorliegend spätestens im September 2004 der Fall gewesen, da spätestens zu diesem Zeitpunkt die der Baugenehmigung zugrundeliegende Erweiterung des Kühllagers mit Überladeboxen und Bürosozialtrakt im ersten Obergeschoss für jedermann sichtbar gewesen sei. Da die Klägerin in unmittelbarer Nähe eine Betriebswohnung habe, habe sie sich seinerzeit tagtäglich vom Fortschritt des Erweiterungsbaus überzeugen können. Mithin werde die fehlende Bekanntgabe durch Kenntnis der Bauarbeiten bis spätestens 30. September 2004 ersetzt. Nach welchem Zeitraum die Grundsätze der Verwirkung des Klagerechts anwendbar seien, lasse sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht Tag genau definieren. Das Bundesverwaltungsgericht stelle auf die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten ab, wobei der Mindestzeitraum für eine Verwirkung sich deutlich von denjenigen Fristen abheben müsse, die das geltende Recht den Berechtigten im Regelfall für die Verfolgung seines materiellen Rechts in der dafür vorgesehenen verfahrensrechtlichen Form einräume (mit Verweis auf BVerwG, U. v. 16.5.1991 - 4 C 4/89 -, NVwZ 1991, 1182). Auch unter Berücksichtigung einer Überlegungs- und Handlungsfrist, die man vorliegend durchaus mit sechs bis zwölf Monaten zugunsten der Klägerin bemessen könne, sei die Erhebung der Klage nach mehr als zehn Jahren nach den Grundsätzen der Verwirkung als unzulässig anzusehen.
Dies gelte umso mehr, als die Festlegung der Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit gar nicht Gegenstand des angegriffenen Bescheids gewesen sei. Vielmehr sei die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit Inhalt der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 13. August 2002 gewesen. Unter Ziffer IV. dieses Bescheids seien die für die Betriebswohnung der Klägerin auf dem Grundstück Fl.Nr. ... maßgeblichen Immissionswerte sowohl tagsüber als auch für die Nachtzeit definiert worden. Die Klage richte sich daher materiell-rechtlich gegen die „falsche“ Baugenehmigung, weil die streitgegenständliche Baugenehmigung die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit lediglich fortschreibe. Die Baugenehmigung vom 13. August 2002 sei jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und ebenfalls bestandskräftig. Der wesentliche Punkt sei, dass ausweislich der eingereichten Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 nebst nachträglicher Präzisierung eine vollständige Trennung des Anliefer- und Auslieferverkehrs beabsichtigt gewesen sei. Die gesamte Tiefkühlanlieferung und die gesamte Auslieferung vollziehe sich über die ... Straße, mithin über die dem klägerischen Grundstück abgewandte Grundstücksseite. Der deutlich geringer dimensionierte Auslieferverkehr, also die gesamte Frische- und Trockensortimentanlieferung, finde über die ...Straße statt. Die im Erstbescheid sowie im angegriffenen Bescheid enthaltenen Immissionsrichtwerte würden durch diese Teilverlagerung weder tagsüber noch zur Nachtzeit überschritten. Gerade die Anlieferung, die naturgemäß in den frühen Morgenstunden stattfinde, sei von der Betriebswohnung der Klägerin auf dem Grundstück Fl.Nr. ... kaum noch wahrnehmbar. Der Auslieferverkehr finde ohnehin praktisch nicht zur Nachtzeit statt, so dass auch hier eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte nicht gegeben sei.
Hauptmotiv der Erweiterung des Kühllagers mit Überladeboxen und Bürosozialtrakt im ersten Obergeschoss entsprechend der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 sei die Wahrung des Lärmschutzes gegenüber Dritten gewesen. Zwischen der Betriebswohnung der Klägerin und den Anlieferrampen auf der Rückseite des Erweiterungsbaus befinde sich sowohl ein Bestandsgebäude als auch der Erweiterungsbau, die als „Lärmpuffer“ dienten.
Der Gebietscharakter eines Gewerbegebiets werde durch Ausnahmegenehmigungen für Betriebswohnungen nicht in Frage gestellt. Die in der Klageschrift angestellten Erwägungen hinsichtlich einer angeblichen Unbestimmtheit der Baugenehmigung seien nicht nachvollziehbar. Die Ausführungen in der Klageschrift vermittelten den Eindruck, als sei im Zuge der hier angegriffenen Baugenehmigung erstmals Lieferverkehr überhaupt feststellbar. Be- und Auslieferung beim Lebensmittelgroßhandel habe es jedoch schon zu früheren Zeitpunkten gegeben. Die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit in der jetzt geltenden Form sei Inhalt der Erstgenehmigung vom 13. August 2002 gewesen, die nicht verfahrensgegenständlich sei. Weswegen die schallimmissionstechnischen Untersuchungen des Ingenieurbüros ... vom 5. Juni 2002 unklar oder unbestimmt gewesen sein sollten, erschließe sich nicht. Auf diesen Feststellungen basiere die Erstgenehmigung. Die hier angegriffene Zweitgenehmigung ändere an der bereits genehmigten Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit nichts. In der Zweitgenehmigung seien die Immissionsrichtwerte lediglich wiederholt worden. Die Konsequenzen der weiteren Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 lägen im Hinblick auf die Klägerin darin, dass Geräuschimmissionen auf ein Minimum reduziert worden seien. Der gesamte Anlieferverkehr finde seit 2004 nicht mehr über die ...Straße, sondern abgeschirmt über die ...straße statt. Der Einwand fehlender Bestimmtheit sei somit gegenstandslos. Die Betriebsabläufe seien in der Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 sowie in der ergänzten Betriebsbeschreibung vom 27. Januar 2004 beschrieben worden. Aus der ergänzenden Betriebsbeschreibung ergebe sich, dass die betriebseigenen Lkw im Hof vor der neu zu errichtenden Halle (Einfahrt über ...straße) abgestellt würden. Soweit in der Klageschrift die Rede von „zu erwartenden Lkw“ sei, sei dies angesichts der Tatsache, dass der Lieferverkehr in der jetzigen Form seit mehr als zehn Jahren stattfinde, einigermaßen verwunderlich. Der Lieferverkehr werde aufgrund von Videoaufzeichnungen für 14 Tage dokumentiert. Danach würden die Aufnahmen gelöscht. Aufgrund der Auswertung und den Aufzeichnungen der örtlichen Marktleitung lasse sich für die beiden Lieferzonen ein präzises Bild von Pkw- und Lkw-Verkehr zeichnen. Die „Anlieferzone I“ finde über die ...Straße statt. Der Schwerpunkt der Anlieferung vollziehe sich jedoch über die „Anlieferzone II“, wobei der Anlieferverkehr zunächst über die ...straße und sodann über eine im Eigentum der Beigeladenen stehende Privatstraße von hinten an das Areal herangeführt werde, so dass dieser Lkw-Verkehr für die Klägerin nicht sichtbar und auch praktisch nicht wahrnehmbar sei. Für die beiden Anlieferzonen würden sich regelmäßig folgende Pkw- und Lkw-Bewegungen feststellen lassen:
In der Anlieferzone I werden die gelagerten Sortimente (Trockensortiment, Frischesortiment und Frischfleisch) für die Lieferung an die Endkunden (Großküchen, Krankenhäuser, Senioreneinrichtungen, etc.) verladen. Zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr fänden regelmäßig folgende Fahrzeugbewegungen statt: Ein Klein-Lkw (Obst und Gemüse), ein Klein-Lkw (Frischfleisch) um ca. 4.00 Uhr, drei Privat-Pkw.
In der Anlieferzone II finde die Tiefkühlanlieferung sowie die gesamte Auslieferung statt. In der Anlieferzone II ließen sich regelmäßig folgende Fahrzeugbewegungen zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens feststellen:
Zwischen 4.00 Uhr und 5.00 Uhr würden ca. vier bis fünf ...-eigene Lkw be- bzw. entladen. Nach 5.00 Uhr finde die Anlieferung bis ca. 8.00 Uhr statt, in diesem Zeitraum kämen ca. 15 Lkw auf das Gelände. Gerade im Hinblick auf den nunmehr abgeschirmten Lieferverkehr würden die Immissionsrichtwerte der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 13. August 2002 nicht überschritten, dies gelte auch und erst recht für die insoweit wiederholten Immissionsrichtwerte der hier angegriffenen Baugenehmigung.
Im Hinblick auf die Anlieferzone I über die ...Straße sei darauf hinzuweisen, dass aufgrund der nahen Bundesautobahn spät abends oder teilweise zur Nachtzeit Lkw in das Gewerbegebiet fahren würden, um eine Stellplatzgelegenheit zu suchen. Dabei handele es sich ausschließlich um Lkw, die mit der Beigeladenen und den Anliefervorgängen nichts zu tun hätten. Ein derartiger Fremdverkehr sei der Beigeladenen naturgemäß nicht zurechenbar.
Durch die hier angegriffene Baugenehmigung würden unzumutbare Lärmbelästigungen für die Klägerin vermieden. Maßstab für das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Rücksichtnahmegebot sei die Eigenart des Baugebiets. Der Gebietscharakter Gewerbegebiet ändere sich durch die ausnahmsweise Genehmigung einer Betriebswohnung nicht. Insbesondere habe die Existenz der Betriebswohnung keinen Einfluss auf die Immissionsrichtwerte eines Gewerbegebiets. Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung sei die Erweiterung des Kühllagers mit Überladeboxen und Bürosozialtrakt im ersten Obergeschoss. Eine Unzulässigkeit dieser baulichen Anlage anhand von § 15 Abs. 1 BauNVO sei nicht erkennbar. Insbesondere bestehe kein Widerspruch zum Gebietscharakter. Belästigungen und Störungen im Sinne dieser Vorschrift würden durch die angegriffene Baugenehmigung und die damit einhergehende Verlagerung des gesamten Anlieferverkehrs auf ein Minimum reduziert. Die Vorschriften der TA-Lärm sowie die Immissionsrichtwerte der bestandskräftigen Erstgenehmigung würden durch den skizzierten An- und Belieferungsverkehr gewahrt. Den Genehmigungsgrundlagen entsprechend des Gutachtens des Ingenieurbüros ... vom 5. Juni 2002 werde weiterhin entsprochen. Daher sei es folgerichtig, dass mit der angegriffenen Baugenehmigung nicht nochmals eine schallschutztechnische Untersuchung gefordert worden sei. Die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit sei bereits in der bestandskräftigen Erstgenehmigung gutachterlich unterlegt worden. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Kühlaggregate aller Lkw auf dem Betriebsgrundstück über das Stromnetz der Beigeladenen versorgt würden. Eine wie auch immer geartete Rechtsverletzung der Klägerin sei mithin nicht gegeben.
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2015 trägt die Klägerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten ergänzende Ausführungen vor und hat Untätigkeitsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten erhoben. Dabei trägt der Klägerbevollmächtigte vor, eine Verwirkung des Klagerechts sei nicht anzunehmen. Die Klägerin habe weder sichere Kenntnis von den Umständen der Änderung des Nutzungsumfangs gehabt, noch habe sie von der geänderten Betriebsbeschreibung durch die Errichtung von anderweitigen Gebäudeteilen Kenntnis nehmen müssen. Von der Betriebsbeschreibung und dem Umstand einer fehlenden schallschutztechnischen Untersuchung habe die Klägerin erst nach Gewährung von Akteneinsicht Ende Oktober 2014 Kenntnis erlangt. Seitens der Klägerin liege daher keine unredliche, gegen Treu und Glauben verstoßende Verzögerung der Klageerhebung vor. Bei Nichtbekanntgabe eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung an einem Dritten könne im Hinblick auf § 58 Abs. 2 VwGO vor Ablauf der Jahresfrist nach Kenntniserlangung keine Verwirkung angenommen werden.
Auch sei es nicht zutreffend, dass die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 hinsichtlich der betrieblichen Nutzung lediglich die Baugenehmigung vom 13. August 2002 konkretisiere. Die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 sehe neben der durch die Klägerin im eigentlichen nicht angegriffenen baulichen Maßnahme eine Änderung und Erweiterung der betrieblichen Nutzung des Betriebsgrundstücks vor. Die Auffassung der Beigeladenen, die Genehmigung vom 28. Januar 2004 schreibe lediglich die Genehmigung vom 13. August 2002 fort, sei abenteuerlich. Denn dies würde bedeuten, ein Bauvorhaben könnte zunächst mit den im Baugebiet maximal zulässigen Immissionen genehmigt werden und im Anschluss mit einer weiteren Baugenehmigung zur Ergänzung oder Erweiterung der baulichen Anlage über die maximal zulässigen Immissionen hinaus erweitert oder „fortgeschrieben“ werden. Die Behauptung der Beigeladenen, die gesamte Anlieferung erfolge über die ...straße sei schlichtweg unzutreffend. Es erfolge über die ...Straße weiterhin ununterbrochen Anlieferungsverkehr, der nach den Behauptungen der Beigeladenen und der der Baugenehmigung zugrundeliegenden Betriebsbeschreibung gar nicht existieren dürfte. Trotz dieses offensichtlichen Verstoßes gegen die Betriebsbeschreibung sei keinerlei Tätigkeit durch den Beklagten erfolgt. Die Beigeladene lege ihre Auffassung, dass die tatsächlich entstehenden Immissionsrichtwerte weder tagsüber noch zur Nachtzeit überschritten würden, nicht nachvollziehbar dar. Die schallschutztechnische Untersuchung, die Grundlage des Bescheids vom 13. August 2002 gewesen sei, könne hierfür nicht herangezogen werden, da diese von anderen Anknüpfungspunkten ausgegangen sei. Es sei auch schwer nachvollziehbar, dass das Hauptmotiv der Beigeladenen an der Erweiterung des Kühllagers mit den Überladeboxen und dem Büro-/Sozialtrakt im ersten Obergeschoss der Wahrung des Lärmschutzes gegenüber Dritten gedient habe. Ansonsten hätte es sich aufdrängen müssen, eine erneute schallschutztechnische Untersuchung in Auftrag zu geben. Denn die alte und die neue Betriebsbeschreibung würden sich hinsichtlich der maßgeblichen Anknüpfungspunkte sowie der Anzahl der möglichen Fahrzeuge in relevanter Art und Weise unterscheiden.
Auf die Frage des Gebietscharakters komme es aus Sicht der Klägerin gar nicht an. Denn der Beklagte sowie die Beigeladene hätten vielmehr bereits gar nicht sichergestellt, dass die im Bebauungsplan vorgesehenen Immissionsrichtwerte eingehalten würden. Es seien noch nicht einmal gesicherte oder ausreichende Grundlagen für die hierzu erforderliche Prognoseentscheidung ermittelt worden. Die Auffassung der Beklagten, die Genehmigung vom 28. Januar 2004, deren Bestandteil unter Ziffer 17 die Betriebsbeschreibung mit den ergänzenden Anlagen sei, ändere an dem genehmigten Umfang nichts, sei nicht schlüssig. Die Ausführungen zur „Anlieferzone I“ über die ...Straße stünden offensichtlich mit der Behauptung im Widerspruch, eine Anlieferung würde ausschließlich über die ...straße stattfinden. Eine „Anlieferzone I“ sei weder der Betriebsbeschreibung der Genehmigung vom 13. August 2002 noch den Betriebsbeschreibungen der Genehmigung vom 28. Januar 2004 zu entnehmen. Die Angaben der Beigeladenen zu konkreten Fahrzeugbewegungen seien zu bestreiten. Auch die Beschreibungen der „Anlieferzone II“ seien nicht hinreichend klar. Der Behauptung, dass die ...Straße spät abends oder zur Nachtzeit von betriebsfremden Lkw frequentiert werde, werde deutlich entgegengetreten. Das Gebot der Rücksichtnahme werde verletzt. Weder durch die Beklagte sei die Einhaltung der Immissionsrichtwerte geprüft worden, noch sei die Einhaltung durch die Beigeladene nachgewiesen worden. Aus der tatsächlichen Art und dem Umfang der Nutzung ergäben sich für die Klägerin nicht hinzunehmende Immissionen. Die Klägerin sei in erheblichem Umfang in ihrer Nachtruhe gestört. Der Betrieb und die damit verbundenen Fahrzeugbewegungen erfolgten rund um die Uhr. Es treffe auch nicht zu, dass Betriebswohnungen lediglich ausnahmsweise im vorliegenden Gewerbegebiet genehmigt seien. Bei der Errichtung des Bebauungsplans sei kommuniziert worden, dass es sich um ein stilles Gewerbegebiet handele, welches insbesondere dem örtlichen Gewerbe dienen solle. Zudem bestünden im vorliegenden Gewerbegebiet ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen, ein Mehrfamilienhaus mit zwei Wohnungen und ca. acht Betriebswohnungen. Gegenstand des bisherigen Klageantrags sei nicht die Frage der Genehmigungsfähigkeit des Baukörpers, sondern die mit der angegriffenen Genehmigung erfolgte Erweiterung der Nutzung der baulichen Anlagen der Beigeladenen. Es treffe auch nicht zu, dass die Kühlaggregate aller Lkw auf oder vor dem Betriebsgrundstück der Beigeladenen über das Stromnetz der Beigeladenen versorgt würden.
Die Untätigkeitsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten wird wie folgt begründet:
Die Klägerin habe mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 den Beklagten unter Darlegung der relevanten Umstände ausdrücklich aufgefordert, gegen die nicht zulässige Nutzung der Grundstücke und Anlagen der Beigeladenen einzuschreiten. Die Klägerin habe den Beklagten darauf hingewiesen, dass Anlieferungsverkehr in erheblichem Umfang nicht über die ...straße, sondern über die ...Straße erfolge. Exemplarisch seien für die Nächte vom 8. Dezember auf den 9. Dezember 2014, vom 9. auf den 10. Dezember 2014 und vom 10. Dezember auf den 11. Dezember 2014 auf die Anlieferungsvorgänge hingewiesen worden (8./9.12.2014: sechs Lkw um 21.03 Uhr, 3.08 Uhr, 3.35 Uhr, 4.16 Uhr, 5.05 Uhr, 5.12 Uhr und ein Transporter um 3.33 Uhr; 9./10.12.2014:acht Lkw um 2.58 Uhr, 3.19 Uhr, 3.28 Uhr, 4.31 Uhr, 4.47 Uhr, 4.48 Uhr, 5.01 Uhr und 5.12 Uhr; 10./11.12.2014: elf Lkw um 3.11 Uhr, 3.10 Uhr (zweimal), 3.25 Uhr, 3.26 Uhr, 3.37 Uhr, 3.44 Uhr, 3.47 Uhr, 3.52 Uhr, 5.05 Uhr, 5.12 Uhr). Zudem sei darauf hingewiesen worden, dass bereits aufgrund der Anlieferung über die ...Straße festzustellen sei, dass das Grundstück nicht mit einer mit der Baugenehmigung übereinstimmenden Art und Weise genutzt werde. Die Beklagte sei nochmals darauf hingewiesen worden, dass der Umfang der Nutzung des Grundstücks in der Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr aufgrund der durch den Betrieb verursachten Immissionen ebenfalls gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften verstoße. Trotz dieser detaillierten und konkreten Aufforderungen habe sich der Beklagte nicht zu dem durch die Klägerin gestellten Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten geäußert. Gegenüber dem Beigeladenen sei kein Bescheid mit dem geltend gemachten oder ähnlichen Gegenstand erlassen worden. Die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Entscheidung unter fehlerfreier Ermessensausübung auf ein Einschreiten durch den Beklagten. Seitens des Landratsamtes ... seien keine weiteren oder zumindest keine hinreichenden Ermittlungen durchgeführt worden. Ob die Voraussetzungen für die Bejahung des Anspruchs der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten infolge Reduzierung des Ermessens der Behörde auf Null vorliegend gegeben seien, könne daher derzeit nicht definitiv beurteilt werden. Da die Streitsache insoweit nicht spruchreif sei, werde der Antrag der Klägerin derzeit auf eine Verbescheidung beschränkt. Eine Erweiterung dieses Antrags bleibe vorbehalten. Seitens des Beklagten werde zunächst der vorliegende Sachverhalt hinreichend zu ermitteln sein, um eine sachgerechte Ermessensausübung zu ermöglichen (mit Verweis auf VG Würzburg, U. v. 6.8.2009 - W 5 K 08.956 - juris Rn. 20). Aus Sicht der Klägerin sei zu berücksichtigen, dass eine Anlieferung über die ...Straße entsprechend den vorliegenden Baugenehmigungen derzeit überhaupt nicht erfolgen dürfte, in der Realität jedoch fortgesetzt stattfinde.
Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 30. Juli 2015,
den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 15. Dezember 2014 auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2016 hat der Beklagte gegenüber der Klägerin den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nutzung der Grundstücke des Beigeladenen abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, die Voraussetzungen für ein Einschreiten hinsichtlich des Fahr- und Lieferverkehrs sowie der Ladetätigkeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die bauliche Anlage werde nicht in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft und damit ein Verstoß gegen nachbarschützende Rechte seien nicht gegeben. Die grundsätzliche Zulässigkeit des Fahr- und Lieferverkehrs sowie der Ladetätigkeit über die ...Straße auch zur Nachtzeit sei aufgrund der Lage in einem Gewerbegebiet im Rahmen der Zumutbarkeit gegeben. Der Rahmen der Zumutbarkeit ergebe sich durch die Auflagen in den Baugenehmigungsbescheiden vom 13. August 2002 über die Errichtung einer Doppelgarage, Änderung des Parkplatzes und Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit sowie aus der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 über die Errichtung einer Lagerhalle mit Büroeinbau und Erweiterung des Firmengeländes. Für die Betriebswohnung der Klägerin auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... sei unter Berücksichtigung der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros ... vom 5. Juni 2002 festgelegt worden, dass an diesem Immissionsort nachts ein Immissionsrichtwert von 47 dB(A) nicht überschritten werden dürfe (Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA-Lärm), wobei einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) zumutbar seien (Nr. 6.1 Buchstabe b) TA-Lärm). Unter Ziffer 5.2 der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung sei anhand von Vorberechnungen ermittelt worden, dass für die Beurteilung der Nachtzeit die volle Nachtstunde von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr relevant sei. Für diesen Zeitraum seien als Fahrverkehre und Ladetätigkeiten (vgl. Ziffer 4.2 der Untersuchung) das Beladen von vier Lkws an den Rampen 6 bis 9 mit jeweils ca. 20 Rollcontainern, die Abfahrt von vier Lkws, die Anfahrt von vier Lkws und das Beladen der Lkws an den Rampen 6 bis 9 mit jeweils 20 Rollcontainern, die Anfahrt von zwei Lkws an das Tor 1 und das Entladen von ein bis drei Paletten sowie die Anfahrt von zwölf Mitarbeiter-Pkws auf dem neuen Parkplatz angenommen worden. Entsprechend der Erfassung des Lieferverkehrs der Beigeladenen würden derzeit (entsprechend einer Auswertung der 43. KW 2015) im Zeitraum zwischen 3.00 Uhr bis 4.45 Uhr vier kleine Löws bzw. Sprinter (für Obst, Gemüse, Frischfleisch) und zusätzlich montags ein Klein-Lkw (Toastbrot) über die ...Straße geliefert. Die Ablehnung des Antrags auf Einschreiten gegen den nächtlichen Liefer- und Ladeverkehr entspreche auch pflichtgemäßem Ermessen. Der Lieferverkehr halte sich in dem Rahmen der durch das Immissionsschutzgutachten festgestellten zulässigen Lärmwerte. Dies ergebe sich aus dem Vergleich der zugrundeliegenden Anlieferungen. Soweit ein Abweichen in der Zeit der Anlieferung vorliegend zu berücksichtigen sei, mithin dass die Lärmwerte in der Nachtzeit nicht die gleichen seien, sei diese zeitliche Verschiebung der „lautesten Nachtstunde“ von der Bandbreite der Genehmigung abgedeckt. Eine andere Beurteilung würde sich nur ergeben, wenn eine Verlagerung von der Tag- in die Nachtzeit vorliegen würde. Daher überwiege das Interesse der Beigeladenen an dem Fortbestehen des bauaufsichtlich genehmigten Zustandes, als das rein formale Kriterium der festgelegten Anlieferungszeit. Die nachbarschützenden Belange ergäben sich vorliegend aus den eingehaltenen Immissionsschutzvorschriften.
Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2016 führt die Klägerin die erhobene Untätigkeitsklage als Verpflichtungsklage fort und beantragt im Verfahren AN 9 K 15.01258:
1. Der Ablehnungsbescheid des Landratsamtes ... vom 13. Januar 2016 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 15. Dezember 2014 auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ermessensfehlerfrei zu entscheiden.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Bescheid des Landratsamtes ... vom 13. Januar 2016 sei ermessensfehlerhaft. Er gehe sowohl von unzutreffenden tatsächlichen sowie unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen aus und enthalte im Ergebnis keine sachgerechte Abwägung der widerstreitenden Interessen. Der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten sei einerseits darauf gestützt worden, dass eine Anlieferung entgegen der Baugenehmigung über die ...Straße erfolge und zum weiteren die Anlieferung zur Nachtzeit nach Art und Umfang der Nutzung des Grundstücks die zulässigen Immissionen überstiegen. Die baurechtswidrigen Zustände ergäben sich bereits daraus, dass Anlieferungen überhaupt über die ...Straße erfolgten. Die Bauaufsichtsbehörde ignoriere den Umstand, nach der Baubeschreibung der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004, deren Bestandteil die aktuelle Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 sei, gar keine Anlieferung über die ...Straße vorgesehen sei, werde durch das Landratsamt ... vollständig ignoriert. Aus der Betriebsbeschreibung ergebe sich, dass eine vollständige Trennung des Anliefer- und Auslieferverkehrs stattfinde, so dass eine erhebliche Verkehrsentlastung von der ...Straße stattfinden werde. Die Betriebsbeschreibung enthalte die Aussage, „die Anlieferung erfolgt dann über die ...straße“. Auch die Beigeladene habe ausgeführt, dass der gesamte Anlieferverkehr seit 2004 nicht mehr über die ...Straße, sondern abgeschirmt über die ...straße stattfinde. Diesen entscheidungsrelevanten Sachverhalt habe der Beklagte nicht in hinreichendem Umfang aufgeklärt. Die Behörde habe sich darauf beschränkt, ungeprüfte Angaben der Beigeladenen für die 43. KW des Jahres 2015 nur für die Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr zugrunde zu legen. Eigene Prüfungen sowohl hinsichtlich des Schalldruckpegels als auch hinsichtlich der Zustände vor Ort seien seitens des Landratsamtes scheinbar völlig unterblieben. Auch sei es unterblieben, die weiteren Nachbarn zu den Zuständen vor Ort zu befragen. Von Klägerseite seien vier Zeugen benannt worden, deren Befragungen jedoch unterblieben seien. Exemplarisch sei auf das Anschreiben der Zeugin ... vom 28. Mai 2015 an das Landratsamt ... hinzuweisen. Die Zeugin ... habe mitgeteilt, dass sie zwischenzeitlich Eigentümerin des Grundstücks und des Gebäudes ...Straße ... sei und ihr schon jetzt das Verkehrs-und Lärmaufkommen, das dort vor allem nachts zu beobachten sei, ... bereite. Die Angaben der Klägerin über den stattfindenden Anlieferverkehr seien weder berücksichtigt noch geprüft worden. Sachverhaltsaufklärung zu den Anliegerbewegungen zur Tagzeit seien vollständig unterblieben. Ebenfalls habe das Landratsamt ... die Begründung des Bebauungsplans ... vom 15. Februar 1988 nicht berücksichtigt. Unter Ziffer 2 „Ziel und Zweck des Bebauungsplans“ sei folgendes ausgeführt:
„Bei der Aufstellung des Bebauungsplans ... werden vor allem die Interessen des örtlichen Gewerbes befriedigt. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte sind wirtschaftliche Interessen nicht den ökologischen vorgezogen worden, vielmehr wurden die dringenden Erfordernisse der Kommune im Sinne der Allgemeinheit berücksichtigt.“
Bei der Errichtung des Bebauungsplans sei kommuniziert worden, dass es sich um ein „stilles Gewerbegebiet“ handele. Das Landratsamt habe die falsche Schlussfolgerung getroffen, dass sich die Schallimmissionen auf das Grundstück der Klägerin in dem vorgegebenen zulässigen Rahmen von 47 dB(A) hielten. Der Bescheid vom 13. Januar 2016 berücksichtige nicht, dass sich die baulichen Verhältnisse seit der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros für Bauphysik GmbH ... vom 5. Juni 2002 geändert hätten. Die Unvollständigkeit der Sachverhaltsaufklärung offenbare sich auch in Zugrundelegung der von der Beigeladenenseite angegebenen Verkehre von vier kleineren anliefernden Lkw. Auf dieser gänzlich unvollständigen Sachverhaltsgrundlage könne keine objektive fehlerfreie Entscheidung über die am Grundstück Fl.Nr. ... bestehenden Immissionen getroffen werden. Der Beklagte unterstelle ohne zutreffende und hinreichende Ermittlung der tatsächlichen Verkehrsbewegungen, dass die gesamten Schallimmissionen nicht den Schallimmissionspegel von 47 dB(A) überstiegen. Aufgrund dieser fehlerhaften Sachverhaltsermittlung unterbleibe eine zutreffende sachgerechte Abwägung. Der Beklagte erfasse nicht, dass sich der konkrete Umfang der bauaufsichtlich genehmigten Nutzung aus den Betriebsbeschreibungen ergebe. Danach solle die Anlieferung nur über die ...straße stattfinden. Diese Festlegung stehe ergänzenden Anlieferungen auch über die ...Straße entgegen.
Mangels noch immer nicht hinreichender Ermittlungen könne immer noch nicht definitiv beurteilt werden, ob die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung vorlägen. Da die Streitsache insoweit nicht spruchreif sei, sei der Antrag der Klägerin derzeit auf eine Verbescheidung zu beschränken. Seitens des Beklagten sei vielmehr erst der vorliegende Sachverhalt hinreichend zu ermitteln, um eine sachgerechte Ermessensausübung überhaupt erst zu ermöglichen (mit Verweis auf VG Würzburg, U. v. 6.8.2009 - W 5 K 08.956 - juris Rn. 20).
Der Beklagte beantragt im Verfahren AN 9 K 15.01258,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird auf den ablehnenden Bescheid verwiesen.
Die Beigeladene beantragt im Verfahren AN 9 K 15.01258,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass es unzutreffend sei, dass die gesamte Anlieferung ausschließlich über die ... Straße erfolge. Fakt sei, dass im Gegensatz zum früheren Zustand der überwiegende Teil der Warenanlieferung über die ... Straße stattfinde. Die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der schallimmissionstechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros für Bauphysik ... GmbH vom 5. Juni 2002 seien nicht zum Nachteil der Klägerin, sondern durch Verlagerung des Lieferverkehrs in einen abgeschirmten Teil zu deren Vorteil erfolgt. Die Videoaufzeichnungen belegten, dass der Lieferverkehr über die ...Straße im Zeitraum zwischen 3:00 und 5:00 Uhr vier kleine Lkws, montags zusätzlich ein KleinLkw umfasse. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der klägerischen Wohnung um eine Betriebswohnung handle. Der nächtliche Immissionsrichtwert von 47 dB (A) werde nicht überschritten.
In der mündlichen Verhandlung am 2. März 2016 übergibt die Beigeladene eine Aufstellung der nächtlichen Lieferverkehre für die KW 43/2015. Die Klägerin übergibt teilweise undatierte Lichtbilder zu Lkw-Verkehren in der ...Straße. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegende Gerichtsakte und die beigezogenen Verfahrensakten Bezug genommen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2016 wird auf die Niederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Sowohl die Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 als auch die Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten bleiben ohne Erfolg.
I.
Die Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 erweist sich schon wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses infolge Verwirkung als unzulässig.
Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Das ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. z. B. BVerwG v. 7.2.1974, - III C 115.71
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 25.01.1974 - IV C 2.72
Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er mit seinen Einwendungen länger als notwendig gewartet hat (BayVGH
Maßgeblich ist dabei nicht das Erkennen, sondern die Erkennbarkeit der Genehmigung bzw. der hierdurch verursachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und dem Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Kenntnisnahme ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen hat (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 20.12.2005 - 10 B 10.05 - juris; OVG NRW, U. v. 28.1.2016 - 10 A 447/14 - juris). Dabei kommt es maßgeblich auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn an. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind (vgl. VGH BW, U. v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 -, Rn. 38, juris).
Vorliegend ist aufgrund der zumindest seit 2007 vollständig erfolgten Realisierung des Bauvorhabens und dem seither bestehenden und von der Klägerin erkennbaren betrieblichen Lieferverkehrs auf dem Grundstück der Beigeladenen von einer Verwirkung des Rechtschutzinteresses für die erhobene Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 auszugehen.
Der für die Klägerin im Wesentlichen beeinträchtigende Nachtbetrieb war bereits mit Baugenehmigung vom 13. August 2002 genehmigt worden. Die aus der angefochtenen Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 resultierenden Beeinträchtigungen waren ebenfalls spätestens mit Realisierung des Bauvorhabens erkennbar. Eine Baubeginnsanzeige für die Realisierung der Baugenehmigung vom 13. August 2002 erfolgte am 8. August 2006, eine Einmessbescheinigung für die mit Bescheid vom 28. Januar 2004 genehmigte Erweiterung der Lagerhalle wurde im Juli 2006 vorgelegt. Ein Abschluss der Baumaßnahmen ist spätestens mit Rückgabe der Bürgschaft für die Pflanzungen der Außenanlagen im Januar bzw. November 2007 anzunehmen. Mit der Aufnahme der nächtlichen Belieferungen waren die Beeinträchtigungen durch die mit Bescheiden vom 13. August 2002 und 28. Januar 2004 genehmigte bauliche Nutzung des Grundstücks des Beigeladenen für die Klägerin erkennbar. Nach den Angaben der Beigeladenen bestehen die Betriebsabläufe seit 2007/2008 weitgehend unverändert. Dies wird durch Vorlage der exemplarischen Liefervorgänge für die KW 43 im Jahr 2015 bestätigt, wonach sich die Liefervorgänge über die ...Straße jeweils im Zeitraum zwischen 3.00 Uhr und 4.30 Uhr auf 4 bzw. 5 Lkws beschränken. Unter Berücksichtigung von An- und Abfahrt ist damit von 8 bis 10 nächtlichen Lkw-Fahrbewegungen auszugehen. Dies deckt sich mit den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Juli 2015 vorgetragenen nächtlichen Lieferverkehren in der ...Straße im Zeitraum vom 8. bis zum 11.12.2014, die am 11.12.2014 für die lauteste Nachtstunde zwischen 3:00 und 4:00 Uhr neun Fahrbewegungen, für die gesamte Nacht zehn betriebliche Fahrbewegungen aufweisen.
Aufgrund der seit 2007/2008 im Wesentlichen unverändert bestehenden Betriebsabläufe waren die für die Klägerin vorgetragenen Beeinträchtigungen durch Lärmimmissionen in Ausübung der angefochtenen Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 seit vielen Jahren erkennbar. Auf die konkrete Kenntnis der den Baugenehmigungen zugrunde liegenden Betriebsbeschreibungen kommt es dabei im Detail ebenso wenig an, wie auf die Kenntnis vom Vorliegen schallimmissionstechnischer Untersuchungen. Bereits mit Erkennbarkeit der Baumaßnahmen für den Erweiterungsbau und dem Beginn der nächtlichen Lieferverkehre wäre die Klägerin aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gehalten gewesen, eine Verletzung nachbarschützender Rechte aus der angefochtenen Baugenehmigung zu prüfen und gegebenenfalls zu rügen. Wird erst nach einem Zeitablauf von sieben Jahren nach Erkennbarkeit der Baumaßnahmen und des nächtlichen Lieferverkehrs Akteneinsicht genommen, wird der Bauherr nach Treu und Glauben nicht mehr mit einer Anfechtung der ihm erteilten Baugenehmigung rechnen müssen. Überdies überschreitet selbst der Zeitraum zwischen sicherer Kenntnis der erteilten Baugenehmigung nach erfolgter Akteneinsicht im Oktober 2014 und Klageerhebung am 30. Dezember 2014 den Zeitraum einer einzuhaltenden Klagefrist nach § 74 VwGO (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 15). Unter Berücksichtigung, dass Verwirkung auch schon vor Ablauf der Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO eintreten kann, würde sich selbst bei Abstellen auf die sichere Kenntnis die Frage stellen, ob die Klägerin hier ungesäumt ihre Rechtschutzmöglichkeiten ausgeübt hat. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an, da in Anbetracht eines Zeitablaufs von 10 Jahren nach Erteilung der (letzten) Baugenehmigung und einer Realisierung des Bauvorhabens seit spätestens 2007 maßgeblich auf die Erkennbarkeit der durch die Baugenehmigung bedingten, tatsächlichen Beeinträchtigungen für den Nachbarn abzustellen ist. Nach Ablauf eines Zeitraums von mindestens sieben Jahren seit Erkennbarkeit dieser Beeinträchtigungen überwiegt das schutzwürdige Vertrauen des Bauherrn in den Bestand der ihm erteilten Baugenehmigung.
Auf die von Klägerseite vorgetragene, subjektiv wahrgenommene Zunahme der nächtlichen Lieferverkehre seit 2013 kommt es darüber hinaus insoweit nicht an, als schon nicht belegt ist, dass diese Verkehre in Ausübung der angefochtenen Baugenehmigung dem Betrieb der Beigeladenen zuzuordnen sind. Die von Klägerseite in der mündlichen Verhandlung am 2. März 2016 vorgelegten Lichtbilder stellen überwiegend die Verkehrssituation auf der öffentlichen Verkehrsfläche in der ...Straße dar und lassen weder eine zeitliche Zuordnung noch eine betriebliche Zuordnung zum Betrieb des Beigeladenen eindeutig erkennen. Darüber hinaus ist Klagegegenstand der Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung der Regelungsgehalt der Baugenehmigung und die etwaige Verletzung nachbarschützender Rechte. Auf die tatsächliche, plan- und genehmigungsgerechte Ausführung des Bauvorhabens kommt es insoweit nicht an. Gegen eine ggf. von der Baugenehmigung nicht umfasste Nutzung muss ein Nachbar im Wege eines Antrages auf bauaufsichtliches Einschreiten vorgehen.
Die in Ausübung der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 mit dem Betrieb des Beigeladenen einhergehenden Beeinträchtigungen waren für die Klägerin somit spätestens seit 2007/2008 erkennbar, so dass ihr Rechtsschutzinteresse zur Anfechtung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung als verwirkt anzusehen ist.
II.
Die als Untätigkeitsklage erhobene und nach Erlass des ablehnenden Bescheides des Beklagten vom 13. Januar 2016 als Verpflichtungsklage fortgeführte Klage ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
1.
Die Verpflichtungsklage ist zulässig, das Rechtsschutzinteresse der Klägerin ist insoweit nicht als verwirkt anzusehen. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes auch der Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten verwirken, wenn bei Drittrechtsbehelfen eine derart lange Zeit abgewartet wird, dass die Durchsetzung nachbarlicher Rechte als treuwidrig erscheint (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2014 - 15 ZB 12.1236 - juris Rn. 5 ff.; VG Regensburg, U. v. 6.8.2003 - RO 2 K 03.933 - juris). Vorliegend begehrt die Klägerin bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine nach ihrer Auffassung aktuell genehmigungswidrige bauliche Nutzung auf dem Grundstück der Beigeladenen. Das Nachsuchen von Rechtsschutz mit einem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten im Dezember 2014 erscheint insofern nicht als rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin ist auch klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO, da ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten aufgrund Verletzung nachbarschützender Rechte nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
2.
Die Verpflichtungsklage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Ermessensentscheidung über den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei der vorliegenden Verpflichtungs- bzw. Verbescheidungsklage ist dabei grundsätzlich der der letzten mündlichen Verhandlung. Einem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die bauliche Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen dürfte bereits die Legalisierungswirkung der Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 entgegenstehen (vgl. 2.1). Darüber hinaus ist die Klägerin durch die bauliche Nutzung nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt; insbesondere erweisen sich unter Berücksichtigung der Gebietsart als Gewerbegebiet und der dementsprechend verminderten Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung als Betriebsleiterwohnung die mit der baulichen Nutzung verbundenen Immissionen nicht als rücksichtslos nach § 15 Satz 2 BauNVO (vgl. 2.2). Die Ablehnung des bauaufsichtlichen Einschreitens mit Bescheid vom 13. Januar 2016 weist keine Ermessensfehler nach § 114 Satz 2 VwGO auf (vgl. 2.3).
2.1.
Einem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten aus Art. 76 Satz 2 BayBO bzw. Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO dürfte vorliegend bereits die Legalisierungswirkung der Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 entgegenstehen.
Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 können sie in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Gemäß Art. 76 Satz 2 kann die Nutzung untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.
Ein Anspruch des Nachbarn auf Erlass einer bauaufsichtlichen Anordnung ist nur gegeben, wenn die bauliche Anlage bzw. deren Nutzung gegen eine nachbarschützende Vorschrift des öffentlichen Rechts verstößt, wenn die Bauaufsichtsbehörde deshalb zum Einschreiten berechtigt ist (Art. 76 Satz 2, Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO, Art. 8 LStVG analog) und wenn besondere Voraussetzungen vorliegen, unter denen sich das Eingriffsermessen der Bauaufsichtsbehörde zum Schutz des Nachbarn zu einer Eingriffspflicht verdichtet (vgl. BayVGH, B. v. 31.3.2004 - 1 ZB 03.452 -, Rn. 8, juris). Eine Ermessensreduzierung zugunsten eines in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffenen Nachbarn kann nur bei besonders qualifizierten Beeinträchtigungen der nachbarlichen Rechtsstellung in Betracht kommen, namentlich, wenn eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonstige unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind (st.Rspr., vgl. z. B. BayVGH, B. v. 18.6.2008 - 9 ZB 09.497 - juris Rn. 4 m. w. N.). Von einer Ermessensreduzierung auf Null ist dann auszugehen, wenn die von der rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt (vgl. BayVGH
Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten scheidet bereits dann aus, wenn sich die Nutzung innerhalb der Variationsbreite der genehmigten Nutzung bewegt und damit vom Bestandsschutz der Baugenehmigung umfasst ist (vgl. OVG NRW, U. v. 28.1.2016 - 10 A 447/14 - Rn. 52, juris).
Einem Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten dürfte vorliegend bereits die Legalisierungswirkung der Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 entgegenstehen. Von der Wirksamkeit der Baugenehmigungen ist auszugehen. Insbesondere lässt das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich einer geltend gemachten Unbestimmtheit der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 keinen zur Nichtigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führenden Verstoß erkennen (Art. 44 BayVwVfG). Allenfalls erhebliche Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten können zur Nichtigkeit einer Baugenehmigung führen (vgl. Simon/Bus-se/Gaßner BayBO Art. 64 Rn. 32, beck-online). Unter Berücksichtigung der eindeutigen Umschreibung der baulichen Nutzung und der Festlegung entsprechender Immissionsrichtwerte in der Baugenehmigung ist ein solcher zur Nichtigkeit führender Mangel jedoch nicht erkennbar.
Die bauliche Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen, gegen die nach dem Antrag der Klägerin bauaufsichtlich eingeschritten werden soll, bewegt sich innerhalb der Variationsbreite der genehmigten und hinreichend bestimmten baulichen Nutzung. Der Inhalt einer Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34; BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - Rn. 18, juris). Der Bauantrag mit den Bauvorlagen muss eindeutig und prüffähig sein. Nach § 9 Satz 1 BauVorlV sind in der Baubeschreibung das Bauvorhaben und seine Nutzung zu erläutern, soweit dies zur Beurteilung erforderlich ist und die notwendigen Angaben nicht im Lageplan und den Bauzeichnungen enthalten sind. Angaben, die zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht erforderlich sind, brauchen darüber hinaus in den Bauvorlagen nicht enthalten zu sein. Denn die Bauvorlagen sind kein Selbstzweck, dienen insbesondere nicht einer minutengenauen, statischen Festschreibung betrieblicher Abläufe, sondern sollen letztlich eine Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens ermöglichen (vgl. Simon/Busse/Gaßner BayBO Art. 64 Rn. 64-67, beck-online). Wenn die Bauaufsichtsbehörde es zur Beurteilung für erforderlich hält, kann sie nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Unterlagen, z. B. Lärmschutzgutachten bei umweltschädlichen Vorhaben verlangen (§ 1 Abs. 4 BauVorlV). Andererseits soll sie aber auf Vorlagen oder einzelne Angaben verzichten, soweit sie zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens nicht erforderlich sind (§ 1 Abs. 5 BauVorlV).
Sowohl in der Baugenehmigung vom 13. August 2002 als auch in der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 werden in hinreichend bestimmter Weise für die Nutzung des Grundstück der Beigeladenen Immissionsrichtwerte u. a. für das klägerische Grundstück als Immissionsort festgesetzt (62 dB(A) im Zeitraum 6-22 Uhr, 47 dB(A) im Zeitraum 22-6 Uhr). Damit eröffnen die Baugenehmigungen keinen im Hinblick auf die Nachbarverträglichkeit unreglementierten Liefer- und Personalverkehr. Im Hinblick auf die festgesetzten Immissionsrichtwerte wird das Bauvorhaben unter Berücksichtigung der genehmigten Bauvorlagen und der Baubeschreibung hinreichend umschrieben und ermöglicht eine Überprüfung der Nachbarrechtskonformität der baulichen Nutzung. Mit der Bezeichnung des Vorhabens in den dem Bauantrag beigefügten Bauvorlagen und der Betriebsbeschreibung hat die Beigeladene den Gegenstand des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens festgelegt. Sind daraus Inhalt, Reichweite und Umfang der Baugenehmigung eindeutig erkennbar, bestehen keine Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit der Baugenehmigung nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (vgl. BayVGH, B. v. 28.1.2016 - 9 ZB 12.839 -Rn. 19, juris).
Wenngleich vorliegend die den Baugenehmigungen zugrunde liegenden Betriebsbeschreibungen, insbesondere in der Fassung der ergänzten Betriebsbeschreibung vom 14. Oktober 2003 keine stunden- oder minutengenauen Lieferverkehre benennen, werden aufgrund des umschriebenen Betriebsablaufs, der aufgeführten Liefer-, Werk- und Personalverkehre sowie der angeführten Fahrzeug- und Maschinendaten die wesentlichen nachbarrechtsrelevanten Merkmale des Betriebs hinreichend klar festgesetzt. Zwar lässt sich mangels einer stündlichen Aufschlüsselung der zu erwartenden Immissionen in der ergänzten Betriebsbeschreibung vom 14. Oktober 2003 die für die Beurteilung maßgebliche lauteste Nachtstunde nach Nr. 6.4 Satz 6 TA Lärm nicht konkretisieren. Ist jedoch bereits aufgrund der nicht auf die einzelnen Nachtstunden konkretisierten Lieferverkehre ein Überschreiten der einzuhaltenden nächtlichen Immissionsrichtwerte nicht ersichtlich, so bedarf es keiner weitergehenden Angaben zur Verteilung der Anlieferungen innerhalb des Anlieferungszeitraums (vgl. OVG NRW, B. v. 8.8.2013 - 7 B 570/13 - BeckRS 2013, 54307; OVG NRW, B. v. 29.1.2016, a. a. O., Rn. 13, juris). Unter Zugrundelegung der Bewertung im schallimmissionsschutztechnischen Gutachten vom 5. Juni 2002 ist bei den in der ergänzten Betriebsbeschreibung vom 14. Oktober 2003 angegebenen nächtlichen Liefervorgängen von der Einhaltung des Immissionsrichtwertes von 47 db(A) auszugehen. Wenngleich eine weitere Konkretisierung hinsichtlich der einzelnen Emissionsorte und hinsichtlich der einzelnen Nachtstunden wünschenswert gewesen wäre, ermöglichen die Angaben eine Beurteilung des Vorhabens im Hinblick auf die Nachbarrechtskonformität. Insofern war die Vorlage eines weiteren Lärmschutzgutachtens als verzichtbar im Sinne von § 1 Abs. 5 BauVorlV anzusehen.
Die bauliche Nutzung des Grundstücks des Beigeladenen hält sich im Rahmen der Variationsbreite der genehmigten Nutzung. Änderungen des in der Betriebsbeschreibung dargelegten betrieblichen Ablaufs führen dann nicht zu einer baurechtswidrigen Nutzung, solange die bauliche Nutzung die in der Baugenehmigung festgesetzten Immissionsrichtwerte wahrt. Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die tatsächliche bauliche Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen, insbesondere der allenfalls kritische nächtliche Lieferverkehr, die in der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 festgelegten Immissionsrichtwerte - jedenfalls hinsichtlich der hier relevanten Immissionsrichtwerte auf dem Grundstück der Klägerin - einhält. Das der Baugenehmigung vom 13. August 2002 zugrunde liegende schallimmissionsschutztechnische Gutachten vom 5. Juni 2002 ging für die lauteste Nachtstunde vom Beladen und der Abfahrt von 4 Lkws an den Rampen 6-9, der Anfahrt und dem Beladen von 4 Lkws an den Rampen 6-9 und der Anfahrt nebst Entladen von 2 Lkws am Tor 1 mit entsprechenden Ladevorgängen (8 malige Ladevorgänge mit 20 Rollcontainern, zwei Ladevorgänge mit einer und zwei Paletten), der Anfahrt von 12 Privat-Pkws von Mitarbeitern und den erforderlichen Betriebsgeräuschen der Kühltechnik und des Hallenbetriebs aus. Dabei ergab sich für die lauteste Nachtstunde zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr am Immissionsort 1 (= klägerisches Grundstück) ein Beurteilungspegel von 39 dB(A). Von Klägerseite wurde nichts dazu vorgetragen, was die Richtigkeit der schallimmissionstechnischen Bewertung in Frage stellen könnte. Insbesondere haben sich weder Art und Weise der Betriebsgeräusche, noch der Emissions- oder der Immissionsort - zumindest nicht zulasten der Klägerin - maßgeblich geändert. Die von der Beigeladenen exemplarisch dargelegten vier bzw. fünf Liefervorgänge mit acht bzw. zehn Fahrbewegungen pro Nacht (vgl. Aufstellung über die Lieferverkehre in der KW 43/2015) mit entsprechenden Ladevorgängen bewirken unter Zugrundelegung der Berechnung im schallimmissionstechnischen Gutachten des Ingenieurbüros für Bauphysik ... GmbH vom 5. Juni 2002 keine Überschreitung der festgesetzten Immissionsrichtwerte. Die von Klägerseite für die Nächte zwischen dem 8.-11.12.2014 vorgetragenen Lieferverkehre überschreiten mit neun Fahrzeugbewegungen in der lautesten Nachtstunde die der Berechnung zugrunde gelegten Fahrbewegungen nicht maßgeblich. Unter Berücksichtigung dessen, dass eine Verdoppelung der Geräuschquellen einen um 3 dB(A) höheren Schalldruckpegel verursacht (vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Lärm - Hören, messen und bewerten, 2013, S. 2), wäre somit selbst bei einer Vervierfachung der Betriebsgeräusche der nächtliche Immissionsgrenzwert von 47 dB(A) am klägerischen Grundstück nicht überschritten, obwohl eine solche Zunahme des nächtlichen, vom Betrieb der Beigeladenen ausgelösten Verladens auf dem Betriebsgrundstück mit Zu-/Abfahrt über die ...Straße weder von der Klägerin substantiiert dargelegt wurde, noch aufgrund der örtlichen Verhältnisse denkbar ist. Eine Beeinträchtigung der Klägerin durch Verkehr zum Betriebsgrundstück von Norden über die ... Straße her erscheint aufgrund der örtlichen Verhältnisse als ausgeschlossen, zumal eine Durchfahrt durch das Betriebsgrundstück nach den genehmigten Plänen weder vorgesehen noch möglich ist.
Nach Nr. 7.4 Abs. 2 bis 4 TA Lärm bleiben Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen in Industrie- und Gewerbegebieten unberücksichtigt. Auf die von der Klägerin dargelegte Frequentierung der ...Straße kommt es daher nicht maßgeblich an, zumal eine Zuordnung der abgelichteten Lkw-Verkehre zum Betrieb der Beigeladenen und zur Nachtzeit nicht belegt ist.
Entgegen der klägerischen Auffassung schließt die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 auch nicht jeglichen Lieferverkehr über die ...Straße aus. Ein solcher Ausschluss ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Baugenehmigung noch aus den zugrunde liegenden Bauvorlagen. Mit der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 wurde eine bauliche Erweiterung auf den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... Gemarkung ... genehmigt. Die bauliche Nutzung der Bestandsgebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. ... wurde mit dem Erweiterungsvorhaben jedoch weder geändert noch aufgegeben. Die in der Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 angekündigte Trennung zwischen Anlieferungs- und Auslieferungsverkehr und die damit verbundene Verkehrsentlastung der ...Straße lässt sich nicht dahingehend auslegen, dass jegliche Anfahrt über die ...Straße ausgeschlossen sein sollte. Dies umso mehr, als eine Lieferanfahrt des Bestandsgebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... über die ... Straße und den von der Beigeladenen geschaffenen Privatweg nach den genehmigten Bauplänen und den vorliegenden Luftbildern gar nicht möglich wäre. Die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 hatte somit weder nach ihrem Wortlaut noch in Auslegung der zugrundeliegenden Betriebsbeschreibung einen vollständigen Ausschluss von Lieferverkehren über die ...Straße zum Gegenstand.
Der von der Klägerin angegriffene Lieferverkehr der Beigeladenen über die ...Straße bewegt sich somit innerhalb der Variationsbreite der durch die Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 genehmigten Nutzung, so dass bereits aufgrund dieser Legalisierungswirkung ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ausscheidet.
2.2.
Die bauliche Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das nachbarschützende Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.
Das Rücksichtnahmegebot findet in qualifiziert beplanten Bereichen nach § 30 Abs. 1 BauGB über § 15 Abs. 1 BauNVO Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung (vgl. BVerwG, U. v. 5.8.1983 - 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 - 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder dessen Umgebung unzumutbar sind.
Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden Interessenbewertung ist ausschlaggebend, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem zur Rücksichtnahme Verpflichteten nach der jeweiligen Situation, in der sich die betroffenen Grundstücke befinden, im Einzelfall zuzumuten ist. Im Rahmen einer Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen (BVerwG, U. v. 5.8.1983 - 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334/337 und
Vorliegend ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen in einem festgesetzten Gewerbegebiet nach § 8 BauNV0 befinden. Der Bebauungsplan „Gewerbegebiet ... Straße“ der Marktgemeinde ... vom 21. Juli 1989 in der Fassung vom 16. Oktober 2000 sieht weder in den planerischen noch in den textlichen Festsetzungen immissionsschutzrechtliche Begrenzungen auf ein wie auch immer geartetes „stilles Gewerbe“ vor. Die besondere Zweckbestimmung von Gewerbegebieten liegt nach § 8 Abs. 1 BauNV0 in der vorwiegenden Unterbringung von Gewerbebetrieben unter gleichzeitigem Ausschluss einer Wohnnutzung. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind in Gewerbegebieten Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe allgemein zulässig. Der Betrieb der Beigeladenen ist somit seiner Art nach allgemein zulässig. Demgegenüber sind Wohnungen im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 3 Nummer 1 BauNV0 nur für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind, ausnahmsweise zulässig. Aufgrund der „Situationsbelastung“ kommt dem Schutz des Wohnens im Gewerbegebiet regelmäßig ein geringerer Stellenwert zu (vgl. BayVGH, U. v. 14.8.2008 - 14 B06. 1181 - juris, Rn. 33). Im festgesetzten Gewerbegebiet weist das Wohnen mithin einen nachrangigen Stellenwert und damit ein niedrigeres Schutzniveau auf. Die allgemeine Zweckbestimmung in § 8 Abs. 1 BauNV0 für „nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe“ bedeutet, dass damit sämtliche gewerbliche Nutzungen umfasst sind, die mit Rücksicht auf das Wohnen wegen ihren ihres Störungsgrades nicht mehr ohne weiteres mischgebietsverträglich sind, ohne andererseits so zu belästigen, dass sie nur in einem Industriegebiet im Sinne des § 9 BauNV0 verwirklicht werden könnten (vgl. BVerwG, B. v. 8.11.2004 - 4 BN 39/04 - NVwZ 2005, 324). Aus dieser Formulierung kann indes nicht geschlossen werden, dass von ihnen überhaupt keine das Wohnen belästigende Wirkung ausgehen dürfte. Vielmehr sind Betriebsgeräusche, Schwerlastverkehr und Geräusche, welche durch die Be- und Entladung sowie die An- und Abfahrt von Lkws entstehen, und die für ein Gewerbegebiet typisch sind, im Rahmen der zumutbaren Immissionsrichtwerte grundsätzlich hinzunehmen (vgl. OVG RhPf, U. v. 12.6.2012 - 8 A 10291/12 - juris Rn. 38). Nur in besonderen Ausnahmefällen müssen Betriebe, die in das Gewerbegebiet gehören und dort den zulässigen Störgrad einhalten, gegenüber den anderen Nutzungen Rücksicht üben (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, § Rn. 36-42, beck-online). Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme führt nicht nur zu einer Verpflichtung desjenigen, der Beeinträchtigungen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Beeinträchtigungen - wie hier im Gewerbegebiet - aussetzt (vgl. BayVGH, U. v. 14.7.2006 - 1 BV 03.2179 - juris, Rn. 41, 42).
Zur Bestimmung der Grenze dessen, was im Rahmen des Rücksichtnahmegebots einem Nachbarn an Einwirkungen in Form von Lärmimmissionen zugemutet werden kann, kann im Regelfall auf die Begriffsbestimmungen und Maßstäbe des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 - juris Rn. 29), in dem die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein festlegt sind (BVerwG, U. v. 23.9.1999 - 4 C 6/98 - juris; VG München, U. v. 26.7.2011 - M 1 K 11.2366 - juris Rn. 26). Lärmimmissionen können unzumutbar sein, sofern sie nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG). Für die Bemessung der Zumutbarkeit des mit einer gewerblichen Anlagennutzung verbundenen Verkehrs kann als Anhaltspunkt auf die Regelung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503) zurückgegriffen werden. Die Grenze der Zumutbarkeit von Gewerbelärm wird regelmäßig durch die Immissionsrichtwerte unter Nr. 6 der TA Lärm konkretisiert. Nach Nummer 6. 1 b) TA Lärm betragen die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Gewerbegebieten tags 65 db(A) und nachts 50 db(A). Gemäß Nummer 7.4 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm sind Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen in Gewerbegebieten nach Nummer 6. 1 b) TA Lärm nicht zu berücksichtigen.
Sowohl die von der Beigeladenen angegebenen - allenfalls kritischen - nächtlichen Lieferverkehre als auch die von Klägerseite für die Nächte vom 8. bis zum 11. Dezember 2014 exemplarisch angegebenen Fahrverkehre halten - wie ausgeführt - die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 TA Lärm und die zugunsten der ausnahmsweise zulässigen Wohnnutzung abgesenkten Immissionsrichtwerte der Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 bei weitem ein. Dies ergibt sich bereits aus dem schallimmissionschutztechnischen Gutachten des Ingenieurbüros für Bauphysik ... GmbH vom 5. Juni 2002, wonach für vergleichbare Lieferverkehre und Betriebsgeräusche am klägerischen und Gebäude ein Schallbelastungspegel von 39 db(A) ermittelt wurde. Die immissionsschutzfachliche Bewertung durch Abteilung Natur- und Immissionsschutz des Landratsamtes des Beklagten vom 1. März 2016 bestätigt dieses Ergebnis. Selbst bei einer Verdoppelung bzw. Vervierfachung der Schallquellen, was einer Erhöhung um jeweils 3 db(A) entspräche, würde der Immissionsrichtwert vorliegend nicht überschritten werden.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Aufenthaltsräume des Wohnhauses der Klägerin durchweg nach Süden und Osten, somit auf die dem Gewerbebetrieb der Beigeladenen und insbesondere der Zu- und Abfahrt zu diesen abgewandten Seiten ausgerichtet sind.
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch die gewerbliche Nutzung des Grundstückes der Beigeladenen ist somit nicht ersichtlich.
2.3.
Die Ermessensentscheidung des Beklagten mit Bescheid vom 13. Januar 2016 ein bauaufsichtliches Einschreiten abzulehnen, ist nicht zu beanstanden. Ermessensfehler nach § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Eine Beurteilung der von Klägerseite geltend gemachten Beeinträchtigungen durch Lieferverkehre war anhand der Angaben der Beigeladenen und der Klägerin unter Berücksichtigung der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung vom 5. Juni 2002 ohne weitere Tatsachenermittlung oder fachliche Begutachtung möglich. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Bauaufsichtsbehörde entsprechend § 1 Abs. 5 BauVorlV auf die Vorlage eines weiteren schallschutztechnischen Gutachtens zur Beurteilung der Zumutbarkeit der durch den Gewerbebetrieb ausgelösten Immissionen verzichtet hat. Ein Ermessensdefizit ist darin nicht zu erkennen.
Die Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten ist somit als unbegründet abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, die sich durch Antragsstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf vor Verbindung jeweils 10.000,00 EUR, nach Verbindung auf 20.000,00 EUR festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 02. März 2016 - AN 9 K 15.01258, AN 9 K 14.02026
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(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.
(2) Zulässig sind
- 1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, - 2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude, - 3.
Tankstellen, - 4.
Anlagen für sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.
(2) Zulässig sind
- 1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, - 2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude, - 3.
Tankstellen, - 4.
Anlagen für sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks G.--------straße 17 (Gemarkung P. , Flur 12, Flurstück 59), das mit einem Mehrfamilienhaus bebaut ist. Dieses wurde grenzständig zu dem Grundstück G.--------straße 19 (Gemarkung P1. , Flur 12, Flurstück 202) errichtet und überdeckt das Flurstück 61, welches, wie das Grundstück G.--------straße 19, seit dem Jahr 2014 im Eigentum der Beigeladenen zu 3. steht. Zuvor waren die Beigeladenen zu 1. und 2. die Eigentümer. Das Mehrfamilienhaus des Klägers, das eine Bautiefe von 10 m aufweist, wurde mit Bauerlaubnis des Oberbürgermeisters der Stadt P1. vom 9. Mai 1925 genehmigt. Mit Baugenehmigung vom 10. Dezember 1975 wurde der Ausbau des Dachgeschosses genehmigt, der unter anderem den Einbau eines Badezimmers und einer rückwärtigen Dachgaube umfasste. Zu dem Grundstück der Beigeladenen zu 3. weist das Gebäude keine Fensteröffnung auf.
3Den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilte die Beklagte am 22. September 1997 eine Baugenehmigung zur Erweiterung und zum Ausbau des Dachgeschosses ihres Einfamilienhauses auf dem Grundstück G.--------straße 19, das, wie das Grundstück des Klägers, nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt. Das Vorhaben ist im Bauantrag als Ausbau des Dachgeschosses bezeichnet. Ausweislich der mit einem Zugehörigkeitsvermerk versehenen Grundriss- und Ansichtszeichnungen umfasst die Baugenehmigung auch die Einrichtung eines Waschraums, die Errichtung einer Außentreppe sowie den Ausbau des im Erdgeschoss gelegenen Badezimmers um einen etwa 1,20 m vor die Außenwand tretenden Vorbau. Die Außenwand des Badezimmers und der äußere Rand der Außentreppe stehen in einem Abstand von weniger als 1 m zu dem Grundstück des Klägers. Mit dem Bauantrag hatten die Beigeladenen zu 1. und 2. eine von dem Kläger unterzeichnete, auf den 28. Juli 1997 datierte und als „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ bezeichnete schriftliche Erklärung (im Folgenden: Einverständniserklärung) vorgelegt, wonach seinerseits „keinerlei Bedenken zu den geplanten Umbauarbeiten“ bestünden.
4Am 23. September 1997 wurde die Zustellung der Baugenehmigung an die Beigeladenen zu 1. und 2. mittels Postzustellungsurkunde verfügt. Die Postzustellungsurkunde ist nach Angaben der Beklagten nicht mehr auffindbar. Nach ihrer Verwaltungspraxis würden die Postzustellungsurkunden gesondert von den jeweiligen Hausakten in der Regel fünf Jahre lang aufbewahrt.
5Die Beigeladenen zu 1. und 2. zeigten der Beklagten im Oktober 1999 an, dass sie mit den Bauarbeiten am 4. Oktober 1999 begonnen hätten. Ein erster Termin zur Bauüberwachung wurde auf den 2. April 2001 festgesetzt. Am 2. Februar 2004 stellte ein Mitarbeiter der Beklagten ausweislich eines Aktenvermerks fest, dass ein Giebel errichtet worden sei. Im April 2005 waren die Dacharbeiten fast abgeschlossen. Am 25. Juli 2005 bescheinigte die Beklagte die Fertigstellung des Rohbaus. Im Juli 2006, im August 2008 und im Mai 2010 stellten Mitarbeiter der Beklagten jeweils weitere Baufortschritte fest. Nach einem Aktenvermerk vom 9. Dezember 2010 war das Vorhaben „so gut wie fertig“.
6Der Kläger bat die Beklagte mit Schreiben vom 21. August 2012 um Überprüfung der Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. Im Jahr 2012 seien grenznah ein Vorbau und eine Außentreppe errichtet worden. Er fordere den umgehenden Rückbau dieser baulichen Anlagen. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 4. Oktober 2012, die Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. entspreche der in Anwendung des § 6 Abs. 15 BauO NRW erteilten Baugenehmigung. Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes seien zurückgestellt worden, weil des Klägers Gebäude zum Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. hin über eine Gebäudeabschlusswand verfüge und er sein Einverständnis mit dem Vorhaben erklärt habe.
7Der Kläger hat am 28. September 2012 Klage erhoben und diese im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Die Beigeladenen zu 1. und 2. hätten die Außentreppe und den Vorbau zur Erweiterung des Badezimmers zwischen September 2011 und Februar 2012 errichtet. Er habe diesen zuvor nicht wahrnehmbaren Teilen des Vorhabens nicht zugestimmt, insbesondere seien ihm die Bauvorlagen nicht gezeigt worden. Die Außentreppe und der Vorbau seien in dem Bauantrag, der ihm vor Unterzeichnung der Einverständniserklärung im Jahr 1997 vorgelegt worden sei, nicht genannt worden. Da die Baugenehmigung am 23. September 1997 zur Post gegeben, aber erst am 4. Oktober 1999 mit den Bauarbeiten begonnen worden sei, sei die Baugenehmigung schon vor Beginn der Bauarbeiten erloschen. Im Übrigen sei nach Erteilung der Baugenehmigung auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. abgesehen von geringfügigen Arbeiten im Inneren des Hauses über Jahre hinweg praktisch nichts passiert, so dass die Baugenehmigung spätestens in dieser Untätigkeitsphase erloschen sei.
8Im Übrigen entspreche die Außentreppe nicht der Baugenehmigung. Wäre sie entsprechend der Genehmigung errichtet worden, würde sie sich teilweise auf seinem Grundstück befinden. Auch der Vorbau widerspreche der Baugenehmigung. Das Dach des rückwärtigen Teils des Hauses sei – ohne dass dies in den Bauvorlagen so vorgesehen sei – bis über die Außenwand des Vorbaus vorgezogen worden. Der Vorbau sei nur im Grundriss des Erdgeschosses, nicht aber im Grundriss des Dachgeschosses eingezeichnet. Außentreppe und Vorbau verstießen auch gegen die Abstandflächenregelungen des § 6 BauO NRW. Das Fenster in der Außenwand des Vorbaus sei als Öffnung in einer Gebäudeabschlusswand nach § 31 Abs. 4 BauO NRW nicht zulässig. Er, der Kläger, habe Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen das baurechtswidrige Fenster. Bei der auf einem Luftbild des Baugrundstücks mit Aufnahmedatum 23. März 2011 abgebildeten Treppe handele es sich um die dort von 2005 bis Herbst 2011 aufgestellte Behelfstreppe. Unmittelbar nach Errichtung der eigentlichen Außentreppe habe er diese und den Vorbau gegenüber den Beigeladenen zu 1. und 2. beanstandet. Mit der Anbringung des Außenkamins an seinem eigenen Haus, der in den Luftraum über dem Nachbargrundstück hineinrage, hätten sich die Beigeladenen zu 1. und 2. im Jahr 1998 einverstanden erklärt.
9Der Kläger hat beantragt,
101. die Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 aufzuheben,
112. die Beklagte zu verpflichten, gegen die von den Beigeladenen an dem hinteren Anbau auf der seinem Grundstück zugewandten Seite angebrachte Stahltreppe mit einer Einstellungs-, Unterlassungs- oder Beseitigungsverfügung vorzugehen,
123. die Beklagte zu verpflichten, gegen den von den Beigeladenen an den hinteren Anbau auf der seinem Grundstück zugewandten Seite angesetzten Badezimmeranbau mit einer Einstellungs-, Unterlassungs- oder Beseitigungsverfügung vorzugehen,
134. die Beklagte zu verpflichten, gegen die Nutzung des als Hobbyraum ausgewiesenen Dachstuhls des hinteren Anbaus des Gebäudes der Beigeladenen als Wohnzimmer mit einer Einstellungs-, Unterlassungs- oder Beseitigungsverfügung vorzugehen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat zur Begründung vorgetragen, spätestens seit der Rohbaufertigstellung seien für den Kläger die genehmigten äußeren Maße des Gebäudes auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. deutlich sichtbar gewesen. Die Baugenehmigung sei nicht erloschen. Der Kläger habe selbst eingeräumt, dass über Jahre hinweg Bauarbeiten an dem Gebäude durchgeführt worden seien. Der langsame, aber kontinuierliche Baufortschritt sei in den Akten dokumentiert. Das Vorhaben verstoße nicht gegen § 6 BauO NRW. Der Kläger habe ihm zudem zugestimmt.
17Die Beigeladenen zu 1. und zu 2. haben beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie haben ausgeführt, dem Kläger sei der Umfang des Vorhabens seit Jahren bekannt. Der Beigeladene zu 2. habe ihn bei Einholung seines Einverständnisses im Juli 1997 über sämtliche Einzelheiten des Vorhabens informiert und ihm die diesbezüglichen Bauzeichnungen vorgelegt. Die Baugenehmigung sei nicht erloschen, insbesondere sei die Bauausführung niemals ein Jahr lang unterbrochen worden. Der Kläger habe zudem sein Klagerecht verwirkt. Er habe bei der Errichtung der Außentreppe im Sommer 2010 häufig zugesehen und sogar sein Werkzeug angeboten. Mit allen Baumaßnahmen sei er einverstanden gewesen, bis sie, die Beigeladenen zu 1. und 2., im August 2012 ihr Einverständnis zu einer grenznahen rückwärtigen Bebauung auf seinem Grundstück verweigert hätten.
20Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich des Anfechtungsantrages unzulässig, weil der Kläger sein Klagerecht verwirkt habe. Die Außentreppe sei spätestens am 23. März 2011 errichtet worden, was sich insbesondere aus einem Luftbild von diesem Tage ergebe, auf dem sie zu sehen sei. Die vernommenen Zeugen hätten nichts Gegenteiliges ausgesagt. Die Arbeiten an dem Vorbau seien vor der Errichtung der Außentreppe jedenfalls so weit fortgeschritten gewesen, dass der Kläger eine dadurch bedingte mögliche Beeinträchtigung seiner Nachbarrechte habe erkennen können. Die Anträge auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Außentreppe, den Vorbau und die Nutzung des Dachgeschosses im rückwärtigen Teil des Hauses der Beigeladenen zu 1. und 2. seien unbegründet, weil die besagten Bauteile und Nutzungen durch die Baugenehmigung legalisiert seien. Die Baugenehmigung sei nicht erloschen. Es lasse sich nicht feststellen, dass nicht innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Vorhabens begonnen oder die Bauausführung ein Jahr unterbrochen worden sei. Für eine von der Baugenehmigung abweichende Bauausführung bestünden keine Anhaltspunkte.
21Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt vertiefend vor, die Außentreppe und der Vorbau seien von der Baugenehmigung nicht erfasst. Sie seien im Bauantrag nicht genannt. Jedenfalls seien die Bauvorlagen mangelhaft, weil die besagten Bauteile nicht erkennbar und anders dargestellt seien als ausgeführt. Zudem sei die Grundstücksgrenze in der Grundrisszeichnung nicht eingetragen und die Vermaßung des Vorbaus sei unvollständig. Seine, des Klägers, Einverständniserklärung sei zu unbestimmt, um wirksam zu sein, und erfasse weder die Außentreppe noch den Vorbau. Sein Klagerecht sei auch nicht verwirkt, insbesondere sei nicht bewiesen, dass die Außentreppe tatsächlich bereits im März 2011 errichtet gewesen sei. Der Zeitraum, in dem sie errichtet worden sei, ergebe sich weder aus den vorgelegten Lichtbildern noch aus dem von den Beigeladenen präsentierten Lieferschein vom März 2010. In dem erstinstanzlichen Ortstermin hätten die Vertreter der Beklagten selbst Bedenken im Hinblick auf den Brandschutz wegen der in die Außenwand des Vorbaus eingelassenen Fensteröffnung geäußert.
22Der Kläger beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und
241. die den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 aufzuheben,
25hilfsweise, festzustellen, dass die auf dem Grundstück G.--------straße 19 in P2. errichtete Außentreppe und der Vorbau zur Erweiterung des Badezimmers im Erdgeschoss des dort aufstehenden Wohnhauses nicht Gegenstand der den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilten Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 sind,
262. die Beklagte zu verpflichten, der Beigeladenen zu 3. aufzugeben, die in dem Hilfsantrag bezeichnete Außentreppe zu beseitigen,
273. die Beklagte zu verpflichten, der Beigeladenen zu 3. aufzugeben, den in dem Hilfsantrag bezeichneten Vorbau zu beseitigen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Sie trägt weiterhin vor, der Kläger habe sein Klagerecht gegen die Baugenehmigung verwirkt. Sein Begehren auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Außentreppe und gegen den Vorbau sei unbegründet.
31Die Beigeladenen beantragen,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Sie tragen ebenfalls vor, der Kläger habe sein Klagerecht verwirkt. Die Außentreppe und der Vorbau seien in den Bauvorlagen dargestellt gewesen, die der Kläger vor der Unterzeichnung seiner Einverständniserklärung im Jahre 1997 gesehen habe. Spätestens am 23. März 2011 habe er Kenntnis von den besagten Bauteilen haben müssen.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 13).
35Entscheidungsgründe:
36Die zulässige Berufung ist unbegründet.
37Der die Baugenehmigung betreffende Anfechtungsantrag und der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sind unzulässig. Die Anträge, die Beklagte zu verpflichten, gegen die Außentreppe und den Vorbau bauaufsichtlich einzuschreiten, sind unbegründet.
38Die Klage ist hinsichtlich der Anfechtung der Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 unzulässig, weil sie insoweit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.
39Ein Nachbar, der weder durch amtliche Bekanntgabe noch auf andere Weise von einer dem Bauherrn erteilten Baugenehmigung zuverlässig Kenntnis erlangt, der aber von der Baugenehmigung zuverlässige Kenntnis hätte haben beziehungsweise erlangen müssen, weil sich ihm ihre Existenz aufdrängen musste und es ihm möglich und zumutbar war, sich durch Nachfrage bei dem Bauherrn oder bei der Bauaufsichtsbehörde darüber Gewissheit zu verschaffen, muss sich in Anwendung des auch im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben hinsichtlich der Frage der Rechtzeitigkeit der Klageerhebung regelmäßig so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben worden, in dem er die Möglichkeit hatte, von ihr zuverlässig Kenntnis zu erlangen. In diesen Fällen ist die Klageerhebung nach Ablauf von einem Jahr ab dem Zeitpunkt, in dem der Kläger eine mögliche Verletzung seiner Rechte hätte erkennen und sich Kenntnis von der Baugenehmigung hätte verschaffen können, in der Regel treuwidrig.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 ‑ IV C 2.72 ‑ , juris, Rn. 23 ff., Beschlüsse vom 18. Januar 1988 ‑ 4 B 257.87 ‑, juris, Rn. 4, und vom 17. Februar 1989 ‑ 4 B 28.89 ‑, juris, Rn. 2; OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2005 – 7 A 1642/04 –.
41Der Kläger konnte und musste spätestens Ende März 2011 zuverlässig davon Kenntnis haben, dass das Vorhaben mit der grenznahen Errichtung der Außentreppe und des Vorbaus möglicherweise seine Rechte verletzt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger von dem Inhalt der Baugenehmigung Kenntnis erlangen können und müssen. Er hat die Klage aber erst mehr als ein Jahr später, nämlich am 28. September 2012 erhoben. Besondere Gründe, die der Treuwidrigkeit dieser verspäteten Klageerhebung entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
42Der Senat teilt die Überzeugung des Verwaltungsgerichts, dass sich aus dem von dem Kläger selbst vorgelegten Luftbild, welches das Aufnahmedatum „3/23/2011“ trägt, sicher ergibt, dass zu diesem Zeitpunkt die Außentreppe an ihrem gegenwärtigen Standort bereits errichtet war. Insoweit wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Insbesondere handelt es sich bei der auf dem Luftbild zu sehenden Treppe offensichtlich um eine zweiläufige Treppe mit Mittelpodest und nicht um die nur einläufige gerade Behelfstreppe, die auf den von den Beigeladenen zu 1. und 2. mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 übersandten Lichtbildern abgebildet ist. Mit dem pauschalen Vortrag, den verschiedenen vorgelegten Lichtbildern sei nicht zu entnehmen, wann diese aufgenommen worden seien, stellt der Kläger die Richtigkeit des Aufnahmedatums „3/23/2011“ auf dem von ihm selbst vorgelegten Luftbild nicht in Frage. Im Übrigen ergeben sich durchgreifende Zweifel daran, dass die Treppe spätestens im März 2011 vorhanden war, auch nicht aus den von dem Verwaltungsgericht protokollierten Zeugenaussagen.
43Es kann offenbleiben, ob für den Kläger auch der Vorbau bereits mehr als ein Jahr vor Klageerhebung erkennbar war. Hierfür sprechen nicht nur die Angaben der Beigeladenen und die Aussagen einiger von dem Verwaltungsgericht vernommener Zeugen, wonach der Vorbau im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung der Außentreppe erfolgt sei. Auch der Kläger hat in der Klagebegründung ausgeführt, die Erweiterung des Badezimmers im Erdgeschoss des Hauses der Beigeladenen zu 1. und 2. sei ab September 2011 ausgeführt worden.
44Jedenfalls war der Kläger bereits mit Blick auf die für ihn erkennbare Errichtung der Außentreppe Ende März 2011 gehalten, sich zur Wahrung seiner Rechte Kenntnis von der Baugenehmigung zu verschaffen und binnen Jahresfrist Klage zu erheben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war für ihn unübersehbar, dass ihn die Baumaßnahmen auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. zu beeinträchtigen vermochten.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2005 ‑ 7 A 1642/04 ‑.
46Nach alledem braucht nicht entschieden zu werden, ob ein etwaiges Abwehrrecht des Klägers gegebenenfalls bereits vor Ablauf von einem Jahr verwirkt gewesen ist oder ob der Kläger auf die Geltendmachung möglicher Abwehrrechte verzichtet hat, indem er ‑ bevor die Beteiligten in Streit gerieten ‑ sein Einverständnis mit den Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. hat erkennen lassen.
47Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 1975 – IV B 102.75 –, juris, Rn. 2, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4.89 –, juris, Rn. 18.
48Der hilfsweise gestellte Antrag, festzustellen, dass die auf dem Grundstück G.--------straße 19 in P2. errichtete Außentreppe und der Vorbau zur Erweiterung des Badezimmers im Erdgeschoss des dort aufstehenden Wohnhauses nicht Gegenstand der den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilten Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 sind, ist unabhängig davon, ob insoweit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klageänderung gemäß § 91 VwGO vorliegen, unzulässig. Der Feststellungsantrag ist unstatthaft, da der Kläger sein Klageziel, die Beseitigung der Außentreppe und des Vorbaus, durch die gestellten Verpflichtungsanträge erreichen kann (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2016 – 2 A 718/15 –.
50Die Anträge, die Beklagte zu verpflichten, der Beigeladenen zu 3. die Beseitigung der Außentreppe und des Vorbaus aufzugeben, sind zulässig, aber unbegründet.
51Ein Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Außentreppe und den Vorbau setzt einen mit diesen Bauteilen verbundenen Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die seinem Schutz dienen, voraus und eine Reduzierung des der Beklagten im Rahmen des § 61 Abs. 1 BauO NRW zustehenden Ermessens dahingehend, dass allein das begehrte bauaufsichtliche Einschreiten rechtmäßig ist.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Oktober 2003 – 10 A 3223/01 –, juris, Rn. 29 f.
53Es kann offenbleiben, ob die Außentreppe und der Vorbau gegen die Abstandflächenvorschriften des § 6 BauO NRW und die Fensteröffnung in der Außenwand des Vorbaus gegen § 31 Abs. 4 BauO NRW verstoßen.
54Denn einem Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten steht die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung entgegen, deren Aufhebung der Kläger wegen der Verwirkung seines Klagerechts nicht (mehr) verlangen kann. Durch die Baugenehmigung ist festgestellt, dass das Vorhaben baurechtlich zulässig ist, so dass der Erlass einer Beseitigungsverfügung ausscheidet.
55Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 2005 – 10 A 3611/03 –, juris, Rn. 36, und Beschluss vom 17. Januar 2013 – 10 A 34/12 –.
56Die Baugenehmigung ist nicht nichtig im Sinne des § 44 VwVfG NRW. Insbesondere folgt eine Nichtigkeit nicht aus einer etwaigen Unbestimmtheit hinsichtlich der genauen Lage der Außentreppe und des Anbaus sowie ihrer jeweiligen Abstände zu der Nachbargrenze.
57Es ist auch nicht feststellbar, dass die Baugenehmigung erloschen ist.
58Nach § 77 Abs. 1 BauO NRW in der Fassung vom 7. März 1995 (BauO NRW 1995) erlosch eine Baugenehmigung, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Vorhabens begonnen oder wenn die Bauausführung ein Jahr unterbrochen wurde. Dass hier nicht innerhalb von zwei Jahren nach Erteilung der Baugenehmigung mit der Ausführung des Vorhabens begonnen worden ist, lässt sich mangels Auffindbarkeit der Postzustellungsurkunde, anhand derer der Beginn der Zweijahresfrist datiert werden könnte, zur Überzeugung des Senats nicht mehr feststellen (§ 108 Abs. 1 VwGO).
59Nach Sinn und Zweck des § 77 Abs. 1 BauO NRW ist das Datum der Erteilung der Baugenehmigung der Tag ihrer Bekanntgabe an den Bauherrn, wodurch die Genehmigung äußere Wirksamkeit erlangt und der Bauherr das Recht erhält, das Vorhaben auszuführen.
60An welchem Tag die am 23. September 1997 von der Beklagten verfügte Zustellung der Baugenehmigung mittels Postzustellungsurkunde an die Beigeladenen zu 1. und 2. erfolgt ist, kann nicht mehr ermittelt werden. Die Postzustellungsurkunde ist nach den nachvollziehbaren und unwiderlegten Angaben der Beklagten nicht mehr auffindbar. Angesichts der üblichen Postlaufzeiten ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass die Baugenehmigung bereits vor dem 4. Oktober 1997 zugestellt worden ist, so dass sie am 4. Oktober 1999, als die Beigeladenen zu 1. und 2. gemäß ihrer Anzeige mit der Bauausführung begannen, bereits erloschen war. Ebenso ist es aber möglich, dass die Zustellung erst am 4. Oktober 1997 oder danach erfolgte, so dass es nicht zum Erlöschen der Baugenehmigung wegen verspäteter Bauausführung gekommen ist. Dafür könnte auch sprechen, dass der 23. September 1997 zwar der Tag war, an dem die Bauaufsichtsbehörde die Zustellung verfügte, sich daraus aber nicht ergibt, dass an diesem Tage bereits die Postzustellungsurkunde gefertigt und die Baugenehmigung auch zur Post gegeben wurde. Die widerlegliche gesetzliche Vermutung des gemäß dem Landeszustellungsgesetz von 1957 anwendbaren § 4 Abs. 1 VwZG 1977, wonach die Zustellung am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post erfolgt ist, ist auf die Zustellung mittels Postzustellungsurkunde (§ 3 VwZG) nicht anwendbar.
61Dass die Baugenehmigung nach Beginn der Bauarbeiten gemäß § 77 Abs. 1 BauO NRW erloschen wäre, weil die Bauausführung für ein Jahr (oder länger) unterbrochen worden ist, kann ebenso wenig festgestellt werden. Nach den Akten lässt sich angesichts der lückenhaften Vermerke zur Überwachung der Bauausführung durch die Beklagte weder ausschließen noch positiv feststellen, dass die Bauarbeiten für ein Jahr oder länger unterbrochen waren. Ihre Unterbrechung für mindestens ein Jahr ergibt sich insbesondere nicht aus dem allgemein gehaltenen Vortrag des Klägers, nach Erteilung der Baugenehmigung sei auf dem Grundstück der Beigeladenen „abgesehen von geringfügigen Arbeiten im Inneren des Hauses über Jahre hinweg praktisch nichts passiert“. Sie folgt auch nicht daraus, dass im Rahmen der Bauüberwachung am 2. Februar 2004, mithin mehr als vier Jahre nach Beginn der Bauausführung, in den Akten (nur) vermerkt wurde, der linke Giebel sei errichtet worden. Dies allein lässt eine sichere Überzeugung dahingehend, dass die Bauarbeiten zuvor für ein Jahr oder länger unterbrochen waren, nicht zu. Unabhängig von der Frage, wie der Begriff „geringfügige Arbeiten“ gemeint ist, hindern auch untergeordnete Arbeiten, die der Umsetzung einer genehmigungspflichtigen Baumaßnahme dienen, grundsätzlich ein Erlöschen der dafür erteilten Baugenehmigung. Auch aus den Bauüberwachungen der Beklagten vom April 2001, Februar 2004, April und Juli 2005, Juli 2006, August 2008 sowie Mai und Dezember 2010 ergeben sich, abgesehen von den für sich genommen nicht aussagekräftigen Zeitspannen zwischen den entsprechenden Vermerken zum Baufortschritt, keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Unterbrechung der Bauarbeiten von einem Jahr oder mehr.
62Die Nichterweislichkeit des Erlöschens der Baugenehmigung auf diese Weise geht zu Lasten des Klägers, da dieser insoweit die materielle Beweislast trägt, weil sein geltend gemachter Anspruch auf behördliches Einschreiten ein Erlöschen der Baugenehmigung voraussetzt.
63Schließlich lässt sich nicht feststellen, dass die Baugenehmigung wegen einer abweichenden Bauausführung erloschen wäre. Weicht das errichtete Bauwerk wesentlich von der dafür erteilten Baugenehmigung ab, erlischt sie nach Ablauf der Frist des § 77 Abs. 1 BauO NRW, weil sie nicht ausgenutzt worden ist.
64Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. März 1982 – 7 A 1634/79 –, BRS 39 Nr. 126, vom 30. April 1998 – 10 A 2981/96 –, und vom 22. August 2005 ‑ 10 A 3611/03 ‑, juris, Rn. 38 f.
65Eine solche abweichende Bauausführung ist entgegen dem Vorbringen des Klägers hinsichtlich der Lage der Außentreppe nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich aus den von dem Verwaltungsgericht gefertigten Lichtbildern nicht, dass die Außentreppe abweichend von der Baugenehmigung ausgeführt worden wäre. Vielmehr entspricht ihre Lage den Grundrisszeichnungen des Erdgeschosses und des Dachgeschosses. Danach reicht die Treppe mit ihrem unteren Lauf 1,2 m näher an die Grundstücksgrenze heran als die ausweislich der Flurkarte etwa 1,5 m von der Grenze entfernte Außenwand des Hauses der Beigeladenen zu 3. Die Einschätzung des Klägers, die Außentreppe würde sich teilweise auf seinem Grundstück befinden, wenn sie entsprechend der Baugenehmigung errichtet worden wäre, ist angesichts der vorstehenden Feststellungen nicht nachvollziehbar.
66Auch eine wesentliche Abweichung des Vorbaus von seiner Darstellung in der Baugenehmigung ist nicht gegeben. Insbesondere ist der über die Außenwand des Vorbaus hinausragende Dachüberstand in den mit Genehmigungsvermerk versehenen Ansichten der rückwärtigen Außenwand und der dem Grundstück des Klägers zugewandten Außenwand abgebildet.
67Es kann offenbleiben, ob dieser Dachüberstand nach der Baugenehmigung nicht nur in Höhe des Vorbaus, sondern auch weiter rückwärtig in Höhe des Waschraums mit einer durchgehenden Traufkante fortzuführen ist. Hierfür könnte die Darstellung in dem Grundriss des Dachgeschosses und in der Ansicht der dem Grundstück des Klägers zugewandten Außenwand sprechen. Selbst wenn dies der Fall wäre und die Traufkante – wie die dem Senat vorliegenden Lichtbilder vermuten lassen – demgegenüber in Höhe des Waschraums zurückspringen, also weiter von der Grundstücksgrenze zurückversetzt sein sollte, führte dies nicht zu einer wesentlichen Abweichung der Bauausführung, die ein Erlöschen der Baugenehmigung zur Folge hätte. Eine in diesem Sinne wesentliche Abweichung setzt voraus, dass sich die Bauausführung in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben dergestalt unterscheidet, dass sich für das abgewandelte Vorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, das heißt, diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitskriterien erfordern.
68Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2004 – 10 A 1476/04 –, juris, Rn. 9, und Urteil vom 7. November 1996 – 7 A 4820/95 –, juris, Rn. 59.
69Sollte die Traufkante tatsächlich in Höhe des Waschraums zurückspringen und somit weiter von der Grundstücksgrenze zurückversetzt sein als genehmigt, würde dies die Frage der Genehmigungsfähigkeit nicht neu aufwerfen.
70Entgegen dem Vortrag des Klägers reicht der Vorbau auch nicht bis in das Dachgeschoss.
71Die in der Außenwand des Vorbaus eingelassene Fensteröffnung verstößt materiell-rechtlich gegen eine dem Schutz des Klägers dienende öffentlich-rechtliche Vorschrift. Die besagte Außenwand muss nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BauO NRW als Gebäudeabschlusswand hergestellt werden, da sie weniger als 2,50 m von der Nachbargrenze entfernt steht und ein Abstand von 5 m zu bestehenden Gebäuden nicht gegeben, geschweige denn öffentlich-rechtlich gesichert ist. Gemäß § 31 Abs. 4 BauO NRW sind Öffnungen in Gebäudeabschlusswänden unzulässig.
72Die Außenwand des Vorbaus nebst Fensteröffnung ist jedoch durch die Baugenehmigung vom 22. September 1997 legalisiert, so dass auch insoweit ein behördliches Einschreiten ausscheidet. Die Baugenehmigung wurde zwar im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW 1995), in dem gemäß § 68 Abs. 2 Nr. 1 BauO NRW 1995 die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den brandschutzrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nicht geprüft wurde, so dass regelmäßig eine Legalisierungswirkung der Baugenehmigung insoweit nicht eintrat.
73Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2001 – 10 A 1402/98 –, BRS 64 Nr. 188 S. 741.
74Davon abweichend hat die Beklagte hier aber die Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit den Belangen des Brandschutzes geprüft.
75Dem steht weder die Aufbringung des Grünstempels „Gemäß § 68 BauO NW (95) eingeschränkt geprüft“ auf den zu der Baugenehmigung gehörenden Zeichnungen entgegen noch der entsprechende Hinweis in Nr. 21 der Anlage Nr. 1. Dies gibt den Grundsatz des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs zutreffend wieder, schließt dessen zulässige Erweiterung im Einzelfall aber nicht aus. Dass die Beklagte im Rahmen der Genehmigungserteilung die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Belangen des Brandschutzes geprüft hat, ergibt sich daraus, dass die von der Beklagten angenommene Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Anforderungen des Abstandflächenrechts allein nach § 6 Abs. 15 BauO NRW 1995 in Betracht kam. Danach konnten in überwiegend bebauten Gebieten geringere Tiefen der Abstandflächen gestattet oder verlangt werden, wenn die Gestaltung des Straßenbildes oder städtebauliche Verhältnisse dies auch unter Würdigung nachbarlicher Belange rechtfertigten und wenn Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstanden.
76Die Vereinbarkeit mit den nachbarlichen Belangen des Klägers und die Zurückstellung der Bedenken hinsichtlich des baulichen Brandschutzes wurde, wie die Beklagte ihm unter dem 8. Oktober 2012 mitgeteilt hat, aus dessen eigener Grenzbebauung mit einer Gebäudeabschlusswand und seiner Einverständniserklärung vom 28. Juli 1997 hergeleitet. Dass die Beklagte eine entsprechende Prüfung vorgenommen hat, zeigt auch der Haken in grüner Farbe, mit dem sie die Darstellung des Vorbaus in der Grundrisszeichnung des Erdgeschosses, die die Fensteröffnung dokumentiert, versehen hat.
77Schließlich ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Existenz des 0,90 m breiten und 0,65 m hohen Fensters in der Außenwand des Vorbaus die konkrete Gefahr eines Brandes begründet, die trotz der diesbezüglichen Legalisierungswirkung der Baugenehmigung ausnahmsweise ein bauaufsichtliches Einschreiten rechtfertigen oder gebieten könnte.
78Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2013 ‑ 10 A 34/12 ‑, vom 10. Oktober 2012 – 2 B 1090/12 –, juris, Rn. 24, und vom 7. August 1997 – 7 A 150/96 –, juris, Rn. 15 bis 21.
79Im Übrigen kann sich der Kläger auf eine etwaige Verletzung der Abstandflächenvorschriften durch die besagten Bauteile im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht berufen, da sein eigenes Wohngebäude G.--------straße 17 in noch stärkerem Maße gegen diese Vorschriften verstößt.
80Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem bauliche Anlagen stehen, die selbst nicht mit den Abstandflächenvorschriften vereinbar ist, muss eine Verletzung dieser Vorschriften durch eine Bebauung auf dem Nachbargrundstück dulden, wenn sie mit dem eigenen Rechtsverstoß vergleichbar ist. Die Vergleichbarkeit der die Nachbarn wechselseitig beeinträchtigenden Rechtsverstöße ist nicht allein mathematisch auf der Grundlage der jeweiligen Grenzabstände zu ermitteln. Vielmehr ist bei der Bewertung der Beeinträchtigungen neben dem Grenzabstand auch die Qualität der Beeinträchtigung von wesentlicher Bedeutung. Es macht beispielsweise einen Unterschied für die Beeinträchtigung aus, auf welcher Länge die Abstandflächenvorschriften missachtet werden, in welcher Himmelsrichtung vom Nachbargrundstück aus gesehen dies geschieht, welche Höhe der betreffende Bauteil aufweist, welche Emissionen (Lärm, Licht, Staub oder Gerüche) mit der Nutzung verbunden sind und welche Brandgefahren davon ausgehen.
81Vgl. OVG NRW, Urteile vom 24. April 2001 – 10 A 1402/98 –, BRS 64 Nr. 188, und vom 18. Oktober 2011 – 10 A 26/09 –, Beschluss vom 27. Januar 2016 – 10 A 338/13 –.
82Die dem Grundstück der Beigeladenen zu 3. zugewandte Außenwand des Wohngebäudes des Klägers verläuft überwiegend unmittelbar an der Grundstücksgrenze und in Straßennähe sogar auf dem im Eigentum der Beigeladenen zu 3. befindlichen Flurstück 61. Diese (zumindest) grenzständige Bebauung des Grundstücks des Klägers erreicht zwar nicht die Bautiefe der Außentreppe und des Vorbaus, weist aber eine Länge von circa zehn Metern auf, während die Außentreppe und der Vorbau jeweils nur etwa vier Meter lang sind und einen Grenzabstand von weniger als einem Meter einhalten. Darüber hinaus überragt die grenzständige Außenwand des Gebäudes des Klägers mit einer Höhe von etwa 11,60 m nicht nur die Außentreppe und den Vorbau, sondern auch den First des Hauses der Beigeladenen zu 3. um fast 5 m. Die etwa 0,90 cm breite und circa 0,65 m hohe Fensteröffnung in dem Vorbau verstößt zwar gegen die Brandschutzbestimmung des § 31 Abs. 4 BauO NRW. Allein wegen dieser Öffnung überwiegt aber der etwaige Verstoß gegen § 6 BauO NRW nicht den nach der Lage und der Baumasse erheblich stärkeren Verstoß des Gebäudes des Klägers gegen die Abstandflächenvorschriften, zumal zusätzlich ein an seiner grenzständigen Außenwand angebrachter Außenkamin in den Luftraum über dem Grundstück der Beigeladenen zu 3. hineinragt.
83Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob ein eigener, vergleichbar gewichtiger Verstoß gegen die Abstandflächenvorschriften dann nicht zum Verlust des nachbarlichen Abwehrrechts führt, wenn diesem Verstoß eine rechtmäßig erteilte Baugenehmigung zugrunde liegt, bei deren Erteilung Abstandflächenvorschriften nicht oder nur in weniger strengem Maße galten als dies heute der Fall ist,
84vgl. OVG NRW, Urteile vom 24. April 2001 – 10 A 1402/98 –, und vom 23. Oktober 2003 ‑ 10 A 3223/01 ‑, juris, Rn. 50,
85oder ob auch eine rechtmäßig erteilte Baugenehmigung im Falle eines nach heutigem Recht vorliegenden materiell-rechtlichen Verstoßes gegen Abstandflächenvorschriften nur gegenüber der Bauaufsichtsbehörde eine Legalisierung bewirkt, für die Beurteilung der nachbarlichen materiellen Wechselbeziehungen aber keine entscheidende Bedeutung hat.
86Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. August 1997 – 7 A 150/96 –, juris, Rn. 12, und vom 12. Februar 2010 ‑ 7 B 1840/09 ‑, juris, Rn. 10, und Urteil vom 26. Juni 2014 ‑ 7 A 2057/12 ‑, juris, Rn. 51.
87Denn der Kläger hat sein Wohnhaus unter Geltung der BauO NRW 1970 (GVBl. 1970, S. 96) im Dachgeschoss durch Einbau eines Badezimmers und einer rückwärtigen Dachgaube baulich derart verändert, dass sich die Frage, ob es den notwendigen Grenzabstand einhält, insgesamt neu gestellt hat. Die für den Umbau erteilte Baugenehmigung vom 10. Dezember 1975 war mit § 7 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 1970 nicht vereinbar. Danach mussten Gebäude von den Grundstücksgrenzen, die nicht an öffentlichen Verkehrsflächen liegen, einen Mindestabstand einhalten (Bauwich), soweit nicht an die Grenze gebaut werden darf. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 BauO NRW 1962 betrug die Breite des Bauwichs für das erste und zweite Vollgeschoss mindestens 3 m.
88Bauplanungsrechtlich durfte nicht an die Grenze gebaut werden. In der unbeplanten näheren Umgebung war zu dieser Zeit ausweislich der in den Akten enthaltenen Karten nicht allein (oder auch nur überwiegend) eine geschlossene oder sogenannte halboffene Bauweise vorhanden; vielmehr war eine erhebliche, wohl überwiegende Zahl der umliegenden Grundstücke durch eine offene Bauweise geprägt.
89Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 2006 ‑ 7 A 1358/04 ‑, juris, Rn. 48 ff.
90Angesichts dieses Nebeneinanders verschiedener Bauweisen durfte nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 1970 an die Grenze gebaut werden.
91Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. November 1971 – VII A 185/71 –, BRS 24 Nr. 101; Rößler, Kommentar zur Landesbauordnung von Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1980, S. 39.
92Ob die Beigeladenen zu 1. und 2. oder ihre Rechtsvorgänger diesem grenzständigen Umbau zugestimmt haben, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.
93Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Juni 2014 – 7 A 2057/12 –, a.a.O., Rn. 53.
94Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
95Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
96Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - geändert. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Rastatt vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 werden aufgehoben.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks G.--------straße 17 (Gemarkung P. , Flur 12, Flurstück 59), das mit einem Mehrfamilienhaus bebaut ist. Dieses wurde grenzständig zu dem Grundstück G.--------straße 19 (Gemarkung P1. , Flur 12, Flurstück 202) errichtet und überdeckt das Flurstück 61, welches, wie das Grundstück G.--------straße 19, seit dem Jahr 2014 im Eigentum der Beigeladenen zu 3. steht. Zuvor waren die Beigeladenen zu 1. und 2. die Eigentümer. Das Mehrfamilienhaus des Klägers, das eine Bautiefe von 10 m aufweist, wurde mit Bauerlaubnis des Oberbürgermeisters der Stadt P1. vom 9. Mai 1925 genehmigt. Mit Baugenehmigung vom 10. Dezember 1975 wurde der Ausbau des Dachgeschosses genehmigt, der unter anderem den Einbau eines Badezimmers und einer rückwärtigen Dachgaube umfasste. Zu dem Grundstück der Beigeladenen zu 3. weist das Gebäude keine Fensteröffnung auf.
3Den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilte die Beklagte am 22. September 1997 eine Baugenehmigung zur Erweiterung und zum Ausbau des Dachgeschosses ihres Einfamilienhauses auf dem Grundstück G.--------straße 19, das, wie das Grundstück des Klägers, nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt. Das Vorhaben ist im Bauantrag als Ausbau des Dachgeschosses bezeichnet. Ausweislich der mit einem Zugehörigkeitsvermerk versehenen Grundriss- und Ansichtszeichnungen umfasst die Baugenehmigung auch die Einrichtung eines Waschraums, die Errichtung einer Außentreppe sowie den Ausbau des im Erdgeschoss gelegenen Badezimmers um einen etwa 1,20 m vor die Außenwand tretenden Vorbau. Die Außenwand des Badezimmers und der äußere Rand der Außentreppe stehen in einem Abstand von weniger als 1 m zu dem Grundstück des Klägers. Mit dem Bauantrag hatten die Beigeladenen zu 1. und 2. eine von dem Kläger unterzeichnete, auf den 28. Juli 1997 datierte und als „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ bezeichnete schriftliche Erklärung (im Folgenden: Einverständniserklärung) vorgelegt, wonach seinerseits „keinerlei Bedenken zu den geplanten Umbauarbeiten“ bestünden.
4Am 23. September 1997 wurde die Zustellung der Baugenehmigung an die Beigeladenen zu 1. und 2. mittels Postzustellungsurkunde verfügt. Die Postzustellungsurkunde ist nach Angaben der Beklagten nicht mehr auffindbar. Nach ihrer Verwaltungspraxis würden die Postzustellungsurkunden gesondert von den jeweiligen Hausakten in der Regel fünf Jahre lang aufbewahrt.
5Die Beigeladenen zu 1. und 2. zeigten der Beklagten im Oktober 1999 an, dass sie mit den Bauarbeiten am 4. Oktober 1999 begonnen hätten. Ein erster Termin zur Bauüberwachung wurde auf den 2. April 2001 festgesetzt. Am 2. Februar 2004 stellte ein Mitarbeiter der Beklagten ausweislich eines Aktenvermerks fest, dass ein Giebel errichtet worden sei. Im April 2005 waren die Dacharbeiten fast abgeschlossen. Am 25. Juli 2005 bescheinigte die Beklagte die Fertigstellung des Rohbaus. Im Juli 2006, im August 2008 und im Mai 2010 stellten Mitarbeiter der Beklagten jeweils weitere Baufortschritte fest. Nach einem Aktenvermerk vom 9. Dezember 2010 war das Vorhaben „so gut wie fertig“.
6Der Kläger bat die Beklagte mit Schreiben vom 21. August 2012 um Überprüfung der Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. Im Jahr 2012 seien grenznah ein Vorbau und eine Außentreppe errichtet worden. Er fordere den umgehenden Rückbau dieser baulichen Anlagen. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 4. Oktober 2012, die Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. entspreche der in Anwendung des § 6 Abs. 15 BauO NRW erteilten Baugenehmigung. Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes seien zurückgestellt worden, weil des Klägers Gebäude zum Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. hin über eine Gebäudeabschlusswand verfüge und er sein Einverständnis mit dem Vorhaben erklärt habe.
7Der Kläger hat am 28. September 2012 Klage erhoben und diese im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Die Beigeladenen zu 1. und 2. hätten die Außentreppe und den Vorbau zur Erweiterung des Badezimmers zwischen September 2011 und Februar 2012 errichtet. Er habe diesen zuvor nicht wahrnehmbaren Teilen des Vorhabens nicht zugestimmt, insbesondere seien ihm die Bauvorlagen nicht gezeigt worden. Die Außentreppe und der Vorbau seien in dem Bauantrag, der ihm vor Unterzeichnung der Einverständniserklärung im Jahr 1997 vorgelegt worden sei, nicht genannt worden. Da die Baugenehmigung am 23. September 1997 zur Post gegeben, aber erst am 4. Oktober 1999 mit den Bauarbeiten begonnen worden sei, sei die Baugenehmigung schon vor Beginn der Bauarbeiten erloschen. Im Übrigen sei nach Erteilung der Baugenehmigung auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. abgesehen von geringfügigen Arbeiten im Inneren des Hauses über Jahre hinweg praktisch nichts passiert, so dass die Baugenehmigung spätestens in dieser Untätigkeitsphase erloschen sei.
8Im Übrigen entspreche die Außentreppe nicht der Baugenehmigung. Wäre sie entsprechend der Genehmigung errichtet worden, würde sie sich teilweise auf seinem Grundstück befinden. Auch der Vorbau widerspreche der Baugenehmigung. Das Dach des rückwärtigen Teils des Hauses sei – ohne dass dies in den Bauvorlagen so vorgesehen sei – bis über die Außenwand des Vorbaus vorgezogen worden. Der Vorbau sei nur im Grundriss des Erdgeschosses, nicht aber im Grundriss des Dachgeschosses eingezeichnet. Außentreppe und Vorbau verstießen auch gegen die Abstandflächenregelungen des § 6 BauO NRW. Das Fenster in der Außenwand des Vorbaus sei als Öffnung in einer Gebäudeabschlusswand nach § 31 Abs. 4 BauO NRW nicht zulässig. Er, der Kläger, habe Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen das baurechtswidrige Fenster. Bei der auf einem Luftbild des Baugrundstücks mit Aufnahmedatum 23. März 2011 abgebildeten Treppe handele es sich um die dort von 2005 bis Herbst 2011 aufgestellte Behelfstreppe. Unmittelbar nach Errichtung der eigentlichen Außentreppe habe er diese und den Vorbau gegenüber den Beigeladenen zu 1. und 2. beanstandet. Mit der Anbringung des Außenkamins an seinem eigenen Haus, der in den Luftraum über dem Nachbargrundstück hineinrage, hätten sich die Beigeladenen zu 1. und 2. im Jahr 1998 einverstanden erklärt.
9Der Kläger hat beantragt,
101. die Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 aufzuheben,
112. die Beklagte zu verpflichten, gegen die von den Beigeladenen an dem hinteren Anbau auf der seinem Grundstück zugewandten Seite angebrachte Stahltreppe mit einer Einstellungs-, Unterlassungs- oder Beseitigungsverfügung vorzugehen,
123. die Beklagte zu verpflichten, gegen den von den Beigeladenen an den hinteren Anbau auf der seinem Grundstück zugewandten Seite angesetzten Badezimmeranbau mit einer Einstellungs-, Unterlassungs- oder Beseitigungsverfügung vorzugehen,
134. die Beklagte zu verpflichten, gegen die Nutzung des als Hobbyraum ausgewiesenen Dachstuhls des hinteren Anbaus des Gebäudes der Beigeladenen als Wohnzimmer mit einer Einstellungs-, Unterlassungs- oder Beseitigungsverfügung vorzugehen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat zur Begründung vorgetragen, spätestens seit der Rohbaufertigstellung seien für den Kläger die genehmigten äußeren Maße des Gebäudes auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. deutlich sichtbar gewesen. Die Baugenehmigung sei nicht erloschen. Der Kläger habe selbst eingeräumt, dass über Jahre hinweg Bauarbeiten an dem Gebäude durchgeführt worden seien. Der langsame, aber kontinuierliche Baufortschritt sei in den Akten dokumentiert. Das Vorhaben verstoße nicht gegen § 6 BauO NRW. Der Kläger habe ihm zudem zugestimmt.
17Die Beigeladenen zu 1. und zu 2. haben beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie haben ausgeführt, dem Kläger sei der Umfang des Vorhabens seit Jahren bekannt. Der Beigeladene zu 2. habe ihn bei Einholung seines Einverständnisses im Juli 1997 über sämtliche Einzelheiten des Vorhabens informiert und ihm die diesbezüglichen Bauzeichnungen vorgelegt. Die Baugenehmigung sei nicht erloschen, insbesondere sei die Bauausführung niemals ein Jahr lang unterbrochen worden. Der Kläger habe zudem sein Klagerecht verwirkt. Er habe bei der Errichtung der Außentreppe im Sommer 2010 häufig zugesehen und sogar sein Werkzeug angeboten. Mit allen Baumaßnahmen sei er einverstanden gewesen, bis sie, die Beigeladenen zu 1. und 2., im August 2012 ihr Einverständnis zu einer grenznahen rückwärtigen Bebauung auf seinem Grundstück verweigert hätten.
20Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich des Anfechtungsantrages unzulässig, weil der Kläger sein Klagerecht verwirkt habe. Die Außentreppe sei spätestens am 23. März 2011 errichtet worden, was sich insbesondere aus einem Luftbild von diesem Tage ergebe, auf dem sie zu sehen sei. Die vernommenen Zeugen hätten nichts Gegenteiliges ausgesagt. Die Arbeiten an dem Vorbau seien vor der Errichtung der Außentreppe jedenfalls so weit fortgeschritten gewesen, dass der Kläger eine dadurch bedingte mögliche Beeinträchtigung seiner Nachbarrechte habe erkennen können. Die Anträge auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Außentreppe, den Vorbau und die Nutzung des Dachgeschosses im rückwärtigen Teil des Hauses der Beigeladenen zu 1. und 2. seien unbegründet, weil die besagten Bauteile und Nutzungen durch die Baugenehmigung legalisiert seien. Die Baugenehmigung sei nicht erloschen. Es lasse sich nicht feststellen, dass nicht innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Vorhabens begonnen oder die Bauausführung ein Jahr unterbrochen worden sei. Für eine von der Baugenehmigung abweichende Bauausführung bestünden keine Anhaltspunkte.
21Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und trägt vertiefend vor, die Außentreppe und der Vorbau seien von der Baugenehmigung nicht erfasst. Sie seien im Bauantrag nicht genannt. Jedenfalls seien die Bauvorlagen mangelhaft, weil die besagten Bauteile nicht erkennbar und anders dargestellt seien als ausgeführt. Zudem sei die Grundstücksgrenze in der Grundrisszeichnung nicht eingetragen und die Vermaßung des Vorbaus sei unvollständig. Seine, des Klägers, Einverständniserklärung sei zu unbestimmt, um wirksam zu sein, und erfasse weder die Außentreppe noch den Vorbau. Sein Klagerecht sei auch nicht verwirkt, insbesondere sei nicht bewiesen, dass die Außentreppe tatsächlich bereits im März 2011 errichtet gewesen sei. Der Zeitraum, in dem sie errichtet worden sei, ergebe sich weder aus den vorgelegten Lichtbildern noch aus dem von den Beigeladenen präsentierten Lieferschein vom März 2010. In dem erstinstanzlichen Ortstermin hätten die Vertreter der Beklagten selbst Bedenken im Hinblick auf den Brandschutz wegen der in die Außenwand des Vorbaus eingelassenen Fensteröffnung geäußert.
22Der Kläger beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern und
241. die den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 aufzuheben,
25hilfsweise, festzustellen, dass die auf dem Grundstück G.--------straße 19 in P2. errichtete Außentreppe und der Vorbau zur Erweiterung des Badezimmers im Erdgeschoss des dort aufstehenden Wohnhauses nicht Gegenstand der den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilten Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 sind,
262. die Beklagte zu verpflichten, der Beigeladenen zu 3. aufzugeben, die in dem Hilfsantrag bezeichnete Außentreppe zu beseitigen,
273. die Beklagte zu verpflichten, der Beigeladenen zu 3. aufzugeben, den in dem Hilfsantrag bezeichneten Vorbau zu beseitigen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Berufung zurückzuweisen.
30Sie trägt weiterhin vor, der Kläger habe sein Klagerecht gegen die Baugenehmigung verwirkt. Sein Begehren auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Außentreppe und gegen den Vorbau sei unbegründet.
31Die Beigeladenen beantragen,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Sie tragen ebenfalls vor, der Kläger habe sein Klagerecht verwirkt. Die Außentreppe und der Vorbau seien in den Bauvorlagen dargestellt gewesen, die der Kläger vor der Unterzeichnung seiner Einverständniserklärung im Jahre 1997 gesehen habe. Spätestens am 23. März 2011 habe er Kenntnis von den besagten Bauteilen haben müssen.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 bis 13).
35Entscheidungsgründe:
36Die zulässige Berufung ist unbegründet.
37Der die Baugenehmigung betreffende Anfechtungsantrag und der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sind unzulässig. Die Anträge, die Beklagte zu verpflichten, gegen die Außentreppe und den Vorbau bauaufsichtlich einzuschreiten, sind unbegründet.
38Die Klage ist hinsichtlich der Anfechtung der Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 unzulässig, weil sie insoweit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.
39Ein Nachbar, der weder durch amtliche Bekanntgabe noch auf andere Weise von einer dem Bauherrn erteilten Baugenehmigung zuverlässig Kenntnis erlangt, der aber von der Baugenehmigung zuverlässige Kenntnis hätte haben beziehungsweise erlangen müssen, weil sich ihm ihre Existenz aufdrängen musste und es ihm möglich und zumutbar war, sich durch Nachfrage bei dem Bauherrn oder bei der Bauaufsichtsbehörde darüber Gewissheit zu verschaffen, muss sich in Anwendung des auch im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben hinsichtlich der Frage der Rechtzeitigkeit der Klageerhebung regelmäßig so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben worden, in dem er die Möglichkeit hatte, von ihr zuverlässig Kenntnis zu erlangen. In diesen Fällen ist die Klageerhebung nach Ablauf von einem Jahr ab dem Zeitpunkt, in dem der Kläger eine mögliche Verletzung seiner Rechte hätte erkennen und sich Kenntnis von der Baugenehmigung hätte verschaffen können, in der Regel treuwidrig.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 ‑ IV C 2.72 ‑ , juris, Rn. 23 ff., Beschlüsse vom 18. Januar 1988 ‑ 4 B 257.87 ‑, juris, Rn. 4, und vom 17. Februar 1989 ‑ 4 B 28.89 ‑, juris, Rn. 2; OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2005 – 7 A 1642/04 –.
41Der Kläger konnte und musste spätestens Ende März 2011 zuverlässig davon Kenntnis haben, dass das Vorhaben mit der grenznahen Errichtung der Außentreppe und des Vorbaus möglicherweise seine Rechte verletzt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger von dem Inhalt der Baugenehmigung Kenntnis erlangen können und müssen. Er hat die Klage aber erst mehr als ein Jahr später, nämlich am 28. September 2012 erhoben. Besondere Gründe, die der Treuwidrigkeit dieser verspäteten Klageerhebung entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
42Der Senat teilt die Überzeugung des Verwaltungsgerichts, dass sich aus dem von dem Kläger selbst vorgelegten Luftbild, welches das Aufnahmedatum „3/23/2011“ trägt, sicher ergibt, dass zu diesem Zeitpunkt die Außentreppe an ihrem gegenwärtigen Standort bereits errichtet war. Insoweit wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen. Insbesondere handelt es sich bei der auf dem Luftbild zu sehenden Treppe offensichtlich um eine zweiläufige Treppe mit Mittelpodest und nicht um die nur einläufige gerade Behelfstreppe, die auf den von den Beigeladenen zu 1. und 2. mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 übersandten Lichtbildern abgebildet ist. Mit dem pauschalen Vortrag, den verschiedenen vorgelegten Lichtbildern sei nicht zu entnehmen, wann diese aufgenommen worden seien, stellt der Kläger die Richtigkeit des Aufnahmedatums „3/23/2011“ auf dem von ihm selbst vorgelegten Luftbild nicht in Frage. Im Übrigen ergeben sich durchgreifende Zweifel daran, dass die Treppe spätestens im März 2011 vorhanden war, auch nicht aus den von dem Verwaltungsgericht protokollierten Zeugenaussagen.
43Es kann offenbleiben, ob für den Kläger auch der Vorbau bereits mehr als ein Jahr vor Klageerhebung erkennbar war. Hierfür sprechen nicht nur die Angaben der Beigeladenen und die Aussagen einiger von dem Verwaltungsgericht vernommener Zeugen, wonach der Vorbau im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung der Außentreppe erfolgt sei. Auch der Kläger hat in der Klagebegründung ausgeführt, die Erweiterung des Badezimmers im Erdgeschoss des Hauses der Beigeladenen zu 1. und 2. sei ab September 2011 ausgeführt worden.
44Jedenfalls war der Kläger bereits mit Blick auf die für ihn erkennbare Errichtung der Außentreppe Ende März 2011 gehalten, sich zur Wahrung seiner Rechte Kenntnis von der Baugenehmigung zu verschaffen und binnen Jahresfrist Klage zu erheben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war für ihn unübersehbar, dass ihn die Baumaßnahmen auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. zu beeinträchtigen vermochten.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Februar 2005 ‑ 7 A 1642/04 ‑.
46Nach alledem braucht nicht entschieden zu werden, ob ein etwaiges Abwehrrecht des Klägers gegebenenfalls bereits vor Ablauf von einem Jahr verwirkt gewesen ist oder ob der Kläger auf die Geltendmachung möglicher Abwehrrechte verzichtet hat, indem er ‑ bevor die Beteiligten in Streit gerieten ‑ sein Einverständnis mit den Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 1. und 2. hat erkennen lassen.
47Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 1975 – IV B 102.75 –, juris, Rn. 2, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4.89 –, juris, Rn. 18.
48Der hilfsweise gestellte Antrag, festzustellen, dass die auf dem Grundstück G.--------straße 19 in P2. errichtete Außentreppe und der Vorbau zur Erweiterung des Badezimmers im Erdgeschoss des dort aufstehenden Wohnhauses nicht Gegenstand der den Beigeladenen zu 1. und 2. erteilten Baugenehmigung der Beklagten vom 22. September 1997 sind, ist unabhängig davon, ob insoweit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klageänderung gemäß § 91 VwGO vorliegen, unzulässig. Der Feststellungsantrag ist unstatthaft, da der Kläger sein Klageziel, die Beseitigung der Außentreppe und des Vorbaus, durch die gestellten Verpflichtungsanträge erreichen kann (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
49Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Januar 2016 – 2 A 718/15 –.
50Die Anträge, die Beklagte zu verpflichten, der Beigeladenen zu 3. die Beseitigung der Außentreppe und des Vorbaus aufzugeben, sind zulässig, aber unbegründet.
51Ein Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Außentreppe und den Vorbau setzt einen mit diesen Bauteilen verbundenen Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die seinem Schutz dienen, voraus und eine Reduzierung des der Beklagten im Rahmen des § 61 Abs. 1 BauO NRW zustehenden Ermessens dahingehend, dass allein das begehrte bauaufsichtliche Einschreiten rechtmäßig ist.
52Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. Oktober 2003 – 10 A 3223/01 –, juris, Rn. 29 f.
53Es kann offenbleiben, ob die Außentreppe und der Vorbau gegen die Abstandflächenvorschriften des § 6 BauO NRW und die Fensteröffnung in der Außenwand des Vorbaus gegen § 31 Abs. 4 BauO NRW verstoßen.
54Denn einem Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten steht die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung entgegen, deren Aufhebung der Kläger wegen der Verwirkung seines Klagerechts nicht (mehr) verlangen kann. Durch die Baugenehmigung ist festgestellt, dass das Vorhaben baurechtlich zulässig ist, so dass der Erlass einer Beseitigungsverfügung ausscheidet.
55Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 2005 – 10 A 3611/03 –, juris, Rn. 36, und Beschluss vom 17. Januar 2013 – 10 A 34/12 –.
56Die Baugenehmigung ist nicht nichtig im Sinne des § 44 VwVfG NRW. Insbesondere folgt eine Nichtigkeit nicht aus einer etwaigen Unbestimmtheit hinsichtlich der genauen Lage der Außentreppe und des Anbaus sowie ihrer jeweiligen Abstände zu der Nachbargrenze.
57Es ist auch nicht feststellbar, dass die Baugenehmigung erloschen ist.
58Nach § 77 Abs. 1 BauO NRW in der Fassung vom 7. März 1995 (BauO NRW 1995) erlosch eine Baugenehmigung, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Vorhabens begonnen oder wenn die Bauausführung ein Jahr unterbrochen wurde. Dass hier nicht innerhalb von zwei Jahren nach Erteilung der Baugenehmigung mit der Ausführung des Vorhabens begonnen worden ist, lässt sich mangels Auffindbarkeit der Postzustellungsurkunde, anhand derer der Beginn der Zweijahresfrist datiert werden könnte, zur Überzeugung des Senats nicht mehr feststellen (§ 108 Abs. 1 VwGO).
59Nach Sinn und Zweck des § 77 Abs. 1 BauO NRW ist das Datum der Erteilung der Baugenehmigung der Tag ihrer Bekanntgabe an den Bauherrn, wodurch die Genehmigung äußere Wirksamkeit erlangt und der Bauherr das Recht erhält, das Vorhaben auszuführen.
60An welchem Tag die am 23. September 1997 von der Beklagten verfügte Zustellung der Baugenehmigung mittels Postzustellungsurkunde an die Beigeladenen zu 1. und 2. erfolgt ist, kann nicht mehr ermittelt werden. Die Postzustellungsurkunde ist nach den nachvollziehbaren und unwiderlegten Angaben der Beklagten nicht mehr auffindbar. Angesichts der üblichen Postlaufzeiten ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass die Baugenehmigung bereits vor dem 4. Oktober 1997 zugestellt worden ist, so dass sie am 4. Oktober 1999, als die Beigeladenen zu 1. und 2. gemäß ihrer Anzeige mit der Bauausführung begannen, bereits erloschen war. Ebenso ist es aber möglich, dass die Zustellung erst am 4. Oktober 1997 oder danach erfolgte, so dass es nicht zum Erlöschen der Baugenehmigung wegen verspäteter Bauausführung gekommen ist. Dafür könnte auch sprechen, dass der 23. September 1997 zwar der Tag war, an dem die Bauaufsichtsbehörde die Zustellung verfügte, sich daraus aber nicht ergibt, dass an diesem Tage bereits die Postzustellungsurkunde gefertigt und die Baugenehmigung auch zur Post gegeben wurde. Die widerlegliche gesetzliche Vermutung des gemäß dem Landeszustellungsgesetz von 1957 anwendbaren § 4 Abs. 1 VwZG 1977, wonach die Zustellung am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post erfolgt ist, ist auf die Zustellung mittels Postzustellungsurkunde (§ 3 VwZG) nicht anwendbar.
61Dass die Baugenehmigung nach Beginn der Bauarbeiten gemäß § 77 Abs. 1 BauO NRW erloschen wäre, weil die Bauausführung für ein Jahr (oder länger) unterbrochen worden ist, kann ebenso wenig festgestellt werden. Nach den Akten lässt sich angesichts der lückenhaften Vermerke zur Überwachung der Bauausführung durch die Beklagte weder ausschließen noch positiv feststellen, dass die Bauarbeiten für ein Jahr oder länger unterbrochen waren. Ihre Unterbrechung für mindestens ein Jahr ergibt sich insbesondere nicht aus dem allgemein gehaltenen Vortrag des Klägers, nach Erteilung der Baugenehmigung sei auf dem Grundstück der Beigeladenen „abgesehen von geringfügigen Arbeiten im Inneren des Hauses über Jahre hinweg praktisch nichts passiert“. Sie folgt auch nicht daraus, dass im Rahmen der Bauüberwachung am 2. Februar 2004, mithin mehr als vier Jahre nach Beginn der Bauausführung, in den Akten (nur) vermerkt wurde, der linke Giebel sei errichtet worden. Dies allein lässt eine sichere Überzeugung dahingehend, dass die Bauarbeiten zuvor für ein Jahr oder länger unterbrochen waren, nicht zu. Unabhängig von der Frage, wie der Begriff „geringfügige Arbeiten“ gemeint ist, hindern auch untergeordnete Arbeiten, die der Umsetzung einer genehmigungspflichtigen Baumaßnahme dienen, grundsätzlich ein Erlöschen der dafür erteilten Baugenehmigung. Auch aus den Bauüberwachungen der Beklagten vom April 2001, Februar 2004, April und Juli 2005, Juli 2006, August 2008 sowie Mai und Dezember 2010 ergeben sich, abgesehen von den für sich genommen nicht aussagekräftigen Zeitspannen zwischen den entsprechenden Vermerken zum Baufortschritt, keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Unterbrechung der Bauarbeiten von einem Jahr oder mehr.
62Die Nichterweislichkeit des Erlöschens der Baugenehmigung auf diese Weise geht zu Lasten des Klägers, da dieser insoweit die materielle Beweislast trägt, weil sein geltend gemachter Anspruch auf behördliches Einschreiten ein Erlöschen der Baugenehmigung voraussetzt.
63Schließlich lässt sich nicht feststellen, dass die Baugenehmigung wegen einer abweichenden Bauausführung erloschen wäre. Weicht das errichtete Bauwerk wesentlich von der dafür erteilten Baugenehmigung ab, erlischt sie nach Ablauf der Frist des § 77 Abs. 1 BauO NRW, weil sie nicht ausgenutzt worden ist.
64Vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. März 1982 – 7 A 1634/79 –, BRS 39 Nr. 126, vom 30. April 1998 – 10 A 2981/96 –, und vom 22. August 2005 ‑ 10 A 3611/03 ‑, juris, Rn. 38 f.
65Eine solche abweichende Bauausführung ist entgegen dem Vorbringen des Klägers hinsichtlich der Lage der Außentreppe nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich aus den von dem Verwaltungsgericht gefertigten Lichtbildern nicht, dass die Außentreppe abweichend von der Baugenehmigung ausgeführt worden wäre. Vielmehr entspricht ihre Lage den Grundrisszeichnungen des Erdgeschosses und des Dachgeschosses. Danach reicht die Treppe mit ihrem unteren Lauf 1,2 m näher an die Grundstücksgrenze heran als die ausweislich der Flurkarte etwa 1,5 m von der Grenze entfernte Außenwand des Hauses der Beigeladenen zu 3. Die Einschätzung des Klägers, die Außentreppe würde sich teilweise auf seinem Grundstück befinden, wenn sie entsprechend der Baugenehmigung errichtet worden wäre, ist angesichts der vorstehenden Feststellungen nicht nachvollziehbar.
66Auch eine wesentliche Abweichung des Vorbaus von seiner Darstellung in der Baugenehmigung ist nicht gegeben. Insbesondere ist der über die Außenwand des Vorbaus hinausragende Dachüberstand in den mit Genehmigungsvermerk versehenen Ansichten der rückwärtigen Außenwand und der dem Grundstück des Klägers zugewandten Außenwand abgebildet.
67Es kann offenbleiben, ob dieser Dachüberstand nach der Baugenehmigung nicht nur in Höhe des Vorbaus, sondern auch weiter rückwärtig in Höhe des Waschraums mit einer durchgehenden Traufkante fortzuführen ist. Hierfür könnte die Darstellung in dem Grundriss des Dachgeschosses und in der Ansicht der dem Grundstück des Klägers zugewandten Außenwand sprechen. Selbst wenn dies der Fall wäre und die Traufkante – wie die dem Senat vorliegenden Lichtbilder vermuten lassen – demgegenüber in Höhe des Waschraums zurückspringen, also weiter von der Grundstücksgrenze zurückversetzt sein sollte, führte dies nicht zu einer wesentlichen Abweichung der Bauausführung, die ein Erlöschen der Baugenehmigung zur Folge hätte. Eine in diesem Sinne wesentliche Abweichung setzt voraus, dass sich die Bauausführung in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben dergestalt unterscheidet, dass sich für das abgewandelte Vorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, das heißt, diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitskriterien erfordern.
68Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2004 – 10 A 1476/04 –, juris, Rn. 9, und Urteil vom 7. November 1996 – 7 A 4820/95 –, juris, Rn. 59.
69Sollte die Traufkante tatsächlich in Höhe des Waschraums zurückspringen und somit weiter von der Grundstücksgrenze zurückversetzt sein als genehmigt, würde dies die Frage der Genehmigungsfähigkeit nicht neu aufwerfen.
70Entgegen dem Vortrag des Klägers reicht der Vorbau auch nicht bis in das Dachgeschoss.
71Die in der Außenwand des Vorbaus eingelassene Fensteröffnung verstößt materiell-rechtlich gegen eine dem Schutz des Klägers dienende öffentlich-rechtliche Vorschrift. Die besagte Außenwand muss nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BauO NRW als Gebäudeabschlusswand hergestellt werden, da sie weniger als 2,50 m von der Nachbargrenze entfernt steht und ein Abstand von 5 m zu bestehenden Gebäuden nicht gegeben, geschweige denn öffentlich-rechtlich gesichert ist. Gemäß § 31 Abs. 4 BauO NRW sind Öffnungen in Gebäudeabschlusswänden unzulässig.
72Die Außenwand des Vorbaus nebst Fensteröffnung ist jedoch durch die Baugenehmigung vom 22. September 1997 legalisiert, so dass auch insoweit ein behördliches Einschreiten ausscheidet. Die Baugenehmigung wurde zwar im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt (§ 68 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW 1995), in dem gemäß § 68 Abs. 2 Nr. 1 BauO NRW 1995 die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den brandschutzrechtlichen Vorschriften grundsätzlich nicht geprüft wurde, so dass regelmäßig eine Legalisierungswirkung der Baugenehmigung insoweit nicht eintrat.
73Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24. April 2001 – 10 A 1402/98 –, BRS 64 Nr. 188 S. 741.
74Davon abweichend hat die Beklagte hier aber die Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit den Belangen des Brandschutzes geprüft.
75Dem steht weder die Aufbringung des Grünstempels „Gemäß § 68 BauO NW (95) eingeschränkt geprüft“ auf den zu der Baugenehmigung gehörenden Zeichnungen entgegen noch der entsprechende Hinweis in Nr. 21 der Anlage Nr. 1. Dies gibt den Grundsatz des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs zutreffend wieder, schließt dessen zulässige Erweiterung im Einzelfall aber nicht aus. Dass die Beklagte im Rahmen der Genehmigungserteilung die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Belangen des Brandschutzes geprüft hat, ergibt sich daraus, dass die von der Beklagten angenommene Vereinbarkeit des Vorhabens mit den Anforderungen des Abstandflächenrechts allein nach § 6 Abs. 15 BauO NRW 1995 in Betracht kam. Danach konnten in überwiegend bebauten Gebieten geringere Tiefen der Abstandflächen gestattet oder verlangt werden, wenn die Gestaltung des Straßenbildes oder städtebauliche Verhältnisse dies auch unter Würdigung nachbarlicher Belange rechtfertigten und wenn Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstanden.
76Die Vereinbarkeit mit den nachbarlichen Belangen des Klägers und die Zurückstellung der Bedenken hinsichtlich des baulichen Brandschutzes wurde, wie die Beklagte ihm unter dem 8. Oktober 2012 mitgeteilt hat, aus dessen eigener Grenzbebauung mit einer Gebäudeabschlusswand und seiner Einverständniserklärung vom 28. Juli 1997 hergeleitet. Dass die Beklagte eine entsprechende Prüfung vorgenommen hat, zeigt auch der Haken in grüner Farbe, mit dem sie die Darstellung des Vorbaus in der Grundrisszeichnung des Erdgeschosses, die die Fensteröffnung dokumentiert, versehen hat.
77Schließlich ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Existenz des 0,90 m breiten und 0,65 m hohen Fensters in der Außenwand des Vorbaus die konkrete Gefahr eines Brandes begründet, die trotz der diesbezüglichen Legalisierungswirkung der Baugenehmigung ausnahmsweise ein bauaufsichtliches Einschreiten rechtfertigen oder gebieten könnte.
78Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 17. Januar 2013 ‑ 10 A 34/12 ‑, vom 10. Oktober 2012 – 2 B 1090/12 –, juris, Rn. 24, und vom 7. August 1997 – 7 A 150/96 –, juris, Rn. 15 bis 21.
79Im Übrigen kann sich der Kläger auf eine etwaige Verletzung der Abstandflächenvorschriften durch die besagten Bauteile im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht berufen, da sein eigenes Wohngebäude G.--------straße 17 in noch stärkerem Maße gegen diese Vorschriften verstößt.
80Der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem bauliche Anlagen stehen, die selbst nicht mit den Abstandflächenvorschriften vereinbar ist, muss eine Verletzung dieser Vorschriften durch eine Bebauung auf dem Nachbargrundstück dulden, wenn sie mit dem eigenen Rechtsverstoß vergleichbar ist. Die Vergleichbarkeit der die Nachbarn wechselseitig beeinträchtigenden Rechtsverstöße ist nicht allein mathematisch auf der Grundlage der jeweiligen Grenzabstände zu ermitteln. Vielmehr ist bei der Bewertung der Beeinträchtigungen neben dem Grenzabstand auch die Qualität der Beeinträchtigung von wesentlicher Bedeutung. Es macht beispielsweise einen Unterschied für die Beeinträchtigung aus, auf welcher Länge die Abstandflächenvorschriften missachtet werden, in welcher Himmelsrichtung vom Nachbargrundstück aus gesehen dies geschieht, welche Höhe der betreffende Bauteil aufweist, welche Emissionen (Lärm, Licht, Staub oder Gerüche) mit der Nutzung verbunden sind und welche Brandgefahren davon ausgehen.
81Vgl. OVG NRW, Urteile vom 24. April 2001 – 10 A 1402/98 –, BRS 64 Nr. 188, und vom 18. Oktober 2011 – 10 A 26/09 –, Beschluss vom 27. Januar 2016 – 10 A 338/13 –.
82Die dem Grundstück der Beigeladenen zu 3. zugewandte Außenwand des Wohngebäudes des Klägers verläuft überwiegend unmittelbar an der Grundstücksgrenze und in Straßennähe sogar auf dem im Eigentum der Beigeladenen zu 3. befindlichen Flurstück 61. Diese (zumindest) grenzständige Bebauung des Grundstücks des Klägers erreicht zwar nicht die Bautiefe der Außentreppe und des Vorbaus, weist aber eine Länge von circa zehn Metern auf, während die Außentreppe und der Vorbau jeweils nur etwa vier Meter lang sind und einen Grenzabstand von weniger als einem Meter einhalten. Darüber hinaus überragt die grenzständige Außenwand des Gebäudes des Klägers mit einer Höhe von etwa 11,60 m nicht nur die Außentreppe und den Vorbau, sondern auch den First des Hauses der Beigeladenen zu 3. um fast 5 m. Die etwa 0,90 cm breite und circa 0,65 m hohe Fensteröffnung in dem Vorbau verstößt zwar gegen die Brandschutzbestimmung des § 31 Abs. 4 BauO NRW. Allein wegen dieser Öffnung überwiegt aber der etwaige Verstoß gegen § 6 BauO NRW nicht den nach der Lage und der Baumasse erheblich stärkeren Verstoß des Gebäudes des Klägers gegen die Abstandflächenvorschriften, zumal zusätzlich ein an seiner grenzständigen Außenwand angebrachter Außenkamin in den Luftraum über dem Grundstück der Beigeladenen zu 3. hineinragt.
83Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob ein eigener, vergleichbar gewichtiger Verstoß gegen die Abstandflächenvorschriften dann nicht zum Verlust des nachbarlichen Abwehrrechts führt, wenn diesem Verstoß eine rechtmäßig erteilte Baugenehmigung zugrunde liegt, bei deren Erteilung Abstandflächenvorschriften nicht oder nur in weniger strengem Maße galten als dies heute der Fall ist,
84vgl. OVG NRW, Urteile vom 24. April 2001 – 10 A 1402/98 –, und vom 23. Oktober 2003 ‑ 10 A 3223/01 ‑, juris, Rn. 50,
85oder ob auch eine rechtmäßig erteilte Baugenehmigung im Falle eines nach heutigem Recht vorliegenden materiell-rechtlichen Verstoßes gegen Abstandflächenvorschriften nur gegenüber der Bauaufsichtsbehörde eine Legalisierung bewirkt, für die Beurteilung der nachbarlichen materiellen Wechselbeziehungen aber keine entscheidende Bedeutung hat.
86Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. August 1997 – 7 A 150/96 –, juris, Rn. 12, und vom 12. Februar 2010 ‑ 7 B 1840/09 ‑, juris, Rn. 10, und Urteil vom 26. Juni 2014 ‑ 7 A 2057/12 ‑, juris, Rn. 51.
87Denn der Kläger hat sein Wohnhaus unter Geltung der BauO NRW 1970 (GVBl. 1970, S. 96) im Dachgeschoss durch Einbau eines Badezimmers und einer rückwärtigen Dachgaube baulich derart verändert, dass sich die Frage, ob es den notwendigen Grenzabstand einhält, insgesamt neu gestellt hat. Die für den Umbau erteilte Baugenehmigung vom 10. Dezember 1975 war mit § 7 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 1970 nicht vereinbar. Danach mussten Gebäude von den Grundstücksgrenzen, die nicht an öffentlichen Verkehrsflächen liegen, einen Mindestabstand einhalten (Bauwich), soweit nicht an die Grenze gebaut werden darf. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 BauO NRW 1962 betrug die Breite des Bauwichs für das erste und zweite Vollgeschoss mindestens 3 m.
88Bauplanungsrechtlich durfte nicht an die Grenze gebaut werden. In der unbeplanten näheren Umgebung war zu dieser Zeit ausweislich der in den Akten enthaltenen Karten nicht allein (oder auch nur überwiegend) eine geschlossene oder sogenannte halboffene Bauweise vorhanden; vielmehr war eine erhebliche, wohl überwiegende Zahl der umliegenden Grundstücke durch eine offene Bauweise geprägt.
89Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 20. Februar 2006 ‑ 7 A 1358/04 ‑, juris, Rn. 48 ff.
90Angesichts dieses Nebeneinanders verschiedener Bauweisen durfte nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW 1970 an die Grenze gebaut werden.
91Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. November 1971 – VII A 185/71 –, BRS 24 Nr. 101; Rößler, Kommentar zur Landesbauordnung von Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1980, S. 39.
92Ob die Beigeladenen zu 1. und 2. oder ihre Rechtsvorgänger diesem grenzständigen Umbau zugestimmt haben, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang.
93Vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Juni 2014 – 7 A 2057/12 –, a.a.O., Rn. 53.
94Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
95Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
96Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Tenor
I.
In Abänderung der Nrn. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg
II.
Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahrens wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
Tenor
Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. April 2013 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage - 8 K 3981/12 - gegen die Baugenehmigung vom 23. Juli 2012 anzuordnen, wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstands wird auch für das zweitinstanzliche Verfahren auf 3.750,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde der Beigeladenen hat Erfolg. Sie führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
3Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der ihr erteilten Baugenehmigung und dem Interesse der Antragstellerin, die Errichtung und Nutzung des genehmigten Vorhabens entgegen § 212a Abs. 1 BauGB vorerst zu verhindern, falle zum Nachteil der Beigeladenen aus, weil die Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses wegen Unbestimmtheit und eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme offensichtlich rechtswidrig sei.
4Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen führt - auch nach Auswertung der umfangreichen Erwiderungen der Antragstellerin vom 10. Juni 2013, 16. Juli 2013, 30. Juli 2013 und 7. August 2013 - zu dem Ergebnis, dass die Abwägung der Interessen gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu Lasten der Antragstellerin ausfällt. Hierbei ist davon auszugehen, dass Gegenstand der Beurteilung die sofortige Vollziehbarkeit der Baugenehmigung vom 23. Juli 2012 in der durch die Antragsgegnerin zuletzt am 26. Juli 2013 konkretisierten bzw. geänderten Fassung ist. Ob die Einbeziehung dieser Fassung der Baugenehmigung vom 23. Juli 2012 in das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ohne weiteres zulässig ist, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ergibt sich eine entsprechende Prüfungsbefugnis des Senats als Gericht der Hauptsache unter dem Blickwinkel des § 80 Abs. 7 VwGO.
5Die angegriffene Baugenehmigung verstößt in dieser für die Beurteilung durch den Senat im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Fassung der Nachtragsbaugenehmigung vom 17. April 2013 und der Änderungen vom 23. Juli 2013 und 26. Juli 2013 summarischer Prüfung zufolge nicht gegen zugunsten der Antragstellerin nachbarschützende Vorschriften; eine abschließende Prüfung muss allerdings dem anhängigen Hauptsacheverfahren - 7 A 1350/13 - vorbehalten bleiben, in dem der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage die Berufung auf Antrag der Beigeladenen zugelassen hat.
6Es liegt summarischer Beurteilung zufolge kein Verstoß gegen das Gebot der Bestimmtheit von Verwaltungsakten (vgl. § 37 VwVfG NRW) vor, der zu einer Rechtsverletzung der Antragstellerin führt.
7Die vom Verwaltungsgericht zutreffend beschriebenen Voraussetzungen an die nachbarrechtsrelevante Bestimmtheit von Regelungen einer Baugenehmigung sind zunächst in Bezug auf den Anlieferverkehr des Vorhabens vorliegend jedenfalls unter Berücksichtigung der nachträglichen Entscheidungen der Antragsgegnerin erfüllt.
8Die erforderlichen Konkretisierungen ergeben sich weitgehend bereits aus dem Gutachten der Schwinn-Ingenieure vom 10. April 2013. Die darin enthaltenen konkreten Angaben zum Anlieferverkehr sind entgegen der erstinstanzlichen Einschätzung Bestandteil der Genehmigung in der Fassung vom 17. April 2013 geworden und sind dies auch jetzt noch, soweit sie nicht durch die nachfolgenden Entscheidungen der Antragsgegnerin mit Einverständnis der Beigeladenen geändert worden sind.
9Aussagen zur Zahl der täglichen Anlieferungen - während der gemäß der Angabe der Betriebsbeschreibung maßgeblichen Lieferzeit von 6 bis 15 Uhr - finden sich in dem Abschnitt Betriebsbeschreibung und Emissionen auf S. 12 f. des Gutachtens dahingehend, dass 6 Lkw-Anfahrten großer Lkw (d. h. über 7,5 t und drei Achsen, vgl. die dem Gutachten beigefügte Skizze der Anfahrtskurve) mit einer Ladetätigkeit von jeweils 45 min täglich angenommen werden. Diese die Betriebsbeschreibung ergänzende Angabe war Grundlage der Begutachtung vom 10. April 2013 und ist durch die Bezugnahme auf das Gutachten auf S. 4 des Bauscheins und die Grünstempelung des Gutachtens zum Gegenstand der Genehmigung geworden. Diese Angaben sind durch die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 26. Juli 2013 im Sinne des bereits im Zulassungsverfahren - 7 A 1350/13 - angesprochenen Lieferkonzepts gemäß einer überarbeiteten detaillierten Betriebsbeschreibung (vgl. Anlage BG 7), die auch im Gutachten L. vom 29. Mai 2013 aufgegriffen wird, weiter eingeschränkt worden. Weitere Angaben zu den Anliefermodalitäten finden sich ebenfalls in der Entscheidung vom 26. Juli 2013. Noch weiter gehende Angaben zur Verteilung der Anlieferungen innerhalb des Anlieferungszeitraums waren hier nach Einschätzung des Senats nicht erforderlich.
10Hinsichtlich der Festlegung der Anlieferungskurve, auf der sich die Lieferfahrzeuge während des Anlieferungsvorgangs bewegen dürfen, ist die Baugenehmigung dahin zu verstehen, dass nur solche Lastkraftwagen für die Anlieferung zugelassen sind, die innerhalb der Linien der im Grundrissplan Kellergeschoss eingezeichneten Anfahrtkurven in einem Zug den Lieferbereich rückwärts anfahren können. Dies ergibt sich aus der entsprechenden Angabe im zum Gegenstand der Genehmigung gemachten Gutachten der T. -Ingenieure vom 10. April 2013 (S. 12 Mitte). Die Angaben zur Anlieferungskurve sind auch nicht etwa unbestimmt oder ungeeignet zur erforderlichen Konkretisierung des Genehmigungsinhalts. Soweit die Anfahrtskurven mit Blick auf eine im Grundrissplan enthaltene Eintragung von zwei neuen Stellplätzen (Aufhebung eines Halteverbots) im Bereich vor dem Vorhabengrundstück, etwa 20 m östlich des Hauseingangs der Antragstellerin, tatsächlich möglicherweise nicht einhaltbar waren, hat die Antragsgegnerin die Genehmigung durch Erklärung vom 23. bzw. 26. Juli 2013 mit Einverständnis der Beigeladenen durch Streichung dieser Eintragung geändert.
11Hinreichend konkrete Regelungen finden sich unter Berücksichtigung des Gutachtens vom 10. April 2013 und der dort zugrundegelegten Angaben mit nachfolgender Konkretisierung bzw. Änderung vom 26. Juli 2013 auch in Bezug auf den Tiefgaragenbetrieb.
12Anhaltspunkte für eine unzureichende Regelung der Benutzung, die zusätzliche Verkehrslärmimmissionen zulasten der Antragstellerin befürchten ließe, sind nicht gegeben. Hinreichende Sicherungen hierzu sind in der Entscheidung der Antragsgegnerin vom 26. Juli 2013 zur Änderung der Baugenehmigung enthalten. Danach wird durch Beschrankung und Ausgabe von Schlüsseln sowie Parkchipkarten für Bewohner bzw. Mitarbeiter des Supermarkts und Nutzer von Büroraum sowie von maximal 37 Parkchipkarten für auf den Lebensmittelmarkt entfallende Stellplätze hinreichend
13sichergestellt, dass es nicht zu einer erheblichen Zweckentfremdung kommt.
14Dass eine Umgehung dieses Sicherungskonzepts - entsprechend der im Schriftsatz vom 30. Juli 2013 zum Ausdruck gebrachten Befürchtung der Antragstellerin - etwa durch Weitergabe von Parkchipkarten der Bewohner (die in die Tiefgarage auch nachts einfahren und diese auch zur Nachtzeit verlassen dürfen) an andere Personen nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden kann, führt nicht zur Unbestimmtheit bzw. Ungeeignetheit der Regelung. Einer solchen von der Genehmigung nicht gedeckten Nutzung während der Nachtzeit wäre vielmehr mit den zur Verfügung stehenden zivilrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen Mitteln zu begegnen.
15Hinsichtlich des Rollgittertors und der abgedeckten Regenrinne ist eine lärmarme Ausgestaltung im Gutachten vom 10. April 2013 vorausgesetzt und damit - wie oben dargelegt - Gegenstand der Genehmigung geworden. Dies ist in der Änderung vom 26. Juli 2013 nochmals klargestellt worden. Angesichts dessen bedurfte es auch keiner weiteren Regelungen zur Häufigkeit der Benutzung.
16Desweiteren vermag der Senat summarischer Prüfung zufolge auch nicht den vom Verwaltungsgericht angenommenen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme festzustellen.
17Der Senat geht - ebenso wie das Verwaltungsgericht - davon aus, dass mit Blick auf die betriebsbedingten Lärmimmissionen des zugelassenen Vorhabens die Vorgaben der TA-Lärm maßgeblich sind und dass insoweit die zu erwartenden Beurteilungspegel für den Tageszeitraum mit einem Immissionsrichtwert von 60 dB(A) und für den Nachtzeitraum mit einem Wert von 45 dB(A) zu vergleichen sind (Ziff. 6.1 Satz 1 TA-Lärm) und dass die entsprechenden Begrenzungen für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen gelten (Ziff. 6.1 Satz 2 TA-Lärm).
18Im Rahmen der hier allein gebotenen summarischen Beurteilung geht der Senat weiter davon aus, dass es sich bei der maßgeblichen Umgebung des Vorhabens um eine städtebauliche Gemengelage handelt. Hierfür ist nach Ziff. 6.7 TA-Lärm ein Zwischenwert zu ermitteln,
19vgl. zur Zwischenwertbildung BVerwG, Beschluss vom 12. September 2007 - 7 B 24.07 -, juris
20und OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013
21- 2 B 1336/12 -, NWVBl. 2013, 284,
22der vorliegend dem oben genannten Lärmschutzniveau entspricht. Entgegen der Einschätzung der Antragstellerin ist hier nicht wegen der vorhandenen Wohnnutzungen ein höheres Lärmschutzniveau, etwa gemäß den in der TA-Lärm für allgemeine Wohngebiete vorgesehenen Werten, zugrundezulegen. Allerdings nimmt der Senat zugunsten der Antragstellerin an, dass ihr Grundstück als Wohngrundstück anzusehen und mit einer entsprechenden Schutzbedürftigkeit in die Ermittlung eines Zwischenwerts einzustellen ist; das nach den beigezogenen Bauakten bauaufsichtlich 1911 als Metzgerei des Abraham S. genehmigte Gebäude wurde nämlich in der Folgezeit zu Wohnzwecken genutzt und diese Nutzung wird von der Antragsgegnerin ausweislich der Vorgänge im Zusammenhang mit wesentlichen baulichen Änderungen nach dem Einzug der Antragstellerin im Jahr 1998 (Dachgauben) zugelassen. Maßgeblich für die Beurteilung im Hinblick auf den Zwischenwert ist neben der vorhandenen Wohnnutzung aber auch die bis in die jüngste Vergangenheit vorhandene gewerbliche Nutzung insbesondere in dem unmittelbar östlich und nordöstlich des Hauses der Antragstellerin gelegenen Bereich zwischen G. -C. -Straße und T1. -M. -Straße. Dort befanden sich ausweislich der detaillierten Angaben der Beigeladenen (vgl. die Ausführungen in dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 17. April 2013 im Hauptsacheverfahren) und der dem Senat vorliegenden umfangreichen Bauakten seit vielen Jahren gewerbliche Nutzung durch großflächigen Einzelhandel mit Verkehr und Anlieferung zur T1. -M. -Straße und sonstige für ein allgemeines Wohngebiet unverträgliche gewerbliche Nutzungen etwa durch eine Holzhandlung und ein Bodenbelagsgeschäft. Dieser städtebaulichen Vorbelastung des von der Antragstellerin bewohnten Bereichs kommt wegen ihrer nach der zitierten Rechtsprechung bzw. Ziff. 6.7 TA-Lärm maßgeblichen zeitlichen Priorität besondere Bedeutung für die Zwischenwertbildung zu, sie schließt es vorliegend aus, ein für die Antragstellerin günstigeres Lärmschutzniveau anzunehmen.
23Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das danach maßgebliche Lärmschutzniveau durch den Betrieb des Vorhabens der Beigeladenen nicht eingehalten werden wird, vermag der Senat bei der allein gebotenen summarischen Beurteilung auf der Grundlage des zum Gegenstand der Genehmigung gemachten Gutachtens vom 10. April 2013 unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahmen hierzu sowie des Gutachtens der L. Schalltechnik GmbH vom 29. Mai 2013 auch nach Auswertung der von der Antragstellerin beigebrachten Stellungnahmen des Instituts für Immissionsschutz B. cologne vom 10. Juli 2013 und 29. Juli 2013 nicht festzustellen.
24Dies gilt zunächst für die Kritik an der Prognose hinsichtlich der Lärmimmissionen, die vom Betrieb der Tiefgarage ausgehen.
25Gegenstand der erstinstanzlichen Beurteilung war insbesondere ein im Gutachten vom 10. April 2013 vorgenommener Abschlag von 8 dB(A), den der Gutachter mit dem Aspekt der Richtcharakteristik begründete, d.h. dem Umstand, dass der von den - die Tiefgarage verlassenden - Fahrzeugen abgestrahlte Schall sich wegen der geplanten Einhausung der Einfahrt nicht gleichmäßig in alle Richtungen ausbreiten kann. Ob die dieser Beurteilung entgegen gehaltenen Bedenken, es werde Schall von der nahe gelegenen Bebauung auf der Südseite der T1. -M. -Straße durch Reflexion Immissionen zu ihren Lasten herbeiführen und das Gasgeben beim Ausfahren sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, bereits im Gutachten vom 10. April 2013 hinreichend gewürdigt sind, mag dahinstehen. Denn nach dem neuen Gutachten der L. Schalltechnik GmbH vom 29. Mai 2013 kommt es auf einen Abschlag in der genannten Höhe nicht mehr an. Dieses summarischer Prüfung zufolge auch im Übrigen hinreichend belastbare Gutachten kommt nämlich ohne diesen Abschlag zu der näher begründeten Prognose, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte für den Tageszeitraum nicht überschritten werden. Auf Seite 14 des Gutachtens wird im Zusammenhang mit Schallemissionswerten der Tiefgarage ausdrücklich festgestellt, eine Richtwirkung werde aus Sicherheitsgründen nicht berücksichtigt. Auch in den von der Antragstellerin beigebrachten Stellungnahmen vom 10. Juli 2013 und 29. Juli 2013 ist hierzu nichts Gegenteiliges aufgezeigt.
26Ob die Prognose der Verkehrsmenge auf der Grundlage der Parkplatzlärmstudie mit einem pauschalen Abzug für einen guten Anschluss an den Öffentlichen Personennahverkehr von der Antragstellerin zu Recht beanstandet worden ist, mag dahinstehen. Mit dem Verkehrsgutachten der J. Ingenieurgruppe Stadt +Verkehr (Stand Juni 2013), das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens von der Beigeladenen eingereicht worden ist, sind die Ansätze für den vorhabenbedingten Verkehr einzelfallbezogen auch im Hinblick auf die Anteile ermittelt worden, die sich auf den Kundenverkehr des Lebensmittelmarkts beziehen. Dagegen sind keine Einwände erhoben worden, die bei der gebotenen summarischen Beurteilung zu durchgreifenden Bedenken gegen die Ansätze des Gutachters führen.
27Insbesondere teilt der Senat nicht die zuletzt mit Schriftsatz vom 30. Juli 2013 unter Bezugnahme auf die sachverständigen Stellungnahmen vom 10. Juli 2013 und 29. Juli 2013 geäußerten Bedenken der Antragstellerin gegen die Prognose der Kfz-Bewegungen anhand gemittelter Werte, die auch das Gutachten der L. Schalltechnik GmbH im Anschluss an das Verkehrsgutachten zugrundelegt. Verkehrsprognosen sind nach der Rechtsprechung mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der dafür erheblichen Umstände sachgerecht zu erstellen; die Überprüfungsbefugnis des Gerichts erstreckt sich allein darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 2013
29- 9 B 30.12 -, juris, m. w. N.
30Danach ist die Prognose summarischer Beurteilung zufolge insbesondere nicht mit Blick auf den Einwand der Antragstellerin zu beanstanden, der Gutachter habe eine an bestimmten Tagen zu erwartende wesentlich höhere Verkehrs- bzw. Immissionsbelastung vernachlässigt. Eine unrealistische Annahme des Gutachters im Sinne der zitierten Rechtsprechung vermag der Senat nicht zu erkennen. Eine abschließende Beurteilung muss allerdings - auch mit Blick auf die weiteren Einwände der Antragstellerin im Schriftsatz vom 30. Juli 2013 und der sachverständigen Stellungnahme vom 29. Juli 2013 - dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
31Dass - wie die Antragstellerin geltend macht - Überschreitungen der Spitzenpegel nach der TA-Lärm in der Nachtzeit durch Fahrten von Bewohnern in die Tiefgarage bzw. aus der Tiefgarage nicht auszuschließen sind, ist summarischer Beurteilung zufolge unerheblich. Die Werte der TA Lärm sind für Immissionen, die von einer Wohnnutzung ausgehen, nicht unmittelbar maßgeblich. Bei der mithin unabhängig von den Richtwerten der TA-Lärm vorzunehmenden Beurteilung nach dem planungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme bzw. nach § 51 Abs. 7 BauO NRW ist in Rechnung zu stellen, dass in - wie hier - geschlossen bebauten innerstädtischen Bereichen üblicherweise auch zur Nachtzeit entsprechende Kraftfahrzeugbewegungen im Bereich von Wohngebäuden zugeordneten Garagen, Einfahrten und auch Tiefgaragen stattfinden und im straßennahen Bereich grundsätzlich hinzunehmen sind.
32Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot lässt sich ebenso wenig in Bezug auf den Anlieferverkehr feststellen.
33Eine hinreichende Sicherstellung der Annahmen des Gutachtens vom 10. April 2013 nach Maßgabe der Konkretisierung bzw. Änderung vom 26. Juli 2013 zu der Anzahl der zu erwartenden Lkw und dem konkreten Ablauf der Anfahrt ergibt sich aus der Einbeziehung des Gutachtens und der darin enthaltenen Annahmen zu den genannten Umständen in das Regelungskonzept der Genehmigung. Entsprechendes gilt für die nachfolgenden Änderungen bzw. Konkretisierungen durch die Antragsgegnerin. Soweit die Antragstellerin unter Hinweis auf die beigefügte sachverständige Stellungnahme vom 10. Juli 2013 bezweifelt, dass die liefernden Lkw die vorgesehene Anfahrtskurve einhalten werden, verkennt dieser Einwand den Regelungsgehalt der Genehmigung in der Fassung vom 26. Juli 2013, die dies - wie vorstehend aufgezeigt - gerade voraussetzt. Dass es tatsächlich unmöglich wäre, die Kurve einzuhalten, vermag der Senat mit Blick auf die Konkretisierung/Änderung der Genehmigung und das vorliegende Verkehrsgutachten im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung nicht festzustellen.
34Ebenso wenig vermag der Senat festzustellen, dass - wie die Antragstellerin meint - die Geräusche der Kühlaggregate der anliefernden Lkw nicht zureichend betrachtet worden wären. Hierzu hat die L. Schalltechnik GmbH in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 22. Juli 2013 aufgezeigt, dass die Geräusche des Betriebs der Kühlaggregate durch die Ansätze für Fahrgeräusche im Gutachten vom 29. Mai 2013 mit abgedeckt sind. Eine abschließende Überprüfung der hieran geäußerten Kritik muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
35Soweit erstinstanzlich beanstandet worden ist, es seien nur Geräusche auf dem Grundstück beurteilt worden, obwohl nach Ziff. 7.4 Abs. 1 Satz 1 TA-Lärm auch Fahrzeuggeräusche bei der Ein- und Ausfahrt zu erfassen seien, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage entstehen, wird durch die neue Begutachtung vom 29. Mai 2013 bestätigt, dass auch unter Einbeziehung dieser Immissionen eine Überschreitung des maßgeblichen Richtwerts nicht zu befürchten ist (vgl. Seite 13 des Gutachtens L. vom 29. Mai 2013,. „Betriebsgeräusche, solange sich eine Fahrzeugachse noch/schon auf dem Betriebsgelände befindet“).
36Dass - wie die Antragstellerin befürchtet - in der T1. - M. -Straße Lkw warten, wenn die Lieferzone belegt ist, ist nach der Änderung der Genehmigung vom 26. Juli 2013 nicht zu erwarten; durch das konkretisierte Anlieferkonzept ist hinreichend gesichert, dass solche Wartezeiten vermieden werden. Rechtlich erheblichen Verstößen wird mit ordnungsrechtlichen Mitteln zu begegnen sein.
37Der Umstand, dass die Baugenehmigung nicht nur für die Fa. REWE, sondern auch andere künftige Betreiber gilt, wird von der Antragstellerin zutreffend hervorgehoben. Gerade deshalb bedarf es der von der Antragstellerin vermissten weiteren Willensbekundungen zum Anliefergeschehen nicht. Denn die maßgeblichen, durch die Genehmigung in der Fassung vom 26. Juli 2013 konkretisierten Anforderungen binden die Beigeladene als Adressatin ebenso wie die Fa. REWE oder andere Betreiber, die von der Genehmigung Gebrauch machen wollen.
38Ebenso wenig hat die erstinstanzliche Kritik an der Lärmimmissionsprognose Bestand, soweit sie sich auf die Verkehrszunahme auf der öffentlichen Straße bezieht. Denn aus dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten Gutachten der L. Schalltechnik GmbH vom 29. Mai 2013, das bereits von den Änderungen der Genehmigung hinsichtlich der Angaben zum Betriebsumfang ausgeht, ist zwar eine rechnerische Erhöhung der öffentlichen Straßenverkehrsgeräusche um mindestens 3 dB (A) nicht auszuschließen und eine Vermischung mit dem öffentlichen Verkehr kaum zu erwarten. Die Immissionsgrenzwerte nach der 16. BImSchV im Bereich der Antragstellerin, die sich für den öffentlichen Straßenverkehr auf 64 dB (A) belaufen, werden aber nach dem Gutachten (vgl. S. 10/21 Tabelle 3.7 Zeile 1a) auch bei der für die Antragstellerin ungünstigen Alternative A, d. h. wenn der abfließende Verkehr vollständig nach Westen zur M. Straße verläuft und damit ihr Erdgeschoss (Wohnküchenbereich und Wohn- und Musikzimmer) passiert, mit 63 dB (A) eingehalten. Die Richtigkeit dieser Beurteilung wird auch durch die von der Antragstellerin eingereichten sachverständigen Stellungnahmen vom 10. Juli 2013 und 29. Juli 2013 nicht erschüttert.
39Entgegen der Einschätzung der Antragstellerin ist desweiteren summarischer Prüfung zufolge nicht etwa von einem Gebietserhaltungsanspruch auszugehen, der der Genehmigung entgegen gehalten werden könnte. Nach den vorliegenden Karten, Plänen, Luftbildern und Fotos geht der Senat ebenso wie das Verwaltungsgericht in der in das Verfahren eingeführten rechtskräftigen Entscheidung vom 24. April 2013
40- 8 K 5086/12 - (Klage der Frau Petra T2. , T1. -M. -Straße 17) davon aus, dass die maßgebliche nähere Umgebung als städtebauliche Gemengelage einzuordnen ist und deshalb kein allein an die Art der baulichen Nutzung durch das Vorhaben anknüpfender Abwehranspruch besteht. Gegen die von der Antragstellerin vertretene Annahme, es handele sich um ein faktisches Mischgebiet (vgl. § 34 Abs. 2 BauGB, § 6 BauNVO), spricht entscheidend der Umstand, dass die maßgebliche Umgebung durch zumindest zwei in keiner Weise mischgebietsverträgliche Nutzungen geprägt wird. Dies betrifft zunächst die kerngebietstypische Einrichtung des nahe gelegenen Rathauses von C. -C1. . Nach dem Eindruck der Örtlichkeit, den der Berichterstatter bei der Ortsbesichtigung gewonnen und dem Senat vermittelt hat, ist die nähere Umgebung, die das Vorhaben prägt bzw. von dem Vorhaben geprägt wird, nicht auf den inneren Blockbereich des Straßengevierts der T1. -M. -Straße, der S1.------straße , der G. -C. -Straße und der M1. Straße begrenzt, sondern erstreckt sich zumindest auf die jeweils gegenüber liegenden Bebauungskomplexe, zu denen bestimmende Sichtbeziehungen bestehen und erfasst damit auch das Rathaus. Ebenso wird die Umgebung durch die langjährige Nutzung von wesentlichen Teilen des Vorhabengrundstücks durch einen großflächigen Lebensmitteleinzelhandel (L. ) geprägt, der grundsätzlich mit dem Charakter eines Mischgebiets entsprechend § 6 BauNVO unverträglich ist. Diese Prägung ist mit der im Zuge der Baumaßnahmen der Beigeladenen erfolgten Beseitigung dieser Bausubstanz nicht verloren gegangen, sondern wirkt noch nach.
41Vgl. zur nachprägenden Wirkung etwa OVG NRW, Urteil vom 21. November 2005 - 10 A 1166/04 -, BRS 69 Nr. 100.
42Ungeachtet dieser summarischen Beurteilung der Erfolgsaussichten, nach der eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die bauaufsichtliche Zulassung des Vorhabens in der zuletzt am 26. Juli 2013 geänderten Fassung und damit ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren fern liegt, fällt auch eine allgemeine Interessenabwägung zugunsten der Beigeladenen aus. Diese allgemeine Interessenabwägung orientiert sich an der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers, die in § 212a Abs. 1 BauGB zum Ausdruck kommt, danach hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren für erstattungsfähig zu erklären; dies entspricht der Billigkeit, denn sie hat bereits erstinstanzlich einen Sachantrag gestellt und sich als Rechtsmittelführerin auch im Beschwerdeverfahren einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
44Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
45Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen.
(2) Zulässig sind
- 1.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten, landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen und Gartenbaubetriebe, - 2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
Gründe
- 1
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 2
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Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage sowohl als unzulässig als auch als unbegründet abgewiesen. In einem solchen Fall kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder Begründung ein Revisionszulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (Beschluss vom 19. September 1991 - BVerwG 2 B 108.91 - juris Rn. 4). Vorliegend scheitert die Beschwerde daran, dass es ihr nicht gelingt, hinsichtlich der Abweisung der Klage als unbegründet einen Grund für die Zulassung der Revision aufzuzeigen. Dazu im Einzelnen Folgendes:
- 3
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1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.
- 4
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a) Die für den Fall der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Nr. 71b Forstenried-Solln Teil II der Antragsgegnerin gestellte Frage, ob ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch zumindest dann anerkannt werden muss, wenn das gebietsexterne Vorhaben ebenso wie das eigene Grundstück in einem faktischen Baugebiet gelegen ist, für das nach der Baunutzungsverordnung dieselben Nutzungsarten (hier: eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte) ausgeschlossen sind, lässt sich mit dem Hinweis auf die vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommene Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 2011 - BVerwG 4 B 32.11 - (ZfBR 2012, 378) ohne weiteres verneinen. Danach kann sich ein Nachbar gegen eine gebietsfremde Nutzung nur zur Wehr setzen, wenn beide Grundstücke demselben faktischen Baugebiet angehören.
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Die Frage ist nicht deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, weil der Senat im Beschluss vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 4 B 55.07 - (BayVBl 2008, 765) einem Nachbarn, dessen Grundstück nicht im Plangebiet liegt, einen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Plangebiet nur im Grundsatz abgesprochen hat. Der Vorbehalt trägt dem Umstand Rechnung, dass der Senat einen Gebietserhaltungsanspruch zu Gunsten plangebietsexterner Grundeigentümer jenseits des Bundesrechts für gegeben hält, wenn, was in der Praxis der Ausnahmefall sein wird, Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung nach dem Willen des Plangebers auch Grundeigentümern außerhalb des Plangebiets Drittschutz vermitteln sollen. Dieser Sonderfall ist in faktischen Baugebieten nicht denkbar. Es liegt in der Konsequenz dieser Erkenntnis, dass der Senat im Beschluss vom 22. Dezember 2011 (a.a.O.) einen grenzüberschreitenden Gebietserhaltungsanspruch im Falle des § 34 Abs. 2 BauGB ausnahmslos ausgeschlossen hat.
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b) Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass sich der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets belegenen Grundstückseigentümers bundesrechtlich (nur) nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme bestimmt und das Maß der gebotenen Rücksichtnahme von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt. Beides entspricht, wie auch die Klägerin nicht verkennt, der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 18. Dezember 2007 a.a.O. und Urteil vom 25. Januar 2007 - BVerwG 4 C 1.06 - BVerwGE 128, 118 Rn. 18). Sie möchte in einem Revisionsverfahren grundsätzlich geklärt wissen, ob die Ansiedlung einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte unmittelbar jenseits der Grenze eines reinen Wohngebiets im Hinblick auf die von ihr ausgehenden Störungen und Belästigungen prinzipiell, d.h. ohne Nachweis einer konkreten Beeinträchtigung unzumutbar im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist.
- 7
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Die von der Klägerin aufgeworfene Frage ist zu verneinen, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats, dass das Maß der nach § 15 Abs. 1 BauNVO gebotenen Rücksichtnahme, wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt, gerade von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt. Gegeneinander abzuwägen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist (Urteile vom 5. August 1983 - BVerwG 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334 <339> und vom 6. Oktober 1989 - BVerwG 4 C 14.87 - ZfBR 1990, 34 <35>; Beschluss vom 3. März 1992 - BVerwG 4 B 70.91 - Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 8 S. 6; Urteil vom 25. Januar 2007 a.a.O.). Feste Regeln lassen sich dabei nicht aufstellen. Erforderlich ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (Urteil vom 5. August 1983 a.a.O. S. 340).
- 8
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Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, die bisherige Rechtsprechung einer Überprüfung in einem Revisionsverfahren zu unterziehen. Es trifft nicht zu, dass die Rechtsprechung dem Wohnungseigentümer in einem reinen Wohngebiet keinerlei Schutz gegen Spielhallen gewährt, die sich unmittelbar hinter der Grenze des Wohngebiets ansiedeln. Je nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls kann die Prüfung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auch zu Gunsten des Wohnungseigentümers ausfallen. Die Ansicht der Klägerin, dass nach einer - hier zu befürchtenden - Häufung von Spielhallen weitere Spielhallen mit Hilfe des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auch dann nicht mehr verhindert werden könnten, wenn sie mit unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft verbunden seien, trifft nicht zu. Das Urteil des Senats vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 4 C 13.93 - (BRS 56 Nr. 61) stützt ihre Ansicht nicht, weil es sich zum Rücksichtnahmegebot nicht verhält.
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c) Die von der Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage, ob der sog. trading-down-Effekt auf den Qualitätsverlust von Einkaufsstraßen und Einkaufszonen beschränkt ist oder auch eine negative Betroffenheit von reinen Wohngebieten kennzeichnet, führt nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision, weil es sich bei ihr nicht um eine Rechtsfrage handelt. Der (sozioökonomische) Begriff des trading-down-Effekts kennzeichnet eine Entwicklung, die auf der Beobachtung wirtschaftlicher Aktivitäten und ihrer Auswirkungen auf gesellschaftliche Prozesse beruht. Ihre Erfassung und Bewertung ist der Ebene der Sachverhaltsermittlung zuzuordnen und obliegt den Tatsachengerichten. Auf die weitere Frage, ob ein trading-down-Effekt auch dann zu bejahen ist, wenn er baugebietsübergreifend eintritt oder einzutreten droht, kommt es nicht mehr an.
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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.
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a) Die Klägerin hält dem Verwaltungsgerichtshof vor, zu Unrecht auf die Einholung eines Gutachtens über die mögliche Wertminderung ihres Wohneigentums durch die Ansiedlung einer Spielhalle in unmittelbarer Umgebung verzichtet zu haben, und sieht darin der Sache nach einen Verstoß gegen die Pflicht zur Klärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO). Die Kritik verhilft der Verfahrensrüge nicht zum Erfolg. Der Bereich der Tatsachenfeststellung ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt rechtlich verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183; stRspr). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Einholung des von der Klägerin vermissten Wertgutachtens nur für den Fall für erforderlich gehalten, dass das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist (UA Rn. 23). Da er diesen Fall verneint hat - ob zu Recht oder zu Unrecht, ist unerheblich -, hatte er keinen Anlass, die für möglich gehaltene Wertminderung durch einen Sachverständigen ermitteln zu lassen.
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b) Die Klägerin rügt ferner einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und damit gleichzeitig eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Der Verwaltungsgerichtshof habe in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge abschlägig beschieden, weil er die unter Beweis gestellten Behauptungen als wahr unterstellt habe, ihr, der Klägerin, im Urteil aber ohne vorherigen Hinweis auf die Ergänzungsbedürftigkeit ihres Vortrags vorgehalten habe, der bisherige Vortrag sei nicht substanziiert.
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Auch diese Verfahrensrüge führt nicht zur Zulassung der Revision. Bei den Behauptungen, die der Verwaltungsgerichtshof als wahr unterstellt hat, handelt es sich um andere als diejenigen, die er für nicht substanziiert hält. Die von der Klägerin unter Beweis gestellten und vom Verwaltungsgerichtshof als wahr unterstellten Behauptungen zu den Auswirkungen von Spielhallen auf die Umgebung sind nach der vorinstanzlichen Einschätzung allgemeiner Natur (UA Rn. 22). Sie seien hinzunehmen (UA Rn. 22 a.E.). Einen Abwehranspruch gibt es nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofs nur bei einer konkreten Beeinträchtigung, die den Grad der Unzumutbarkeit erreicht haben muss. Dafür sei weder etwas ersichtlich noch substanziiert vorgetragen. Auf die mangelnde Substanziierung des Vorbringens zu einer konkreten Beeinträchtigung ihres Wohneigentums musste der Verwaltungsgerichtshof die Klägerin nicht aufmerksam machen. Eine allgemeine Pflicht der Gerichte, die Beteiligten auf die gerichtliche Rechtsauffassung und die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen, besteht nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. April 1987 - 1 BvR 883/86 - DB 1987, 2287 <2288>).
(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.
(2) Zulässig sind
- 1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, - 2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude, - 3.
Tankstellen, - 4.
Anlagen für sportliche Zwecke.
(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 5. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen der Beigeladenen zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweiligen Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Kläger begehren bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine baugebietswidrige Wohnnutzung.
- 2
Sie sind Eigentümer der in der Gemarkung R… gelegenen Grundstücke Flurstück Nrn. …, … und …, auf denen sie eine Spedition betreiben. Im Nordwesten grenzt an diese Parzellen das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Beigeladenen an (Flurstück Nr. …). Der am 1. August 1991 in Kraft getretene Bebauungsplan „In der Langenbach“ setzt für diese Flurstücke ein Gewerbegebiet fest. Im Süden des Speditionsgeländes schließt sich ein ebenfalls mit Wohnhäusern bebautes Mischgebiet an.
- 3
Das Wohnhaus der Beigeladenen wurde 1913 errichtet. 1986 wurde das Hausgrundstück vom Land Rheinland-Pfalz - Straßenverwaltung - angekauft, da es zu einem großen Teil für den Straßenbau benötigt wurde. Von Anfang 1988 bis Mitte 1991 nutzte die Straßenverwaltung das Gebäude als Büro. Nach Fertigstellung der Straßenbaumaßnahme verkaufte das Land Rheinland-Pfalz das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom Dezember 1992 zum Preis von 90.000,00 DM an die Kläger, die das Gebäude seither zu Wohnzwecken nutzen.
- 4
Im Jahr 1995 erteilte der Beklagte den Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon.
- 5
Seit etwa 1999 beanstandete die Bauaufsichtsbehörde den Umfang des Lkw-Betriebes auf dem Speditionsgrundstück. Ein schalltechnisches Gutachten vom April 2001 ergab, dass bei 6 Lkw-Abfahrten von dem Grundstück in der lautesten Nachtstunde am Wohngebäude der Beigeladenen der Immissionsrichtwert für Gewerbegebiete (50 dB(A)) nicht eingehalten werden könne. Am 25. Juli 2003 verfügte der Beklagte ein Nachtfahrverbot für LKW. Schließlich wurde den Klägern am 13. Februar 2007 eine Baugenehmigung u.a. für einen Abstellplatz mit der Maßgabe erteilt, dass in der lautesten Nachtstunde maximal 3 Pkw-Parkvorgänge und 3 Lkw-Abfahrten zulässig seien.
- 6
Hinsichtlich der Wohnnutzung des Gebäudes der Beigeladenen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2004 fest, dass diese Wohnnutzung sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegen baurechtliche Bestimmungen verstoße und ein Bestandsschutz aus einer früher zulässigerweise ausgeübten Wohnnutzung nicht mehr bestehe. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Kreisverwaltung aber bereit sei, aufgrund der besonderen Umstände des Falles von einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die rechtswidrige Wohnnutzung abzusehen, allerdings nur dann, wenn keine strengeren Lärmschutzanforderungen als die für ein Betriebswohngebäude im Gewerbegebiet gestellt würden. Diese Duldungsentscheidung stelle eine sachgerechte Interessenabwägung dar und verschaffe den Beigeladenen eine „gewisse verfestigte Rechtsposition“. Die von den Beigeladenen gegen die Feststellung der Baurechtswidrigkeit ihrer Wohnnutzung erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des VG Neustadt an der Weinstraße vom 26. November 2007 - 3 K 724/07.NW - und Beschluss des Senats vom 26. März 2008 - 8 A 10034/08.OVG -). Im Rahmen einer Petition der Beigeladenen, mit der sie die Erstreckung der Duldung auch auf ihre Kinder erreichen wollten, teilte der Landrat des Beklagten mit Schreiben vom 15. September 2008 mit, dass die Beigeladenen auch künftig mit einem Einschreiten nicht rechnen müssten, sofern nicht besondere Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art ein Einschreiten erforderten. Diese Ausführungen würden entsprechend auch für den Fall der Übernahme des Gebäudes durch die Kinder der Beigeladenen gelten.
- 7
Mit Schreiben vom 21. November 2008 bat der damalige Bevollmächtigte der Kläger den Beklagten unter Hinweis auf die inzwischen rechtskräftig festgestellte Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung um Aufklärung, in welcher Weise die Bauverwaltung einzuschreiten gedenke. In seiner Antwort teilte der Beklagte mit, dass den Interessen des Speditionsunternehmens durch die „Gleichstellung“ des Hauses mit einem Betriebswohngebäude hinreichend Rechnung getragen worden sei. Nachdem eine erneute Bitte um bauaufsichtliches Einschreiten im September 2009 erfolglos geblieben war, beantragten die Kläger mit Schreiben vom 23. August 2010 förmlich, gegen die rechtswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten. Zumindest müsse die im Bescheid vom 6. Februar 2004 ausgesprochene Duldung eingeschränkt werden.
- 8
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 2011 ab und führte zur Begründung aus: Der im Falle der Verletzung des Gebietsbewahrungsanspruchs grundsätzlich bestehende Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten scheide hier wegen besonderer Umstände des Falles aus. Zunächst sei der Nachbaranspruch verwirkt. Darüber hinaus stünden einem Einschreiten auch Vertrauensschutzgesichtspunkte zu Gunsten der Beigeladenen entgegen. Ihnen sei nicht erkennbar gewesen, dass sie 1992 ein illegales Wohngebäude erwarben. Hinzu komme, dass ihnen 1995 die Errichtung einer Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon bauaufsichtlich genehmigt worden sei, woraufhin die Beigeladenen nicht unerhebliche Investitionen getätigt hätten. Mit der „Gleichstellung“ des Wohngebäudes der Beigeladenen mit einer Betriebswohnung sei den Interessen des Speditionsbetriebs hinreichend Rechnung getragen. Im Übrigen behalte sich die Kreisverwaltung ein Einschreiten vor, sofern dies wegen besonderer Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art im öffentlichen Interesse erforderlich werde. Demzufolge werde auch der Hilfsantrag auf Einschränkung der Duldung abgelehnt. Ob das Ableben der Beigeladenen oder andere Umstände ein Einschreiten erfordere, werde zu gegebener Zeit im Einzelfall zu entscheiden sein.
- 9
Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 zurückgewiesen. Zuvor hatten die Beigeladenen ausgeführt, dass die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen das Land Rheinland-Pfalz wegen des im Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsausschlusses erfolglos geblieben sei.
- 10
Die Kläger haben zur Begründung der daraufhin erhobenen Klage vorgetragen: Die Verweigerung des bauaufsichtlichen Einschreitens sei ermessensfehlerhaft. Die Nachbarschaft zu den Beigeladenen gestalte sich denkbar ungünstig. Es komme immer wieder zu neuen Anzeigen beim Gewerbeaufsichtsamt und anderen Ämtern. Dadurch würden die Abläufe in ihrem Speditionsbetrieb empfindlich gestört. Ihr Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sei auch nicht verwirkt. Zweifelsfrei Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hätten sie erst nach Abschluss des auf den Bescheid vom 6. Februar 2004 bezogenen Verfahrens der Beigeladenen gehabt. Sollte doch von einer Duldung auszugehen sein, müsse diese jedoch jedenfalls beschränkt werden.
- 11
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Den Klägern stehe ein Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung nicht zu. Zwar sei die von den Beigeladenen ausgeübte Wohnnutzung formell und materiell baurechtswidrig. Jedoch liege ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Kläger nicht vor. Mit der in der Duldungsverfügung vom 6. Februar 2004 enthaltenen Gleichstellung des Gebäudes der Beigeladenen mit einem im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Betriebswohngebäude sei dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des im Bebauungsplan festgesetzten Gebietscharakters Genüge getan. Eine negative Vorbildwirkung durch die geduldete Wohnnutzung sei nicht zu befürchten, da sich in dem festgesetzten Gewerbegebiet neben dem Grundstück der Beigeladenen lediglich noch die Grundstücke der Kläger befänden. Vor diesem Hintergrund sei auch der Hilfsantrag abzuweisen. Ein Bedürfnis für eine Konkretisierung oder Einschränkung der Duldung vom 6. Februar 2004 bestehe derzeit nicht.
- 12
Die Kläger haben zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen ausgeführt: Ihr Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sei nicht verwirkt. Sie hätten rechtzeitig nach rechtskräftiger Feststellung der Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung der Beigeladenen ein bauaufsichtliches Einschreiten beantragt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ihr Gebietsbewahrungsanspruch sehr wohl verletzt. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO lasse lediglich Betriebswohnungen ausnahmsweise zu. Eine Baugenehmigung für eine reine Wohnnutzung - wie hier - sei deshalb rechtswidrig. Dann sei aber eine dahingehende Duldungsentscheidung ebenfalls rechtswidrig. Es gehe nicht an, dass sich die Behörde durch ihr eigenes Verhalten an der Herstellung rechtmäßiger Zustände hindere.
- 13
Die Kläger beantragen,
- 14
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 5. Dezember 2011 den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über ihren Antrag auf Unterlassung der Nutzung des Grundstücks P… Straße in R… zu Wohnzwecken unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
- 15
Der Beklagte beantragt,
- 16
die Berufung zurückzuweisen.
- 17
Nach seiner Auffassung ist die Duldungsentscheidung vom 6. Februar 2004 gegenüber den Klägern bestandskräftig geworden. Im Übrigen sei die Behörde durchaus bauaufsichtlich eingeschritten, indem sie nämlich das Wohnhaus der Beigeladenen einer Betriebswohnung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO gleichgestellt habe. Die darüber hinaus ausgesprochene Duldung stelle gerade unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes zugunsten der Beigeladenen eine rechtmäßige Ermessensentscheidung dar.
- 18
Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
- 19
die Berufung zurückzuweisen.
- 20
Sie tragen ergänzend vor: Dem Anspruch auf Einschreiten stehe bereits die Bestandskraft des Duldungsbescheids vom 6. Februar 2004 entgegen. Die Kläger hätten nach Kenntnis hiervon länger als ein Jahr nichts dagegen unternommen. Darüber hinaus sei der Anspruch auf Einschreiten auch infolge der Untätigkeit der Kläger gegenüber der bereits seit 1992 ausgeübten Wohnnutzung verwirkt.
- 21
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 22
Die Berufung hat keinen Erfolg.
- 23
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über ihren Antrag, gegen die Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten. Denn die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt.
- 24
Rechtsgrundlage für das begehrte bauaufsichtliche Einschreiten ist § 81 Satz 1 LBauO. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung baulicher Anlagen untersagen, wenn diese gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen. Dieser Ermächtigung zum bauaufsichtlichen Einschreiten korrespondiert ein subjektiver Anspruch eines Nachbarn auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, sofern die verletzte Vorschrift nachbarschützend ist (vgl. Urteil des Senats vom 7. Dezember 2005 - 8 A 11062/05.OVG -).
- 25
1. Die Wohnnutzung der Beigeladenen ist sowohl formell baurechtswidrig, weil sich die ursprünglich im Jahr 1913 genehmigte Wohnnutzung des Hauses infolge der Umnutzung zum Baubüro erledigt hat, als auch materiell baurechtswidrig, weil sie nicht genehmigungsfähig ist. In einem Gewerbegebiet sind Wohngebäude grundsätzlich nicht zulässig. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO können lediglich Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber untergeordnet sind, ausnahmsweise zugelassen werden. Diese Ausnahmevoraussetzungen liegen für die reine Wohnnutzung der Beigeladenen nicht vor. All dies steht zwischen den Beteiligten durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 26. November 2007 - 3 K 724/07.NW - und den Beschluss des Senats vom 26. März 2008 - 8 A 10034/08.OVG - rechtskräftig fest.
- 26
Die Kläger können sich auch auf die materielle Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung durch die Beigeladenen berufen. Denn die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungspläne hat für die Nachbarn im Plangebiet kraft Bundesrechts nachbarschützende Funktion (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151, LS 2). Soweit das Verwaltungsgericht zwischen objektiver Rechtswidrigkeit der Grundstücksnutzung und dem Umfang des Gebietsbewahrungsanspruchs des Nachbarn differenziert, gilt es klarzustellen, dass der Umfang der subjektiven Rechtsstellung des Nachbarn in vollem Umfang den objektiv-rechtlichen Anforderungen an die Gebietsverträglichkeit entspricht. So hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass der Nachbar auch dann einen Anspruch auf die Bewahrung der festgesetzten Gebietsart hat, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993, a.a.O., S. 161 und juris, Rn. 23). Dass die baugebietswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen aufgrund der getroffenen Duldungsentscheidung zu keinen strengeren Lärmschutzvorkehrungen als den in einem Gewerbegebiet erforderlichen zwingt, ist deshalb für die Frage des Verstoßes gegen den Gebietsbewahrungsanspruch unerheblich.
- 27
2. Trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung in § 81 Satz 1 LBauO haben die Kläger keinen Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die im Haus der Beigeladenen stattfindende Wohnnutzung, weil der Beklagte dies zum jetzigen Zeitpunkt fehlerfrei abgelehnt hat.
- 28
a) Es kann deshalb letztlich dahingestellt bleiben, ob dem von den Klägern geltend gemachten Anspruch der Einwand der Verwirkung oder die Unanfechtbarkeit der Duldungsentscheidung vom 6. Februar 2004 entgegengehalten werden kann. In beiden Fällen neigt der Senat allerdings dazu, dies zu verneinen.
- 29
Dass die Kläger seit Aufnahme der Wohnnutzung durch die Beigeladenen im Jahr 1992 lange Zeit untätig geblieben sind, dürfte deshalb keine Verwirkung ihrer nachbarlichen Ansprüche auf bauaufsichtliches Einschreiten begründen, weil in den 1990er Jahren keiner der Beteiligten erkannt hatte, dass die 1913 erteilte Baugenehmigung zur Wohnnutzung infolge der Umnutzung des Hauses durch die Straßenverwaltung unwirksam geworden war (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen der Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991, 1182 und juris, Rn. 22).
- 30
Hinsichtlich des Bescheids vom 6. Februar 2004 dürfte zwar von einem Duldungsverwaltungsakt auszugehen sein. Hierfür sprechen die Formulierungen „Duldungsentscheidung“ und „Verschaffen einer verfestigten Rechtsposition“. Indes dürfte diese Duldungsentscheidung gegenüber den Klägern nicht unanfechtbar geworden sein. Eine unmittelbare Anwendung der Anfechtungsfristen nach §§ 57, 58 und 70 VwGO scheidet mangels förmlicher Bekanntgabe des Verwaltungsakts den Klägern gegenüber aus. Das Berufen auf die fehlende Bekanntgabe der Duldungsentscheidung dürfte ihnen auch nicht nach Treu und Glauben versagt werden können. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dem von den Beigeladenen zitierten Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 -, ausgeführt, dass einem Nachbar dann, wenn er sichere Kenntnis von einer Baugenehmigung erlangt hat oder hätte erlangen müssen, nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein könne, dass die Baugenehmigung ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde (vgl. BVerwGE 44, 294, Leitsatz 2). Die danach erforderliche Treuwidrigkeit dürfte den Klägern hier allerdings nicht vorgehalten werden können. So haben sie in dem mit dem Beklagten geführten Rechtsstreit um das Nachtfahrverbot vom 25. Juli 2003 bereits im Schriftsatz ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 8. November 2004 die in dem „Feststellungsbescheid“ (vom 6. Februar 2004) erklärte Duldung der Wohnnutzung der Beigeladenen als „evident rechtsmissbräuchlich und ermessensfehlerhaft“ kritisiert. Dass sie darüber hinaus keine weiteren Schritte eingeleitet, sondern zunächst den Rechtsstreit zwischen den Beigeladenen und dem Beklagten über die Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung abgewartet haben, erscheint legitim. Nach rechtskräftigem Abschluss dieses Rechtsstreits sind die Kläger dann alsbald aktiv geworden und haben um bauaufsichtliches Einschreiten nachgesucht.
- 31
b) Der Beklagte hat den Antrag der Kläger, gegen die rechtswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten, im Bescheid vom 10. Februar 2011 jedenfalls ermessensfehlerfrei abgelehnt.
- 32
Zwar kann ein Nachbar nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts bei der Verletzung nachbarschützender Vorschriften grundsätzlich ein bauaufsichtliches Einschreiten zum Zwecke der Beseitigung des Rechtsverstoßes beanspruchen. Eine solche Ermessensreduzierung gilt jedoch nicht uneingeschränkt. So ist anerkannt, dass sie dann nicht eintritt, wenn eine Befreiung oder eine Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 22. Oktober 1987 - 1 A 108/85 - und 7. Dezember 2005 - 8 A 11062/05.OVG -, jew. m.w.N.). Der Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ist ferner eingeschränkt, soweit der Einschreitenspflicht der Behörde ihrerseits rechtliche Schranken entgegenstehen. Denn der subjektive Anspruch des Nachbarn kann nicht weitergehen als die objektive Pflicht der Bauaufsichtsbehörde.
- 33
Der Beklagte sieht sich derzeit zu Recht aus Gründen des Vertrauensschutzes an dem Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber den Beigeladenen gehindert.
- 34
(1) Zwar können polizeiliche bzw. ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse nicht verwirkt werden. Denn im Unterschied zu subjektiven privaten Rechten sind sie nicht verzichtbar, müssen vielmehr im öffentlichen Interesse zur Gewährleistung rechtmäßiger Zustände aufrechterhalten bleiben (vgl. VGH BW, Urteil vom 1. April 2008 - 10 S 1388/06 -, NVwZ-RR 2008, 696; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 53 Rn. 44). Von dem Tatbestand der Verwirkung ist jedoch der Umstand zu unterscheiden, dass sich das Gebrauchmachen von einer Eingriffsermächtigung im Einzelfall als ermessensfehlerhaft erweisen kann, wenn sich eine Behörde damit in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten setzt und schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen verletzt. So ist in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts anerkannt, dass eine Bauaufsichtsbehörde dann am ermessensfehlerfreien Erlass einer Beseitigungsverfügung gehindert sein kann, wenn sie durch ihr vorangegangenes positives Tun einen Vertrauenstatbestand beim Bauherrn geschaffen und dieser im Vertrauen darauf nicht unerhebliche und nur schwer rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat (sog. „aktive Duldung“, vgl. OVG RP, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 1 A 68/77 -, AS 15, 324 [326]; Urteil vom 22. November 2011 - 8 A 11101/11.OVG -, DVBl. 2012, 250; ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2008 -7 A 103/08-, NVwZ-RR 2009, 364 und juris, Rn. 48 f; Decker, in: Simon/Busse, BayBauO, 107. Ergänzungslieferung 2012, Art. 76, Rn. 227 m.w.N.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 53, Rn. 27).
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Die Begrenzung der Einschreitenspflicht aus Gründen des Vertrauensschutzes schränkt die Durchsetzung des objektiven Rechts und der damit korrespondierenden subjektiven Nachbaransprüche zwangsläufig ein. Diese Zurücknahme der Rechtsdurchsetzung ist aber durch die gegenläufigen, ihrerseits ebenfalls rechtlich geschützten Interessen gerechtfertigt (vgl. zu dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gebot des Vertrauensschutzes bei Erlass baurechtlicher Beseitigungsverfügungen: BVerfG, Beschluss vom 2. September 2004 -1 BvR 1860/02-, NVwZ 2005, 203 [Pirmasenser Amnestie]). Die widerstreitenden Positionen müssen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Hierzu dient das den Bauaufsichtsbehörden eingeräumte Ermessen. Dabei wird dem Gebot zur Herbeiführung rechtmäßiger Zustände von vornherein dadurch in besonderem Maße Ausdruck verliehen, dass die Hinnahme rechtswidriger Zustände aus Gründen des Vertrauensschutzes nur für einen vorübergehenden Zeitraum erlaubt sein kann. Keinesfalls darf die auf schutzwürdiges Vertrauen gestützte Duldung in ihrer Wirkung derjenigen einer Baugenehmigung gleichkommen (vgl. HessVGH, Beschluss vom 29. März 1993 - 4 UE 470/90 -, BauR 1994, 229 und juris, Rn. 13; Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht, Bd. II, 6. Aufl. 2010, S. 186 m.w.N.).
- 36
(2) Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Beklagten, aktuell nicht gegen die Wohnnutzung der Beigeladenen in ihrem Haus P… Str. einzuschreiten, rechtlich nicht zu beanstanden.
- 37
Der Beklagte hat zu Recht erkannt, dass durch die Baugenehmigung zur Errichtung der Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon im Jahr 1995 ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden war. Die Beigeladenen mussten diese Baugenehmigung so verstehen, dass die Berechtigung zur Wohnnutzung in dem von ihnen erworbenen Haus nicht in Frage gestellt wird. Die sich im Nachhinein als rechtswidrig erweisende Genehmigung ist auch von den Klägern nicht beanstandet worden; gestritten wurde im Rahmen der Bauausführung lediglich um einen geringfügigen Terrassenüberbau. Da die Beigeladenen im Vertrauen auf die Berechtigung ihrer Wohnnutzung auch nicht unerhebliche Investitionen getätigt haben, würde die Bauaufsichtsbehörde gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoßen, wenn sie hierauf im Rahmen der Entscheidung über die Durchsetzung des Gebietsbewahrungsanspruchs nicht Rücksicht nähme.
- 38
Andererseits hat der Beklagte bei seinen, dem Bescheid vom 11. Februar 2011 zugrunde liegenden Ermessenserwägungen auch die schutzwürdigen Interessen der Kläger gewürdigt und ihnen in gebotenem Maße Rechnung getragen. Wie vom Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegt, hat die Behörde nämlich die Duldung des baurechtswidrigen Zustands an die Bedingung geknüpft, dass die Beigeladenen keine strengeren Lärmschutzanforderungen geltend machen, als dies für eine Betriebswohnung in einem Gewerbebetrieb beansprucht werden könnte. Dies bedeutet, dass sich die Beigeladenen mit den in einem Gewerbegebiet zwangsläufig entstehenden und als gebietsverträglich zu bewertenden Geräuscheinwirkungen, einschließlich auftretender Geräuschspitzen, abzufinden haben. Sofern sie darüber hinaus Schutzvorkehrungen auch unterhalb des in einem Gewerbegebiet üblichen Niveaus beanspruchen und gegenüber dem Beklagten geltend machen, stellen sie damit die ihnen lediglich unter der vorgenannten Bedingung gewährte Duldung in Frage. Ferner hat der Beklagte in seinem Bescheid vom 10. Februar 2011 den Interessen der Kläger dadurch Rechnung getragen, dass er sich die Möglichkeit des Einschreitens in der Zukunft ausdrücklich vorbehalten und dabei durchaus offengelassen hat, ob nicht der – von den Klägern angesprochene – Zeitpunkt des Ablebens der Beigeladenen und damit die Beendigung der derzeit praktizierten baurechtswidrigen Nutzung des Hauses einen Anlass für ein Einschreiten darstellt. Soweit darin eine Einschränkung gegenüber der großzügigeren, nämlich eine Anschlussnutzung durch die Kinder der Beigeladenen einschließende Duldungsregelung im Schreiben des Landrats vom 15. September 2008 zu sehen ist, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Denn § 50 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG stellt Aufhebungen bzw. Einschränkungen von Verwaltungsakten anlässlich oder gelegentlich eines Rechtsbehelfsverfahrens - wie hier - von Vertrauensschutzerwägungen nach §§ 48 oder 49 VwVfG frei (vgl. Ziekow, VwVfG, 2. Aufl. 2010, § 50 Rn. 2).
- 39
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
- 40
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
- 41
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
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Beschluss
(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.
(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.
(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.
(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.
(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen, - 2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und - 3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.
(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.
(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.
(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.
(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.
(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.
(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.
(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:
- 1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit, - 2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte, - 3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen, - 4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie - 5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.
(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.
(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.
(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.
(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.
(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.
(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.
(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt
- 1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können; - 2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen; - 3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften; - 4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.
(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.
(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung
- 1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, - 2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und - 3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.
(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.