Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 02. März 2016 - AN 9 K 15.01258, AN 9 K 14.02026

bei uns veröffentlicht am02.03.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Ansbach

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

AN 9 K 15.01258, AN 9 K 14.02026

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 2. März 2016

9. Kammer

Sachgebiets-Nr.: 0920

Hauptpunkte:

Anfechtung einer Baugenehmigung nach Jahren; Verwirkung; Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten Immissionen eines Gewerbebetriebs Situationsbelastung einer Betriebsleiterwohnung im Gewerbegebiet

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: ... Rechtsanwälte

gegen

Freistaat Bayern vertreten durch: Landratsamt ...

- Beklagter -

beigeladen: ... GmbH vertreten durch den Geschäftsführer ...

bevollmächtigt: Rechtsanwälte...

wegen Baurechts

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 9. Kammer, durch ... und durch ... aufgrund mündlicher Verhandlung vom 2. März 2016 am 2. März 2016 folgendes Urteil:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

3. Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamtes ... vom 28. Januar 2004 erteilte Baugenehmigung (AN 9 K 14.02026) und begehrt bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber der Beigeladenen (AN 9 K 15.01258).

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Getrennt durch das Wegegrundstück Fl.Nr. ..., das westlich des klägerischen Grundstücks in den Wendeplatz der von da nach Nord-Westen verlaufenden ...Straße mündet, liegt nördlich des klägerischen Grundstücks das Grundstück der Beigeladenen Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., auf dem die Beigeladene als Unternehmen des Lebensmittelgroßhandels eine Lagerhalle mit Büroräumen betreibt. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. ... „Gewerbegebiet ... Straße“ der als Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet (GE) nach § 8 BauNVO festsetzt. Für das klägerische Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... erteilte das Landratsamt ... mit Bescheid vom 16. Juli 1991 die Baugenehmigung für die Errichtung einer „Lagerhalle mit Büro, Sozialräumen und eine Betriebswohnung“. Die Wohnräume sind dabei nach Süden und Osten ausgerichtet, während das Lagergebäude entlang der westlichen Grundstücksgrenze und Büro, eine kleine Werkstatt und ein Garagengebäude im nördlichen Grundstücksbereich gelegen sind, wo sich auch vier Stellplätze und die Zufahrt zur ...Straße befinden.

Die Betriebsgebäude der Beigeladenen auf dem Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... sind mit Baugenehmigung vom 21. August 1989 als Lagerhalle mit Bürogebäude bauaufsichtlich genehmigt worden. In Erweiterung des Betriebs wurde der Firma ... Lebensmittelgroßhandels GmbH als Rechtsvorgängerin der Beigeladenen mit Bescheid vom 13. August 2002 die bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung einer Doppelgarage, Änderung des Parkplatzes und Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit genehmigt. Unter II. wurden folgende Auflagen aufgeführt:

„4. Die Beurteilungspegel der vom Gesamtbetrieb ausgehenden Geräusche dürfen an den nachfolgend aufgeführten Immissionsorten nach Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA-Lärm die zugehörigen aufgrund der Summenwirkung mit anderen Betrieben reduzierten Immissionsrichtwerte nicht überschreiten:

Immissionsort Betriebswohnung auf Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., tags 6.00 Uhr bis 22.00 Uhr 62 dB(A), nachts 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr 47 dB(A).

(…)

5. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 Buchstabe b) der TA-Lärm (tags 65 dB(A), nachts 50 dB(A) am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.“

In der der Baugenehmigung zugrunde liegenden Betriebsbeschreibung vom 21. Juni 2002 ist folgendes ausgeführt:

„Die Firma ... Lebensmittelgroßhandels GmbH befasst sich mit dem Handel von Lebensmitteln, Tiefkühlprodukten und hierzu abrundendem Warensortiment. Die Waren werden direkt vom Hersteller bzw. Importeur per Lkw in das Lager der Firma ... geliefert und entsprechend den Kundenbestellungen kommissioniert. Die Auslieferung erfolgt über firmeneigene Lkws und Mittelspeditionen. Es handelt sich um einen Zustellbetrieb, Publikumsverkehr ist nicht vorhanden. Beliefert werden Großküchen von Krankenhäusern, Altenheime, Betriebscasinos, Restaurants und Hotels im Bereich Mittel und Oberfranken. (...) Betriebszeiten: Das Hauptgeschäft findet wochentags zwischen 6.00 und 18.00 Uhr statt. Vorbereitende Arbeiten und Beginn der 1. Auslieferungen sind in geringem Umfang ab 4.00 Uhr nachts möglich. Start der ersten Lkws ab 5.00 Uhr. Ladevorgänge zwischen 4.50 und 5.30 Uhr - 4 Lkw. Zwischen 5.30 Uhr und 6.00 Uhr Abfahrt weiterer 4 Lkw. Ab 6.00 Uhr beladen und Abfahrt weiterer Lkw. Die ersten Mitarbeiter erreichen dem Betriebsparkplatz zwischen 4.30 Uhr und 5.00 Uhr. Aufgrund von Fernanlieferungen sind vereinzelte Nachtanlieferungen einzelner Lkws, zum Beispiel in der Nacht von Sonntag auf Montag zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr sowie zwischen Dienstag und Mittwoch zwischen 22.00 und 6.00 Uhr notwendig. Weitere Warenanlieferungen und -auslieferungen werden während der Betriebszeiten des Hauptgeschäftes getätigt. Fremdfahrzeuge sind angewiesen, das Firmengelände nur während der Hauptbetriebszeiten anzufahren und eventuelle Wartezeiten in entsprechenden Autohöfen, wie Raststätte Autobahn ... zu verbringen. „

Im Auftrag der Firma ... erstellte das ... Ingenieurbüro für Bauphysik GmbH unter dem 5. Juni 2002 ein schallimmissionsschutztechnisches Gutachten gemäß TA-Lärm für die Betriebsgenehmigung für die Nachtzeit. Die dabei beurteilten Immissionsorte 1 und 2 liegen auf dem klägerischen Grundstück an der Ost- bzw. Südseite vor den Wohnräumen, dort werden im Gutachten für die lauteste Nachtstunde Beurteilungspegel von jeweils 39 dB(A) errechnet, wobei folgende Tätigkeiten für die lauteste Nachtstunde von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr beurteilt werden:

„- Beladen von vier Lkw an den Rampen 6-9 mit jeweils ca. 20 Rollcontainern

- Abfahrt von vier Lkw

- Anfahrt von vier Lkw und Beladen der Lkw an den Rampen 6-9 mit jeweils 20 Rollcontainern

- Anfahrt von zwei Lkw an das Tor 1 und Entladen einer bzw. drei Paletten

- Anfahrt von 12 Mitarbeiter-Pkw auf den neuen Parkplatz“

Als Ergebnis der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung wird unter „7. Zusammenfassung“ folgendes ausgeführt:

„Die Firma ... Lebensmittelgroßhandel GmbH beabsichtigt die Beantragung der Nachtbetriebsgenehmigung.

Im vorliegenden Bericht werden die Ergebnisse der seitens der Genehmigungsbehörde geforderten schallimmissionsschutztechnischen Untersuchungen für den Nachtzeitraum gemäß TA-Lärm - Beurteilung der vollen Nachtstunde mit dem höchsten Beurteilungspegel - zusammengefasst und beurteilt. Die volle Nachtstunde mit dem höchsten Beurteilungspegel tritt hier im Zeitraum von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Demnach ist festzustellen, dass unter Berücksichtigung der beschriebenen Berechnungseingangsdaten an den Immissionsorten 1, 2 und 4 mit der Einhaltung der gestellten schallimmissionsschutztechnischen Anforderung zu rechnen ist. Am Immissionsort 3 wird der Immissionsrichtwert nachts eingehalten. Der vom Landratsamt ... gegenüber dem Immissionsrichtwert um 3 dB(A) reduzierte Immissionsrichtwertanteil wird um 1 dB überschritten.“

Die Anzeige des Baubeginns gemäß Art. 72 Abs. 7 BayBO erfolgte am 8. August 2006.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2004 erteilte das Landratsamt ... der Firma ... Lebensmittelgroßhandel GmbH als Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung zur Erweiterung des Kühllagers mit Überladeboxen und Büro-/Sozialtrakt im ersten Obergeschoss. Unter II. Auflagen ist folgendes ausgeführt:

„9. Die Bestimmung der technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) vom

26. August 1998 sind einzuhalten.

10. Die Beurteilungspegel der vom Gesamtbetrieb ausgehenden Geräusche dürfen an den nachfolgend aufgeführten Immissionsorten nach Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA-Lärm die zugehörigen aufgrund der Summenwirkung mit anderen Betrieben reduzierten Immis-sionsrichtwerte nicht überschreiten:

Immissionsort Betriebswohnung auf Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., tags 62 dB(A), nachts 47 dB(A) Immissionsrichtwert. (…)

11. Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 Buchstabe b) der TA-Lärm (tags 65 dB(A), nachts 50 dB(A) am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. (…)

13. Die Kühlaggregate der wartenden Lkws sind über das Stromnetz der Firma ... zu versorgen. Entsprechende Anschlussmöglichkeiten sind bereit zu stellen. (...)

17. Die vorgelegte Betriebsbeschreibung mit den ergänzenden Angaben ist Bestandteil der Baugenehmigung.“

In der Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 wird dargelegt, dass es sich bei der Beigeladenen um einen Zustellgroßhandel für Lebensmittel und Tiefkühlprodukte handele. Im Einzelnen ist folgendes ausgeführt:

„Die Waren werden direkt vom Hersteller bzw. Importeur per Lkw an das Lager der Firma ... angeliefert und dort gemäß den Kundenbestellungen kommissioniert. Beliefert werden Großküchen von Krankenhäusern, Altenheimen, Betriebskasinos, Restaurants und ähnlichem. Es findet kein Direktverkauf und somit kein Publikumsverkehr statt. Die Betriebszeiten sind derzeit im Zweischichtbetrieb von 5.00 Uhr bis 20.00 Uhr, für die gewerblich Beschäftigten bis ca. 16.00 Uhr. Die Anlieferung erfolgt von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Gegenwärtig ist die Firma ... dabei, weitere Grundstücksflächen zu erwerben, um die Betriebserweiterung vornehmen zu können. Im Rahmen dieser Betriebserweiterung wird eine vollständige Trennung des Anliefer-und Auslieferverkehrs stattfinden, so dass eine erhebliche Verkehrsentlastung von der ...Straße stattfinden wird. Die Anlieferung erfolgt dann über die ... Straße.“

Die Betriebsbeschreibung wurde mit E-Mail-Schreiben vom 14. Oktober 2003 seitens der Beigeladenen weiter ergänzt. Unter „2.) Zeitliche Abfolge und Kfzverkehr“ ist folgendes ausgeführt:

„Lieferverkehr 20-4 Uhr Anfahrt von 4-5 Groß-Lkw Anlieferung und Entladung von 1-5 Paletten über Rampen

Werkverkehr 4-7 Uhr 20 ... Lkw 7,5-20 t. Beladung je 10-27 Rollcontainer für Auslieferung, Abfahrt.

Lieferverkehr 7-16 Uhr Anfahrt von 30 Lkw 7,5-20 t. Anlieferung und Entladung von je 1-30 Paletten über Rampen.

Werkverkehr 7-20 Uhr Anfahrt von 10 ... Lkw 7,5-20 t. Beladung je 10-27 Rollcontainer für Auslieferung, Abfahrt.

3.30-20 Uhr Anfahrt und Abfahrt der Mitarbeiter mit Pkw“

Darüber hinaus enthält die Betriebsbeschreibung Angaben zu den Fahrzeug- und Maschinendaten, insbesondere Kühlaggregaten.

In der immissionsfachlichen Stellungnahme vom 15. Dezember 2003 im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens wird ausgeführt, dass die nächtlichen Fahr- und Ladetätigkeiten durch den geplanten Neubau entschärft werde, weil ein Teil der Anlieferung über die ... Straße stattfinden werde. Dort befänden sich zwar auch Betriebswohnungen, diese würden allerdings durch vorhandene Gebäude vom Ladebereich abgeschirmt. Hinsichtlich der Geräuschemissionen der Kühlaggregate sei durch den Betreiber die Möglichkeit zu schaffen, die Kühlaggregate der wartenden Lkws direkt an das Stromnetz anzuschließen. Über die immissionsfachliche Stellungnahme hinaus wurde im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung des geänderten Betriebsablaufs mit Bescheid vom 28. Januar 2004 keine erneute oder weitergehende schallimmissionsschutztechnische Begutachtung vom Betreiber gefordert. Eine Zustellung der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 an die Klägerin erfolgte nicht. Spätestens mit Rückforderung der Bürgschaft für Bepflanzungen im Mai 2007 waren die Bauarbeiten abgeschlossen.

Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 30. Dezember 2014 hat die Klägerin Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts ... vom 28. Januar 2004 erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt, die Angaben der ergänzenden Betriebsbeschreibung korrespondierten nicht mit den Angaben und Untersuchungen der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchungen des Ingenieurbüros ... aus dem Jahr 2002. Vielmehr gehe das Gutachten von einer im Wesentlichen unterschiedlichen Nutzung aus. Aus den ergänzenden Angaben der Betriebsbeschreibung ergebe sich, dass der „Lieferverkehr“ in Zeiträume von 20.00 Uhr bis 4.00 Uhr sowie der „Werkverkehr“ in Zeiträume von 4.00 Uhr bis 7.00 Uhr unterteilt sei. Die An- und Abfahrt der Mitarbeiter mit Pkw sei lediglich in einem Zeitraum von 3.30 Uhr bis 20.00 Uhr angegeben. Eine Zuordnung, welche Verkehrsströme und Betriebsgeräusche in den Zeiträumen von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr und außerhalb der Zeiträume von 22.00 Uhr und 6.00 Uhr aufträten, sei weder in den ergänzenden Angaben zur Betriebsbeschreibung noch in der Betriebsbeschreibung selbst vorgesehen. Die Klägerin sei aufgrund der Erteilung der Genehmigung unter Heranziehung der vorgelegten Betriebsbeschreibung sowie den ergänzenden Ausführungen zu dieser Betriebsbeschreibung in ihren Rechten verletzt. Zudem verstoße die Baugenehmigung gegen das in § 15 BauNVO normierte Gebot der Rücksichtnahme. Denn durch die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 könne gerade nicht sichergestellt werden, dass vom Betrieb auf den Baugrundstücken keine Lärmbelästigungen ausgingen, die für die Klägerin unzumutbar seien.

Die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Die Forderung nach hinreichender Bestimmtheit habe gerade bei gewerblichen Anlagen besondere Bedeutung. Hier sei u. a. die konkrete Betriebsgestaltung in der Baugenehmigung festzulegen. Die bei der Durchführung des genehmigten Betriebs zwangsläufig anfallenden geräuschintensiven betrieblichen Aktivitäten müssten hinreichend klar definiert werden. Für die Beschreibung der Nutzung einer gewerblichen Anlage, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht bedürfe, sei es erforderlich, eine Betriebsbeschreibung vorzulegen, die u. a. Angaben für die Art der gewerblichen Tätigkeit unter Angabe der Art und Zahl der Fahrzeuge, Maschinen oder Apparate beinhalte. Nach diesen Maßstäben seien Art und Umfang des Betriebs des Lebensmittelgroßhandels auf dem Baugrundstück durch die Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 sowie die ergänzenden Ausführungen zu dieser Betriebsbeschreibung nicht ausreichend genau festgelegt. Eine Verletzung dem Schutz der Klägerin dienender Vorschriften könne aus diesem Grund nicht sicher ausgeschlossen werden. Gegenstand der Baugenehmigung sei die Erweiterung sowie die Änderung der Betriebsabläufe eines Lebensmittelgroßhandels mit einer gesamten Geschossfläche von ca. 8.200 qm. Aufgrund der Größe des Betriebs sei mit einem erheblichen Verkehrsaufkommen einhergehend mit erheblichen Lärmimmissionen zu rechnen. Der Betriebsbeschreibung könne jedoch weder entnommen werden, welcher Lieferverkehr noch welcher Werksverkehr noch welcher Personalverkehr während der Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr stattfinde. Aufgrund der Betriebsbeschreibung sei es nicht bestimmbar, ob beispielsweise alle maximal fünf Groß-Lkw im Zeitraum zwischen 0.00 Uhr und 4.00 Uhr anfahren sowie entladen würden oder ob dies im Zeitraum zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr geschehe. Gleiches gelte für den Werksverkehr, auch hier sei unklar, ob dies im Zeitraum zwischen 20.00 Uhr und 22.00 Uhr geschehe. Auch wäre es möglich, dass alle 20 Lkw im Zeitraum von 4.00 Uhr bis 6.00 Uhr beladen sowie abfahren würden. Darüber hinaus enthalte die Betriebsbeschreibung keine Angaben darüber, dass während der Nachtzeit die Betriebstore zu schließen seien, so dass von einem durchgängigen Betrieb zur Nachtzeit ausgegangen werden müsse. Es fehlten zudem Angaben darüber, wie ein Rückstau wartender Lkw vermieden werden könne oder insbesondere sichergestellt werden könne, dass durch die auf oder vor dem Betriebsgelände befindlichen Lkw Tiefkühlaggregate mittels Motoren und nicht durch elektrische Versorgung oder gar nicht betrieben würden. Vielmehr ergebe sich bereits aus der Betriebsbeschreibung unter Ziffer V. Sonstiges, die pauschal den Betrieb von Tiefkühlaggregaten als erforderlich ausweise, eine Diskrepanz zur Auflage II. Nr. 13 der Baugenehmigung. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte im Bereich des Hauses der Klägerin überschritten würden. Dies gelte im Hinblick darauf, dass eine Prüfung der aus der ergänzenden Betriebsbeschreibung entstehenden Schallimmissionen im Baugenehmigungsverfahren gar nicht stattgefunden habe. Ohnehin würden die dem Bescheid beigefügten Angaben der ergänzten Betriebsbeschreibung keine hinreichenden Ansatzpunkte für eine ordnungsgemäße Schallschutzbegutachtung liefern, da nicht ersehen werden könne, in welchen Zeiträumen welche Mengen an Fahrzeugen und Betriebsgeräten zum Einsatz kämen. Die Baugenehmigung verstoße darüber hinaus gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da der Betrieb der Beigeladenen für die Klägerin unzumutbare Lärmbelästigungen erzeuge. Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit seien die Beurteilungspegel der TA-Lärm heranzuziehen. Es sei Sache des Antragstellers im Baugenehmigungsverfahren, die für die immissionsschutzrechtliche Prüfung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens erforderlichen Gutachten beizubringen. Dabei seien an die im Genehmigungsverfahren vorzunehmende prognostische Einschätzung hohe Anforderungen zu stellen. Andernfalls müssten die regelmäßig nicht zu vermeidenden Unsicherheiten bei der nachträglichen Kontrolle, ob der bei der Genehmigung vorausgesetzte Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen tatsächlich gewahrt sei, zulasten der zu schützenden Betroffenen gehen. Das jeweilige Gutachten müsse daher geeignet sein, die abschließende Prüfung der konkret zu erwartenden Immissionen zu ermöglichen (mit Verweis auf OVG NRW, B. v. 5.2.2001 - 7 A 410/01 - und v. 26.2.2003 - 7 B 2434/0 -). Diesen Anforderungen werde die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 nicht gerecht, da keine schallimmissionsschutztechnische Untersuchung zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden sei. Die im Verfahren vorgelegte Genehmigung sei darüber hinaus unzureichend. Das Landratsamt habe die Baugenehmigung auf Grundlage einer schallschutztechnisch gänzlich ungeklärten Situation erteilt. Im Hinblick auf die Lärmimmissionen durch Anlieferverkehr müsse eine schallschutztechnische Stellungnahme über Annahmen der Anzahl der zu erwartenden Lkw sowie den konkreten Ablauf der Anfahrt zugrunde gelegt werden, um die Zulässigkeit der maximalen mit der Baugenehmigung genehmigten Nutzung sicherzustellen. Hierbei seien nicht lediglich Vorgänge auf dem Betriebsgrundstück zu beurteilen, sondern nach Ziffer VII.4 Abs. 1 Satz 1 TA-Lärm seien auch Fahrzeuggeräusche bei der Ein- und Ausfahrt, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage stünden und zusammen mit den übrigen zu berücksichtigenden Anlagegeräuschen bei der Ermittlung der Zusatzbelastung zu erfassen und zu beurteilen. Hierzu gehörten insbesondere auch die Immissionen von Anlieferfahrzeugen bei der Einfahrt in den und Ausfahrt aus dem Anlieferungsbereich.

Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2014,

den Baugenehmigungsbescheid des Beklagten vom 28. Januar 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, die Klägerin beantrage die Aufhebung der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 28. Januar 2004. Zur Beurteilung der Lärmeinwirkung auf die dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... bestehende Betriebswohnung sei vor allem der bestandskräftige Baugenehmigungsbescheid vom 13. August 2002, der die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit beinhaltete, heranzuziehen. Grundlage für diese Baugenehmigung sei insbesondere die schallimmissionsschutztechnische Untersuchung des Ingenieurbüros für Bauphysik ... vom 5. Juni 2002 gewesen, deren Ergebnisse als Nebenbestimmung in die Baugenehmigung eingearbeitet worden seien.

Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung sei die Errichtung einer Lagerhalle mit Büroeinbau und Erweiterung des Firmengeländes auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... sowie der direkte Anbau an das auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... bereits bestehende Betriebsgebäude auf den dem klägerischen Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... abgewandten Grundstücksteilflächen im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans Nr. ... in der Fassung der ersten Änderung, der ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO festsetze. Maßgeblich für die genehmigte bauliche Nutzung sei die auf Nachforderung am 14. Oktober 2003 per E-Mail eingegangene Betriebsbeschreibung mit ergänzenden Angaben.

In der immissionsschutzfachlichen Stellungnahme vom 15. Februar 2003, der neben der ergänzten Betriebsbeschreibung auch die schallimmissionsschutztechnische Untersuchung vom 5. Juni 2002 sowie eine Auflistung des Marktes ... vom 14. März 2002 über umliegende Grundstücke zugrunde liege, werde einführend darauf hingewiesen, dass durch den Neubau der bisher nur über die ...Straße stattfindende Fahrverkehr nun auch großteils über die ... Straße abgewickelt werde. Durch die abschirmende Wirkung der Bestandsgebäude und des Neubaus würden dessen geräuschintensive Gebäudeteile (Laderampen und Hofraum), die in einem Abstand von mehr als 90 m zum klägerischen Grundstück (lärmabgewandte Seite) stünden, zu keiner für die Klägerin lärmrelevanten weitergehenden Belastung führen. Soweit sei aus fachtechnischer Sicht eine schallimmissionsschutztechnische Untersuchung auch in Bezug auf andere in diesem Gewerbegebiet vorhandene Betriebswohnungen nicht erforderlich gewesen. Maßgeblich seien daher nach wie vor die Immissionsrichtwerte in der Baugenehmigung vom 13. August 2002, die nachrichtlich auch in die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 übernommen worden seien.

Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, aus Sicht der Beigeladenen bestünden bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Zwar werde ohne eine Bekanntgabe der Baugenehmigung keine Klagefrist in Gang gesetzt. Dies führe jedoch nicht dazu, dass eine Anfechtungsklage wie im vorliegenden Fall zehneinhalb Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung und Fertigstellung der Erweiterung eingereicht werden könne. Ein Nachbar, der sich gegen eine Baugenehmigung wende, ohne dass ihm diese zugestellt worden wäre, werde zunächst auf den Zeitpunkt verwiesen, in dem er sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt habe oder hätte erlangen können. Dies sei vorliegend spätestens im September 2004 der Fall gewesen, da spätestens zu diesem Zeitpunkt die der Baugenehmigung zugrundeliegende Erweiterung des Kühllagers mit Überladeboxen und Bürosozialtrakt im ersten Obergeschoss für jedermann sichtbar gewesen sei. Da die Klägerin in unmittelbarer Nähe eine Betriebswohnung habe, habe sie sich seinerzeit tagtäglich vom Fortschritt des Erweiterungsbaus überzeugen können. Mithin werde die fehlende Bekanntgabe durch Kenntnis der Bauarbeiten bis spätestens 30. September 2004 ersetzt. Nach welchem Zeitraum die Grundsätze der Verwirkung des Klagerechts anwendbar seien, lasse sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht Tag genau definieren. Das Bundesverwaltungsgericht stelle auf die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten ab, wobei der Mindestzeitraum für eine Verwirkung sich deutlich von denjenigen Fristen abheben müsse, die das geltende Recht den Berechtigten im Regelfall für die Verfolgung seines materiellen Rechts in der dafür vorgesehenen verfahrensrechtlichen Form einräume (mit Verweis auf BVerwG, U. v. 16.5.1991 - 4 C 4/89 -, NVwZ 1991, 1182). Auch unter Berücksichtigung einer Überlegungs- und Handlungsfrist, die man vorliegend durchaus mit sechs bis zwölf Monaten zugunsten der Klägerin bemessen könne, sei die Erhebung der Klage nach mehr als zehn Jahren nach den Grundsätzen der Verwirkung als unzulässig anzusehen.

Dies gelte umso mehr, als die Festlegung der Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit gar nicht Gegenstand des angegriffenen Bescheids gewesen sei. Vielmehr sei die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit Inhalt der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 13. August 2002 gewesen. Unter Ziffer IV. dieses Bescheids seien die für die Betriebswohnung der Klägerin auf dem Grundstück Fl.Nr. ... maßgeblichen Immissionswerte sowohl tagsüber als auch für die Nachtzeit definiert worden. Die Klage richte sich daher materiell-rechtlich gegen die „falsche“ Baugenehmigung, weil die streitgegenständliche Baugenehmigung die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit lediglich fortschreibe. Die Baugenehmigung vom 13. August 2002 sei jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und ebenfalls bestandskräftig. Der wesentliche Punkt sei, dass ausweislich der eingereichten Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 nebst nachträglicher Präzisierung eine vollständige Trennung des Anliefer- und Auslieferverkehrs beabsichtigt gewesen sei. Die gesamte Tiefkühlanlieferung und die gesamte Auslieferung vollziehe sich über die ... Straße, mithin über die dem klägerischen Grundstück abgewandte Grundstücksseite. Der deutlich geringer dimensionierte Auslieferverkehr, also die gesamte Frische- und Trockensortimentanlieferung, finde über die ...Straße statt. Die im Erstbescheid sowie im angegriffenen Bescheid enthaltenen Immissionsrichtwerte würden durch diese Teilverlagerung weder tagsüber noch zur Nachtzeit überschritten. Gerade die Anlieferung, die naturgemäß in den frühen Morgenstunden stattfinde, sei von der Betriebswohnung der Klägerin auf dem Grundstück Fl.Nr. ... kaum noch wahrnehmbar. Der Auslieferverkehr finde ohnehin praktisch nicht zur Nachtzeit statt, so dass auch hier eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte nicht gegeben sei.

Hauptmotiv der Erweiterung des Kühllagers mit Überladeboxen und Bürosozialtrakt im ersten Obergeschoss entsprechend der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 sei die Wahrung des Lärmschutzes gegenüber Dritten gewesen. Zwischen der Betriebswohnung der Klägerin und den Anlieferrampen auf der Rückseite des Erweiterungsbaus befinde sich sowohl ein Bestandsgebäude als auch der Erweiterungsbau, die als „Lärmpuffer“ dienten.

Der Gebietscharakter eines Gewerbegebiets werde durch Ausnahmegenehmigungen für Betriebswohnungen nicht in Frage gestellt. Die in der Klageschrift angestellten Erwägungen hinsichtlich einer angeblichen Unbestimmtheit der Baugenehmigung seien nicht nachvollziehbar. Die Ausführungen in der Klageschrift vermittelten den Eindruck, als sei im Zuge der hier angegriffenen Baugenehmigung erstmals Lieferverkehr überhaupt feststellbar. Be- und Auslieferung beim Lebensmittelgroßhandel habe es jedoch schon zu früheren Zeitpunkten gegeben. Die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit in der jetzt geltenden Form sei Inhalt der Erstgenehmigung vom 13. August 2002 gewesen, die nicht verfahrensgegenständlich sei. Weswegen die schallimmissionstechnischen Untersuchungen des Ingenieurbüros ... vom 5. Juni 2002 unklar oder unbestimmt gewesen sein sollten, erschließe sich nicht. Auf diesen Feststellungen basiere die Erstgenehmigung. Die hier angegriffene Zweitgenehmigung ändere an der bereits genehmigten Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit nichts. In der Zweitgenehmigung seien die Immissionsrichtwerte lediglich wiederholt worden. Die Konsequenzen der weiteren Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 lägen im Hinblick auf die Klägerin darin, dass Geräuschimmissionen auf ein Minimum reduziert worden seien. Der gesamte Anlieferverkehr finde seit 2004 nicht mehr über die ...Straße, sondern abgeschirmt über die ...straße statt. Der Einwand fehlender Bestimmtheit sei somit gegenstandslos. Die Betriebsabläufe seien in der Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 sowie in der ergänzten Betriebsbeschreibung vom 27. Januar 2004 beschrieben worden. Aus der ergänzenden Betriebsbeschreibung ergebe sich, dass die betriebseigenen Lkw im Hof vor der neu zu errichtenden Halle (Einfahrt über ...straße) abgestellt würden. Soweit in der Klageschrift die Rede von „zu erwartenden Lkw“ sei, sei dies angesichts der Tatsache, dass der Lieferverkehr in der jetzigen Form seit mehr als zehn Jahren stattfinde, einigermaßen verwunderlich. Der Lieferverkehr werde aufgrund von Videoaufzeichnungen für 14 Tage dokumentiert. Danach würden die Aufnahmen gelöscht. Aufgrund der Auswertung und den Aufzeichnungen der örtlichen Marktleitung lasse sich für die beiden Lieferzonen ein präzises Bild von Pkw- und Lkw-Verkehr zeichnen. Die „Anlieferzone I“ finde über die ...Straße statt. Der Schwerpunkt der Anlieferung vollziehe sich jedoch über die „Anlieferzone II“, wobei der Anlieferverkehr zunächst über die ...straße und sodann über eine im Eigentum der Beigeladenen stehende Privatstraße von hinten an das Areal herangeführt werde, so dass dieser Lkw-Verkehr für die Klägerin nicht sichtbar und auch praktisch nicht wahrnehmbar sei. Für die beiden Anlieferzonen würden sich regelmäßig folgende Pkw- und Lkw-Bewegungen feststellen lassen:

In der Anlieferzone I werden die gelagerten Sortimente (Trockensortiment, Frischesortiment und Frischfleisch) für die Lieferung an die Endkunden (Großküchen, Krankenhäuser, Senioreneinrichtungen, etc.) verladen. Zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr fänden regelmäßig folgende Fahrzeugbewegungen statt: Ein Klein-Lkw (Obst und Gemüse), ein Klein-Lkw (Frischfleisch) um ca. 4.00 Uhr, drei Privat-Pkw.

In der Anlieferzone II finde die Tiefkühlanlieferung sowie die gesamte Auslieferung statt. In der Anlieferzone II ließen sich regelmäßig folgende Fahrzeugbewegungen zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens feststellen:

Zwischen 4.00 Uhr und 5.00 Uhr würden ca. vier bis fünf ...-eigene Lkw be- bzw. entladen. Nach 5.00 Uhr finde die Anlieferung bis ca. 8.00 Uhr statt, in diesem Zeitraum kämen ca. 15 Lkw auf das Gelände. Gerade im Hinblick auf den nunmehr abgeschirmten Lieferverkehr würden die Immissionsrichtwerte der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 13. August 2002 nicht überschritten, dies gelte auch und erst recht für die insoweit wiederholten Immissionsrichtwerte der hier angegriffenen Baugenehmigung.

Im Hinblick auf die Anlieferzone I über die ...Straße sei darauf hinzuweisen, dass aufgrund der nahen Bundesautobahn spät abends oder teilweise zur Nachtzeit Lkw in das Gewerbegebiet fahren würden, um eine Stellplatzgelegenheit zu suchen. Dabei handele es sich ausschließlich um Lkw, die mit der Beigeladenen und den Anliefervorgängen nichts zu tun hätten. Ein derartiger Fremdverkehr sei der Beigeladenen naturgemäß nicht zurechenbar.

Durch die hier angegriffene Baugenehmigung würden unzumutbare Lärmbelästigungen für die Klägerin vermieden. Maßstab für das in § 15 Abs. 1 BauNVO enthaltene Rücksichtnahmegebot sei die Eigenart des Baugebiets. Der Gebietscharakter Gewerbegebiet ändere sich durch die ausnahmsweise Genehmigung einer Betriebswohnung nicht. Insbesondere habe die Existenz der Betriebswohnung keinen Einfluss auf die Immissionsrichtwerte eines Gewerbegebiets. Gegenstand der angegriffenen Baugenehmigung sei die Erweiterung des Kühllagers mit Überladeboxen und Bürosozialtrakt im ersten Obergeschoss. Eine Unzulässigkeit dieser baulichen Anlage anhand von § 15 Abs. 1 BauNVO sei nicht erkennbar. Insbesondere bestehe kein Widerspruch zum Gebietscharakter. Belästigungen und Störungen im Sinne dieser Vorschrift würden durch die angegriffene Baugenehmigung und die damit einhergehende Verlagerung des gesamten Anlieferverkehrs auf ein Minimum reduziert. Die Vorschriften der TA-Lärm sowie die Immissionsrichtwerte der bestandskräftigen Erstgenehmigung würden durch den skizzierten An- und Belieferungsverkehr gewahrt. Den Genehmigungsgrundlagen entsprechend des Gutachtens des Ingenieurbüros ... vom 5. Juni 2002 werde weiterhin entsprochen. Daher sei es folgerichtig, dass mit der angegriffenen Baugenehmigung nicht nochmals eine schallschutztechnische Untersuchung gefordert worden sei. Die Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit sei bereits in der bestandskräftigen Erstgenehmigung gutachterlich unterlegt worden. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Kühlaggregate aller Lkw auf dem Betriebsgrundstück über das Stromnetz der Beigeladenen versorgt würden. Eine wie auch immer geartete Rechtsverletzung der Klägerin sei mithin nicht gegeben.

Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2015 trägt die Klägerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten ergänzende Ausführungen vor und hat Untätigkeitsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten erhoben. Dabei trägt der Klägerbevollmächtigte vor, eine Verwirkung des Klagerechts sei nicht anzunehmen. Die Klägerin habe weder sichere Kenntnis von den Umständen der Änderung des Nutzungsumfangs gehabt, noch habe sie von der geänderten Betriebsbeschreibung durch die Errichtung von anderweitigen Gebäudeteilen Kenntnis nehmen müssen. Von der Betriebsbeschreibung und dem Umstand einer fehlenden schallschutztechnischen Untersuchung habe die Klägerin erst nach Gewährung von Akteneinsicht Ende Oktober 2014 Kenntnis erlangt. Seitens der Klägerin liege daher keine unredliche, gegen Treu und Glauben verstoßende Verzögerung der Klageerhebung vor. Bei Nichtbekanntgabe eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung an einem Dritten könne im Hinblick auf § 58 Abs. 2 VwGO vor Ablauf der Jahresfrist nach Kenntniserlangung keine Verwirkung angenommen werden.

Auch sei es nicht zutreffend, dass die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 hinsichtlich der betrieblichen Nutzung lediglich die Baugenehmigung vom 13. August 2002 konkretisiere. Die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 sehe neben der durch die Klägerin im eigentlichen nicht angegriffenen baulichen Maßnahme eine Änderung und Erweiterung der betrieblichen Nutzung des Betriebsgrundstücks vor. Die Auffassung der Beigeladenen, die Genehmigung vom 28. Januar 2004 schreibe lediglich die Genehmigung vom 13. August 2002 fort, sei abenteuerlich. Denn dies würde bedeuten, ein Bauvorhaben könnte zunächst mit den im Baugebiet maximal zulässigen Immissionen genehmigt werden und im Anschluss mit einer weiteren Baugenehmigung zur Ergänzung oder Erweiterung der baulichen Anlage über die maximal zulässigen Immissionen hinaus erweitert oder „fortgeschrieben“ werden. Die Behauptung der Beigeladenen, die gesamte Anlieferung erfolge über die ...straße sei schlichtweg unzutreffend. Es erfolge über die ...Straße weiterhin ununterbrochen Anlieferungsverkehr, der nach den Behauptungen der Beigeladenen und der der Baugenehmigung zugrundeliegenden Betriebsbeschreibung gar nicht existieren dürfte. Trotz dieses offensichtlichen Verstoßes gegen die Betriebsbeschreibung sei keinerlei Tätigkeit durch den Beklagten erfolgt. Die Beigeladene lege ihre Auffassung, dass die tatsächlich entstehenden Immissionsrichtwerte weder tagsüber noch zur Nachtzeit überschritten würden, nicht nachvollziehbar dar. Die schallschutztechnische Untersuchung, die Grundlage des Bescheids vom 13. August 2002 gewesen sei, könne hierfür nicht herangezogen werden, da diese von anderen Anknüpfungspunkten ausgegangen sei. Es sei auch schwer nachvollziehbar, dass das Hauptmotiv der Beigeladenen an der Erweiterung des Kühllagers mit den Überladeboxen und dem Büro-/Sozialtrakt im ersten Obergeschoss der Wahrung des Lärmschutzes gegenüber Dritten gedient habe. Ansonsten hätte es sich aufdrängen müssen, eine erneute schallschutztechnische Untersuchung in Auftrag zu geben. Denn die alte und die neue Betriebsbeschreibung würden sich hinsichtlich der maßgeblichen Anknüpfungspunkte sowie der Anzahl der möglichen Fahrzeuge in relevanter Art und Weise unterscheiden.

Auf die Frage des Gebietscharakters komme es aus Sicht der Klägerin gar nicht an. Denn der Beklagte sowie die Beigeladene hätten vielmehr bereits gar nicht sichergestellt, dass die im Bebauungsplan vorgesehenen Immissionsrichtwerte eingehalten würden. Es seien noch nicht einmal gesicherte oder ausreichende Grundlagen für die hierzu erforderliche Prognoseentscheidung ermittelt worden. Die Auffassung der Beklagten, die Genehmigung vom 28. Januar 2004, deren Bestandteil unter Ziffer 17 die Betriebsbeschreibung mit den ergänzenden Anlagen sei, ändere an dem genehmigten Umfang nichts, sei nicht schlüssig. Die Ausführungen zur „Anlieferzone I“ über die ...Straße stünden offensichtlich mit der Behauptung im Widerspruch, eine Anlieferung würde ausschließlich über die ...straße stattfinden. Eine „Anlieferzone I“ sei weder der Betriebsbeschreibung der Genehmigung vom 13. August 2002 noch den Betriebsbeschreibungen der Genehmigung vom 28. Januar 2004 zu entnehmen. Die Angaben der Beigeladenen zu konkreten Fahrzeugbewegungen seien zu bestreiten. Auch die Beschreibungen der „Anlieferzone II“ seien nicht hinreichend klar. Der Behauptung, dass die ...Straße spät abends oder zur Nachtzeit von betriebsfremden Lkw frequentiert werde, werde deutlich entgegengetreten. Das Gebot der Rücksichtnahme werde verletzt. Weder durch die Beklagte sei die Einhaltung der Immissionsrichtwerte geprüft worden, noch sei die Einhaltung durch die Beigeladene nachgewiesen worden. Aus der tatsächlichen Art und dem Umfang der Nutzung ergäben sich für die Klägerin nicht hinzunehmende Immissionen. Die Klägerin sei in erheblichem Umfang in ihrer Nachtruhe gestört. Der Betrieb und die damit verbundenen Fahrzeugbewegungen erfolgten rund um die Uhr. Es treffe auch nicht zu, dass Betriebswohnungen lediglich ausnahmsweise im vorliegenden Gewerbegebiet genehmigt seien. Bei der Errichtung des Bebauungsplans sei kommuniziert worden, dass es sich um ein stilles Gewerbegebiet handele, welches insbesondere dem örtlichen Gewerbe dienen solle. Zudem bestünden im vorliegenden Gewerbegebiet ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen, ein Mehrfamilienhaus mit zwei Wohnungen und ca. acht Betriebswohnungen. Gegenstand des bisherigen Klageantrags sei nicht die Frage der Genehmigungsfähigkeit des Baukörpers, sondern die mit der angegriffenen Genehmigung erfolgte Erweiterung der Nutzung der baulichen Anlagen der Beigeladenen. Es treffe auch nicht zu, dass die Kühlaggregate aller Lkw auf oder vor dem Betriebsgrundstück der Beigeladenen über das Stromnetz der Beigeladenen versorgt würden.

Die Untätigkeitsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten wird wie folgt begründet:

Die Klägerin habe mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 den Beklagten unter Darlegung der relevanten Umstände ausdrücklich aufgefordert, gegen die nicht zulässige Nutzung der Grundstücke und Anlagen der Beigeladenen einzuschreiten. Die Klägerin habe den Beklagten darauf hingewiesen, dass Anlieferungsverkehr in erheblichem Umfang nicht über die ...straße, sondern über die ...Straße erfolge. Exemplarisch seien für die Nächte vom 8. Dezember auf den 9. Dezember 2014, vom 9. auf den 10. Dezember 2014 und vom 10. Dezember auf den 11. Dezember 2014 auf die Anlieferungsvorgänge hingewiesen worden (8./9.12.2014: sechs Lkw um 21.03 Uhr, 3.08 Uhr, 3.35 Uhr, 4.16 Uhr, 5.05 Uhr, 5.12 Uhr und ein Transporter um 3.33 Uhr; 9./10.12.2014:acht Lkw um 2.58 Uhr, 3.19 Uhr, 3.28 Uhr, 4.31 Uhr, 4.47 Uhr, 4.48 Uhr, 5.01 Uhr und 5.12 Uhr; 10./11.12.2014: elf Lkw um 3.11 Uhr, 3.10 Uhr (zweimal), 3.25 Uhr, 3.26 Uhr, 3.37 Uhr, 3.44 Uhr, 3.47 Uhr, 3.52 Uhr, 5.05 Uhr, 5.12 Uhr). Zudem sei darauf hingewiesen worden, dass bereits aufgrund der Anlieferung über die ...Straße festzustellen sei, dass das Grundstück nicht mit einer mit der Baugenehmigung übereinstimmenden Art und Weise genutzt werde. Die Beklagte sei nochmals darauf hingewiesen worden, dass der Umfang der Nutzung des Grundstücks in der Nachtzeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr aufgrund der durch den Betrieb verursachten Immissionen ebenfalls gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften verstoße. Trotz dieser detaillierten und konkreten Aufforderungen habe sich der Beklagte nicht zu dem durch die Klägerin gestellten Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten geäußert. Gegenüber dem Beigeladenen sei kein Bescheid mit dem geltend gemachten oder ähnlichen Gegenstand erlassen worden. Die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Entscheidung unter fehlerfreier Ermessensausübung auf ein Einschreiten durch den Beklagten. Seitens des Landratsamtes ... seien keine weiteren oder zumindest keine hinreichenden Ermittlungen durchgeführt worden. Ob die Voraussetzungen für die Bejahung des Anspruchs der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten infolge Reduzierung des Ermessens der Behörde auf Null vorliegend gegeben seien, könne daher derzeit nicht definitiv beurteilt werden. Da die Streitsache insoweit nicht spruchreif sei, werde der Antrag der Klägerin derzeit auf eine Verbescheidung beschränkt. Eine Erweiterung dieses Antrags bleibe vorbehalten. Seitens des Beklagten werde zunächst der vorliegende Sachverhalt hinreichend zu ermitteln sein, um eine sachgerechte Ermessensausübung zu ermöglichen (mit Verweis auf VG Würzburg, U. v. 6.8.2009 - W 5 K 08.956 - juris Rn. 20). Aus Sicht der Klägerin sei zu berücksichtigen, dass eine Anlieferung über die ...Straße entsprechend den vorliegenden Baugenehmigungen derzeit überhaupt nicht erfolgen dürfte, in der Realität jedoch fortgesetzt stattfinde.

Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 30. Juli 2015,

den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 15. Dezember 2014 auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Mit Bescheid vom 13. Januar 2016 hat der Beklagte gegenüber der Klägerin den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nutzung der Grundstücke des Beigeladenen abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, die Voraussetzungen für ein Einschreiten hinsichtlich des Fahr- und Lieferverkehrs sowie der Ladetätigkeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die bauliche Anlage werde nicht in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Nachbarschaft und damit ein Verstoß gegen nachbarschützende Rechte seien nicht gegeben. Die grundsätzliche Zulässigkeit des Fahr- und Lieferverkehrs sowie der Ladetätigkeit über die ...Straße auch zur Nachtzeit sei aufgrund der Lage in einem Gewerbegebiet im Rahmen der Zumutbarkeit gegeben. Der Rahmen der Zumutbarkeit ergebe sich durch die Auflagen in den Baugenehmigungsbescheiden vom 13. August 2002 über die Errichtung einer Doppelgarage, Änderung des Parkplatzes und Betriebszeitenerweiterung für die Nachtzeit sowie aus der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 über die Errichtung einer Lagerhalle mit Büroeinbau und Erweiterung des Firmengeländes. Für die Betriebswohnung der Klägerin auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... sei unter Berücksichtigung der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros ... vom 5. Juni 2002 festgelegt worden, dass an diesem Immissionsort nachts ein Immissionsrichtwert von 47 dB(A) nicht überschritten werden dürfe (Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA-Lärm), wobei einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) zumutbar seien (Nr. 6.1 Buchstabe b) TA-Lärm). Unter Ziffer 5.2 der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung sei anhand von Vorberechnungen ermittelt worden, dass für die Beurteilung der Nachtzeit die volle Nachtstunde von 5.00 Uhr bis 6.00 Uhr relevant sei. Für diesen Zeitraum seien als Fahrverkehre und Ladetätigkeiten (vgl. Ziffer 4.2 der Untersuchung) das Beladen von vier Lkws an den Rampen 6 bis 9 mit jeweils ca. 20 Rollcontainern, die Abfahrt von vier Lkws, die Anfahrt von vier Lkws und das Beladen der Lkws an den Rampen 6 bis 9 mit jeweils 20 Rollcontainern, die Anfahrt von zwei Lkws an das Tor 1 und das Entladen von ein bis drei Paletten sowie die Anfahrt von zwölf Mitarbeiter-Pkws auf dem neuen Parkplatz angenommen worden. Entsprechend der Erfassung des Lieferverkehrs der Beigeladenen würden derzeit (entsprechend einer Auswertung der 43. KW 2015) im Zeitraum zwischen 3.00 Uhr bis 4.45 Uhr vier kleine Löws bzw. Sprinter (für Obst, Gemüse, Frischfleisch) und zusätzlich montags ein Klein-Lkw (Toastbrot) über die ...Straße geliefert. Die Ablehnung des Antrags auf Einschreiten gegen den nächtlichen Liefer- und Ladeverkehr entspreche auch pflichtgemäßem Ermessen. Der Lieferverkehr halte sich in dem Rahmen der durch das Immissionsschutzgutachten festgestellten zulässigen Lärmwerte. Dies ergebe sich aus dem Vergleich der zugrundeliegenden Anlieferungen. Soweit ein Abweichen in der Zeit der Anlieferung vorliegend zu berücksichtigen sei, mithin dass die Lärmwerte in der Nachtzeit nicht die gleichen seien, sei diese zeitliche Verschiebung der „lautesten Nachtstunde“ von der Bandbreite der Genehmigung abgedeckt. Eine andere Beurteilung würde sich nur ergeben, wenn eine Verlagerung von der Tag- in die Nachtzeit vorliegen würde. Daher überwiege das Interesse der Beigeladenen an dem Fortbestehen des bauaufsichtlich genehmigten Zustandes, als das rein formale Kriterium der festgelegten Anlieferungszeit. Die nachbarschützenden Belange ergäben sich vorliegend aus den eingehaltenen Immissionsschutzvorschriften.

Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2016 führt die Klägerin die erhobene Untätigkeitsklage als Verpflichtungsklage fort und beantragt im Verfahren AN 9 K 15.01258:

1. Der Ablehnungsbescheid des Landratsamtes ... vom 13. Januar 2016 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 15. Dezember 2014 auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ermessensfehlerfrei zu entscheiden.

Zur Begründung wird ausgeführt, der Bescheid des Landratsamtes ... vom 13. Januar 2016 sei ermessensfehlerhaft. Er gehe sowohl von unzutreffenden tatsächlichen sowie unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen aus und enthalte im Ergebnis keine sachgerechte Abwägung der widerstreitenden Interessen. Der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten sei einerseits darauf gestützt worden, dass eine Anlieferung entgegen der Baugenehmigung über die ...Straße erfolge und zum weiteren die Anlieferung zur Nachtzeit nach Art und Umfang der Nutzung des Grundstücks die zulässigen Immissionen überstiegen. Die baurechtswidrigen Zustände ergäben sich bereits daraus, dass Anlieferungen überhaupt über die ...Straße erfolgten. Die Bauaufsichtsbehörde ignoriere den Umstand, nach der Baubeschreibung der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004, deren Bestandteil die aktuelle Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 sei, gar keine Anlieferung über die ...Straße vorgesehen sei, werde durch das Landratsamt ... vollständig ignoriert. Aus der Betriebsbeschreibung ergebe sich, dass eine vollständige Trennung des Anliefer- und Auslieferverkehrs stattfinde, so dass eine erhebliche Verkehrsentlastung von der ...Straße stattfinden werde. Die Betriebsbeschreibung enthalte die Aussage, „die Anlieferung erfolgt dann über die ...straße“. Auch die Beigeladene habe ausgeführt, dass der gesamte Anlieferverkehr seit 2004 nicht mehr über die ...Straße, sondern abgeschirmt über die ...straße stattfinde. Diesen entscheidungsrelevanten Sachverhalt habe der Beklagte nicht in hinreichendem Umfang aufgeklärt. Die Behörde habe sich darauf beschränkt, ungeprüfte Angaben der Beigeladenen für die 43. KW des Jahres 2015 nur für die Zeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr zugrunde zu legen. Eigene Prüfungen sowohl hinsichtlich des Schalldruckpegels als auch hinsichtlich der Zustände vor Ort seien seitens des Landratsamtes scheinbar völlig unterblieben. Auch sei es unterblieben, die weiteren Nachbarn zu den Zuständen vor Ort zu befragen. Von Klägerseite seien vier Zeugen benannt worden, deren Befragungen jedoch unterblieben seien. Exemplarisch sei auf das Anschreiben der Zeugin ... vom 28. Mai 2015 an das Landratsamt ... hinzuweisen. Die Zeugin ... habe mitgeteilt, dass sie zwischenzeitlich Eigentümerin des Grundstücks und des Gebäudes ...Straße ... sei und ihr schon jetzt das Verkehrs-und Lärmaufkommen, das dort vor allem nachts zu beobachten sei, ... bereite. Die Angaben der Klägerin über den stattfindenden Anlieferverkehr seien weder berücksichtigt noch geprüft worden. Sachverhaltsaufklärung zu den Anliegerbewegungen zur Tagzeit seien vollständig unterblieben. Ebenfalls habe das Landratsamt ... die Begründung des Bebauungsplans ... vom 15. Februar 1988 nicht berücksichtigt. Unter Ziffer 2 „Ziel und Zweck des Bebauungsplans“ sei folgendes ausgeführt:

„Bei der Aufstellung des Bebauungsplans ... werden vor allem die Interessen des örtlichen Gewerbes befriedigt. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte sind wirtschaftliche Interessen nicht den ökologischen vorgezogen worden, vielmehr wurden die dringenden Erfordernisse der Kommune im Sinne der Allgemeinheit berücksichtigt.“

Bei der Errichtung des Bebauungsplans sei kommuniziert worden, dass es sich um ein „stilles Gewerbegebiet“ handele. Das Landratsamt habe die falsche Schlussfolgerung getroffen, dass sich die Schallimmissionen auf das Grundstück der Klägerin in dem vorgegebenen zulässigen Rahmen von 47 dB(A) hielten. Der Bescheid vom 13. Januar 2016 berücksichtige nicht, dass sich die baulichen Verhältnisse seit der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros für Bauphysik GmbH ... vom 5. Juni 2002 geändert hätten. Die Unvollständigkeit der Sachverhaltsaufklärung offenbare sich auch in Zugrundelegung der von der Beigeladenenseite angegebenen Verkehre von vier kleineren anliefernden Lkw. Auf dieser gänzlich unvollständigen Sachverhaltsgrundlage könne keine objektive fehlerfreie Entscheidung über die am Grundstück Fl.Nr. ... bestehenden Immissionen getroffen werden. Der Beklagte unterstelle ohne zutreffende und hinreichende Ermittlung der tatsächlichen Verkehrsbewegungen, dass die gesamten Schallimmissionen nicht den Schallimmissionspegel von 47 dB(A) überstiegen. Aufgrund dieser fehlerhaften Sachverhaltsermittlung unterbleibe eine zutreffende sachgerechte Abwägung. Der Beklagte erfasse nicht, dass sich der konkrete Umfang der bauaufsichtlich genehmigten Nutzung aus den Betriebsbeschreibungen ergebe. Danach solle die Anlieferung nur über die ...straße stattfinden. Diese Festlegung stehe ergänzenden Anlieferungen auch über die ...Straße entgegen.

Mangels noch immer nicht hinreichender Ermittlungen könne immer noch nicht definitiv beurteilt werden, ob die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung vorlägen. Da die Streitsache insoweit nicht spruchreif sei, sei der Antrag der Klägerin derzeit auf eine Verbescheidung zu beschränken. Seitens des Beklagten sei vielmehr erst der vorliegende Sachverhalt hinreichend zu ermitteln, um eine sachgerechte Ermessensausübung überhaupt erst zu ermöglichen (mit Verweis auf VG Würzburg, U. v. 6.8.2009 - W 5 K 08.956 - juris Rn. 20).

Der Beklagte beantragt im Verfahren AN 9 K 15.01258,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird auf den ablehnenden Bescheid verwiesen.

Die Beigeladene beantragt im Verfahren AN 9 K 15.01258,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass es unzutreffend sei, dass die gesamte Anlieferung ausschließlich über die ... Straße erfolge. Fakt sei, dass im Gegensatz zum früheren Zustand der überwiegende Teil der Warenanlieferung über die ... Straße stattfinde. Die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse seit der schallimmissionstechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros für Bauphysik ... GmbH vom 5. Juni 2002 seien nicht zum Nachteil der Klägerin, sondern durch Verlagerung des Lieferverkehrs in einen abgeschirmten Teil zu deren Vorteil erfolgt. Die Videoaufzeichnungen belegten, dass der Lieferverkehr über die ...Straße im Zeitraum zwischen 3:00 und 5:00 Uhr vier kleine Lkws, montags zusätzlich ein KleinLkw umfasse. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der klägerischen Wohnung um eine Betriebswohnung handle. Der nächtliche Immissionsrichtwert von 47 dB (A) werde nicht überschritten.

In der mündlichen Verhandlung am 2. März 2016 übergibt die Beigeladene eine Aufstellung der nächtlichen Lieferverkehre für die KW 43/2015. Die Klägerin übergibt teilweise undatierte Lichtbilder zu Lkw-Verkehren in der ...Straße. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegende Gerichtsakte und die beigezogenen Verfahrensakten Bezug genommen. Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung vom 2. März 2016 wird auf die Niederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Sowohl die Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 als auch die Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten bleiben ohne Erfolg.

I.

Die Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 erweist sich schon wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses infolge Verwirkung als unzulässig.

Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Das ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. z. B. BVerwG v. 7.2.1974, - III C 115.71 - juris; v. 16.5.1991, 4 C 4.89 - juris).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 25.01.1974 - IV C 2.72 - a. a. O.; sowie U. v. 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182). Nachbarn stehen zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (BVerwG v. 18.3.1988 - 4 B 50/88 - juris). Aus dem nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnis resultiert etwa die Pflicht, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen, um auf diese Weise wirtschaftlichen Schaden vom Bauherrn abzuwenden oder möglichst gering zu halten (BVerwG vom 16.5.1991, a. a. O.; OVG Saarl, B. v. 21.9.1998 - 2 W 6/98 - juris; OVG MV, B. v. 5.11.2001 - 3 M 93/01, NVwZ-RR 2003, 15). Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (so ausdrücklich BVerwG, B. v. 28.08.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann.

Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er mit seinen Einwendungen länger als notwendig gewartet hat (BayVGH v. 16.11.2009 Az. 2 ZB 08.2389). Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG v. 16.5.1991 a. a. O.). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (BVerwG v. 16.5.1991 a. a. O.; OVG SH vom 26.03.1997 - 1 L 322/95 -; OVG MV v. 5.11.2001 a. a. O.). Allerdings ist die Verwirkungsfrist deutlicher länger als die Monatsfrist der §§ 70 i. V. m. 58 Abs. 1 VwGO zu bemessen (BVerwG v. 16.5.1991 a. a. O.; BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 -, Rn. 12, juris; OVG NRW, U. v. 4.12.2015 - 7 A 823/14 - juris). Hat ein Kläger einen Zeitraum von 10 Jahren abgewartet, um gegen erkennbare Beeinträchtigungen vorzugehen, kann von der Verwirkung des Rechtschutzinteresses auch dann ausgegangen werden, wenn das Umstandsmoment in den Hintergrund tritt (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2014, a. a. O., Rn. 5, juris mit Verweis auf BVerfG, B. v. 4.3.2008 - 2 BvR 2111/07 - juris Rn. 30).

Maßgeblich ist dabei nicht das Erkennen, sondern die Erkennbarkeit der Genehmigung bzw. der hierdurch verursachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und dem Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Kenntnisnahme ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen hat (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 20.12.2005 - 10 B 10.05 - juris; OVG NRW, U. v. 28.1.2016 - 10 A 447/14 - juris). Dabei kommt es maßgeblich auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn an. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind (vgl. VGH BW, U. v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 -, Rn. 38, juris).

Vorliegend ist aufgrund der zumindest seit 2007 vollständig erfolgten Realisierung des Bauvorhabens und dem seither bestehenden und von der Klägerin erkennbaren betrieblichen Lieferverkehrs auf dem Grundstück der Beigeladenen von einer Verwirkung des Rechtschutzinteresses für die erhobene Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 auszugehen.

Der für die Klägerin im Wesentlichen beeinträchtigende Nachtbetrieb war bereits mit Baugenehmigung vom 13. August 2002 genehmigt worden. Die aus der angefochtenen Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 resultierenden Beeinträchtigungen waren ebenfalls spätestens mit Realisierung des Bauvorhabens erkennbar. Eine Baubeginnsanzeige für die Realisierung der Baugenehmigung vom 13. August 2002 erfolgte am 8. August 2006, eine Einmessbescheinigung für die mit Bescheid vom 28. Januar 2004 genehmigte Erweiterung der Lagerhalle wurde im Juli 2006 vorgelegt. Ein Abschluss der Baumaßnahmen ist spätestens mit Rückgabe der Bürgschaft für die Pflanzungen der Außenanlagen im Januar bzw. November 2007 anzunehmen. Mit der Aufnahme der nächtlichen Belieferungen waren die Beeinträchtigungen durch die mit Bescheiden vom 13. August 2002 und 28. Januar 2004 genehmigte bauliche Nutzung des Grundstücks des Beigeladenen für die Klägerin erkennbar. Nach den Angaben der Beigeladenen bestehen die Betriebsabläufe seit 2007/2008 weitgehend unverändert. Dies wird durch Vorlage der exemplarischen Liefervorgänge für die KW 43 im Jahr 2015 bestätigt, wonach sich die Liefervorgänge über die ...Straße jeweils im Zeitraum zwischen 3.00 Uhr und 4.30 Uhr auf 4 bzw. 5 Lkws beschränken. Unter Berücksichtigung von An- und Abfahrt ist damit von 8 bis 10 nächtlichen Lkw-Fahrbewegungen auszugehen. Dies deckt sich mit den von der Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Juli 2015 vorgetragenen nächtlichen Lieferverkehren in der ...Straße im Zeitraum vom 8. bis zum 11.12.2014, die am 11.12.2014 für die lauteste Nachtstunde zwischen 3:00 und 4:00 Uhr neun Fahrbewegungen, für die gesamte Nacht zehn betriebliche Fahrbewegungen aufweisen.

Aufgrund der seit 2007/2008 im Wesentlichen unverändert bestehenden Betriebsabläufe waren die für die Klägerin vorgetragenen Beeinträchtigungen durch Lärmimmissionen in Ausübung der angefochtenen Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 seit vielen Jahren erkennbar. Auf die konkrete Kenntnis der den Baugenehmigungen zugrunde liegenden Betriebsbeschreibungen kommt es dabei im Detail ebenso wenig an, wie auf die Kenntnis vom Vorliegen schallimmissionstechnischer Untersuchungen. Bereits mit Erkennbarkeit der Baumaßnahmen für den Erweiterungsbau und dem Beginn der nächtlichen Lieferverkehre wäre die Klägerin aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gehalten gewesen, eine Verletzung nachbarschützender Rechte aus der angefochtenen Baugenehmigung zu prüfen und gegebenenfalls zu rügen. Wird erst nach einem Zeitablauf von sieben Jahren nach Erkennbarkeit der Baumaßnahmen und des nächtlichen Lieferverkehrs Akteneinsicht genommen, wird der Bauherr nach Treu und Glauben nicht mehr mit einer Anfechtung der ihm erteilten Baugenehmigung rechnen müssen. Überdies überschreitet selbst der Zeitraum zwischen sicherer Kenntnis der erteilten Baugenehmigung nach erfolgter Akteneinsicht im Oktober 2014 und Klageerhebung am 30. Dezember 2014 den Zeitraum einer einzuhaltenden Klagefrist nach § 74 VwGO (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 15). Unter Berücksichtigung, dass Verwirkung auch schon vor Ablauf der Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO eintreten kann, würde sich selbst bei Abstellen auf die sichere Kenntnis die Frage stellen, ob die Klägerin hier ungesäumt ihre Rechtschutzmöglichkeiten ausgeübt hat. Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an, da in Anbetracht eines Zeitablaufs von 10 Jahren nach Erteilung der (letzten) Baugenehmigung und einer Realisierung des Bauvorhabens seit spätestens 2007 maßgeblich auf die Erkennbarkeit der durch die Baugenehmigung bedingten, tatsächlichen Beeinträchtigungen für den Nachbarn abzustellen ist. Nach Ablauf eines Zeitraums von mindestens sieben Jahren seit Erkennbarkeit dieser Beeinträchtigungen überwiegt das schutzwürdige Vertrauen des Bauherrn in den Bestand der ihm erteilten Baugenehmigung.

Auf die von Klägerseite vorgetragene, subjektiv wahrgenommene Zunahme der nächtlichen Lieferverkehre seit 2013 kommt es darüber hinaus insoweit nicht an, als schon nicht belegt ist, dass diese Verkehre in Ausübung der angefochtenen Baugenehmigung dem Betrieb der Beigeladenen zuzuordnen sind. Die von Klägerseite in der mündlichen Verhandlung am 2. März 2016 vorgelegten Lichtbilder stellen überwiegend die Verkehrssituation auf der öffentlichen Verkehrsfläche in der ...Straße dar und lassen weder eine zeitliche Zuordnung noch eine betriebliche Zuordnung zum Betrieb des Beigeladenen eindeutig erkennen. Darüber hinaus ist Klagegegenstand der Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung der Regelungsgehalt der Baugenehmigung und die etwaige Verletzung nachbarschützender Rechte. Auf die tatsächliche, plan- und genehmigungsgerechte Ausführung des Bauvorhabens kommt es insoweit nicht an. Gegen eine ggf. von der Baugenehmigung nicht umfasste Nutzung muss ein Nachbar im Wege eines Antrages auf bauaufsichtliches Einschreiten vorgehen.

Die in Ausübung der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 mit dem Betrieb des Beigeladenen einhergehenden Beeinträchtigungen waren für die Klägerin somit spätestens seit 2007/2008 erkennbar, so dass ihr Rechtsschutzinteresse zur Anfechtung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung als verwirkt anzusehen ist.

II.

Die als Untätigkeitsklage erhobene und nach Erlass des ablehnenden Bescheides des Beklagten vom 13. Januar 2016 als Verpflichtungsklage fortgeführte Klage ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

1.

Die Verpflichtungsklage ist zulässig, das Rechtsschutzinteresse der Klägerin ist insoweit nicht als verwirkt anzusehen. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes auch der Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten verwirken, wenn bei Drittrechtsbehelfen eine derart lange Zeit abgewartet wird, dass die Durchsetzung nachbarlicher Rechte als treuwidrig erscheint (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2014 - 15 ZB 12.1236 - juris Rn. 5 ff.; VG Regensburg, U. v. 6.8.2003 - RO 2 K 03.933 - juris). Vorliegend begehrt die Klägerin bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine nach ihrer Auffassung aktuell genehmigungswidrige bauliche Nutzung auf dem Grundstück der Beigeladenen. Das Nachsuchen von Rechtsschutz mit einem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten im Dezember 2014 erscheint insofern nicht als rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin ist auch klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO, da ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten aufgrund Verletzung nachbarschützender Rechte nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.

2.

Die Verpflichtungsklage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Ermessensentscheidung über den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei der vorliegenden Verpflichtungs- bzw. Verbescheidungsklage ist dabei grundsätzlich der der letzten mündlichen Verhandlung. Einem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die bauliche Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen dürfte bereits die Legalisierungswirkung der Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 entgegenstehen (vgl. 2.1). Darüber hinaus ist die Klägerin durch die bauliche Nutzung nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt; insbesondere erweisen sich unter Berücksichtigung der Gebietsart als Gewerbegebiet und der dementsprechend verminderten Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung als Betriebsleiterwohnung die mit der baulichen Nutzung verbundenen Immissionen nicht als rücksichtslos nach § 15 Satz 2 BauNVO (vgl. 2.2). Die Ablehnung des bauaufsichtlichen Einschreitens mit Bescheid vom 13. Januar 2016 weist keine Ermessensfehler nach § 114 Satz 2 VwGO auf (vgl. 2.3).

2.1.

Einem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten aus Art. 76 Satz 2 BayBO bzw. Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO dürfte vorliegend bereits die Legalisierungswirkung der Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 entgegenstehen.

Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 können sie in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Gemäß Art. 76 Satz 2 kann die Nutzung untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.

Ein Anspruch des Nachbarn auf Erlass einer bauaufsichtlichen Anordnung ist nur gegeben, wenn die bauliche Anlage bzw. deren Nutzung gegen eine nachbarschützende Vorschrift des öffentlichen Rechts verstößt, wenn die Bauaufsichtsbehörde deshalb zum Einschreiten berechtigt ist (Art. 76 Satz 2, Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO, Art. 8 LStVG analog) und wenn besondere Voraussetzungen vorliegen, unter denen sich das Eingriffsermessen der Bauaufsichtsbehörde zum Schutz des Nachbarn zu einer Eingriffspflicht verdichtet (vgl. BayVGH, B. v. 31.3.2004 - 1 ZB 03.452 -, Rn. 8, juris). Eine Ermessensreduzierung zugunsten eines in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffenen Nachbarn kann nur bei besonders qualifizierten Beeinträchtigungen der nachbarlichen Rechtsstellung in Betracht kommen, namentlich, wenn eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonstige unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind (st.Rspr., vgl. z. B. BayVGH, B. v. 18.6.2008 - 9 ZB 09.497 - juris Rn. 4 m. w. N.). Von einer Ermessensreduzierung auf Null ist dann auszugehen, wenn die von der rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt (vgl. BayVGH v. 16.11.2005, - 14 ZB 05.2018 - juris).

Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten scheidet bereits dann aus, wenn sich die Nutzung innerhalb der Variationsbreite der genehmigten Nutzung bewegt und damit vom Bestandsschutz der Baugenehmigung umfasst ist (vgl. OVG NRW, U. v. 28.1.2016 - 10 A 447/14 - Rn. 52, juris).

Einem Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten dürfte vorliegend bereits die Legalisierungswirkung der Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 entgegenstehen. Von der Wirksamkeit der Baugenehmigungen ist auszugehen. Insbesondere lässt das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich einer geltend gemachten Unbestimmtheit der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 keinen zur Nichtigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führenden Verstoß erkennen (Art. 44 BayVwVfG). Allenfalls erhebliche Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten können zur Nichtigkeit einer Baugenehmigung führen (vgl. Simon/Bus-se/Gaßner BayBO Art. 64 Rn. 32, beck-online). Unter Berücksichtigung der eindeutigen Umschreibung der baulichen Nutzung und der Festlegung entsprechender Immissionsrichtwerte in der Baugenehmigung ist ein solcher zur Nichtigkeit führender Mangel jedoch nicht erkennbar.

Die bauliche Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen, gegen die nach dem Antrag der Klägerin bauaufsichtlich eingeschritten werden soll, bewegt sich innerhalb der Variationsbreite der genehmigten und hinreichend bestimmten baulichen Nutzung. Der Inhalt einer Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34; BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - Rn. 18, juris). Der Bauantrag mit den Bauvorlagen muss eindeutig und prüffähig sein. Nach § 9 Satz 1 BauVorlV sind in der Baubeschreibung das Bauvorhaben und seine Nutzung zu erläutern, soweit dies zur Beurteilung erforderlich ist und die notwendigen Angaben nicht im Lageplan und den Bauzeichnungen enthalten sind. Angaben, die zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht erforderlich sind, brauchen darüber hinaus in den Bauvorlagen nicht enthalten zu sein. Denn die Bauvorlagen sind kein Selbstzweck, dienen insbesondere nicht einer minutengenauen, statischen Festschreibung betrieblicher Abläufe, sondern sollen letztlich eine Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens ermöglichen (vgl. Simon/Busse/Gaßner BayBO Art. 64 Rn. 64-67, beck-online). Wenn die Bauaufsichtsbehörde es zur Beurteilung für erforderlich hält, kann sie nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Unterlagen, z. B. Lärmschutzgutachten bei umweltschädlichen Vorhaben verlangen (§ 1 Abs. 4 BauVorlV). Andererseits soll sie aber auf Vorlagen oder einzelne Angaben verzichten, soweit sie zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens nicht erforderlich sind (§ 1 Abs. 5 BauVorlV).

Sowohl in der Baugenehmigung vom 13. August 2002 als auch in der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 werden in hinreichend bestimmter Weise für die Nutzung des Grundstück der Beigeladenen Immissionsrichtwerte u. a. für das klägerische Grundstück als Immissionsort festgesetzt (62 dB(A) im Zeitraum 6-22 Uhr, 47 dB(A) im Zeitraum 22-6 Uhr). Damit eröffnen die Baugenehmigungen keinen im Hinblick auf die Nachbarverträglichkeit unreglementierten Liefer- und Personalverkehr. Im Hinblick auf die festgesetzten Immissionsrichtwerte wird das Bauvorhaben unter Berücksichtigung der genehmigten Bauvorlagen und der Baubeschreibung hinreichend umschrieben und ermöglicht eine Überprüfung der Nachbarrechtskonformität der baulichen Nutzung. Mit der Bezeichnung des Vorhabens in den dem Bauantrag beigefügten Bauvorlagen und der Betriebsbeschreibung hat die Beigeladene den Gegenstand des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens festgelegt. Sind daraus Inhalt, Reichweite und Umfang der Baugenehmigung eindeutig erkennbar, bestehen keine Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit der Baugenehmigung nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (vgl. BayVGH, B. v. 28.1.2016 - 9 ZB 12.839 -Rn. 19, juris).

Wenngleich vorliegend die den Baugenehmigungen zugrunde liegenden Betriebsbeschreibungen, insbesondere in der Fassung der ergänzten Betriebsbeschreibung vom 14. Oktober 2003 keine stunden- oder minutengenauen Lieferverkehre benennen, werden aufgrund des umschriebenen Betriebsablaufs, der aufgeführten Liefer-, Werk- und Personalverkehre sowie der angeführten Fahrzeug- und Maschinendaten die wesentlichen nachbarrechtsrelevanten Merkmale des Betriebs hinreichend klar festgesetzt. Zwar lässt sich mangels einer stündlichen Aufschlüsselung der zu erwartenden Immissionen in der ergänzten Betriebsbeschreibung vom 14. Oktober 2003 die für die Beurteilung maßgebliche lauteste Nachtstunde nach Nr. 6.4 Satz 6 TA Lärm nicht konkretisieren. Ist jedoch bereits aufgrund der nicht auf die einzelnen Nachtstunden konkretisierten Lieferverkehre ein Überschreiten der einzuhaltenden nächtlichen Immissionsrichtwerte nicht ersichtlich, so bedarf es keiner weitergehenden Angaben zur Verteilung der Anlieferungen innerhalb des Anlieferungszeitraums (vgl. OVG NRW, B. v. 8.8.2013 - 7 B 570/13 - BeckRS 2013, 54307; OVG NRW, B. v. 29.1.2016, a. a. O., Rn. 13, juris). Unter Zugrundelegung der Bewertung im schallimmissionsschutztechnischen Gutachten vom 5. Juni 2002 ist bei den in der ergänzten Betriebsbeschreibung vom 14. Oktober 2003 angegebenen nächtlichen Liefervorgängen von der Einhaltung des Immissionsrichtwertes von 47 db(A) auszugehen. Wenngleich eine weitere Konkretisierung hinsichtlich der einzelnen Emissionsorte und hinsichtlich der einzelnen Nachtstunden wünschenswert gewesen wäre, ermöglichen die Angaben eine Beurteilung des Vorhabens im Hinblick auf die Nachbarrechtskonformität. Insofern war die Vorlage eines weiteren Lärmschutzgutachtens als verzichtbar im Sinne von § 1 Abs. 5 BauVorlV anzusehen.

Die bauliche Nutzung des Grundstücks des Beigeladenen hält sich im Rahmen der Variationsbreite der genehmigten Nutzung. Änderungen des in der Betriebsbeschreibung dargelegten betrieblichen Ablaufs führen dann nicht zu einer baurechtswidrigen Nutzung, solange die bauliche Nutzung die in der Baugenehmigung festgesetzten Immissionsrichtwerte wahrt. Es ist vorliegend davon auszugehen, dass die tatsächliche bauliche Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen, insbesondere der allenfalls kritische nächtliche Lieferverkehr, die in der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 festgelegten Immissionsrichtwerte - jedenfalls hinsichtlich der hier relevanten Immissionsrichtwerte auf dem Grundstück der Klägerin - einhält. Das der Baugenehmigung vom 13. August 2002 zugrunde liegende schallimmissionsschutztechnische Gutachten vom 5. Juni 2002 ging für die lauteste Nachtstunde vom Beladen und der Abfahrt von 4 Lkws an den Rampen 6-9, der Anfahrt und dem Beladen von 4 Lkws an den Rampen 6-9 und der Anfahrt nebst Entladen von 2 Lkws am Tor 1 mit entsprechenden Ladevorgängen (8 malige Ladevorgänge mit 20 Rollcontainern, zwei Ladevorgänge mit einer und zwei Paletten), der Anfahrt von 12 Privat-Pkws von Mitarbeitern und den erforderlichen Betriebsgeräuschen der Kühltechnik und des Hallenbetriebs aus. Dabei ergab sich für die lauteste Nachtstunde zwischen 5.00 Uhr und 6.00 Uhr am Immissionsort 1 (= klägerisches Grundstück) ein Beurteilungspegel von 39 dB(A). Von Klägerseite wurde nichts dazu vorgetragen, was die Richtigkeit der schallimmissionstechnischen Bewertung in Frage stellen könnte. Insbesondere haben sich weder Art und Weise der Betriebsgeräusche, noch der Emissions- oder der Immissionsort - zumindest nicht zulasten der Klägerin - maßgeblich geändert. Die von der Beigeladenen exemplarisch dargelegten vier bzw. fünf Liefervorgänge mit acht bzw. zehn Fahrbewegungen pro Nacht (vgl. Aufstellung über die Lieferverkehre in der KW 43/2015) mit entsprechenden Ladevorgängen bewirken unter Zugrundelegung der Berechnung im schallimmissionstechnischen Gutachten des Ingenieurbüros für Bauphysik ... GmbH vom 5. Juni 2002 keine Überschreitung der festgesetzten Immissionsrichtwerte. Die von Klägerseite für die Nächte zwischen dem 8.-11.12.2014 vorgetragenen Lieferverkehre überschreiten mit neun Fahrzeugbewegungen in der lautesten Nachtstunde die der Berechnung zugrunde gelegten Fahrbewegungen nicht maßgeblich. Unter Berücksichtigung dessen, dass eine Verdoppelung der Geräuschquellen einen um 3 dB(A) höheren Schalldruckpegel verursacht (vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Lärm - Hören, messen und bewerten, 2013, S. 2), wäre somit selbst bei einer Vervierfachung der Betriebsgeräusche der nächtliche Immissionsgrenzwert von 47 dB(A) am klägerischen Grundstück nicht überschritten, obwohl eine solche Zunahme des nächtlichen, vom Betrieb der Beigeladenen ausgelösten Verladens auf dem Betriebsgrundstück mit Zu-/Abfahrt über die ...Straße weder von der Klägerin substantiiert dargelegt wurde, noch aufgrund der örtlichen Verhältnisse denkbar ist. Eine Beeinträchtigung der Klägerin durch Verkehr zum Betriebsgrundstück von Norden über die ... Straße her erscheint aufgrund der örtlichen Verhältnisse als ausgeschlossen, zumal eine Durchfahrt durch das Betriebsgrundstück nach den genehmigten Plänen weder vorgesehen noch möglich ist.

Nach Nr. 7.4 Abs. 2 bis 4 TA Lärm bleiben Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen in Industrie- und Gewerbegebieten unberücksichtigt. Auf die von der Klägerin dargelegte Frequentierung der ...Straße kommt es daher nicht maßgeblich an, zumal eine Zuordnung der abgelichteten Lkw-Verkehre zum Betrieb der Beigeladenen und zur Nachtzeit nicht belegt ist.

Entgegen der klägerischen Auffassung schließt die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 auch nicht jeglichen Lieferverkehr über die ...Straße aus. Ein solcher Ausschluss ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Baugenehmigung noch aus den zugrunde liegenden Bauvorlagen. Mit der Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 wurde eine bauliche Erweiterung auf den Grundstücken Fl.Nr. ... und ... Gemarkung ... genehmigt. Die bauliche Nutzung der Bestandsgebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. ... wurde mit dem Erweiterungsvorhaben jedoch weder geändert noch aufgegeben. Die in der Betriebsbeschreibung vom 14. Mai 2003 angekündigte Trennung zwischen Anlieferungs- und Auslieferungsverkehr und die damit verbundene Verkehrsentlastung der ...Straße lässt sich nicht dahingehend auslegen, dass jegliche Anfahrt über die ...Straße ausgeschlossen sein sollte. Dies umso mehr, als eine Lieferanfahrt des Bestandsgebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... über die ... Straße und den von der Beigeladenen geschaffenen Privatweg nach den genehmigten Bauplänen und den vorliegenden Luftbildern gar nicht möglich wäre. Die Baugenehmigung vom 28. Januar 2004 hatte somit weder nach ihrem Wortlaut noch in Auslegung der zugrundeliegenden Betriebsbeschreibung einen vollständigen Ausschluss von Lieferverkehren über die ...Straße zum Gegenstand.

Der von der Klägerin angegriffene Lieferverkehr der Beigeladenen über die ...Straße bewegt sich somit innerhalb der Variationsbreite der durch die Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 genehmigten Nutzung, so dass bereits aufgrund dieser Legalisierungswirkung ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ausscheidet.

2.2.

Die bauliche Nutzung des Grundstücks der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das nachbarschützende Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.

Das Rücksichtnahmegebot findet in qualifiziert beplanten Bereichen nach § 30 Abs. 1 BauGB über § 15 Abs. 1 BauNVO Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung (vgl. BVerwG, U. v. 5.8.1983 - 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 - 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder dessen Umgebung unzumutbar sind.

Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme hängt von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Bei der in diesem Zusammenhang anzustellenden Interessenbewertung ist ausschlaggebend, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem zur Rücksichtnahme Verpflichteten nach der jeweiligen Situation, in der sich die betroffenen Grundstücke befinden, im Einzelfall zuzumuten ist. Im Rahmen einer Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist, gegeneinander abzuwägen (BVerwG, U. v. 5.8.1983 - 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334/337 und B. v. 10.1.2013 - 4 B 48/12 - juris). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen. (vgl. BVerwG, B. v. 10.1.2013 - 4 B 48/12 - juris; BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 40). Die Bewertung der Zumutbarkeit richtet sich danach ausschließlich nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit.

Vorliegend ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen in einem festgesetzten Gewerbegebiet nach § 8 BauNV0 befinden. Der Bebauungsplan „Gewerbegebiet ... Straße“ der Marktgemeinde ... vom 21. Juli 1989 in der Fassung vom 16. Oktober 2000 sieht weder in den planerischen noch in den textlichen Festsetzungen immissionsschutzrechtliche Begrenzungen auf ein wie auch immer geartetes „stilles Gewerbe“ vor. Die besondere Zweckbestimmung von Gewerbegebieten liegt nach § 8 Abs. 1 BauNV0 in der vorwiegenden Unterbringung von Gewerbebetrieben unter gleichzeitigem Ausschluss einer Wohnnutzung. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind in Gewerbegebieten Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe allgemein zulässig. Der Betrieb der Beigeladenen ist somit seiner Art nach allgemein zulässig. Demgegenüber sind Wohnungen im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 3 Nummer 1 BauNV0 nur für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind, ausnahmsweise zulässig. Aufgrund der „Situationsbelastung“ kommt dem Schutz des Wohnens im Gewerbegebiet regelmäßig ein geringerer Stellenwert zu (vgl. BayVGH, U. v. 14.8.2008 - 14 B06. 1181 - juris, Rn. 33). Im festgesetzten Gewerbegebiet weist das Wohnen mithin einen nachrangigen Stellenwert und damit ein niedrigeres Schutzniveau auf. Die allgemeine Zweckbestimmung in § 8 Abs. 1 BauNV0 für „nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe“ bedeutet, dass damit sämtliche gewerbliche Nutzungen umfasst sind, die mit Rücksicht auf das Wohnen wegen ihren ihres Störungsgrades nicht mehr ohne weiteres mischgebietsverträglich sind, ohne andererseits so zu belästigen, dass sie nur in einem Industriegebiet im Sinne des § 9 BauNV0 verwirklicht werden könnten (vgl. BVerwG, B. v. 8.11.2004 - 4 BN 39/04 - NVwZ 2005, 324). Aus dieser Formulierung kann indes nicht geschlossen werden, dass von ihnen überhaupt keine das Wohnen belästigende Wirkung ausgehen dürfte. Vielmehr sind Betriebsgeräusche, Schwerlastverkehr und Geräusche, welche durch die Be- und Entladung sowie die An- und Abfahrt von Lkws entstehen, und die für ein Gewerbegebiet typisch sind, im Rahmen der zumutbaren Immissionsrichtwerte grundsätzlich hinzunehmen (vgl. OVG RhPf, U. v. 12.6.2012 - 8 A 10291/12 - juris Rn. 38). Nur in besonderen Ausnahmefällen müssen Betriebe, die in das Gewerbegebiet gehören und dort den zulässigen Störgrad einhalten, gegenüber den anderen Nutzungen Rücksicht üben (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, § Rn. 36-42, beck-online). Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme führt nicht nur zu einer Verpflichtung desjenigen, der Beeinträchtigungen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Beeinträchtigungen - wie hier im Gewerbegebiet - aussetzt (vgl. BayVGH, U. v. 14.7.2006 - 1 BV 03.2179 - juris, Rn. 41, 42).

Zur Bestimmung der Grenze dessen, was im Rahmen des Rücksichtnahmegebots einem Nachbarn an Einwirkungen in Form von Lärmimmissionen zugemutet werden kann, kann im Regelfall auf die Begriffsbestimmungen und Maßstäbe des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2011 - 14 AS 11.2305 - juris Rn. 29), in dem die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein festlegt sind (BVerwG, U. v. 23.9.1999 - 4 C 6/98 - juris; VG München, U. v. 26.7.2011 - M 1 K 11.2366 - juris Rn. 26). Lärmimmissionen können unzumutbar sein, sofern sie nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG). Für die Bemessung der Zumutbarkeit des mit einer gewerblichen Anlagennutzung verbundenen Verkehrs kann als Anhaltspunkt auf die Regelung der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503) zurückgegriffen werden. Die Grenze der Zumutbarkeit von Gewerbelärm wird regelmäßig durch die Immissionsrichtwerte unter Nr. 6 der TA Lärm konkretisiert. Nach Nummer 6. 1 b) TA Lärm betragen die Immissionsrichtwerte für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Gewerbegebieten tags 65 db(A) und nachts 50 db(A). Gemäß Nummer 7.4 Abs. 2 Satz 1 TA Lärm sind Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen in Gewerbegebieten nach Nummer 6. 1 b) TA Lärm nicht zu berücksichtigen.

Sowohl die von der Beigeladenen angegebenen - allenfalls kritischen - nächtlichen Lieferverkehre als auch die von Klägerseite für die Nächte vom 8. bis zum 11. Dezember 2014 exemplarisch angegebenen Fahrverkehre halten - wie ausgeführt - die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 TA Lärm und die zugunsten der ausnahmsweise zulässigen Wohnnutzung abgesenkten Immissionsrichtwerte der Baugenehmigungen vom 13. August 2002 und vom 28. Januar 2004 bei weitem ein. Dies ergibt sich bereits aus dem schallimmissionschutztechnischen Gutachten des Ingenieurbüros für Bauphysik ... GmbH vom 5. Juni 2002, wonach für vergleichbare Lieferverkehre und Betriebsgeräusche am klägerischen und Gebäude ein Schallbelastungspegel von 39 db(A) ermittelt wurde. Die immissionsschutzfachliche Bewertung durch Abteilung Natur- und Immissionsschutz des Landratsamtes des Beklagten vom 1. März 2016 bestätigt dieses Ergebnis. Selbst bei einer Verdoppelung bzw. Vervierfachung der Schallquellen, was einer Erhöhung um jeweils 3 db(A) entspräche, würde der Immissionsrichtwert vorliegend nicht überschritten werden.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Aufenthaltsräume des Wohnhauses der Klägerin durchweg nach Süden und Osten, somit auf die dem Gewerbebetrieb der Beigeladenen und insbesondere der Zu- und Abfahrt zu diesen abgewandten Seiten ausgerichtet sind.

Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch die gewerbliche Nutzung des Grundstückes der Beigeladenen ist somit nicht ersichtlich.

2.3.

Die Ermessensentscheidung des Beklagten mit Bescheid vom 13. Januar 2016 ein bauaufsichtliches Einschreiten abzulehnen, ist nicht zu beanstanden. Ermessensfehler nach § 114 VwGO sind nicht ersichtlich. Eine Beurteilung der von Klägerseite geltend gemachten Beeinträchtigungen durch Lieferverkehre war anhand der Angaben der Beigeladenen und der Klägerin unter Berücksichtigung der schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung vom 5. Juni 2002 ohne weitere Tatsachenermittlung oder fachliche Begutachtung möglich. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Bauaufsichtsbehörde entsprechend § 1 Abs. 5 BauVorlV auf die Vorlage eines weiteren schallschutztechnischen Gutachtens zur Beurteilung der Zumutbarkeit der durch den Gewerbebetrieb ausgelösten Immissionen verzichtet hat. Ein Ermessensdefizit ist darin nicht zu erkennen.

Die Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten ist somit als unbegründet abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, die sich durch Antragsstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf vor Verbindung jeweils 10.000,00 EUR, nach Verbindung auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

(§ 52 Abs. 1 GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


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(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Baugesetzbuch - BBauG | § 30 Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans


(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsfl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 58


(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende F

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Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 5 Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt 1. schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigu

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 8 Gewerbegebiete


(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. (2) Zulässig sind1.Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder W

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(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen. (2) Zulässig sind 1. Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebä

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Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 02. März 2016 - AN 9 K 15.01258, AN 9 K 14.02026 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

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Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - geändert. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Rastatt vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regi

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(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - geändert. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Rastatt vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 werden aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen eine der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Sprengstofflagers.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks ... Straße ... in ... ... Das Grundstück liegt nördlich der Kreisstraße K ... ... ... und grenzt im Westen an die B ... an, die im fraglichen Bereich erhöht auf einem Damm verläuft. Auf dem Grundstück betrieb die Firma ... GmbH jedenfalls bis Mitte des Jahres 2010 eine Fabrik zur Herstellung von Holzspanplatten gemäß Ziff. 6.3 Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV; seitdem ruht die Betriebstätigkeit. Bis zum 01.04.2001 wurde das Spanplattenwerk von der Firmengruppe ... ... ... betrieben. Das Grundstück der Klägerin liegt im Geltungsbereich des früheren rechtsverbindlichen Bebauungsplans „...“ der Gemeinde ... vom 21.03.1983, der für das Grundstück eine Nutzung als Industriegebiet und Gewerbegebiet ausweist. Mit Wirkung zum 20.05.2005 ersetzte die Gemeinde ... den vorhandenen Bebauungsplan durch den Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk (Gebiete ..., ... ... ... ... ... ...“. Für das Grundstück der Klägerin wurde ein Sondergebiet (SO 1) festgesetzt. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB wurde zudem in dem der B 462 nächstgelegenen Teil A die Nutzung „Silos für Sägespäne“, im Teil B „Spanplattenwerk Lagerhaltung, Veredelung (einschließlich Schleifen), Vertrieb und Verwaltung“ und im Übrigen „Spanplattenwerk Lagerflächen, einschließlich Hacker- und Förderanlagen, Lkw-Parkplatz-Anlage, einschließlich Waage und Gebäude mit Sanitär- und Aufenthaltsräumen, Pförtnerloge“ festgesetzt. Der Bebauungsplan enthält in dem Teil C. den folgenden Hinweis:
„7. Schutzmaßnahmen gegen Explosivstoffe
Auf den Grundstücken Nr. ... und ... der Gemarkung ..., ... Weg, Gewann ..., befindet sich ein Lager für explosionsgefährliche Stoffe. Von diesem Sprengstofflager sind u.U. auch in Teilbereichen des Plangebiets nach der 2. Sprengstoffverordnung für die Aufbewahrung explosionsgefährlicher Stoffe Schutzabstände für gewerbliche Bebauung mit der Einrichtung von ständigen Arbeitsplätzen einzuhalten. Ein entsprechender Nachweis ist im jeweiligen Genehmigungsverfahren zu erbringen.“
Die Beigeladene betreibt seit dem 01.01.2005 auf den Grundstücken mit den Flst.Nrn. ... und ..., Gewann ..., ... Weg, ... ..., ein Sprengstofflager, das bis dahin von der Firma ... ... KG betrieben wurde. Das Grundstück liegt westlich der B ... und nordwestlich des Grundstücks der Klägerin. Die Entfernung zur B ... beträgt ca. 266,62 m. Der für An- und Ablieferungen genutzte ... Weg schließt sich südöstlich an das Grundstück an. Der Abstand zur nächstgelegenen Grenze des Grundstücks der Klägerin beträgt ca. 300 m.
Unter dem 10.08.1995 erteilte das Landratsamt ... auf Antrag der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, der Firma ... ... KG, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von zwei Sprengstoffbunkern zur Lagerung von je 25 Tonnen Explosivstoffen und Gegenständen mit Explosivstoffen der Lagergruppen 1.1, 1.3 sowie 1.4. Beide Bunker sind mit 137,3 qm bzw. 171 qm Grundfläche im Abstand von ca. 20 m parallel in Ostrichtung ausgerichtet. Decke, Nord-, Ost- und Südseite der Bunker sind mit Erdreich bedeckt, das an den Seiten zu einer bis zu 5 m starken Böschung aufgeschüttet ist. Die Erdüberschüttung der Betondecke ist ca. 0,6 m mächtig. Nicht mit Erdreich bedeckt sind lediglich die vom Grundstück der Klägerin abgewandten Westseiten der Bunker, wo diese durch Stahltore beschickt werden. Den vom Sprengstofflager in Richtung des Grundstücks der Klägerin einzuhaltenden Schutzabstand zu Wohneinheiten setzte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung (Punkt A Ziff. 2 bzw. Nebenbestimmung I.2) unter Bezug auf eine Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung - BAM - vom 24.04.1995 im Rahmen einer Ausnahme nach § 3 Abs. 2 der 2. SprengV mit 395 m fest. Die für die Einhaltung des Schutzabstands maßgebliche Stellungnahme der BAM berücksichtigte die im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich vorhandene Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin, wobei von einem eingehaltenen Abstand von 500 m ausgegangen wird. Mit Anzeige gemäß § 15 BImSchG vom 10.10.2005 verpflichtete sich die Beigeladene, die Menge der eingelagerten Explosivstoffe auf insgesamt 49.850 kg für die Lagerklassen 1.1, 1.3 und 1.4 zu begrenzen.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde im vereinfachten Verfahren erteilt und der Klägerin nicht zugestellt oder anderweitig bekannt gegeben.
Mit Schriftsatz vom 10.05.2004 (eingegangen am 11.05.2004) legte die Klägerin gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sie habe erst durch ein Schreiben der Gemeinde ... vom 19.04.2004 im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ Kenntnis von der der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangt. Mangels Bekanntgabe der Genehmigung an die Klägerin sei die Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Zudem sei die Befugnis zur Einlegung des Widerspruchs nicht verwirkt, da es an besonderen Umständen fehle, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen. Die Klägerin habe weder erkannt noch erkennen müssen, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung der Sprengstoffbunker erteilt worden sei. Aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten habe die Klägerin nicht erkennen können, dass Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen durchgeführt worden seien. Die Grundstücke befänden sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft, auch sei bereits zum Zeitpunkt des Baus das Grundstück der Firma ... KG durch die in Dammlage verlaufende B ... sowie durch zahlreiche Obstbäume verdeckt worden. Der Baustellenverkehr sei über den vom Grundstück der Klägerin abgewandten ... Weg abgewickelt worden. Die Genehmigung sei unter Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG erteilt worden, da der nach Ziff. 2.1 der Anlage zum Anhang und Ziff. 3.2.2 Abs. 3 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV zu ermittelnde Schutzabstand von ca. 643 m nicht eingehalten sei. Entgegen der Annahme der Genehmigungsbehörde lägen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 3 Abs. 2 der 2. SprengV nicht vor. Der erforderliche Abstand zur Grenze des Bebauungsplanes bzw. zu der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze werde nicht eingehalten.
Die Beigeladene machte im Widerspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 31.08.2005 geltend, der eingelegte Widerspruch sei wegen Verfristung und Verwirkung unzulässig. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zumindest kennen müssen. Zum Zeitpunkt des Baubeginns für das Sprengstofflager im November 1995 habe eine Sichtverbindung zwischen dem Grundstück der Beigeladenen und dem Grundstück der Klägerin bestanden, da die Obstbäume unbelaubt gewesen seien. Auch habe der Bau massive Erdaushubarbeiten, das Setzen der Fundamentplatten, Einschalen der Wände und Decken, Schalgerüste erstellen, Kranarbeiten sowie Einbau der Tresortüren durch den Kran, Betonieren von Bodenplatten vor dem Lager, Erdüberdeckung der Bunker sowie massive Aufschüttungen erfordert. Die Baumaßnahmen hätten sich von November 1995 bis September 1996 hingezogen. Während der gesamten Zeit habe ein Baukran mit 25 m Höhe auf dem Grundstück der Beigeladenen gestanden und sei deshalb sowohl vom Grundstück der Klägerin als auch von der Bundesstraße B 462 aus weithin sichtbar gewesen. Es seien enorme Betonmassen erforderlich gewesen, so dass die Anlieferung des Betons durch dreiachsige Betonmischer für das erforderliche Volumen allein 130 Fahrten verursacht habe. Daher habe einem durchschnittlichen Betrachter nicht entgangen sein können, dass auf dem Feldweg massive An- und Abfahrten von Betonmischfahrzeugen über einen längeren Zeitraum stattgefunden hätten. Darüber hinaus sei die Errichtung des Sprengstofflagers am 16.06.1995 im gemeinsamen Amtsblatt der Gemeinden ... und ... als Tagesordnungspunkt der Sitzung des Technischen Ausschusses bekannt gemacht worden. Schließlich habe auch der Betrieb des Sprengstofflagers einem durchschnittlichen Betrachter nicht entgehen können, da ein erheblicher Lkw-Fahrbetrieb zu dem Lager auf den Feldwegen stattgefunden habe. Der Anlieferverkehr betrage jährlich ca. 200 An- und Abfahrten über Feldwege. Ferner hätten spätestens im Jahre 2001 und 2003 die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter eigene Kenntnis von der Genehmigung und Existenz des Sprengstofflagers erlangen müssen. Denn zu diesem Zeitpunkt hätten sie in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde ... an der Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2015 bzw. der Bebauungsplanänderung mitgewirkt und Akteneinsicht in die Planungsakten gehabt bzw. beantragen können. In der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 26.01.2004 sei ausweislich des Protokolls auf das Sprengstofflager hingewiesen worden. Mit Anwaltsschriftsatz vom 03.03.2004 an die Gemeinde ... habe die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen nochmals Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung der sprengstoffrechtlich erforderlichen Schutzabstände vorgebracht.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2006 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch der Klägerin als unzulässig zurück. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus, dass hier die einjährige Widerspruchsfrist mangels Bekanntgabe an die Klägerin zu dem Zeitpunkt zu laufen beginne, in dem sie von der erteilten Genehmigung Kenntnis erlangt habe oder hätte erlangen müssen. Im konkreten Fall habe die Frist nach Auffassung des Regierungspräsidiums bereits mit Erkennbarkeit der Aufnahme von Baumaßnahmen Ende November 1995 zu laufen begonnen. Das Betriebsgrundstück der Klägerin und das Grundstück der Beigeladenen hätten zwar keine gemeinsame Grenze; die kürzeste Entfernung zwischen den beiden Grundstücken betrage ca. 300 m. Aus den von der Beigeladenen vorgelegten Fotos zur Bauphase im Jahre 1995 ergebe sich jedoch, dass der Rechtsvorgängerin der Klägerin trotz der topographischen Gegebenheiten die Bautätigkeit für das Sprengstofflager nicht entgangen sein könne. Der auf der Baustelle aufgestellte ca. 25 m hohe Kran sowie die Anlieferung von großen Mengen Beton hätten insbesondere in der Winterzeit mangels Belaubung der zwischen den Grundstücken stehenden Bäume auffallen müssen. Hinzu komme, dass der sich an die Baumaßnahme anschließende Betrieb einem durchschnittlichen Betrachter nicht habe entgehen können, weil sich ein erheblicher Lkw-Fahrbetrieb zu dem Lager auf Feldwegen abgespielt habe. Ob die Klägerin im Rahmen der Flächennutzungsplanfortschreibung 2015 oder der Bebauungsplanänderung vor April 2004 von der Genehmigung erfahren habe, lasse sich nicht ermitteln und sei für die Entscheidung über den Widerspruch letztlich nicht entscheidend.
11 
Die Klägerin hat am 01.09.2006 Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und beantragt, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamtes ... vom 10.08.1995 für die Errichtung und den Betrieb des Sprengstofflagers auf den Grundstücken Flst.Nrn. ... und ... der Gemarkung ... in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 aufzuheben. Zur Begründung hat die Klägerin ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, das Regierungspräsidium überspanne die Anforderungen an die Erkundigungspflichten des Nachbarn im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis. Die bloße Erkennbarkeit von Baumaßnahmen reiche jedenfalls dann nicht aus, wenn diese in größerer Entfernung stattfänden und die aus der Nutzung des Grundstücks resultierenden Beeinträchtigungen nicht erkennbar seien. Die Widerspruchsbehörde verkenne, dass vom Grundstück der Klägerin aus die Baumaßnahmen zur Errichtung der Sprengstoffbunker nicht erkennbar gewesen seien. Dies werde bestätigt durch die von Mitarbeitern des Regierungspräsidiums Karlsruhe am 20.07.2005 durchgeführte Ortsbesichtigung. Die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums hätten in einem Aktenvermerk vom 04.08.2005 selbst festgehalten, dass das Lager von der Böschungsoberkante der Bundesstraße aus wegen des dichten Bewuchses nicht ausgemacht werden könne. Die Genehmigung sei rechtswidrig erteilt worden, da sie den Festsetzungen des Bebauungsplans aus dem Jahre 1983 widerspreche; ferner greife der Schutzabstand in die mit dem Bebauungsplan vom 20.05.2005 als Sondergebiet SO 1 „Spanplattenwerk“ festgesetzte Fläche ein. Die Errichtung ständiger Arbeitsplätze sei in diesem Bereich wegen des Schutzabstandes nicht mehr möglich. Die Beigeladene habe bereits im laufenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zur Änderung der von der Firma ... GmbH betriebenen Holzspanplattenfabrik unter Hinweis auf ihre eigene immissionsschutzrechtliche Genehmigung Einwendungen geltend gemacht.
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Mit Urteil vom 07.07.2009 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die streitgegenständliche Genehmigung sei in Bestandskraft erwachsen, da der Widerspruch der Klägerin verwirkt sei. Zwar sei die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht zugestellt worden, so dass die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht zur Anwendung gelange. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 25.01.1974 (IV C 2.72) und vom 28.08.1987 (4 N 3.86) aufgestellten Grundsätzen komme hier die Verwirkung des verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts und eine Unzulässigkeit des Widerspruchs nach Treu und Glauben in Betracht. Nach Überzeugung der Kammer sei davon auszugehen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin, deren Verhalten sich diese zurechnen lassen müsse, schon Ende November 1995 von den Bauarbeiten für das Sprengstofflager zuverlässige Kenntnis erlangen musste und deshalb für diese Anlass bestanden habe, sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen. Aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich, dass nicht nur ein als Einverständnis zu wertendes, sondern auch ein rein passives Verhalten des Nachbarn zur Verwirkung des Rechts zur Einlegung des Widerspruchs führen könne. Trotz der topographischen Gegebenheiten lasse sich aus den vorgelegten Fotos und der Erklärung des Mitarbeiters der Firma ... KG, Herrn ... ..., vom 17.08.2005 entnehmen, dass in der Winterzeit 1995/1996 massive Bauarbeiten stattgefunden hätten. Insbesondere der eingesetzte Baukran habe weithin sichtbar während der einjährigen Bauphase auf dem Grundstück gestanden, was der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht entgangen sein könne. Auch habe der Bau massive Erdaushubarbeiten und Erdbewegungen erfordert.
13 
Unerheblich sei, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin auch habe erkennen können, dass auf dem Grundstück der Beigeladenen ein Sprengstofflager mit 395 m weit reichenden Abstandserfordernissen verwirklicht werde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfordere ein „Kennen müssen“ in diesem Zusammenhang lediglich, dass sich dem betroffenen Nachbarn das Vorliegen einer bau- bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung habe aufdrängen müssen und es ihm zumutbar gewesen sei, sich hierüber durch Anfrage bei dem Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Dagegen erfordere ein „Kennenmüssen“ nicht, dass die nachteilige Betroffenheit vom Nachbarn tatsächlich subjektiv erkannt worden sei. Es bestehe die Obliegenheit für Nachbarn, nach Kenntnis von Baumaßnahmen die tatsächliche nachbarliche Betroffenheit zu ermitteln. Dies wäre ebenso bei Zustellung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erforderlich gewesen. Ansonsten würden an das Merkmal des „Kennenmüssens“ derart hohe Anforderungen gestellt, dass diese praktisch nie nachweislich erfüllt wären. Dies gelte erst recht, wenn wie hier ein Bauvorhaben im Außenbereich nach § 35 BauGB errichtet werde, da dieser grundsätzlich von Bebauung freizuhalten sei. Daher habe die Klägerin - insbesondere auch aufgrund des Baukrans - nicht von einem gewöhnlichen Bauvorhaben ausgehen dürfen. Im Übrigen seien Vorhaben, die aufgrund ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich errichtet werden dürfen, grundsätzlich geeignet, im nachbarschaftlichen Verhältnis gesteigerte Konflikte auszulösen. Ferner handle es sich bei dem Betrieb der Klägerin selbst um ein Unternehmen, das erhebliche Immissionen mit sich bringe und daher das Konfliktpotential im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis verstärke. Aufgrund dieser Umstände sei hier die Klägerin in besonderem Maße gehalten gewesen, sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung für das Bauvorhaben auf dem Grundstück der Beigeladenen zu erkundigen. Nach alldem hätte die Rechtsvorgängerin der Klägerin, deren Verhalten sich diese zurechnen lassen müsse, bei Anwendung der notwendigen Sorgfalt bis spätestens zum Abschluss der Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen im September 1996 Kenntnis von der streitigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und deren Anfechtbarkeit erlangen müssen. Der Widerspruch der Klägerin sei jedoch nicht innerhalb eines Jahres, d. h. spätestens bis Ende September 1997 eingelegt worden, so dass die Genehmigung in Bestandskraft erwachsen sei.
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Mit Beschluss vom 07.12.2009 - der Klägerin zugestellt am 17.12.2009 - hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassen. Die Klägerin hat mit einem bei dem Verwaltungsgerichtshof am 05.03.2010 eingegangenen Schriftsatz die Berufung unter Stellung eines Antrages innerhalb der vom Senat bis zum 08.03.2010 verlängerten Frist begründet.
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Die Klägerin macht geltend, sie habe entgegen der entscheidungstragenden Annahme des Verwaltungsgerichts weder bereits im Jahre 1995 Kenntnis von der Errichtung der Bunker erlangt noch die besonderen Auswirkungen dieses Vorhabens auf ihre eigene Rechtsstellung erkennen können. Vielmehr habe sie erst durch das Schreiben der Gemeinde ... vom 19.04.2004 im Rahmen des Änderungsverfahrens für den Bebauungsplan Kenntnis vom Vorhaben der Beigeladenen erhalten. Aufgrund der konkreten topographischen Gegebenheiten sei die Bauausführung im Jahre 1995/1996 vom Grundstück der Klägerin aus nicht wahrnehmbar gewesen. Beide Grundstücke seien mehr als 300 m entfernt; zwischen ihnen verlaufe die auf einem Damm geführte Bundesstraße B ... und lägen mit Obstbäumen bewachsene Flächen. Niedrige Bauwerke wie die einschließlich der Schornsteine weniger als 7 m hohen Sprengstoffbunker und die entsprechenden Baumaßnahmen würden durch die Obstbäume verdeckt; die Baufläche liege von dem Grundstück der Klägerin aus gesehen „im toten Winkel“ hinter dem Bundesstraßendamm.
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Das Verwaltungsgericht habe die konkreten topographischen Gegebenheiten verkannt und ohne Ortsbesichtigung oder sonstige Beweisaufnahme angenommen, dass der Baukran vom Grundstück der Klägerin aus sichtbar gewesen sei. Die vom Verwaltungsgericht entscheidungstragend herangezogene schriftliche Erklärung des Mitarbeiters der Beigeladenen, Herrn ... ..., stelle kein taugliches Beweismittel nach der Zivilprozessordnung dar. Dem Verwaltungsgericht habe sich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht die Einnahme eines Augenscheins oder die Vernehmung des Zeugen ... aufdrängen müssen. Ferner wiesen die Art der Bauarbeiten und das Aufstellen eines Krans auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht auf die Errichtung eines Sprengstofflagers mit besonderen Abstandserfordernissen hin. Auch ließen sich aus der Tatsache, dass das Bauvorhaben im Außenbereich gemäß § 35 BauGB errichtet worden sei, nicht weitreichende nachbarliche Beeinträchtigungen entnehmen. Denn es hätte sich ebenso um ein Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3, 5 und 6 BauGB ohne besonderes Konfliktpotential und tatsächliche Beeinträchtigungen für die Klägerin handeln können.
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Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sei es nach der in Bezug genommenen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich, dass der Nachbar die mit der Genehmigung verbundene subjektive Beeinträchtigung erkennen könne. Voraussetzung für eine Verwirkung sei das Erkennen und damit auch die Erkennbarkeit einer Beeinträchtigung durch das Bauvorhaben. Nur in diesem Falle treffe den Nachbarn die Obliegenheit, durch Anfrage beim Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde sich Gewissheit über das Vorliegen einer Baugenehmigung zu verschaffen. Im Übrigen sei der Nachbar nicht kraft Treu und Glaubens verpflichtet, jede Bautätigkeit in seiner Umgebung zu beobachten und zu allen ihm erkennbaren Bautätigkeiten vorsorglich Erkundigungen einzuholen. Selbst wenn die Klägerin Bauarbeiten wahrgenommen hätte, habe für sie keine Veranlassung bestanden, Erkundigungen über das Vorliegen einer Genehmigung einzuholen, da die konkrete Beeinträchtigung durch den Sprengstoffbunker und die daraus resultierenden Abstandserfordernisse nicht erkennbar gewesen sei.
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Die Klägerin sei mit ihrem Betriebsgrundstück nur deshalb Nachbar der Beigeladenen im baurechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Sinne, weil das Vorhaben der Beigeladenen besonders weitreichende Abstandsanforderungen nach sich ziehe. Das Nachbarschaftsverhältnis sei für die Klägerin jedoch nicht erkennbar gewesen, sodass ihr auch nach Treu und Glauben keine besonderen Erkundigungspflichten auferlegt werden könnten. Fehl gehe der Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass der Nachbar auch nach Zustellung der Genehmigung prüfen müsse, ob er subjektiv beeinträchtigt werde. Bei Zustellung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hätte die Klägerin als Nachbarin erkennen können, dass ein Sprengstoffbunker mit besonders weitreichenden Abstandsanforderungen errichtet werde. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts laufe darauf hinaus, dass die Klägerin im gesamten Einwirkungsbereich entsprechend Nr. 4.6.2.5 der TA Luft - hier also im Umkreis von 4 km - zur Beobachtung der Nachbarschaft und zur Nachfrage bei Behörden über das Bestehen etwaiger Baugenehmigungen verpflichtet werde. Das Verwaltungsgericht habe zudem nicht festgestellt, dass der Bauherr infolge der Untätigkeit auf den Bestand der Genehmigung vertrauen durfte, hierauf auch tatsächlich vertraut habe und sich daher durch Maßnahmen und Vorkehrungen so eingerichtet habe, dass ihm durch die verspätete Rechtsdurchsetzung ein unzumutbarer Nachteil entstehe. Die Ausführung des Bauvorhabens stehe mit dem Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung in keinem Kausalzusammenhang. Denn die Firma ... ... KG habe die Bauarbeiten unabhängig von der Haltung der Klägerin ausgeführt und das Vorhaben noch vor Ablauf der Jahresfrist für den Widerspruch fertiggestellt. Bereits aus diesem Grunde scheide eine Verwirkung des Widerspruchsrechts der Klägerin aus.
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Die zulässige Klage sei auch begründet, da die angefochtene Genehmigung gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG und § 17 SprengG verstoße. Zur Konkretisierung der nachbarschützenden Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG seien die Bestimmungen der 2. SprengV heranzuziehen, die auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Nr. 4 SprengG erlassen worden sei. Eine wesentliche Genehmigungsvoraussetzung sei nach der 2. SprengV die Einhaltung der erforderlichen Schutz- und Sicherheitsabstände. Gemäß Ziff. 3.2.2 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV müssten Lager von Wohnbereichen mindestens die in Anlage 3 der Verordnung genannten Schutzabstände einhalten. Die Bundesanstalt für Materialforschung habe auf dieser Grundlage in ihrer für die Genehmigung maßgeblichen Stellungnahme vom 24.04.1995 den Schutzabstand für das Sprengstofflager der Beigeladenen zu Wohnbereichen in östlicher Richtung zum Grundstück der Klägerin unter Annahme einer Ausnahme nach § 3 der 2. SprengV mit 395 m festgesetzt. Der in der Genehmigung festgesetzte Schutzabstand von 395 m reiche jedoch auf das Grundstück der Klägerin und schränke dort die maßgebliche durch den Bebauungsplan festgesetzte Nutzbarkeit ein. Unzumutbar und damit erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG seien die Immissionen und sonstigen Gefahren, die mit den für den Einwirkungsort geltenden Festsetzungen des Bebauungsplans im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung unvereinbar seien.
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Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums komme es deshalb nicht darauf an, ob die Klägerin das Grundstück bei Erteilung der angefochtenen Genehmigung bzw. im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut und genutzt habe. Denn mit Inkrafttreten des Bebauungsplans habe die Klägerin das Recht erlangt, von den Festsetzungen des Bebauungsplans Gebrauch zu machen. Auf dieses durch den Bebauungsplan begründete Nutzungsrecht habe die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Rücksicht zu nehmen. Der bei Erteilung der angefochtenen Genehmigung rechtsverbindliche maßgebliche Bebauungsplan „...“ vom 19.07.1983 habe für den westlichen Teil des Baugrundstücks der Klägerin, welcher innerhalb des festgelegten Schutzabstandes liege, ein Industriegebiet festgesetzt. Damit sei die Errichtung von Industriegebäuden mit ständigen Arbeitsplätzen zulässig; die Festsetzung begründe einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung von Vorhaben, welche die Verwirklichung der im Industriegebiet zulässigen Nutzungen gefährdeten bzw. unmöglich machten. Nichts anderes gelte im Ergebnis, wenn man auf den mit Wirkung zum 20.05.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ abstelle, welcher für den maßgeblichen Bereich ein Sondergebiet „Spanplattenwerk“ festsetze. Auch die nach den Festsetzungen dieses Bebauungsplans zulässigen Nutzungen könnten bei Einhaltung des Schutzabstands nur ohne Einrichtung ständiger Arbeitsplätze verwirklicht werden. Eine dem Bebauungsplan entsprechende bestimmungsgemäße Nutzung sei dadurch ausgeschlossen. Davon gehe im Übrigen auch die Beigeladene aus, welche im beantragten Änderungsgenehmigungsverfahren für die Spanplattenfabrik mit Schreiben vom 18.09.2006 Einwendungen unter Hinweis auf die Anforderungen der 2. SprengV geltend gemacht habe. Schließlich werde der Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG i.V.m. § 17 SprengG nicht durch den Hinweis im Bebauungsplan vom 20.05.2005 im Abschnitt C Ziff. 7 „Schutzmaßnahmen gegen Explosivstoffe“ ausgeräumt. Schon nach dem Wortlaut handle es sich lediglich um einen Hinweis des Plangebers, nicht um eine rechtsverbindliche Festsetzung des Bebauungsplans. Daher modifiziere der Hinweis weder die festgesetzten Baugrenzen noch die überbaubaren Grundstücksflächen sowie die dort zulässige Art der Nutzung. Rechtliche Bedeutung könne der Hinweis allenfalls bei Anwendung von § 15 BauNVO haben, was belege, dass die angefochtene Genehmigung die Ausnutzung der Festsetzungen des Bebauungsplans vom 20.05.2005 gefährde.
21 
Die Klägerin beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - zu ändern und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 10.08.1995 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 aufzuheben.
23 
Der Beklagte beantragt,
24 
die Berufung zurückzuweisen.
25 
Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend unter Würdigung der konkreten örtlichen Verhältnisse davon ausgegangen, dass die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgänger Kenntnis von den Baumaßnahmen hätten erlangen müssen. Die von dem Regierungspräsidium durchgeführte Ortsbesichtigung habe im Sommer stattgefunden und lasse entgegen der Auffassung der Klägerin keine Rückschlüsse auf die Sichtverhältnisse in der maßgeblichen Bauphase im Winter 1995/1996 zu. Ferner könne das fertig gestellte Bauwerk nicht mit der Erkennbarkeit eines 25 m hohen Krans gleichgestellt werden. Es sei einem Nachbarn zuzumuten, ein Vorhaben nach Kenntnisnahme der Baumaßnahme im Hinblick auf die nachbarliche Betroffenheit zu prüfen und sich über das Vorliegen von Beeinträchtigungen und ihre Qualität zu erkundigen. Gerade aufgrund einer möglichen Verschärfung der im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis angelegten Konfliktsituation zweier immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Betriebe hätten sich der Klägerin Erkundigungen aufdrängen müssen. Ansonsten könnten im Verfahren nach § 19 BImSchG erteilte Genehmigungen keine Bestandskraft erlangen, da für alle im Einwirkungsbereich Betroffenen eine eigene Widerspruchsfrist liefe. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe nicht zu einer allgemeinen Belastung von Nachbarn im Umkreis von mehreren Kilometern, Nachforschungen über die bestehenden Genehmigungen anzustellen, denn das Verwaltungsgericht habe sich mit den konkreten Umständen des Einzelfalles auseinandergesetzt. Der Firma ... ... ... als Rechtsvorgängerin der Klägerin sei aus Anlass verschiedener Gespräche bei der Gemeinde ..., die sie im eigenen Interesse zum Erhalt einer direkten Betriebszufahrt geführt habe, bekannt gewesen, dass das Sprengstofflager der Beigeladenen zum Ausbau der Bundesstraße B ... verlegt werden müsse. Die Firma ... ... ... sei über die Vorgänge informiert gewesen, habe jedoch damals keine Notwendigkeit zum störungspräventiven Vorgehen gegen das Vorhaben der Beigeladenen gesehen; dieses Unterlassen müsse sich die Klägerin als Rechtsnachfolgerin zurechnen lassen. Unerheblich sei deshalb, dass die Klägerin ihre subjektive Betroffenheit durch die Genehmigung erst im Mai 2004 erkannt habe. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da die Genehmigung der Sprengstoffbunker nicht rechtswidrig erfolgt sei. In dem Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 sei in Abschnitt C auf den erforderlichen Schutzabstand hingewiesen worden. Eine Beeinträchtigung der Klägerin scheide ferner deswegen aus, weil ihr Grundstück seit jeher situationsvorbelastet durch die vormalige Sprengstofflageranlage im Gewann „... ...“ gewesen sei.
26 
Die Beigeladene beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren, wonach die Klägerin bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt Kenntnis von den Baumaßnahmen und der erteilten Genehmigung hätte haben müssen. Ergänzend weist sie darauf hin, dass die Klägerin als Grundstückseigentümerin auch von einer etwa rechtswidrigen Genehmigung nicht subjektiv-rechtlich betroffen sei. In eigenen Rechten verletzt könne allenfalls die Firma ... GmbH als Rechtsnachfolgerin der Firma ... ... ... sein, da sie Inhaberin der entsprechenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zum Betrieb des Spanplattenwerkes sei. Im Übrigen müsse sich die Klägerin das Nichtstun ihrer Rechtsvorgängerin zurechnen lassen. Ferner habe die Gemeinde ... auf Initiative der Klägerin den bisher gültigen Bebauungsplan „...“ durch den neuen Bebauungsplan vom 20.05.2005 ersetzt, welcher unter Abschnitt C „Hinweise“ Schutzmaßnahmen gegen Explosivstoffe vorsehe. Durch diese Planänderung und Planaufhebung seien möglicherweise vorher bestehende schützenswerte Rechtspositionen der Klägerin unwirksam geworden, so dass der alte Bebauungsplan „...“ keine Auswirkungen auf das Ergebnis der gerichtlichen Prüfung entfalten könne. Im Übrigen scheide eine Beeinträchtigung der Klägerin als Grundstückseigentümerin durch die geltend gemachten Schutzabstände aus, da die Ausnutzbarkeit des Grundstücks nach Stellungnahme der sachkundigen Bundesanstalt für Materialforschung nicht eingeschränkt werde.
29 
Dem Senat liegen die einschlägigen Akten des Verwaltungsgerichts und des Beklagten sowie eine Ausfertigung des Bebauungsplans „...“ und des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ der Gemeinde ... vor. Der Senat hat die Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum ergänzenden Planfeststellungsverfahren über den vierspurigen Ausbau der B ... zwischen ... und dem Anschluss an die BAB 5 beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
30 
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2011 einen Augenschein auf dem Grundstück der Klägerin und dem der Beigeladenen zur Klärung der Sichtbeziehungen eingenommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Anlage zur Niederschrift sowie ergänzend auf die gefertigten Lichtbilder verwiesen. Ferner hat der Senat in der weiteren mündlichen Verhandlung am 14.05.2012 den Bürgermeister der Gemeinde ..., Herrn ... ..., als Zeugen vernommen; wegen der dabei getätigten Angaben wird auf die Anlage zur Niederschrift über diese Sitzung verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
31 
Die von dem Senat wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassene Berufung der Klägerin ist innerhalb der bis zum 08.03.2010 verlängerten Frist begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 VwGO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat darüber hinaus in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klage zulässig (dazu unter 1.) und begründet (dazu unter 2.).
32 
1.1 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 nicht bereits deshalb in Bestandskraft erwachsen ist, weil erstmals am 11.05.2004 hiergegen Widerspruch eingelegt wurde und deshalb die Frist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht gewahrt ist. Die streitgegenständliche Genehmigung wurde im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt, so dass eine förmliche Zustellung gemäß § 10 Abs. 7 BImSchG an Dritte und eine anderweitige förmliche Bekanntgabe der Genehmigung durch die Behörde an die Klägerin unterblieben ist. Demzufolge wurde die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht in Gang gesetzt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass im Jahre 1995 eine Bekanntgabe der Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erfolgte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Bekanntgabe einer Baugenehmigung - nichts anderes gilt für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung - an den Bauherrn als ihren Adressaten nicht zugleich die Rechtsbehelfsfristen auch für den Nachbarn als beteiligten Nichtadressaten in Lauf (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 14.02.1969 - IV C 82.66 - DVBl. 1969, 362; sowie Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294). Zu Recht weist die Klägerin im Übrigen darauf hin, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 41 LVwVfG den Willen der Behörde voraussetzt, den Bescheid dem Bekanntgabeadressaten zur Kenntnis zu bringen; zufällige Kenntnisnahme, etwa der Nachbarn auf Grund Information seitens des Bauherrn, reicht regelmäßig nicht aus (vgl. hierzu Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., RdNr. 4 zu § 70 VwGO). Daher stellt auch das Schreiben der Gemeinde ... an die Klägerin vom 19.04.2004 keine Bekanntgabe der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dar.
33 
1.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führt auch der den Bestimmungen der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO zu entnehmende Rechtsgedanke hier nicht zur Bestandskraft der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
34 
1.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Widerspruchsfrist regelmäßig nach den Vorschriften der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182). Die vom Bundesverwaltungsgericht ursprünglich für das Baurecht bei unmittelbar benachbarten Grundstücken entwickelten Grundsätze werden aus dem zwischen Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist, hergeleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.). Dieses verpflichtet den Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen möglichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten; der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat.
35 
Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass diese Grundsätze für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gleichermaßen Geltung beanspruchen, da auch das Immissionsschutzrecht von einem Raumbezug geprägt ist und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 Satz 1 BImSchG im Rahmen der materiellen Konzentrationswirkung die Baugenehmigung ersetzt.
36 
Nach dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO ist der Nachbar regelmäßig so zu behandeln, als ob ihm die Genehmigung ohne Rechtsbehelfsbelehrung amtlich bekannt gemacht worden wäre. Es läuft daher grundsätzlich eine Widerspruchsfrist von einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Nachbar sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87). Maßgeblich ist dabei nicht das Erkennen, sondern die Erkennbarkeit der Genehmigung bzw. der hierdurch verursachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und dem Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Kenntnisnahme ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen hat (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - juris).
37 
1.2.2 Zutreffend weist die Klägerin aber darauf hin, dass sich die Kenntnis bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beziehen muss, sondern es auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn ankommt. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht in entscheidungstragender Weise unter Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 06.10.2005 - M 11 K 04.2630 - juris) davon aus, dass allein auf die Kenntnisnahme bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Baugenehmigung abzustellen ist, unabhängig davon, ob der Nachbar seine nachteilige Beeinträchtigung bei Ausnutzung der Genehmigung erkannt hat oder diese hätte erkennen müssen. Dies ergibt sich bereits mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut der herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, daneben aber auch aus den Ableitungszusammenhängen der oben dargestellten Rechtsprechung.
38 
So hebt das Bundesverwaltungsgericht in seinem grundlegenden Urteil vom 25.01.1974 (IV C 2.72 - a.a.O. - RdNr. 24 des Urteilsabdrucks bei juris) ausdrücklich auf ein Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen durch den Nachbarn ab. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind. Dafür spricht auch das Leitbild des § 58 Abs. 2 VwGO, da dem Nachbarn im dort ausdrücklich geregelten Fall die Baugenehmigung wegen der erfolgten Bekanntgabe vorliegt, wenn auch ohne die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung. Fehl geht die vom Verwaltungsgericht angestellte Erwägung, dass der Nachbar bei Bekanntgabe der Genehmigung ebenfalls innerhalb der Jahresfrist Widerspruch einlegen muss, auch wenn er seine subjektive Beeinträchtigung daraus nicht erkennen kann. Das Verwaltungsgericht übersieht dabei, dass die Position des Nachbarn bei Bekanntgabe der Genehmigung deutlich besser als im hier in Rede stehenden Fall ist. Zum einen ist bereits die bloße förmliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mit einer gewissen Warnfunktion verbunden und gibt dem Mitteilungsempfänger Anlass, sich über eine hierdurch etwa ausgelöste nachteilige Betroffenheit zu informieren. Zum anderen kann - wie gerade auch der Inhalt der hier erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zeigt - der Nachbar aus der Begründung regelmäßig ohne großen Aufwand seine potentielle Beeinträchtigung unschwer erkennen.
39 
Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht erforderlich, dass der Nachbar die negative Beeinträchtigung tatsächlich erkannt hat; es genügt ebenfalls das „Kennenmüssen“. Davon ist zum einen auszugehen, wenn sich das Vorliegen der Genehmigung (einschließlich der subjektiven Beeinträchtigung) aufdrängt. Ferner ist ausreichend, wenn es dem Nachbarn möglich und zumutbar war, sich über diese Umstände Gewissheit zu verschaffen, etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder der Behörde (vgl. näher Dolde/Porsch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Ergänzungslieferung April 2006, RdNr. 21 zu § 70 VwGO). Der Umfang der einem Nachbarn obliegenden Sorgfaltsanforderungen lässt sich dabei nicht abstrakt ermitteln. Insbesondere lässt sich ein Maßstab für die Ermittlungspflichten des Nachbarn nicht den Bestimmungen der §§ 58 Abs. 2, 70 VwGO entnehmen. Zwar läuft einerseits bei einer Bekanntgabe ohne Rechtsbehelfsbelehrung (d.h. bei Kenntnis von der Beeinträchtigung) eine Rechtsmittelfrist von einem Jahr, während andererseits dem Nachbarn trotz fehlender Kenntnis von der subjektiven Beeinträchtigung ebenfalls eine Jahresfrist eingeräumt und zudem die Erkundigung und Ermittlung vorausgesetzt wird. Dies gebietet es jedoch nicht zwingend, die Anforderungen an die Ermittlungspflicht generell gering anzusetzen. Denn die Einjahresfrist markiert im Rechtsbehelfsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich - abgesehen von Unmöglichkeit der Rechtsbehelfseinlegung - eine absolute Grenze, vgl. §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3, 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Somit kann dieser Zeitraum in jedem Fall sachgerecht auf Drittwidersprüche übertragen werden. Da die Verwaltungsgerichtsordnung den Fall des Nachbarwiderspruchs nicht regelt, muss es vielmehr maßgeblich auf die Herleitung der Rechtsgrundsätze aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ankommen. Daraus folgt, dass auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen ist und sich der Umfang der Treuepflicht nach den jeweiligen rechtlichen und tatsächlichen Umständen richtet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - a.a.O.; sowie vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Wann ein Nachbar Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, hängt deshalb allein von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und ist aufgrund einer umfassenden Sachverhaltswürdigung zu beurteilen. Dabei ist maßgeblich auf die Sicht des Nachbarn abzuheben, lediglich untergeordnet kann auf die Interessen des Bauherrn abgestellt werden. Eine Ermittlungspflicht des Nachbarn besteht etwa, wenn sich eine Beeinträchtigung anhand des sichtbaren Baugeschehens aufdrängt. Ferner besteht eine Ermittlungspflicht, wenn eine Beeinträchtigung des Nachbarn aufgrund der Nutzung des eigenen Grundstücks wahrscheinlich ist. Je einfacher Informationen über das Bauvorhaben zugänglich sind, desto eher ist dem Nachbarn die Erkundigung zuzumuten. So hat die Rechtsprechung es teilweise ausreichen lassen, dass der Nachbar durch eine Mitteilung über die Erteilung der Baugenehmigung und den sichtbaren Beginn der Bauarbeiten Kenntnis über einen möglichen Eingriff in die zu schützende Rechtspositionen erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C.89 - a.a.O.). Auch bei deutlich wahrnehmbaren Bauarbeiten solle es Anlass geben, der Frage nach der eigenen Beeinträchtigung nachzugehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - a.a.O; ebenso OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - LKV 2001, 466).
41 
1.2.3 Entgegen der Auffassung der Berufung ist für den Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, außer der Untätigkeit des Nachbarn kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich; unerheblich ist mithin, ob der Bauherr ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und dieses schutzwürdig ist. Hierfür spricht bereits, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - anders als in der Kommentarliteratur häufig behauptet - streng zwischen dem Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen auf der einen Seite und der Verwirkung des Widerspruchsrechts oder gar des materiellen Abwehranspruchs auf der andern Seite unterscheidet (so ausdrücklich bereits BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; ferner Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 77; Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Der Verlust des verfahrensmäßigen Rechts aufgrund von Zeitablauf und die Verwirkung des Widerspruchsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit des Widerspruchs), auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen. So kommt eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nach den Umständen des Einzelfalles auch bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Betracht; eine Verwirkung hat jedoch zusätzlich zur Voraussetzung, dass der Genehmigungsempfänger aus aktivem Tun des Nachbarn oder einer ihm gleichzusetzenden Duldung auf dessen Einverständnis schließen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin können diese vom Bundesverwaltungsgericht für die Verwirkung aufgestellten zusätzlichen Anforderungen an die Vertrauensbetätigung des Bauherrn nicht auf die hier in Rede stehende Problematik der entsprechenden Anwendung von §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO übertragen werden. Gegenteiliges kann insbesondere nicht dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.1991 (4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182) entnommen werden; die von der Klägerin herangezogenen Passagen des Urteils beziehen sich nach ihrer systematischen Stellung eindeutig auf die Verwirkung des materiellen nachbarlichen Abwehrrechts. Die Auffassung der Klägerin beruht auf einer Vermischung der Voraussetzungen für Verlust des Widerspruchsrechts allein aufgrund von Zeitablauf in entsprechender Anwendung von §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO und den Voraussetzungen für eine Verwirkung entweder des verfahrensmäßigen Widerspruchsrechts oder des nachbarlichen Abwehranspruchs. Sie hätte darüber hinaus zur Folge, dass es kaum jemals zum Verlust des Widerspruchsrechts des Nachbarn kommen könnte. Denn die Berufung will dem Nachbarn in entsprechender Anwendung von § 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsmöglichkeit binnen Jahresfrist ab Erkennbarkeit der Baumaßnahmen einräumen und fordert darüber hinaus, dass der Bauherr gerade aufgrund der Untätigkeit des Nachbarn ein entsprechendes Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung entwickelt und auch betätigt hat, mithin die Untätigkeit des Nachbarn kausal für den Baufortschritt sein muss. Wie jedoch der vorliegende Fall zeigt, kann binnen eines Jahres auch ein umfangreiches Bauvorhaben fertiggestellt sein.
43 
1.2.4 Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Widerspruch der Klägerin nicht verfristet. Es steht aufgrund der durchgeführten Beweiserhebungen durch Einnahme eines Augenscheins sowie durch Zeugenvernehmung des Bürgermeisters der Gemeinde ... fest, dass die Klägerin erstmals im April 2004 Kenntnis von der Beeinträchtigung durch das genehmigte Sprengstofflager erlangt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen musste die Klägerin auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt im oben dargestellten Sinne nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der erteilten Genehmigung und der durch ihre Ausnutzung eintretenden Beeinträchtigungen erlangen.
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1.2.4.1 Fehl geht die Auffassung der Beigeladenen, dass die Klägerin bereits vor Beginn der Baumaßnahmen im Jahre 1995 Kenntnis von der geplanten Errichtung der Bunkeranlage erlangt habe bzw. hätte erlangen müssen. Wie oben näher dargestellt, setzt die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ebenso wie die verfahrensrechtliche Verwirkung voraus, dass zuvor eine Genehmigung erteilt worden ist. Die maßgebliche Jahresfrist kann deshalb erst mit Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen am 10.08.1995 zu laufen beginnen. Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage einer Kenntniserlangung der Klägerin bereits im Jahre 1993 unter Hinweis auf einen Aktenvermerk des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23.09.1993 stellt sich deshalb nicht. Im Übrigen weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sich diesem Aktenvermerk (Anlage A 9 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 31.08.2005 im Widerspruchsverfahren) keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass Vertreter oder Mitarbeiter der Klägerin an der maßgeblichen Besprechung teilgenommen haben. Aus zeitlichen Gründen kann auch nicht auf die Veröffentlichung im gemeinsamen Mitteilungsblatt der Gemeinden ... und ... vom 16.06.1995 abgehoben werden, in der unter Ziff. 13 auf eine Sitzung des Technischen Ausschusses in ... zur Behandlung eines Antrags auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Sprengstoffbunkers auf den maßgeblichen Flurstücken ... und ... im Gewann ... hingewiesen wurde. Auch diese Sitzung fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Genehmigung noch nicht erteilt war und noch nicht über die Genehmigungsvoraussetzungen entschieden worden ist. Allenfalls bot diese amtliche Mitteilung im Zusammenhang mit weiteren tatsächlichen Gesichtspunkten Anlass, sich bei der veröffentlichenden Gemeinde oder der zuständigen Immissionsschutzbehörde über den weiteren Verlauf des Verfahrens und eine etwa in der Erteilung befindliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erkundigen (vgl. zur Relevanz von Pressemitteilungen auch OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - a.a.O.). Dies setzt jedoch voraus, dass die Klägerin aufgrund tatsächlicher Wahrnehmung von Baumaßnahmen Anlass gehabt hätte, weitergehende Erkundigungen zu einer etwa erteilten Genehmigung und deren Umfang anzustellen.
45 
1.2.4.2 Aufgrund der durchgeführten Beweiserhebung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin auch nicht mit Baubeginn des Bunkers im November 1995 von der erteilten Genehmigung und deren Auswirkungen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Bei der nach dem oben Gesagten anzustellenden umfassenden Sachverhaltswürdigung ist aus der Sphäre des Bauherrn in erster Linie die Wahrnehmbarkeit des Baugeschehens zu berücksichtigen. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen befinden sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft; sie sind durch die B ... und eine Ansammlung von Laubbäumen voneinander getrennt. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2011 durchgeführten Augenscheins steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bereits zu Beginn der Baumaßnahmen in der 48. Kalenderwoche des Jahres 1995 nur eine sehr eingeschränkte Sichtverbindung zwischen dem Grundstück der Klägerin und dem Baugrundstück der Beigeladenen bestand, so dass die eigentlichen Baumaßnahmen und der Baufortschritt nicht zu erkennen waren. Wie im Termin am 15.11.2011 festgestellt und zwischen den Beteiligten im Einzelnen nicht mehr umstritten, bestand von der Geländeoberfläche des Grundstücks der Klägerin zum Zeitpunkt des Augenscheins keine Sichtbeziehung zum auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten Sprengstoffbunker. Selbst in direkter Blickrichtung vom Betriebsgelände der Klägerin in Richtung Westen war der Sprengstoffbunker nicht zu sehen, da die dazwischenliegenden Grundstücke jenseits der Bundesstraße mit hochstämmigen Streuobstbäumen sowie mit Büschen bepflanzt sind; die Streuobstbäume und Büsche waren zu diesem Zeitpunkt nur noch gering belaubt. Diese Sichtbeziehungen waren auch zum maßgeblichen Zeitpunkt im November 1995 nicht wesentlich anders. Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Streuobstbäume zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihre heutige Höhe erreicht haben dürften. Angesichts des Alters dieser Bäume von mehreren Jahrzehnten kann jedoch von ähnlichen Sichtverhältnissen ausgegangen werden, zumal die Sichtbeeinträchtigung bereits durch die Vielzahl der Baumstämme und nicht durch die konkrete Höhe der Bäume bedingt war. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Bundesstraße ... in ihrer heutigen Gestalt erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt im Jahre 1995 fertiggestellt wurde. Zum einen ist die erst später vierspurig ausgebaute Bundesstraße auch im Herbst 1995 bereits in Dammlage verlaufen. Dies lässt sich etwa den vom Regierungspräsidium im Widerspruchsverfahren eingeholten Querschnitten der Straßenbauverwaltung und den vom Senat beigezogenen Planfeststellungsakten entnehmen. Im Übrigen lässt sich die damalige Straßenführung auch anhand des von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 21.11.2005 vorgelegten Lichtbildes Nr. 4 nachvollziehen. Unabhängig hiervon ist die konkrete Trassenlage der B ... und die Frage einer Führung in Dammlage für die Sichtbeziehungen nicht erheblich, da der Sprengstoffbunker bei dem Augenschein selbst von dem Höhenniveau der Bundesstraße aus nicht zu erkennen war.
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Aufgrund des bei dem Augenschein gewonnenen Eindruckes und der von der Beigeladenen vorgelegten Lichtbilder steht deshalb fest, dass während der einjährigen Bauphase im wesentlichen lediglich der auf dem Grundstück der Beigeladenen aufstehende Kran zu sehen gewesen ist. Ferner spricht vieles dafür, dass vom Grundstück der Klägerin aus der Anfahrtsverkehr zur Baustelle, insbesondere die Anlieferung von Beton, wahrnehmbar war. Wie die Beigeladene unwidersprochen vorträgt, wurden auf dem dem Grundstück der Klägerin zugewandten ... Weg insgesamt 130 Fahrten mit Betonmischfahrzeugen abgewickelt; diese dürften vom Grundstück der Klägerin aus - wenn auch nur eingeschränkt - wahrnehmbar gewesen sein. Diese während der Bauphase bestehenden Beobachtungsmöglichkeiten führen entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde und der Beigeladenen nicht dazu, von einer fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin auszugehen. Zum einen ist die Anstoßwirkung dieser Maßnahmen hier aufgrund der konkreten topographischen Verhältnisse bereits deshalb erheblich reduziert, weil vom Grundstück der Klägerin aus gesehen nicht auszuschließen war, dass der Kran und der Baustellenverkehr von einer etwaigen Baustelle im südwestlich gelegenen Industriegebiet von ... herrührten. Zum anderen lassen sich aus den genannten Umständen nicht ausreichende Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung der Klägerin entnehmen. Die Masse des angelieferten Betons und die einjährige Benutzung eines üblichen Baukrans deuten allerdings auf ein ungewöhnlich großes Bauvorhaben hin. Da sich das Baugrundstück zudem im Außenbereich befindet, war es aus Sicht des Nachbarn naheliegend, dass ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 BauGB mit potenziell weitgehenden Beeinträchtigungen der Nachbarschaft errichtet wird. All diese Umstände geboten jedoch auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt für die Klägerin nicht den Schluss, dass ein immissionsschutzrechtlich genehmigter Sprengstoffbunker mit mehreren 100 Meter weit reichenden Abstandserfordernissen errichtet wurde. Je weniger ein Vorhaben dem üblichen Erwartungshorizont entspricht, d.h. je exotischer der verfolgte Nutzungszweck ist und je ungewöhnlicher das Ausmaß der Abstandsanforderungen an die Nachbarschaft sind, um so höher sind die Anforderungen an die Annahme anzusetzen, der von dem Vorhaben Betroffene müsste sich gleichwohl von sich aus die Kenntnis von der Natur des Vorhabens verschaffen. Von daher liegt es ungeachtet der grundsätzlichen Zulässigkeit der Genehmigungserteilung im vereinfachten Verfahren im wohlverstandenen eigenen Interesse der Genehmigungsbehörde und des Vorhabenträgers zur Vermeidung etwaiger - wie hier - erst viel später auftretender Konflikte um die Bestandskraft der Genehmigung jedenfalls die erkennbar unmittelbar betroffene Nachbarschaft über das Vorhaben zu informieren. Dem entspricht auf Seiten der Nachbarschaft eine gewisse berechtigte Erwartung einer wenigstens formlosen Unterrichtung über ein solches Vorhaben. Deshalb durfte die Klägerin gerade auch aufgrund des Umstandes, dass sie im Genehmigungsverfahren weder förmlich beteiligt noch angehört wurde, davon ausgehen, dass etwa wahrgenommene Baumaßnahmen sie nicht in eigenen Belangen tangieren können.
47 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Errichtung des Sprengstoffbunkers jedenfalls von den höher gelegenen Betriebseinrichtungen auf dem Grundstück der Klägerin zu erkennen gewesen sein dürfte. Zum Zeitpunkt der Augenscheinseinnahme im Jahre 2011 war der Bunker ab einem Höhenniveau von etwa 15 m zu erkennen; zur Zeit der Errichtung dürfte die Erkennbarkeit eher noch besser gewesen sein. Zwar bestand nach dem Vortrag der Klägerin eine vergleichbare Möglichkeit zur Begehung von Betriebseinrichtungen auch bereits im Jahre 1995. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, der mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang steht, werden derartige hochgelegenen Betriebseinrichtungen jedoch lediglich in größeren Intervallen von untergeordnetem technischen Personal betreten, woraus keine Erkenntnismöglichkeit für die maßgeblichen Bediensteten und insbesondere die vertretungsberechtigten Organe der Klägerin hergeleitet werden kann.
48 
1.2.4.3 Aus ähnlichen Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin auch nicht mit Beginn des Betriebs des Sprengstofflagers im Herbst 1996 Kenntnis von der Genehmigung erlangt hat bzw. diese hätte erlangen müssen. Zwar wurden die Aufschüttungen der Bunkerwände erst im November 1996 besät, so dass bei Aufnahme des Betriebs die später gewachsene Begrünung die Sicht auf den Bunker wohl noch nicht verdeckt haben dürfte und die hellen Bunkerwände deutlicher als zum Zeitpunkt des Augenscheins in Erscheinung getreten sind. Zudem liefern nach dem Vortrag der Beigeladenen rote bzw. orangefarbene Lastwagen die eingelagerten Sprengstoffe mit jährlich ca. 200 An- und Abfahrten an. Da aber die vorhandenen Bauten maximal eine Höhe von ca. 5 m erreichen, sind die Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter aus Sicht der Klägerin geringer als während der Bauphase. Auch verläuft der für die An- und Abfahrten genutzte ... Weg vom Grundstück der Klägerin aus gesehen weitgehend verdeckt durch die Bäume der Streuobstwiese bzw. durch die in Dammlage geführte B ... Daraus folgt, dass für den Betrieb des Sprengstofflagers erst recht nicht von der Kenntnis der Klägerin ausgegangen werden kann, wenn das Kennenmüssen für die Bauphase wie oben verneint wird.
49 
1.2.4.4 Zu Unrecht geht die Beigeladene davon aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung im Planfeststellungsverfahren zur Erweiterung der B ... Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bzw. dem Sprengstofflager erlangt hat. Den vom Senat beigezogenen Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum ergänzenden Planfeststellungsverfahren über den vierspurigen Ausbau der B ... zwischen ... und dem Anschluss an die BAB 5 lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Behauptung der Beigeladenen entnehmen, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang Kenntnis von dem neuen Standort des Bunkers erlangt haben könnte. Ausweislich der Planfeststellungsakten kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin aktiv am Verfahren beteiligt oder Einsicht in die entsprechenden Unterlagen genommen hat. Im Übrigen lässt sich den Planfeststellungsakten lediglich entnehmen, dass die neu geplante Trassenführung Flächen des ursprünglichen Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ in Anspruch nimmt, ohne dass freilich in den Vorgängen der ins Auge gefasste neue Standort des Bunkers erwähnt wird. Weitergehende Anhaltspunkte für eine Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... ließen sich auch nicht durch die in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2012 durchgeführte Befragung des Bürgermeisters der Gemeinde ..., Herrn ... ..., als Zeugen gewinnen. Vielmehr ließ sich der Zeuge in jeder Hinsicht glaubhaft und nachvollziehbar dahingehend ein, dass er im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... zwar mehrfach Gespräche mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der Klägerin geführt habe. Im Mittelpunkt dieser Gespräche habe jedoch das von der Gemeinde verfolgte Anliegen gestanden, eine neue Nordzufahrt zu dem Grundstück der Klägerin zu schaffen, wogegen die Klägerin vor allem aus erschließungsbeitragsrechtlichen Gründen Einwände erhoben habe. Zwar habe er in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Verlegung des bestehenden Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ am Rande hingewiesen; er könne jedoch mit hoher Sicherheit ausschließen, dass er gegenüber Organen oder Mitarbeitern der Klägerin den Zielstandort erwähnt habe. Ebenso führte der Zeuge überzeugend aus, dass in der öffentlichen Diskussion in ... zum fraglichen Zeitpunkt die Verlegung des Sprengstoffbunkers keine bedeutende Rolle gespielt habe, nicht zuletzt in Anbetracht wesentlich öffentlichkeitswirksamerer raum- und umweltbezogener Vorhabenplanungen.
50 
1.2.4.5 Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass Organe bzw. Mitarbeiter der Klägerin oder der Firma ... ... ... aufgrund der Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der Gemeinde ... vom 04.11.1996 Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangt haben. Den vorliegenden Behördenakten lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags das in der Vergangenheit genehmigte Sprengstofflager eine Rolle gespielt hat. Dies wurde durch die Zeugenvernehmung des Bürgermeisters ... in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Zeuge hat sich auch in diesem Zusammenhang glaubhaft dahingehend eingelassen, dass er gegenüber Organen und Mitarbeitern der Firma ... ... ... lediglich auf die Notwendigkeit einer Verlegung des Sprengstofflagers hingewiesen, nicht aber dessen neuen Standort thematisiert habe. Im Übrigen hat auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der diese bereits damals bei den Vertragsverhandlungen vertreten hat, versichert, dass ihm gegenüber die Existenz der Genehmigungen nicht erwähnt worden sei. Diese Versicherung des Prozessbevollmächtigten steht dabei nicht im Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen ..., da dieser glaubhaft angegeben hat, dass der Prozessbevollmächtigte an den ersten Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht beteiligt gewesen sei. Da der Senat von der Richtigkeit der Erklärungen des Prozessbevollmächtigten überzeugt ist, war dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag auf Zeugenvernehmung nicht mehr nachzugehen.
51 
1.2.4.6 Auch kann entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Mitwirkung im Verfahren über die Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ sowie über die parallele Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2015 ... ... ... im Jahre 2001 von dem Sprengstofflager und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 10.08.1995 Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Insbesondere das von der Beigeladenen erwähnte Einwendungsschreiben und das Schreiben der IHK vom 12.11.2001 sind nicht an die Klägerin, sondern an die Stadt ... bzw. an die Firma ... ... ... gerichtet. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt von diesen Schreiben Kenntnis erlangt hat. Auch die Beigeladene legt nicht näher dar, dass der Klägerin diese Schreiben zugegangen sein könnten oder sie im Bebauungsplanverfahren anderweitige Kenntnis von der erteilten Genehmigung für den Sprengstoffbunker erlangt hat. Die von der Beigeladenen erwähnte abstrakt bestehende Möglichkeit, Einsicht in die Bebauungsplanakten zu nehmen und dadurch Kenntnis von der Baugenehmigung erhalten zu können, begründet noch keine entsprechende Nachforschungspflicht.
52 
Wie sich einem in der Widerspruchsakte befindlichen Schreiben der Firma ... GmbH vom 12.11.2001 entnehmen lässt, hat ein Mitarbeiter dieser Firma sich im Zuge des Flächennutzungsplanänderungsverfahrens beteiligt und auf ein am 06.11.2001 stattgefundenes Gespräch mit dem Bürgermeister der Gemeinde ... Bezug genommen. Die dabei von den Vertretern der Firma ... unterbreiteten konkreten Änderungsvorschläge bzw. Nachfragen zum Bebauungsplan deuten darauf hin, dass diese die Planunterlagen eingesehen und sich eingehend mit ihnen auseinandergesetzt haben. Dem Anschreiben lassen sich indes keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, dass die Mitarbeiter der Firma ... dabei einen Hinweis auf die Existenz des bestehenden Bunkers und die erteilte Genehmigung erlangt haben. In Übereinstimmung hiermit hat der Zeuge ... in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, im Zuge des Bebauungsplanänderungsverfahrens in ständigem Kontakt mit Mitarbeitern der Firma ... bzw. der Klägerin gestanden zu haben; dabei seien die Belange der Klägerin auch anhand von Planauszügen erörtert worden. Auf entsprechende Nachfrage konnte der Zeuge ... jedoch bestätigen, dass Mitarbeiter der Klägerin bzw. der Firma ... oder deren Rechtsvorgängerin nicht Einsicht in die vollständigen Planunterlagen auf der Gemeindeverwaltung genommen haben.
53 
Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweiserhebungen ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin - wie von ihr vorgetragen - erstmals im April 2004 Kenntnis von der erteilten Genehmigung des Sprengstofflagers und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen erlangt hat. Der am 11.05.2004 gegen die Genehmigung eingelegte Widerspruch ist nach dem oben Gesagten rechtzeitig erfolgt, da er die Jahresfrist des §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO wahrt.
54 
1.3 Aus diesen Darlegungen folgt zugleich, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Klägerin ihr verfahrensmäßiges Recht zur Widerspruchseinlegung nicht verwirkt hat. Denn die Verwirkung dieses verfahrensmäßigen Rechts setzt jedenfalls die Erkennbarkeit der Baumaßnahmen voraus. Daneben muss nach dem oben Gesagten ein entsprechendes Umstandsmoment auf der Seite der Beigeladenen bestehen, das die verspätete Wahrnehmung des Rechts als Verstoß gegen Treue und Glauben erscheinen lässt. Letzteres bedarf hier keiner weiteren Klärung, da es bereits an der entsprechenden Erkennbarkeit der Baumaßnahmen und der dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen für die Klägerin fehlt.
55 
1.4 Entgegen der Annahme der Beigeladenen fehlt der Klägerin nicht die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.
56 
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist erforderlich, dass eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten geltend gemacht wird. Die erteilte Genehmigung muss gegen eine Norm verstoßen, die zumindest auch rechtliche Interessen der Klägerin zu schützen bestimmt ist. Ausreichend ist dabei, wenn die Verletzung der drittschützenden Norm durch den angefochtenen Verwaltungsakt möglich erscheint. Die Pflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist nach ständiger Rechtsprechung für Nachbarn drittschützend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.09.1988 - 4 N 1/87 - BVerwGE 80, 184; BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329; Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 BImSchG RdNr. 87 f.). Deren Belange müssen in einer allgemeinen Güterabwägung bei Erteilung der Genehmigung berücksichtigt werden. Nachbar im immissionsschutzrechtlichen Sinne ist, wer sich im Einwirkungsbereich der Anlage, d.h. in einem Bereich, in dem die Immissionen nach Art und Umfang einzelne Personen hervorgehoben treffen können, ständig aufhält oder Rechte an dort befindlichen Sachen inne hat (BVerwG, Urteil vom 22.10.1982 - 7 C 50.78 - NJW 1983, 1507). Der wegen der Sprengstofflager einzuhaltende Schutzabstand zu Wohngebäuden bzw. zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden überschneidet sich zum Teil mit dem Grundstücksbereich der Klägerin, auf dem bauplanungsrechtlich eine Nutzung als Sondergebiet festgesetzt ist. Bei dieser Betrachtung ist es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin danach grundsätzlich zur Überbauung des gesamten Grundstücks berechtigt wäre.
57 
Fehl geht der Einwand der Beigeladenen, wonach die Klägerin als Grundstückseigentümerin nicht klagebefugt sei, sondern allenfalls sich die Firma ... ... ... als Inhaberin der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in einer wehrfähigen Rechtsposition befinde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Bauplanungsrecht wie auch im Immissionsschutzrecht grundsätzlich der Eigentümer klagebefugt, soweit er sich auf drittschützende Normen berufen kann. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob darüber hinaus auch die Firma ... als Rechtsnachfolgerin der Firma ... ... ... als Inhaberin einer möglicherweise verletzten anderweitigen Genehmigung klagebefugt ist (vgl. zu diesem Problemkreis m.w.N. Happ in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, a.a.O., RdNr. 121 zu § 42 VwGO). Nicht zu folgen vermag der Senat auch der von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren geäußerten Auffassung, dass die Klägerin aufgrund der Vorbelastung ihres Grundstücks durch die im Jahre 1953 bzw. 1958 erteilten Genehmigungen für den Vorgängersprengstoffbunker im Gewann „... ...“ in der Ausnutzbarkeit ihrer Grundstücke der Gestalt eingeschränkt sei, dass eine eigene Rechtsverletzung auszuschließen ist. An die Möglichkeit einer Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO sind nach ständiger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215; Happ in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 93 zu § 42 VwGO - m.w.N.). Davon kann angesichts der komplexen Problematik der Auswirkungen einer etwa bestehenden Vorbelastung aufgrund der in den 60iger Jahren genehmigten Altanlage keine Rede sein.
58 
1.5 Der Klägerin steht auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse für die erhobene Anfechtungsklage gegen die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu, obwohl der Betrieb des Spanplattenwerkes im Jahre 2010 eingestellt wurde. Zum einen lässt die Einstellung des Betriebs den Bestand der für die Spanplattenfabrik erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unberührt. Denn diese erlischt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erst dann, wenn die Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben wurde. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind die Klägerin bzw. die Firma ... GmbH deshalb noch in der Lage, von der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Gebrauch zu machen. Zum anderen ergibt sich das fortbestehende Rechtsschutzinteresse der Klägerin aus den Festsetzungen des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“, der für die von dem Sicherheitsabstand überdeckten Flächen eine bauplanungsgemäße Nutzung ermöglicht. Das allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlt indes nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann; die Nutzlosigkeit muss also eindeutig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1). Danach hat die Klägerin hier ein schutzwürdiges Interesse an der verfolgten Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Sprengstoffbunker unabhängig davon, ob das genehmigte Spanplattenwerk derzeit betrieben wird.
59 
Nach alldem ist die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig.
60 
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in eigenen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens der letzten Behördenentscheidung (dazu unter 2.1). Zu diesem Zeitpunkt richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeinen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, nicht nach speziellerem Sprengstoffrecht (dazu unter 2.2). Die erteilte Genehmigung für das Sprengstofflager steht mit den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 4 BImSchG und den in diesem Zusammenhang zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht in Einklang (dazu unter 2.3). Schließlich ist der materiell-rechtliche Abwehranspruch der Klägerin gegen das Vorhaben nicht verwirkt (dazu unter 2.4).
61 
2.1 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der Erlass der letzten Behördenentscheidung, mithin des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006.
62 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Im Zweifel ist bei Anfechtungsklagen der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (im Grundsatz ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 - DVBl. 2000, 1614). Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei der hier in Rede stehenden Drittanfechtungsklage gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgeblich. Entgegen einer in der verwaltungsprozessualen Literatur weithin vertretenen Auffassung (vgl. so etwa Jörg Schmidt in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 58 zu § 113 VwGO) können die für nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen entwickelten Grundsätze nicht auf immissionsschutzrechtliche Drittanfechtungsklagen übertragen werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Baunachbarklage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung unter Ausschluss der Berücksichtigung späterer Änderungen zu Gunsten des Nachbarn, selbst vor Ergehen des Widerspruchsbescheides (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 08.11.2010 - 4 B 43.10 - BauR 2011, 499 - m.w.N.). Angesichts der andersartigen Funktion des Immissionsschutzrechts gegenüber dem Baugenehmigungsverfahren sind diese baurechtlichen Grundsätze auf das Immissionsschutzrecht nicht übertragbar (vgl. etwa VG Gießen, Urteil vom 23.07.1999 - 8 E 1215.98 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.06.2011 - OVG 10 N 39.08 - juris; ähnlich BVerwG, Beschluss vom 10.01.1991 - 7 B 102.90 - NVwZ-RR 1991, 236). Dem Immissionsschutzrecht ist die Abwehr qualitativ andersartiger und schwerer wiegender Gefahrenlagen als im Baurecht eigen. Zudem werden in § 5 BImSchG dynamische Grundpflichten statuiert, die dem Ziel dienen, den Anlagenbetreiber nicht auf die Pflichten zu beschränken, die er im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hatte. Ferner gibt es im Immissionsschutzrecht - im Gegensatz zum Baurecht - keinen Grundsatz dahingehend, dass einem Antragsteller eingeräumte Rechtspositionen trotz Rechtsänderung im Allgemeinen zu belassen oder nur gegen Entschädigung zu entziehen sind (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.05.1982 - 7 C 42.80 - BVerwGE 65, 313). Die baurechtlichen Grundsätze können daher auch dann nicht auf das Immissionsschutzrecht übertragen werden, wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit einer Anlage - wie hier - vornehmlich an baurechtlichen Normen zu prüfen ist. Abzustellen ist deshalb auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006, ohne dass danach zu differenzieren ist, ob etwaige Rechtsänderungen zu Ungunsten der Beigeladenen eingetreten sind. Dies hat insbesondere zur Konsequenz, dass nachfolgend auch das Inkrafttreten des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 zu berücksichtigen ist.
63 
2.2 Zum nach dem oben Gesagten maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums am 02.08.2006 richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeineren Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. Ziff. 9.35 - Spalte 2 - des Anhangs zur 4. BImSchV, nicht nach der spezielleren Norm des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG (in der Fassung vom 15.06.2005, BGBl. I S. 1626). Das Verhältnis zwischen der immissionsschutzrechtlichen und der sprengstoffrechtlichen Genehmigung regelt § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG a.F. nur partiell. Danach ist die sprengstoffrechtliche Genehmigung für solche Sprengstofflager subsidiär, die Bestandteil einer Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind. Es handelt sich vorliegend indes um ein selbständiges Lager und nicht um Bestandteile einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist die ungeregelte Kollision der Genehmigungsverfahren nicht entsprechend der konkurrierende Planfeststellungserfordernisse regelnden Bestimmung des § 78 Abs. 2 LVwVfG zu lösen. Danach ist die Genehmigung mit dem weitesten Prüfungsumfang vorrangig (vgl. etwa Odendahl, NVwZ 2002, 686, 687; offengelassen etwa von OVG Berlin, Beschluss vom 20.10.2000 - 2 S 9.00 - juris). Richtigerweise muss § 17 Abs. 1 Satz 3 BImSchG erst recht gelten, wenn das Lager selbst immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig ist (so etwa auch Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 13 RdNr. 6 a). Der Zuständigkeitsabgrenzung in § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass die Prüfung sprengstoffrechtlicher Gefährdungen durch die umfassendere Prüfung im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens besser erfasst wird. Dieser Auffassung entspricht auch die novellierte Fassung von § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG mit Wirkung zum 01.03.2010 (Gesetz vom 11.08.2009, BGBl. I, S. 2723). Die Änderung ist ausweislich der Gesetzesmaterialien als bloße Klarstellung zu verstehen (Gesetzentwurf zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU - BT-Drs. 16/12277, S. 11). Somit ist dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 4 BImSchG Priorität einzuräumen.
64 
2.3 Die Voraussetzungen für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 4 BImSchG lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Zwar war das vereinfachte Genehmigungsverfahren gemäß § 19 BImSchG zulässig, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. c i.V.m. Nr. 9.35 Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV sowie § 3 b Abs. 1 UVPG, Ziff. 10.1 und 10.2 Anhang I). Die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen lagen indes nicht vor. Die Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn die sich aus § 5 ergebenden Anforderungen erfüllt sind und dem nicht andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Danach - ferner auch in Folge der Konzentrationswirkung des § 13 Satz 1 BImSchG - erstreckt sich die immissionsschutzrechtliche Prüfung auch auf Normen des Sprengstoffgesetzes (dazu unter 2.3.1) und des Baugesetzbuchs (dazu unter 2.3.2).
65 
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG muss sichergestellt sein, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG müssen genehmigungsbedürftige Anlagen so errichtet und betrieben werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Aus dem Begriff der Erheblichkeit folgt, dass unzumutbare Beeinträchtigungen vermieden werden sollen. Es ist eine Abwägung von Rechtsgütern des Anlagenbetreibers einerseits und der Nachbarschaft andererseits vorzunehmen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist, soweit er die „Nachbarschaft“ vor schädlichen Umwelteinwirkungen schützt, daher eine spezielle gesetzliche Ausprägung des Rücksichtnahmegebots (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Folglich entspricht der Schutz des Nachbarn durch Bauplanungsrecht dem durch die immissionsschutzrechtlichen Normen vermittelten Schutz (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Soweit sich ein Nachbar auf sprengstoffrechtliche Vorschriften berufen kann, ist dies in gleicher Weise im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Regelungen des Baugesetzbuchs oder Sprengstoffgesetzes bedingt folglich zugleich einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.
66 
2.3.1 Die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstößt bei isolierter Betrachtung nicht gegen die Anforderungen des Sprengstoffgesetzes.
67 
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 SprengG ist eine sprengstoffrechtliche Genehmigung zu versagen, wenn keine Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Maßnahmen, getroffen werden. Was in Bezug auf die Aufbewahrung von explosionsgefährdeten Stoffen Stand der Technik ist, wird nach § 6 Abs. 2 SprengG durch den Anhang zu § 2 der 2. SprengV (i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.09.2002, BGBl. I, S. 3543) bestimmt, vgl. §§ 1, 2 Abs. 1 SprengV.
68 
Welche - für den Nachbarschutz relevanten - Schutzabstände einzuhalten sind, regelt Ziff. 2.2.2 Absatz 1 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV. Für Abstände zu Wohnbereichen und Verkehrswegen verweist die Vorschrift auf die Anlage 1 zum Anhang. Gemäß Ziff. 1.12 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV stehen Gebäude und Anlagen mit Räumen, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Personen bestimmt und geeignet sind, bewohnten Gebäuden gleich. Gemäß Ziff. 2.1 der Anlage 1 zum Anhang ist für die Lagergruppe 1.1 betreffend der Abstände zu Wohneinheiten die Formel E = 22 x M1/3 und zu Verkehrswegen die Formel E = 15 x M1/3 einzuhalten. E bezeichnet den kürzesten Abstand in Meter, M die Lagermenge in Kilogramm. Nach der ursprünglich erteilten Genehmigung dürfen in den Lagerbunkern jeweils 25 t Explosivstoffe und Gegenstände mit Explosivstoffen der Lagergruppen 1.1, 1.3 und 1.4 eingelagert werden. Da die Lagergruppe 1.1 von den genannten den größten Sicherheitsabstand erfordert, ist gemäß Ziff. 2.2.2 Abs. 4 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV die Formel für diese auf die Gesamtmasse anzuwenden. Somit ist ein Sicherheitsabstand von 643,28 m (Abstand zu Wohngebäuden) und von 438,6 m (Abstand zu Verkehrsflächen) einzuhalten.
69 
Jedoch hat die Immissionsschutzbehörde eine Ausnahme nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der 2. SprengV (a.F.) in der Genehmigung des Vorhabens zugelassen. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde auf schriftlichen Antrag Ausnahmen von den Vorschriften des Anhangs zu dieser Verordnung zulassen, wenn eine andere, ebenso wirksame Maßnahme getroffen wird. Aus der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 05.10.2005 sowie der ergänzenden Auskunft vom 24.01.2007 ergibt sich, dass Grundlage der oben genannten Formel die Annahme ist, die Druckwelle bei einer etwaigen Explosion werde sich gleichmäßig ausbreiten. Durch Seiten- und Rückwände aus Stahlbeton oder eine Erdüberschüttung der Bunker ließen sich jedoch die Auswirkungen einer Detonation vermindern. Da diese Ausführung aber nicht bei der Bemessung des gesetzlichen Schutzabstandes herangezogen wurde, könne die Formel K = 13,5 x M1/3 angewendet werden. Daraus ergibt sich ein Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden. Auf diese Formel stützt sich bereits das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.04.1995 (S. 5); zugleich wurde zu Verkehrswegen mit dem Faktor 9,2 ein Schutzabstand von 269 m errechnet. Dass die Genehmigungsbehörde sich zunächst auf § 3 Abs. 2 der 2. SprengV ( a.F.) berufen hatte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich. Denn das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung wurde ausdrücklich zum Bestandteil der Genehmigung gemacht. Diesem Gutachten lag aber bereits die genannte Formel mit einem Faktor von 13,5 zugrunde, so dass der Genehmigung die notwendigen Erwägungen für die Gestattung einer Ausnahme zugrunde liegen. Dadurch sind die nach dem Stand der Technik erforderlichen Schutzabstände zu den tatsächlich auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Gebäuden gewahrt. Die Genehmigung steht insoweit mit § 17 Abs. 1 SprengG in Einklang.
70 
2.3.2 Die Genehmigung verstößt jedoch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
71 
2.3.2.1 Welche Immissionen für Nachbarn im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zumutbar sind, ergibt sich nicht primär aus den tatsächlichen Gegebenheiten des Gebiets, sondern vor allem aus infolge von planungsrechtlichen Vorgaben möglichen Nutzungen (BVerwG, Urteil vom 22.03.1985 - 4 C 63.80 - BVerwGE 71, 150; Urteil vom 24.04.1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143; BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246). Unzumutbar und damit erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind die Immissionen und sonstigen Gefahren, die mit den für den Einwirkungsort geltenden nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans unvereinbar sind. Mit dem Inkrafttreten des maßgeblichen Bebauungsplans erlangen die Eigentümer der Grundstücke im Plangebiet eine Position, aufgrund derer sie darauf vertrauen können, dass eine nachfolgende heranrückende bauliche Nutzung auf Nachbargrundstücken auf die nach dem Bebauungsplan einmal gegebene Nutzbarkeit ihrer Grundstücke Rücksicht nehmen muss. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Grundstücke später tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut und genutzt werden, oder ob für die Bebauung und Nutzungen Ausnahmen und Befreiungen erteilt worden sind, denn der Eigentümer eines Grundstücks in einem festgesetzten Bebauungsplangebiet kann allgemein darauf vertrauen, dass spätere Planungen und Baugenehmigungserteilungen die erforderliche Rücksicht auf das - insgesamt schutzbedürftige und schutzwürdige - festgesetzte Baugebiet nehmen werden. Mit der Anerkennung des Bebauungsplans als normative Bestimmung der Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft im Einwirkungsbereich emittierender Anlagen gewährleistet das Immissionsschutzrecht, dass der Bebauungsplan die ihm in § 1 BauGB zugedachte Aufgabe erfüllen kann, eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu erreichen und dauerhaft zu sichern. Würde das Immissionsschutzrecht die Schutzwürdigkeit im Regelfall nach der tatsächlichen baulichen Nutzung bestimmen, stünde dies im Widerspruch zu den Zielen des Baugesetzbuchs (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Entscheidend ist deshalb, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 Festsetzungen von Bebauungsplänen verletzt. Da nach dem oben Gesagten maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Drittanfechtungsklage der der letzten Verwaltungsentscheidung ist, kommt es - soweit dieser wirksam ist - auf den am 20.05.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ an.
72 
2.3.2.2 Der Bebauungsplan setzt für das Grundstück der Klägerin ein Sondergebiet (SO1) im Sinne von § 9 a BauGB, § 11 Abs. 2 BauNVO fest. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB wurden zudem in dem der B... nächstgelegenen Teil A die Nutzung „Silos für Sägespäne“, im Teil B „Spanplattenwerk Lagerhaltung, Veredelung (einschließlich Schleifen), Vertrieb und Verwaltung“ und im Übrigen „Spanplattenwerk Lagerflächen, einschließlich Hacker- und Förderanlagen, Lkw-Parkplatz-Anlage, einschließlich Waage und Gebäude mit Sanitär- und Aufenthaltsräumen, Pförtnerloge“ festgesetzt. Der sprengstoffrechtlich erforderliche Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden verhindert jedenfalls die nach dem Bebauungsplan zulässige Nutzung des Grundstücksteils B für Vertrieb und Verwaltung, soweit ständige Arbeitsplätze eingerichtet werden sollen. Wie sich der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.01.2007 entnehmen lässt, ist nach der Auffassung der Fachbehörde auch eine bebauungsplangerechte Nutzung des als Teil A bezeichneten Geländes erheblich eingeschränkt.
73 
Der Umfang der zulässigen Bebauung wird durch den Hinweis unter C. Ziff. 7 im Bebauungsplan nicht eingeschränkt. Denn rechtsverbindliche Wirkung haben lediglich Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB, wohingegen der Begründung des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 8 BauGB) kein Satzungscharakter zukommt (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 97. Ergänzungslieferung 2010, § 9 RdNr. 6). Während die Festsetzungen die zulässigen Vorhaben rechtsverbindlich einschränken und konkretisieren, dient die Begründung lediglich der Erläuterung und der Überprüfbarkeit des Abwägungsprozesses. Der Hinweis enthält jedoch keine Regelung zur Umschreibung der zulässigen Bauvorhaben. Er verweist lediglich auf Beschränkungen, die sich aus Umständen ergeben, welche außerhalb des Bebauungsplans liegen. Der Hinweis steht daher der Erläuterung und Begründung näher. Die Begründung kann aber nicht die rechtsverbindlichen Bebauungsplanfestsetzungen aushebeln. Folglich schränkt die Genehmigung des Sprengstofflagers die grundsätzlich zulässige Nutzung des Grundstücks der Klägerin ein.
74 
2.3.2.3 Der maßgebliche Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 ist wirksam; er verstößt weder gegen das Gebot der Erforderlichkeit der Planung noch gegen das Abwägungsgebot.
75 
Der Bebauungsplan ist nicht wegen Verstoßes gegen das in § 1 Abs. 3 BauGB normierte Gebot der Erforderlichkeit nichtig. Die Gemeinde darf keinen Bebauungsplan aufstellen, der aus Rechtsgründen nicht vollzugsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Davon ist auszugehen, wenn die Realisierung des Bebauungsplans zwangsläufig an rechtlichen Hindernissen scheitern müsste. Demgegenüber ist der Bebauungsplan vollzugsfähig und wirksam, wenn die Konflikte durch angemessene Auflagen oder sonstige Beschränkungen überwunden werden können. Die Festsetzung des Gebiets scheitert nicht in ihrer Gesamtheit. Lediglich ein Teilabschnitt der Fläche, die als Sondergebiet ausgewiesen ist, kann nicht wie im Bebauungsplan vorgesehen ausgenutzt werden. Es handelt sich somit um eine Beschränkung und nicht um eine Aufhebung der Vollzugsfähigkeit. Daher bleibt die Festsetzung im Bebauungsplan erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB.
76 
Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Dies wäre der Fall, wenn im Rahmen der planerischen Abwägung die Schutzwürdigkeit der auf dem Grundstück der Klägerin zulässigen Bebauung verkannt und damit falsch beurteilt worden ist. Die Schutzabstände des Sprengstofflagers waren auch dann zu berücksichtigen, wenn dessen Genehmigung rechtswidrig erfolgt sein sollte. Denn für die Bauleitplanung sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich (vgl. Söfker, a.a.O., § 1 RdNr. 193). Die Unvereinbarkeit von zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden im Gebiet SO1 und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Beigeladenen wurde zwar im Bebauungsplanverfahren behandelt. Dieser Umstand hat jedoch in den rechtsverbindlichen Festsetzungen keinen Eingang gefunden. Die Konfliktlage spiegelt sich nicht im Abwägungsergebnis wieder.
77 
Es ist jedoch in Grenzen zulässig, die Lösung von Konflikten nachfolgenden Genehmigungsverfahren zu überlassen (Konfliktverlagerung). Die planende Gemeinde darf auf eine abschließende Konfliktlösung im Bebauungsplan verzichten, wenn diese außerhalb des Planverfahrens im Rahmen der Verwirklichung der Planung sichergestellt und zu erwarten ist. Dafür muss jedoch eine sachgerechte Konfliktlösung durch die Behörde hinreichend sicher abschätzbar sein. Bleibt das Problem zu Lasten des Betroffenen ungelöst, ist das Gebot der umfassenden Konfliktlösung verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.03.1988 - 4 C 56.84 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30; Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - BVerwGE 69, 30). Dem liegt zugrunde, dass eine Überfrachtung des Bebauungsplans vermieden werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - a.a.O.). Wie sich aus dem vorgenannten Hinweis C im Bebauungsplan ergibt, ging die Gemeinde ... aufgrund der Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamts ... per E-Mail vom 26.04.2004 davon aus, dass dem Schutzabstand uneingeschränkt Vorrang einzuräumen ist. Dieser sei sodann im Genehmigungsverfahren wegen § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu berücksichtigen. Folglich durfte die Gemeinde damit rechnen, dass der Konflikt sachgemäß im Genehmigungsverfahren zu lösen ist. Ferner hat die Gemeinde durch den Verzicht auf die Festsetzung eines Schutzabstands dem Vertrauensschutz der Klägerin Rechnung getragen. Zwar besteht kein Anspruch auf Aufstellung und Bewahrung eines Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB); jedoch hat die vorherige Überplanung der Grundstücke durch den Bebauungsplan von 1983 in den Abwägungsvorgang nach § 1 Abs. 7 BauGB Eingang zu finden. Der Bebauungsplan ist somit nicht wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot unwirksam.
78 
2.3.2.4 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Beklagten werden die durch den Bebauungsplan eingeräumten Rechte zu Gunsten der Klägerin nicht infolge einer Vorbelastung ihres Grundstücks eingeschränkt. Der im Gesetz unerwähnte Begriff der Vorbelastung wurde zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der unzumutbaren Beeinträchtigung entwickelt (BVerwG, Urteil vom 21.05.1976 - IV C 80.74 - BVerwGE 51, 15). Aufgrund bestehender Umwelteinflüsse kann sich das Maß des für Nachbarn Zumutbaren verändern. Vorliegend könnte daran gedacht werden, dass das Grundstück der Klägerin schon immer mit den Schutzabständen zu den Sprengstoffbunkern belastet war. Wie die Beigeladene im Widerspruchsverfahren darlegte, betrieb sie in der Vergangenheit auf der Grundlage von Gestattungen aus dem Jahre 1953 bzw. 1957 ein Sprengstofflager im Gewann „... ...“, welches ebenfalls mit erheblichen Abstandsanforderungen verbunden gewesen sein dürfte. Somit dürfte die Ausnutzbarkeit des Grundstücks der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vorgängerbebauungsplanes aus dem Jahre 1983 eingeschränkt gewesen sein.
79 
Selbst wenn der Bebauungsplan im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der zu dem ehemaligen Sprengstofflager einzuhaltenden Abstände an einem Abwägungsfehler litte, wäre dieser jedoch unbeachtlich. Nach § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB finden die derzeit geltenden Vorschriften zur Planerhaltung grundsätzlich rückwirkend auf Bebauungspläne Anwendung, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. BBauG in Kraft getreten sind. Darüber hinaus sind gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden. Daraus folgt, dass insbesondere bei Abwägungsmängeln nicht nur die §§ 214, 215 BauGB in ihrer derzeitigen Fassungen gelten, sondern dass frühere Regelungen fortgelten.
80 
Maßgeblich für die vor dem Inkrafttreten des Baugesetzbuches zum 01.07.1987 bekannt gemachten Bebauungspläne bleibt daher die Überleitungsvorschrift des § 244 Abs. 2 BauGB 1978 (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.1998 - 4 BN 50.98 - Buchholz 406.11 § 244 BauGB Nr. 3). Nach dieser Vorschrift sind Mängel der Abwägung von Flächennutzungsplänen und Satzungen, die vor dem 01.07.1987 bekannt gemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren nach dem 01.07.1987 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, wobei der Sachverhalt, der die Mängel begründen soll, darzulegen ist. Dem steht nicht entgegen, dass § 244 Abs. 2 BauGB 1987 durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG - gestrichen wurde. Die Aufhebung der Vorschrift erfolgte, da sie nach Auffassung des Gesetzgebers ihren Zweck erfüllt hatte. Der Geltungsanspruch der Vorschrift sollte nicht rückwirkend entfallen. Dies ergibt sich im Übrigen aus § 233 Abs. 3 BauGB, wonach auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. des BBauG wirksame oder übergeleitete Pläne, Satzungen und Entscheidungen fortgelten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1999 - 8 S 1625/99 - VBlBW 2000, 394). Für den vor dem 01.07.1987 bekanntgemachten Bebauungsplan „...-...“ sind danach nur Abwägungsmängel beachtlich, die vor dem 01.07.1994 geltend gemacht worden sind. Da die von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren behauptete Nichtberücksichtigung der Sicherheitsabstände zu dem ehemaligen Sprengstofflager bisher nicht gegenüber der planenden Gemeinde geltend gemacht worden ist, wäre ein entsprechender Abwägungsmangel gemäß § 244 Abs. 2 BauGB a.F. i.V.m. § 233 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BauGB unbeachtlich und würde nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führen.
81 
Unabhängig hiervon war zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Vorbelastung durch etwa einzuhaltende Sicherheitsabstände zum ehemaligen Sprengstofflager im Gewann „... ...“ entfallen. Denn dessen Genehmigung erlosch gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, weil die Vorgängeranlage nach Verlegung an den heutigen Standort für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben worden war.
82 
2.4 Nach dem oben unter 1.2 Ausgeführten scheidet hier die materiell-rechtliche Verwirkung des nachbarschützenden Abwehranspruchs gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG aus (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - a.a.O.). Dieses Rechtsinstitut setzt neben einem Zeitablauf seit der Entstehung des Rechts voraus, dass besondere Umstände die Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Eine materiell-rechtliche Verwirkung scheidet hier bereits deshalb aus, weil nach dem oben Gesagten die Klägerin auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt keine Kenntnis von dem Bauvorhaben und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen hat erlangen müssen.
83 
Nach alldem hat die Berufung der Klägerin auch in der Sache Erfolg.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
85 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Insbesondere ist in der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallübergreifend abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen sich ein Nachbar in Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO so behandeln lassen muss, als ob ihm eine Genehmigung zugestellt worden wäre.

Gründe

 
31 
Die von dem Senat wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zugelassene Berufung der Klägerin ist innerhalb der bis zum 08.03.2010 verlängerten Frist begründet worden (§ 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 VwGO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat darüber hinaus in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die Klage zulässig (dazu unter 1.) und begründet (dazu unter 2.).
32 
1.1 Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 nicht bereits deshalb in Bestandskraft erwachsen ist, weil erstmals am 11.05.2004 hiergegen Widerspruch eingelegt wurde und deshalb die Frist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht gewahrt ist. Die streitgegenständliche Genehmigung wurde im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt, so dass eine förmliche Zustellung gemäß § 10 Abs. 7 BImSchG an Dritte und eine anderweitige förmliche Bekanntgabe der Genehmigung durch die Behörde an die Klägerin unterblieben ist. Demzufolge wurde die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO nicht in Gang gesetzt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass im Jahre 1995 eine Bekanntgabe der Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erfolgte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Bekanntgabe einer Baugenehmigung - nichts anderes gilt für eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung - an den Bauherrn als ihren Adressaten nicht zugleich die Rechtsbehelfsfristen auch für den Nachbarn als beteiligten Nichtadressaten in Lauf (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 14.02.1969 - IV C 82.66 - DVBl. 1969, 362; sowie Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294). Zu Recht weist die Klägerin im Übrigen darauf hin, dass die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Sinne von § 41 LVwVfG den Willen der Behörde voraussetzt, den Bescheid dem Bekanntgabeadressaten zur Kenntnis zu bringen; zufällige Kenntnisnahme, etwa der Nachbarn auf Grund Information seitens des Bauherrn, reicht regelmäßig nicht aus (vgl. hierzu Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., RdNr. 4 zu § 70 VwGO). Daher stellt auch das Schreiben der Gemeinde ... an die Klägerin vom 19.04.2004 keine Bekanntgabe der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung dar.
33 
1.2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts führt auch der den Bestimmungen der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO zu entnehmende Rechtsgedanke hier nicht zur Bestandskraft der angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.
34 
1.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Widerspruchsfrist regelmäßig nach den Vorschriften der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182). Die vom Bundesverwaltungsgericht ursprünglich für das Baurecht bei unmittelbar benachbarten Grundstücken entwickelten Grundsätze werden aus dem zwischen Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist, hergeleitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.). Dieses verpflichtet den Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen möglichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten; der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat.
35 
Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nahe beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass diese Grundsätze für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gleichermaßen Geltung beanspruchen, da auch das Immissionsschutzrecht von einem Raumbezug geprägt ist und die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 13 Satz 1 BImSchG im Rahmen der materiellen Konzentrationswirkung die Baugenehmigung ersetzt.
36 
Nach dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO ist der Nachbar regelmäßig so zu behandeln, als ob ihm die Genehmigung ohne Rechtsbehelfsbelehrung amtlich bekannt gemacht worden wäre. Es läuft daher grundsätzlich eine Widerspruchsfrist von einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Nachbar sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87). Maßgeblich ist dabei nicht das Erkennen, sondern die Erkennbarkeit der Genehmigung bzw. der hierdurch verursachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und dem Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Kenntnisnahme ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen hat (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - juris).
37 
1.2.2 Zutreffend weist die Klägerin aber darauf hin, dass sich die Kenntnis bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beziehen muss, sondern es auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn ankommt. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht in entscheidungstragender Weise unter Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München (Urteil vom 06.10.2005 - M 11 K 04.2630 - juris) davon aus, dass allein auf die Kenntnisnahme bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Baugenehmigung abzustellen ist, unabhängig davon, ob der Nachbar seine nachteilige Beeinträchtigung bei Ausnutzung der Genehmigung erkannt hat oder diese hätte erkennen müssen. Dies ergibt sich bereits mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Wortlaut der herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, daneben aber auch aus den Ableitungszusammenhängen der oben dargestellten Rechtsprechung.
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So hebt das Bundesverwaltungsgericht in seinem grundlegenden Urteil vom 25.01.1974 (IV C 2.72 - a.a.O. - RdNr. 24 des Urteilsabdrucks bei juris) ausdrücklich auf ein Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen durch den Nachbarn ab. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind. Dafür spricht auch das Leitbild des § 58 Abs. 2 VwGO, da dem Nachbarn im dort ausdrücklich geregelten Fall die Baugenehmigung wegen der erfolgten Bekanntgabe vorliegt, wenn auch ohne die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung. Fehl geht die vom Verwaltungsgericht angestellte Erwägung, dass der Nachbar bei Bekanntgabe der Genehmigung ebenfalls innerhalb der Jahresfrist Widerspruch einlegen muss, auch wenn er seine subjektive Beeinträchtigung daraus nicht erkennen kann. Das Verwaltungsgericht übersieht dabei, dass die Position des Nachbarn bei Bekanntgabe der Genehmigung deutlich besser als im hier in Rede stehenden Fall ist. Zum einen ist bereits die bloße förmliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mit einer gewissen Warnfunktion verbunden und gibt dem Mitteilungsempfänger Anlass, sich über eine hierdurch etwa ausgelöste nachteilige Betroffenheit zu informieren. Zum anderen kann - wie gerade auch der Inhalt der hier erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zeigt - der Nachbar aus der Begründung regelmäßig ohne großen Aufwand seine potentielle Beeinträchtigung unschwer erkennen.
39 
Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht erforderlich, dass der Nachbar die negative Beeinträchtigung tatsächlich erkannt hat; es genügt ebenfalls das „Kennenmüssen“. Davon ist zum einen auszugehen, wenn sich das Vorliegen der Genehmigung (einschließlich der subjektiven Beeinträchtigung) aufdrängt. Ferner ist ausreichend, wenn es dem Nachbarn möglich und zumutbar war, sich über diese Umstände Gewissheit zu verschaffen, etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder der Behörde (vgl. näher Dolde/Porsch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Ergänzungslieferung April 2006, RdNr. 21 zu § 70 VwGO). Der Umfang der einem Nachbarn obliegenden Sorgfaltsanforderungen lässt sich dabei nicht abstrakt ermitteln. Insbesondere lässt sich ein Maßstab für die Ermittlungspflichten des Nachbarn nicht den Bestimmungen der §§ 58 Abs. 2, 70 VwGO entnehmen. Zwar läuft einerseits bei einer Bekanntgabe ohne Rechtsbehelfsbelehrung (d.h. bei Kenntnis von der Beeinträchtigung) eine Rechtsmittelfrist von einem Jahr, während andererseits dem Nachbarn trotz fehlender Kenntnis von der subjektiven Beeinträchtigung ebenfalls eine Jahresfrist eingeräumt und zudem die Erkundigung und Ermittlung vorausgesetzt wird. Dies gebietet es jedoch nicht zwingend, die Anforderungen an die Ermittlungspflicht generell gering anzusetzen. Denn die Einjahresfrist markiert im Rechtsbehelfsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit grundsätzlich - abgesehen von Unmöglichkeit der Rechtsbehelfseinlegung - eine absolute Grenze, vgl. §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3, 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Somit kann dieser Zeitraum in jedem Fall sachgerecht auf Drittwidersprüche übertragen werden. Da die Verwaltungsgerichtsordnung den Fall des Nachbarwiderspruchs nicht regelt, muss es vielmehr maßgeblich auf die Herleitung der Rechtsgrundsätze aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis ankommen. Daraus folgt, dass auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen ist und sich der Umfang der Treuepflicht nach den jeweiligen rechtlichen und tatsächlichen Umständen richtet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28.08.1987 - 4 N 3.86 - a.a.O.; sowie vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Wann ein Nachbar Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, hängt deshalb allein von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und ist aufgrund einer umfassenden Sachverhaltswürdigung zu beurteilen. Dabei ist maßgeblich auf die Sicht des Nachbarn abzuheben, lediglich untergeordnet kann auf die Interessen des Bauherrn abgestellt werden. Eine Ermittlungspflicht des Nachbarn besteht etwa, wenn sich eine Beeinträchtigung anhand des sichtbaren Baugeschehens aufdrängt. Ferner besteht eine Ermittlungspflicht, wenn eine Beeinträchtigung des Nachbarn aufgrund der Nutzung des eigenen Grundstücks wahrscheinlich ist. Je einfacher Informationen über das Bauvorhaben zugänglich sind, desto eher ist dem Nachbarn die Erkundigung zuzumuten. So hat die Rechtsprechung es teilweise ausreichen lassen, dass der Nachbar durch eine Mitteilung über die Erteilung der Baugenehmigung und den sichtbaren Beginn der Bauarbeiten Kenntnis über einen möglichen Eingriff in die zu schützende Rechtspositionen erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C.89 - a.a.O.). Auch bei deutlich wahrnehmbaren Bauarbeiten solle es Anlass geben, der Frage nach der eigenen Beeinträchtigung nachzugehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10 B 10.05 - a.a.O; ebenso OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - LKV 2001, 466).
41 
1.2.3 Entgegen der Auffassung der Berufung ist für den Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, außer der Untätigkeit des Nachbarn kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich; unerheblich ist mithin, ob der Bauherr ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und dieses schutzwürdig ist. Hierfür spricht bereits, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - anders als in der Kommentarliteratur häufig behauptet - streng zwischen dem Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen auf der einen Seite und der Verwirkung des Widerspruchsrechts oder gar des materiellen Abwehranspruchs auf der andern Seite unterscheidet (so ausdrücklich bereits BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; ferner Beschluss vom 18.03.1988 - 4 B 50.88 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 77; Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.).
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Der Verlust des verfahrensmäßigen Rechts aufgrund von Zeitablauf und die Verwirkung des Widerspruchsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit des Widerspruchs), auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen. So kommt eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nach den Umständen des Einzelfalles auch bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Betracht; eine Verwirkung hat jedoch zusätzlich zur Voraussetzung, dass der Genehmigungsempfänger aus aktivem Tun des Nachbarn oder einer ihm gleichzusetzenden Duldung auf dessen Einverständnis schließen kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989 - 4 B 28.89 - a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin können diese vom Bundesverwaltungsgericht für die Verwirkung aufgestellten zusätzlichen Anforderungen an die Vertrauensbetätigung des Bauherrn nicht auf die hier in Rede stehende Problematik der entsprechenden Anwendung von §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO übertragen werden. Gegenteiliges kann insbesondere nicht dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.05.1991 (4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182) entnommen werden; die von der Klägerin herangezogenen Passagen des Urteils beziehen sich nach ihrer systematischen Stellung eindeutig auf die Verwirkung des materiellen nachbarlichen Abwehrrechts. Die Auffassung der Klägerin beruht auf einer Vermischung der Voraussetzungen für Verlust des Widerspruchsrechts allein aufgrund von Zeitablauf in entsprechender Anwendung von §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO und den Voraussetzungen für eine Verwirkung entweder des verfahrensmäßigen Widerspruchsrechts oder des nachbarlichen Abwehranspruchs. Sie hätte darüber hinaus zur Folge, dass es kaum jemals zum Verlust des Widerspruchsrechts des Nachbarn kommen könnte. Denn die Berufung will dem Nachbarn in entsprechender Anwendung von § 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsmöglichkeit binnen Jahresfrist ab Erkennbarkeit der Baumaßnahmen einräumen und fordert darüber hinaus, dass der Bauherr gerade aufgrund der Untätigkeit des Nachbarn ein entsprechendes Vertrauen in den Bestand der Baugenehmigung entwickelt und auch betätigt hat, mithin die Untätigkeit des Nachbarn kausal für den Baufortschritt sein muss. Wie jedoch der vorliegende Fall zeigt, kann binnen eines Jahres auch ein umfangreiches Bauvorhaben fertiggestellt sein.
43 
1.2.4 Bei Anwendung dieser Grundsätze ist der Widerspruch der Klägerin nicht verfristet. Es steht aufgrund der durchgeführten Beweiserhebungen durch Einnahme eines Augenscheins sowie durch Zeugenvernehmung des Bürgermeisters der Gemeinde ... fest, dass die Klägerin erstmals im April 2004 Kenntnis von der Beeinträchtigung durch das genehmigte Sprengstofflager erlangt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen musste die Klägerin auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt im oben dargestellten Sinne nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der erteilten Genehmigung und der durch ihre Ausnutzung eintretenden Beeinträchtigungen erlangen.
44 
1.2.4.1 Fehl geht die Auffassung der Beigeladenen, dass die Klägerin bereits vor Beginn der Baumaßnahmen im Jahre 1995 Kenntnis von der geplanten Errichtung der Bunkeranlage erlangt habe bzw. hätte erlangen müssen. Wie oben näher dargestellt, setzt die zeitliche Beschränkung des Widerspruchsrechts nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ebenso wie die verfahrensrechtliche Verwirkung voraus, dass zuvor eine Genehmigung erteilt worden ist. Die maßgebliche Jahresfrist kann deshalb erst mit Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung an die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen am 10.08.1995 zu laufen beginnen. Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage einer Kenntniserlangung der Klägerin bereits im Jahre 1993 unter Hinweis auf einen Aktenvermerk des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 23.09.1993 stellt sich deshalb nicht. Im Übrigen weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass sich diesem Aktenvermerk (Anlage A 9 zum Schriftsatz der Beigeladenen vom 31.08.2005 im Widerspruchsverfahren) keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass Vertreter oder Mitarbeiter der Klägerin an der maßgeblichen Besprechung teilgenommen haben. Aus zeitlichen Gründen kann auch nicht auf die Veröffentlichung im gemeinsamen Mitteilungsblatt der Gemeinden ... und ... vom 16.06.1995 abgehoben werden, in der unter Ziff. 13 auf eine Sitzung des Technischen Ausschusses in ... zur Behandlung eines Antrags auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung eines Sprengstoffbunkers auf den maßgeblichen Flurstücken ... und ... im Gewann ... hingewiesen wurde. Auch diese Sitzung fand zu einem Zeitpunkt statt, als die Genehmigung noch nicht erteilt war und noch nicht über die Genehmigungsvoraussetzungen entschieden worden ist. Allenfalls bot diese amtliche Mitteilung im Zusammenhang mit weiteren tatsächlichen Gesichtspunkten Anlass, sich bei der veröffentlichenden Gemeinde oder der zuständigen Immissionsschutzbehörde über den weiteren Verlauf des Verfahrens und eine etwa in der Erteilung befindliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erkundigen (vgl. zur Relevanz von Pressemitteilungen auch OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 28.01.2000 - 3 B 67/99 - a.a.O.). Dies setzt jedoch voraus, dass die Klägerin aufgrund tatsächlicher Wahrnehmung von Baumaßnahmen Anlass gehabt hätte, weitergehende Erkundigungen zu einer etwa erteilten Genehmigung und deren Umfang anzustellen.
45 
1.2.4.2 Aufgrund der durchgeführten Beweiserhebung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin auch nicht mit Baubeginn des Bunkers im November 1995 von der erteilten Genehmigung und deren Auswirkungen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Bei der nach dem oben Gesagten anzustellenden umfassenden Sachverhaltswürdigung ist aus der Sphäre des Bauherrn in erster Linie die Wahrnehmbarkeit des Baugeschehens zu berücksichtigen. Die Grundstücke der Klägerin und der Beigeladenen befinden sich nicht in unmittelbarer Nachbarschaft; sie sind durch die B ... und eine Ansammlung von Laubbäumen voneinander getrennt. Aufgrund des in der mündlichen Verhandlung am 15.11.2011 durchgeführten Augenscheins steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bereits zu Beginn der Baumaßnahmen in der 48. Kalenderwoche des Jahres 1995 nur eine sehr eingeschränkte Sichtverbindung zwischen dem Grundstück der Klägerin und dem Baugrundstück der Beigeladenen bestand, so dass die eigentlichen Baumaßnahmen und der Baufortschritt nicht zu erkennen waren. Wie im Termin am 15.11.2011 festgestellt und zwischen den Beteiligten im Einzelnen nicht mehr umstritten, bestand von der Geländeoberfläche des Grundstücks der Klägerin zum Zeitpunkt des Augenscheins keine Sichtbeziehung zum auf dem Grundstück der Beigeladenen errichteten Sprengstoffbunker. Selbst in direkter Blickrichtung vom Betriebsgelände der Klägerin in Richtung Westen war der Sprengstoffbunker nicht zu sehen, da die dazwischenliegenden Grundstücke jenseits der Bundesstraße mit hochstämmigen Streuobstbäumen sowie mit Büschen bepflanzt sind; die Streuobstbäume und Büsche waren zu diesem Zeitpunkt nur noch gering belaubt. Diese Sichtbeziehungen waren auch zum maßgeblichen Zeitpunkt im November 1995 nicht wesentlich anders. Zwar weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Streuobstbäume zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihre heutige Höhe erreicht haben dürften. Angesichts des Alters dieser Bäume von mehreren Jahrzehnten kann jedoch von ähnlichen Sichtverhältnissen ausgegangen werden, zumal die Sichtbeeinträchtigung bereits durch die Vielzahl der Baumstämme und nicht durch die konkrete Höhe der Bäume bedingt war. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Bundesstraße ... in ihrer heutigen Gestalt erst nach dem maßgeblichen Zeitpunkt im Jahre 1995 fertiggestellt wurde. Zum einen ist die erst später vierspurig ausgebaute Bundesstraße auch im Herbst 1995 bereits in Dammlage verlaufen. Dies lässt sich etwa den vom Regierungspräsidium im Widerspruchsverfahren eingeholten Querschnitten der Straßenbauverwaltung und den vom Senat beigezogenen Planfeststellungsakten entnehmen. Im Übrigen lässt sich die damalige Straßenführung auch anhand des von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 21.11.2005 vorgelegten Lichtbildes Nr. 4 nachvollziehen. Unabhängig hiervon ist die konkrete Trassenlage der B ... und die Frage einer Führung in Dammlage für die Sichtbeziehungen nicht erheblich, da der Sprengstoffbunker bei dem Augenschein selbst von dem Höhenniveau der Bundesstraße aus nicht zu erkennen war.
46 
Aufgrund des bei dem Augenschein gewonnenen Eindruckes und der von der Beigeladenen vorgelegten Lichtbilder steht deshalb fest, dass während der einjährigen Bauphase im wesentlichen lediglich der auf dem Grundstück der Beigeladenen aufstehende Kran zu sehen gewesen ist. Ferner spricht vieles dafür, dass vom Grundstück der Klägerin aus der Anfahrtsverkehr zur Baustelle, insbesondere die Anlieferung von Beton, wahrnehmbar war. Wie die Beigeladene unwidersprochen vorträgt, wurden auf dem dem Grundstück der Klägerin zugewandten ... Weg insgesamt 130 Fahrten mit Betonmischfahrzeugen abgewickelt; diese dürften vom Grundstück der Klägerin aus - wenn auch nur eingeschränkt - wahrnehmbar gewesen sein. Diese während der Bauphase bestehenden Beobachtungsmöglichkeiten führen entgegen der Auffassung der Widerspruchsbehörde und der Beigeladenen nicht dazu, von einer fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin auszugehen. Zum einen ist die Anstoßwirkung dieser Maßnahmen hier aufgrund der konkreten topographischen Verhältnisse bereits deshalb erheblich reduziert, weil vom Grundstück der Klägerin aus gesehen nicht auszuschließen war, dass der Kran und der Baustellenverkehr von einer etwaigen Baustelle im südwestlich gelegenen Industriegebiet von ... herrührten. Zum anderen lassen sich aus den genannten Umständen nicht ausreichende Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung der Klägerin entnehmen. Die Masse des angelieferten Betons und die einjährige Benutzung eines üblichen Baukrans deuten allerdings auf ein ungewöhnlich großes Bauvorhaben hin. Da sich das Baugrundstück zudem im Außenbereich befindet, war es aus Sicht des Nachbarn naheliegend, dass ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 BauGB mit potenziell weitgehenden Beeinträchtigungen der Nachbarschaft errichtet wird. All diese Umstände geboten jedoch auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt für die Klägerin nicht den Schluss, dass ein immissionsschutzrechtlich genehmigter Sprengstoffbunker mit mehreren 100 Meter weit reichenden Abstandserfordernissen errichtet wurde. Je weniger ein Vorhaben dem üblichen Erwartungshorizont entspricht, d.h. je exotischer der verfolgte Nutzungszweck ist und je ungewöhnlicher das Ausmaß der Abstandsanforderungen an die Nachbarschaft sind, um so höher sind die Anforderungen an die Annahme anzusetzen, der von dem Vorhaben Betroffene müsste sich gleichwohl von sich aus die Kenntnis von der Natur des Vorhabens verschaffen. Von daher liegt es ungeachtet der grundsätzlichen Zulässigkeit der Genehmigungserteilung im vereinfachten Verfahren im wohlverstandenen eigenen Interesse der Genehmigungsbehörde und des Vorhabenträgers zur Vermeidung etwaiger - wie hier - erst viel später auftretender Konflikte um die Bestandskraft der Genehmigung jedenfalls die erkennbar unmittelbar betroffene Nachbarschaft über das Vorhaben zu informieren. Dem entspricht auf Seiten der Nachbarschaft eine gewisse berechtigte Erwartung einer wenigstens formlosen Unterrichtung über ein solches Vorhaben. Deshalb durfte die Klägerin gerade auch aufgrund des Umstandes, dass sie im Genehmigungsverfahren weder förmlich beteiligt noch angehört wurde, davon ausgehen, dass etwa wahrgenommene Baumaßnahmen sie nicht in eigenen Belangen tangieren können.
47 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Errichtung des Sprengstoffbunkers jedenfalls von den höher gelegenen Betriebseinrichtungen auf dem Grundstück der Klägerin zu erkennen gewesen sein dürfte. Zum Zeitpunkt der Augenscheinseinnahme im Jahre 2011 war der Bunker ab einem Höhenniveau von etwa 15 m zu erkennen; zur Zeit der Errichtung dürfte die Erkennbarkeit eher noch besser gewesen sein. Zwar bestand nach dem Vortrag der Klägerin eine vergleichbare Möglichkeit zur Begehung von Betriebseinrichtungen auch bereits im Jahre 1995. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, der mit der allgemeinen Lebenserfahrung in Einklang steht, werden derartige hochgelegenen Betriebseinrichtungen jedoch lediglich in größeren Intervallen von untergeordnetem technischen Personal betreten, woraus keine Erkenntnismöglichkeit für die maßgeblichen Bediensteten und insbesondere die vertretungsberechtigten Organe der Klägerin hergeleitet werden kann.
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1.2.4.3 Aus ähnlichen Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin auch nicht mit Beginn des Betriebs des Sprengstofflagers im Herbst 1996 Kenntnis von der Genehmigung erlangt hat bzw. diese hätte erlangen müssen. Zwar wurden die Aufschüttungen der Bunkerwände erst im November 1996 besät, so dass bei Aufnahme des Betriebs die später gewachsene Begrünung die Sicht auf den Bunker wohl noch nicht verdeckt haben dürfte und die hellen Bunkerwände deutlicher als zum Zeitpunkt des Augenscheins in Erscheinung getreten sind. Zudem liefern nach dem Vortrag der Beigeladenen rote bzw. orangefarbene Lastwagen die eingelagerten Sprengstoffe mit jährlich ca. 200 An- und Abfahrten an. Da aber die vorhandenen Bauten maximal eine Höhe von ca. 5 m erreichen, sind die Anhaltspunkte für eine subjektive Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter aus Sicht der Klägerin geringer als während der Bauphase. Auch verläuft der für die An- und Abfahrten genutzte ... Weg vom Grundstück der Klägerin aus gesehen weitgehend verdeckt durch die Bäume der Streuobstwiese bzw. durch die in Dammlage geführte B ... Daraus folgt, dass für den Betrieb des Sprengstofflagers erst recht nicht von der Kenntnis der Klägerin ausgegangen werden kann, wenn das Kennenmüssen für die Bauphase wie oben verneint wird.
49 
1.2.4.4 Zu Unrecht geht die Beigeladene davon aus, dass die Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung im Planfeststellungsverfahren zur Erweiterung der B ... Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bzw. dem Sprengstofflager erlangt hat. Den vom Senat beigezogenen Akten des Regierungspräsidiums Karlsruhe zum ergänzenden Planfeststellungsverfahren über den vierspurigen Ausbau der B ... zwischen ... und dem Anschluss an die BAB 5 lassen sich keinerlei Anhaltspunkte für die Behauptung der Beigeladenen entnehmen, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang Kenntnis von dem neuen Standort des Bunkers erlangt haben könnte. Ausweislich der Planfeststellungsakten kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin aktiv am Verfahren beteiligt oder Einsicht in die entsprechenden Unterlagen genommen hat. Im Übrigen lässt sich den Planfeststellungsakten lediglich entnehmen, dass die neu geplante Trassenführung Flächen des ursprünglichen Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ in Anspruch nimmt, ohne dass freilich in den Vorgängen der ins Auge gefasste neue Standort des Bunkers erwähnt wird. Weitergehende Anhaltspunkte für eine Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Klägerin im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... ließen sich auch nicht durch die in der mündlichen Verhandlung am 14.05.2012 durchgeführte Befragung des Bürgermeisters der Gemeinde ..., Herrn ... ..., als Zeugen gewinnen. Vielmehr ließ sich der Zeuge in jeder Hinsicht glaubhaft und nachvollziehbar dahingehend ein, dass er im Zusammenhang mit dem Ausbau der B ... zwar mehrfach Gespräche mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der Klägerin geführt habe. Im Mittelpunkt dieser Gespräche habe jedoch das von der Gemeinde verfolgte Anliegen gestanden, eine neue Nordzufahrt zu dem Grundstück der Klägerin zu schaffen, wogegen die Klägerin vor allem aus erschließungsbeitragsrechtlichen Gründen Einwände erhoben habe. Zwar habe er in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit der Verlegung des bestehenden Sprengstofflagers im Gewann „... ...“ am Rande hingewiesen; er könne jedoch mit hoher Sicherheit ausschließen, dass er gegenüber Organen oder Mitarbeitern der Klägerin den Zielstandort erwähnt habe. Ebenso führte der Zeuge überzeugend aus, dass in der öffentlichen Diskussion in ... zum fraglichen Zeitpunkt die Verlegung des Sprengstoffbunkers keine bedeutende Rolle gespielt habe, nicht zuletzt in Anbetracht wesentlich öffentlichkeitswirksamerer raum- und umweltbezogener Vorhabenplanungen.
50 
1.2.4.5 Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass Organe bzw. Mitarbeiter der Klägerin oder der Firma ... ... ... aufgrund der Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der Gemeinde ... vom 04.11.1996 Kenntnis von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erlangt haben. Den vorliegenden Behördenakten lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass im Rahmen der Verhandlungen zum Abschluss dieses öffentlich-rechtlichen Vertrags das in der Vergangenheit genehmigte Sprengstofflager eine Rolle gespielt hat. Dies wurde durch die Zeugenvernehmung des Bürgermeisters ... in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Der Zeuge hat sich auch in diesem Zusammenhang glaubhaft dahingehend eingelassen, dass er gegenüber Organen und Mitarbeitern der Firma ... ... ... lediglich auf die Notwendigkeit einer Verlegung des Sprengstofflagers hingewiesen, nicht aber dessen neuen Standort thematisiert habe. Im Übrigen hat auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, der diese bereits damals bei den Vertragsverhandlungen vertreten hat, versichert, dass ihm gegenüber die Existenz der Genehmigungen nicht erwähnt worden sei. Diese Versicherung des Prozessbevollmächtigten steht dabei nicht im Widerspruch zu den Bekundungen des Zeugen ..., da dieser glaubhaft angegeben hat, dass der Prozessbevollmächtigte an den ersten Verhandlungen zum Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht beteiligt gewesen sei. Da der Senat von der Richtigkeit der Erklärungen des Prozessbevollmächtigten überzeugt ist, war dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag auf Zeugenvernehmung nicht mehr nachzugehen.
51 
1.2.4.6 Auch kann entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Mitwirkung im Verfahren über die Aufstellung des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ sowie über die parallele Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2015 ... ... ... im Jahre 2001 von dem Sprengstofflager und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 10.08.1995 Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Insbesondere das von der Beigeladenen erwähnte Einwendungsschreiben und das Schreiben der IHK vom 12.11.2001 sind nicht an die Klägerin, sondern an die Stadt ... bzw. an die Firma ... ... ... gerichtet. Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt von diesen Schreiben Kenntnis erlangt hat. Auch die Beigeladene legt nicht näher dar, dass der Klägerin diese Schreiben zugegangen sein könnten oder sie im Bebauungsplanverfahren anderweitige Kenntnis von der erteilten Genehmigung für den Sprengstoffbunker erlangt hat. Die von der Beigeladenen erwähnte abstrakt bestehende Möglichkeit, Einsicht in die Bebauungsplanakten zu nehmen und dadurch Kenntnis von der Baugenehmigung erhalten zu können, begründet noch keine entsprechende Nachforschungspflicht.
52 
Wie sich einem in der Widerspruchsakte befindlichen Schreiben der Firma ... GmbH vom 12.11.2001 entnehmen lässt, hat ein Mitarbeiter dieser Firma sich im Zuge des Flächennutzungsplanänderungsverfahrens beteiligt und auf ein am 06.11.2001 stattgefundenes Gespräch mit dem Bürgermeister der Gemeinde ... Bezug genommen. Die dabei von den Vertretern der Firma ... unterbreiteten konkreten Änderungsvorschläge bzw. Nachfragen zum Bebauungsplan deuten darauf hin, dass diese die Planunterlagen eingesehen und sich eingehend mit ihnen auseinandergesetzt haben. Dem Anschreiben lassen sich indes keinerlei Anhaltspunkte entnehmen, dass die Mitarbeiter der Firma ... dabei einen Hinweis auf die Existenz des bestehenden Bunkers und die erteilte Genehmigung erlangt haben. In Übereinstimmung hiermit hat der Zeuge ... in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, im Zuge des Bebauungsplanänderungsverfahrens in ständigem Kontakt mit Mitarbeitern der Firma ... bzw. der Klägerin gestanden zu haben; dabei seien die Belange der Klägerin auch anhand von Planauszügen erörtert worden. Auf entsprechende Nachfrage konnte der Zeuge ... jedoch bestätigen, dass Mitarbeiter der Klägerin bzw. der Firma ... oder deren Rechtsvorgängerin nicht Einsicht in die vollständigen Planunterlagen auf der Gemeindeverwaltung genommen haben.
53 
Nach dem Ergebnis der von dem Senat durchgeführten Beweiserhebungen ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin - wie von ihr vorgetragen - erstmals im April 2004 Kenntnis von der erteilten Genehmigung des Sprengstofflagers und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen erlangt hat. Der am 11.05.2004 gegen die Genehmigung eingelegte Widerspruch ist nach dem oben Gesagten rechtzeitig erfolgt, da er die Jahresfrist des §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO wahrt.
54 
1.3 Aus diesen Darlegungen folgt zugleich, dass entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts die Klägerin ihr verfahrensmäßiges Recht zur Widerspruchseinlegung nicht verwirkt hat. Denn die Verwirkung dieses verfahrensmäßigen Rechts setzt jedenfalls die Erkennbarkeit der Baumaßnahmen voraus. Daneben muss nach dem oben Gesagten ein entsprechendes Umstandsmoment auf der Seite der Beigeladenen bestehen, das die verspätete Wahrnehmung des Rechts als Verstoß gegen Treue und Glauben erscheinen lässt. Letzteres bedarf hier keiner weiteren Klärung, da es bereits an der entsprechenden Erkennbarkeit der Baumaßnahmen und der dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen für die Klägerin fehlt.
55 
1.4 Entgegen der Annahme der Beigeladenen fehlt der Klägerin nicht die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis.
56 
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist erforderlich, dass eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten geltend gemacht wird. Die erteilte Genehmigung muss gegen eine Norm verstoßen, die zumindest auch rechtliche Interessen der Klägerin zu schützen bestimmt ist. Ausreichend ist dabei, wenn die Verletzung der drittschützenden Norm durch den angefochtenen Verwaltungsakt möglich erscheint. Die Pflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist nach ständiger Rechtsprechung für Nachbarn drittschützend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.09.1988 - 4 N 1/87 - BVerwGE 80, 184; BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 - 7 C 19.02 - BVerwGE 119, 329; Dietlein in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 5 BImSchG RdNr. 87 f.). Deren Belange müssen in einer allgemeinen Güterabwägung bei Erteilung der Genehmigung berücksichtigt werden. Nachbar im immissionsschutzrechtlichen Sinne ist, wer sich im Einwirkungsbereich der Anlage, d.h. in einem Bereich, in dem die Immissionen nach Art und Umfang einzelne Personen hervorgehoben treffen können, ständig aufhält oder Rechte an dort befindlichen Sachen inne hat (BVerwG, Urteil vom 22.10.1982 - 7 C 50.78 - NJW 1983, 1507). Der wegen der Sprengstofflager einzuhaltende Schutzabstand zu Wohngebäuden bzw. zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden überschneidet sich zum Teil mit dem Grundstücksbereich der Klägerin, auf dem bauplanungsrechtlich eine Nutzung als Sondergebiet festgesetzt ist. Bei dieser Betrachtung ist es nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin danach grundsätzlich zur Überbauung des gesamten Grundstücks berechtigt wäre.
57 
Fehl geht der Einwand der Beigeladenen, wonach die Klägerin als Grundstückseigentümerin nicht klagebefugt sei, sondern allenfalls sich die Firma ... ... ... als Inhaberin der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung in einer wehrfähigen Rechtsposition befinde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Bauplanungsrecht wie auch im Immissionsschutzrecht grundsätzlich der Eigentümer klagebefugt, soweit er sich auf drittschützende Normen berufen kann. Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang, ob darüber hinaus auch die Firma ... als Rechtsnachfolgerin der Firma ... ... ... als Inhaberin einer möglicherweise verletzten anderweitigen Genehmigung klagebefugt ist (vgl. zu diesem Problemkreis m.w.N. Happ in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, a.a.O., RdNr. 121 zu § 42 VwGO). Nicht zu folgen vermag der Senat auch der von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren geäußerten Auffassung, dass die Klägerin aufgrund der Vorbelastung ihres Grundstücks durch die im Jahre 1953 bzw. 1958 erteilten Genehmigungen für den Vorgängersprengstoffbunker im Gewann „... ...“ in der Ausnutzbarkeit ihrer Grundstücke der Gestalt eingeschränkt sei, dass eine eigene Rechtsverletzung auszuschließen ist. An die Möglichkeit einer Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO sind nach ständiger Rechtsprechung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.1998 - 4 CN 2.98 - BVerwGE 107, 215; Happ in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 93 zu § 42 VwGO - m.w.N.). Davon kann angesichts der komplexen Problematik der Auswirkungen einer etwa bestehenden Vorbelastung aufgrund der in den 60iger Jahren genehmigten Altanlage keine Rede sein.
58 
1.5 Der Klägerin steht auch das erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse für die erhobene Anfechtungsklage gegen die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu, obwohl der Betrieb des Spanplattenwerkes im Jahre 2010 eingestellt wurde. Zum einen lässt die Einstellung des Betriebs den Bestand der für die Spanplattenfabrik erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unberührt. Denn diese erlischt gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG erst dann, wenn die Anlage während eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben wurde. Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind die Klägerin bzw. die Firma ... GmbH deshalb noch in der Lage, von der erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Gebrauch zu machen. Zum anderen ergibt sich das fortbestehende Rechtsschutzinteresse der Klägerin aus den Festsetzungen des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“, der für die von dem Sicherheitsabstand überdeckten Flächen eine bauplanungsgemäße Nutzung ermöglicht. Das allgemeine Rechtsschutzinteresse fehlt indes nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann; die Nutzlosigkeit muss also eindeutig sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 - 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1). Danach hat die Klägerin hier ein schutzwürdiges Interesse an der verfolgten Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Sprengstoffbunker unabhängig davon, ob das genehmigte Spanplattenwerk derzeit betrieben wird.
59 
Nach alldem ist die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig.
60 
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts ... vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in eigenen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Maßgeblich ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ergehens der letzten Behördenentscheidung (dazu unter 2.1). Zu diesem Zeitpunkt richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeinen Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, nicht nach speziellerem Sprengstoffrecht (dazu unter 2.2). Die erteilte Genehmigung für das Sprengstofflager steht mit den materiell-rechtlichen Vorgaben des § 4 BImSchG und den in diesem Zusammenhang zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht in Einklang (dazu unter 2.3). Schließlich ist der materiell-rechtliche Abwehranspruch der Klägerin gegen das Vorhaben nicht verwirkt (dazu unter 2.4).
61 
2.1 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist hier der Erlass der letzten Behördenentscheidung, mithin des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006.
62 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Im Zweifel ist bei Anfechtungsklagen der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (im Grundsatz ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerwG, Urteil vom 06.04.2000 - 3 C 6.99 - DVBl. 2000, 1614). Diese Grundsätze sind insbesondere auch bei der hier in Rede stehenden Drittanfechtungsklage gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung maßgeblich. Entgegen einer in der verwaltungsprozessualen Literatur weithin vertretenen Auffassung (vgl. so etwa Jörg Schmidt in: Eyermann, a.a.O., RdNr. 58 zu § 113 VwGO) können die für nachteilige Veränderungen der Sach- und Rechtslage bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen entwickelten Grundsätze nicht auf immissionsschutzrechtliche Drittanfechtungsklagen übertragen werden. Maßgeblich für die Beurteilung der Baunachbarklage ist regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung unter Ausschluss der Berücksichtigung späterer Änderungen zu Gunsten des Nachbarn, selbst vor Ergehen des Widerspruchsbescheides (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 08.11.2010 - 4 B 43.10 - BauR 2011, 499 - m.w.N.). Angesichts der andersartigen Funktion des Immissionsschutzrechts gegenüber dem Baugenehmigungsverfahren sind diese baurechtlichen Grundsätze auf das Immissionsschutzrecht nicht übertragbar (vgl. etwa VG Gießen, Urteil vom 23.07.1999 - 8 E 1215.98 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.06.2011 - OVG 10 N 39.08 - juris; ähnlich BVerwG, Beschluss vom 10.01.1991 - 7 B 102.90 - NVwZ-RR 1991, 236). Dem Immissionsschutzrecht ist die Abwehr qualitativ andersartiger und schwerer wiegender Gefahrenlagen als im Baurecht eigen. Zudem werden in § 5 BImSchG dynamische Grundpflichten statuiert, die dem Ziel dienen, den Anlagenbetreiber nicht auf die Pflichten zu beschränken, die er im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hatte. Ferner gibt es im Immissionsschutzrecht - im Gegensatz zum Baurecht - keinen Grundsatz dahingehend, dass einem Antragsteller eingeräumte Rechtspositionen trotz Rechtsänderung im Allgemeinen zu belassen oder nur gegen Entschädigung zu entziehen sind (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 18.05.1982 - 7 C 42.80 - BVerwGE 65, 313). Die baurechtlichen Grundsätze können daher auch dann nicht auf das Immissionsschutzrecht übertragen werden, wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit einer Anlage - wie hier - vornehmlich an baurechtlichen Normen zu prüfen ist. Abzustellen ist deshalb auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006, ohne dass danach zu differenzieren ist, ob etwaige Rechtsänderungen zu Ungunsten der Beigeladenen eingetreten sind. Dies hat insbesondere zur Konsequenz, dass nachfolgend auch das Inkrafttreten des Bebauungsplans „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 zu berücksichtigen ist.
63 
2.2 Zum nach dem oben Gesagten maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums am 02.08.2006 richtete sich die Genehmigungsfähigkeit des Sprengstofflagers nach der allgemeineren Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. Ziff. 9.35 - Spalte 2 - des Anhangs zur 4. BImSchV, nicht nach der spezielleren Norm des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG (in der Fassung vom 15.06.2005, BGBl. I S. 1626). Das Verhältnis zwischen der immissionsschutzrechtlichen und der sprengstoffrechtlichen Genehmigung regelt § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG a.F. nur partiell. Danach ist die sprengstoffrechtliche Genehmigung für solche Sprengstofflager subsidiär, die Bestandteil einer Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind. Es handelt sich vorliegend indes um ein selbständiges Lager und nicht um Bestandteile einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist die ungeregelte Kollision der Genehmigungsverfahren nicht entsprechend der konkurrierende Planfeststellungserfordernisse regelnden Bestimmung des § 78 Abs. 2 LVwVfG zu lösen. Danach ist die Genehmigung mit dem weitesten Prüfungsumfang vorrangig (vgl. etwa Odendahl, NVwZ 2002, 686, 687; offengelassen etwa von OVG Berlin, Beschluss vom 20.10.2000 - 2 S 9.00 - juris). Richtigerweise muss § 17 Abs. 1 Satz 3 BImSchG erst recht gelten, wenn das Lager selbst immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig ist (so etwa auch Jarass, BImSchG, 9. Aufl. 2012, § 13 RdNr. 6 a). Der Zuständigkeitsabgrenzung in § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass die Prüfung sprengstoffrechtlicher Gefährdungen durch die umfassendere Prüfung im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens besser erfasst wird. Dieser Auffassung entspricht auch die novellierte Fassung von § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG mit Wirkung zum 01.03.2010 (Gesetz vom 11.08.2009, BGBl. I, S. 2723). Die Änderung ist ausweislich der Gesetzesmaterialien als bloße Klarstellung zu verstehen (Gesetzentwurf zur Bereinigung des Bundesrechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Rechtsbereinigungsgesetz Umwelt - RGU - BT-Drs. 16/12277, S. 11). Somit ist dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 4 BImSchG Priorität einzuräumen.
64 
2.3 Die Voraussetzungen für die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 4 BImSchG lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht vor. Zwar war das vereinfachte Genehmigungsverfahren gemäß § 19 BImSchG zulässig, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. c i.V.m. Nr. 9.35 Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV sowie § 3 b Abs. 1 UVPG, Ziff. 10.1 und 10.2 Anhang I). Die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen lagen indes nicht vor. Die Genehmigung ist gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG zu erteilen, wenn die sich aus § 5 ergebenden Anforderungen erfüllt sind und dem nicht andere öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Danach - ferner auch in Folge der Konzentrationswirkung des § 13 Satz 1 BImSchG - erstreckt sich die immissionsschutzrechtliche Prüfung auch auf Normen des Sprengstoffgesetzes (dazu unter 2.3.1) und des Baugesetzbuchs (dazu unter 2.3.2).
65 
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG muss sichergestellt sein, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG müssen genehmigungsbedürftige Anlagen so errichtet und betrieben werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. § 3 Abs. 1 BImSchG) und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Aus dem Begriff der Erheblichkeit folgt, dass unzumutbare Beeinträchtigungen vermieden werden sollen. Es ist eine Abwägung von Rechtsgütern des Anlagenbetreibers einerseits und der Nachbarschaft andererseits vorzunehmen. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist, soweit er die „Nachbarschaft“ vor schädlichen Umwelteinwirkungen schützt, daher eine spezielle gesetzliche Ausprägung des Rücksichtnahmegebots (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Folglich entspricht der Schutz des Nachbarn durch Bauplanungsrecht dem durch die immissionsschutzrechtlichen Normen vermittelten Schutz (BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 - BVerwGE 68, 58). Soweit sich ein Nachbar auf sprengstoffrechtliche Vorschriften berufen kann, ist dies in gleicher Weise im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Regelungen des Baugesetzbuchs oder Sprengstoffgesetzes bedingt folglich zugleich einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG.
66 
2.3.1 Die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung verstößt bei isolierter Betrachtung nicht gegen die Anforderungen des Sprengstoffgesetzes.
67 
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 SprengG ist eine sprengstoffrechtliche Genehmigung zu versagen, wenn keine Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Maßnahmen, getroffen werden. Was in Bezug auf die Aufbewahrung von explosionsgefährdeten Stoffen Stand der Technik ist, wird nach § 6 Abs. 2 SprengG durch den Anhang zu § 2 der 2. SprengV (i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.09.2002, BGBl. I, S. 3543) bestimmt, vgl. §§ 1, 2 Abs. 1 SprengV.
68 
Welche - für den Nachbarschutz relevanten - Schutzabstände einzuhalten sind, regelt Ziff. 2.2.2 Absatz 1 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV. Für Abstände zu Wohnbereichen und Verkehrswegen verweist die Vorschrift auf die Anlage 1 zum Anhang. Gemäß Ziff. 1.12 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV stehen Gebäude und Anlagen mit Räumen, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Personen bestimmt und geeignet sind, bewohnten Gebäuden gleich. Gemäß Ziff. 2.1 der Anlage 1 zum Anhang ist für die Lagergruppe 1.1 betreffend der Abstände zu Wohneinheiten die Formel E = 22 x M1/3 und zu Verkehrswegen die Formel E = 15 x M1/3 einzuhalten. E bezeichnet den kürzesten Abstand in Meter, M die Lagermenge in Kilogramm. Nach der ursprünglich erteilten Genehmigung dürfen in den Lagerbunkern jeweils 25 t Explosivstoffe und Gegenstände mit Explosivstoffen der Lagergruppen 1.1, 1.3 und 1.4 eingelagert werden. Da die Lagergruppe 1.1 von den genannten den größten Sicherheitsabstand erfordert, ist gemäß Ziff. 2.2.2 Abs. 4 des Anhangs zu § 2 der 2. SprengV die Formel für diese auf die Gesamtmasse anzuwenden. Somit ist ein Sicherheitsabstand von 643,28 m (Abstand zu Wohngebäuden) und von 438,6 m (Abstand zu Verkehrsflächen) einzuhalten.
69 
Jedoch hat die Immissionsschutzbehörde eine Ausnahme nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der 2. SprengV (a.F.) in der Genehmigung des Vorhabens zugelassen. Nach dieser Bestimmung kann die zuständige Behörde auf schriftlichen Antrag Ausnahmen von den Vorschriften des Anhangs zu dieser Verordnung zulassen, wenn eine andere, ebenso wirksame Maßnahme getroffen wird. Aus der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 05.10.2005 sowie der ergänzenden Auskunft vom 24.01.2007 ergibt sich, dass Grundlage der oben genannten Formel die Annahme ist, die Druckwelle bei einer etwaigen Explosion werde sich gleichmäßig ausbreiten. Durch Seiten- und Rückwände aus Stahlbeton oder eine Erdüberschüttung der Bunker ließen sich jedoch die Auswirkungen einer Detonation vermindern. Da diese Ausführung aber nicht bei der Bemessung des gesetzlichen Schutzabstandes herangezogen wurde, könne die Formel K = 13,5 x M1/3 angewendet werden. Daraus ergibt sich ein Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden. Auf diese Formel stützt sich bereits das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.04.1995 (S. 5); zugleich wurde zu Verkehrswegen mit dem Faktor 9,2 ein Schutzabstand von 269 m errechnet. Dass die Genehmigungsbehörde sich zunächst auf § 3 Abs. 2 der 2. SprengV ( a.F.) berufen hatte, ist entgegen der Auffassung der Klägerin unschädlich. Denn das Gutachten der Bundesanstalt für Materialforschung wurde ausdrücklich zum Bestandteil der Genehmigung gemacht. Diesem Gutachten lag aber bereits die genannte Formel mit einem Faktor von 13,5 zugrunde, so dass der Genehmigung die notwendigen Erwägungen für die Gestattung einer Ausnahme zugrunde liegen. Dadurch sind die nach dem Stand der Technik erforderlichen Schutzabstände zu den tatsächlich auf dem Grundstück der Klägerin vorhandenen Gebäuden gewahrt. Die Genehmigung steht insoweit mit § 17 Abs. 1 SprengG in Einklang.
70 
2.3.2 Die Genehmigung verstößt jedoch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
71 
2.3.2.1 Welche Immissionen für Nachbarn im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG zumutbar sind, ergibt sich nicht primär aus den tatsächlichen Gegebenheiten des Gebiets, sondern vor allem aus infolge von planungsrechtlichen Vorgaben möglichen Nutzungen (BVerwG, Urteil vom 22.03.1985 - 4 C 63.80 - BVerwGE 71, 150; Urteil vom 24.04.1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143; BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - BVerwGE 109, 246). Unzumutbar und damit erheblich im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind die Immissionen und sonstigen Gefahren, die mit den für den Einwirkungsort geltenden nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans unvereinbar sind. Mit dem Inkrafttreten des maßgeblichen Bebauungsplans erlangen die Eigentümer der Grundstücke im Plangebiet eine Position, aufgrund derer sie darauf vertrauen können, dass eine nachfolgende heranrückende bauliche Nutzung auf Nachbargrundstücken auf die nach dem Bebauungsplan einmal gegebene Nutzbarkeit ihrer Grundstücke Rücksicht nehmen muss. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Grundstücke später tatsächlich entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans bebaut und genutzt werden, oder ob für die Bebauung und Nutzungen Ausnahmen und Befreiungen erteilt worden sind, denn der Eigentümer eines Grundstücks in einem festgesetzten Bebauungsplangebiet kann allgemein darauf vertrauen, dass spätere Planungen und Baugenehmigungserteilungen die erforderliche Rücksicht auf das - insgesamt schutzbedürftige und schutzwürdige - festgesetzte Baugebiet nehmen werden. Mit der Anerkennung des Bebauungsplans als normative Bestimmung der Schutzwürdigkeit der Nachbarschaft im Einwirkungsbereich emittierender Anlagen gewährleistet das Immissionsschutzrecht, dass der Bebauungsplan die ihm in § 1 BauGB zugedachte Aufgabe erfüllen kann, eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu erreichen und dauerhaft zu sichern. Würde das Immissionsschutzrecht die Schutzwürdigkeit im Regelfall nach der tatsächlichen baulichen Nutzung bestimmen, stünde dies im Widerspruch zu den Zielen des Baugesetzbuchs (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Entscheidend ist deshalb, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 10.08.1995 Festsetzungen von Bebauungsplänen verletzt. Da nach dem oben Gesagten maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Drittanfechtungsklage der der letzten Verwaltungsentscheidung ist, kommt es - soweit dieser wirksam ist - auf den am 20.05.2005 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ an.
72 
2.3.2.2 Der Bebauungsplan setzt für das Grundstück der Klägerin ein Sondergebiet (SO1) im Sinne von § 9 a BauGB, § 11 Abs. 2 BauNVO fest. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 9 BauGB wurden zudem in dem der B... nächstgelegenen Teil A die Nutzung „Silos für Sägespäne“, im Teil B „Spanplattenwerk Lagerhaltung, Veredelung (einschließlich Schleifen), Vertrieb und Verwaltung“ und im Übrigen „Spanplattenwerk Lagerflächen, einschließlich Hacker- und Förderanlagen, Lkw-Parkplatz-Anlage, einschließlich Waage und Gebäude mit Sanitär- und Aufenthaltsräumen, Pförtnerloge“ festgesetzt. Der sprengstoffrechtlich erforderliche Schutzabstand von 395 m zu Wohngebäuden verhindert jedenfalls die nach dem Bebauungsplan zulässige Nutzung des Grundstücksteils B für Vertrieb und Verwaltung, soweit ständige Arbeitsplätze eingerichtet werden sollen. Wie sich der Stellungnahme der Bundesanstalt für Materialforschung vom 24.01.2007 entnehmen lässt, ist nach der Auffassung der Fachbehörde auch eine bebauungsplangerechte Nutzung des als Teil A bezeichneten Geländes erheblich eingeschränkt.
73 
Der Umfang der zulässigen Bebauung wird durch den Hinweis unter C. Ziff. 7 im Bebauungsplan nicht eingeschränkt. Denn rechtsverbindliche Wirkung haben lediglich Festsetzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 BauGB, wohingegen der Begründung des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 8 BauGB) kein Satzungscharakter zukommt (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 97. Ergänzungslieferung 2010, § 9 RdNr. 6). Während die Festsetzungen die zulässigen Vorhaben rechtsverbindlich einschränken und konkretisieren, dient die Begründung lediglich der Erläuterung und der Überprüfbarkeit des Abwägungsprozesses. Der Hinweis enthält jedoch keine Regelung zur Umschreibung der zulässigen Bauvorhaben. Er verweist lediglich auf Beschränkungen, die sich aus Umständen ergeben, welche außerhalb des Bebauungsplans liegen. Der Hinweis steht daher der Erläuterung und Begründung näher. Die Begründung kann aber nicht die rechtsverbindlichen Bebauungsplanfestsetzungen aushebeln. Folglich schränkt die Genehmigung des Sprengstofflagers die grundsätzlich zulässige Nutzung des Grundstücks der Klägerin ein.
74 
2.3.2.3 Der maßgebliche Bebauungsplan „Gewerbegebiete an der B ... und Sondergebiet Spanplattenwerk“ vom 20.05.2005 ist wirksam; er verstößt weder gegen das Gebot der Erforderlichkeit der Planung noch gegen das Abwägungsgebot.
75 
Der Bebauungsplan ist nicht wegen Verstoßes gegen das in § 1 Abs. 3 BauGB normierte Gebot der Erforderlichkeit nichtig. Die Gemeinde darf keinen Bebauungsplan aufstellen, der aus Rechtsgründen nicht vollzugsfähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 12.08.1999 - 4 CN 4.98 - a.a.O.). Davon ist auszugehen, wenn die Realisierung des Bebauungsplans zwangsläufig an rechtlichen Hindernissen scheitern müsste. Demgegenüber ist der Bebauungsplan vollzugsfähig und wirksam, wenn die Konflikte durch angemessene Auflagen oder sonstige Beschränkungen überwunden werden können. Die Festsetzung des Gebiets scheitert nicht in ihrer Gesamtheit. Lediglich ein Teilabschnitt der Fläche, die als Sondergebiet ausgewiesen ist, kann nicht wie im Bebauungsplan vorgesehen ausgenutzt werden. Es handelt sich somit um eine Beschränkung und nicht um eine Aufhebung der Vollzugsfähigkeit. Daher bleibt die Festsetzung im Bebauungsplan erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB.
76 
Der Bebauungsplan verstößt auch nicht gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB. Dies wäre der Fall, wenn im Rahmen der planerischen Abwägung die Schutzwürdigkeit der auf dem Grundstück der Klägerin zulässigen Bebauung verkannt und damit falsch beurteilt worden ist. Die Schutzabstände des Sprengstofflagers waren auch dann zu berücksichtigen, wenn dessen Genehmigung rechtswidrig erfolgt sein sollte. Denn für die Bauleitplanung sind die tatsächlichen Verhältnisse maßgeblich (vgl. Söfker, a.a.O., § 1 RdNr. 193). Die Unvereinbarkeit von zum Daueraufenthalt bestimmten Betriebsgebäuden im Gebiet SO1 und der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung der Beigeladenen wurde zwar im Bebauungsplanverfahren behandelt. Dieser Umstand hat jedoch in den rechtsverbindlichen Festsetzungen keinen Eingang gefunden. Die Konfliktlage spiegelt sich nicht im Abwägungsergebnis wieder.
77 
Es ist jedoch in Grenzen zulässig, die Lösung von Konflikten nachfolgenden Genehmigungsverfahren zu überlassen (Konfliktverlagerung). Die planende Gemeinde darf auf eine abschließende Konfliktlösung im Bebauungsplan verzichten, wenn diese außerhalb des Planverfahrens im Rahmen der Verwirklichung der Planung sichergestellt und zu erwarten ist. Dafür muss jedoch eine sachgerechte Konfliktlösung durch die Behörde hinreichend sicher abschätzbar sein. Bleibt das Problem zu Lasten des Betroffenen ungelöst, ist das Gebot der umfassenden Konfliktlösung verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.03.1988 - 4 C 56.84 - Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 30; Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - BVerwGE 69, 30). Dem liegt zugrunde, dass eine Überfrachtung des Bebauungsplans vermieden werden soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1984 - 4 B 191.83 - a.a.O.). Wie sich aus dem vorgenannten Hinweis C im Bebauungsplan ergibt, ging die Gemeinde ... aufgrund der Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamts ... per E-Mail vom 26.04.2004 davon aus, dass dem Schutzabstand uneingeschränkt Vorrang einzuräumen ist. Dieser sei sodann im Genehmigungsverfahren wegen § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu berücksichtigen. Folglich durfte die Gemeinde damit rechnen, dass der Konflikt sachgemäß im Genehmigungsverfahren zu lösen ist. Ferner hat die Gemeinde durch den Verzicht auf die Festsetzung eines Schutzabstands dem Vertrauensschutz der Klägerin Rechnung getragen. Zwar besteht kein Anspruch auf Aufstellung und Bewahrung eines Bebauungsplans (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB); jedoch hat die vorherige Überplanung der Grundstücke durch den Bebauungsplan von 1983 in den Abwägungsvorgang nach § 1 Abs. 7 BauGB Eingang zu finden. Der Bebauungsplan ist somit nicht wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot unwirksam.
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2.3.2.4 Entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Beklagten werden die durch den Bebauungsplan eingeräumten Rechte zu Gunsten der Klägerin nicht infolge einer Vorbelastung ihres Grundstücks eingeschränkt. Der im Gesetz unerwähnte Begriff der Vorbelastung wurde zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der unzumutbaren Beeinträchtigung entwickelt (BVerwG, Urteil vom 21.05.1976 - IV C 80.74 - BVerwGE 51, 15). Aufgrund bestehender Umwelteinflüsse kann sich das Maß des für Nachbarn Zumutbaren verändern. Vorliegend könnte daran gedacht werden, dass das Grundstück der Klägerin schon immer mit den Schutzabständen zu den Sprengstoffbunkern belastet war. Wie die Beigeladene im Widerspruchsverfahren darlegte, betrieb sie in der Vergangenheit auf der Grundlage von Gestattungen aus dem Jahre 1953 bzw. 1957 ein Sprengstofflager im Gewann „... ...“, welches ebenfalls mit erheblichen Abstandsanforderungen verbunden gewesen sein dürfte. Somit dürfte die Ausnutzbarkeit des Grundstücks der Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vorgängerbebauungsplanes aus dem Jahre 1983 eingeschränkt gewesen sein.
79 
Selbst wenn der Bebauungsplan im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der zu dem ehemaligen Sprengstofflager einzuhaltenden Abstände an einem Abwägungsfehler litte, wäre dieser jedoch unbeachtlich. Nach § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB finden die derzeit geltenden Vorschriften zur Planerhaltung grundsätzlich rückwirkend auf Bebauungspläne Anwendung, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. BBauG in Kraft getreten sind. Darüber hinaus sind gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Flächennutzungspläne und Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften über die Geltendmachung der Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden. Daraus folgt, dass insbesondere bei Abwägungsmängeln nicht nur die §§ 214, 215 BauGB in ihrer derzeitigen Fassungen gelten, sondern dass frühere Regelungen fortgelten.
80 
Maßgeblich für die vor dem Inkrafttreten des Baugesetzbuches zum 01.07.1987 bekannt gemachten Bebauungspläne bleibt daher die Überleitungsvorschrift des § 244 Abs. 2 BauGB 1978 (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.11.1998 - 4 BN 50.98 - Buchholz 406.11 § 244 BauGB Nr. 3). Nach dieser Vorschrift sind Mängel der Abwägung von Flächennutzungsplänen und Satzungen, die vor dem 01.07.1987 bekannt gemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren nach dem 01.07.1987 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, wobei der Sachverhalt, der die Mängel begründen soll, darzulegen ist. Dem steht nicht entgegen, dass § 244 Abs. 2 BauGB 1987 durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG - gestrichen wurde. Die Aufhebung der Vorschrift erfolgte, da sie nach Auffassung des Gesetzgebers ihren Zweck erfüllt hatte. Der Geltungsanspruch der Vorschrift sollte nicht rückwirkend entfallen. Dies ergibt sich im Übrigen aus § 233 Abs. 3 BauGB, wonach auf der Grundlage bisheriger Fassungen des BauGB bzw. des BBauG wirksame oder übergeleitete Pläne, Satzungen und Entscheidungen fortgelten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.12.1999 - 8 S 1625/99 - VBlBW 2000, 394). Für den vor dem 01.07.1987 bekanntgemachten Bebauungsplan „...-...“ sind danach nur Abwägungsmängel beachtlich, die vor dem 01.07.1994 geltend gemacht worden sind. Da die von der Beigeladenen im Widerspruchsverfahren behauptete Nichtberücksichtigung der Sicherheitsabstände zu dem ehemaligen Sprengstofflager bisher nicht gegenüber der planenden Gemeinde geltend gemacht worden ist, wäre ein entsprechender Abwägungsmangel gemäß § 244 Abs. 2 BauGB a.F. i.V.m. § 233 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BauGB unbeachtlich und würde nicht zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führen.
81 
Unabhängig hiervon war zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Vorbelastung durch etwa einzuhaltende Sicherheitsabstände zum ehemaligen Sprengstofflager im Gewann „... ...“ entfallen. Denn dessen Genehmigung erlosch gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, weil die Vorgängeranlage nach Verlegung an den heutigen Standort für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nicht mehr betrieben worden war.
82 
2.4 Nach dem oben unter 1.2 Ausgeführten scheidet hier die materiell-rechtliche Verwirkung des nachbarschützenden Abwehranspruchs gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG aus (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 25.01.1974 - IV C 2.72 - a.a.O.; sowie vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 - a.a.O.). Dieses Rechtsinstitut setzt neben einem Zeitablauf seit der Entstehung des Rechts voraus, dass besondere Umstände die Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Eine materiell-rechtliche Verwirkung scheidet hier bereits deshalb aus, weil nach dem oben Gesagten die Klägerin auch bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt keine Kenntnis von dem Bauvorhaben und den dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen hat erlangen müssen.
83 
Nach alldem hat die Berufung der Klägerin auch in der Sache Erfolg.
84 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 und § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
85 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Insbesondere ist in der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallübergreifend abschließend geklärt, unter welchen Voraussetzungen sich ein Nachbar in Anwendung des Rechtsgedankens der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO so behandeln lassen muss, als ob ihm eine Genehmigung zugestellt worden wäre.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt den Erlass einer bauaufsichtlichen Verfügung der Beklagten, die den Beigeladenen aufgibt, deren Grenzgarage zurückzubauen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die auf ein bauaufsichtliches Tätigwerden gerichtete Verpflichtungsklage entfallen ist, ist nicht ernstlich zweifelhaft.

Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeführt, dass das Klagerecht - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - im Einzelfall verwirkt sein kann, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. Meissner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO Stand 2012, § 74 Rn. 47 ff. m. w. N.). Angesichts der tatsächlichen Umstände ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass der Kläger sein Klagerecht in diesem Sinn verwirkt hat. Zwar hat der Kläger nach Fertigstellung des Rohbaus der Grenzgarage der Beigeladenen bei der Beklagten mit Schreiben vom 21. August 1997 beantragt, die Rechtmäßigkeit der Grenzgarage der Beigeladenen zu überprüfen und gegebenenfalls eine Baueinstellung zu verfügen. Nach Durchführung einer Baukontrolle am 26. August 1997 und Mitteilung des Ergebnisses der Baukontrolle durch die Beklagte am 12. September 1997 hat der Kläger bis zu seinem Schreiben vom 4. Oktober 2007, in dem er erneut beantragt hat, die aus seiner Sicht um ca. 1,20 m überhöhte Grenzgarage zu überprüfen, nichts weiter unternommen, um die Durchsetzung seiner Nachbarrechte durch die behördliche Bauaufsicht - etwa im Wege der Untätigkeitsklage oder durch einen wiederholten Antrag - weiter zu verfolgen. Das im Zeitpunkt des klägerischen Antrags vom 21. August 1997 erst im Rohbau fertig gestellte Bauvorhaben wurde zu Ende geführt und seither genutzt. Die Weigerung des Klägers im Jahr 1998, den Beigeladenen das Aufstellen eines Gerüsts zum Verputzen der Garagengrenzwand zu gestatten, lässt nicht darauf schließen, er habe nach wie vor einen behördlich angeordneten Rückbau der Grenzgarage der Beigeladenen verfolgt. Auch der Vortrag des Klägers, er habe die Beigeladenen täglich und ständig daran erinnert, dass er mit der Verletzung seiner nachbarrechtlich geschützten Interessen nicht einverstanden sei und den Bau für rechtswidrig halte, lässt keine von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abweichende Bewertung zu, denn der Kläger hat keine rechtlichen Schritte zur Durchsetzung seiner etwaigen Nachbarrechte unternommen. Wenn der Beschwerte - wie hier der Kläger - eine derart lange Zeit abgewartet hat, dass mit einem Tätigwerden schlechthin nicht mehr zu rechnen war, kann von der Verwirkung des Rechtsschutzinteresses auch dann ausgegangen werden, wenn das Umstandsmoment in den Hintergrund tritt (BVerfG, B.v. 4.3.2008 - 2 BvR 2111/07 - juris Rn. 30). Die Absicht des Klägers, „sich seine Ansprüche über die Jahre“ offen zu halten bzw. an seinem Abwehrrecht festzuhalten „und dies zu gegebener Zeit“ auch geltend zu machen, widerspricht den auch im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben. Beeinträchtigt die Errichtung und Nutzung einer baulichen Anlage einen Nachbarn in seinen öffentlich-rechtlich geschützten Positionen und ist dies für ihn erkennbar, ist es ihm nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zuzumuten, dass er seine Einwendungen gegen das Vorhaben ohne Zögern mit den verfahrensrechtlich verfügbaren Mitteln geltend macht (vgl. Meissner a. a. O § 74 Rn. 50 m. w. N.; vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12 m. w. N.). Dies hat der Kläger zurechenbar versäumt.

Dass der Kläger nach dem Tod seiner Ehefrau im Jahr 1997 verständlicherweise andere Sorgen hatte, als gegen ein vermeintlich rechtswidriges Bauvorhaben seiner Nachbarn vorzugehen, hat das Verwaltungsgericht gesehen und zutreffend gewürdigt. Danach ist selbst dann, wenn der Zeitraum von über 10 Jahren, in dem der Kläger nichts gegen das nunmehr von ihm bekämpfte Bauvorhaben der Beigeladenen unternommen hat, zugunsten des Klägers zu verkürzen wäre, festzustellen, dass bei Erhebung der Untätigkeitsklage am 8. Dezember 2009 bereits ein derart langer Zeitraum verstrichen war, dass mit einem solchen Handeln des Klägers schlechthin nicht mehr zu rechnen war.

Erweist sich die Klage nach Vorstehendem bereits als unzulässig, so kommt es nicht mehr darauf an, dass die Klage nach Auffassung des Verwaltungsgerichts darüber hinaus auch unbegründet wäre. Ist die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt (Mehrfachbegründung), so ist die Berufung nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Berufungszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (st. Rspr., vgl. z. B. BayVGH, B.v. 15.11.2013 - 10 ZB 11.1204 - juris Rn. 7; BVerwG, B.v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - BauR 2013, 2011 jeweils m. w. N.). Es kann danach offen bleiben, ob ein Rechtsanspruch des Klägers auf Einschreiten bestanden hätte, wenn seine Klage zulässig gewesen wäre.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich nach den obigen Ausführungen ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren beurteilen. Wie zuvor ausgeführt wurde, kommt es nicht darauf an, dass die Klage - im Falle ihrer Zulässigkeit - nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts unbegründet wäre, weil die Klage nach den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts bereits unzulässig ist.

3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich nicht geklärt oder - bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen - durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 Rn. 36 m. w. N.).

Daran gemessen kommt die Zulassung der Berufung hinsichtlich der aufgeworfenen entscheidungserheblichen Rechtsfrage der Verwirkung nicht in Betracht, weil die Anforderungen an die Verwirkung von Rechten bei Drittrechtsbehelfen in der Rechtsprechung hinreichend geklärt sind. Die Frage, ob eine Verwirkung eintritt, „wenn zwar seit dem letzten erhobenen Einwand mehr als 10 Jahre vergangen sind, der Verletzte jedoch (hier durch Verweigerung des Zutritts auf sein Grundstück für das Durchführen eines Außenputzes) über die gesamte Zeit nach außen deutlich sichtbar dokumentiert hat, dass er mit dem Bauvorhaben nicht einverstanden ist und die Fertigstellung zu verhindern versucht sowie der Verletzte aus persönlichen Gründen (Schicksalsschläge) gehindert war, sich auf Auseinandersetzungen einzulassen“, ist auf den konkreten Sachverhalt zugeschnitten und zeigt keine über den Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage auf. Ob der Vorwurf eines treuwidrigen Verhaltens berechtigt und einem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis wegen missbräuchlicher Prozessführung abzusprechen ist, entscheidet sich nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Allgemein gültige Grundsätze lassen sich hierzu nicht aufstellen (BVerwG, B.v. 19.4.2011 - 4 BN 4/11 - juris Rn. 13).

4. Den Darlegungen im Zulassungsantrag lässt sich schließlich auch kein Verfahrensmangel entnehmen, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Bei kumulativ mehrfach begründeten Entscheidungen - wie hier - ist die Beruhens-Frage wegen eines jeden dieser Gründe zu stellen (vgl. Happ a. a. O. § 124 Rn. 51). Mit der gegen die Begründung des Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit der Klage gerichteten Verfahrensrüge dringt der Kläger nicht durch. Auf die weiteren Verfahrensrügen, die sich auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unbegründetheit der Klage beziehen, kommt es mithin nicht mehr an (vgl. BVerwG, B.v. 1.8.2011 - 7 BN 2/11 - juris Rn. 4 m. w. N.).

a) Einen Verfahrensmangel wegen der Abtrennung des Verfahrens Au 5 K 11.1531 betreffend den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Einschreiten gegen den Sichtschutzzaun der Beigeladenen (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2013 - 15 ZB 12.42) vom Verfahren Au 5 K 09.1918 aufgrund Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2011 hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Darzulegen ist insbesondere auch, inwiefern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Dahingehend ergibt sich aus dem Antrag auf Zulassung der Berufung außer dem ebenso allgemeinen wie unspezifischen Hinweis, die Verfahrenstrennung habe den Streitgegenstand aus dem Zusammenhang gerissen, nichts Weiterführendes. Das im Weg der Untätigkeitsklage geltend gemachte Verpflichtungsbegehren des Klägers betrifft verschiedene bauliche Anlagen der Beigeladenen und unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, § 121 Rn. 28); die Trennung des Verfahrens ist deshalb auch in der Sache nicht zu beanstanden (§ 93 Satz 2 VwGO).

b) Weshalb das Verwaltungsgericht auf die Mitteilung des Klägers vom 16. August 2011 hätte eingehen müssen, wonach nur mehr die Beigeladene zu 1 im Grundbuch als Eigentümerin des Nachbargrundstücks eingetragen sei, ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger trägt im Schriftsatz vom 16. August 2011 selbst vor, dass der Beigeladene zu 2 vom Verfahren tangiert sei, weil zu seinen Gunsten eine Rückauflassungsvormerkung eingetragen sei. Im Übrigen richtet sich das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten auch gegen den Beigeladenen zu 2.

c) Der Vortrag, dem Kläger sei die Einräumung einer Erwiderungsfrist zu einem Schriftsatz der Beigeladenen verweigert worden, lässt - soweit er die Begründung des Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit der Klage betrifft - keinen Verfahrensmangel im Sinn eines Verstoßes gegen den Grundsatz auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) erkennen.

Der Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beigeladenen vom 8. März 2012, worin sich diese auf die Verwirkung des Klagerechts berufen, ging dem Klägerbevollmächtigten nach dessen Angaben am 12. März 2012 zu. Bis zur mündlichen Verhandlung am 22. März 2012 bestand deshalb ausreichend Zeit, sich mit der angesichts der tatsächlichen Umstände auf der Hand liegenden Rechtsfrage der Verwirkung zu befassen. Die urlaubsbedingte Abwesenheit des Bevollmächtigten des Klägers bis zum 16. März 2012 und dessen terminliche Verhinderung u. a. am 19. März 2012 lassen keine abweichende Bewertung zu, weil der Klägerbevollmächtigte einerseits einer Anwaltspartnerschaft angehört, der auch Prozessvollmacht erteilt wurde und die Rechtsfrage der Verwirkung des Klagerechts andererseits hier keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft. Im Übrigen wurde die Frage der Verwirkung ausweislich der Niederschrift vom 22. März 2012 in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert. Dem Kläger wurde Gelegenheit gegeben, seine Rechtsansicht darzulegen. Schließlich setzt die schlüssige Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt worden, regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen voraus, was der Beteiligte bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, B.v. 28.3.2013 - 4 B 15/12 - BauR 2013, 1248 m. w. N.). Dem genügt der Vortrag des Klägers im Zulassungsverfahren nicht (vgl. vorstehend Nr. 1).

5. Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG; die Wertfestsetzung folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Begründung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 von Hundert des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 von Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

I.

In Abänderung der Nrn. I und II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2015 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 23. Dezember 2014 gegen den Bescheid des Landratsamts S... vom 21. November 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung an die Beigeladene zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen und begehrt vorläufigen Rechtsschutz.

Die Beigeladene ist eine Grundstücksgesellschaft im Bereich der G.-Unternehmensgruppe, die seit mehr als 40 Jahren auf dem Grundstück FlNr. 1005 Gemarkung B. ein betriebliches Freizeitgelände im Außenbereich betreibt. Eine Baugenehmigung hierfür besteht (bislang) nicht. Das Grundstück ist umgeben von mehreren ehemaligen Baggerseen, die teilweise als Badeplätze genutzt werden.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 964/1 Gemarkung B. Das Wohngebäude des Antragstellers befindet sich - im Übrigen umgeben von landwirtschaftlichen Flächen - mit zwei weiteren Wohngebäuden und einigen weiteren Gebäuden im Außenbereich in ca. 270 m Entfernung zum oben genannten Freizeitgelände. Der Ortsrand der Ortschaft G. liegt ca. 170 m südlich dieser Gebäudeansammlung „Am F.“... Die Zufahrt zu dem betrieblichen Gelände, auf dem sich das Bauvorhaben befindet, verläuft unmittelbar südlich des Wohngebäudes des Antragstellers über einen öffentlichen Feld- und Waldweg auf FlNr. 1004 Gemarkung B.

Mit Unterlagen vom 14. März 2014 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen auf dem Grundstück FlNr. 1005 Gemarkung B. für überwiegend Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und Angehörige. Die mit Nebenbestimmungen, u. a. zum Immissionsschutz, versehene Baugenehmigung hierfür wurde vom Landratsamt S... mit Bescheid vom 21. November 2014 erteilt.

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2014 Klage beim Verwaltungsgericht Würzburg erhoben (Az. W 4 K 14.1363), über die noch nicht entschieden ist. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2015 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, was das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 9. Juli 2015 abgelehnt hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die angefochtene Baugenehmigung hinreichend bestimmt sei und keine Nachbarrechte des Antragstellers verletze. Durch die Festlegung eines Immissionsrichtwertes an den nächstgelegenen Wohngebäuden, die sich in ca. 240 m Entfernung in einem reinen Wohngebiet befänden, sowie die Beschränkung der Betriebszeit des Kiosks auf die Tagzeit sei sichergestellt, dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen durch Lärmimmissionen hervorgerufen würden. Gegenüber dem Antragsteller, der nur das Schutzniveau eines Dorfgebiets beanspruchen könne, seien keine weitergehenden Nebenbestimmungen begründet. Auch eine unzumutbare Belastung des Antragstellers durch Verkehrslärm sei nicht zu erwarten.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Die Baugenehmigung sei unbestimmt, da sich der Umfang der Anlage nicht aus dem Bescheid und den Genehmigungsunterlagen ergebe. So sei die Anzahl der Personen nicht bestimmbar, da die Mitarbeiterzahl des Unternehmens variabel sei und auch die Zahl der Angehörigen nicht eingrenzbar sei. Zudem sei die Nutzung für „überwiegend“ Mitarbeiter und Angehörige genehmigt, so dass unklar sei, ob dies zeitlich oder numerisch zu verstehen sei. Da eine zahlenmäßige Begrenzung des Nutzerkreises nicht realisierbar sei, seien auch die zu erwartenden Auswirkungen nicht absehbar. Vorliegend sei unter dem Deckmantel eines Badebetriebs eine öffentliche Gaststätte genehmigt worden. Die festgesetzten Nebenbestimmungen seien nicht ausreichend, das Hervorrufen schädlicher Umwelteinwirkungen und die Verletzung nachbarschützender Vorschriften zu unterbinden. Erforderlich sei eine realistische Lärmprognose und die Berücksichtigung der privilegierten Wohnnutzung des Antragstellers im Außenbereich. Die nähere Umgebung entspreche hierbei nicht einem Dorfgebiet, sondern eher einem Wohngebiet. Die Werte des Zu- und Abfahrtsverkehrs seien willkürlich angesetzt und der Antragsteller habe aufgrund der unzureichenden Zufahrtsituation mit einer erheblichen Verschlechterung seiner Erschließung zu rechnen. Zudem seien Erschütterungen durch die Vorbeifahrt von Wohnmobilen zu der ungenehmigten Wohnwagenlandschaft auf dem Gelände nicht berücksichtigt. Eine öffentliche Gaststätte mit einer Betriebszeit von April bis September und einer Öffnungszeit bis 22:00 Uhr widerspreche dem Flächennutzungsplan, da dies nicht prägend für einen Badebetrieb sei. Das Vorhaben sei offensichtlich nicht privilegiert und unterlaufe den Schutz des Außenbereichs vor zusätzlicher Bebauung. Die Zulassung einer Wohnwagenlandschaft lasse ferner die Entstehung, Verfestigung bzw. Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2015, die aufschiebende Wirkung der am 23. Dezember 2014 erhobenen Klage anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Baugenehmigung sei nicht unbestimmt, da sich aus den Bauunterlagen die Zahl der genehmigten Plätze ergebe. Im Hinblick auf den begrenzten Nutzerkreis und die baulichen Gegebenheiten liege keine öffentliche Gaststätte mit unbegrenzter Nutzungsmöglichkeit vor. Unzumutbare Belästigungen an dem 270 m entfernten Anwesen des Antragstellers seien nicht ersichtlich. Die Beschränkung der Öffnungszeit bis 22:00 Uhr in Abweichung zum Antrag (23:00 Uhr) sei gerade zum Schutz der Nachbarn erfolgt. Im Flächennutzungsplan sei das Grundstück des Klägers als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt, so dass eine Einstufung seiner Schutzwürdigkeit entsprechend der eines Dorfgebiets zulässig sei. Bei der Beurteilung des Verkehrslärms sei ein erhöhter PKW-Verkehr an heißen Sommertagen berücksichtigt. Die Frage von Erschütterungen aufgrund einer Vorbeifahrt von Wohnmobilen stelle sich bei der von der Baugenehmigung umfassten Nutzung nicht.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit der Baugenehmigung seien die seit Jahren bestehenden und nicht veränderten baulichen Anlagen legalisiert worden. Der Zutritt zu der Badeanlage und zum genehmigten Kiosk werde von der Beigeladenen durch die Ausgabe von Berechtigungsausweisen limitiert und überwacht. Ohne diese Beschränkungen wäre der Badesee für jedermann zur Benutzung freigegeben. Das Vorhaben rufe keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervor, da die immissionsschutzrechtliche Einordnung durch die sehr hoch angesetzten Ausgangswerte, die in der Realität nie erreicht würden, auf der sicheren Seite liege. Eine Verkehrszählung der Gemeinde habe deutlich weniger Fahrbewegungen ergeben. Zudem seien hiervon noch die Fahrten des Beschwerdeführers und der Mitbewohner der Splittersiedlung „Am F.“ abzuziehen. Die angeführten Wohnwägen stünden nicht im Zusammenhang mit der Baugenehmigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO zu Unrecht abgelehnt. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht viel dafür, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers unter den derzeitigen Gegebenheiten erfolgreich sein wird. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt den Antragsteller voraussichtlich in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil sie in nachbarrechtsrelevanter Weise zu unbestimmt ist.

1. Die Baugenehmigung vom 21. November 2014 ist unbestimmt.

Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d. h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zulasten der Behörde gehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2014, § 37 Rn. 6, 7). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. Lechner in Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 68 Rn. 472). Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.). Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34). Danach ist die vorliegende Baugenehmigung in einer für den Antragsteller nachteiligen Weise unbestimmt, weil der Nutzungsumfang der genehmigten Anlage nicht erkennbar ist und die auf ihn von der genehmigten Anlage einwirkenden Immissionen nicht eindeutig absehbar sind.

a) Die Baugenehmigung ist nicht bereits wegen fehlender Bestimmtheit der Betriebszeit rechtswidrig. Nach der Nebenbestimmung Nr. 3 des angefochtenen Bescheids ist offensichtlich ein Betrieb mit Ablauf des Monats September nicht mehr zulässig. Soweit dort als Ende der Betriebszeit der „31. September“ bezeichnet wird, handelt es sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die nach Art. 42 Satz 1 BayVwVfG jederzeit berichtigt werden kann.

b) Der Antragsteller bemängelt aber im Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) zu Recht die fehlende Bestimmtheit des nutzungsberechtigten Personenkreises für die insgesamt von der Baugenehmigung umfasste Anlage.

aa) Die Baugenehmigung ist nicht unbestimmt, soweit sie sich auf den Gaststättenbetrieb (Kiosk mit Pavillion/Gastraum, Ausschank und Freiterrasse) bezieht. Denn die Zahl der hierfür genehmigten Gastplätze und das Betriebskonzept, die dieser Beurteilung zugrunde zu legen sind, ergeben sich eindeutig aus der Baubeschreibung nach § 9 Satz 1 BauVorlV (Bl. 13 der Behördenakte), die gemäß Nr. I des Bescheids vom 21. November 2011 ausdrücklich zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht wurde (vgl. Schwarzer/König, a. a. O., Art. 68 Rn. 34). Danach wurden insgesamt 36 Gastplätze genehmigt.

Maßgeblich für den Rechtsschutz des Antragstellers ist, dass er feststellen kann, ob und mit welchem Umfang er von der Baugenehmigung betroffen ist (vgl. BayVGH, B. v. 29.4.2015 - 2 ZB 14.1164 - juris Rn. 6). Der Antragsteller muss erkennen können, mit welchen Immissionen er zu rechnen hat und ob er gegebenenfalls schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist. Dies beurteilt sich im vorliegenden Fall hinsichtlich des Gaststättenbetriebs aber nach der genehmigten Zahl der Gastplätze sowie dem durch das Bauvorhaben bedingten Verkehr und nicht nach der Art des nutzungsberechtigten Personenkreises. Für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung ist grundsätzlich unerheblich, ob die Gäste Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und deren Angehörige oder Firmenkunden oder gar außenstehende Dritte sind. Es kann insoweit dahinstehen, ob der nutzungsberechtigte Personenkreis bereits deswegen zu unbestimmt ist, weil die in der angefochtenen Baugenehmigung insoweit enthaltene Einschränkung „überwiegend für Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und deren Angehörigen“ - wie der Antragsteller vorträgt - nicht eingrenzbar und zudem unklar sei, ob es sich um eine zeitliche oder numerische Begrenzung handeln soll.

bb) Die Baugenehmigung lässt jedoch die Zahl der Personen nicht erkennen, die die insgesamt genehmigte Anlage mit ihren - neben dem Gaststättenbetrieb - weiteren Teilen, insbesondere den Umkleide- und Sanitärräumen, nutzen. Insoweit sind die den Antragsteller betreffenden Immissionen nicht abschließend feststellbar.

Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist die genehmigte Planung und das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. BayVGH, B. v. 2.3.2015 - 9 ZB 12.1377 - juris Rn. 7). Nach dem Bauantrag, den genehmigten Plänen und der Baugenehmigung vom 21. November 2014 umfasst die genehmigte bauliche Anlage einen Kiosk mit Freiterrasse, Pavillon/Gastraum mit Ausschank sowie Umkleide- und Sanitärräume. Die von der Beigeladenen betriebene - (bislang) ungenehmigte - betriebliche Freizeitanlage „Badesee“ in ihrer Gesamtheit, auf deren Gelände die genehmigte bauliche Anlage liegt, und ein eventueller (selbstständiger oder unselbstständiger) Wohnwagenabstellplatz auf diesem Gelände werden dagegen von der Baugenehmigung nicht ausdrücklich umfasst. Angesichts dieser Umstände und im Hinblick darauf, dass die Angaben zum Bauvorhaben mit der objektiv möglichen Nutzung vereinbar sein müssen (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2015, § 29 Rn. 21), erscheint aber äußerst zweifelhaft, ob insbesondere die Sanitärräume, die in ihrer Ausstattung über das Vorhandensein von Toiletten hinausgehen und zusätzlich auch Duschen vorsehen, sowie der Umkleideraum allein dem Gaststättenbetrieb zugerechnet werden können. Ihrer Funktion und Zwecksetzung nach (vgl. BVerwG, U. v. 15.11.1991 - 4 C 17/88 - juris Rn. 14 und U. v. 29.4.1992 - 4 C 43/89 - BVerwGE 90, 140 = juris Rn. 15) dürften sie vielmehr wesentlicher Teil der betrieblichen Freizeitanlage der Beigeladenen sein. Denn es spricht viel dafür, dass die Duschen und der Umkleideraum im Hinblick auf die örtliche Lage an dem Badesee und im Zusammenhang mit dem dort befindlichen betrieblichen Freizeitgelände für die (wohl ausschließliche) Nutzung durch die sich dort aufhaltenden Bade- und Erholungsgäste vorgesehen sein dürften. Insoweit ist der Nutzungsumfang der betrieblichen Freizeitanlage aber im Hinblick auf die Zahl und den Umfang der Bade- oder Erholungsgäste, die die genannten Einrichtungen nutzen, weder aus dem Bauantrag noch aus der Baubeschreibung (Bl. 13 der Behördenakte) oder der Betriebsbeschreibung (Bl. 17 der Behördenakte) ersichtlich. Die Beigeladene führt zwar aus, dass der Zugang zur Anlage beschränkt ist und überwacht wird, die Angaben hierzu oder derartige Einschränkungen sind aber nicht Teil der Bauunterlagen und lassen auch keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Nutzungsumfang, insbesondere die Zahl der maximal pro Tag auf dem Gelände zugelassenen Personenzahl, zu. Unerheblich ist daher, ob die Umkleide- und Sanitärräume - wofür wohl einiges spricht - auch von Nutzern der Wohnmobil- und Wohnwagenabstellplätze, deren Nutzungsumfang ebenfalls nicht angegeben ist, genutzt werden oder ob es sich insoweit um einen abtrennbaren, selbstständigen Teil der Freizeitanlage handelt. Aufgrund der baulichen Konzeption erscheint eine Teilung der Anlage - in einen reinen Gaststättenbetrieb mit den angeführten 36 Gastplätzen und in einen Teil „Nebenanlage der betrieblichen Freizeitanlage“ mit Umkleide- und Sanitärräumen - nicht möglich. Der Umkleideraum steht in einem baulich untrennbaren Zusammenhang mit dem Kioskgebäude und kann daher nicht isoliert für die - insgesamt wohl nicht von der Genehmigung erfasste - betriebliche Freizeitanlage gesehen werden. Dass eine derartige Teilung nicht ohne Weiteres möglich ist, zeigt auch der vom Beklagten im Rahmen der Verkehrslärmbeurteilung zugrunde gelegte Ansatz an Verkehrsaufkommen, der deutlich über die für die genehmigte Anlage erforderlichen sieben Stellplätze und die zugrundeliegende Gästezahl hinausreicht. Nachvollziehbare oder festgesetzte Angaben zu der zu erwartenden oder zugelassenen Besucherzahl der betrieblichen Freizeitanlage insgesamt, liegen der Beurteilung aber nicht zugrunde, so dass deren Grundlage offen ist. Auch wenn insoweit singuläre Ereignisse, wie z. B. das zweijährlich stattfindende Betriebsfest der Beigeladenen, nicht relevant sein dürften und die von der Gemeinde im Rahmen einer Verkehrszählung auf dem Weg FlNr. 3890/41 Gemarkung G. erfassten Daten vermuten lassen, dass die von der Beigeladenen betriebene Freizeitanlage keine unzumutbaren Lärmimmissionen oder derart chaotische Verkehrsverhältnisse erwarten lassen, dass die entstehende Gesamtbelastung unzumutbar ist, fehlt es jedenfalls an einer festgesetzten und überprüfbaren Angabe der Nutzerzahl der genehmigten Anlage in ihrer Gesamtheit, d. h. einschließlich der Zahl der Personen, die voraussichtlich die Umkleide- und Sanitärräume nutzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, sie an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen (§ 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahrens wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen vom Landratsamt H... erteilte Baugenehmigung vom 10. Dezember 2010 für den Neubau eines Schweinemaststalles mit Nebenanlagen. Er ist Eigentümer benachbarter, land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke, u. a. von Flächen, hinsichtlich derer am 9. Februar 2011 eine Erstaufforstungserlaubnis erteilt wurde. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Februar 2012 abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die dem Beigeladenen erteilte Nachtragsbaugenehmigung vom 4. Juli 2014 (Einbau eines Krankenstalls sowie Verlagerung von Technik, Büro und Hygieneschleuse), die der Kläger ebenfalls angefochten hat (anhängig beim Verwaltungsgericht unter dem Az. W 5 K 14.731), wirkt sich auf die Zulässigkeit der gegenständlichen Anfechtungsklage nicht aus. Insbesondere fehlt es der Klage nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die angefochtene Baugenehmigung vom 10. Dezember 2010 aus tatsächlichen (etwa im Wege eines Rück- oder Neubaus) oder aus rechtlichen Gründen nicht mehr ausgenutzt werden könnte.

2. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.

a) Der Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht verkenne, dass die Verstöße gegen die formellen Beteiligungsrechte des Klägers im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 66 BayBO und Art. 28, 29 BayVwVfG nicht geheilt worden seien, die Baugenehmigung vielmehr nichtig sei, lässt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung aufkommen.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine mögliche Verletzung der in Bezug genommenen Verfahrensvorschriften der Klage nicht zum Erfolg verhelfen würde.

aa) Die Nachbarbeteiligung nach Art. 66 BayBO ist ein Mittel für die Behörde, sich möglichst umfassend über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu unterrichten; der Schutzzweck liegt aber nicht in der Wahrung der Beteiligungsrechte selbst. Nachbarschutz kommt dieser Vorschrift nicht zu (vgl. BayVGH, B. v. 29.11.2010 - 9 CS 10.2197 - juris Rn. 11; BayVGH, B. v. 12.7.2010 - 14 CS 10.327 - juris Rn. 27; vgl. Moldovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand Oktober 2015, Art. 66 Rn. 9; Dirnberger in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand September 2015, Art. 66 Rn. 207 ff., jeweils m. w. N.).

Davon abgesehen wurde dem Klägerbevollmächtigten am 29. Oktober 2010 ein Plansatz zur beantragten Baumaßnahme übersandt. Schon vor Zusendung der Bauvorlagen hatte sich der Kläger mit Telefax vom 16. September 2010 mit einer ausführlichen Begründung gegen das Vorhaben gewandt - auch hinsichtlich der Wirkungen der vom Vorhaben ausgehenden Ammoniakemissionen auf seine Baumpflanzungen. Er hat noch während des laufenden Baugenehmigungsverfahrens mit Schreiben vom 12. November 2010 um Berücksichtigung seiner „Aufforstungsanträge“ (vom 5.11.2010) gebeten (vgl. Anlage K7 zur Klagebegründung vom 31.3.2011). Der Kläger wusste also schon vor Baugenehmigungserteilung, um welches Vorhaben es geht, insbesondere in welchem Abstand zu seinen Flächen es errichtet werden soll.

bb) Auch eine etwaige Verletzung der Anhörungspflicht nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG führte - soweit diese Bestimmung im Baugenehmigungsverfahren anwendbar ist (vgl. Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BayBO) - nicht zur Aufhebung der Baugenehmigung.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass ein möglicher Verstoß gegen die Anhörungspflicht bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG) und auch auf die Unbeachtlichkeit von Verfahrensverstößen nach Art. 46 BayVwVfG hingewiesen.

(1) Der Einwand, eine Heilung durch Nachholung scheide hier aus, weil ein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf mit neuerlicher Akteneinsicht und Anhörung zu einer Änderung der zeitlichen Abläufe beim Erlass der streitgegenständlichen Baugenehmigung geführt hätte, mit der möglichen Folge, dass die vom Kläger beantragte Aufforstungserlaubnis vor Erlass der Baugenehmigung erteilt worden und in diesem Fall die Baugenehmigung nicht mehr nach dem vom Verwaltungsgericht bemühten Prioritätsprinzip erteilt worden wäre, führt nicht zur Zulassung der Berufung. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb eine erneute Akteneinsicht und Anhörung des Klägers „zu einer Änderung der zeitlichen Abläufe beim Erlass der streitgegenständlichen Baugenehmigung“ hätte führen können.

Welche konkreten und entscheidungserheblichen weiteren Informationen die Bauaufsichtsbehörde im Fall der neuerlichen Akteneinsicht und Anhörung über die Erstaufforstung und sonstigen maßgeblichen Aspekte erhalten hätte, lässt das Zulassungsvorbringen nicht erkennen. Kenntnis von den Aufforstungsanträgen des Klägers hatte die Bauaufsichtsbehörde jedenfalls (vgl. Schreiben des Klägers vom 12.11.2010).

(2) Davon abgesehen ist eine gebotene, aber unterlassene und auch nicht nachgeholte (Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG) Anhörung zwar verfahrensfehlerhaft. Die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, kann aber nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (Art. 46 BayVwVfG). Das ist hier der Fall.

Die Baugenehmigung ist eine gebundene Entscheidung. Stehen dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, „ist“ die Baugenehmigung zu erteilen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Dadurch, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auch auf das zeitliche Prioritätsprinzip gestützt hat, ist entgegen der Annahme des Klägers nicht klargestellt, dass die Entscheidung in der Sache durch die Verletzung der Anhörungs- und Akteneinsichtsrechte des Klägers beeinflusst worden ist, denn zwischen der behaupteten Verletzung von Anhörungs- und Akteneinsichtsrecht des Klägers und der zeitlichen Abfolge der ggf. konkurrierenden Zulassungsanträge besteht kein erkennbarer kausaler Zusammenhang (vgl. bereits vorstehend Nr. 2.a.bb.(1))

cc) Es kann dahinstehen, ob das aus Art. 29 BayVwVfG folgende Akteneinsichtsrecht des Klägers tatsächlich verletzt wurde. Jedenfalls lässt das Zulassungsvorbringen in dieser Hinsicht keinen zur Nichtigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führenden Verstoß erkennen (Art. 44 BayVwVfG).

Der Vortrag, bei ordnungsgemäßer Gestattung der Akteneinsicht hätte der Kläger die aus dem Aufeinandertreffen von Bauantrag und Aufforstungsantrag erwachsende Abstandsproblematik problematisieren und die Behörde zu einer insoweit sachgerechten Entscheidungsfindung bewegen können, mit der wahrscheinlichen Folge, dass die Aufforstungserlaubnis vor der Baugenehmigung erteilt worden wäre bzw. die Behörde zumindest einen sachgerechten Interessenausgleich hätte finden müssen, unterstellt ein Szenario, demzufolge ein nach ordnungsgemäßer Akteneinsicht gefertigter Schriftsatz des Klägers einen ihm günstigeren Ausgang des Baugenehmigungsverfahrens beschert hätte. Dem kann nicht gefolgt werden. Wie schon ausgeführt wurde, war der Baugenehmigungsbehörde die Tatsache der Stellung eines Aufforstungsantrags durch den Kläger bekannt. Im Übrigen wird im Zulassungsverfahren nicht dargelegt, was der Kläger im Baugenehmigungsverfahren anderes vorgetragen hätte, als er im Klageverfahren vorgetragen hat, zu dem ihm umfassend Akteneinsicht gewährt wurde.

b) Entgegen den Darlegungen des Klägers ist die angefochtene Baugenehmigung hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG).

Die Annahme des Klägers, von der in den Grundrissplänen eingetragenen Zahl der Tiere dürfe nicht auf die Verbindlichkeit der Baugenehmigung selbst geschlossen werden, geht fehl. Die Baugenehmigung nimmt ausdrücklich auf die eingereichten und mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen Bezug (Nr. II des Bescheidstenors). Zu diesen Bauvorlagen zählt der mit Genehmigungsvermerk versehene Grundrissplan, aus dem sich ergibt, dass sechs Mastabteile eingerichtet werden, in denen jeweils 104 Tiere, also insgesamt 624 Tiere, untergebracht werden. Es ist auch nicht offen, um welche „Art von Tieren“ es sich handelt. Dass Mastschweine gehalten werden sollen, lässt sich bereits aus der Bezeichnung des Bauvorhabens als „Schweinemaststall“ im Genehmigungsbescheid ersehen (vgl. auch die den Bauantrag ergänzende Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 28. September 2010). Die zu erwartenden Ammoniakemissionen wurden vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dementsprechend auf der Grundlage von 624 Tierplätzen für Mastschweine errechnet (vgl. Anhang 1 Tabelle 11 der TA Luft).

Mit der Bezeichnung seines Vorhabens in den dem Bauantrag beigefügten Bauvorlagen hat der Beigeladene den Gegenstand des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens festgelegt. Inhalt, Reichweite und Umfang der Baugenehmigung sind danach eindeutig erkennbar; Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit der Baugenehmigung (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) bestehen nicht. Es bestand deshalb keine Veranlassung, den durch den Bauantrag konkret bezeichneten Umfang der Mastschweinehaltung durch Nebenbestimmungen (Art. 68 Abs. 3 BayBO, Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG) zur Baugenehmigung festzulegen.

c) Der Einwand, schädliche Umwelteinwirkungen müsse ein drittbetroffener, im Außenbereich privilegierter Nachbar nicht oder nur in geringerem Maße hinnehmen, wenn es sich bei dem Bauvorhaben um keinen privilegierten Betrieb handle, führt nicht zur Zulassung der Berufung. Insbesondere scheidet eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots hier aus, soweit es die von der Erstaufforstungserlaubnis vom 9. Februar 2011 (Art. 16 BayWaldG) umfassten Flächen des Klägers betrifft.

aa) Im Rahmen des einfachgesetzlichen Gebots der Rücksichtnahme, das hinsichtlich schädlicher Umwelteinwirkungen u. a. in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB eine besondere gesetzliche Ausformung erhalten hat (vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - NVwZ 2005, 328 = juris Rn. 11), ist zu prüfen, ob das Vorhaben zu Immissionen beiträgt, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen (schädliche Umwelteinwirkungen, § 3 Abs. 1 BImSchG). Sind Luftverunreinigungen durch Ammoniakemissionen zu besorgen, kann sich im Einzelfall eine schutzwürdige Abwehrposition des Nachbarn aus den schädlichen Wirkungen des Eintrags von Ammoniak u. a. auf Waldökosysteme ergeben. Im Zeitpunkt der Baugenehmigungserteilung bestand auf den benachbarten Flächen aber kein Wald, der eines Schutzes bedurft hätte. Auf eine schutzwürdige Position kann sich der Kläger auch nicht wegen seines Interesses an der erstmaligen Aufforstung dieser Flächen berufen. Denn der bloße Nutzungswunsch eines Land- oder Forstwirts besitzt nicht schon die Qualität eines Rechts, das eine mit ihm unvereinbare bauliche Nutzung ausschließt (vgl. BVerwG, B. v. 5.9.2000 - 4 B 56/00 - NVwZ-RR 2001, 82 = juris Rn. 7).

bb) Die Darlegung des Klägers, bei der Entscheidung über den Baugenehmigungsantrag habe (bereits) die konkretisierte und sich verfestigende Rechtsposition des Klägers aus dem Erstaufforstungsverfahren angemessen berücksichtigt und über das Gebot der Rücksichtnahme aufgelöst werden müssen, führt zu keinem anderen Ergebnis.

(1) Zutreffend führt das Verwaltungsgericht aus, dass § 35 BauGB nicht per se drittschützend wirkt, sondern nur über das nachbarliche Rücksichtnahmegebot (vgl. BVerwG, B. v. 3.4.1995 - 4 B 47/95 - juris Rn. 2; B. v. 28.7.1999 - 4 B 38/99 - NVwZ 2000, 552 = juris Rn. 5) und es deshalb dahinstehen könne, ob das Vorhaben des Beigeladenen einem landwirtschaftlichen Betrieb i. S. d. § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201 BauGB dient. Hinzuzufügen ist, dass selbst einem privilegierten Vorhaben gegenüber einem im Außenbereich unzulässigen Vorhaben nicht stets der Vorrang gebührt, sondern auch insoweit der Grundsatz der Priorität zu beachten ist. So kann ein im Außenbereich privilegiert zulässiges Vorhaben gegenüber einer dort bereits ausgeübten, genehmigten Nutzung auch dann rücksichtslos sein, wenn diese einen Privilegierungstatbestand nach § 35 Abs. 1 BauGB für sich nicht in Anspruch nehmen könnte (BVerwG, B. v. 23.12.2010 - 4 B 36/10 - BauR 2011, 813 = juris Rn. 4 m. w. N.). Stört das neue Vorhaben einen privilegierten Bestand des Nachbarn nicht, so kann dieser es unter Berufung auf öffentliche Belange nicht abwehren. Stört das neue Vorhaben hingegen, dann kann sich der Privilegierte auf die entgegenstehenden Belange selbst gegenüber einem privilegierten Bauwerber berufen (vgl. bereits BVerwG, U. v. 21.10.1968 - 4 C 13.68 - juris Rn. 11). Für die Wahrung des aus dem öffentlichen Belang des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB folgenden nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots gegenüber einem nicht privilegierten Außenbereichsvorhaben gilt nichts anderes (vgl. BVerwG, B. v. 3.4.1995; B. v. 28.7.1999, a. a. O.).

(2) Bloße Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung - hier also etwaige Ertragseinbußen im Fall einer dem Bauvorhaben nachfolgenden Erstaufforstung - bilden für sich genommen keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht. Denn einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden, gibt es nicht (vgl. BVerwG, B. v. 13.11.1997 - 4 B 195/97 - NVwZ-RR 1998, 540 = juris Rn. 6 m. w. N.). In Ermangelung eines (hier: Wald-) „Bestands“ im für die Anfechtungsklage des Nachbarn maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 53 m. w. N.) kann deshalb nur das schutzwürdige Interesse des Klägers am Fortbestand seiner land- und forstwirtschaftlichen Betätigung als solche berücksichtigt werden. Insoweit hat das Verwaltungsgericht ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, es sei weder vorgetragen noch - angesichts des beachtlichen Umfangs des klägerischen Betriebs - ersichtlich, dass der Kläger auf die vorliegende Erweiterungsmöglichkeit im immissionsschutzrechtlich relevanten Umgriff des Bauvorhabens angewiesen wäre. Dem tritt der Kläger nicht substantiiert entgegen. Allein der pauschale Vortrag, „die forstlichen Erweiterungsmöglichkeiten in diesem Bereich (seien) aufgrund der Restriktionen der Naturparkverordnung ‚H...‘ stark eingeschränkt“, genügt dem nicht.

(3) Offen bleiben kann demnach, ob die Schutzwürdigkeit der klägerischen Erstaufforstung nicht bereits deshalb gemindert ist, weil der Kläger in Kenntnis des emittierenden Tierhaltungsvorhabens des Beigeladenen gleichwohl eine Aufforstung innerhalb des Mindestabstandsbereichs vornimmt.

cc) Ob sich der Kläger auf eine schutzwürdige Abwehrposition berufen hätte können, wenn sein Aufforstungsinteresse durch eine entsprechende Aufforstungserlaubnis vor Erlass der Baugenehmigung legalisiert worden wäre, kann dahinstehen, weil die Aufforstungserlaubnis im für die Anfechtungsklage des Nachbarn maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung (vgl. Schmidt, a. a. O.) noch nicht erteilt war.

Da der Aufforstungsantrag des Klägers dem Bauantrag des Beigeladenen zeitlich nachfolgte, kann der Kläger auch nicht geltend machen, sein Aufforstungsantrag hätte im Verwaltungsverfahren vorrangig genehmigt werden müssen. Das Abstellen auf das verwaltungsrechtliche Prioritätsprinzip führt nicht dazu, dass „letztlich nur der Zufall darüber entscheidet, welche Genehmigung zuerst erteilt wird“. Maßgeblich ist vielmehr die zeitliche Reihenfolge der nach außen durch verfahrenseinleitende Anträge dokumentierten Interessen an der Durchführung konkurrierender Maßnahmen.

Nach dem Grundsatz der verwaltungsrechtlichen Priorität erhält bei konkurrierenden Anträgen in öffentlich-rechtlichen Zulassungsverfahren derjenige vorrangig eine Genehmigung, der als erstes den Antrag eingereicht hat (vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 22 Rn. 60 f.; Rolshoven, NVwZ 2006, 516; Maslaton, NVwZ 2013, 542, jeweils m. w. N.). Es bedarf keiner Klärung, ob der Erstaufforstungsantrag des Klägers mit der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung aus Rechtsgründen unvereinbar ist, ob also überhaupt ein „echter Konkurrenzfall“ vorliegt. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, hatte der Kläger keinen Anspruch auf vorhergehende Genehmigung seines am 5. November 2010 eingereichten Erstaufforstungsantrags, weil er dem Baugenehmigungsantrag des Beigeladenen vom 28. August 2010 zeitlich deutlich nachfolgte. Nachdem sich aus dem materiellen Recht keine Vorrangstellung von Erstaufforstungen gegenüber Bauvorhaben ergibt, begegnet es keinen Bedenken, dass der Bauantrag des Beigeladenen seinem zeitlichen Vorsprung entsprechend vor Erteilung der Erstaufforstungserlaubnis genehmigt wurde.

Daran ändert auch der außerhalb der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachte Einwand des Klägers im Schriftsatz vom 2. August 2014 nichts, wonach der Beigeladene seinen Bauantrag erst am 7. November 2010 und damit nach Einreichung des Erstaufforstungsantrags vervollständigt habe. Es mag zwar zutreffen, dass ein unvollständiger Erstantrag eine „Abweichung von der strengen Anwendung des Prioritätsgrundsatzes rechtfertigen“ kann. Das Abstellen nicht auf den Antragseingang, sondern auf die frühere Entscheidungsreife kann insbesondere bei gleichgerichteten Anträgen gerechtfertigt sein, wenn es etwa - wie im Fall der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg (U. v. 23.7.1998 - Au 3 K 97.908 - BayVBl 1999, 412) - um die Aufnahme in die Vormerkliste für die Erteilung von Genehmigungen zum Taxiverkehr geht (ebs. bei konkurrierenden Zulassungsanträgen für Windenergieanlagen OVG Rh-Pf., B. v. 21.3.2014 - 8 B 10139/14.OVG - BauR 2014, 1133 = juris Rn. 21 ff.). Treffen aber - wie hier - Zulassungsverfahren aufeinander, die den konkurrierenden Antragstellern ein den Anforderungen an die jeweilige Maßnahme geschuldetes unterschiedliches Maß an Mitwirkung abverlangen, wäre es unbillig, lediglich auf die Entscheidungsreife des zeitlich nachfolgenden Antrags eines in dieser Hinsicht einfacheren Verfahrens abzustellen. Der gegenständliche Bauantrag kann aufgrund der besonderen Verfahrensregeln für den Bauantrag und die Bauvorlagen mit ihren umfangreichen formellen und inhaltlichen Anforderungen sowie aufgrund des Umfangs des Vorhabens nicht mit dem gegenständlichen Erstaufforstungsantrag gleichsetzt werden, an den weitaus geringere Anforderungen gestellt werden. Die hohen Anforderungen, die das Verfahrensrecht an die Genehmigungsfähigkeit von Bauanträgen stellt, werden zumindest teilweise durch behördliche Hilfs- und Hinweispflichten ausgeglichen. So sind Bauanträge auch dann weiter zu behandeln, wenn sie der Ergänzung oder Berichtigung bedürfen oder einzelne Bauvorlagen fehlen (Art. 64 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 BayBO; vgl. auch Art. 65 Abs. 2 BayBO). Entgegen den Darlegungen des Klägers kann vorliegend auch nicht von einem bloßen „Rumpf-Antrag“ des Beigeladenen die Rede sein. Dieser hatte vielmehr bereits vor Stellung des klägerischen Aufforstungsantrags einen Bauantrag eingereicht, der die zur Konkretisierung des Vorhabens einschließlich seiner Auswirkungen auf die Nachbarschaft erforderlichen Bauvorlagen enthielt. Die zur Prüfung insbesondere der - nicht nachbarschützenden - Privilegierungsvoraussetzungen erforderlichen weiteren Angaben des Beigeladenen konnten in Ansehung von Art. 64 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 BayBO im Baugenehmigungsverfahren nachgefordert und nachgereicht werden, ohne dass dies den zeitlichen Vorrang des Bauantrags in Frage gestellt hätte.

Hiervon ausgehend musste nicht der Frage nachgegangen werden, zu welchem Zeitpunkt der Erstaufforstungsantrag des Klägers entscheidungsreif war.

d) Der Vortrag, das Verwaltungsgericht äußere zu Unrecht Zweifel an der Rechtsstellung des Klägers aus dem Erstaufforstungsverfahren, führt schon mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zur Zulassung der Berufung.

Das Verwaltungsgericht hält es für fraglich, ob der Kläger Rechte aus der beabsichtigten Aufforstung geltend machen kann, nachdem nicht er, sondern eine GbR den Aufforstungsantrag gestellt hatte, der die Aufforstungserlaubnis auch erteilt wurde. Ob der Zweifel des Verwaltungsgerichts berechtigt ist, kann jedoch dahinstehen, weil die angefochtene Entscheidung nicht darauf beruht. Das Verwaltungsgericht lässt die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage vielmehr offen, weil der Aufforstungsantrag der Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung nicht entgegenstehe. Die Auffassung des Klägers, der „Fehler bei dieser Prüfung“ sei „entscheidungsrelevant“, ist demnach unzutreffend.

e) Die Darlegungen des Klägers im Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 zu der seiner Ansicht nach mehrjährigen (formell) illegalen Nutzung des ggf. abweichend von der Baugenehmigung vom 10. Dezember 2010 ausgeführten Vorhabens des Beigeladenen sind unbeachtlich. Im gegenständlichen Verfahren geht es um die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vom 10. Dezember 2010 in Ansehung der Nachbarrechte des Klägers und nicht um eine ggf. hiervon abweichende Bauausführung. Auch die klägerischen Ausführungen zum Prioritätsprinzip hinsichtlich der Baugenehmigung vom 4. Juli 2014 sind ohne Belang, weil diese nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Tenor

Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. April 2013 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage - 8 K 3981/12 - gegen die Baugenehmigung vom 23. Juli 2012 anzuordnen, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen einschließlich der  erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstands wird auch für das zweitinstanzliche Verfahren auf 3.750,00 Euro festgesetzt.


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(1) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ist ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(2) Im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

(3) Im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben im Übrigen nach § 34 oder § 35.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen.

(2) Zulässig sind

1.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten, landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen und Gartenbaubetriebe,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
sonstige Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
3.
Tankstellen,
4.
nicht störende Gewerbebetriebe.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage sowohl als unzulässig als auch als unbegründet abgewiesen. In einem solchen Fall kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder Begründung ein Revisionszulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (Beschluss vom 19. September 1991 - BVerwG 2 B 108.91 - juris Rn. 4). Vorliegend scheitert die Beschwerde daran, dass es ihr nicht gelingt, hinsichtlich der Abweisung der Klage als unbegründet einen Grund für die Zulassung der Revision aufzuzeigen. Dazu im Einzelnen Folgendes:

3

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.

4

a) Die für den Fall der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Nr. 71b Forstenried-Solln Teil II der Antragsgegnerin gestellte Frage, ob ein gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch zumindest dann anerkannt werden muss, wenn das gebietsexterne Vorhaben ebenso wie das eigene Grundstück in einem faktischen Baugebiet gelegen ist, für das nach der Baunutzungsverordnung dieselben Nutzungsarten (hier: eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte) ausgeschlossen sind, lässt sich mit dem Hinweis auf die vom Verwaltungsgerichtshof in Bezug genommene Entscheidung des Senats vom 22. Dezember 2011 - BVerwG 4 B 32.11 - (ZfBR 2012, 378) ohne weiteres verneinen. Danach kann sich ein Nachbar gegen eine gebietsfremde Nutzung nur zur Wehr setzen, wenn beide Grundstücke demselben faktischen Baugebiet angehören.

5

Die Frage ist nicht deshalb von grundsätzlicher Bedeutung, weil der Senat im Beschluss vom 18. Dezember 2007 - BVerwG 4 B 55.07 - (BayVBl 2008, 765) einem Nachbarn, dessen Grundstück nicht im Plangebiet liegt, einen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Plangebiet nur im Grundsatz abgesprochen hat. Der Vorbehalt trägt dem Umstand Rechnung, dass der Senat einen Gebietserhaltungsanspruch zu Gunsten plangebietsexterner Grundeigentümer jenseits des Bundesrechts für gegeben hält, wenn, was in der Praxis der Ausnahmefall sein wird, Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung nach dem Willen des Plangebers auch Grundeigentümern außerhalb des Plangebiets Drittschutz vermitteln sollen. Dieser Sonderfall ist in faktischen Baugebieten nicht denkbar. Es liegt in der Konsequenz dieser Erkenntnis, dass der Senat im Beschluss vom 22. Dezember 2011 (a.a.O.) einen grenzüberschreitenden Gebietserhaltungsanspruch im Falle des § 34 Abs. 2 BauGB ausnahmslos ausgeschlossen hat.

6

b) Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass sich der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets belegenen Grundstückseigentümers bundesrechtlich (nur) nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme bestimmt und das Maß der gebotenen Rücksichtnahme von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt. Beides entspricht, wie auch die Klägerin nicht verkennt, der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 18. Dezember 2007 a.a.O. und Urteil vom 25. Januar 2007 - BVerwG 4 C 1.06 - BVerwGE 128, 118 Rn. 18). Sie möchte in einem Revisionsverfahren grundsätzlich geklärt wissen, ob die Ansiedlung einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte unmittelbar jenseits der Grenze eines reinen Wohngebiets im Hinblick auf die von ihr ausgehenden Störungen und Belästigungen prinzipiell, d.h. ohne Nachweis einer konkreten Beeinträchtigung unzumutbar im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist.

7

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage ist zu verneinen, ohne dass es dazu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats, dass das Maß der nach § 15 Abs. 1 BauNVO gebotenen Rücksichtnahme, wie sich schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt, gerade von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängt. Gegeneinander abzuwägen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist (Urteile vom 5. August 1983 - BVerwG 4 C 96.79 - BVerwGE 67, 334 <339> und vom 6. Oktober 1989 - BVerwG 4 C 14.87 - ZfBR 1990, 34 <35>; Beschluss vom 3. März 1992 - BVerwG 4 B 70.91 - Buchholz 406.12 § 3 BauNVO Nr. 8 S. 6; Urteil vom 25. Januar 2007 a.a.O.). Feste Regeln lassen sich dabei nicht aufstellen. Erforderlich ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (Urteil vom 5. August 1983 a.a.O. S. 340).

8

Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, die bisherige Rechtsprechung einer Überprüfung in einem Revisionsverfahren zu unterziehen. Es trifft nicht zu, dass die Rechtsprechung dem Wohnungseigentümer in einem reinen Wohngebiet keinerlei Schutz gegen Spielhallen gewährt, die sich unmittelbar hinter der Grenze des Wohngebiets ansiedeln. Je nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls kann die Prüfung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auch zu Gunsten des Wohnungseigentümers ausfallen. Die Ansicht der Klägerin, dass nach einer - hier zu befürchtenden - Häufung von Spielhallen weitere Spielhallen mit Hilfe des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auch dann nicht mehr verhindert werden könnten, wenn sie mit unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft verbunden seien, trifft nicht zu. Das Urteil des Senats vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 4 C 13.93 - (BRS 56 Nr. 61) stützt ihre Ansicht nicht, weil es sich zum Rücksichtnahmegebot nicht verhält.

9

c) Die von der Klägerin als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage, ob der sog. trading-down-Effekt auf den Qualitätsverlust von Einkaufsstraßen und Einkaufszonen beschränkt ist oder auch eine negative Betroffenheit von reinen Wohngebieten kennzeichnet, führt nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision, weil es sich bei ihr nicht um eine Rechtsfrage handelt. Der (sozioökonomische) Begriff des trading-down-Effekts kennzeichnet eine Entwicklung, die auf der Beobachtung wirtschaftlicher Aktivitäten und ihrer Auswirkungen auf gesellschaftliche Prozesse beruht. Ihre Erfassung und Bewertung ist der Ebene der Sachverhaltsermittlung zuzuordnen und obliegt den Tatsachengerichten. Auf die weitere Frage, ob ein trading-down-Effekt auch dann zu bejahen ist, wenn er baugebietsübergreifend eintritt oder einzutreten droht, kommt es nicht mehr an.

10

2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen.

11

a) Die Klägerin hält dem Verwaltungsgerichtshof vor, zu Unrecht auf die Einholung eines Gutachtens über die mögliche Wertminderung ihres Wohneigentums durch die Ansiedlung einer Spielhalle in unmittelbarer Umgebung verzichtet zu haben, und sieht darin der Sache nach einen Verstoß gegen die Pflicht zur Klärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO). Die Kritik verhilft der Verfahrensrüge nicht zum Erfolg. Der Bereich der Tatsachenfeststellung ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen, auch wenn dieser Standpunkt rechtlich verfehlt sein sollte (Urteil vom 25. März 1987 - BVerwG 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183; stRspr). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Einholung des von der Klägerin vermissten Wertgutachtens nur für den Fall für erforderlich gehalten, dass das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist (UA Rn. 23). Da er diesen Fall verneint hat - ob zu Recht oder zu Unrecht, ist unerheblich -, hatte er keinen Anlass, die für möglich gehaltene Wertminderung durch einen Sachverständigen ermitteln zu lassen.

12

b) Die Klägerin rügt ferner einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und damit gleichzeitig eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Der Verwaltungsgerichtshof habe in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge abschlägig beschieden, weil er die unter Beweis gestellten Behauptungen als wahr unterstellt habe, ihr, der Klägerin, im Urteil aber ohne vorherigen Hinweis auf die Ergänzungsbedürftigkeit ihres Vortrags vorgehalten habe, der bisherige Vortrag sei nicht substanziiert.

13

Auch diese Verfahrensrüge führt nicht zur Zulassung der Revision. Bei den Behauptungen, die der Verwaltungsgerichtshof als wahr unterstellt hat, handelt es sich um andere als diejenigen, die er für nicht substanziiert hält. Die von der Klägerin unter Beweis gestellten und vom Verwaltungsgerichtshof als wahr unterstellten Behauptungen zu den Auswirkungen von Spielhallen auf die Umgebung sind nach der vorinstanzlichen Einschätzung allgemeiner Natur (UA Rn. 22). Sie seien hinzunehmen (UA Rn. 22 a.E.). Einen Abwehranspruch gibt es nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofs nur bei einer konkreten Beeinträchtigung, die den Grad der Unzumutbarkeit erreicht haben muss. Dafür sei weder etwas ersichtlich noch substanziiert vorgetragen. Auf die mangelnde Substanziierung des Vorbringens zu einer konkreten Beeinträchtigung ihres Wohneigentums musste der Verwaltungsgerichtshof die Klägerin nicht aufmerksam machen. Eine allgemeine Pflicht der Gerichte, die Beteiligten auf die gerichtliche Rechtsauffassung und die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen, besteht nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. April 1987 - 1 BvR 883/86 - DB 1987, 2287 <2288>).

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.


Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt/Wstr. vom 5. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweiligen Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger begehren bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine baugebietswidrige Wohnnutzung.

2

Sie sind Eigentümer der in der Gemarkung R… gelegenen Grundstücke Flurstück Nrn. …, … und …, auf denen sie eine Spedition betreiben. Im Nordwesten grenzt an diese Parzellen das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück der Beigeladenen an (Flurstück Nr. …). Der am 1. August 1991 in Kraft getretene Bebauungsplan „In der Langenbach“ setzt für diese Flurstücke ein Gewerbegebiet fest. Im Süden des Speditionsgeländes schließt sich ein ebenfalls mit Wohnhäusern bebautes Mischgebiet an.

3

Das Wohnhaus der Beigeladenen wurde 1913 errichtet. 1986 wurde das Hausgrundstück vom Land Rheinland-Pfalz - Straßenverwaltung - angekauft, da es zu einem großen Teil für den Straßenbau benötigt wurde. Von Anfang 1988 bis Mitte 1991 nutzte die Straßenverwaltung das Gebäude als Büro. Nach Fertigstellung der Straßenbaumaßnahme verkaufte das Land Rheinland-Pfalz das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom Dezember 1992 zum Preis von 90.000,00 DM an die Kläger, die das Gebäude seither zu Wohnzwecken nutzen.

4

Im Jahr 1995 erteilte der Beklagte den Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon.

5

Seit etwa 1999 beanstandete die Bauaufsichtsbehörde den Umfang des Lkw-Betriebes auf dem Speditionsgrundstück. Ein schalltechnisches Gutachten vom April 2001 ergab, dass bei 6 Lkw-Abfahrten von dem Grundstück in der lautesten Nachtstunde am Wohngebäude der Beigeladenen der Immissionsrichtwert für Gewerbegebiete (50 dB(A)) nicht eingehalten werden könne. Am 25. Juli 2003 verfügte der Beklagte ein Nachtfahrverbot für LKW. Schließlich wurde den Klägern am 13. Februar 2007 eine Baugenehmigung u.a. für einen Abstellplatz mit der Maßgabe erteilt, dass in der lautesten Nachtstunde maximal 3 Pkw-Parkvorgänge und 3 Lkw-Abfahrten zulässig seien.

6

Hinsichtlich der Wohnnutzung des Gebäudes der Beigeladenen stellte der Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 2004 fest, dass diese Wohnnutzung sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegen baurechtliche Bestimmungen verstoße und ein Bestandsschutz aus einer früher zulässigerweise ausgeübten Wohnnutzung nicht mehr bestehe. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Kreisverwaltung aber bereit sei, aufgrund der besonderen Umstände des Falles von einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen die rechtswidrige Wohnnutzung abzusehen, allerdings nur dann, wenn keine strengeren Lärmschutzanforderungen als die für ein Betriebswohngebäude im Gewerbegebiet gestellt würden. Diese Duldungsentscheidung stelle eine sachgerechte Interessenabwägung dar und verschaffe den Beigeladenen eine „gewisse verfestigte Rechtsposition“. Die von den Beigeladenen gegen die Feststellung der Baurechtswidrigkeit ihrer Wohnnutzung erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des VG Neustadt an der Weinstraße vom 26. November 2007 - 3 K 724/07.NW - und Beschluss des Senats vom 26. März 2008 - 8 A 10034/08.OVG -). Im Rahmen einer Petition der Beigeladenen, mit der sie die Erstreckung der Duldung auch auf ihre Kinder erreichen wollten, teilte der Landrat des Beklagten mit Schreiben vom 15. September 2008 mit, dass die Beigeladenen auch künftig mit einem Einschreiten nicht rechnen müssten, sofern nicht besondere Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art ein Einschreiten erforderten. Diese Ausführungen würden entsprechend auch für den Fall der Übernahme des Gebäudes durch die Kinder der Beigeladenen gelten.

7

Mit Schreiben vom 21. November 2008 bat der damalige Bevollmächtigte der Kläger den Beklagten unter Hinweis auf die inzwischen rechtskräftig festgestellte Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung um Aufklärung, in welcher Weise die Bauverwaltung einzuschreiten gedenke. In seiner Antwort teilte der Beklagte mit, dass den Interessen des Speditionsunternehmens durch die „Gleichstellung“ des Hauses mit einem Betriebswohngebäude hinreichend Rechnung getragen worden sei. Nachdem eine erneute Bitte um bauaufsichtliches Einschreiten im September 2009 erfolglos geblieben war, beantragten die Kläger mit Schreiben vom 23. August 2010 förmlich, gegen die rechtswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten. Zumindest müsse die im Bescheid vom 6. Februar 2004 ausgesprochene Duldung eingeschränkt werden.

8

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10. Februar 2011 ab und führte zur Begründung aus: Der im Falle der Verletzung des Gebietsbewahrungsanspruchs grundsätzlich bestehende Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten scheide hier wegen besonderer Umstände des Falles aus. Zunächst sei der Nachbaranspruch verwirkt. Darüber hinaus stünden einem Einschreiten auch Vertrauensschutzgesichtspunkte zu Gunsten der Beigeladenen entgegen. Ihnen sei nicht erkennbar gewesen, dass sie 1992 ein illegales Wohngebäude erwarben. Hinzu komme, dass ihnen 1995 die Errichtung einer Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon bauaufsichtlich genehmigt worden sei, woraufhin die Beigeladenen nicht unerhebliche Investitionen getätigt hätten. Mit der „Gleichstellung“ des Wohngebäudes der Beigeladenen mit einer Betriebswohnung sei den Interessen des Speditionsbetriebs hinreichend Rechnung getragen. Im Übrigen behalte sich die Kreisverwaltung ein Einschreiten vor, sofern dies wegen besonderer Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art im öffentlichen Interesse erforderlich werde. Demzufolge werde auch der Hilfsantrag auf Einschränkung der Duldung abgelehnt. Ob das Ableben der Beigeladenen oder andere Umstände ein Einschreiten erfordere, werde zu gegebener Zeit im Einzelfall zu entscheiden sein.

9

Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2011 zurückgewiesen. Zuvor hatten die Beigeladenen ausgeführt, dass die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen das Land Rheinland-Pfalz wegen des im Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsausschlusses erfolglos geblieben sei.

10

Die Kläger haben zur Begründung der daraufhin erhobenen Klage vorgetragen: Die Verweigerung des bauaufsichtlichen Einschreitens sei ermessensfehlerhaft. Die Nachbarschaft zu den Beigeladenen gestalte sich denkbar ungünstig. Es komme immer wieder zu neuen Anzeigen beim Gewerbeaufsichtsamt und anderen Ämtern. Dadurch würden die Abläufe in ihrem Speditionsbetrieb empfindlich gestört. Ihr Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sei auch nicht verwirkt. Zweifelsfrei Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hätten sie erst nach Abschluss des auf den Bescheid vom 6. Februar 2004 bezogenen Verfahrens der Beigeladenen gehabt. Sollte doch von einer Duldung auszugehen sein, müsse diese jedoch jedenfalls beschränkt werden.

11

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. Dezember 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Den Klägern stehe ein Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung nicht zu. Zwar sei die von den Beigeladenen ausgeübte Wohnnutzung formell und materiell baurechtswidrig. Jedoch liege ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch der Kläger nicht vor. Mit der in der Duldungsverfügung vom 6. Februar 2004 enthaltenen Gleichstellung des Gebäudes der Beigeladenen mit einem im Gewerbegebiet nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Betriebswohngebäude sei dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des im Bebauungsplan festgesetzten Gebietscharakters Genüge getan. Eine negative Vorbildwirkung durch die geduldete Wohnnutzung sei nicht zu befürchten, da sich in dem festgesetzten Gewerbegebiet neben dem Grundstück der Beigeladenen lediglich noch die Grundstücke der Kläger befänden. Vor diesem Hintergrund sei auch der Hilfsantrag abzuweisen. Ein Bedürfnis für eine Konkretisierung oder Einschränkung der Duldung vom 6. Februar 2004 bestehe derzeit nicht.

12

Die Kläger haben zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung im Wesentlichen ausgeführt: Ihr Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten sei nicht verwirkt. Sie hätten rechtzeitig nach rechtskräftiger Feststellung der Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung der Beigeladenen ein bauaufsichtliches Einschreiten beantragt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ihr Gebietsbewahrungsanspruch sehr wohl verletzt. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO lasse lediglich Betriebswohnungen ausnahmsweise zu. Eine Baugenehmigung für eine reine Wohnnutzung - wie hier - sei deshalb rechtswidrig. Dann sei aber eine dahingehende Duldungsentscheidung ebenfalls rechtswidrig. Es gehe nicht an, dass sich die Behörde durch ihr eigenes Verhalten an der Herstellung rechtmäßiger Zustände hindere.

13

Die Kläger beantragen,

14

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 5. Dezember 2011 den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über ihren Antrag auf Unterlassung der Nutzung des Grundstücks P… Straße in R… zu Wohnzwecken unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Nach seiner Auffassung ist die Duldungsentscheidung vom 6. Februar 2004 gegenüber den Klägern bestandskräftig geworden. Im Übrigen sei die Behörde durchaus bauaufsichtlich eingeschritten, indem sie nämlich das Wohnhaus der Beigeladenen einer Betriebswohnung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO gleichgestellt habe. Die darüber hinaus ausgesprochene Duldung stelle gerade unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes zugunsten der Beigeladenen eine rechtmäßige Ermessensentscheidung dar.

18

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

19

die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie tragen ergänzend vor: Dem Anspruch auf Einschreiten stehe bereits die Bestandskraft des Duldungsbescheids vom 6. Februar 2004 entgegen. Die Kläger hätten nach Kenntnis hiervon länger als ein Jahr nichts dagegen unternommen. Darüber hinaus sei der Anspruch auf Einschreiten auch infolge der Untätigkeit der Kläger gegenüber der bereits seit 1992 ausgeübten Wohnnutzung verwirkt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Behördenakten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung hat keinen Erfolg.

23

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung über ihren Antrag, gegen die Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten. Denn die ablehnende Entscheidung des Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt.

24

Rechtsgrundlage für das begehrte bauaufsichtliche Einschreiten ist § 81 Satz 1 LBauO. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die Benutzung baulicher Anlagen untersagen, wenn diese gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen. Dieser Ermächtigung zum bauaufsichtlichen Einschreiten korrespondiert ein subjektiver Anspruch eines Nachbarn auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, sofern die verletzte Vorschrift nachbarschützend ist (vgl. Urteil des Senats vom 7. Dezember 2005 - 8 A 11062/05.OVG -).

25

1. Die Wohnnutzung der Beigeladenen ist sowohl formell baurechtswidrig, weil sich die ursprünglich im Jahr 1913 genehmigte Wohnnutzung des Hauses infolge der Umnutzung zum Baubüro erledigt hat, als auch materiell baurechtswidrig, weil sie nicht genehmigungsfähig ist. In einem Gewerbegebiet sind Wohngebäude grundsätzlich nicht zulässig. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO können lediglich Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber untergeordnet sind, ausnahmsweise zugelassen werden. Diese Ausnahmevoraussetzungen liegen für die reine Wohnnutzung der Beigeladenen nicht vor. All dies steht zwischen den Beteiligten durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 26. November 2007 - 3 K 724/07.NW - und den Beschluss des Senats vom 26. März 2008 - 8 A 10034/08.OVG - rechtskräftig fest.

26

Die Kläger können sich auch auf die materielle Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung durch die Beigeladenen berufen. Denn die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungspläne hat für die Nachbarn im Plangebiet kraft Bundesrechts nachbarschützende Funktion (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151, LS 2). Soweit das Verwaltungsgericht zwischen objektiver Rechtswidrigkeit der Grundstücksnutzung und dem Umfang des Gebietsbewahrungsanspruchs des Nachbarn differenziert, gilt es klarzustellen, dass der Umfang der subjektiven Rechtsstellung des Nachbarn in vollem Umfang den objektiv-rechtlichen Anforderungen an die Gebietsverträglichkeit entspricht. So hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass der Nachbar auch dann einen Anspruch auf die Bewahrung der festgesetzten Gebietsart hat, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993, a.a.O., S. 161 und juris, Rn. 23). Dass die baugebietswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen aufgrund der getroffenen Duldungsentscheidung zu keinen strengeren Lärmschutzvorkehrungen als den in einem Gewerbegebiet erforderlichen zwingt, ist deshalb für die Frage des Verstoßes gegen den Gebietsbewahrungsanspruch unerheblich.

27

2. Trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen der Eingriffsermächtigung in § 81 Satz 1 LBauO haben die Kläger keinen Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die im Haus der Beigeladenen stattfindende Wohnnutzung, weil der Beklagte dies zum jetzigen Zeitpunkt fehlerfrei abgelehnt hat.

28

a) Es kann deshalb letztlich dahingestellt bleiben, ob dem von den Klägern geltend gemachten Anspruch der Einwand der Verwirkung oder die Unanfechtbarkeit der Duldungsentscheidung vom 6. Februar 2004 entgegengehalten werden kann. In beiden Fällen neigt der Senat allerdings dazu, dies zu verneinen.

29

Dass die Kläger seit Aufnahme der Wohnnutzung durch die Beigeladenen im Jahr 1992 lange Zeit untätig geblieben sind, dürfte deshalb keine Verwirkung ihrer nachbarlichen Ansprüche auf bauaufsichtliches Einschreiten begründen, weil in den 1990er Jahren keiner der Beteiligten erkannt hatte, dass die 1913 erteilte Baugenehmigung zur Wohnnutzung infolge der Umnutzung des Hauses durch die Straßenverwaltung unwirksam geworden war (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen der Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991, 1182 und juris, Rn. 22).

30

Hinsichtlich des Bescheids vom 6. Februar 2004 dürfte zwar von einem Duldungsverwaltungsakt auszugehen sein. Hierfür sprechen die Formulierungen „Duldungsentscheidung“ und „Verschaffen einer verfestigten Rechtsposition“. Indes dürfte diese Duldungsentscheidung gegenüber den Klägern nicht unanfechtbar geworden sein. Eine unmittelbare Anwendung der Anfechtungsfristen nach §§ 57, 58 und 70 VwGO scheidet mangels förmlicher Bekanntgabe des Verwaltungsakts den Klägern gegenüber aus. Das Berufen auf die fehlende Bekanntgabe der Duldungsentscheidung dürfte ihnen auch nicht nach Treu und Glauben versagt werden können. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in dem von den Beigeladenen zitierten Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72 -, ausgeführt, dass einem Nachbar dann, wenn er sichere Kenntnis von einer Baugenehmigung erlangt hat oder hätte erlangen müssen, nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein könne, dass die Baugenehmigung ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde (vgl. BVerwGE 44, 294, Leitsatz 2). Die danach erforderliche Treuwidrigkeit dürfte den Klägern hier allerdings nicht vorgehalten werden können. So haben sie in dem mit dem Beklagten geführten Rechtsstreit um das Nachtfahrverbot vom 25. Juli 2003 bereits im Schriftsatz ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 8. November 2004 die in dem „Feststellungsbescheid“ (vom 6. Februar 2004) erklärte Duldung der Wohnnutzung der Beigeladenen als „evident rechtsmissbräuchlich und ermessensfehlerhaft“ kritisiert. Dass sie darüber hinaus keine weiteren Schritte eingeleitet, sondern zunächst den Rechtsstreit zwischen den Beigeladenen und dem Beklagten über die Baurechtswidrigkeit der Wohnnutzung abgewartet haben, erscheint legitim. Nach rechtskräftigem Abschluss dieses Rechtsstreits sind die Kläger dann alsbald aktiv geworden und haben um bauaufsichtliches Einschreiten nachgesucht.

31

b) Der Beklagte hat den Antrag der Kläger, gegen die rechtswidrige Wohnnutzung der Beigeladenen durch Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung einzuschreiten, im Bescheid vom 10. Februar 2011 jedenfalls ermessensfehlerfrei abgelehnt.

32

Zwar kann ein Nachbar nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts bei der Verletzung nachbarschützender Vorschriften grundsätzlich ein bauaufsichtliches Einschreiten zum Zwecke der Beseitigung des Rechtsverstoßes beanspruchen. Eine solche Ermessensreduzierung gilt jedoch nicht uneingeschränkt. So ist anerkannt, dass sie dann nicht eintritt, wenn eine Befreiung oder eine Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift in Betracht kommt, übergeordnete, sich aus der Sache selbst ergebende öffentliche Interessen einem Einschreiten entgegenstehen oder sich die Abweichung von der nachbarschützenden Vorschrift im Bagatellbereich hält (vgl. OVG RP, Urteile vom 22. Oktober 1987 - 1 A 108/85 - und 7. Dezember 2005 - 8 A 11062/05.OVG -, jew. m.w.N.). Der Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten ist ferner eingeschränkt, soweit der Einschreitenspflicht der Behörde ihrerseits rechtliche Schranken entgegenstehen. Denn der subjektive Anspruch des Nachbarn kann nicht weitergehen als die objektive Pflicht der Bauaufsichtsbehörde.

33

Der Beklagte sieht sich derzeit zu Recht aus Gründen des Vertrauensschutzes an dem Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber den Beigeladenen gehindert.

34

(1) Zwar können polizeiliche bzw. ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse nicht verwirkt werden. Denn im Unterschied zu subjektiven privaten Rechten sind sie nicht verzichtbar, müssen vielmehr im öffentlichen Interesse zur Gewährleistung rechtmäßiger Zustände aufrechterhalten bleiben (vgl. VGH BW, Urteil vom 1. April 2008 - 10 S 1388/06 -, NVwZ-RR 2008, 696; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 53 Rn. 44). Von dem Tatbestand der Verwirkung ist jedoch der Umstand zu unterscheiden, dass sich das Gebrauchmachen von einer Eingriffsermächtigung im Einzelfall als ermessensfehlerhaft erweisen kann, wenn sich eine Behörde damit in Widerspruch zu ihrem früheren Verhalten setzt und schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen verletzt. So ist in der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts anerkannt, dass eine Bauaufsichtsbehörde dann am ermessensfehlerfreien Erlass einer Beseitigungsverfügung gehindert sein kann, wenn sie durch ihr vorangegangenes positives Tun einen Vertrauenstatbestand beim Bauherrn geschaffen und dieser im Vertrauen darauf nicht unerhebliche und nur schwer rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat (sog. „aktive Duldung“, vgl. OVG RP, Urteil vom 13. Dezember 1979 - 1 A 68/77 -, AS 15, 324 [326]; Urteil vom 22. November 2011 - 8 A 11101/11.OVG -, DVBl. 2012, 250; ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 18. November 2008 -7 A 103/08-, NVwZ-RR 2009, 364 und juris, Rn. 48 f; Decker, in: Simon/Busse, BayBauO, 107. Ergänzungslieferung 2012, Art. 76, Rn. 227 m.w.N.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 53, Rn. 27).

35

Die Begrenzung der Einschreitenspflicht aus Gründen des Vertrauensschutzes schränkt die Durchsetzung des objektiven Rechts und der damit korrespondierenden subjektiven Nachbaransprüche zwangsläufig ein. Diese Zurücknahme der Rechtsdurchsetzung ist aber durch die gegenläufigen, ihrerseits ebenfalls rechtlich geschützten Interessen gerechtfertigt (vgl. zu dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gebot des Vertrauensschutzes bei Erlass baurechtlicher Beseitigungsverfügungen: BVerfG, Beschluss vom 2. September 2004 -1 BvR 1860/02-, NVwZ 2005, 203 [Pirmasenser Amnestie]). Die widerstreitenden Positionen müssen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Hierzu dient das den Bauaufsichtsbehörden eingeräumte Ermessen. Dabei wird dem Gebot zur Herbeiführung rechtmäßiger Zustände von vornherein dadurch in besonderem Maße Ausdruck verliehen, dass die Hinnahme rechtswidriger Zustände aus Gründen des Vertrauensschutzes nur für einen vorübergehenden Zeitraum erlaubt sein kann. Keinesfalls darf die auf schutzwürdiges Vertrauen gestützte Duldung in ihrer Wirkung derjenigen einer Baugenehmigung gleichkommen (vgl. HessVGH, Beschluss vom 29. März 1993 - 4 UE 470/90 -, BauR 1994, 229 und juris, Rn. 13; Finkelnburg/Ortloff/Otto, Öffentliches Baurecht, Bd. II, 6. Aufl. 2010, S. 186 m.w.N.).

36

(2) Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Beklagten, aktuell nicht gegen die Wohnnutzung der Beigeladenen in ihrem Haus P… Str. einzuschreiten, rechtlich nicht zu beanstanden.

37

Der Beklagte hat zu Recht erkannt, dass durch die Baugenehmigung zur Errichtung der Eingangsüberdachung mit Terrasse und Balkon im Jahr 1995 ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden war. Die Beigeladenen mussten diese Baugenehmigung so verstehen, dass die Berechtigung zur Wohnnutzung in dem von ihnen erworbenen Haus nicht in Frage gestellt wird. Die sich im Nachhinein als rechtswidrig erweisende Genehmigung ist auch von den Klägern nicht beanstandet worden; gestritten wurde im Rahmen der Bauausführung lediglich um einen geringfügigen Terrassenüberbau. Da die Beigeladenen im Vertrauen auf die Berechtigung ihrer Wohnnutzung auch nicht unerhebliche Investitionen getätigt haben, würde die Bauaufsichtsbehörde gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstoßen, wenn sie hierauf im Rahmen der Entscheidung über die Durchsetzung des Gebietsbewahrungsanspruchs nicht Rücksicht nähme.

38

Andererseits hat der Beklagte bei seinen, dem Bescheid vom 11. Februar 2011 zugrunde liegenden Ermessenserwägungen auch die schutzwürdigen Interessen der Kläger gewürdigt und ihnen in gebotenem Maße Rechnung getragen. Wie vom Verwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegt, hat die Behörde nämlich die Duldung des baurechtswidrigen Zustands an die Bedingung geknüpft, dass die Beigeladenen keine strengeren Lärmschutzanforderungen geltend machen, als dies für eine Betriebswohnung in einem Gewerbebetrieb beansprucht werden könnte. Dies bedeutet, dass sich die Beigeladenen mit den in einem Gewerbegebiet zwangsläufig entstehenden und als gebietsverträglich zu bewertenden Geräuscheinwirkungen, einschließlich auftretender Geräuschspitzen, abzufinden haben. Sofern sie darüber hinaus Schutzvorkehrungen auch unterhalb des in einem Gewerbegebiet üblichen Niveaus beanspruchen und gegenüber dem Beklagten geltend machen, stellen sie damit die ihnen lediglich unter der vorgenannten Bedingung gewährte Duldung in Frage. Ferner hat der Beklagte in seinem Bescheid vom 10. Februar 2011 den Interessen der Kläger dadurch Rechnung getragen, dass er sich die Möglichkeit des Einschreitens in der Zukunft ausdrücklich vorbehalten und dabei durchaus offengelassen hat, ob nicht der – von den Klägern angesprochene – Zeitpunkt des Ablebens der Beigeladenen und damit die Beendigung der derzeit praktizierten baurechtswidrigen Nutzung des Hauses einen Anlass für ein Einschreiten darstellt. Soweit darin eine Einschränkung gegenüber der großzügigeren, nämlich eine Anschlussnutzung durch die Kinder der Beigeladenen einschließende Duldungsregelung im Schreiben des Landrats vom 15. September 2008 zu sehen ist, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Denn § 50 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG stellt Aufhebungen bzw. Einschränkungen von Verwaltungsakten anlässlich oder gelegentlich eines Rechtsbehelfsverfahrens - wie hier - von Vertrauensschutzerwägungen nach §§ 48 oder 49 VwVfG frei (vgl. Ziekow, VwVfG, 2. Aufl. 2010, § 50 Rn. 2).

39

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

40

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

41

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

42

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 GKG).

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt

1.
schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können;
2.
Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen;
3.
Abfälle vermieden, nicht zu vermeidende Abfälle verwertet und nicht zu verwertende Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden; Abfälle sind nicht zu vermeiden, soweit die Vermeidung technisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist; die Vermeidung ist unzulässig, soweit sie zu nachteiligeren Umweltauswirkungen führt als die Verwertung; die Verwertung und Beseitigung von Abfällen erfolgt nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes und den sonstigen für die Abfälle geltenden Vorschriften;
4.
Energie sparsam und effizient verwendet wird.

(2) Soweit genehmigungsbedürftige Anlagen dem Anwendungsbereich des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes unterliegen, sind Anforderungen zur Begrenzung von Emissionen von Treibhausgasen nur zulässig, um zur Erfüllung der Pflichten nach Absatz 1 Nummer 1 sicherzustellen, dass im Einwirkungsbereich der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen entstehen; dies gilt nur für Treibhausgase, die für die betreffende Tätigkeit nach Anhang 1 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes umfasst sind. Bei diesen Anlagen dürfen zur Erfüllung der Pflicht zur effizienten Verwendung von Energie in Bezug auf die Emissionen von Kohlendioxid, die auf Verbrennungs- oder anderen Prozessen der Anlage beruhen, keine Anforderungen gestellt werden, die über die Pflichten hinausgehen, welche das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz begründet.

(3) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen, dass auch nach einer Betriebseinstellung

1.
von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können,
2.
vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und
3.
die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Anlagengrundstücks gewährleistet ist.

(4) Wurden nach dem 7. Januar 2013 auf Grund des Betriebs einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie erhebliche Bodenverschmutzungen oder erhebliche Grundwasserverschmutzungen durch relevante gefährliche Stoffe im Vergleich zu dem im Bericht über den Ausgangszustand angegebenen Zustand verursacht, so ist der Betreiber nach Einstellung des Betriebs der Anlage verpflichtet, soweit dies verhältnismäßig ist, Maßnahmen zur Beseitigung dieser Verschmutzung zu ergreifen, um das Anlagengrundstück in jenen Ausgangszustand zurückzuführen. Die zuständige Behörde hat der Öffentlichkeit relevante Informationen zu diesen vom Betreiber getroffenen Maßnahmen zugänglich zu machen, und zwar auch über das Internet. Soweit Informationen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, gilt § 10 Absatz 2 entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.