Gericht

Sozialgericht Würzburg

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.12.2015 zu bezahlen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Der Streitwert wird auf 300 Euro festgesetzt.

IV.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob ein unstrittiger Anspruch der Klägerin durch Aufrechnung mit einem strittigen Erstattungsanspruch der Beklagten wegen einer angeblich ohne Rechtsgrund an die Klägerin geleisteten Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro erloschen ist.

Die Klägerin ist Trägerin eines gemäß § 108 Ziffer 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) zugelassenen Krankenhauses. In diesem Krankenhaus wurde die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte C. (Versicherte) in der Zeit vom 27. Januar 2014 bis zum 05. Februar 2014 stationär behandelt. Mit Rechnung vom 12. Februar 2014 forderte die Klägerin von der Beklagten die Vergütung für diesen stationären Aufenthalt auf Grundlage der DRG-Fallpauschale „H41B“.

In der Folgezeit beauftragte die Beklagte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung, was der Klägerin mit Schreiben des MDK vom 19. Februar 2014 angezeigt wurde. In dem Schreiben des MDK wurde insbesondere ausgeführt:

„[...] der MDK Bayern hat gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einen Prüfauftrag über die u. g. Krankenhausbehandlungen erhalten, was wir hiermit gemäß § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V anzeigen [...].“

Weiterhin wird in diesem Schreiben in Bezug auf die Krankenhausbehandlung der Versicherten folgende Fragestellung genannt:

„Ist /Sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt? AFG: Die J18.1; D68.4 sind aufgrund der uns vorliegenden Patientenhistorie fraglich, in Bezug auf die gemeldeten Prozeduren nicht explizid [sic] nachvollziehbar.“

Die Gutachterin des MDK Frau N. führte in ihrem in dieser Sache erstellten Gutachten vom 15. Juli 2014 insbesondere aus:

„Im Rahmen der Einzelfallbegutachtung (im Krankenhaus A-Stadt am 14.07.2014) kam es nach Einsicht in die Krankenakte, jedoch ohne Fallbesprechung mit der Klinik, zu folgendem Ergebnis: Die Kodierung der cclrelevanten Nebendiagnosen ist sachgerecht, die DRG bleibt bestehen.“

Die Klägerin forderte daraufhin mit Rechnung vom 22. Juli 2014 von der Beklagten die Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro. Die Beklagte beglich die Rechnung in der Folgezeit.

Mit Schreiben vom 17. September 2015 forderte die Beklagte von der Klägerin die Rückzahlung der geleisteten Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro. Der 1. Senat des Bundessozialgerichts habe in seinen Urteilen vom 01. Juli 2014 und 14. Oktober 2014 den Anspruch auf die Aufwandspauschale konkretisiert. Soweit das Krankenhaus dem MDK - wie vorliegend - lediglich im Rahmen der Abklärung der sachlichrechnerischen Richtigkeit die Möglichkeit eröffne, Behandlungsunterlagen einzusehen, finde § 275 Abs. 1c SGB V keine Anwendung. Daher sei kein Anspruch auf die Aufwandspauschale entstanden. Die 300,00 Euro seien daher ohne Rechtsgrund geleistet worden.

Nachdem die Klägerin die Rückzahlung verweigerte, erklärte die Beklagte am 12. Oktober 2015 die Aufrechnung in Höhe von 300,00 Euro gegen eine zwischen den Beteiligten unstrittige Forderung der Klägerin aus einer stationären Behandlung eines anderen Versicherten der Beklagten.

Die Klägerin hat am 21. Dezember 2015 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die zwischen den Beteiligten unstrittige Forderung der Klägerin aus einer stationären Behandlung eines anderen Versicherten der Beklagten in Höhe von 300,00 Euro nicht durch Aufrechnung erloschen ist. Ein Rückforderungsanspruch der Beklagten habe nicht bestanden. Die Beklagte habe die 300,00 Euro gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V vielmehr mit Rechtsgrund geleistet. Für ein Prüfregime der „sachlichrechnerischen Richtigkeit“ mangle es an einer gesetzlichen Grundlage. Im Übrigen stünden die diesbezüglichen Entscheidungen des 1. Senats des Bundessozialgerichts in Widerspruch zu einer früheren Entscheidung vom 22. Juni 2010. Auch in der Literatur seien die Entscheidungen des 1. Senats zum Prüfregime der „sachlichrechnerischen Richtigkeit“ sehr kritisch bewertet worden. Alle juristischen Auslegungsmethoden würden letztlich dagegen sprechen, dass der Anspruch auf die Aufwandspauschale bei der durchgeführten Prüfung durch den MDK nicht bestünde. Vielmehr entstehe der Anspruch auf die Aufwandspauschale, sobald der MDK auf der „dritten Stufe“ mit der Überprüfung der Krankenhausabrechnung betraut worden sei. Da hier insbesondere die Überprüfung durch den MDK zu keiner Verminderung des Rechnungsbetrages geführt habe, sei der Anspruch auf die Aufwandspauschale entstanden. Wegen der weiteren Begründung der Klägerin wird auf die Klageschrift vom 21. Dezember 2015 (Bl. 1 bis 8 der Verfahrensakte), sowie auf den Schriftsatz vom 21.03.2016 (Bl. 58 bis 65 der Verfahrensakte) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.12.2015 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

den Rechtsstreit zu vertagen und eine Schriftsatzfrist von vier Monaten, mindestens aber zwei Monaten, zu gewähren. Hilfsweise beantragt sie, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass der Anspruch auf die Aufwandspauschale deshalb nicht entstanden sei, weil vorliegend keine Auffälligkeitsprüfung im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durchgeführt worden sei. Der zuständige 1. Senat des Bundessozialgerichts differenziere zwischen einer Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und der Prüfung der sachlichrechnerischen Richtigkeit, die ihre Grundlage in § 301 SGB V habe. Die Besonderen Regelungen des § 275 Abs. 1c SGB V, namentlich die dort geregelte Frist von sechs Wochen und der Anspruch auf die Aufwandspauschale, würden nur zur Anwendung kommen, wenn eine Auffälligkeitsprüfung in Bezug auf das Wirtschaftlichkeitsgebot erfolgt sei. Die Kodierung, die auch hier durch den MDK überprüft worden sei, betreffe nicht die Frage der Wirtschaftlichkeit, sondern die sachlichrechnerische Richtigkeit der Abrechnung. Demnach sei ein Anspruch auf die Aufwandspauschale der Klägerin hier nicht entstanden. Wegen der weiteren Begründung der Beklagten wird auf die Klageerwiderung vom 17. März 2016 (Bl. 39 bis 43 der Verfahrensakte) verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist, ob ein unstrittiger Anspruch der Klägerin aus einer stationären Krankenhausbehandlung eines Versicherten der Beklagten in Höhe von 300,00 Euro durch Aufrechnung mit einem strittigen Erstattungsanspruch der Beklagten wegen einer angeblich ohne Rechtsgrund an die Klägerin geleisteten Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro erloschen ist.

I.

Die Klage ist zulässig.

Die Klage wurde zum sachlich (§ 51 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und örtlich (§ 57 SGG) zuständigen Sozialgericht Würzburg form- und fristgerecht erhoben. Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft, weil der mit der Klage verfolgte Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung eines Versicherten der Beklagten aus einem Parteiengleichordnungsverhältnis stammt. Über diesen Anspruch kann nicht durch Verwaltungsalt entschieden werden. Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen. Auch die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 10.04.2008, B 3 KR 20/07 R, juris; BSG Urteil vom 08.11.2011, B 11 KR 8/11 R, juris).

II.

Die Klage ist begründet.

1.

Der von der Klägerin geltend gemachte Vergütungsanspruch in Höhe von 300,00 Euro ist dem Grunde und der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstrittig. Soweit sich die beklagte Krankenkasse - wie vorliegend - gegenüber einer Klage auf Zahlung auf Vergütung ausschließlich im Rahmen der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, bedarf es bezüglich des (unstreitigen) Bestehens der Hauptforderung keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen (BSG, Urteil vom 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, juris, Rn. 10; Urteil vom 22.07.2004, B 3 KR 21/03 R, juris Rn. 13; BSG, Urteil vom 03.08.2006, B 3 KR 7/06 R, juris Rn. 10).

2.

Diese unstrittige Forderung der Klägerin ist nicht durch Aufrechnung entsprechend § 389 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit einem öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch der Beklagten in derselben Höhe wegen der stationären Krankenhausbehandlung der Versicherten erloschen. Die Voraussetzungen der Aufrechnung waren nicht erfüllt. Der Beklagten stand insbesondere kein Rückzahlungsanspruch gegen die Klägerin zu.

a.

Ob überhaupt eine den Anforderungen des § 388 BGB genügende Aufrechnungserklärung vorliegt (vgl. zu den Anforderungen: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.11.2015, L 5 KR 390/12, juris) und ob eine Aufrechnung mit einem bestrittenen Rückforderungsanspruch im Verhältnis zwischen zugelassenen Krankenhäusern und gesetzlichen Krankenkassen überhaupt zulässig ist, muss nicht entschieden werden. Die Aufrechnung scheitert jedenfalls daran, dass kein Rückzahlungsanspruch der Beklagten in Höhe von 300,00 Euro gegen die Klägerin bestand.

b.

Rechtsgrundlage eines solchen Anspruchs der Beklagten auf Rückzahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro wäre ein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch. Dieser Anspruch setzt insbesondere voraus, dass der Berechtigte - hier die beklagte Krankenkasse - im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat. Dies ist hier nicht der Fall. Die Beklagte hat die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro mit Rechtsgrund an die Klägerin geleistet.

aa.

Rechtsgrundlage des Anspruchs des Krankenhausträgers auf Zahlung der Aufwandspauschale ist § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V. Nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V ist bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V eine Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zeitnah durchzuführen. Diese Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (vgl. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V). Daran anschließend bestimmt § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V:

„Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro zu entrichten.“

Danach setzt der Anspruch auf die Aufwandspauschale voraus, dass die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den MDK im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V veranlasst hat, dem Krankenhaus durch eine Anforderung von Sozialdaten durch den MDK gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ein Aufwand entstanden ist, die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat und das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses veranlasst wurde (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.11. 2013, B 3 KR 4/13 R, juris).

bb.

Unter Berücksichtigung dessen ist ein Anspruch der Klägerin auf die Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V entstanden. Insbesondere lag eine Prüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vor. Dies folgt aus der Auslegung des Prüfauftrages aus dem objektiven Empfängerhorizont.

(1)

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt eine Auffälligkeitsprüfung im Sinne von § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vor, wenn die Krankenkasse den MDK beauftragt, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der in Rechnung gestellten Vergütung zu gelangen, das heißt eine Verminderung des (möglicherweise) vom Krankenhaus zu hoch angesetzten Abrechnungsbetrages zu erreichen.

Ob die Krankenkasse einen solchen gezielten Prüfauftrag zur Abrechnungsminderung erteilt hat, ist nach den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 133 und § 157 BGB) zu entscheiden. Ein Prüfauftrag ist regelmäßig gezielt zur Abrechnungsminderung erteilt, wenn er sich zumindest auch ganz oder teilweise auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erstreckt, für den das Krankenhaus der Krankenkasse eine Rechnung übersandt hat, und wenn er objektiv zur Folge haben kann, dass diese der Krankenkasse bereits vorliegende Abrechnung des Krankhauses infolge des Prüfergebnisses gemindert wird (BSG, Urteil vom 23.06.2015, B 1 KR 24/14 R, juris).

Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich nicht allein auf die schriftliche, insbesondere formularmäßige Beschreibung des Prüfauftrags abzustellen, insbesondere sei nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen. Namentlich seien auch ergänzende Umstände zu berücksichtigen, etwa eine rechtmäßige allgemeine Übung, mündliche Hinweise der Krankenkasse oder vor Übersendung der Prüfanzeige an das Krankenhaus einvernehmlich zwischen Krankenkasse und MDK abgesprochene Prüfinhalte. Zu berücksichtigen sei auch die Interessenlage, insbesondere das Informationsgefälle zwischen Krankenhaus und Krankenkasse, und der mit dem Auftrag verfolgte Zweck, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu achten. Erst daraus folge, wie der MDK den Prüfauftrag verstehen musste. Für die Frage, was Inhalt des Prüfauftrags ist, der sich nur an den MDK richte, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei alledem alleine auf den Empfängerhorizont des MDK, nicht eines Dritten, an (vgl. insbesondere BSG, Urteil vom 17.12.2013, B 1 KR 14/13 R, juris; BSG, Urteil vom 23.06.2015, B 1 KR 23/14 R, juris).

Nach Auffassung der Kammer ist nicht nur der Empfängerhorizont des MDK zu berücksichtigen. Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, wie der Krankenhausträger den Prüfauftrag verstehen musste. Darauf kommt es vorliegend jedoch nicht an, da die zuvor beschriebene Auslegung nach dem Empfängerhorizont des MDK zum selben Ergebnis führt: Der MDK wurde mit einer Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V beauftragt.

(2)

Die Auslegung aus dem objektiven Empfängerhorizont des MDK ergibt, dass die Beklagte den MDK mit einer Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V beauftragt hat.

Zunächst steht es dieser Auslegung nicht entgegen, dass der Prüfauftrag die Kodierung betraf. Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts liegt eine „Prüfung der sachlichrechnerischen Richtigkeit der Abrechnung“ regelmäßig dann vor, wenn Gegenstand der Prüfung ist, ob die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften korrekt ist und bestehender Kodierpraxis entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R, juris). Die Frage nach der korrekten Kodierung schließt das Einleiten einer Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V jedoch nicht aus. Denn eine Krankenkasse kann insbesondere sachlichrechnerische Auffälligkeiten zum Anlass nehmen, von sich aus gezielt eine Auffälligkeitsprüfung einzuleiten (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2014, B 1 KR 29/13 R, juris). Die Überprüfung der Kodierung kann somit auch Gegenstand einer Auffälligkeitsprüfung sein. Entscheidend für das Vorliegen einer Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ist letztlich, ob es das Ziel der Krankenkasse - aus objektiver Empfängersicht - ist, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der in Rechnung gestellten Vergütung zu gelangen. Dies war hier der Fall.

Aus dem Wortlaut des Prüfauftrages kann das Ziel der Beklagten nicht zweifelsfrei abgeleitet werden. Aus den Begleitumständen der Erklärung ergibt sich jedoch, dass die Beklagte tatsächlich eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eingeleitet hat.

Der Beklagten war - ebenso wie dem Krankenhausträger und dem MDK - zum Zeitpunkt der Erteilung des Prüfauftrag unbekannt, dass es neben der Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ein Prüfregime der „sachlichrechnerischen Richtigkeit“ außerhalb des Anwendungsbereich von § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V geben soll. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 17. September 2015 zutreffend ausgeführte, dass der 1. Senat des Bundessozialgerichts erst in seinen Urteilen vom 01. Juli 2014 und 14. Oktober 2014 die Rechtsprechung in Bezug auf die Überprüfung der Abrechnung weiterentwickelt bzw. konkretisiert hat. Entsprechend konnte der MDK - wie auch der klagende Krankenhausträger - den Prüfauftrag der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt nur so verstehen, dass eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eingeleitet wurde. Konsequenterweise hat der MDK der Klägerin dies jeweils in seinen Prüfanzeigen auch mitgeteilt.

Die gezielt als Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V eingeleitet Überprüfung der Krankenhausrechnung der Klägerin kann die Beklagte nicht nachträglich in eine Prüfung der „sachlichrechnerischen Richtigkeit“ umdeuten. Maßgeblich bleibt der wirkliche Wille der Beklagten im Zeitpunkt der Erteilung des Prüfauftrages. Dieser ging eindeutig - was zwischen den Beteiligten unstrittig ist - dahin, eine Prüfung im Sinne von § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch den MDK durchführen zu lassen.

cc.

Selbst wenn anzunehmen wäre, dass tatsächlich eine Prüfung der „sachlichrechnerischen Richtigkeit“ durchgeführt wurde, hätte dennoch ein Anspruch der Klägerin auf die Aufwandspauschale bestanden.

Auch bei einer Überprüfung der sachlichrechnerischen Richtigkeit entsteht - soweit die übrigen Voraussetzungen des § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V vorliegen - ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale. Die Prüfung der sachlichrechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung durch den MDK hat ihre Grundlage - entgegen der Auffassung des 1. Senats des Bundessozialgerichts - in § 275 Abs. 1c SGB V in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und nicht (alleine) in § 301 SGB V. Deshalb entsteht bei einer solchen Prüfung ein Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V. Die Kammer schließt sich den Urteilen der Sozialgerichte Trier (Urteil vom 17.02.2016, S 5 KR 100/15, nicht veröffentlicht), Darmstadt (Urteil vom 07.12.2015, S 8 KR 434/14, juris), Rostock (Urteil vom 02.03.2016, S 15 KR 406/13, juris), Mainz (Urteil vom 04.05.2015, S 3 KR 428/14, juris), Osnabrück (Urteil vom 27.01.2016, S 34 KR 98/15, juris und Urteil vom 10.12.2015, S 34 KR 238/15, juris), Dortmund (Urteil vom 06.07.2015, S 40 KR 514/13, juris; Urteil vom 22.06.2015, S 40 KR 867/13, juris), Detmold (Urteil vom 04.02.2016, S 24 KR 380/15, juris), Speyer (Urteil vom 28.07.2015, S 19 KR 588/14, juris), Halle (Urteil vom 27.05.2015, S 35 KR 570/13, nicht veröffentlicht), Ulm (Urteil vom 18.06.2015, S 13 KR 2461/14, nicht veröffentlicht), Augsburg (Urteil vom 15.12.2015, S 6 KR 97/15, nicht veröffentlicht) und Oldenburg (Urteil vom 11.01.2016, S 62 KR 163/15, nicht veröffentlicht) an.

(1)

Insbesondere der Wortlaut des § 275 Abs. 1c SGB V in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V spricht dafür, dass gerade auch die Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, also der sachlichrechnerischen Richtigkeit, von § 275 Abs. 1, 1c SGB V erfasst werden soll (vgl. hierzu insbesondere SG Osnabrück, Urteil vom 10.12.2015, S 34 KR 238/15, juris und SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015, S 8 KR 434/14, juris). Für eine Begrenzung der Anwendung der Vorschriften auf die Prüfung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots findet sich kein Anhaltspunkt in der Formulierung der Vorschriften (vgl. Knispel, Gesundheitsrecht 2015, S. 200, 206; SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015, S 8 KR 434/14, juris; Hambüchen, Rechtsgutachten im Auftrag der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e.V. vom 04.01.2016, S. 19).

Die Überprüfung durch den MDK soll nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V „bei Erbringung von Leistungen“ stattfinden. Dies konkretisiert § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V auf die Leistung der „Krankenhausbehandlung nach § 39“. Das Wort „insbesondere“ in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V macht deutlich, dass die Aufzählung in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht abschließend ist und neben der Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie von Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung auch noch weitere Prüfungsgegenstände erfasst werden können (vgl. Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 4.5.2015, Az. S 3 KR 428/14). In Bezug auf die „Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung“ enthält der Wortlaut der Vorschrift eine einschränke Voraussetzung. Sie darf nur „bei Auffälligkeiten“ erfolgen. Jedoch wird keine Differenzierung zwischen Auffälligkeiten in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Abrechnung und Auffälligkeiten in Bezug auf die sachlichrechnerischen Richtigkeit der Abrechnung vorgenommen (vgl. SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015, S 8 KR 434/14, juris). Vielmehr ist nach dem Wortlaut der Norm auch die „sachlichrechnerische Richtigkeit“ Bestandteil einer „ordnungsgemäßen Abrechnung“ gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.

§ 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V verweist ohne Einschränkung auf § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Sofern eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vorliegt, entsteht daher - soweit die weiteren Voraussetzungen des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V vorliegen - auch ein Anspruch auf die Aufwandspauschale.

(2)

Dieses Ergebnis wird durch die historische Auslegung unter Berücksichtigung der Regelungsgeschichte bestätigt.

Die Formulierung in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V „sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung“ wurde durch das Gesetz zur Einführung des diagnoseorientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23. April 2002 mit Wirkung zum 01. Januar 2003 ins SGB V eingefügt. Diese Änderung fand im Rahmen der Einführung des DRG-Systems zur Vergütung der Krankenhausleistungen in das Gesetz statt (BT-Drs. 14/7862, S. 6). Dies spricht dafür, dass gerade auch die ordnungsgemäße Anwendung der Kodiervorschriften erfasst sein sollte und damit die sachlichrechnerischen Richtigkeit der Abrechnung (vgl. Knispel, Gesundheitsrecht 2015, S. 200, 206; SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015, S 8). Dass der Gesetzgeber die Vorschrift auf die Prüfung bei Auffälligkeiten im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzen wollte, lässt sich der Begründung zum Gesetzesentwurf nicht entnehmen (vgl. BT-Drs. 14/7862, S. 6).

Die Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 in das SGB V eingefügt. Der Gesetzgeber sah einen „Handlungsbedarf im Hinblick auf den Umfang der gutachtlichen Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), die Krankenkassen im Rahmen der Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 anfordern „ (BT-Drucksache 16/3100, S 171). Die eingeführte Frist von sechs Wochen sollte bewirken, Einzelfallprüfungen zukünftig zielorientierter und zügiger einzusetzen. Um einer ungezielten und übermäßigen Einleitung von Begutachtungen durch den MDK entgegenzuwirken, wurde die Regelung über eine Aufwandspauschale eingeführt (BT-Drucksache 16/3100, S 171). Es stände in starkem Widerspruch zu dieser Intention des Gesetzgeber, wenn beide Regelungen (Aufwandspauschale und die Frist von sechs Wochen) auf einen großen Teil der Abrechnungsprüfungen, namentlichen jene auf sachlichrechnerische Richtigkeit, gar keine Anwendung finden würden (vgl. Hambüchen a. a. O., S. 21; SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015, S 8 KR 434/14, juris).

(3)

Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die systematische Auslegung bestätigt. Das SGB V regelt in seinem Neunten Kapitel (§ 275 - § 283) abschließend die Einbindung des MDK in die Leistungs- und Abrechnungsprüfung der Krankenkasse, also die Frage, wann und in welchen Fällen eine Begutachtungs-, Beratungs- und Prüfkompetenz des MDK besteht, während § 301 SGB V systematisch im Zweiten Abschnitt des Zehnten Kapitels des SGB V steht und die Form und das Verfahren bei der Übermittlung der Behandlungs- bzw. Patientendaten zwischen Krankenhaus und Krankenkasse regelt. § 301 SGB V sieht gerade keine Prüfungskompetenzen durch den MDK vor (vgl. SG Speyer Urteil vom 28.07.2015, S 19 KR 588/14, juris; SG Detmold, Urteil vom 04.02.2016, S 24 KR 380/15, juris).

(4)

Auch der Gesetzeszweck des § 275 Abs. 1c SGB V, Anreize zur Vermeidung unverhältnismäßiger und nicht sachgerechter Prüfungen zur Einzelfallsteuerung zu setzen, Bürokratie abzubauen, eine Beschleunigung des Prüfverfahrens zu erreichen und mit der Aufwandspauschale eine vereinfachte - keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleistende - Regelung zu schaffen (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 171), spricht für das gefundene Auslegungsergebnis (vgl. SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015, S 8 KR 434/14, juris). Ein Ausklammern der Prüfung der sachlichrechnerischen Richtigkeit aus § 275 Abs. 1c SGB V in Verbindung mit § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V würde diesem Zweck widersprechen.

(5)

Dem gefundenen Auslegungsergebnis ist auch nach dem Grundsatz der „Verfassungskonformität“ der Vorzug zu geben.

(5.1)

Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist eine Auslegung geboten, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. BVerfGE 19, 1 (5); 30, 129 (148); 32, 373 (383 f.); 49, 148 (157); 69, 1). Aber auch darüber hinaus ist, sofern nach den übrigen anerkannten Auslegungskriterien mehrere Auslegungsergebnisse möglich sind, derjenigen der Vorzug zu geben, die mit den Prinzipien der Verfassung am besten übereinstimmt (Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 1995, S. 160; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.03.2004, L 1 AL 67/02, juris).

Die Annahme eines Prüfverfahrens der sachlichrechnerischen Richtigkeit durch den MDK außerhalb des Anwendungsbereichs des § 275 SGB V unter Verwertung der Behandlungsdaten aus der Patientenakte führt zu einer Versetzung des Grundrecht der behandelten Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und verstößt darüber hinaus gegen die einfachgesetzliche Ausgestaltung des Sozialdatenschutzes.

(5.2)

Die Patientenakte fällt in den Schutzbereich des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 08.03.1972, 2 BvR 28/71; BVerfGE 32, 373). Die Einsichtnahme in die Patientenakte und die Verwendung der darin enthaltenen Daten durch den MDK zur Abrechnungsprüfung greift in den Schutzbereich dieses Grundrechts ein (vgl. Harks, NZS, 2013, 247, 249 ff.). Denn als Eingriffe sind die Erhebung, Sammlung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der geschützten Daten anzusehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1; Urteil vom 17.06.1984, 2 BvE 11/83, BVerfGE 67, 100; Urteil vom 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239).

Der somit regelmäßig vorliegende Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bedarf einer speziellen gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.06.2004, 3 C 41/03, BVerwGE 121, 115). Das den Eingriff rechtfertigende Gesetz muss Voraussetzungen und Umfang der Beeinträchtigungen dabei hinreichend klar umschreiben (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209/83, BVerfGE 65, 1; Beschluss vom 07.03.1995, 1 BvR 1564/92, BVerfGE 92, 191). Dass bedeutet, dass der Zweck und die Grenzen des Eingriffs bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden müssen (BVerfG, Urteil vom 27.06.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348; Urteil vom 24.11.2010, 1 BvF 2/05, BVerfGE 128, 1; Beschluss vom 24.01.2012, 1 BvR 1299/05, BVerfGE 130, 151). Dabei muss insbesondere festgeschrieben werden, welche staatliche Stelle zur Erfüllung welcher Aufgabe zur fraglichen Informationserhebung und Informationsverarbeitung berechtigt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.2007, 1 BvR 1550/03, BVerfGE 118, 168). Zudem muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden: An den mit dem Eingriff verfolgten Zweck sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je tiefer die in den Daten gespeicherten Informationen Auskunft über den privaten Bereich des Betroffenen geben und je intensiver die Daten genutzt werden sollen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.1988, 1 BvL 49/86, BVerfGE 78, 77; BVerfG, Urteil vom 11.03.2008, 1 BvR 2074/05, BVerfGE 120, 378).

(5.3)

Einfachgesetzlich sind die in der Patientenakte enthaltenen Daten durch § 35 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) und die §§ 67 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) geschützt. Diese Regelungen sollen die beschriebenen verfassungsrechtlichen Vorgaben für Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung umsetzen (vgl. Binne/Rixen in SRH, 5. Auflage 2012, § 10 Rn. 5 und 12). Auch der MDK ist gem. § 35 Abs. 1 Satz 4 zur Wahrung des Sozialgeheimnisses verpflichtet (Heberlein, SGb 2009, 68, 69). Ebenso gelten für den Schutz der Sozialdaten beim und vor dem MDK die §§ 67 ff. SGB X, ergänzt durch bereichsspezifische Regelungen des SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R, juris; BSG, Urteil vom 28.05.2003, B 3 KR 10/02 R, juris; Heberlein, SGb 2009, 68, 69).

Im Rahmen der Prüfung der sachlichrechnerischen Richtigkeit unter Einsichtnahme in die Patientenakte findet eine Erhebung von Sozialdaten im Sinne von § 67 Abs. 5 SGB X statt. Denn der MDK beschafft sich zielgerichtet Daten der betroffenen Versicherten.

Nach § 67a SGB X ist das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle erforderlich ist. Die spezialgesetzliche Ermächtigungsnorm für die Erhebung von Sozialdaten durch den MDK stellt § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V dar. Die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ergeben sich hieraus klar erkennbar. Danach darf der MDK Daten nur dann erheben, soweit dies für die Prüfungen, Beratungen und gutachtlichen Stellungnahmen nach § 275 erforderlich ist (vgl. Padé/Wollenschläger in: Eichenhofer/Wenner, § 276 Rn. 11; Heberlein, SGb 2009, 68, 69; Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, 02/08, § 276 SGB V, Rn. 3; Lücking in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2. Auflage 2014, § 40 Rn. 45).

Für eine Erhebung der Daten aus der Patientenakte für die Abrechnungsprüfung außerhalb des Prüfverfahrens nach § 275 SGB V besteht dagegen keine spezialgesetzliche Ermächtigung. Insbesondere § 301 SGB V stellt keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den MDK zur Datenerhebung dar. § 301 SGB V zählt aus datenschutzrechtlichen Gründen abschließend auf, welche Angaben den Krankenkassen bei einer Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten zu übermitteln sind (vgl. BT-Drucks 12/3608, 112; BSG, Urteil vom 23. Juli 2002 - B 3 KR 64/01 R, juris). Die Norm stellt dagegen keine gesetzliche Grundlage für eine Datenerhebung durch den MDK dar. Die Norm erfüllt insbesondere nicht die nach dem Bundesverfassungsgericht notwendigen Anforderungen an die Normklarheit in Bezug auf einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch den MDK im Rahmen der hier vorliegenden Abrechnungsprüfung. Insbesondere werden die Voraussetzungen und Grenzen des Eingriffs nicht klar erkennbar definiert.

(5.4)

Es ist strittig, ob eine Datenerhebung alleine aufgrund einer Einwilligung des Betroffenen erfolgen darf. Dies ist im SGB X nicht ausdrücklich geregelt. Die Regelung über die Einwilligung in § 67b Abs. 2 SGB X nimmt nur auf die Datenverarbeitung und -nutzung Bezug (vgl. Fromm in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 67a SGB X, Rn. 23).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt eine ausreichend konkrete Einwilligung eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 13. Auflage 2014, Art. 2 Rn. 54). Dabei kann sogar eine stillschweigend erklärte Einwilligung ausreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.10.2002, 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98, BVerfGE 106, 28). Ob eine solche stillschweigende Einwilligung anzunehmen ist, muss jedoch unter hinreichender Berücksichtigung des grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts des Grundrechtsträgers bewertet werden (BVerfG a. a. O.). Eine solche hinreichend konkrete (konkludente) Einwilligung liegt hier jedenfalls nicht vor. Insbesondere kann in der bloßen Inanspruchnahme einer stationären Krankenhausbehandlung keine konkludente Einwilligung in die Datenerhebung durch den MDK gesehen werden.

(5.5)

Ob die Erhebung von Sozialdaten aus der Patientenakte durch die Krankenkasse selbst nach § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8 SGB V für eine Abrechnungsprüfung außerhalb von § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zulässig wäre, muss nicht entschieden werden. Jedenfalls wäre die Kenntniserlangung durch den MDK wiederum als Erhebung im Sinne von § 67a SGB X bzw. § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V zu werten (vgl. Rombach in: Hauck/Noftz, SGB, 12/13, § 67 SGB X, Rn. 73; Heberlein, SGb 2009, 68, 69), wofür wiederum einer den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügende gesetzliche Grundlage fehlt.

3.

Der Anspruch auf die Zinsen folgt aus § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 291 Satz 1 BGB.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Berufung war gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zuzulassen.

Rechtsmittelbelehrung zu I. und II. des Tenors

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen.

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Würzburg, Ludwigstraße 33, 97070 Würzburg, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Würzburg in elektronischer Form eingelegt wird.

Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der „Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG“ an die elektronische Gerichtspoststelle des Bayer. Landessozialgerichts oder des Sozialgerichts Würzburg zu übermitteln ist. Über das Internetportal des elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.

Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.

Rechtsmittelbelehrung zu III. des Tenors

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i. V. m. § 68 Abs.1 GKG Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder weil sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Urteil zugelassen hat.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Sozialgericht Würzburg, Ludwigstraße 33, 97070 Würzburg, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Würzburg in elektronischer Form einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses einzulegen.

Die elektronische Form wird nur durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der „Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Sozialgerichtsbarkeit - ERVV SG“ an die elektronische Gerichtspoststelle des Sozialgerichts Würzburg zu übermitteln ist. Über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden.

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Sozialgericht Würzburg Urteil, 24. März 2016 - S 11 KR 628/15 zitiert 32 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 39 Krankenhausbehandlung


(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bish

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 275 Begutachtung und Beratung


(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,1.bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfu

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 389 Wirkung der Aufrechnung


Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 69 Anwendungsbereich


(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 301 Krankenhäuser und Rehabilitationseinrichtungen


(1) Die nach § 108 zugelassenen Krankenhäuser oder ihre Krankenhausträger sind verpflichtet, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitte

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 388 Erklärung der Aufrechnung


Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 57


(1) Örtlich zuständig ist das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis, so kann er auch vor dem fü

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 35 Sozialgeheimnis


(1) Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Absatz 2 Zehntes Buch) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerha

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 67 Begriffsbestimmungen


(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freie

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 276 Zusammenarbeit


(1) Die Krankenkassen sind verpflichtet, dem Medizinischen Dienst die für die Beratung und Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Unterlagen, die der Versicherte über seine Mitwirkungspflicht nach den §§ 60 und 6

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 144 Betriebskrankenkassen


(1) Betriebskrankenkassen sind Krankenkassen, die durch den Arbeitgeber für einen oder mehrere Betriebe errichtet wurden. (2) Eine Betriebskrankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass sie durch alle Versicherungspflichtigen und Versicherungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 284 Sozialdaten bei den Krankenkassen


(1) Die Krankenkassen dürfen Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung nur erheben und speichern, soweit diese für1.die Feststellung des Versicherungsverhältnisses und der Mitgliedschaft, einschließlich der für die Anbahnung eines Versicherungsv

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 67a Erhebung von Sozialdaten


(1) Die Erhebung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Dies gilt auch für die Erhebung der bes

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 67b Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten


(1) Die Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, soweit die nachfolgenden Vorschriften oder eine andere Rechtsvors

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Sozialgericht Würzburg Urteil, 24. März 2016 - S 11 KR 628/15 zitiert oder wird zitiert von 13 Urteil(en).

Sozialgericht Würzburg Urteil, 24. März 2016 - S 11 KR 628/15 zitiert 13 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. August 2012 wird zurückgewiesen und die Widerklage abgewiesen. II. Die Beklagte trägt die Kosten auch der Berufung. III. Der S

Sozialgericht Rostock Urteil, 02. März 2016 - S 15 KR 406/13

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Tenor 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.176,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300 € nebst Zinsen in Höhe von 5.

Sozialgericht Detmold Urteil, 04. Feb. 2016 - S 24 KR 380/15

bei uns veröffentlicht am 04.02.2016

Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verf

Sozialgericht Dortmund Urteil, 06. Juli 2015 - S 40 KR 514/13

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Tenor Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf

Bundessozialgericht Urteil, 23. Juni 2015 - B 1 KR 24/14 R

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Bundessozialgericht Urteil, 23. Juni 2015 - B 1 KR 23/14 R

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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. November 2013 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29.

Sozialgericht Dortmund Urteil, 22. Juni 2015 - S 40 KR 867/13

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Bundessozialgericht Urteil, 14. Okt. 2014 - B 1 KR 25/13 R

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Bundessozialgericht Urteil, 01. Juli 2014 - B 1 KR 29/13 R

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Bundessozialgericht Urteil, 28. Nov. 2013 - B 3 KR 33/12 R

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Bundessozialgericht Urteil, 28. Nov. 2013 - B 3 KR 4/13 R

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Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. November 2012 geändert und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt v

Bundesverfassungsgericht Urteil, 24. Nov. 2010 - 1 BvF 2/05

bei uns veröffentlicht am 24.11.2010

Tenor § 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentech

Referenzen

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Die nach § 108 zugelassenen Krankenhäuser oder ihre Krankenhausträger sind verpflichtet, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 sowie das krankenhausinterne Kennzeichen des Versicherten,
2.
das Institutionskennzeichen der Krankenkasse und des Krankenhauses sowie ab dem 1. Januar 2020 dessen Kennzeichen nach § 293 Absatz 6,
3.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Aufnahme sowie die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei einer Änderung der Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen, die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung, bei Kleinkindern bis zu einem Jahr das Aufnahmegewicht,
4.
bei ärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung die Arztnummer des einweisenden Arztes, bei Verlegung das Institutionskennzeichen des veranlassenden Krankenhauses, bei Notfallaufnahme die die Aufnahme veranlassende Stelle,
5.
die Bezeichnung der aufnehmenden Fachabteilung, bei Verlegung die der weiterbehandelnden Fachabteilungen,
6.
Datum und Art der im oder vom jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren,
7.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Entlassung oder der Verlegung, bei externer Verlegung das Institutionskennzeichen der aufnehmenden Institution, bei Entlassung oder Verlegung die für die Krankenhausbehandlung maßgebliche Hauptdiagnose und die Nebendiagnosen,
8.
Aussagen zur Arbeitsfähigkeit und Vorschläge zur erforderlichen weiteren Behandlung für Zwecke des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a mit Angabe geeigneter Einrichtungen und bei der Verlegung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe der aufnehmenden Einrichtung sowie bei der Entlassung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe, ob eine weitere Beatmung geplant ist,
9.
die nach den §§ 115a und 115b sowie nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der Bundespflegesatzverordnung berechneten Entgelte,
10.
den Nachweis über die Erfüllung der Meldepflicht nach § 36 des Implantateregistergesetzes.
Die Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie der Angaben nach Satz 1 Nr. 8 ist auch in nicht maschinenlesbarer Form zulässig.

(2) Die Diagnosen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 7 sind nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung zu verschlüsseln. Die Operationen und sonstigen Prozeduren nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 sind nach dem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Schlüssel zu verschlüsseln; der Schlüssel hat die sonstigen Prozeduren zu umfassen, die nach § 17b und § 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes abgerechnet werden können. In dem Operationen- und Prozedurenschlüssel nach Satz 2 können durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auch Voraussetzungen für die Abrechnung der Operationen und sonstigen Prozeduren festgelegt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit gibt den Zeitpunkt der Inkraftsetzung der jeweiligen Fassung des Diagnosenschlüssels nach Satz 1 sowie des Prozedurenschlüssels nach Satz 2 im Bundesanzeiger bekannt; es kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beauftragen, den in Satz 1 genannten Schlüssel um Zusatzkennzeichen zur Gewährleistung der für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen notwendigen Aussagefähigkeit des Schlüssels sowie um Zusatzangaben für seltene Erkrankungen zu ergänzen. Von dem in Satz 4 genannten Zeitpunkt an sind der Diagnoseschlüssel nach Satz 1 sowie der Operationen- und Prozedurenschlüssel nach Satz 2 verbindlich und für die Abrechnung der erbrachten Leistungen zu verwenden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann bei Auslegungsfragen zu den Diagnosenschlüsseln nach Satz 1 und den Prozedurenschlüsseln nach Satz 2 Klarstellungen und Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen, soweit diese nicht zu erweiterten Anforderungen an die Verschlüsselung erbrachter Leistungen führen. Für das Verfahren der Festlegung des Diagnoseschlüssels nach Satz 1 sowie des Operationen- und Prozedurenschlüssels nach Satz 2 gibt sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Verfahrensordnung, die der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf und die auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu veröffentlichen ist.

(2a) Die Krankenkassen haben den nach § 108 zugelassenen Krankenhäusern einen bestehenden Pflegegrad gemäß § 15 des Elften Buches eines Patienten oder einer Patientin unverzüglich zu übermitteln, sobald ihnen das Krankenhaus anzeigt, dass es den Patienten oder die Patientin zur Behandlung aufgenommen hat. Während des Krankenhausaufenthaltes eines Patienten oder einer Patientin haben die Krankenkassen dem Krankenhaus Änderungen eines bestehenden Pflegegrades des Patienten oder der Patientin sowie beantragte Einstufungen in einen Pflegegrad durch einen Patienten oder eine Patientin zu übermitteln. Die Übermittlung nach den Sätzen 1 und 2 hat im Wege elektronischer Datenübertragung zu erfolgen.

(3) Das Nähere über Form und Inhalt der erforderlichen Vordrucke, die Zeitabstände für die Übermittlung der Angaben nach Absatz 1 und das Verfahren der Abrechnung sowie ein Verfahren zur Übermittlung eines Antrages auf Anschlussrehabilitation durch das Krankenhaus auf Wunsch und mit Einwilligung der Versicherten, jeweils im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern sowie das Nähere zum Verfahren und zu den Zeitabständen der Übermittlung im Wege elektronischer Datenübertragungen nach Absatz 2a vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder den Bundesverbänden der Krankenhausträger gemeinsam.

(4) Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 oder § 111c besteht, sind verpflichtet den Krankenkassen bei stationärer oder ambulanter Behandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 sowie das interne Kennzeichen der Einrichtung für den Versicherten,
2.
das Institutionskennzeichen der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung und der Krankenkasse,
3.
den Tag der Aufnahme, die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, die voraussichtliche Dauer der Behandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung,
4.
bei ärztlicher Verordnung von Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen die Arztnummer des einweisenden Arztes,
5.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Entlassung oder der externen Verlegung sowie die Entlassungs- oder Verlegungsdiagnose; bei externer Verlegung das Institutionskennzeichen der aufnehmenden Institution,
6.
Angaben über die durchgeführten Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen sowie Vorschläge für die Art der weiteren Behandlung mit Angabe geeigneter Einrichtungen,
7.
die berechneten Entgelte.
Die Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie Angaben nach Satz 1 Nr. 6 ist auch in nicht maschinenlesbarer Form zulässig. Für die Angabe der Diagnosen nach Satz 1 Nr. 3 und 5 gilt Absatz 2 entsprechend. Absatz 3 gilt entsprechend.

(4a) Einrichtungen, die Leistungen nach § 15 des Sechsten Buches und nach § 33 des Siebten Buches erbringen, sind auf Anforderung der zuständigen Krankenkasse verpflichtet, dieser bei Erwerbstätigen mit einem Anspruch auf Krankengeld nach § 44 für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Bestimmung der Dauer des Krankengeldanspruchs und der Mitteilung an den Arbeitgeber über die auf den Entgeltfortzahlungsanspruch des Versicherten anrechenbaren Zeiten stehen, sowie zur Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach den §§ 44, 71 Absatz 5 des Neunten Buches und § 74 folgende Angaben zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 2 bis 6,
2.
das Institutionskennzeichen der Einrichtung,
3.
den Tag der Aufnahme, den Tag und den Grund der Entlassung oder der externen Verlegung sowie die Entlassungs- oder Verlegungsdiagnose,
4.
Aussagen zur Arbeitsfähigkeit,
5.
die zur Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach den §§ 44, 71 Absatz 5 des Neunten Buches sowie nach § 74 erforderlichen Angaben.
Die Übermittlung erfolgt im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern. Für die Angabe der Diagnosen nach Satz 1 Nummer 3 gilt Absatz 2 entsprechend. Das Nähere über Form und Inhalt der erforderlichen Vordrucke, die Zeitabstände für die Übermittlung der Angaben nach Satz 1 und das Verfahren der Übermittlung vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gemeinsam mit den für die Wahrnehmung der Interessen der Rehabilitationseinrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch maßgeblichen Bundesverbänden.

(5) Die ermächtigten Krankenhausärzte sind verpflichtet, dem Krankenhausträger im Rahmen des Verfahrens nach § 120 Abs. 1 Satz 3 die für die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen erforderlichen Unterlagen zu übermitteln; § 295 gilt entsprechend. Der Krankenhausträger hat den kassenärztlichen Vereinigungen die Abrechnungsunterlagen zum Zweck der Abrechnung vorzulegen.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Örtlich zuständig ist das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis, so kann er auch vor dem für den Beschäftigungsort zuständigen Sozialgericht klagen. Klagt eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, in Angelegenheiten nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch ein Unternehmen der privaten Pflegeversicherung oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts oder des Schwerbehindertenrechts ein Land, so ist der Sitz oder Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Beklagten maßgebend, wenn dieser eine natürliche Person oder eine juristische Person des Privatrechts ist.

(2) Ist die erstmalige Bewilligung einer Hinterbliebenenrente streitig, so ist der Wohnsitz oder in Ermangelung dessen der Aufenthaltsort der Witwe oder des Witwers maßgebend. Ist eine Witwe oder ein Witwer nicht vorhanden, so ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die jüngste Waise im Inland ihren Wohnsitz oder in Ermangelung dessen ihren Aufenthaltsort hat; sind nur Eltern oder Großeltern vorhanden, so ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Eltern oder Großeltern ihren Wohnsitz oder in Ermangelung dessen ihren Aufenthaltsort haben. Bei verschiedenem Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Eltern- oder Großelternteile gilt der im Inland gelegene Wohnsitz oder Aufenthaltsort des anspruchsberechtigten Ehemanns oder geschiedenen Mannes.

(3) Hat der Kläger seinen Sitz oder Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Ausland, so ist örtlich zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat.

(4) In Angelegenheiten des § 51 Abs. 1 Nr. 2, die auf Bundesebene festgesetzte Festbeträge betreffen, ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat, in Angelegenheiten, die auf Landesebene festgesetzte Festbeträge betreffen, das Sozialgericht, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat.

(5) In Angelegenheiten nach § 130a Absatz 4 und 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die zur Entscheidung berufene Behörde ihren Sitz hat.

(6) Für Antragsverfahren nach § 55a ist das Landessozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Körperschaft, die die Rechtsvorschrift erlassen hat, ihren Sitz hat.

(7) In Angelegenheiten nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Auftraggeber seinen Sitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat dieser seinen Sitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz im Ausland, ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Auftragnehmer seinen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 18. April 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5316,57 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob zwei stationäre Krankenhausbehandlungen im Wege der Fallzusammenführung mit nur einer Fallpauschale abzurechnen sind.

2

In dem von der klagenden Gesellschaft betriebenen Krankenhaus wurde der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patient A. (Versicherter) zweimal wegen seines Prostataleidens stationär behandelt. Während seines ersten Aufenthalts (4. bis 6.5.2006) mit der Aufnahmediagnose "Prostatahyperplasie mit Harnstauungsniere" wurde ein Harnblasendauerkatheter gelegt. Bei seiner Entlassung erhielt er einen Wiederaufnahmetermin für den 6.6.2006 zur transurethralen Prostataresektion, die dann auch am 7.6.2006 durchgeführt wurde. Nach komplikationslosem Heilungsverlauf wurde der Versicherte am 12.6.2006 nach Hause entlassen. Das Krankenhaus kodierte für beide stationären Aufenthalte die Prostatahyperplasie ICD-10 N40 als Hauptdiagnose und rechnete für den ersten Aufenthalt die Diagnosis Related Group (DRG) M61Z (benigne Prostatahyperplasie) mit einer Vergütung von 1437,81 Euro (Rechnung vom 15.5.2006) sowie für den zweiten Aufenthalt die DRG M02Z (transurethrale Prostataresektion) mit einem Entgelt von 3908,27 Euro (Rechnung vom 15.6.2006) ab. Die Beklagte beglich beide Rechnungen zunächst in voller Höhe unter Abzug von insgesamt 29,51 Euro als Kostenbeitrag für die integrierte Versorgung, beauftragte aber noch im Juli 2006 den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit einer gutachtlichen Stellungnahme zur Frage, ob eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs 2 der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2006 in Betracht komme. Der SMD bejahte die Notwendigkeit einer Fallzusammenführung, weil die Prostataoperation aus medizinischer Sicht ohne Weiteres innerhalb von 30 Kalendertagen ab der Erstaufnahme hätte erfolgen können; die Wiederaufnahme erst am 33. Kalendertag (6.6.2006) statt noch am 30. Kalendertag (3.6.2006) sei medizinisch nicht geboten gewesen und verstoße daher gegen das Gebot wirtschaftlicher Leistungserbringung (§ 2 Abs 4, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 S 2 SGB V). Die Beklagte rechnete daraufhin am 15.11.2006 mit einem Erstattungsanspruch in Höhe des tatsächlich gezahlten Gesamtbetrages von 5316,57 Euro gegen unstreitige Vergütungsansprüche der Klägerin aus späteren Behandlungsfällen auf.

3

Die Klägerin hält die Aufrechnung für unwirksam, weil der Erstattungsanspruch nicht bestehe. Sie macht geltend, eine Harnableitung mittels eines permanent offenen Dauerkatheters sei bei dem 80 Jahre alten multimorbiden Versicherten erforderlich gewesen. Abhängig vom Stauungsgrad und der Dilatation müsse diese Urinableitung regelmäßig 6 bis 8 Wochen lang durchgeführt werden, ehe die Prostatahyperplasie ohne Gefahr weitreichender Komplikationen operativ angegangen werden könne. Hier sei der Versicherte bereits nach rund 5 Wochen erneut aufgenommen und operiert worden; diese Wartezeit sei aus fachurologischer Sicht zwingend notwendig gewesen. Unabhängig davon scheide eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs 2 FPV 2006 aber auch deshalb aus, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut eine Fallzusammenführung nur vorsehe, wenn die Wiederaufnahme binnen 30 Kalendertagen ab der Erstaufnahme tatsächlich erfolgt sei, nicht aber schon dann, wenn die Wiederaufnahme innerhalb dieser Frist lediglich hätte erfolgen können, tatsächlich aber erst später stattgefunden habe.

4

Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 5316,57 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 15.11.2006 zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 26.11.2009). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, nachdem die Klage wegen des Zinsanspruchs für den 15.11.2006 zurückgenommen worden war (Urteil vom 18.4.2012): Eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs 2 FPV 2006 scheide aus, weil die Wiederaufnahme des Versicherten nicht innerhalb von 30 Kalendertagen ab der Erstaufnahme erfolgt sei. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Fälle, in denen die Wiederaufnahme innerhalb dieser Frist hätte erfolgen können, sei nach dem Grundsatz der wortgetreuen Auslegung vertraglicher Abrechnungsregelungen ausgeschlossen. Dem stehe auch nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V entgegen; ein Krankenhaus sei nicht verpflichtet, allein deswegen die für die Krankenkasse preisgünstigste Art der Durchführung einer Behandlung zu wählen. Auch ein Verstoß gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme sei nicht ersichtlich, weil sich das Krankenhaus im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und Abrechnungsbestimmungen bewegt habe. Ob etwas anderes gelte, wenn die Wiederaufnahme innerhalb der 30-Tage-Frist aus medizinischen Gründen an sich geboten gewesen wäre, könne offenbleiben, weil ein solcher Sachverhalt nicht vorliege.

5

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Auch bei der Auslegung der FPV seien die Vorschriften über die Pflicht zur wirtschaftlichen Leistungserbringung (§ 2 Abs 4, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 S 2 SGB V) zu beachten. Das berechtigte Bedürfnis nach Rechtssicherheit bei der Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften dürfe nicht dazu führen, dass die 30-Tage-Frist faktisch zur Disposition des Krankenhauses gestellt werde. Es sei unwirtschaftlich, einen Patienten drei Tage nach Ablauf dieser Frist wieder aufzunehmen, wenn dies ebenso gut noch innerhalb der Frist hätte geschehen können.

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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG für das Saarland vom 18.4.2012 und den Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom 26.11.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist zulässig, in der Sache aber unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die Aufrechnung vom 15.11.2006 ist unwirksam, weil der Beklagten der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zusteht. Eine Zusammenführung der beiden stationären Behandlungen des Versicherten zu einem "Behandlungsfall" scheidet aus.

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1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Streitgegenstand ist der Anspruch eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse auf Zahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung eines Versicherten in Höhe von insgesamt 5316,57 Euro. Diesen Anspruch macht die Klägerin zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2; BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1; BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12; BSG SozR 3-2500 § 39 Nr 4; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 10). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

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2. In der Sache streiten die Beteiligten allerdings nur um die Wirksamkeit der von der Beklagten am 15.11.2006 erklärten Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 5316,57 Euro. Die mit der erhobenen Leistungsklage verfolgten Vergütungsansprüche der Klägerin aus späteren Krankenhausbehandlungen von Versicherten der Beklagten sind demgegenüber unstreitig. Zwar hat das LSG weder ausdrücklich noch konkludent festgestellt, welche Vergütungsansprüche die Klägerin aufgrund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht. Die Beteiligten haben aber übereinstimmend als selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Klägerin gegen die Beklagte - ohne Berücksichtigung der streitigen Zahlungsforderung - laufende Ansprüche aus Anlass der Krankenhausbehandlung von Versicherten in Höhe von weiteren 5316,57 Euro erwachsen sind. Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Klageforderung selbst außer Streit (stRspr, vgl zB BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, RdNr 6).

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Diese Klageforderung ist begründet. Der Beklagten steht kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch über 5316,57 Euro zu; denn in dieser Höhe hat sie die beiden stationären Behandlungen des Versicherten im Mai und Juni 2006 mit Rechtsgrund vergütet, weil der Klägerin insoweit ein Entgeltanspruch über insgesamt 5316,57 Euro zustand (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl schon BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, RdNr 8 f).

12

3. Rechtsgrundlage für die Vergütungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte für stationäre Krankenhausleistungen aus dem Jahr 2006 ist § 109 Abs 4 S 3 SGB V(hier idF durch Art 1 Nr 3 des Fallpauschalengesetzes vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 S 1 Nr 1 und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz(KHEntgG; jeweils idF durch Art 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zum diagnose-orientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften - Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz <2. FPÄndG> vom 15.12.2004, BGBl I 3429) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz(KHG, idF durch Art 1 Nr 4 2. FPÄndG) iVm der Anlage 1 Teil a) des Fallpauschalen-Katalogs der G-DRG-Version 2006 sowie dem zwischen der Saarländischen Krankenhausgesellschaft eV und den Krankenkassen bzw deren Verbänden geschlossenen Vertrag nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - idF des Schiedsspruchs vom 25.11.1996 (KBV) und der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2006. Die Frage der Fallzusammenführung richtet sich nach § 2 Abs 2 FPV 2006. Hiernach durfte die Klägerin die zwei stationären Behandlungen des Versicherten getrennt mit Einzelvergütungen von 1429,20 Euro und 3887,37 Euro, also mit einer Gesamtvergütung in Höhe von 5316,57 Euro, abrechnen.

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4. Rechtsgrundlage für die von einer Krankenkasse erklärte Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zur Erfüllung von Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser ist § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm §§ 387 ff BGB(vgl BSGE 107, 78 = SozR 4-2500 § 140d Nr 2; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 8; BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2). Auch außerhalb der besonderen Regelungen der §§ 51, 52 SGB I über die Aufrechnung gegen Sozialleistungsansprüche besteht im Sozialrecht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf welche die §§ 387 ff BGB entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten(BSGE 75, 283, 284 ff = SozR 3-2400 § 28 Nr 2; BSGE 63, 224, 230 f = SozR 1300 § 48 Nr 47). Voraussetzung dieses einseitigen Rechtsgeschäfts, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist gemäß § 387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw erfüllbare Forderungen gegenüberstehen, wobei die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung uneingeschränkt wirksam und fällig sein muss, die Hauptforderung dagegen lediglich erfüllbar zu sein braucht(Grüneberg in: Palandt, BGB, 72. Aufl 2013, § 387 RdNr 11 f). Außerdem darf entsprechend § 390 BGB die Gegenforderung nicht einredebehaftet sein. Diese Aufrechnungsvorraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil der zur Aufrechnung gestellte Erstattungsanspruch der Beklagten nicht bestand. Die Fallzusammenführung nach § 2 Abs 2 FPV 2006 war hier ausgeschlossen.

14

5. Das Krankenhaus hat auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen einen Vergütungsanspruch gegen eine Krankenkasse nur für eine "erforderliche" Krankenhausbehandlung. Die Vergütung stellt die Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht zugelassener Krankenhäuser dar, die Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten im Rahmen des jeweiligen Versorgungsvertrags (§ 109 SGB V) zu leisten. Die Leistung des Krankenhauses dient der Erfüllung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) gegen die Krankenkasse. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht dabei - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich ist(BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12; stRspr). Im vorliegenden Fall steht die medizinische Notwendigkeit der beiden stationären Behandlungen und auch die jeweilige Dauer von zwei bzw sechs Belegungstagen nicht im Streit.

15

6. Maßgebend für die Höhe des Vergütungsanspruchs ist innerhalb des hier maßgeblichen DRG-Systems der Fallpauschalenkatalog. Danach hat die Klägerin zu Recht für die erste stationäre Behandlung des Versicherten die DRG M61Z und für die zweite stationäre Behandlung die DRG M02Z in Ansatz gebracht. Dies wird von der Beklagten auch nicht angegriffen. Ebenso erhebt sie auch keine Einwendungen gegen die Höhe des Vergütungsanspruchs, die sich bei getrennter Abrechnung beider Behandlungen auf insgesamt 5316,57 Euro beläuft. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass nach der FPV 2006 iVm dem Gebot des SGB V zur wirtschaftlichen Leistungserbringung eine Zusammenführung beider Behandlungsfälle zu einem Behandlungsfall hätte erfolgen müssen. Dies trifft jedoch nicht zu.

16

a) Die insoweit maßgebende Vorschrift des - in seinem Wortlaut bis heute unverändert gebliebenen - § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006 lautet: Eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale ist auch dann vorzunehmen, wenn
1. ein Patient oder eine Patientin innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Krankenhausaufenthalts wieder aufgenommen wird und
2. innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MDC) die zuvor abrechenbare Fallpauschale in die "medizinische Partition" oder die "andere Partition" und die anschließende Fallpauschale in die "operative Partition" einzugruppieren ist.

17

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar erfüllen die beiden stationären Behandlungen des Versicherten wegen seines Prostataleidens die sachlichen Voraussetzungen der Fallzusammenführung nach § 2 Abs 2 S 1 Nr 2 FPV 2006, nicht aber die zeitlichen Voraussetzungen der Fallzusammenführung nach § 2 Abs 2 S 1 Nr 1 FPV 2006. Der Versicherte wurde nicht innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Aufnahmedatum des ersten Krankenhausaufenthalts wieder aufgenommen. Zwischen der Erstaufnahme am 4.5.2006 und der Wiederaufnahme am 6.6.2006 lagen 33 Kalendertage. Der reine Wortlaut des § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006 schließt die Fallzusammenführung also aus; dies stellt auch die Beklagte nicht in Abrede.

18

b) Die Beklagte befürwortet indes eine entsprechende Anwendung des § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006, weil - aus ihrer Sicht - der Versicherte bereits innerhalb der 30-Tage-Frist, also spätestens am 3.6.2006, zur vorgesehenen Prostataoperation hätte wieder aufgenommen werden können. Eine solche Ausweitung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift kommt jedoch nicht in Betracht. Vergütungsregelungen sind grundsätzlich streng nach ihrem Wortlaut auszulegen, um Fehlinterpretationen und Missverständnisse zu vermeiden; denn nur so sind sie für die routinemäßige Anwendung im Massengeschäft der Abrechnung der zahlreichen Behandlungsfälle handhabbar (vgl allgemein zur Funktion von Vergütungsregelungen BSG SozR 3-5565 § 14 Nr 2; BSG SozR 3-5565 § 15 Nr 1; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11, RdNr 18; BSGE 111, 200 = SozR 4-5562 § 8 Nr 4, RdNr 24). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten, Unbilligkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese Mängel mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18 mwN).

19

Die Regelung des § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006 ist so angelegt, dass über die Fallzusammenführung anhand von DRG-Nummern und Partitionen sowie von konkreten Fristen entschieden wird. Nur so können die Entscheidungen im Massengeschäft der Abrechnung durch die EDV getroffen werden. Beurteilungsspielräume der Betroffenen und somit Streit zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern sollen auf diese Weise vermieden werden (Tuschen/Trefz, Krankenhausentgeltgesetz, 2. Aufl 2010, Ziffer 6.4.1, S 149). Dieses Ziel würde konterkariert, wenn jeweils im Einzelfall geprüft werden müsste, ob eine zweite außerhalb der 30-Tages-Frist liegende stationäre Behandlung schon früher hätte begonnen werden können, so dass sie innerhalb dieser Frist liegen würde. Den Vertragsparteien steht es vielmehr frei, im Zuge der jährlichen Überarbeitung der FPV die Frist des § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006 zB auf 40 Tage zu verlängern oder sogar ganz zu streichen. Außerdem könnten sie auch eine speziell auf die mehrphasige stationäre Behandlung von Prostataerkrankungen zugeschnittene Regelung zur Fallzusammenführung aushandeln.

20

c) Der Charakter des § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006 als vertragliche Vergütungsvorschrift schließt es auch aus, eine Fallzusammenführung nach dieser Regelung auch dann zu erwägen, wenn - wie hier - allein ein die Behandlung prägender sachlicher Zusammenhang zwischen der ersten und zweiten Behandlungsphase iS des § 2 Abs 2 S 1 Nr 2 FPV 2006 besteht, die Zeitgrenze des § 2 Abs 2 S 1 Nr 1 FPV 2006 aber überschritten ist. Die Fallzusammenführung beider Behandlungsphasen zu einem einzigen Behandlungsfall im Sinne eines zusammenhängend behandelten Krankheitsfalls haben die Vertragsparteien bewusst an die Kombination aus einem prägenden sachlichen Zusammenhang und einem Zeitmoment geknüpft, wobei beide Elemente kumulativ vorliegen müssen. Soll der prägende sachliche Zusammenhang allein für die Fallzusammenführung ausreichen, bedarf es einer entsprechenden Änderungsvereinbarung zur FPV durch die Vertragsparteien; eine in dieser Weise einschränkende Auslegung und Anwendung des § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006 ohne vertragliche Änderung der Vorschrift ist ausgeschlossen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Auslegung gesetzlicher Vergütungsvorschriften. So hat zB der 1. Senat des BSG zur Abrechnungsregelung des § 8 Abs 2 S 3 Nr 3 KHEntgG entschieden(Urteil vom 17.9.2013 - B 1 KR 2/12 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen), dass eine vorstationäre Behandlung neben der Fallpauschale für eine anschließende voll- oder teilstationäre Behandlung immer dann nicht abrechenbar ist, wenn jeweils sowohl die vorstationäre als auch die voll- oder teilstationäre Behandlung wegen ihres prägenden sachlichen Zusammenhangs übergreifend einen einzigen Behandlungsfall im Sinne eines zusammenhängend behandelten Krankheitsfalles betrifft; nicht entscheidend sei hingegen, ob bei der vorstationären Behandlung die Zeitgrenzen des § 115a Abs 2 S 1 SGB V ("Die vorstationäre Behandlung ist auf längstens drei Behandlungstage innerhalb von fünf Tagen vor Beginn der stationären Behandlung begrenzt.") gewahrt oder überschritten sind (BSG, aaO, RdNr 22). Ob dieser Entscheidung des 1. Senats zu folgen ist (und eine der Sache nach ambulante Behandlung auch dann "vorstationär" genannt und als in die Zuständigkeit der Krankenhäuser fallend bezeichnet werden kann, wenn die Zeitgrenzen des § 115a Abs 2 S 1 SGB V überschritten sind), lässt der erkennende Senat offen; maßgeblich ist, dass diese Entscheidung auf die Auslegung einer vertraglichen Vergütungsvorschrift wie § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006 nicht übertragbar ist.

21

d) Dem Ausschluss der analogen Anwendung des § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006 steht auch nicht das Wirtschaftlichkeitsgebot(§ 2 Abs 4, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 S 2 SGB V) entgegen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot allein verpflichtet ein Krankenhaus nicht dazu, die für die Krankenkasse finanziell günstigste Art der Durchführung einer Behandlung zu wählen. Es begründet keine Fürsorgepflicht des Krankenhauses für die sparsame Mittelverwendung des Vertragspartners. Der Gesetzgeber hat zur Erfüllung der Sachleistungsverpflichtung der Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V)vorgesehen, dass sich die Krankenkassen der verschiedenen Leistungserbringer bedienen, mit denen sie über Art und Umfang der Leistungen sowie deren Vergütung Verträge abschließen. Dem Vertragsmodell liegt die Vorstellung zu Grunde, dass jede Seite ihre Interessen zu wahren sucht, der Einigungsdruck aber zu einem angemessenen Interessenausgleich führt. Die sich aus der auf Dauer angelegten intensiven Vertragsbeziehung zwischen einem Leistungserbringer und einer Krankenkasse ergebenden gegenseitigen Treue- und Rücksichtnahmepflichten (§ 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm § 241 Abs 2 BGB und § 242 BGB) gehen nicht so weit, dass vertraglich eingeräumte Vergütungsansprüche nicht voll ausgeschöpft werden dürfen. Treue- und Rücksichtnahmepflichten aus Vertragsverhältnissen wirken sich regelmäßig lediglich auf vertragliche Nebenpflichten aus, die nicht ausdrücklich geregelt sind. Eindeutig vereinbarte Vergütungsansprüche können dadurch nicht eingeschränkt werden. Hier kann von den Krankenkassen erwartet werden, dass sie ihren Auftrag zur sparsamen Mittelverwendung in vollem Umfang eigenverantwortlich wahrnehmen und durch entsprechende Vertragsgestaltung - soweit ein Konsens zu erzielen ist - auch umsetzen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet ein Krankenhaus lediglich, innerhalb der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben wirtschaftlich zu handeln, nicht aber, darüber hinaus - gegen eigene Interessen - weitere Vorgaben aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten aufzustellen; es muss also nur die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal einsetzen und die vertraglichen und gesetzlichen Voraussetzungen einhalten. Dem ist die Klägerin hier nachgekommen. Der Versicherte hatte einen Anspruch nach § 39 SGB V auf zweimalige stationäre Krankenhausbehandlung, wobei kein Anspruch bestand, die zweite Krankenhausbehandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt, hier innerhalb der 30-Tage-Frist des § 2 Abs 2 S 1 FPV 2006, zu erhalten. Die Krankenhausbehandlung war auch, wie bereits ausgeführt, medizinisch erforderlich, was insbesondere auch für die zweite Krankenhausbehandlung gilt. Selbst wenn die Wiederaufnahme aus medizinischem Blickwinkel möglicherweise schon einige Tage früher hätte stattfinden können, was hier offenbleiben kann, ändert dies nichts daran, dass die zweite Behandlung für sich genommen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich war und damit dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprach.

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e) Der erkennende Senat muss an dieser Stelle nicht entscheiden, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn eine Wiederaufnahme innerhalb der 30-Tage-Frist aus medizinischen Gründen notwendig, die Wiederaufnahme nach erst 33 Kalendertagen also fehlerhaft gewesen wäre. Ein solcher Sachverhalt liegt nach den Feststellungen des LSG nicht vor; er wird von der Beklagten und dem SMD auch nicht behauptet. Ebenso kann die Frage offenbleiben, wie zu entscheiden wäre, wenn ein Krankenhaus solch lange Zwischenfristen systematisch ausnutzen würde, um Fallzusammenführungen zwecks Gewinnoptimierung zu umgehen. Auch dafür gibt es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Die Überschreitung der 30-Tage-Frist um drei Tage war auch sachlich nicht zu beanstanden. Zur Wahrung dieser Frist hätte der Versicherte spätestens am 3.6.2006 (Samstag) wieder aufgenommen werden müssen. Da aber an Wochenenden aus guten Gründen nur Notfälle in ein Krankenhaus aufgenommen werden, wäre realistischerweise nur der 2.6.2006 (Freitag) als letzter Wiederaufnahmetag in Betracht gekommen, weil sich der Versicherte nicht in einer Notfallsituation befand, sondern es um einen geplanten Eingriff ging. Da solche geplanten Eingriffe regelmäßig aber nur alltags durchgeführt werden, wäre der Versicherte voraussichtlich nicht vor dem 6.6.2006 (Dienstag), dem Tag der tatsächlichen Wiederaufnahme, operiert worden, weil der Zeitraum vom 3.6.2006 (Samstag) bis zum 5.6.2006 (Pfingstmontag) hierfür nicht zur Verfügung stand. Eine Wiederaufnahme am 2.6.2006 hätte also nur die Verweildauer des Versicherten unnötig verlängert und dem Krankenhaus zusätzliche Kosten verursacht.

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7. Der Zinsanspruch beruht auf § 14 Abs 5 KBV.

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8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 GKG.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

Die Aufrechnung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Erklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben wird.

Tenor

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. August 2012 wird zurückgewiesen und die Widerklage abgewiesen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten auch der Berufung.

III.

Der Streitwert der Berufung wird auf 5.905,80 € festgesetzt.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand der Berufung ist ein Krankenhausabrechnungsstreit.

Die Klägerin ist als rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts Trägerin und Betreiberin der Clinic A-Stadt, welche unter der Nummer ... in den Krankenhausplan des Freistaats Bayern aufgenommen ist.

Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Frau E. B. wurde vom 04. - 11.11.2010 in der Clinic A-Stadt stationär behandelt, wofür die Klägerin als Vergütung 3.748,97 € in Rechnung stellte (Rechnung vom 30.11.2010). Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Frau A. B. wurde vom 23. - 27.11.2010 in der Clinic A-Stadt stationär behandelt, wofür die Klägerin als Vergütung 3.368,97 € in Rechnung stellte (Rechnung vom 02.12.2010). Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Frau A. M. wurde vom 25. - 28.11.2010 in der Clinic A-Stadt stationär behandelt, wofür die Klägerin als Vergütung 3.378,97 € in Rechnung stellte (Rechnung vom 02.12.2010). In der Summe berechnete die Klägerin für diese drei Behandlungsfälle der Beklagten 10.496,91 €.

Diese leistetet darauf nur 4.591,11 € und machte geltend, ihr stehe für den Restbetrag iHv 5.905,80 € ein Rückerstattungsanspruch. Dieser resultiere aus einer Überzahlung für die stationäre Behandlung der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten C. S. vom 19. - 27.03.2009. Hierfür hatte die Klägerin nach der DRG-Fallpauschale I43B gemäß Rechnung vom 01.04.2009 8.865,37 € geltend gemacht. Diesen Betrag hatte die Beklagte zwar zunächst entsprechend der geltenden Pflegesatzvereinbarung, die der ausschließlich im Freistaat Bayern verwendeten Musterpflegesatzvereinbarung der Jahre 2009 sowie 2010 entspricht, fristgemäß beglichen. Die Beklagte war aber nach Rechnungsprüfung einer Stellungnahme des MDK vom 15.06.2010 folgend im Schreiben vom 06.10.2009 der Meinung, die Behandlung der C. S. sei nicht mit dem Operationsschlüssel 5822.90 sondern mit Schreiben vom 23.09.2010 5801.mh und zutreffend nach der DRG-Fallpauschale I30Z zu vergüten mit einem Betrag von lediglich 2.959,57 €, so dass insoweit ein Erstattungsanspruch iHv 5.905,80 € bestehe. Nach einer weiteren Stellungnahme des MDK erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 23.09.2010: „Die Rechnung bitten wir entsprechend zu berichtigen, ansonsten erfolgt nach 14 Tagen eine Korrektur unsererseits.“ Dem gegenüber wandte der Leitende Arzt Dr. E. unter dem 13.12.2010 ein, die Behandlung sei den medizinischen Anforderungen entsprechend zutreffend abgerechnet.

Die Beklagte übersandte der Klägerin am 22.12.2010 ein Zahlungsavis vom mit folgendem Inhalt:

- Foto von Zahlungsavis -

Die ersten beiden Zeilen sind mit dem Behandlungsfall C. S. in Bezug zu bringen, die entsprechende Eintragung auf dem Schriftstück ist nachträglich handschriftlich und nicht von der Beklagten vorgenommen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Blatt 54 der zweitinstanzlichen Verfahrensakte Bezug genommen. Die Beklagte teilte am 25.01.2011 der Klägerin mit, es verbleibe bei den bisherigen Begutachtungen sowie: „Den zu viel bezahlten Betrag haben wir uns bereits gutgeschrieben. Wir sehen die Angelegenheit daher als erledigt an“.

Am 11.10.2011 hat die Klägerin Zahlungsklage über 5.905,80 € zum Sozialgericht Nürnberg erhoben mit der Begründung, § 12 der anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung (zum Inhalt wird auf Blatt 15 und 16 der erstinstanzlichen Gerichtsakte Bezug genommen) erlaube eine Aufrechnung nicht. Zudem sei der Behandlungsfall C. S. zutreffend abgerechnet. Die Beklagte hat den gegensätzlichen Standpunkt vertreten. Mit Urteil vom 24.08.2012 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Weil nach der anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung der zur Aufrechnung gestellte Erstattungsanspruch nicht fällig gewesen sei, habe eine Aufrechnung der Beklagten die Vergütungsansprüche in den Behandlungsfällen B., M. und B. nicht zum Erlöschen bringen können.

Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und geltend gemacht, ihr stehe aus dem unzutreffend abgerechneten Behandlungsfall C. S. ein Erstattungsanspruch iHv 5.905,80 € zu mit dem sie aufgerechnet habe und auch wirksam habe aufrechnen können. Die Klägerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, der Entscheidung des Sozialgerichts sei zu folgen. Mit Schriftsatz vom 06.11.2015 hat die Beklagte hilfsweise Widerklage erhoben. In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten Einsicht genommen in eine schriftliche Aufrechnungserklärung aus einem hier nicht strittigen Parallelverfahren; insoweit wird auf die Anlage der Niederschrift Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.08.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Klägerin zur Zahlung von 5.905,80 € zuzüglich 4% Zinsen über den Basiszinssatz an die Beklagte zu verurteilen und damit den Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Erstattung fällig zu stellen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf vollständige Bezahlung der Krankenhausleistungen, welche die Klinik Clinic A-Stadt für die Versicherten E. B. vom 04. - 11.11.2010, A. B. vom 23. - 27.11.2010 und A. M. vom 25. - 28.11.2010 abgerechnet hat. Die demgegenüber geltend gemachte Aufrechnung wurde weder wirksam erklärt, noch ist sie mit einem fälligen Anspruch unterlegt. Die zuletzt erhobene Hilfs-Widerklage bleibt infolge Verfristung ohne Erfolg.

1.

Gesetzlich krankenversicherte Personen - wie hier die Versicherten A. B., A. M., E. B. und C. S. - haben gemäß § 2, § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung, wenn das Behandlungsziel nicht anderweitig erreicht werden kann und wenn diese medizinische Versorgung wegen Art und Schwere der Krankheit notwendig ist. Diesen Leistungsanspruch des Versicherten konkretisiert eine nach § 108 SGB V als Leistungserbringer zugelassene Klinik, sobald sie stationäre Leistungen erbringt. Gleichzeitig mit der Sachleistungserbringung entsteht spiegelbildlich der Vergütungsanspruch des Krankenhauses, der - mangels Vorliegens eines Vertrages nach § 112 SGB V für den Freistaat Bayern nach § 109 Abs. 4 S 3 SGB V - auf § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 7 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG beruht. Der Zahlungsanspruch bestimmt sich sodann näher nach den Pflegesatzvereinbarungen, also der Vereinbarung für den Vereinbarungs-/Pflegesatzzeitraum, welche nach § 18 Abs. 2 KHG abgeschlossen ist (vgl. BSG Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R; Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/08 KR R).

2.

Die Klägerin hat mangels Vorliegens eines Vertrages nach § 112 SGB V für den Freistaat Bayern nach § 109 Abs. 4 S 3 SGB V i. V. m. § 7 Satz 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG und der einschlägigen Pflegesatzvereinbarung einen Zahlungsanspruch für die Krankenhausbehandlungen der Versicherten E. B. vom 04. - 11.11.2010, A. B. vom 23. - 27.11.2010 und A. M. vom 25. - 28.11.2010 einen Vergütungsanspruch iHv in der Summe 10.496,91 € ohne Abzug iHv 5.905,80 €. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen dieser Versicherten gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die zutreffend berechnete Vergütung hat. Eine nähere Prüfung und Sachaufklärung erübrigt sich insoweit (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens z. B. BSG Urt. vom 21.04.2015 - B 1 KR 8/15 R; BSG SozR 4-2500 § 129 Nr. 7 Rn. 10; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr. 2 Rn. 15; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr. 4 Rn. 8 - zitiert jeweils nach juris); im Übrigen sind Anhaltspunkte für eine unzutreffende Leistungsabrechnung oder eine unzutreffende Anwendung der Pflegesatzvereinbarung in diesen Behandlungsfällen nicht ersichtlich.

3.

Dieser Zahlungsanspruch ist nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten C. S. vom 19. - 27.03.2009 iHv von 5.905,80 € analog § 387 BGB aufgerechnet hat (zur Aufrechnung in entsprechender Anwendung des § 387 BGB auf überzahlte Krankenhausvergütungen vgl. BSG Urteil vom 23.06.2015 - B 1 KR 26/14; Urteil vom 21.04.2015 - B 1 KR 8/15 R). Vorliegend fehlt es zum einen bereits an einer wirksamen, hinreichend bestimmten Aufrechnungserklärung. Zum anderen war die in Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Beklagten nach § 12 Ziff. 2 der Pflegesatzvereinbarung nicht fällig.

a) Rechtsgrundlage für die behauptete Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus der Erfüllung von Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser ist § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V in Verbindung mit den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB. Grundsätzlich ist die Aufrechnung auch zwischen Krankenversicherungsträgern und Klinikträgern möglich trotz Fehlens der Voraussetzungen des § 51 SGB I, denn es besteht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung entgegenzutreten. Dabei sind die Regelungen in §§ 387 ff BGB anzuwenden (vgl. bereits BSG, Urteil vom 17.03.2005 - B 3 KR 11/04 R, Rn. 15 m. w. N. - zitiert nach juris). Voraussetzung dieses einseitigen Gestaltungsrechts, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist gemäß § 387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der wirksamen Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige, und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss dabei uneingeschränkt wirksam und fällig sein, die Hauptforderung muss jedoch lediglich erfüllbar sein (Gursky in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2011, § 387 Rn. 136 f; BSG, Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KR 33/12 R- Rn. 13 - zitiert nach juris).

b) Die Aufrechnung der Beklagten ist bereits unwirksam, weil es an einer wirksamen Aufrechnungserklärung im Sinne des § 388 BGB fehlt, welche die vom BSG aufgestellten Mindestvoraussetzungen - im Falle von Sammelrechnungen - erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R). Vorliegend ist in Auswertung der Verwaltungsakten der Beklagten sowie des Vorbringens der Beteiligten einschließlich der dazu vorgelegten Dokumente in beiden Instanzen festzustellen, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt eine Aufrechnung erklärt hat.

Weder im Schreiben vom 06.10.2009 noch im Schreiben vom 23.09.2010 hat die Beklagte eine wörtliche oder sinngemäße Aufrechnungserklärung abgegeben. In letzterem Schreiben ist allenfalls eine Ankündigung der Aufrechnung zu sehen in den Worten: „Die Rechnung bitten wir entsprechend zu berichtigen, ansonsten erfolgt nach 14 Tagen eine Korrektur unsererseits.“

Eine hinreichende Erklärung enthält auch das Zahlungsavis vom 22.12.2010 nicht. Dort ist nur angeführt, dass im Rahmen der Abrechnung mehrere Rechnungen zusammengefasst und einem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurden. Sodann folgen 10 Zeilen mit Abrechnungsnummern und Positiv- sowie Negativ-Beträgen, abgeschlossen mit einer Gesamtsumme vom 1.154,68 €. Daraus ist nicht zuordenbar, welche der dort aufgeführten Rechnungen der Klägerin in welcher Höhe durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollten. Ebenso wenig ist dort erklärt oder erkennbar, in welcher Reihenfolge und in welcher Höhe jeweils unstrittige Forderungen der Klägerin zum Erlöschen gebracht werden sollten. Festzustellen ist somit, dass nicht ermittelt werden kann, auf welche Forderung der Klägerin der Überweisungsbetrag von 1.154,68 € zu beziehen ist.

Auch das weitere Schreiben vom 25.01.2011 enthält keine Aufrechnung, sondern die Erklärung, die Beklagte habe sich einen Überzahlbetrag „bereits gutgeschrieben“.

Es ist daher festzustellen, dass die Beklagte keine Aufrechnung erklärt, sondern eine Verrechnung vorgenommen hat. Bei der Verrechnung oder auch „Abrechnung“ werden gegenseitige offene Forderungen ausgeglichen. Die Modalitäten der Verrechnung bestimmen sich nach dem jeweiligen Verkehrsbereich oder anhand gesetzlicher Regelungen (BGH Urteil vom 07.04.2011 - VII ZR 209/09). Eine solche Verrechnung gegenseitiger Ansprüche ist im konkreten Fall aber unzulässig, § 52 SGB I, denn die Klägerin kein Leistungsträger.

Dem gegenüber kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, ihr sei es im Rahmen des Dauerabrechnungsverhältnisses mit der Klägerin nicht möglich, im Einzelnen eine Aufrechnungserklärung abzugeben. Dieser sinngemäße „ultra-posse-Einwand“ ist bereits widerlegt durch die Abrechnungserklärung, die eine andere Krankenkasse in einem Parallelverfahren abgegeben hat und die den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in anonymisierter Kopie übergeben wurde.

Selbst wenn man vorliegend in dem Verhalten der Beklagten eine konkludente Aufrechnungserklärung erblickte, so fehlte es jedoch an der notwendigen Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung. Weil in Aufrechnung gestellte Forderungen nur soweit erlöschen, als sie sich decken, müssen Art und Umfang der Aufrechnung eindeutig erklärt werden. Dazu gehören insbesondere Angaben über die Höhe, den Rechtsgrund, die Bezugszeiten, die Fälligkeit der Forderung sowie die Darlegung, ob die Forderung bestands- bzw. rechtskräftig festgestellt worden ist (so BSG vom 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R - SozR 4-1200 § 52 Nr. 1, Rn. 21; vgl. auch Pflüger in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 51 SGB I Rn. 46). Das gilt selbst im zwischen den Beteiligten bestehenden Dauerabrechnungsverhältnis, in welchem nicht allzu hohe Anforderungen an eine Aufrechnung zu stellen sind. Denn die Minimalanforderungen an die Bestimmtheit einer Aufrechnungserklärung bestehen auch hier, weil sonst die Wirkungen der Aufrechnung gem. § 389 BGB nicht festgestellt werden können. Danach bewirkt die Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind. Um Rechtssicherheit zu erlangen, muss für alle Beteiligten klar sein, welche Forderungen, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollen. Dies erfordert auch die Rechtsklarheit, um sicherzustellen, welche - bislang - unstreitigen Forderungen erloschen sein sollen. Im Zahlungsavis vom 22.12.2010 ist dies nicht zu erkennen. Es fand vielmehr ein Rück- oder Umbuchung strittiger Beträge statt, bei welcher diverse Beträge verschiedener Rechnungen bzw. Rechnungspakete nicht gezahlt wurde mit der Folge, dass es zu einer Überweisung von 1.154,68 € gekommen ist. In welcher Höhe die einzelnen Haupt- oder Teilforderungen und ggf. in welcher Reihenfolge getilgt werden sollten, lässt sich dem selbst großzügig interpretierend nicht entnehmen. Da eine Aufrechnung rechtsgestaltend wirkt, muss sich aber die beabsichtigte Rechtsänderung klar und unzweideutig aus der Erklärung ergeben. Fehlt es an der danach erforderlichen Bestimmtheit, ist die Aufrechnungserklärung unwirksam. So liegt der Fall hier.

c) Die fehlende Bestimmtheit der Aufrechnung ist durch § 396 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m.. § 366 Abs. 2 BGB nicht zu heilen. Dies bedarf allerdings keiner näheren Erörterung, weil jedenfalls die Gegenforderung vorliegend nach den Besonderheiten von § 12 Ziff. 2 der anzuwendenden Pflegesatzvereinbarung nicht fällig war und somit keine Aufrechnungslage bestand. Zwar darf bei Krankenhausabrechnungen grundsätzlich die Aufrechnung eingesetzt werden, es sei den - wie das BSG ausgeführt hat - landesrechtliche Besonderheiten oder die Besonderheiten der jeweiligen Pflegsatzvereinbarung seien zu beachten (BSG, Urteile vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R, Rn. 27; B 1 KN 2/08 KR R Rn. 37; sowie B 1 KN 3/08 KR R, Rn. 37 - zitiert jeweils nach juris).

Wie der Senats bereits entschieden hat (Urteil vom 23.09.2014 - 5 KR 322/10), stellt die zwischen den Beteiligten geltende Regelung in § 12 Ziff. 2 der Pflegesatzvereinbarung nicht lediglich eine Verfahrensbestimmung dar. Dies folgt schon daraus, dass sie als Gegenstück zu § 12 Ziff. 2 in beiden Alternativen (Satz 2 einvernehmliche Korrektur der Rechnung und Satz 3 gerichtliche Auseinandersetzung) ebenfalls eine Drei-Wochen-Frist als Zahlungsziel festsetzt. Zudem ist auch in Ziffer 2 bei Überschreitung der Zahlungsfrist ein Verzugszins (Satz 4) zu zahlen. Es handelt sich also insoweit um eine echte Fälligkeitsbestimmung. Denn bei einer Zeitbestimmung - wie hier - ist § 271 Abs. 2 BGB folgend im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann. Detailliert regelt die Pflegesatzvereinbarung, dass im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Rückzahlungsfrist des zu viel bezahlten Betrags drei Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt (§ 12 Ziff. 2 Satz 3). Damit gilt für die Beteiligten eine zweistufige Fälligkeit. Diese besteht in der Anspruchsfälligkeit (1. Stufe), wonach hat die Beklagte bei einer behaupteten Überzahlung einen möglichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch einzuklagen hat. Die davon zu trennende Zahlungsfälligkeit (2. Stufe) ergibt sich aus der weiteren Bestimmung, dass der konkret zu erstattende Betrag von der Klägerin erst drei Wochen nach Rechtskraft der entsprechenden Entscheidung zurückzuzahlen ist. Für eine wirksame Aufrechnung wäre aber neben der Anspruchsfälligkeit auch die Zahlungsfälligkeit notwendig. An dieser fehlt es vorliegend. Fälligkeit ist auch nicht dadurch eingetreten, dass die Klägerin die ursprüngliche Rechnung storniert und eine neue Rechnung ausstellt hätte (vgl. § 12 Ziffer 2 Satz 2 Pflegesatzvereinbarung - Fälligkeit bei einvernehmlichen Lösungen). Dies ist bislang aufgrund des Dissenses der Beteiligten nicht erfolgt. Solange aber keine neue Rechnung ausgestellt ist, ist ein möglicher Rückforderungsanspruch nach der gültigen Pflegesatzvereinbarung jedenfalls nicht fällig.

d) Die Zahlungs-, Fälligkeits- und Zinsbestimmung in § 12 Ziffer 2 Pflegesatzvereinbarung stellt auch keine überraschende und unzumutbare Regelung dar (vgl. ausführlich hierzu Urteil des Senats vom 07.02.2012 - L 5 KR 244/11; vgl. Urteil vom 24.09.2015 - L 5 KR 244/13 - NZB eingelegt). Dies gilt vorliegend umso mehr, als dass die medizinisch zutreffende Einordnung und Abrechnung nach den OP- sowie DRG-Kodierungen im Behandlungsfall C. S. nicht feststeht. Den Stellungnahmen des MDK hat der Leitende Arzt Dr. E. medizinisch fundierte, detaillierte Ausführungen entgegengehalten, die nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen sind. Dem klägerischen Anspruch steht somit auch nicht der dolo-agit-Grundsatz als eine spezielle Ausprägung des Prinzips von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen. Zudem hat sich Dr. E. im Schreiben vom 13.12.2010 - anders als von der Beklagten behauptet - nicht mit einer Verrechnung einverstanden erklärt, sondern nicht zuletzt mit dem Hinweis auf den Klageweg seine Sicht bekräftigt, dass das klägerische Vorgehen und Abrechnen im Behandlungsfall C. S. beanstandungsfrei war.

4.

Die im Schriftsatz vom 06.11.2015 zulässig erhobene Widerklage (§ 100 SGG) ist aufgrund eingetretener Verjährung unbegründet.

Im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Widerklage im Berufungsverfahren selbst ohne Einwilligung des Gegners möglich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 100 Rn. 3a). Auch der erforderliche Zusammenhang von Widerklage und Klage ist erfüllt, denn insoweit genügt ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang (Leitherer a. a. O. Rn. 4). Vorliegend besteht eine wirtschaftliche Identität zwischen Klage- und Widerklageanspruch.

Der Anspruch der Beklagten als Krankenkasse gegen die Klägerin als Krankenhausträger auf Erstattung einer zu Unrecht gezahlten Vergütung unterliegt der vierjährigen Verjährung (BSG Urteil vom 23.06.2015 - B 1 KR 26/14 R, Rn. 44; vgl. auch z. B. BSG SozR 4-7610 § 204 Nr. 2 Rn. 12; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr. 8, Rn. 39; BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr. 1, Rn. 25- zitiert jeweils nach juris). Die Verjährung der streitigen Erstattungsforderung hat nach Ablauf des Jahres 20009 entsprechend § 45 Abs. 1 SGB I begonnen, also nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im gleichgeordneten Leistungserbringungsverhältnis entsteht bereits im Augenblick der Überzahlung (vgl. z. B. BSGE 69, 158, 163 = SozR 3-1300 § 113 Nr. 1; BSG SozR 4-7610 § 204 Nr. 2 Rn. 12 m. w. N. - zitiert nach juris; Guckelberger, Die Verjährung im Öffentlichen Recht, 2004, S 374 f), hier also mit der zunächst pflegesatzvereinbarungsgemäß vor Ablauf von drei Wochen nach Rechnungsstellung vorgenommenen vollständigen Begleichung der Rechnung vom 01.04.2009 zum Behandlungsfall C. S.. Die Beklagte hat erst im Jahre 2015 und somit nach Eintritt der Verjährung (Ablauf 31.12.2013) Widerklage erhoben. Eine Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB („Geltendmachung der Aufrechnung im Prozess“) ist nicht eingetreten, da hier eine vorprozessual vollzogene Verrechnung vorliegt. Damit liegen die Voraussetzungen des § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB nicht vor. Diesem Ergebnis steht auch die Pflegesatzvereinbarung nicht entgegen, soweit angenommen würde, dass diese auch Rückerstattungsansprüche nach Überzahlung erfasst oder zumindest eine analog anzuwendende Regelung enthielte. Denn die dortige Regelung der Anspruchsfälligkeit einerseits hindert nicht den dargelegten Verjährungsablauf des Anspruches, da die Anspruchsfälligkeit von der Zahlungsfälligkeit zu trennen ist, die erst nach einer abgeschlossenen gerichtlichen Klärung eintritt.

5.

Der Anspruch auf Verzinsung ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 3 der Pflegesatzvereinbarung. Danach ist die Rechnung innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang zu zahlen und sind ab Überschreitung der Zahlungsfrist Verzugszinsen in Höhe von vier Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz zu entrichten.

Damit ist die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen.

6.

Kosten: § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Da über die Kosten für Klage und Widerklage einheitlich zu entscheiden ist (Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 100 Rn. 7) und die Beklagte jeweils unterlag, hat die Beklagte die Kosten auch der Berufung zu tragen.

7.

Streitwert: § 197a Abs. 1 Satz SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, 3, § 47 Abs. 1 GKG. Die Streitwerte von Klage und Widerklage sind vorliegend nicht zu addieren, weil wirtschaftlich die gleiche Forderung im Streit steht (Leitherer, a. a. O.).

8.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 160 SGG), da die Frage der Zulässigkeit einer Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch im Verhältnis zwischen einem Krankenhausträger und einer Krankenversicherung bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 22.03.2004 - B 3 KR 21/03 R, vom 28.09.2006 - B KR 23/05 R sowie vom 01.07.2014 - B 1 KR 24/13 R). Zudem wurde die hier streitentscheidende Formulierung der Pflegesatzvereinbarung, die den bis 2010 angewandten Musterpflegesatzvereinbarungen im Freistaat Bayern entspricht, ausschließlich in Bayern verwendet. Seit 2011 findet sie auch hier keine Anwendung mehr.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.

(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. November 2012 geändert und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. März 2010 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2009 zu zahlen sind.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen.

Der Streitwert für alle Instanzen wird auf 100 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V in Höhe von 100 Euro nebst Zinsen zu zahlen hat.

2

Die 1919 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Patientin E. R. wurde in der Zeit vom 8. bis 23.10.2007 in der geriatrischen Fachabteilung des von der Klägerin betriebenen GPR-Klinikums in R. vollstationär behandelt. Die Klägerin stellte der Beklagten hierfür auf der Basis des Entgeltkataloges G-DRG 2007 die DRG I41Z (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen am Muskel-Skelett-System und Bindegewebe) zzgl Zu- und Abschlägen insgesamt 6616,57 Euro in Rechnung (Rechnung vom 6.11.2007). Als Hauptdiagnose gab die Klägerin M81.45 (arzneimittelinduzierte Osteoporose: Beckenregion und Oberschenkel ) an. Aufgrund einer früheren Fraktur des proximalen Endes des Humeruskopfes führte sie ua S42.21 als Nebendiagnose auf. Als durchgeführte Prozedur gab sie die OPS-Position 8-550.1 (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung: mindestens 14 Behandlungstage und 28 Therapieeinheiten) an.

3

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Begutachtung - soweit nach dem Ausdruck des elektronisch am 16.11.2007 versandten Prüfauftrags lesbar - mit den Fragestellungen:

-       

(…) "ist die Mindestzahl an angeforderten Behandlungstagen (8 T) und Therapieeinheiten (TE) für di"

-       

"Prüfung der Indikation für stationäre geriatrische Behandlung-Abrechnungsform: Rechtfertigt das bestehende Krankheitsbild d"

-       

"Bestand die medizinische Notwendigkeit der Aufnahme in ein Krankenhaus zur vollstationären Behandlung § 39 SGB V"

-       

"Prüfung der Indikation für stationäre geriatrische Behandlung-Abrechnungsform".

4

Der MDK führte in seinem Sozialmedizinischen Gutachten vom 14.4.2008 auf der Basis von Auszügen aus der Krankenakte aus:

        

"Geriatr. Behandlung nach operativer Versorgung einer prox. Humerusfraktur. Keine Veränderung der DRG nach Veränderung der Kodierung. Liegedauer nachvollziehbar. Die Leistungen der Komplexbehandlung wurden erbracht. Noch kurz vor Entlassung Anpassung der antihypertensiven Medikation."

Die vollstationäre Krankenhausbehandlung sei in vollem Umfang medizinisch notwendig gewesen. Bei ordnungsgemäßer Abrechnung hätte als Hauptdiagnose allerdings S42.21 (Fraktur des proximalen Endes des Humerus: Kopf) anstelle der arzneimittelinduzierten Osteoporose angegeben werden müssen. Unter Bemerkungen findet sich der Hinweis: "OP.-Versorgung einer subcapitalen Humerusfraktur". Das Groupingergebnis ändere sich dadurch jedoch nicht.

5

Die Beklagte zahlte die Krankenhausrechnung, lehnte aber eine Begleichung der Nachtragsrechnung der Klägerin vom 28.5.2008 ab, mit welcher diese eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 100 Euro geltend machte. Gegen die Nachtragsrechnung wandte die Beklagte ein, die Prüfung durch den MDK sei nur deshalb eingeleitet worden, weil die Klägerin einen nach § 301 SGB V unvollständigen Datensatz gemeldet habe. Die Hauptdiagnose sei seitens des MDK geändert worden. Bei korrekter Vorlage des Datensatzes wäre die MDK-Prüfung nicht erforderlich gewesen.

6

Auf die Zahlungsklage der Klägerin hat das SG die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.6.2008 verurteilt (Urteil vom 24.3.2010): Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale ergebe sich aus § 275 Abs 1c SGB V in der seit dem 1.4.2007 gültigen Fassung. Eine (möglicherweise) fehlerhafte Übermittlung von Daten stehe dem Anspruch nicht entgegen, da für eine solche Einschränkung weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesbegründung Anhaltspunkte böten. Zudem sei nicht erkennbar, aus welchem Grund angesichts des zutreffenden DRG-Codes die Hauptdiagnose Anlass für die Einschaltung des MDK gewesen sei. Die Versicherte sei nicht in der chirurgischen Abteilung, sondern in der Geriatrie behandelt worden. Der Diagnoseschlüssel für die durchgeführte Operation, die DRG-Ziffer sowie der Rechnungsbetrag seien unbeanstandet geblieben. Daher stehe der Klägerin die Aufwandspauschale zu. Der Zinsanspruch ergebe sich aus §§ 291, 288 BGB. Für die am 8.5.2008 zugeleitete Rechnung habe eine Zahlungsverpflichtung innerhalb von 30 Tagen bestanden.

7

Auf die von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Hessische LSG das erstinstanzliche Urteil geändert, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 29.11.2012). Zur Begründung hat sich das LSG auf das Urteil des 1. Senats des BSG vom 22.6.2010 (B 1 KR 1/10 R - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3) berufen: Danach sei die Vorschrift des § 275 Abs 1c S 3 SGB V einschränkend auszulegen. Ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale entstehe nicht, wenn in dem an den MDK gerichteten Prüfauftrag Auffälligkeiten konkret benannt würden, der MDK unter Auswertung von medizinischen Behandlungsunterlagen die Widersprüche aufklären könne und es letztlich bei dem angesetzten Rechnungsbetrag bleibe. Die objektiv bestehenden Ungereimtheiten in den vom Krankenhaus übermittelten Daten und Informationen als Grund für die Einschaltung des MDK seien von der Krankenkasse (KK) darzulegen und ggf nachzuweisen. Die von der Klägerin verschlüsselten Diagnosen seien hier nicht kohärent gewesen und hätten auf Unstimmigkeiten schließen lassen. Die angegebene Hauptdiagnose einer arzneimittelinduzierten Osteoporose im Bereich der Beckenregion und Oberschenkel stehe im Widerspruch zu der Nebendiagnose einer Fraktur des Oberarmkopfes. Es hätte auch eine arzneimittelinduzierte Osteoporose im Oberarmbereich (Humerus, Ellenbogengelenke) mittels des ICD-10-Codes M81.42 ausgewiesen werden können. Daher habe die Klägerin die Veranlassung für die weitere Aufklärung des Abrechnungsvorgangs durch den MDK gesetzt.

8

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts, insbesondere ihres Rechts aus § 275 Abs 1c S 3 SGB V. Der vorliegende Sachverhalt sei nicht mit dem zu vergleichen, über den der 1. Senat des BSG in seinem Urteil vom 22.6.2010 (B 1 KR 1/10 R) entschieden habe, weil dort Konsens über die fehlerhaft kodierte Hauptdiagnose bestanden habe, während hier eine Fehlkodierung weiterhin bestritten werde. Die Humerus-Mehrfragment-Fraktur, die sich die Versicherte durch einen Sturz am 19.8.2007 zugezogen habe, sei am 28.8.2007 in der unfallchirurgischen Abteilung des Klinikums operativ versorgt worden. Danach habe sich die Versicherte mehrere Wochen in der Kurzzeitpflege aufgehalten. Die erneute stationäre Aufnahme im Oktober 2007 sei zur Mobilisierung und Krankengymnastik in der Geriatrie erfolgt. Die Klägerin habe die Osteoporose als Hauptdiagnose gewählt, da die geriatrische Behandlung aufgrund der Gesamtsituation des Bewegungsapparates und des Gesamtzustandes der Patientin erfolgt sei und nicht wegen der alten, bereits seit Monaten versorgten Oberarmfraktur. Die Therapien hätten sich auch nicht auf die Fraktur bezogen. Insbesondere sei die Patientin nicht, wie der MDK angegeben habe, operativ versorgt worden. Die Osteoporose sei ohne pathologische Fraktur (M81.45) angegeben worden, da die Fraktur auf einem Sturz beruht habe. Anlass für die Beauftragung des MDK sei - wie sich aus den Fragen im Gutachtenauftrag ergebe - eine Überprüfung der Indikation sowie der Mindestvoraussetzungen (Belegungstage und Therapieeinheiten) der geriatrischen Komplexbehandlung nach dem OPS-Code gewesen. Diese Fragen habe der MDK auch zum Gegenstand der Prüfung gemacht und beantwortet. Inkohärenzen bezüglich der übermittelten Haupt- und Nebendiagnosen oder eine Infragestellung der Hauptdiagnose ließen sich dem Prüfauftrag nicht entnehmen. Eine Pflichtverletzung bei der Kodierung sei daher nicht ersichtlich; weitere medizinische Ermittlungen durch die Gerichte würden deshalb im Widerstreit zu der gesetzgeberischen Intention stehen, bei unstreitigem Rechnungsbetrag zusätzlichen bürokratischen Aufwand zu vermeiden.

9

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG vom 29.11.2012 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Darmstadt vom 24.3.2010 zurückzuweisen.

10

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist - abgesehen von einem Teil des Zinsanspruchs - begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V in Höhe von 100 Euro nebst Zinsen seit dem 9.6.2009.

12

1. Rechtsgrundlage des zulässig mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG verfolgten Klagebegehrens auf Zahlung der Aufwandspauschale ist § 275 Abs 1c S 3 SGB V(idF von Art 1 Nr 185 Buchst a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378). Nach § 275 Abs 1c S 1 SGB V (in der genannten Fassung) ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V eine Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V zeitnah durchzuführen. Diese Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 275 Abs 1c S 2 SGB V). Daran anschließend bestimmt § 275 Abs 1c S 3 SGB V: "Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro zu entrichten." Erst seit dem 25.3.2009 beträgt die Aufwandspauschale 300 Euro.

13

Der Anspruch auf die Aufwandspauschale setzt danach voraus, dass die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den MDK iS des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V veranlasst hat(dazu a), dem Krankenhaus durch eine Anforderung von Sozialdaten durch den MDK gemäß § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V ein Aufwand entstanden ist(dazu b), die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat (dazu c) und das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses veranlasst wurde (dazu d). Diese Voraussetzungen liegen vor.

14

a) Die Beklagte hat eine Abrechnungsprüfung durch den MDK iS des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V veranlasst. Da der Anspruch auf die Aufwandspauschale voraussetzt, dass die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, muss es sich bei der Prüfung des MDK um eine Prüfung der Abrechnung iS des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V handeln, die mit dem Ziel der Verminderung des Rechnungsbetrages eingeleitet und durchgeführt wird(vgl dazu ausführlich BSG Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 20/12 R - SozR 4-2500 § 275 Nr 9). Die Einleitung eines solchen Prüfverfahrens durch die Krankenkasse setzt nach dem vom erkennenden Senat entwickelten dreistufigen Schema voraus, dass sich die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den - medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten - Mitarbeitern der Krankenkasse aufgrund der Angaben nach § 301 SGB V oder eines etwaigen Kurzberichts nicht selbst erschließen (1. Stufe). Ist das der Fall, muss die Krankenkasse den MDK einschalten, der zunächst intern - meist durch eine sozialmedizinische Fallberatung - feststellt, ob die zur Verfügung stehenden Informationen ohne Beteiligung des Krankenhauses zur Prüfung insbesondere von Voraussetzung, Art und Umfang der Krankenbehandlung ausreichen (2. Stufe). Erst wenn sich damit kein abschließendes Ergebnis finden lässt, kann der MDK nach § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V die im Einzelfall erforderlichen Sozialdaten und Unterlagen vom Krankenhaus anfordern(3. Stufe - vgl hierzu ua BSG Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 20/12 R - SozR 4-2500 § 275 Nr 9).

15

Die Klägerin hatte der Beklagten ihre Aufwendungen für den stationären Aufenthalt der Versicherten unter dem 6.11.2007 abschließend in Rechnung gestellt. Die Beklagte beauftragte den MDK mit der Überprüfung dieser Rechnung, weil sich die Abrechnungsvoraussetzungen ihren Mitarbeitern aufgrund der Angaben nach § 301 SGB V nicht selbst erschlossen haben. Das geht aus den an den MDK gerichteten Fragen im Prüfauftrag hervor. Danach stellte sich den Mitarbeitern der Beklagten ua die Frage, ob das Krankheitsbild der Versicherten eine stationäre geriatrische Behandlung rechtfertige. Eine Verneinung dieser Frage kann bei objektiver Betrachtungsweise eine Herabsetzung der in Rechnung gestellten Krankenhausvergütung zur Folge haben. Daher kann ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Prüfung durch den MDK mit dem Ziel der Abrechnungskürzung eingeleitet und durchgeführt wurde. Es handelte sich mithin um eine Abrechnungsprüfung iS des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V.

16

b) Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 20/12 R - SozR 4-2500 § 275 Nr 9 RdNr 14; vgl auch BSG Urteil vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 16)kommt die Pflicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V nur in Betracht, wenn der MDK auf der 3. Stufe der Sachverhaltserhebung auf Veranlassung der Krankenkasse zuvor Sozialdaten gemäß § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V zur Rechnungsprüfung beim Krankenhaus angefordert hatte. Denn nach der Gesetzesbegründung zu § 275 Abs 1c S 3 SGB V(BT-Drucks 16/3100 S 171) dient diese Vorschrift in erster Linie dem Bürokratieabbau; die festgestellten hohen Prüfquoten im Rahmen der Einzelfallprüfung belasteten die Abläufe in den Krankenhäusern teils erheblich, sorgten für zusätzlichen personellen und finanziellen Aufwand und führten in der Regel zu hohen und nicht gerechtfertigten Außenständen und Liquiditätsproblemen. Die Aufwandspauschale soll daher einen Anreiz setzen, Einzelfallprüfungen zielorientierter und zügiger einzusetzen und damit einen Beitrag zum angestrebten Bürokratieabbau leisten. § 275 Abs 1c SGB V soll - so die Gesetzesbegründung weiter - eine einfache und unbürokratische Regelung sein; Detailgerechtigkeit werde nicht in jedem Einzelfall gewährleistet. Deshalb wurde auch die Entschädigung der Krankenhäuser für den unnötigen - zusätzlichen - Verwaltungsaufwand pauschaliert. Diesem gesetzgeberischen Ziel entsprechend ist aber gleichwohl ein tatsächlich entstandener Aufwand des Krankenhauses als Voraussetzung für die Aufwandspauschale erforderlich. Denn eine Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse ohne Aufwand seitens des Krankenhauses würde nicht dem gesetzlichen Zweck gerecht und widerspräche daher dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand wird beim Krankenhaus indes regelmäßig anfallen, wenn der MDK gemäß § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V auf der dritten Stufe des Prüfverfahrens weitere Sozialdaten und/oder Unterlagen anfordert(BSG, aaO).

17

Ausweislich des vom MDK gefertigten Gutachtens lagen diesem nicht nur die Daten nach § 301 SGB V, sondern darüber hinaus Auszüge aus der Krankenakte, insbesondere der Krankenhausentlassungsbericht zugrunde, die nur vom MDK angefordert worden sein können. Das Heraussuchen, Zusammenstellen und Vorlegen dieser Unterlagen, ja selbst das erneute Befasstwerden mit dem Vorgang, verursacht bei einem Krankenhaus immer einen Verwaltungsaufwand.

18

c) Schließlich hat die Überprüfung hier auch nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt. Für diesen Fall bestimmt § 275 Abs 1c S 3 SGB V grundsätzlich, dass die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro (ab dem 25.3.2009: 300 Euro) zu entrichten hat.

19

d) Dem Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale kann nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen eigenem Fehlverhalten der Klägerin entgegengehalten werden. Insbesondere hat die Klägerin das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung selbst veranlasst.

20

aa) Der erkennende 3. Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des 1. Senats, nach der ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale trotz unvermindert gebliebener Abrechnung ausscheidet, wenn die Krankenkasse durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst wurde, das Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V unter Beteiligung des MDK einzuleiten(vgl BSG Urteil vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3). Danach wird ausdrücklich eine nachgewiesene Fehlerhaftigkeit der Abrechnung vorausgesetzt (BSG, aaO, RdNr 26). Das ist folgerichtig, denn nach der oa Gesetzesbegründung zu § 275 Abs 1c SGB V sollen insbesondere solche zusätzlichen und bürokratieverursachenden Streitigkeiten vermieden werden, in denen die Beteiligten nur mittelbar - also allein wegen der Aufwandspauschale - rechtliche Auseinandersetzungen über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Kodierung des Krankenhauses führen. Der erkennende 3. Senat weist zudem darauf hin, dass eine weitere Aufklärung des Sachverhalts in solchen Fällen mit ggf aufwändigen Ermittlungen mit dem Sinn und Zweck von § 275 Abs 1c S 3 SGB V nicht vereinbar wäre. Mit der Pauschale wird ausdrücklich eine vereinfachte, aber unbürokratische Regelung verfolgt; sie kann und will deshalb auch keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleisten (BT-Drucks 16/3100 S 171). Es wäre geradezu widersinnig, zu der Frage, ob ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale besteht, aufwändige Ermittlungen im Hinblick auf die Fehlerhaftigkeit einer Kodierung durchzuführen, wenn feststeht, dass der Abrechnungsbetrag unvermindert bleibt.

21

Dem kann nicht von der Beklagten entgegengehalten werden, Krankenhäuser müssten ein Gutachten des MDK nur - und sei es auch pauschal und substanzlos - im Ergebnis bestreiten, um einen Anspruch auf die Aufwandspauschale geltend machen zu können. Dieser Einwand berücksichtigt nicht, dass nach dem Wortlaut § 275 Abs 1c S 3 SGB V die Aufwandspauschale ohne weitere Voraussetzungen dann zu entrichten ist, wenn die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt. Die dem Sinn und Zweck nach gerechtfertigte Einschränkung des Anspruchs für den Fall einer unstreitig oder nachgewiesen fehlerhaften Abrechnung bildet lediglich einen eng zu begrenzenden Ausnahmefall.

22

bb) Die Klägerin hat das Prüfverfahren vorliegend nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung veranlasst.

23

Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Beklagte die Wahl der Haupt- bzw Nebendiagnosen zum Anlass für ihre Überprüfung genommen hat. Die an den MDK gerichteten Fragen im Prüfauftrag sprechen vielmehr dafür, dass die Beklagte lediglich überprüfen lassen wollte, ob die Voraussetzungen für die durchgeführte geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nach Behandlungstagen, Therapieeinheiten und gegebenenfalls sonstigen durchgeführten Therapien und Maßnahmen sowie aufgrund der Indikation und des insgesamt bestehenden Krankheitsbildes vorgelegen haben. Fragen bzgl der Haupt- und/oder Nebendiagnosen enthält der Gutachtenauftrag nicht.

24

Darüber hinaus ist eine Falschkodierung durch die Klägerin weder zwischen den Beteiligten unstreitig noch seitens der Beklagten nachgewiesen. Denn die Ausführungen des MDK, dass die Fraktur des proximalen Endes des Humeruskopfes (S42.21) als Hauptdiagnose hätte angegeben werden müssen, während die arzneimittelinduzierte Osteoporose im Bereich des Beckens und der Oberschenkel (M81.45) stattdessen als Nebendiagnose aufzuführen gewesen wäre, ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien (Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren, Version 2007 ) wird die Hauptdiagnose definiert als: "Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist" (DKR, D002f - Hauptdiagnose, S 4 ff). Weiter wird in den DKR zur Hauptdiagnose ausgeführt: "Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-Definition entspricht" (DKR - D002f, S 4-6). Die Nebendiagnose wird demgegenüber definiert als: "Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt" (DKR - D003d - Nebendiagnosen, S 10 ff). Dazu wird weiter ausgeführt: "Für Kodierzwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:
- therapeutische Maßnahmen
- diagnostische Maßnahmen
- erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand" (DKR - D003d, S 10-12).

25

Daraus wird deutlich, dass die Abgrenzung von Haupt- und Nebendiagnosen nicht immer einfach und eindeutig ist. Entscheidend ist danach nicht in erster Linie die Schwere der Erkrankung, sondern welche Diagnose den Krankenhausarzt nach eigener Analyse zur stationären Aufnahme veranlasste, auf welches Krankheitsbild sich die Behandlung in erster Linie bezieht, welche Diagnose also den Schwerpunkt der stationären Behandlung gebildet hat. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, welche operativen Prozeduren durchgeführt werden (sollen). Im Zweifel entscheidet der behandelnde Arzt (vgl hierzu Bartkowski in: ders/Bauer/Witte, G-DRG, Praxiskommentar zum Deutschen Fallpauschalensystem, Allgemeines, 1.4.1 Festlegung der Hauptdiagnose und 1.4.2 Kodierung von Nebendiagnosen).

26

Nach diesen Kriterien war die von der Klägerin vorgenommene Kodierung nicht nachweislich falsch. Der stationäre Aufenthalt der Versicherten wurde zur Durchführung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen am Muskelskelettsystem und Bindegewebe veranlasst. Neben der Diagnose einer arzneimittelinduzierten Osteoporose in der Beckenregion und im Bereich der Oberschenkel (Becken, Femur, Gesäß, Hüfte, Hüftgelenk sowie Iliosakralgelenk) lag eine Fraktur des proximalen Endes des Humeruskopfes vor. Welche der beiden Erkrankungen hauptsächlich für den stationären Aufenthalt der Versicherten verantwortlich war, ließe sich allenfalls durch ein medizinisches Sachverständigengutachten auf der Basis der gesamten Patientenakte gegebenenfalls unter Heranziehung weiterer Unterlagen und Befragung der behandelnden Ärzte, Therapeuten und der Versicherten aufklären - insbesondere mit der Fragestellung, ob sich die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung in erster Linie auf die Behandlung der Osteoporose im Becken- und Oberschenkelbereich bezog oder ob die Beweglichkeit des Oberarms nach der bereits Ende August 2007 stattgehabten Fraktur und operativen Versorgung im Vordergrund stand. Möglicherweise erfüllen aber auch beide Diagnosen gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose, sodass die Entscheidung des behandelnden Arztes, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-Definition entspricht, nicht zu beanstanden wäre. Das Gutachten des MDK enthält hierzu keine Aussagen. Die Angaben der Klägerin, die Therapien hätten sich nicht auf die Oberarmfraktur bezogen, sprechen für die Richtigkeit ihrer Kodierung. Eine nachgewiesene Falschkodierung liegt ersichtlich nicht vor.

27

2. Die Klägerin hat Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.6.2009. Dieser Zinsanspruch kann nicht auf Vereinbarungen oder sonstige Regelungen zum Anspruch auf Vergütung für erbrachte Leistungen gestützt werden, da die Aufwandspauschale kein Vergütungsanspruch des Leistungserbringers ist. Die Klägerin kann daher - mangels anderweitiger Rechtsgrundlage - nur Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs 1 S 2 BGB geltend machen(vgl hierzu BSG Urteil vom 2.11.2010 - B 1 KR 11/10 R - BSGE 107, 78 = SozR 4-2500 § 140d Nr 2; BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 6/10 R - Juris). Danach hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Nach § 94 SGG wird die Streitsache durch die Erhebung der Klage rechtshängig. Die Klage ist am 9.6.2009 beim SG eingegangen und damit rechtshängig geworden. Der Anspruch auf Prozesszinsen beginnt daher an diesem Tag.

28

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

(2) Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

(3) Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

(4) Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2014 geändert. Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von Zinsen von mehr als fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 10. Mai 2010 auf 100 Euro verurteilt worden ist. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 100 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale von 100 Euro nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V.

2

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte B. (im Folgenden: Versicherte) vollstationär vom 2. bis 25.2.2009. Sie berechnete hierfür die Fallpauschale (DRG <2009>) K62Z (Verschiedene Stoffwechselerkrankungen; insgesamt 3674,81 Euro, Rechnungsdatum 24.3.2009). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), die Dauer der Krankenhausbehandlung zu prüfen (der Klägerin angezeigt mit MDK-Schreiben vom 17.4.2009 und Beklagtenschreiben vom 22.4.2009). Der MDK kam nach Durchsicht der Behandlungsunterlagen zu dem Ergebnis, dass die stationäre Behandlung nur bis zum 21.2.2009 medizinisch notwendig gewesen sei (Gutachten vom 6.11.2009 und 8.2.2010). Die Beklagte zahlte deswegen lediglich 2899,89 Euro. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung des Restbetrages von 774,92 Euro verurteilt, jedoch die Klage auf Zahlung der Aufwandspauschale von 100 Euro abgewiesen: Eine KK habe nur dann eine Aufwandspauschale zu zahlen, falls die auf der vorprozessualen Prüfung beruhende MDK-Einschätzung keine Rechnungsminderung beinhalte. Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin das SG-Urteil insoweit aufgehoben und die Beklagte auch zur Zahlung der Aufwandspauschale nebst Zinsen hierauf von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.5.2010 verurteilt. § 275 Abs 1c S 3 SGB V wolle ungerechtfertigten Verwaltungsaufwand durch eine Aufwandspauschale für mit dem Ziel der Rechnungsminderung veranlasste, im wirtschaftlichen Ergebnis aber erfolglose MDK-Prüfungen minimieren. Hier sei es zu keiner Rechnungsminderung gekommen. Das davon abweichende Ergebnis der MDK-Prüfung sei unerheblich (Urteil vom 13.2.2014).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 275 Abs 1c S 3 SGB V. Die Entstehung der Aufwandspauschale hänge nur vom Ergebnis der vorprozessualen MDK-Prüfung als isoliertem Verfahren ab. Ein im gerichtlichen Verfahren aus welchen Gründen auch immer erfolgtes Abweichen von MDK-Prüfergebnissen sei unerheblich.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2014 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 13. Juli 2012 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der beklagten KK ist zulässig. Dies gilt auch bezüglich des vom LSG als Nebenforderung zuerkannten Zinsanspruchs. Zwar erstreckt sich die Revisionsbegründung (§ 164 Abs 2 S 1 SGG)nicht auf den Zinsanspruch (zum Begründungserfordernis für jeden Streitgegenstand: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 9d mwN). Das fehlende Vorbringen zur Nebenforderung ist aber unschädlich, weil die mit der Revision auch insoweit angestrebte kassatorische Entscheidung nach der Revisionsbegründung denknotwendig von der Entscheidung über den Hauptanspruch abhängt (vgl auch BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 8; BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 9; Leitherer aaO). Die Revision ist aber überwiegend unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Zu Recht hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung einer Aufwandspauschale von 100 Euro nebst Zinsen hierauf verurteilt. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12) und hinsichtlich der Hauptsache voll und hinsichtlich der Nebenforderung teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte den geltend gemachten Anspruch auf 100 Euro (dazu 1.). Der Klägerin steht allerdings nur ein Zinsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 100 Euro seit Rechtshängigkeit (10.5.2010) zu. Im Übrigen ist die Revision begründet (dazu 2.).

8

1. Nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V sind die KKn in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. In Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ordnet § 275 Abs 1c S 1 SGB V an, dass eine Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V zeitnah durchzuführen ist. Dieses wird in § 275 Abs 1c S 2 SGB V dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der KK einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist. § 275 Abs 1c S 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 185 Buchst a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) bestimmt sodann: "Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, hat die KK dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro zu entrichten." Die sich daraus ergebenden Anspruchsvoraussetzungen (dazu a) erfüllt die Klägerin im vorliegenden Fall (dazu b).

9

a) Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13), löst nicht jede im Zusammenhang mit einer Krankenhausabrechnung erfolgte ergebnislose Rückfrage der KK beim Krankenhaus die Zahlungspflicht nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V aus. Vielmehr muss es sich gerade um eine Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V handeln. Geeignet, einen Anspruch aus § 275 Abs 1c S 3 SGB V auszulösen, ist allein ein Verfahren, in dem es um die Prüfung einer Rechnung geht, sei es eine Schlussrechnung oder auch nur eine Zwischenrechnung, die das Krankenhaus der KK stellt. Die KK muss den MDK beauftragen, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der in Rechnung gestellten Vergütung zu gelangen, dh eine Verminderung des (möglicherweise) vom Krankenhaus zu hoch angesetzten Abrechnungsbetrages zu erreichen. Zu dieser Prüfung muss der MDK auf Veranlassung der KK Sozialdaten zur Rechnungsprüfung beim Krankenhaus gemäß § 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V anfordern. Schließlich muss dem Krankenhaus durch die erneute Befassung mit dem Behandlungs- und Abrechnungsfall ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehen. Ob die KK einen gezielten Prüfauftrag zur Abrechnungsminderung erteilte, bemisst sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen (§ 69 Abs 1 S 3 SGB V, hier anzuwenden idF durch Art 1 Nr 1e Buchst a Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 15.12.2008, BGBl I 2426, mWv 18.12.2008). Ein Prüfauftrag ist regelmäßig gezielt zur Abrechnungsminderung erteilt, wenn er sich zumindest auch ganz oder teilweise auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erstreckt, für den das Krankenhaus der KK eine Rechnung übersandt hat, und wenn er objektiv zur Folge haben kann, dass diese der KK bereits vorliegende Abrechnung des Krankhauses infolge des Prüfergebnisses gemindert wird. Das folgt aus der gebotenen Auslegung des Prüfauftrags aus dem Empfängerhorizont (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6 RdNr 10 und 13 f mwN). Soweit allerdings der früher auch für das Leistungserbringungsrecht der Krankenhäuser zuständig gewesene 3. Senat des BSG darüber hinausgehend angenommen hat, bei Vorliegen einer Krankenhausabrechnung werde bei einem Prüfantrag der KK unwiderleglich der Zweck vermutet, den Abrechnungsbetrag zu mindern (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 LS 2 und RdNr 17; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 9), gibt der erkennende Senat diese abweichende Rechtsansicht aus Gründen der Klarstellung auf (vgl auch BSG Urteil vom selben Tag - B 1 KR 23/14 R - RdNr 18, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

10

Falls die Prüfung nach § 275 Abs 1c S 1 SGB V nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, ist dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V zu entrichten. Führt eine Einzelfallprüfung dagegen zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags, entfällt die Aufwandspauschale (vgl BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R - Juris RdNr 27, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 301 Nr 4 vorgesehen; siehe ferner Begründung des Entwurfs eines GKV-WSG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/3100 S 171). Der Gesetzgeber sah nach der Entstehungsgeschichte lediglich bei missbräuchlichem Vorgehen von KKn bzw bei nahezu routinemäßig erfolgender Prüfungseinleitung im Grenzbereich hin zum Rechtsmissbrauch die Zahlung einer Aufwandspauschale als gerechtfertigt an (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 24). Der Zweck der Aufwandspauschale im Sinne des § 275 Abs 1c S 3 SGB V ist es, nur sachwidrige Aufträge der KKn an den MDK im dargelegten Sinne zu verhindern, die der gezielten Überprüfung von Abrechnungen dienen. Das Gesetz verzichtet auf die Feststellung der Sachwidrigkeit der MDK-Prüfung im Einzelfall. Stattdessen setzt es an deren Stelle den objektiv festzustellenden Erfolg der Abrechnungsprüfung in der Erwartung, dass die KKn nur solche Prüfungen einleiten, bei denen aufgrund von Auffälligkeiten die ernsthafte Möglichkeit einer Minderung des Abrechnungsbetrags im Raum steht (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6 RdNr 15). Ein Erfolg der Abrechnungsprüfung ist objektiv dann festzustellen, wenn das Krankenhaus nach Einleitung der MDK-Prüfung sich im dargelegten Sinne mit einem geringeren als dem Rechnungsbetrag begnügt, sei es, dass es ausdrücklich oder konkludent einer Minderung seiner Abrechnung zustimmt oder diese hinnimmt. Hierfür reicht es beispielsweise aus, dass das Krankenhaus - ggf nach erfolgloser fakultativer oder obligatorischer Schlichtung nach § 17c Abs 4, Abs 4b S 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz(vgl dazu BSG Urteil vom selben Tag - B 1 KR 26/14 R - RdNr 19 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) - die Zahlung des von der KK vorenthaltenen Restbetrages nicht gerichtlich verfolgt oder einer nachträglichen Aufrechnung nicht gerichtlich entgegentritt, oder in einem nachfolgenden Rechtsstreit insoweit unterliegt, als es zu irgendeiner Rechnungsminderung, und sei sie noch so geringfügig, kommt. Der erkennende Senat hat auch bereits entschieden, dass es genügt, dass die Auffälligkeitsprüfung eine der Bedingungen dafür ist, dass letztlich die KK im Rahmen der sachlich-rechnerischen Prüfung der Abrechnung einen zunächst nicht beglichenen Teil der Abrechnung auch weiterhin nicht bezahlen muss oder berechtigt ist, eine Erstattungsforderung geltend zu machen (vgl BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R - Juris RdNr 26 f, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 301 Nr 4 vorgesehen). Es genügt die Minderung irgendeines Teils (Rechnungsposition) der Abrechnung - insbesondere auch die Minderung von Zuschlägen jeglicher Art -, die durch die MDK-Prüfung der vom Krankenhaus auf Anforderung zur Verfügung gestellten Behandlungsdaten mitbedungen ist. Die objektiv feststellbare Abrechnungsminderung schließt danach die Zahlung einer Aufwandspauschale auch dann aus, wenn die MDK-Prüfung zu einer Verringerung des abgerechneten Investitionszuschlags nach § 8 Abs 3 Krankenhausentgeltgesetz führt(Aufgabe von BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 10). Umgekehrt bedeutet dies entgegen der Auffassung der Beklagten aber auch, dass das MDK-Prüfergebnis für den Anspruch auf die Aufwandspauschale unbeachtlich ist, wenn es im nachfolgenden Gerichtsverfahren keine Bestätigung im Sinne der Zuerkennung eines geringeren Zahlbetrags findet. Die Prüfung führt dann nicht zu einer objektiv feststellbaren Abrechnungsminderung.

11

Ein Anspruch auf die Aufwandspauschale scheidet allerdings gleichwohl aus, wenn die KK jedenfalls durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst wurde, das Prüfverfahren nach § 275 SGB V unter Beteiligung des MDK einzuleiten. In derartigen Fällen löst § 275 Abs 1c S 3 SGB V mit Blick auf die zentrale Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgebots und die den KKn zur Wahrung dieses Gebotes gesetzlich übertragenen Aufgaben keine Aufwandspauschale aus, selbst wenn sich der Gesamtabrechnungsbetrag für die Krankenhausbehandlung anschließend im Ergebnis nicht verringert(vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 18 ff mwN). Ein Anspruch auf die Aufwandspauschale ist zudem ausgeschlossen, wenn Krankenhäuser trotz nicht fristgerechter Prüfanzeige dem MDK auf Veranlassung der KK Sozialdaten zur Rechnungsprüfung (§ 276 Abs 2 S 1 Halbs 2 SGB V) überlassen. Das Gesetz schützt - wie dargelegt - Krankenhäuser vor unverhältnismäßigen, nicht sachgerechten Auffälligkeitsprüfungen mittelbar durch den Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale. Sie bedürfen aber dann keines mittelbaren Schutzes mehr, wenn sie infolge Fristablaufs eine Herausgabe von Sozialdaten an den MDK verweigern können und autonom darüber entscheiden, ob sie dem Herausgabeverlangen freiwillig entsprechen (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 15 RdNr 22).

12

b) Die sich danach ergebenden tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V erfüllt die Klägerin. Hier hat die Beklagte der Klägerin fristgemäß selbst und durch den MDK die Prüfanzeige mitgeteilt, mit der sie die Verweildauer der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin nach erteilter Schlussrechnung durch den MDK überprüfen lassen wollte. Die MDK-Prüfung aufgrund der von der Klägerin dafür zur Verfügung gestellten Behandlungsunterlagen führte letztlich zu keiner Minderung der Abrechnung. Das SG hat die Beklagte rechtskräftig verurteilt, der Klägerin den Restbetrag der nicht vollständig beglichenen Rechnung zu zahlen, weil die vollstationäre Behandlung der Versicherten über den gesamten Zeitraum vom 2. bis 25.2.2009 medizinisch erforderlich war. Anhaltspunkte für eine im Übrigen nicht ordnungsgemäße Kodierung liegen nicht vor. Auch das steht nach den unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG fest (§ 163 SGG).

13

2. Die Klägerin hat nur Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (dazu a) seit dem 10.5.2010 (dazu b).

14

a) Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch kann nicht auf Vereinbarungen oder sonstige Regelungen zum Anspruch auf Vergütung für erbrachte Leistungen gestützt werden, da die Aufwandspauschale kein Vergütungsanspruch des Leistungserbringers ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 16 RdNr 27). Die Klägerin kann daher - mangels anderweitiger Rechtsgrundlage - nur Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs 1 S 2 BGB(idF der Bekanntmachung der Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2.1.2002, BGBl I 42) geltend machen (vgl BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 14; BSGE 107, 78 = SozR 4-2500 § 140d Nr 2 RdNr 30-31). Danach hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) an zu verzinsen. Der auf Prozesszinsen anzuwendende Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

15

Anspruch auf eine Verzinsung nach einem höheren Zinssatz steht der Klägerin hingegen nicht zu. § 288 Abs 2 BGB findet keine Anwendung. Die Klägerin kann sich für die Zinshöhe nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, der Zinssatz für Entgeltforderungen acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt (§ 288 Abs 2 BGB). Diese Regelung ist zwar grundsätzlich im Rahmen des § 69 Abs 1 S 3 SGB V anwendbar. Der Regelung unterfallen aber nicht Ansprüche auf Aufwandspauschalen nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V, sofern vertragliche Vereinbarungen darüber fehlen. Denn es geht hierbei nicht um Entgeltforderungen bei Rechtsgeschäften (vgl auch BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7 RdNr 17 ff, dort zum Vergütungsanspruch nach § 109 Abs 4 S 3 SGB V und dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen überzahlter Vergütung für Krankenhausbehandlung).

16

b) Der Anspruch auf Prozesszinsen mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz beginnt am 10.5.2010. Denn die Klage ist an diesem Tag beim SG eingegangen und damit nach § 94 SGG rechtshängig geworden.

17

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 155 Abs 1 S 3 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 20. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 100 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale von 100 Euro nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V.

2

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte den bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten Franz R. (im Folgenden: Versicherter) vom 11. bis 13.2.2008 wegen einer geplanten Hauttransplantation nach Vorfußamputation stationär. Da sie im Wundbereich MRSA-Keime feststellte, brach sie die stationäre Behandlung ab und stellte die Behandlung in Rechnung (12.3.2008, zugleich Zugang bei der Beklagten). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zu prüfen (28.3.2008). Diese Prüfung ergab keine Beanstandungen (Gutachten vom 23.4.2008). Anschließend beauftragte die Beklagte den MDK zu klären, ob die Klägerin während der stationären Behandlung den Versicherten dialysiert habe (4.6.2008). Die Dialyse werde nicht im Gutachten aufgeführt. Der MDK zeigte daraufhin "die Prüfung, den o.g. Krankenhausaufenthalt betreffend," an (Schreiben vom 9.6.2008). Die Beklagte bezahlte die Aufwandspauschale von 100 Euro (Zahlungseingang bei der Klägerin am 9.6.2008). Der MDK bejahte nach erneuter Krankenhausbegehung die Frage der Beklagten (16.7.2008). Eine Rechnungsminderung erfolgte nicht. Die Klägerin forderte die Beklagte erfolglos auf, eine weitere Aufwandspauschale von 100 Euro zu zahlen. Das SG hat ihre Klage abgewiesen: Es habe nur eine Abrechnungsprüfung im Rechtssinne stattgefunden (Urteil vom 20.6.2012). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 100 Euro nebst Zinsen verurteilt. Es habe sich um zwei selbstständige Aufträge gehandelt. Der erste habe die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlung, der zweite den Nachweis der Dialyseleistung betroffen (Urteil vom 18.4.2013).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 275 Abs 1c S 3 SGB V. Sie habe mit ihrem zweiten Schreiben den MDK lediglich aufgefordert, das erste unvollständige Gutachten nachzubessern. Aus § 275 Abs 1c SGB V ergebe sich auch keine Anscheinshaftung für einen vermeintlich neuen Prüfauftrag.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. April 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 20. Juni 2012 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und auf die zulässige (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG (stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6 RdNr 7) einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 100 Euro bejaht. Die Voraussetzungen des Anspruchs auf Zahlung einer weiteren Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 185 Buchst a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378, mWv 1.4.2007) sind nicht erfüllt. Der erkennende Senat lässt offen, ob sich die Beklagte mit ihrer Nachfrage vom 4.6.2008 lediglich innerhalb des durch den ursprünglichen Prüfauftrag abgesteckten Rahmens hielt oder ob es sich dabei um einen zweiten selbstständigen Prüfauftrag der Beklagten handelte. Im ersten Fall entstand mangels eines erneuten selbstständigen Prüfauftrags kein erneuter Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale (dazu 1.), im zweiten Fall hätte die Klägerin dem selbstständigen Prüfungsbegehren der Beklagten die Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V entgegenhalten können(dazu 2.).

8

1. Es steht nicht fest, dass die Beklagte dem MDK keinen zweiten Prüfauftrag erteilte, sondern lediglich im Rahmen des ersten Auftrags ergänzend nachfragte. Eine der Grundvoraussetzungen eines Anspruchs eines Krankenhausträgers auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V ist, dass eine KK den MDK überhaupt beauftragt, eine erteilte Abrechnung des Krankenhauses wegen Auffälligkeiten zu überprüfen und eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung des Rechnungsbetrages für die Krankenhausbehandlung(§ 39 SGB V) zu gelangen (vgl grundlegend BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13; dem folgend BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 15 f). Ohne die Erteilung eines zweiten Prüfauftrags war diese Voraussetzung nicht erfüllt. Dabei geht der erkennende 1. Senat des BSG - in Übereinstimmung mit dem 3. Senat des BSG (vgl SozR 4-2500 § 275 Nr 9 RdNr 16) - davon aus, dass eine Aufwandspauschale bei einer Krankenhausbehandlung im Sinne eines abrechnungstechnischen Behandlungsfalls mehrfach anfallen kann, wenn die KK dem MDK mehrere selbstständige Prüfaufträge erteilt.

9

Für die erforderliche Auftragserteilung genügt nicht etwa die Erteilung eines Auftrags zu einer Stichprobenprüfung nach § 17c Abs 2 und 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz(KHG, eingefügt durch Art 2 Nr 5 Fallpauschalengesetz - FPG - vom 23.4.2002, BGBl I 1412 in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung; inzwischen geändert durch Art 5c Nr 2 Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.7.2013, BGBl I 2423, und Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drucks 17/13947 S 18 ff und S 37 ff) oder eine Anfrage aus anderen zulässigen Gründen. Zielsetzung eines (möglicherweise) die Aufwandspauschale auslösenden Prüfauftrags der KK an den MDK muss in jedem Fall die Abklärung sein, dass aus dessen fachkundiger Sicht Gründe bestehen oder fehlen, die die Höhe des vom Krankenhaus bezifferten Abrechnungsbetrages rechtfertigen. Voraussetzung und Anlass einer Auffälligkeitsprüfung ist lediglich, dass - zumindest - eine Auffälligkeit besteht. So liegt es, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der KK verwertbare Informationen (vgl zu Letzterem BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 33 und 35)Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die KK aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht beantworten kann (vgl BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 18; zustimmend BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - RdNr 15). Die Auffälligkeit begründet einen "Anfangsverdacht" (vgl Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des FPG, BT-Drucks 14/7862 S 6 zu 2.7.). Es bedarf weder eines "konkreten" Verdachts noch muss ein solcher im Zweifel von der KK bewiesen werden (so etwa noch 3. Senat des BSG im Urteil vom 28.2.2007, BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 22 mwN, überholt durch Beschluss des Großen Senats vom 25.9.2007, BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10; vgl dazu 1. Senat des BSG, BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 30 ff mwN).

10

Der Große Senat hat früheren Versuchen, die im Ergebnis dazu führten, dass im Vergütungsstreit die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zugunsten des Krankenhauses vermutet wird (vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 29),eine klare Absage erteilt. Der erkennende 1. Senat des BSG hat hieraus abgeleitet: Beruft sich die KK ohne Rechtsmissbrauch gegenüber einem Anspruch auf Krankenhausvergütung auf die fehlende Erforderlichkeit der Behandlung, ist hierzu von Amts wegen zu ermitteln; die in der Krankenhausabrechnung enthaltene Bejahung der Notwendigkeit ist nicht ausschlaggebend (vgl BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, LS 3 und RdNr 20 - 22 mwN). Abgesehen von hier nicht eingreifenden gesetzlich geregelten Ausnahmen und atypischen, eng zu verstehenden, außergewöhnlichen Missbrauchskonstellationen - dürfen nachträgliche Einwendungen und Überprüfungsbefugnisse der KK wie des Gerichts weder faktisch noch rechtlich ausgeschlossen oder über die gesetzlichen Wertungen hinaus erschwert werden (vgl BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 30 ff mwN). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende 1. Senat des BSG fest (unzutreffend insoweit BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - RdNr 15, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG Urteil vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - RdNr 17, zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR).

11

Ob eine KK einen erneuten Prüfauftrag mit dem Ziel der Abrechnungsminderung erteilt hat, bemisst sich nach denselben allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen (§ 69 S 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 40a GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378) wie die Beantwortung der Frage, ob die KK überhaupt einen Prüfauftrag mit dem Ziel der Minderung des Abrechnungsbetrags erteilt hat (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6 RdNr 14). Dabei ist nicht allein auf die schriftliche, insbesondere formularmäßige Beschreibung des Prüfauftrags abzustellen, insbesondere hierbei nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen (§ 133 BGB). Namentlich sind auch ergänzende Umstände zu berücksichtigen, etwa eine rechtmäßige allgemeine Übung, mündliche Hinweise der KK oder vor Übersendung der Prüfanzeige an das Krankenhaus einvernehmlich zwischen KK und MDK abgesprochene Prüfinhalte. Zu berücksichtigen ist auch die Interessenlage, insbesondere das Informationsgefälle zwischen Krankenhaus und KK, und - wie dargelegt - der mit dem Auftrag verfolgte Zweck, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu achten. Erst daraus folgt, wie der MDK den Prüfauftrag verstehen musste. Für die Frage, was Inhalt des Prüfauftrags ist, der sich nur an den MDK richtet, kommt es bei alledem auf den Empfängerhorizont des MDK, nicht eines Dritten, an.

12

Wie der Senat eingehend dargelegt hat, bedarf § 275 Abs 1c S 3 SGB V auch zur Wahrung der Gleichgewichtigkeit der wechselseitigen Interessen von KKn und Krankenhäusern und mit Blick auf das Regelungssystem im Zusammenspiel mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot(§ 2 Abs 1 S 1, § 4 Abs 3, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 SGB V) einer einschränkenden Auslegung (vgl ausführlich BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 18 ff; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6 RdNr 16 mwN). Dies bedingt im vorliegenden Zusammenhang, grundsätzlich von einem weiten Prüfauftrag auszugehen, soweit die KK nicht ausdrücklich Einschränkungen vorgegeben hat, um dem Wirtschaftlichkeitsgebot bestmöglich gerecht zu werden. Von diesem Verständnis hat auch der MDK nach seinem Empfängerhorizont auszugehen. Insbesondere darf aus dem Umstand, dass eine im Einzelfall mögliche Abrechnungsprüfung das Vorhandensein von Auffälligkeiten voraussetzt (vgl BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 18), nicht abgeleitet werden, dass sich ein Prüfauftrag auf die nach Mitteilung der Abrechnungsdaten ergebenden Auffälligkeiten zu beschränken hat, wenn die KK ihm aus Anlass der Auffälligkeit einen umfassenden Prüfauftrag erteilt hat. Denn die Auffälligkeit begründet einen "Anfangsverdacht" (vgl oben), der Grund für eine umfassende Prüfung sein kann.

13

Soweit der MDK bei seiner Prüfung der Behandlungsunterlagen und/oder bei einer Krankenhausbegehung weitere, der KK zunächst verborgene Auffälligkeiten feststellt, die bei einem eingeschränkten Prüfauftrag über die durch ihn gezogenen Grenzen hinausgehen, entfaltet der ursprüngliche Prüfauftrag keine Sperrwirkung. Der MDK darf und muss dann - gegebenenfalls nach Rückfrage bei der KK - weitere Ermittlungen anstellen. Dies folgt zwingend aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) und dem Zweck der Abrechnungsprüfung, auf eine ordnungsgemäße Abrechnung hinzuwirken (§ 275 Abs 1 Nr 1 SGB V).

14

Das Vorgehen der KKn nach § 275 Abs 1 SGB V hat seinen Ursprung darin, dass es zu den elementaren Aufgaben einer KK gehört, auf die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots Acht zu geben. Der Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung, die Pflicht der KK zu ihrer Bewilligung sowie die Pflicht des Krankenhausträgers zu ihrer Bewirkung hängen von der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ab. Das Wirtschaftlichkeitsgebot verknüpft die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung, ihre Vergütung und die Kontrolle des Vorliegens ihrer Voraussetzungen durch KKn und MDK untrennbar miteinander. Verpflichtungen zu rechtsgrundlosen Zahlungen der KK an Leistungserbringer sind danach mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot grundsätzlich nicht zu vereinbaren (BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 34).

15

Die KKn sind bei umfassenden Prüfaufträgen oder eingeschränkten Prüfaufträgen, die weitere Verdachtsmomente aufgedeckt haben, solange befugt, erneut Informationen von den Krankenhäusern anzufordern, wie es dafür sachgerechte Gründe gibt. Dies kann im Einzelfall die Pflicht begründen, dem MDK auch wiederholt Behandlungsunterlagen zugänglich zu machen. In keinem Fall ist dagegen die Aufwandspauschale als Entgelt für eine einmalige Zurverfügungstellung von Sozialdaten zu verstehen, die mit jeder weiteren Anforderung zwingend erneut anfällt.

16

Unerheblich ist hingegen für die Auslegung der Reichweite eines von der KK erteilten Prüfauftrags, dass die KK eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V bereits bezahlt hat. Die Zahlung allein stellt - vorbehaltlich einer besonderen Erklärung - keinen Verzicht darauf dar, aufgrund des Auskunftsanspruchs aus dem bisherigen Prüfauftrag weitere Informationen einzufordern. Eine Nachfrage ist bereits dann - ohne erneute Aufwandspauschale - vom Krankenhaus zu beantworten, wenn sie sich im Rahmen des Prüfauftrags hält und dafür sachgerechte Gründe vorliegen. Für die Überlegung, dass die Zahlung der Aufwandspauschale einen der Abnahmeerklärung im Werkvertragsrecht (§ 640 BGB) entsprechenden Erklärungswert haben könnte, fehlt jegliche rechtliche Grundlage.

17

Der erkennende Senat kann mangels näherer Tatsachenfeststellungen des LSG ausgehend von den aufgezeigten Auslegungsgrundsätzen nicht abschließend entscheiden, dass der zunächst erteilte Auftrag der Beklagten, Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung zu prüfen, sich auch auf die tatsächliche Vornahme einer Dialyse erstreckte. Der Gesamtvorgang der Krankenhausbehandlung war für die Sachbearbeitung der Beklagten unplausibel aufgrund der Auffälligkeit im dargelegten Rechtssinne, dass während der zweitägigen stationären Behandlung nichts Substantielles zu geschehen schien. Andererseits bezweifelt der weit gefasste erste Prüfauftrag (handschriftliche Bemerkung der KK: "keine Notfallaufnahme, keine Maßnahmen ersichtlich") nicht, dass die Klägerin die abgerechneten Leistungen erbrachte. Allerdings findet sich bereits unter dem 1.4.2008 ein Vermerk des MDK, der die Notwendigkeit der stationär erbrachten Dialyse in Zweifel zieht ("amb Dialyse möglich?"). Diese Fragestellung hält sich innerhalb des Rahmens des sich aus der Frage nach der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ergebenden Prüfungsumfangs. Soweit die Beklagte aufgrund des knapp gehaltenen Gutachtens nachfragte, ob die Klägerin den Versicherten tatsächlich dialysiert habe, kommt naheliegend in Betracht, dass die Beklagte lediglich der Vollständigkeit halber eine Ergänzung des Gutachtens veranlassen wollte. Denn hätte der MDK bei der Prüfung der von ihm selbst thematisierten Notwendigkeit der stationären Dialyse eine Falschabrechnung erkannt, hätte die Beklagte erwarten dürfen, dass er ihr dies unaufgefordert mitteilt. Der Senat kann aber letztlich auch nicht ausschließen, dass die Beklagte den MDK im Rahmen eines ganz neuen, anders ausgerichteten Auftrags damit betraute, festzustellen, dass die Klägerin nicht erbrachte Leistungen abgerechnet hatte. Eine Ermittlung des Gewollten wäre nur nach Ermittlung der näheren Umstände möglich, die das LSG nicht festgestellt hat.

18

Die Prüfung der Nichterbringung von abgerechneten Behandlungsmaßnahmen durch erneute Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen geht jedenfalls über die Prüfung der Notwendigkeit und Dauer der tatsächlich erbrachten stationären Behandlung qualitativ hinaus, wenn - wie hier - eine zuvor erfolgte MDK-Prüfung keine dahingehenden neuen Verdachtsmomente ergeben haben sollte. Soweit die Beklagte dem MDK einen entsprechenden Auftrag erteilt haben sollte, obwohl die Prüfung des MDK bei seiner ersten Begehung am 23.4.2008 keine weitere Auffälligkeit ergeben hatte, handelte es sich um einen zweiten selbstständigen Prüfauftrag. Dies bedarf jedoch keiner weiteren Aufklärung und der Senat kann auch die Frage offenlassen, welche Rechtsfolgen sich aus einem vom MDK fälschlich angenommenen und gegenüber dem Krankenhaus angezeigten Prüfauftrag ergeben. Denn selbst bei einem von der Beklagten so gewollten und vom MDK auch so verstandenen Prüfauftrag steht der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung einer zweiten Aufwandspauschale zu.

19

2. § 275 Abs 1c SGB V eröffnet der Klägerin auch bei Erteilung eines zweiten Prüfauftrags schon deswegen keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale, weil die Klägerin einem - auf der dritten Stufe angesiedelten - zweiten selbstständigen Prüfbegehren der Beklagten durchgreifende Einwendungen hätte entgegenhalten können. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die Beklagte dem MDK einen zweiten selbstständigen Prüfauftrag erteilte, fehlt es hier jedenfalls an einer fristgemäßen erneuten Prüfanzeige, die geeignet gewesen wäre, die Klägerin rechtmäßig zu einem weiteren Verwaltungsaufwand zu verpflichten. Soweit das Krankenhaus einen Prüfaufwand dadurch vermeiden kann, dass es sich zu Recht auf den Fristablauf des § 275 Abs 1c S 2 SGB V(vgl BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 39) beruft (vgl aber auch BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 16 dazu, dass eine Zwischenrechnung den Lauf der Ausschlussfrist nicht in Gang setzen kann), aber gleichwohl dem Prüfbegehren vorbehaltlos entspricht, beruht sein Verwaltungsaufwand nicht wesentlich auf dem Prüfauftrag der KK und begründet deswegen keinen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale. Ein Grundsatz "dulde und liquidiere" besteht insoweit nicht. Dies folgt aus dem Zweck der Aufwandspauschale (dazu a) und der Binnensystematik des § 275 Abs 1c SGB V(dazu b). Handelte es sich um einen zweiten Prüfauftrag, wäre die Klägerin aufgrund der Prüfanzeige des MDK befugt gewesen, den Fristablauf des § 275 Abs 1c S 2 SGB V gegen die Erhebung von Sozialdaten im Krankenhaus zur Überprüfung der Schlussrechnung einzuwenden(dazu c).

20

a) Der Gesetzgeber sah nach der Entstehungsgeschichte lediglich bei missbräuchlichem Vorgehen von KKn bzw bei nahezu routinemäßig erfolgender Prüfungseinleitung im Grenzbereich hin zum Rechtsmissbrauch die Zahlung einer Aufwandspauschale als gerechtfertigt an (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 24). Zweck der Aufwandspauschale im Sinne des § 275 Abs 1c S 3 SGB V ist es, nur sachwidrige Aufträge der KKn an den MDK im dargelegten Sinne zu verhindern, die der gezielten Überprüfung von Abrechnungen dienen(vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6 RdNr 15). Die Pflicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale soll auf das Verhalten der KKn einwirken, indem sie ihre rechtliche Befugnis, die Übermittlung von Sozialdaten an den MDK zu erzwingen, intern abwägen und von voraussichtlich erfolglosen, tendenziell missbräuchlichen Prüfaufträgen Abstand nehmen. Dementsprechend betrifft § 275 Abs 1c S 3 SGB V nur die Fallgestaltungen, in denen das Krankenhaus überhaupt verpflichtet ist, dem MDK aufgrund des Prüfauftrags der KK Sozialdaten zur Verfügung zu stellen.

21

b) Hingegen konkretisiert und sichert § 275 Abs 1c S 2 SGB V abschließend den sich aus § 275 Abs 1c S 1 SGB V ergebenden Beschleunigungsgrundsatz durch die Einführung einer Frist(vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 10; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 30 und 33 ff; zur Nichtigkeit weitergehender vertraglicher Regelungen vgl BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 35 ff). Die Regelung führt eine Frist von sechs Wochen nach Eingang des Rechnungsdatensatzes bei der KK ein, innerhalb derer die KK die Prüfung einzuleiten und der MDK dem Krankenhaus die Prüfung anzuzeigen hat. In der Rechtsprechung der in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung hierfür zuständigen Senate des BSG ist geklärt, dass diese Frist nur Bedeutung erlangt, wenn dem MDK über eine Anzeige nach § 301 SGB V und die Vorlage eines Kurzberichtes hinausgehend weitere Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen sind. Der ungenutzte Ablauf der Frist führt lediglich dazu, dass KK und MDK bei einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfungen auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der KK im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - jeweils zur Verfügung gestellt hat (vgl BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 39 mwN; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 28 mwN). Dies hindert das Krankenhaus nach Fristablauf nicht daran, dem MDK angeforderte Sozialdaten aus freien Stücken zur Verfügung zu stellen. Es ist bloß berechtigt, entsprechende Anforderungen zu verweigern und ggf abzuwehren. Ebenso bleibt das Recht der KK unberührt, für eine Prüfung andere zulässige Informationsquellen zu nutzen (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 35-36). An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. Fordert die KK vom Krankenhaus nach Ablauf der Frist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V, dem MDK Sozialdaten zur Verfügung zu stellen, und erfüllt das Krankenhaus diesen Wunsch, beruht dies wesentlich darauf, dass das Krankenhaus von dem spezifisch für diesen Fall vom Gesetzgeber vorgesehenen Recht, die Herausgabe von Sozialdaten zu verweigern, keinen Gebrauch macht.

22

Das Gesetz schützt Krankenhäuser vor unverhältnismäßigen, nicht sachgerechten Auffälligkeitsprüfungen mittelbar durch den Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale (vgl Entwurf eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 171). Sie bedürfen aber dann keines mittelbaren Schutzes mehr, wenn sie infolge Fristablaufs eine Herausgabe von Sozialdaten an den MDK verweigern können und autonom darüber entscheiden, ob sie dem Herausgabeverlangen freiwillig entsprechen.

23

c) Die Klägerin hätte einem Auskunftsverlangen aufgrund eines zweiten, neuen Prüfauftrags der Beklagten den Fristablauf des § 275 Abs 1c S 2 SGB V entgegenhalten können. Die Prüfanzeige des MDK vom 9.6.2008 stellte sich nach dem Empfängerhorizont der Klägerin als Mitteilung eines erneuten selbstständigen Prüfauftrags der Beklagten dar. Sie enthielt keine Bezugnahme auf die erste Prüfanzeige vom 4.4.2008 und auf die sich daraus ergebende Prüftätigkeit. Ausgehend von einem zweiten, neuen Prüfauftrag der Beklagten vom 4.6.2008 war die Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V längst abgelaufen, als die Prüfanzeige des MDK vom 9.6.2008 einging. Die Schlussrechnung war bereits am 12.3.2008 der Beklagten zugegangen.

24

3. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Auskunftsanspruch aufgrund eines fortbestehenden Prüfauftrags der KK nicht dadurch untergeht, dass der MDK beim Krankenhaus versehentlich den Eindruck eines neuen selbstständigen Prüfauftrags erweckt. Wenn der MDK eine Nachfrage der KK im Rahmen des bisherigen Prüfauftrags als neuen selbstständigen Prüfauftrag gegenüber dem Krankenhaus anzeigt und dieses sich zunächst zutreffend auf § 275 Abs 1c S 2 SGB V beruft, bleibt es der KK unbenommen, den Sachverhalt gegenüber dem Krankenhaus durch den MDK oder auch selbst richtigzustellen. Insoweit weist der erkennende Senat vorsorglich auch darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung die Regelung des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V der KK keinen bestimmten Weg für die Einleitung und Fortführung des Begutachtungsverfahrens vorschreibt. Auch bildet § 275 Abs 1c S 2 SGB V mit der Prüfanzeige des MDK gegenüber dem Krankenhaus lediglich den Regelfall ab. Die Regelung schließt ein anderes Vorgehen nicht aus. Hierfür gäbe es auch keine Sachgründe. Es ist zulässig, dass sich die KK direkt an das Krankenhaus wendet und ihm einen dem MDK erteilten Prüfauftrag fristwahrend anzeigt.

25

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und Abs 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. November 2013 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 100 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zahlung einer Aufwandspauschale von 100 Euro nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V.

2

Das für die Behandlung Versicherter zugelassene Krankenhaus der klagenden Krankenhausträgerin behandelte die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte H. S. (im Folgenden: Versicherte) vollstationär vom 15. bis 25.9.2007 sowie vom 27.9. bis 10.10.2007 und stellte der Beklagten zwei Behandlungsfälle in Rechnung (28.9.2007: 9193,06 Euro; 17.10.2007: 3873,06 Euro). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), die Abrechnungen hinsichtlich einer Fallzusammenführung zu prüfen. Der MDK meinte, beide Fälle seien korrekt abgerechnet und nicht zusammenzuführen. Die Beklagte beglich die Rechnungen und zahlte eine Aufwandspauschale. Das SG hat die Klage auf Zahlung einer weiteren Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro nebst Zinsen ab 30.7.2008 sowie vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 43,41 Euro abgewiesen (Urteil vom 29.3.2012). Das LSG hat dagegen die Beklagte antragsgemäß verurteilt, da zwei Abrechnungsfälle betroffen seien (Urteil vom 21.11.2013).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 275 Abs 1c S 3 SGB V. Sie habe nur auf die Auffälligkeit der zweiten bei ihr eingegangenen Abrechnung mit dem Prüfauftrag zur Fallzusammenführung reagiert.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. November 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 29. März 2012 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der beklagten KK ist zulässig. Dies gilt auch bezüglich der geltend gemachten vorprozessualen Kosten und des Zinsanspruchs. Zwar erstreckt sich die Revisionsbegründung (§ 164 Abs 2 S 1 SGG)weder auf den Zinsanspruch noch auf den Verzugsschaden (zum Begründungserfordernis für jeden Streitgegenstand: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 164 RdNr 9a mwN). Das fehlende Vorbringen ist aber unschädlich, weil die Entscheidung hierüber nach der Revisionsbegründung denknotwendig von der Entscheidung über den Hauptanspruch abhängt. Ist die den Hauptanspruch betreffende Revision - wie hier - begründet worden (dazu unten), gilt dies auch für die den Zinsanspruch und den Verzugsschaden betreffende Revision (zum Zinsanspruch BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 8; Leitherer aaO).

8

Die Revision der Beklagten ist auch begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung der klagenden Krankenhausträgerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Das LSG hat die Beklagte zu Unrecht zur Entrichtung von 100 Euro verurteilt. Die Voraussetzungen für die Zahlung einer weiteren Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V(mit Wirkung vom 1.4.2007 eingefügt durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom 26.3.2007, BGBl I 378) sind nicht erfüllt. Denn das Gesetz begrenzt den Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale von 100 Euro (ab 25.3.2009 durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom 17.3.2009, BGBl I 534, erhöht auf 300 Euro) auf den Fall einer Abrechnungsprüfung bei Auffälligkeit (dazu 1.). Maßgeblich dafür, ob eine oder mehrere Abrechnungsprüfungen vorliegen, ist der Prüfauftrag. Auf die Zahl der in die Prüfung einzubeziehenden Abrechnungen kommt es nicht an (dazu 2.). Die Klägerin war lediglich von einem einzigen Prüfauftrag der Beklagten im Rechtssinne betroffen (dazu 3.). Da die Klägerin eine Aufwandspauschale erhalten und keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren hat, steht ihr auch kein Zinsanspruch oder Verzugsschaden für die vorgerichtliche anwaltliche Inanspruchnahme zu.

9

1. Die Begrenzung des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale von 100 Euro für den gesamten Fall einer Abrechnungsprüfung wegen Auffälligkeit folgt aus Wortlaut (dazu a), Regelungssystem (dazu b) und Regelungszweck entsprechend der Entstehungsgeschichte (dazu c).

10

a) § 275 Abs 1c S 3 SGB V verpflichtet eine KK schon nach seinem klaren Wortlaut, einem Krankenhaus nur eine Aufwandspauschale in Höhe von 100 Euro zu entrichten, wenn "die Prüfung" nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt. Eine Prüfung ohne die Folge einer Minderung des Abrechnungsbetrags löst nicht etwa mehrere Ansprüche auf Zahlung einer Aufwandspauschale aus.

11

b) Dass eine Abrechnungsprüfung, die nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, nur einen Anspruch, nicht etwa vielfache Ansprüche auf Zahlung einer Aufwandspauschale begründet, entspricht auch dem gesetzlichen Regelungssystem. Nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V sind die KKn in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. In Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V ordnet Abs 1c S 1 der Regelung an, dass eine Prüfung nach Abs 1 Nr 1 zeitnah durchzuführen ist. Dieses wird in Abs 1c S 2 für Fälle der Abrechnungsprüfung dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der KK einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist. Hieran knüpft § 275 Abs 1c S 3 SGB V an, indem er einen Anspruch des Krankenhauses gegen die KK auf Zahlung von 100 Euro begründet, falls "die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt".

12

Die Rechtsprechung des erkennenden Senats sieht es demgemäß als Grundvoraussetzung eines Anspruchs einer Krankenhausträgerin auf Zahlung einer Aufwandspauschale (§ 275 Abs 1c S 3 SGB V)an, dass eine Prüfung iS von § 275 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 1c S 1 SGB V mit dem Ziel einer Verminderung des Rechnungsbetrages für die Krankenhausbehandlung(§ 39 SGB V) eingeleitet und durchgeführt wurde (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 12 ff). Eine Abrechnungsprüfung, die eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V auslösen kann(Abrechnungsprüfung im engeren Sinne , die von der sachlich-rechnerischen Abrechnungsprüfung abzugrenzen ist, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 5 RdNr 20 ff), ist nicht schon bei jeglicher Rückfrage einer KK beim Krankenhaus im Zusammenhang mit dessen Abrechnung anzunehmen. Vielmehr muss es sich um eine Prüfung aus einem der in § 275 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 1c S 1 und 3 SGB V genannten Anlässe aufgrund einer Auffälligkeit handeln(vgl zum Begriff der Auffälligkeit zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 18; BSG Urteil vom 10.3.2015 - B 1 KR 2/15 R - Juris RdNr 27, für BSGE und SozR vorgesehen, stRspr). Soweit der nicht mehr für das Leistungserbringungsrecht der Krankenhäuser zuständige 3. BSG-Senat in der Vergangenheit einen hiervon abweichenden Begriff der Auffälligkeit zugrunde gelegt hat (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 13 LS 1 und RdNr 17), gibt der erkennende Senat diese Rechtsprechung aus Gründen der Klarstellung auf. Für eine Abrechnungsprüfung im engeren Sinne muss zudem die KK den MDK gezielt beauftragt haben, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der abgerechneten Vergütung zu gelangen (vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13).

13

c) Die Begründung eines Anspruchs auf Zahlung lediglich einer einzigen Aufwandspauschale im Falle einer Prüfung ohne Minderung des Abrechnungsbetrags entspricht auch dem Regelungszweck. Der Gesetzgeber zielte mit der Regelung des § 275 Abs 1c S 3 SGB V darauf ab, solchen Prüfaufträgen von KKn entgegenzuwirken, die missbräuchlich sind oder sich - bei nahezu routinemäßig erfolgender Prüfungseinleitung - im Grenzbereich hin zum Rechtsmissbrauch bewegen(vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 21). Sein Ziel war eine effektivere Handhabung der Prüfaufträge. Dem entspricht es, die Aufwandspauschale auf jeden nicht die Abrechnung mindernden Prüfauftrag zu beziehen. So hebt die Gesetzesbegründung den Umstand hervor, dass einzelne KKn die Prüfungsmöglichkeit nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V "in unverhältnismäßiger und nicht sachgerechter Weise" zur Einzelfallsteuerung genutzt hätten; bei einzelnen KKn hätten sich Prüfquoten bis zu 45 % aller Krankenhausfälle ergeben. Dies führe - so die Gesetzesbegründung - insbesondere bei nicht zeitnahen Prüfungen zu "unnötiger Bürokratie", nämlich zu einer teilweise erheblichen Belastung der Abläufe in den Krankenhäusern mit zusätzlichem personellen und finanziellen Aufwand sowie zu in der Regel hohen und nicht gerechtfertigten Außenständen und Liquiditätsproblemen mit Unsicherheiten bei Erlösausgleichen und Jahresabschlüssen. Um vor diesem Hintergrund "einer ungezielten und übermäßigen Einleitung von Begutachtungen entgegenzuwirken", führte der Gesetzgeber die Aufwandspauschale ein. Er wollte mit dieser Pauschale Anreize schaffen, Einzelfallprüfungen "zukünftig zielorientierter und zügiger" einzusetzen (so zum Ganzen: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf des GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 171 zu Nummer 185 <§ 275> zu Buchst a). Dem Gesetzgeber ging es dagegen nicht etwa darum, ein weiteres Instrument der Krankenhausfinanzierung zu schaffen. Das hätte auch den Regelungszusammenhang vernachlässigt, in dem die Prüfverfahren nach § 275 SGB V stehen. Sie sichern nämlich das Wirtschaftlichkeitsgebot und damit den effizienten Umgang mit den Mitteln der Beitragszahler. Die "Aufwandspauschale" dient hierbei als pauschaler Ausgleich eines Aufwands des Krankenhauses für dessen Überprüfungsaktivitäten im Organisationsinnenbereich. Ein aufwandsunabhängiger "Strafcharakter" oder "Sanktionscharakter" kommt dem Anspruch auf die Pauschale dagegen nicht zu (BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 16; anders bzw ungenau: Juskowiak/Rowohlt, ErsK 2008, 350, 351; Schliephorst, KH 2007, 572, 573; vgl auch Sieper, GesR 2007, 446, 448 f).

14

2. Der jeweils von der KK erteilte Prüfauftrag bestimmt, ob es um eine oder mehrere Abrechnungsprüfungen im engeren Sinne geht. Das folgt aus der sich im Gesetzeswortlaut widerspiegelnden Normstruktur (dazu a), dem Regelungssystem (dazu b) und dem Regelungszweck in Einklang mit der Entstehungsgeschichte (dazu c).

15

a) Schon der Wortlaut des § 275 Abs 1c S 3 SGB V und die Normstruktur des § 275 SGB V sprechen dafür, den jeweils erteilten Prüfauftrag als dafür maßgeblich anzusehen, ob von einer Prüfung oder mehreren Prüfungen auszugehen ist. § 275 Abs 1c SGB V regelt die bereits dargelegten Besonderheiten der Begutachtung bei Krankenhausbehandlung gegenüber der allgemeinen Bestimmung in § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V. Der Prüfauftrag an den MDK leitet die Prüfung ein. Der Auftrag kann Zwischen- und Schlussrechnungen umfassen (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6 RdNr 13). Dementsprechend geht der erkennende Senat davon aus, dass eine Aufwandspauschale bei einer Krankenhausbehandlung im Sinne eines abrechnungstechnischen Behandlungsfalls mehrfach anfallen kann, wenn die KK dem MDK mehrere selbstständige Prüfaufträge erteilt (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 15 RdNr 8).

16

b) Nach dem Regelungssystem setzt der Anspruch eines Krankenhausträgers auf Zahlung einer weiteren Aufwandspauschale voraus, dass die KK einen weiteren Prüfauftrag erteilt. Eine der Grundvoraussetzungen eines Anspruchs eines Krankenhausträgers auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V ist wie dargelegt, dass eine KK den MDK überhaupt beauftragt, vorliegende Abrechnungen des Krankenhauses wegen Auffälligkeiten zu überprüfen und eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung des Rechnungsbetrages für die Krankenhausbehandlung(§ 39 SGB V) zu gelangen (vgl grundlegend BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13; dem folgend BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 15 f). Liegt nur ein einziger Prüfauftrag vor, kann dieser - bei Erfüllung der anderen Anspruchsvoraussetzungen - einen Anspruch auf Zahlung lediglich einer einzigen Aufwandspauschale begründen (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 15 RdNr 8).

17

c) Auch der bereits aufgezeigte Regelungszweck spricht dafür, den Prüfauftrag als maßgeblich anzusehen. Der Gesetzgeber zielte mit der Regelung des § 275 Abs 1c S 3 SGB V darauf ab, solchen Prüfaufträgen von KKn entgegenzuwirken, die missbräuchlich sind oder sich - bei nahezu routinemäßig erfolgender Prüfungseinleitung - im Grenzbereich hin zum Rechtsmissbrauch bewegen. Sein Ziel war eine effektivere Handhabung der Prüfaufträge. Dem entspricht es, die Aufwandspauschale auf jeden nicht die Abrechnung mindernden Prüfauftrag zu beziehen.

18

3. Die Beklagte erteilte dem MDK lediglich einen einzigen Prüfauftrag iS von § 275 Abs 1c SGB V. Ob eine KK einen oder mehrere Prüfaufträge mit dem Ziel der Abrechnungsminderung erteilt, bemisst sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen (§ 69 S 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 40a GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378). Gleiches gilt für die Beantwortung der Frage, ob die KK überhaupt einen Prüfauftrag mit dem Ziel der Minderung des Abrechnungsbetrags erteilt hat (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 6 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 15 RdNr 11). Soweit der früher auch für das Leistungserbringungsrecht der Krankenhäuser zuständig gewesene 3. Senat des BSG hiervon abweichend angenommen hat, bei Vorliegen einer Krankenhausabrechnung werde bei einem Prüfantrag der KK unwiderleglich der Zweck vermutet, den Abrechnungsbetrag zu mindern (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 LS 2 und RdNr 17; siehe auch BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 9), gibt der erkennende Senat diese abweichende Rechtsansicht aus Gründen der Klarstellung auf.

19

Der nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats für die Auslegung des Auftrags maßgebliche wirkliche Wille (vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 15 RdNr 11)lässt sich dem hier betroffenen Prüfauftrag - auch aus dem relevanten Empfängerhorizont des MDK - unschwer entnehmen: Der Beklagten ging es um die Klärung, ob es sich um ein unzulässiges ("rechnungsoptimierendes") Fallsplitting, um einen durchgehenden Behandlungsfall mit zwischenzeitlicher Beurlaubung oder um zwei rechtlich getrennte Behandlungsepisoden handelte, die durch reguläre Entlassungen beendet wurden. Hierfür ist es ohne Belang, dass die Prüfanzeige, die bei der Klägerin einging, die betroffenen Fälle teils maschinen- und teils handschriftlich bezeichnete. Der Auftrag zielte auch auf die Wirtschaftlichkeit des Vorgehens, nicht nur auf eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (§ 301 SGB V; zur Abgrenzung vgl zB BSG Urteil vom 10.3.2015 - B 1 KR 3/15 R - Juris RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 12 Nr 4 RdNr 17, 25 auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

20

Die vorgenommene Fragestellung nach einer Fallzusammenführung ist auf eine einzige Prüfung eines Versicherten mit dem Prüfziel ausgerichtet, festzustellen, ob unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots an Stelle zweier nur eine, dann zusammengeführte Behandlungsepisode abzurechnen ist. Hierfür kann ebenso wenig die Zahl der betroffenen, vom Krankenhaus erteilten Rechnungen maßgeblich sein, wie dies bei Verweildauerstreitigkeiten eine Rolle spielen kann: Geht es um die Erforderlichkeit von Krankenhausbehandlung ab einem Zeitpunkt x bis zur Entlassung, erfasst der Prüfauftrag eine Prüfung, auch wenn das Krankenhaus hierfür viele Teilrechnungen ausgestellt hat.

21

Die vorgenommene Auslegung fügt sich zwanglos in das aufgezeigte Regelungssystem ein: § 275 Abs 1c S 1 SGB V stellt nicht auf die Anzahl der in die Prüfung einzubeziehenden Abrechnungen ab. Maßgeblich ist durch die Bezugnahme auf § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, ob sich einer Abrechnung Auffälligkeiten entnehmen lassen, die zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung berechtigen. Ursache iS einer Auffälligkeit für die von der Beklagten in Auftrag gegebenen Prüfung ist in Fällen, in denen allein eine Fallzusammenführung im Raum steht, aber nicht der erste Krankenhausaufenthalt, sondern die Wiederaufnahme des Versicherten in das Krankenhaus und die vom Krankenhaus hierfür gesondert erstellte Abrechnung. Erst der zweite Krankenhausaufenthalt sowie die in diesem Zusammenhang in Rechnung gestellten Kosten führen zu einer Auffälligkeit iS von § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, die den Prüfauftrag für den weiteren Krankenhausaufenthalt auslöst. Die Abrechnung für den ersten Krankenhausaufenthalt gibt dagegen - isoliert gesehen - mangels Auffälligkeit keinen Grund zu einem Prüfauftrag "Fallzusammenführung". Wird - wie hier - der zweite Krankenhausaufenthalt zuerst abgerechnet, beinhaltet erst die Abrechnung des zeitlich früheren, ersten Krankenhausaufenthalts eine Auffälligkeit, die den Prüfauftrag nach sich zieht.

22

§ 275 Abs 1c S 2 SGB V sieht zudem die Einleitung der Prüfung einer Abrechnung nur innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Wochen nach deren Eingang bei der KK vor. Bei Überprüfung unterbliebener Fallzusammenführung sind mindestens zwei Abrechnungen betroffen, wobei die Frist erst bei Eingang der zweiten Abrechnung zu laufen beginnen kann. Andernfalls würden - ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG - für die Einleitung des Prüfauftrags je nach Eingang der jeweiligen Abrechnung unterschiedliche Fristen gelten, obwohl nur ein einheitlicher Prüfauftrag mit einer Fragestellung erteilt wird. Dies hätte zur Konsequenz, dass für die zweite Abrechnung regelmäßig die Sechs-Wochen-Frist nicht ausgeschöpft werden könnte, um die Frist für die erste Abrechnung noch einhalten zu können. Ggf wäre die Frist zur Prüfung der ersten Abrechnung bei Eingang der zweiten Abrechnung sogar schon ganz abgelaufen. Damit würde kein Anreiz geschaffen, Einzelfallprüfungen zielorientierter und zügiger einzusetzen, sondern eine im Interesse des Wirtschaftlichkeitsgebots gebotene Prüfung ausgeschlossen.

23

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, die Entscheidung über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 52 Abs 3 GKG. Vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs wirken als Nebenforderung (§ 43 Abs 1 GKG) nicht werterhöhend (BSGE 114, 36 = SozR 4-2500 § 130a Nr 9, RdNr 50; BGH Urteil vom 12.6.2007 - VI ZR 200/06 - Juris RdNr 6 mwN).

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2652,14 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Das für die Behandlung Versicherter zugelassene Krankenhaus der klagenden Krankenhausträgerin in S behandelte die 1917 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Rosa P. (im Folgenden: Versicherte) vollstationär vom 15.9. bis 4.10.2007 ua wegen Oberschenkelbruchs (Hauptdiagnose ICD-10: S72.10 Femurfraktur trochantär, nicht näher bezeichnet; weitere vielfältige Nebendiagnosen). Die Versicherte wurde zwecks Frührehabilitation in das für die Behandlung Versicherter zugelassene Krankenhaus der Klägerin in G
 verlegt und bis 20.10.2007 weiterbehandelt. Die Klägerin berechnete hierfür die Fallpauschale (DRG) I34Z - (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung mit bestimmter OR-Prozedur bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe; kodiert ua: Operationen- und Prozeduren-Schlüssel 8-550.1, geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten; insgesamt 10 537,37 Euro; 25.10.2007). Sie übermittelte der Beklagten keine Angaben über die durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Beklagte weigerte sich, zu zahlen: Die Klägerin dürfe nach einem Prüfbericht des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlungen nur abrechnen, falls bei Abwesenheit von Dipl. med. G, die allein die Zusatzbezeichnung "Klinische Geriatrie" führe, adäquater Ersatz zur Verfügung stehe (4.9.2007). Sie habe die Klägerin informiert (9.10.2007), Rechnungen mit OPS 8-550.* nur zu akzeptieren, wenn sie die strukturellen Voraussetzungen für die Abrechnung nachweise. Daran fehle es. Nach Klageerhebung hat die Beklagte der Klägerin die ohne frührehabilitative Komplexbehandlung anfallende Vergütung von 7781,57 Euro bezahlt (23.10.2008). Das SG hat die Klage auf Zahlung weiterer 2652,14 Euro nebst 5 vH Zinsen auf 10 537,37 Euro vom 22.12.2007 bis 23.10.2008 und auf 2652,14 Euro ab 24.10.2008 abgewiesen: Die Klägerin habe keine Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzbezeichnung "Klinische Geriatrie" oder einen Facharzt mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich "Klinische Geriatrie" während der gesamten Behandlungszeit sichergestellt. Die allein hierfür qualifizierte Dipl. med. G sei vom 4. bis 12.10.2007 abwesend gewesen und habe auch am 15.10.2007 nicht an der Teamkonferenz teilgenommen. Die Klägerin habe sich schon mangels Angaben zu den durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht auf Verfristung der Prüfanzeige berufen können (Urteil vom 30.7.2013).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 275 Abs 1c und des § 301 Abs 1 S 1 SGB V. Sie habe alle erforderlichen Angaben gemacht, um die Fälligkeit der Abrechnung herbeizuführen. Das SG habe das Beweisverwertungsverbot missachtet, das aus der Beauftragung des MDK erst am 16.11.2012 folge.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. Juli 2013 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr weitere 2652,14 Euro nebst 5 vH Zinsen auf 10 537,37 Euro vom 22.12.2007 bis 23.10.2008 und auf 2652,14 Euro ab 24.10.2008 zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Sprungrevision der klagenden Krankenhausträgerin ist unbegründet. Das SG hat die auf Zahlung weiterer 2652,14 Euro nebst Zinsen gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen weiteren zulässig mittels der echten Leistungsklage (stRspr, vgl zB BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12 mwN)geltend gemachten Vergütungsanspruch für die vollstationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten (dazu 1.) und keinen weiteren Zinsanspruch (dazu 2.).

8

1. Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist(stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 27 RdNr 9).

9

Die Höhe der Vergütung für die Behandlung Versicherter im Jahr 2007 bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenen der Klägerin nach § 109 Abs 4 S 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz( idF durch Art 2 Nr 5 Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz <2. FPÄndG> vom 15.12.2004, BGBl I 3429) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz( idF durch Art 18 Nr 4 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26.3.2007, BGBl I 378; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen ) konkretisiert. Die Spitzenverbände der KKn (ab 1.7.2008: Spitzenverband Bund der KKn) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG(idF durch Art 5 FPG) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG(idF durch Art 2 Nr 8 2. FPÄndG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG(idF durch Art 5 FPG). Die Klägerin durfte auf dieser Grundlage im Ansatz rechtmäßig für die Behandlung der Versicherten P. einen Rechnungsbetrag von 7781,57 Euro berechnen, nicht aber 10 537,37 Euro für die I34Z - (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung mit bestimmter OR-Prozedur bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe).

10

Zu Recht streiten die Beteiligten nicht darüber, dass die Klägerin im hier betroffenen Zeitraum 2007 entsprechend der Rechtsauffassung des SG die DRG I34Z nur abrechnen durfte, falls sie hier zulässig OPS 8-550.1 kodieren konnte. Daran fehlt es.

11

Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Nach § 1 Abs 6 S 1 FPV 2007 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.

12

Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2007 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 1.11.2006, BAnz Nr 212 vom 11.11.2006, S 6919, in Kraft getreten am 1.1.2007 ) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2007 einschließlich Erweiterungskatalog vom 25.10.2006 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 1.11.2006, BAnz Nr 212 vom 11.11.2006, S 6920, in Kraft getreten am 1.1.2007 ). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24).

13

Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG)und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27 mwN; s zum Ganzen auch BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 12 ff mwN).

14

Voraussetzung der DRG I34Z ist nach dem klaren Wortlaut, dass eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung mit bestimmter OR-Prozedur bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe zu kodieren ist. Dies ist lediglich bei den OPS 8-550 der Fall, denn allein sie betreffen die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung. Die einzelnen Schlüssel unterscheiden sich insbesondere hinsichtlich Behandlungsdauer und Zahl der Therapieeinheiten (OPS 8-550.0: Mindestens 7 Behandlungstage und 10 Therapieeinheiten; OPS 8-550.1: Mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten; OPS 8-550.2: Mindestens 21 Behandlungstage und 30 Therapieeinheiten). Alle OPS 8-550 setzen nach dem einleitenden Hinweis als eines der Mindestmerkmale ua eine Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung voraus (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich "Klinische Geriatrie" erforderlich; sofern diese nicht vorliegt, ist zur Aufrechterhaltung bereits bestehender geriatrischer Versorgungsangebote übergangsweise bis zum Jahresende 2007 eine vergleichbare mehrjährige Erfahrung im Bereich "Klinische Geriatrie" ausreichend; zu den Anforderungen an eine aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal vgl BSG Urteil vom selben Tag - B 1 KR 26/13 R - für SozR vorgesehen). Daran fehlt es nach den Feststellungen des SG. Die im Krankenhaus der Klägerin allein hierfür qualifizierte Dipl. med. G war vom 4. bis 12.10.2007 abwesend. Sie leitete auch am 15.10.2007 nicht die Teamkonferenz, sondern nahm hieran nicht teil, obwohl die zitierten Mindestmerkmale der OPS 8-550 ua eine wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele fordern.

15

Das SG durfte die von der Klägerin zur Verfügung gestellten Behandlungsunterlagen verwerten. Denn die Klägerin erfüllte ihre Obliegenheit, die für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung erforderlichen Informationen der Beklagten zu übermitteln (§ 301 SGB V), erst mit der Überlassung der Behandlungsunterlagen an das SG.

16

Die Informationsübermittlung vom Krankenhaus an die KK korrespondiert mit der Prüfberechtigung der KK. KKn sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf bestehende Leistungsverweigerungsrechte oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (§ 301 SGB V). Denn das Krankenhaus hat hierzu zutreffend und vollständig alle Angaben zu machen, deren es zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung bedarf (§ 301 Abs 1 SGB V; vgl zB 1. Senat des BSG in BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13, 21; 3. Senat des BSG in BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 18 ff mwN; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 14 mwN, stRspr). Jedenfalls dann, wenn sich dabei auch nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten über die Abrechnungsgrundlagen nicht erfüllte, trifft das Krankenhaus spätestens auf Anforderung der KK die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben. Die gesetzliche Sechs-Wochen-Frist (§ 275 Abs 1c SGB V) erfasst demgegenüber nur die Prüfung aufgrund einer Auffälligkeit (vgl näher BSG Urteil vom 1.7.2014 - B 1 KR 29/13 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

17

Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung oder zumindest für die Verletzung der Informationsobliegenheiten bestehen etwa in Fällen, in denen die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften zweifelhaft ist oder sogar bestehender Kodierpraxis widerspricht oder in denen die erforderlichen Angaben unvollständig sind. Es entspricht nicht nur den gesetzlichen Vorgaben (§ 301 Abs 1 SGB V), sondern den eigenen Interessen des Krankenhauses, der KK die entsprechenden Sachverhalte vollständig und nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften veranlasst haben. Nur so beugt das Krankenhaus einer Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügung der KK vor, ermöglicht der KK die sachlich-rechnerische Richtigkeitskontrolle und schafft damit die für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensbasis.

18

Die Beklagte hatte Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung oder zumindest für die Verletzung der Informationsobliegenheiten der Klägerin. Denn die Klägerin machte keine Angaben zu den durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 301 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB V). Die KKn benötigen die in § 301 Abs 1 SGB V genannten Angaben zur Durchführung ihrer Aufgaben, insbesondere für eine ordnungsgemäße Abrechnung, für die Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung und der Verweildauer sowie für Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Krankenhäuser(Didong in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 301 RdNr 7). "Durchgeführte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" sind solche, die das Krankenhaus bereits erbracht hat. Es liegt auf der Hand, dass diese Angaben nicht nur für die Bewilligung künftiger Leistungen, sondern vor allem auch für die Kontrolle einer ordnungsgemäßen Abrechnung erforderlich sind. Zutreffend weist das SG darauf hin, dass die Angaben auch in Zusammenhang mit der Regelung der Frührehabilitation in § 39 Abs 1 S 3 SGB V zu sehen sind. Die Krankenhausbehandlung umfasst danach im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs 1 SGB V), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Diese Regelung zielt nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck darauf ab, dass die Rehabilitation von Anfang an integraler Bestandteil der medizinischen Versorgung im Krankenhaus sein soll. Ärzteschaft, Pflegepersonal und das spezifische Fachpersonal haben an dieser Aufgabe mitzuwirken. Für die Feststellung des individuellen medizinischen Rehabilitationsbedarfs im Akutkrankenhaus sind Art und Schwere der Erkrankung und die individuellen Voraussetzungen wie zB Lebensalter und Multimorbidität des Patienten zugrunde zu legen. Hierfür sowie für Art und Umfang der medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen im Rahmen der Krankenhausbehandlung sind Kriterien aufzustellen. Vorrangiges Ziel dieser frühen Rehabilitation im Krankenhaus ist die Wiederherstellung der Basisfähigkeiten, wozu neben der Mobilität die weitgehende Unabhängigkeit in den einfachen Aktivitäten des täglichen Lebens gehört sowie die Kommunikation mit und die Orientierung in der Umwelt; hinzu kommen die frühzeitige Auseinandersetzung mit Fähigkeitsstörungen in der Folge von Erkrankungen/Unfällen und der frühzeitige Einstieg in das Erlernen von Bewältigungsstrategien. Soweit medizinisch erforderlich, sind auch fachspezifische Rehabilitationsansätze zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu integrieren. Über die bereits vorhandenen Rehabilitationsansätze im Krankenhaus hinaus sind jedenfalls seit Einführung der Frührehabilitation in § 39 Abs 1 S 3 Halbs 2 SGB V bereits bei Aufnahme in das Akutkrankenhaus der funktionelle Status, das Rehabilitationspotential und der Rehabilitationsbedarf des Patienten in die Diagnosestellung einzubeziehen und ein am individuellen Bedarf ausgerichtetes Rehabilitationskonzept in die Krankenbehandlung zu integrieren(vgl Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eines Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, BT-Drucks 14/5074 S 117 f Zu Nummer 11 <§ 39 Abs 1>). Die Auffassung der Klägerin, die KKn benötigten die Angaben nach § 301 Abs 1 S 1 Nr 8 SGB V lediglich für Feststellungen im Zusammenhang mit der Genehmigung weiterer Rehabilitationsmaßnahmen, erweist sich demgegenüber als zu eng.

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2. Zu Recht hat das SG auch einen Zinsanspruch der Klägerin verneint. Mangels vollständiger Angaben war der Anspruch der Klägerin auf Vergütung der Behandlung zur Zeit der von der Beklagten geleisteten Zahlung noch nicht fällig. Für die Folgezeit fehlt es schon an einer zu verzinsenden Hauptforderung.

20

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. September 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 832,94 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung und die Zahlung einer Aufwandspauschale.

2

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte in der Frauenklinik ihres nach § 108 SGB V zugelassenen Klinikums die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1994 geborene A S (im Folgenden: Versicherte) vom 25. bis 28.3.2010 stationär wegen Unterleibsschmerzen, deren Lokalisation zwischen den Beteiligten streitig ist. Die Klägerin führte eine Laparoskopie durch, kodierte als Hauptdiagnose ICD-10-GM R10.3 (Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des Unterbauches) und berechnete die Fallpauschale DRG G12C mit 2850,44 Euro (9.4.2010). Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), die Notwendigkeit und Dauer stationärer Behandlungsbedürftigkeit zu überprüfen (Prüfauftrag vom 18.5.2010, MDK-Prüfanzeige vom 21.5.2010). Der MDK ging von einer keine Rechnungskürzung bewirkenden, nur zweitägig notwendigen Behandlungsdauer aus (Krankenhausbegehung und Gutachten vom 19.7.2010). Die Beklagte wandte sich erneut an den MDK zwecks Überprüfung der Hauptdiagnose (20.7.2010) und zahlte 2317,50 Euro an die Klägerin (27.7.2010) unter der Annahme, die Klägerin hätte ICD-10-GM N94.4 (Primäre Dysmenorrhoe) kodieren und DRG N25Z berechnen müssen. Der MDK meinte, die Klägerin hätte - ebenfalls DRG N25Z ansteuernd - ICD-10-GM R10.2 (Schmerzen im Becken und am Damm) kodieren müssen (11.8.2010), was die Klägerin bestritt. Die von der Klägerin in Rechnung gestellte Aufwandspauschale (26.7.2010) bezahlte die Beklagte unter Hinweis auf die Rechnungskürzung nicht. Die Klägerin ist mit ihrer Klage, die Beklagte zur Zahlung von 832,94 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 532,94 Euro seit 28.8.2010 sowie aus 300 Euro seit 11.8.2010 zu verurteilen, beim SG erfolglos geblieben (Urteil vom 6.11.2012). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Die Klägerin trage die objektive Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Kodierung von ICD-10-GM R10.3 als Hauptdiagnose vorgelegen hätten. Der Sachverhalt sei nicht weiter aufklärbar, weil die Klägerin sich geweigert habe, die Behandlungsunterlagen erneut zu Ermittlungszwecken zur Verfügung zu stellen (Urteil vom 19.9.2013).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung der §§ 275 ff SGB V und des § 242 BGB. Das ursprüngliche Prüfverfahren sei beendet gewesen. Eine Erweiterung des ersten Prüfauftrags sei nach Ablauf der Frist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V ausgeschlossen. Das zweite, die Hauptdiagnose betreffende Prüfverfahren habe die Beklagte nicht einleiten dürfen. Sie habe schon keine Auffälligkeit aufgezeigt und zudem das Prüfverfahren weder fristgemäß eingeleitet noch überhaupt angezeigt. Da das erste Prüfverfahren zu keiner Rechnungskürzung geführt habe, sei auch der Anspruch auf die Aufwandspauschale begründet.

4

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. September 2013 und des Sozialgerichts Mainz vom 6. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 832,94 Euro nebst Zinsen von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 532,94 Euro seit 28. August 2010 und aus 300 Euro seit 11. August 2010 zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die klagende Krankenhausträgerin gegen die beklagte KK keinen Anspruch auf Zahlung von 832,94 Euro hat. Die von der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis erhobene (echte) Leistungsklage ist zulässig (vgl BSGE 90, 1 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 20; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, RdNr 10 mwN; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), aber unbegründet. Der Anspruch der Klägerin auf Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten (dazu 1.) übersteigt die von der Beklagten gezahlten 2317,50 Euro nicht (dazu 2.). Die dagegen von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch (dazu 3.). Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zahlung einer Aufwandspauschale von 300 Euro (dazu 4.).

8

1. Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie die Versicherte vom 25. bis 28.3.2010 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich ist(stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 11; BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 11; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13, alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG erfüllt.

9

2. Der Klägerin stehen keine weiteren 532,94 Euro Vergütung als Differenzbetrag zwischen vergüteter DRG N25Z und abgerechneter DRG G12C zu. Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG sind die tatsächlichen Voraussetzungen der von der Klägerin abgerechneten DRG G12C (Andere OR-Prozeduren an den Verdauungsorganen ohne komplexe oder mäßig komplexe OR-Prozedur) nicht erwiesen (dazu a). Dafür trägt die Klägerin die objektive Beweislast. Es liegt nichts dafür vor, dass der Anspruch der Klägerin aus anderen Gründen höher ist als der von der Beklagten gezahlte Betrag von 2317,50 Euro (dazu b).

10

a) Die von der Klägerin geltend gemachte Krankenhausvergütung bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich gesetzlich aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG -(idF durch Art 2 Nr 7 Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 vom 17.3.2009, BGBl I 534) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz(KHG; idF durch Art 1 Nr 4 KHRG vom 17.3.2009, BGBl I 534; vgl entsprechend BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge) konkretisiert. Im vorliegenden Fall sind die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2010 (Fallpauschalenvereinbarung 2010 - FPV 2010) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere Anlage 1 Teil a) Fallpauschalen-Katalog 2010) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2010 (Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2010 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG) maßgebend (zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18).

11

Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Nach § 1 Abs 6 S 1 FPV 2010 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.

12

Die Anwendung der DKR und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS erfolgt eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff, stRspr).

13

Aus den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen (§ 163 SGG)von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des LSG ergibt sich nicht, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des ICD-10-GM R10.3 (Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des Unterbauches) vorgelegen haben, der im Verbund mit OPS 2010 1-694 (Diagnostische Laparoskopie) nach den aufgezeigten rechtlichen Grundlagen DRG G12C ansteuert. Die symptombezogene Diagnose ICD-10-GM R10.3 ist nach DKR 2010 D002f dann als Hauptdiagnose zu kodieren, wenn keine die Symptomatik erklärende, definitive Diagnose ermittelt wurde oder bei bekannter Diagnose die Behandlung ausschließlich wegen der Symptomatik erfolgte. Den Ausführungen des LSG ist insoweit noch hinreichend die Feststellung zu entnehmen, dass das Klinikum trotz der zu diagnostischen Zwecken durchgeführten Laparoskopie auch bei Entlassung der Versicherten keine die Symptomatik erklärende Diagnose angeben konnte. Hingegen hat das LSG ausgehend von den ihm allein zur Verfügung stehenden MDK-Gutachten vom 11.8.2010 und 24.9.2010 sich nicht die Überzeugung bilden können, wo die Unterleibsschmerzen bei der Versicherten genau zu lokalisieren waren. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das LSG hierfür weitere, ihm durch die Weigerung der Klägerin nicht mögliche Sachverhaltsermittlungen für erforderlich gehalten hat.

14

b) Zu Recht hat das LSG das Risiko der Nichterweislichkeit der tatsächlichen Voraussetzungen des ICD-10-GM R10.3 nach den Grundsätzen über die objektive Feststellungslast der Klägerin zugeordnet. Das entspricht den allgemeinen Grundsätzen: Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, hier also der Klägerin (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 19 mwN; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 28 mwN). Die Klägerin trägt in diesem Sinne den rechtlichen Nachteil der Beweislosigkeit des von ihr lediglich behaupteten Sachverhalts, der zu einem Vergütungsanspruch nach DRG G12C führt. Es ist hierfür ohne Belang, dass die Beklagte nicht von der ihr vertraglich eröffneten Möglichkeit Gebrauch machte, zunächst einen Kurzbericht anzufordern (§ 2 Abs 1 Vertrag nach § 112 Abs 2 Nr 2 SGB V zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.V. und den Landesverbänden der KKn mit Wirkung vom 1.4.1991). Dies lässt die Beweislastverteilung unberührt. Für andere Vergütungsansprüche, die höher als 2317,50 Euro sind, liegt nichts vor.

15

3. Die dagegen erhobenen Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch, weder diejenigen aus den Anforderungen an Auffälligkeitsprüfungen (vgl § 275 Abs 1c und Abs 1 SGB V, dazu a) noch jene aus dem kompensatorischen Beschleunigungsgebot (dazu b).

16

a) Die Klägerin kann aus der Regelung des § 275 Abs 1c S 2 SGB V nichts für sich herleiten. Unerheblich ist, ob die von der Beklagten zunächst veranlasste Auffälligkeitsprüfung mit dem MDK-Gutachten vom 19.7.2010 abgeschlossen war oder ob ein Fall vorliegt, in dem der MDK bei seiner Prüfung der Behandlungsunterlagen und der Krankenhausbegehung weitere, der Beklagten zunächst verborgene Auffälligkeiten feststellte, sodass der ursprüngliche Prüfauftrag keine Sperrwirkung entfaltete (vgl dazu BSG Urteil vom 17.12.2013 - B 1 KR 14/13 R - Juris RdNr 13, vorgesehen für SozR 4-2500 § 275 Nr 15). Denn die Beklagte durfte die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung nach allgemeinen Grundsätzen überprüfen (dazu aa). Das Überprüfungsrecht der KKn auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung (dazu bb).

17

aa) Das Überprüfungsrecht der KKn von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit unterliegt einem eigenen Prüfregime. Die gesetzliche Regelung der Informationsübermittlung vom Krankenhaus an die KK (vgl § 301 SGB V)korrespondiert mit der Prüfberechtigung der KK. KKn sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf eine Leistungsverweigerung oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (§ 301 SGB V). Denn das Krankenhaus hat hierzu zutreffend und vollständig alle Angaben zu machen, deren es zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung bedarf (§ 301 Abs 1 SGB V; vgl zB 1. Senat des BSG in BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 13, 21; 3. Senat des BSG in BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 18 ff mwN; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 14 mwN, stRspr). Hierbei kann es keinerlei Obliegenheit oder gar Pflicht der KK geben, Zweifel an der Erfüllung einer Anspruchsvoraussetzung durch substantiierten Vortrag zu untermauern (vgl BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 28 mwN). Denn nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BSG (vgl BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, jeweils RdNr 28 f) obliegt die Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf vollstationäre Krankenhausbehandlung allein der KK und im Streitfall dem Gericht, ohne dass diese an die Einschätzung des Krankenhauses oder seiner Ärzte gebunden sind (vgl BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 31).

18

Andererseits wäre es rechtsmissbräuchlich, wenn KKn flächendeckend ohne irgendeinen Anhaltspunkt jede Krankenhausabrechnung beanstandeten (vgl zur routinemäßigen und pauschalen Weigerung einer KK, Krankenhausrechnungen zu bezahlen, zB BSGE 89, 104, 109 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 16 f). Dafür liegt hier aber nichts vor. Jedenfalls dann, wenn sich demgegenüber auch nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten über die Abrechnungsgrundlagen nicht erfüllt, trifft das Krankenhaus spätestens auf Anforderung der KK zumindest die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben, soweit sich aus den Landesverträgen nach § 112 SGB V keine weitergehenden Mitteilungspflichten ergeben.

19

Die Beklagte beachtete die genannten Anforderungen an die Überprüfung von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit. Im vorliegenden Fall bestanden mehr als nur geringste Anhaltspunkte für eine sachlich-rechnerische Unrichtigkeit. Denn der MDK ging in seiner gutachtlichen Stellungnahme (11.8.2010) kurz nach Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen und einer Krankenhausbegehung (19.7.2010) davon aus, die Behandlung sei mit ICD-10-GM R10.2 zu kodieren. Die im Gerichtsverfahren urkundsbeweislich verwertbare Stellungnahme des MDK ließ sogar ganz erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Klägerin nach § 301 SGB V mitgeteilten Daten zur Hauptdiagnose und damit an der Richtigkeit ihrer Abrechnung aufkommen.

20

bb) Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht auf die Verletzung der Anforderungen an Auffälligkeitsprüfungen, insbesondere des prüfrechtlichen Beschleunigungsgebots berufen. Anders als die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung unterliegt die Überprüfung von Auffälligkeiten der Abrechnung nach § 275 Abs 1c SGB V einem speziellen prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot. § 275 Abs 1c S 1 SGB V ordnet in Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V an, dass eine Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V "zeitnah" durchzuführen ist. Dieses wird in § 275 Abs 1c S 2 SGB V dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der KK einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist(vgl BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 4 RdNr 10; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 11). Leitet die KK die Prüfung nicht spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei ihr ein und zeigt der MDK die Einleitung der Prüfung dem Krankenhaus nicht oder nicht rechtzeitig nach § 275 Abs 1c S 2 SGB V an, bewirkt dies ein sich auch auf Gerichtsverfahren erstreckendes Beweisverwertungsverbot(vgl BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24,RdNr 30; SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 28). Die abschließende, abgestufte Regelung des § 275 Abs 1c SGB V sanktioniert in diesem Sinne lediglich die kurze Frist des § 275 Abs 1c S 2 SGB V (vgl BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 33 ff; dem folgend auch BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24).

21

Die Überprüfung nach § 275 Abs 1c SGB V setzt eine Auffälligkeit der Abrechnung voraus. Nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V(idF durch Art 1 Nr 6b Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom 23.4.2002, BGBl I 1412, mW v 1.1.2003) sind die KKn in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Es bestehen Auffälligkeiten, die die KK zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des MDK berechtigen, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der KK verwertbare Informationen Fragen nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die KK aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht beantworten kann (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 18 mwN).

22

Die Auffälligkeitsprüfung betrifft regelmäßig Fälle, in denen die KK Zweifel daran haben kann, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V) erbracht hat (vgl zur Befugnis der KKn, die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung zu überprüfen, zB BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17; BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 62/12 R - für BSGE und SozR vorgesehen). Sie begründet in den Fällen, in denen es zu keiner Abrechnungsminderung kommt, einen Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale (vgl § 275 Abs 1c S 3 SGB V).

23

Soweit das Krankenhaus dagegen dem MDK lediglich im Rahmen der Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung entsprechend seinen bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten oder -pflichten die Möglichkeit eröffnet, die Behandlungsunterlagen einzusehen und/oder eine Krankenhausbegehung durchzuführen, findet § 275 Abs 1c S 3 SGB V keine Anwendung. Das Krankenhaus hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale, wenn der sachlich-rechnerische Prüfvorgang nicht zu einer Rechnungsminderung führt. Denn es handelt sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung, sondern um eine Mitwirkung des MDK zugunsten des beweisbelasteten Krankenhauses, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, seinen aus § 301 SGB V abzuleitenden Informationsobliegenheiten bzw eventuellen - hier möglicherweise aus § 12 LV abzuleitenden - Auskunfts- und Mitteilungspflichten zu entsprechen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die KK sachlich-rechnerische Auffälligkeiten zum Anlass nimmt, von sich aus gezielt eine Auffälligkeitsprüfung einzuleiten.

24

b) Die Klägerin kann aus einer Verletzung des "kompensatorischen Beschleunigungsgebots" vorliegend nichts für sich herleiten. Dieses Gebot, zügig zu verfahren, beruht auf dem Regelungskomplex der gesetzlichen Zahlungspflichten, die mit der Vorleistungspflicht der Krankenhäuser korrespondieren. Aus den gesetzlichen Vorgaben der Vorleistungspflicht der Krankenhäuser erwächst ein gesetzlicher Beschleunigungsauftrag hinsichtlich der Vergütung. Diese Pflicht zur Beschleunigung findet ihren Niederschlag in den Regelungen über Abschlagszahlungen, angemessene monatliche Teilzahlungen und Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung (vgl zB § 8 Abs 7 S 2 und S 3, § 11 Abs 1 S 3 Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG; siehe vorliegend § 9 Abs 6 LV - Landesvertrag: Vertrag nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - geschlossen zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz eV einerseits und der Beklagten und den übrigen Krankenkassenverbänden im Land Rheinland-Pfalz andererseits mit dem durch Schiedsspruch vom 19.11.1999 festgesetzten Inhalt). Die genannten Regelungen dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass die KKn Abschlagszahlungen mit dem bloßen Argument verweigern, es sei nicht auszuschließen, dass eine - noch nicht abgeschlossene - Prüfung künftig ergeben könnte, die erbrachte Leistung sei nicht erforderlich gewesen. Sinn und Zweck der die Vorleistungen zunächst kompensierenden Abschlagszahlungen stehen einem Vorgehen der KKn entgegen, den Krankenhäusern - ohne Rechtfertigung durch ein konkretes Prüfergebnis - solche Zahlungen zu verweigern (vgl zum Ganzen zB BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 27 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 301 Nr 1 RdNr 34).

25

Das kompensatorische Beschleunigungsgebots kann sich dementsprechend nicht mehr auswirken, wenn es nicht mehr um Abschlagszahlungen geht, sondern die genaue Vergütungshöhe feststeht. So liegt es hier (vgl oben II. 2).

26

4. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V in Höhe von 300 Euro zu. Führen - wie hier - berechtigte Zweifel an der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung erst im Gefolge eines zunächst keine Abrechnungsminderung begründenden MDK-Gutachtens für eine Auffälligkeitsprüfung dazu, dass die geltend gemachte Vergütungsforderung nicht oder nur zum Teil durchsetzbar ist, handelt es sich ebenfalls um eine Minderung des Abrechnungsbetrags im Sinne des § 275 Abs 1c S 3 SGB V. Dies gilt selbst dann, wenn der MDK die vom Prüfauftrag umfassten Fragen beantwortet hat und der Prüfauftrag insoweit abgeschlossen war.

27

Nach § 275 Abs 1c S 3 SGB V(idF durch Art 3 Nr 8a Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 vom 17.3.2009, BGBl I 534, mWv 25.3.2009) hat die KK, falls die Prüfung nach § 275 Abs 1c S 1 SGB V nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten. Führt eine Einzelfallprüfung dagegen zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags, entfällt die Aufwandspauschale (vgl Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/3100 S 171). Hierin manifestiert sich nämlich, dass die KK die Prüfung gezielt durchgeführt hat. Es genügt dabei, dass die Auffälligkeitsprüfung eine der Bedingungen dafür ist, dass letztlich die KK im Rahmen der sachlich-rechnerischen Prüfung der Abrechnung einen zunächst nicht beglichenen Teil der Abrechnung auch weiterhin nicht bezahlen muss oder berechtigt ist, eine Erstattungsforderung geltend zu machen. So verhält es sich hier.

28

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die mit abgerechnete Restvergütung von 532,94 Euro. Dies beruht darauf, dass die Beklagte aufgrund der Auffälligkeitsprüfung am 19.7.2010 durch den MDK-Sachverständigen Kenntnis von Behandlungsunterlagen erhielt. Dieser konnte - wie bereits ausgeführt - aus eigener Anschauung der Beklagten über den seiner Auffassung nach unzutreffend kodierten, weil sich anders darstellenden Sachverhalt (Lokalisation der Schmerzen der Versicherten) berichten. Dadurch hatte die Beklagte Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Abrechnung, die die Klägerin - mit der Folge einer Abrechnungsminderung - nicht ausräumte.

29

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Die nach § 108 zugelassenen Krankenhäuser oder ihre Krankenhausträger sind verpflichtet, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 sowie das krankenhausinterne Kennzeichen des Versicherten,
2.
das Institutionskennzeichen der Krankenkasse und des Krankenhauses sowie ab dem 1. Januar 2020 dessen Kennzeichen nach § 293 Absatz 6,
3.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Aufnahme sowie die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei einer Änderung der Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen, die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung, bei Kleinkindern bis zu einem Jahr das Aufnahmegewicht,
4.
bei ärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung die Arztnummer des einweisenden Arztes, bei Verlegung das Institutionskennzeichen des veranlassenden Krankenhauses, bei Notfallaufnahme die die Aufnahme veranlassende Stelle,
5.
die Bezeichnung der aufnehmenden Fachabteilung, bei Verlegung die der weiterbehandelnden Fachabteilungen,
6.
Datum und Art der im oder vom jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren,
7.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Entlassung oder der Verlegung, bei externer Verlegung das Institutionskennzeichen der aufnehmenden Institution, bei Entlassung oder Verlegung die für die Krankenhausbehandlung maßgebliche Hauptdiagnose und die Nebendiagnosen,
8.
Aussagen zur Arbeitsfähigkeit und Vorschläge zur erforderlichen weiteren Behandlung für Zwecke des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a mit Angabe geeigneter Einrichtungen und bei der Verlegung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe der aufnehmenden Einrichtung sowie bei der Entlassung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe, ob eine weitere Beatmung geplant ist,
9.
die nach den §§ 115a und 115b sowie nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der Bundespflegesatzverordnung berechneten Entgelte,
10.
den Nachweis über die Erfüllung der Meldepflicht nach § 36 des Implantateregistergesetzes.
Die Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie der Angaben nach Satz 1 Nr. 8 ist auch in nicht maschinenlesbarer Form zulässig.

(2) Die Diagnosen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 7 sind nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung zu verschlüsseln. Die Operationen und sonstigen Prozeduren nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 sind nach dem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Schlüssel zu verschlüsseln; der Schlüssel hat die sonstigen Prozeduren zu umfassen, die nach § 17b und § 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes abgerechnet werden können. In dem Operationen- und Prozedurenschlüssel nach Satz 2 können durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auch Voraussetzungen für die Abrechnung der Operationen und sonstigen Prozeduren festgelegt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit gibt den Zeitpunkt der Inkraftsetzung der jeweiligen Fassung des Diagnosenschlüssels nach Satz 1 sowie des Prozedurenschlüssels nach Satz 2 im Bundesanzeiger bekannt; es kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beauftragen, den in Satz 1 genannten Schlüssel um Zusatzkennzeichen zur Gewährleistung der für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen notwendigen Aussagefähigkeit des Schlüssels sowie um Zusatzangaben für seltene Erkrankungen zu ergänzen. Von dem in Satz 4 genannten Zeitpunkt an sind der Diagnoseschlüssel nach Satz 1 sowie der Operationen- und Prozedurenschlüssel nach Satz 2 verbindlich und für die Abrechnung der erbrachten Leistungen zu verwenden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann bei Auslegungsfragen zu den Diagnosenschlüsseln nach Satz 1 und den Prozedurenschlüsseln nach Satz 2 Klarstellungen und Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen, soweit diese nicht zu erweiterten Anforderungen an die Verschlüsselung erbrachter Leistungen führen. Für das Verfahren der Festlegung des Diagnoseschlüssels nach Satz 1 sowie des Operationen- und Prozedurenschlüssels nach Satz 2 gibt sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Verfahrensordnung, die der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf und die auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu veröffentlichen ist.

(2a) Die Krankenkassen haben den nach § 108 zugelassenen Krankenhäusern einen bestehenden Pflegegrad gemäß § 15 des Elften Buches eines Patienten oder einer Patientin unverzüglich zu übermitteln, sobald ihnen das Krankenhaus anzeigt, dass es den Patienten oder die Patientin zur Behandlung aufgenommen hat. Während des Krankenhausaufenthaltes eines Patienten oder einer Patientin haben die Krankenkassen dem Krankenhaus Änderungen eines bestehenden Pflegegrades des Patienten oder der Patientin sowie beantragte Einstufungen in einen Pflegegrad durch einen Patienten oder eine Patientin zu übermitteln. Die Übermittlung nach den Sätzen 1 und 2 hat im Wege elektronischer Datenübertragung zu erfolgen.

(3) Das Nähere über Form und Inhalt der erforderlichen Vordrucke, die Zeitabstände für die Übermittlung der Angaben nach Absatz 1 und das Verfahren der Abrechnung sowie ein Verfahren zur Übermittlung eines Antrages auf Anschlussrehabilitation durch das Krankenhaus auf Wunsch und mit Einwilligung der Versicherten, jeweils im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern sowie das Nähere zum Verfahren und zu den Zeitabständen der Übermittlung im Wege elektronischer Datenübertragungen nach Absatz 2a vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder den Bundesverbänden der Krankenhausträger gemeinsam.

(4) Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 oder § 111c besteht, sind verpflichtet den Krankenkassen bei stationärer oder ambulanter Behandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 sowie das interne Kennzeichen der Einrichtung für den Versicherten,
2.
das Institutionskennzeichen der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung und der Krankenkasse,
3.
den Tag der Aufnahme, die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, die voraussichtliche Dauer der Behandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung,
4.
bei ärztlicher Verordnung von Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen die Arztnummer des einweisenden Arztes,
5.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Entlassung oder der externen Verlegung sowie die Entlassungs- oder Verlegungsdiagnose; bei externer Verlegung das Institutionskennzeichen der aufnehmenden Institution,
6.
Angaben über die durchgeführten Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen sowie Vorschläge für die Art der weiteren Behandlung mit Angabe geeigneter Einrichtungen,
7.
die berechneten Entgelte.
Die Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie Angaben nach Satz 1 Nr. 6 ist auch in nicht maschinenlesbarer Form zulässig. Für die Angabe der Diagnosen nach Satz 1 Nr. 3 und 5 gilt Absatz 2 entsprechend. Absatz 3 gilt entsprechend.

(4a) Einrichtungen, die Leistungen nach § 15 des Sechsten Buches und nach § 33 des Siebten Buches erbringen, sind auf Anforderung der zuständigen Krankenkasse verpflichtet, dieser bei Erwerbstätigen mit einem Anspruch auf Krankengeld nach § 44 für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Bestimmung der Dauer des Krankengeldanspruchs und der Mitteilung an den Arbeitgeber über die auf den Entgeltfortzahlungsanspruch des Versicherten anrechenbaren Zeiten stehen, sowie zur Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach den §§ 44, 71 Absatz 5 des Neunten Buches und § 74 folgende Angaben zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 2 bis 6,
2.
das Institutionskennzeichen der Einrichtung,
3.
den Tag der Aufnahme, den Tag und den Grund der Entlassung oder der externen Verlegung sowie die Entlassungs- oder Verlegungsdiagnose,
4.
Aussagen zur Arbeitsfähigkeit,
5.
die zur Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach den §§ 44, 71 Absatz 5 des Neunten Buches sowie nach § 74 erforderlichen Angaben.
Die Übermittlung erfolgt im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern. Für die Angabe der Diagnosen nach Satz 1 Nummer 3 gilt Absatz 2 entsprechend. Das Nähere über Form und Inhalt der erforderlichen Vordrucke, die Zeitabstände für die Übermittlung der Angaben nach Satz 1 und das Verfahren der Übermittlung vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gemeinsam mit den für die Wahrnehmung der Interessen der Rehabilitationseinrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch maßgeblichen Bundesverbänden.

(5) Die ermächtigten Krankenhausärzte sind verpflichtet, dem Krankenhausträger im Rahmen des Verfahrens nach § 120 Abs. 1 Satz 3 die für die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen erforderlichen Unterlagen zu übermitteln; § 295 gilt entsprechend. Der Krankenhausträger hat den kassenärztlichen Vereinigungen die Abrechnungsunterlagen zum Zweck der Abrechnung vorzulegen.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.176,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2013 zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten sich darum, ob die Nebendiagnose J96.0 (Akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert) oder die Nebendiagnose J96.9 (Respiratorische Insuffizienz, nicht näher bezeichnet) nach einem stationären Krankenhausaufenthalt kodiert werden könne.

2

Der im Jahre 1956 geborene Versicherte befand sich im Zeitraum vom 07.10.2009 bis 12.10.2009 (5 Tage) bei der Klägerin in vollstationärer Krankenhausbehandlung. Der Versicherte wurde als Notfall über den Notarzt wegen Luftnot und Druck in der Brust vor allem bei Belastung vollstationär aufgenommen. Anamnestisch ergab sich ein respiratorischer Infekt, der zum Aufnahmezeitpunkt jedoch keine große Rolle mehr spielte. Die Entzündungszeichen waren kaum erhöht. Bei kardialer Dekompensation erfolgte eine diuretisch rekompensierende Behandlung mit Furosemid i.v. Im Zeitraum vom 07.10.2009 bis 08.10.2009 wurde Sauerstoff über eine Nasensonde insuffliert und Inhalationen mit Atrovent / Sultanol verordnet. Hierunter konnte der O2-Partialdruck in den Normbereich angehoben werden. Es wurde eine hochgradig eingeschränkte Pumpfunktion bei globaler Hypokinesie und eine Mitralinsuffizienz I°-II° diagnostiziert. Als Nebendiagnosen waren eine Hyperlipidämie, eine Hypertonie und ein Pleuraerguss bekannt.

3

Mit Rechnung vom 15.10.2009 berechnete die Klägerin für die Behandlung des bei der Beklagten Versicherten mit der DRG F62B für den Zeitraum einen Gesamtbetrag in Höhe von 3.594,27 €. Nachdem die Beklagte die Rechnung zunächst vollständig ausgeglichen hatte, verrechnete sie am 09.09.2013 einen Betrag in Höhe von 1.176,30 €.

4

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst des BEV mit der Frage, ob insbesondere die Nebendiagnose J96 als Nebendiagnose plausibel sei. Der MDK führte in dem Gutachten vom 27.03.2013 aus, dass die Nebendiagnose J96.9 kodiert werden könne. Das Krankenhaus habe anhand der beigebrachten Unterlagen eine respiratorische Partialinsuffizienz sowie deren resultierende Relevanz für das Patientenmanagement belegt. Das Vorliegen einer explizit akuten respiratorischen Insuffizienz sei nicht belegt, noch sei eine akute respiratorische Partialinsuffizienz ableitbar. Eine akute respiratorische Insuffizienz sei weder im Entlassungsbericht des behandelnden Arztes noch in den vorliegenden Unterlagen explizit vermerkt. Abzurechnen sei die DRG F62C.

5

Die Klägerin hat am 23.12.2013 Klage erhoben. Sie trägt vor, dass die prompte Besserung der respiratorischen Partialinsuffizienz unter Therapie (u.a. Sauerstoffinsufflation) innerhalb von 48 Stunden im vorliegenden Fall den akuten Verlauf belegen und die Kodierung der J96.0 rechtfertigen würde. Im konkreten Fall liege eindeutig eine respiratorische Insuffizienz vor. Innerhalb von 48 Stunden seien zwei Blutgasanalysen (BGA) und ein Therapiemonitoring (BGA unter Sauerstoffgabe) durchgeführt.

6

Die Klägerin beantragt,

7

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.176,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.09.2013 zu zahlen.

8

Für den Fall, dass der Antrag zu 1) begründet ist, wird beantragt,

9

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 300 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Sie verweist auf die eingeholten Gutachten des MDK.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die beigezogene Patientenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Klage ist begründet.

1.

15

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf die mit der statthaften – hinreichend bezifferten – Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG) geltend gemachten weitere Bezahlung ihrer Endrechnung vom 15.10.2009 in Höhe von 1.176,30 €. Die Aufrechnung war nicht wirksam. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen erlosch nicht in der streitigen Höhe, da keine Gegenforderung aus einer Überzahlung bestand.

16

Die Klägerin hat hier zu Recht eine Vergütung entsprechend der Fallpauschale DRG F62B abgerechnet.

17

Maßstab für die hier streitige Frage, wann eine zusätzliche Prozedur oder Prozedurenkomponente zu kodieren ist, sind somit allein die maßgeblichen Kodierrichtlinien und der OPS-301, welche streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben sind und keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen lassen würden (BSG, Urteil vom 18. September 2008 - Az.: B 3 KR 15/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 11, Leitsatz 1 und Rn. 18). Für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die Kodierrichtlinien des Jahres 2009 (Deutsche Kodierrichtlinien - DKR - Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren - Version 2007) und der OPS-301 in der Version 2009 maßgebend. Die korrekte Kodierung einer vollstationären Krankenhausbehandlung ist danach dem Grunde nach von der Beantwortung folgender fünf Fragen abhängig (vgl. hierzu das von dem DIMIDI herausgegebenen Informationsbroschüre „Basiswissen Kodieren, Eine kurze Einleitung in die Anwendung der ICD-10-GM und OPS“, Stand 2010, Seite 24 - 30):

18

1. Weshalb wurde der Patient/die Patientin aufgenommen und hauptsächlich behandelt (Stichwort Hauptdiagnose)?

19

2. Welche Behandlung dieser Diagnose wurde durchgeführt und ist diese verschlüsselbar (Stichwort Prozedur)?

20

3. Hatte der Patient/die Patientin noch weitere Erkrankungen, die während des Aufenthalts einer Behandlung bedurften (Stichwort Nebendiagnosen)?

21

4. Gab es zusätzliche Faktoren (z.B. Behinderungen, Funktionseinschränkungen etc.), die die Versorgung des Patienten/der Patientin erschwert haben (Stichwort weitere Nebendiagnosen)?

22

5. Hat der Patient/die Patientin noch andere relevante kodierbare Behandlungen erhalten (Stichwort weitere Prozeduren)?

23

Streitig, und für die Abrechenbarkeit der von der Klägerin zugrunde gelegten DRG entscheidungserheblich, ist vorliegend die Kodierbarkeit der Nebendiagnose J96.0.

24

Die Nebendiagnose ist definiert als: „Eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt.” Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:

25

- therapeutische Maßnahmen
- diagnostische Maßnahmen
- erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand.«

26

Als respiratorische Insuffizienz bzw. Ateminsuffizienz wird eine Störung der äußeren (mechanischen) Atmung bezeichnet, die zu einer Minderbelüftung der Lungenbläschen (alveoläre Hypoventilation) führt, die Folge einer Behinderung des Gasaustausches in den Lungenbläschen ist (pulmonale Diffusionsstörung) oder eine Minderbelüftung verschiedener Lungenabschnitte (pulmonale Verteilungsstörung) bewirkt. In allen Fällen kommt es zu einer Veränderung der Blutgaswerte. Auf die unterschiedlichen Ursachen Bezug nehmend wird bei dieser eingeschränkten Belüftung der Lungen in obstruktive und restriktive Ventilationsstörungen unterteilt. Man unterscheidet die Partialinsuffizienz, bei der der Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut absinkt, der Kohlendioxidpartialdruck jedoch noch kompensiert werden kann, von der Globalinsuffizienz, bei der beide Parameter pathologisch verändert sind (siehe Wikipedia). Die ICD-10 GM teilt die respiratorische Insuffizienz nicht nach den Kriterien Partial-/Globalinsuffizienz, sondern nach Akuter bzw. Chronischer Insuffizienz ein.

27

Unstreitig ist vorliegend zwischen den Beteiligten, dass eine respiratorische Partialinsuffizienz vorgelegen hatte, die eine Relevanz für das Patientenmanagement gehabt hat. Streitig ist nur, ob eine akute Partialinsuffizienz vorgelegen und kodiert werden könne.

28

Am zeitlichen Verlauf orientiert werden Insuffizienzen in akute und chronische Formen unterteilt.

29

Die Chronische respiratorische Insuffizienz ist die weitaus häufigere. Als Folge treten individuell unterschiedlich schwer erlebte Luftnot, Husten, Leistungsschwäche und unter Umständen Zyanose auf. Klinische Zeichen wie Trommelschlägelfinger und Uhrglasnägel sind nur bei längerem Verlauf zu beobachten. Als Ursachen chronischer Ateminsuffizienz kommen die Chronische Bronchitis, Pneumokoniosen, das Lungenemphysem oder Tumore in Frage. Auch nach Operationen mit Entfernung von Lungenlappen (Lobektomie) oder eines Lungenflügels (Pneumektomie) kann Ateminsuffizienz auftreten. Es ist festzustellen, dass für die chronische Insuffizienz aber vorliegend keine Anhaltspunkte existieren. Auch aus den kodierten Nebendiagnosen ergibt sich dafür kein Hinweis.

30

Bei der Akuten respiratorische Insuffizienz kommt durch das plötzliche Einsetzen jedoch häufig eine ausgeprägte affektive Reaktion mit Angst und Erstickungsgefühl hinzu. Als akute Ursachen sind schwer verlaufende Lungenentzündungen, Aspiration (Einatmen) von Fremdkörpern oder Wasser (Ertrinken) sowie Verletzungen der Lunge (Pneumothorax) möglich. Der akute Asthmaanfall stellt ein Beispiel paroxysmaler (anfallsartiger) Atemfunktionsstörungen dar. Schwere systemische Erkrankungen können zum Bild der Schocklunge (ARDS) führen, auch hier tritt schnell eine kritische Ateminsuffizienz auf. Insbesondere bei kardialen Dekompensationen mit Ausbildung eines Lungenödems (Herzinsuffizienz, Herzinfarkt) oder pulmonaler Gefäßverlegung (Lungenembolie) ist Luftnot als Symptom typisch, prognostisch entscheidend ist jedoch in der Regel weniger die Lungen-, sondern die Herzfunktion (siehe dazu: Wikipedia).

31

Vorliegend wurde der Versicherte als Notfall über den Notarzt wegen Luftnot und Druck in der Brust vor allem bei Belastung aufgrund einer kardialen Dekompensation vollstationär aufgenommen. Die respiratorische Partialinsuffizienz besserte sich unter Therapie (u.a. Sauerstoffinsufflation) innerhalb von 48 Stunden. Dies ist ausreichend dokumentiert. Es ist daher von einer akuten respiratorischen Insuffizienz auszugehen. Aus dem MDK-Gutachten ergibt sich leider nicht, was die Klägerin hätte dokumentieren müssen, um eine akute Form der Insuffizienz zu belegen. Da die akute respiratorische Insuffizienz zum Ende des Aufenthaltes nicht mehr vorlag und für die weitere Behandlung keine Rolle mehr spielte, musste sie im Entlassungsbericht eigentlich nicht gesondert vermerkt werden. Es ist daher auch nicht die respiratorische Insuffizienz im Entlassungsbericht aufgelistet, die der MDK trotzdem anerkannt hatte. Die Dokumentation im Krankenhaus ist in erster Linie für die Behandlung des Patienten von Bedeutung und nicht für die nachfolgende Abrechnung.

2.

32

Der Zinsanspruch folgt gem. § 17 Abs. 1, 3 Landesvertrag gem. § 112 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V.

3.

33

Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Zahlung der mit der unechten Hilfsklage geltend gemachten Aufwandspauschale in Höhe von 300 €. Rechtsgrundlage des zulässig mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG verfolgten Klagebegehrens auf Zahlung der Aufwandspauschale ist § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V. Nach § 275 Abs. 1c S. 1 SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V eine Prüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zeitnah durchzuführen. Diese Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 275 Abs. 1c S. 2 SGB V). Daran anschließend bestimmt § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V: "Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten." Das Ergebnis des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ist für den Anspruch auf die Aufwandspauschale unbeachtlich, wenn es im nachfolgenden Gerichtsverfahren keine Bestätigung iS der Zuerkennung eines geringeren Zahlbetrags findet. Die Prüfung führt dann nicht zu einer objektiv feststellbaren Abrechnungsminderung (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R –, juris). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit am 23.12.2013.

34

Auch wenn es hier um die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (§ 301 SGB V) geht, hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale. Die Kammer schließt sich dem Urteil des SG Darmstadt (Urteil vom 07. Dezember 2015 – S 8 KR 434/14 –, juris) und der früheren Rechtsprechung des 1. Senates des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urteil vom 22.6.2010, Az. B 1 KR 1/10 R) und der Rechtsprechung des 3. Senates des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urteil 28.11.2013, Az. B 3 KR 4/13 R) an. Die neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wurde in den Urteilen vom 01.07.2014 (Az. B 1 KR 29/13 R) und vom 23.06.2015 (Az. B 1 KR 23/14 R, B 1 KR 23/14 R und B 1 KR 24/14 R) weder ausdrücklich abgeändert noch begründet. Es findet sich im Gesetzestext keine Regelung, die es rechtfertigt, neben der Prüfung im Sinne des § 275 Abs. 1, 1c SGB V für den Krankenhausbereich ein weiteres, eigenes Prüfregime zu etablieren, das sich auf die Prüfung der "sachlich-rechnerischen Richtigkeit von Krankenhausrechnungen" bezieht. Die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ist gem. § 275 Abs. 1 Ziff. 1 SGB V Bestandteil des Prüfverfahrens. Auch die historische, systematische und teleologische Auslegung lassen einen solchen Schluss nicht zu. Die aktuelle Rechtsprechung des BSG stellt eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung dar, eine Rechtsfortbildung, die den Zwecken des Gesetzgebers zuwiderläuft, die nur zulässig wäre, wenn tatsächlich eine Rechtslücke und Rechtsbedürfnis für eine erweiternde Regelung besteht. Sogenannte „sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfungen“ hat es in der Vergangenheit aber nicht gegeben, nicht einmal der Begriff war bekannt und es bestand auch kein Bedürfnis für eine neue Kreation. Deshalb hat der Gesetzgeber nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung den Regelungsvorrang. Der Vorrang des Gesetzgebers gebietet an sich die restriktive Handhabung der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung. Der Richter ist an Recht und Gesetz gebunden und soll das geltende Recht anwenden und durchsetzen. Er darf aber nicht sein eigenes Recht sprechen, seine Vorstellungen vom Recht verfolgen und für andere zum Maßstab machen (Flint, NZS 2016, 81 (82). Der Gesetzgeber hat nunmehr auch mit Wirkung zum 01.01.2016 der Rechtsprechung des BSG zur sachlich-rechnerischen Prüfung einen Riegel vorgeschoben und in § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V klargestellt, dass alle Prüfungen einer Krankenhausbehandlung und deren Abrechnung unter Einschaltung des MDK eine Prüfung nach § 275 SGB V darstellen.

4.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

36

Das Rechtsmittel der Berufung ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG zulässig.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 300,00 Euro festgesetzt.


1 2 3 4

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 17.04.2012 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.


1 2 3 4

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Die nach § 108 zugelassenen Krankenhäuser oder ihre Krankenhausträger sind verpflichtet, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 sowie das krankenhausinterne Kennzeichen des Versicherten,
2.
das Institutionskennzeichen der Krankenkasse und des Krankenhauses sowie ab dem 1. Januar 2020 dessen Kennzeichen nach § 293 Absatz 6,
3.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Aufnahme sowie die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei einer Änderung der Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen, die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung, bei Kleinkindern bis zu einem Jahr das Aufnahmegewicht,
4.
bei ärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung die Arztnummer des einweisenden Arztes, bei Verlegung das Institutionskennzeichen des veranlassenden Krankenhauses, bei Notfallaufnahme die die Aufnahme veranlassende Stelle,
5.
die Bezeichnung der aufnehmenden Fachabteilung, bei Verlegung die der weiterbehandelnden Fachabteilungen,
6.
Datum und Art der im oder vom jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren,
7.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Entlassung oder der Verlegung, bei externer Verlegung das Institutionskennzeichen der aufnehmenden Institution, bei Entlassung oder Verlegung die für die Krankenhausbehandlung maßgebliche Hauptdiagnose und die Nebendiagnosen,
8.
Aussagen zur Arbeitsfähigkeit und Vorschläge zur erforderlichen weiteren Behandlung für Zwecke des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a mit Angabe geeigneter Einrichtungen und bei der Verlegung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe der aufnehmenden Einrichtung sowie bei der Entlassung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe, ob eine weitere Beatmung geplant ist,
9.
die nach den §§ 115a und 115b sowie nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der Bundespflegesatzverordnung berechneten Entgelte,
10.
den Nachweis über die Erfüllung der Meldepflicht nach § 36 des Implantateregistergesetzes.
Die Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie der Angaben nach Satz 1 Nr. 8 ist auch in nicht maschinenlesbarer Form zulässig.

(2) Die Diagnosen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 7 sind nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung zu verschlüsseln. Die Operationen und sonstigen Prozeduren nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 sind nach dem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Schlüssel zu verschlüsseln; der Schlüssel hat die sonstigen Prozeduren zu umfassen, die nach § 17b und § 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes abgerechnet werden können. In dem Operationen- und Prozedurenschlüssel nach Satz 2 können durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auch Voraussetzungen für die Abrechnung der Operationen und sonstigen Prozeduren festgelegt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit gibt den Zeitpunkt der Inkraftsetzung der jeweiligen Fassung des Diagnosenschlüssels nach Satz 1 sowie des Prozedurenschlüssels nach Satz 2 im Bundesanzeiger bekannt; es kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beauftragen, den in Satz 1 genannten Schlüssel um Zusatzkennzeichen zur Gewährleistung der für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen notwendigen Aussagefähigkeit des Schlüssels sowie um Zusatzangaben für seltene Erkrankungen zu ergänzen. Von dem in Satz 4 genannten Zeitpunkt an sind der Diagnoseschlüssel nach Satz 1 sowie der Operationen- und Prozedurenschlüssel nach Satz 2 verbindlich und für die Abrechnung der erbrachten Leistungen zu verwenden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann bei Auslegungsfragen zu den Diagnosenschlüsseln nach Satz 1 und den Prozedurenschlüsseln nach Satz 2 Klarstellungen und Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen, soweit diese nicht zu erweiterten Anforderungen an die Verschlüsselung erbrachter Leistungen führen. Für das Verfahren der Festlegung des Diagnoseschlüssels nach Satz 1 sowie des Operationen- und Prozedurenschlüssels nach Satz 2 gibt sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Verfahrensordnung, die der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf und die auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu veröffentlichen ist.

(2a) Die Krankenkassen haben den nach § 108 zugelassenen Krankenhäusern einen bestehenden Pflegegrad gemäß § 15 des Elften Buches eines Patienten oder einer Patientin unverzüglich zu übermitteln, sobald ihnen das Krankenhaus anzeigt, dass es den Patienten oder die Patientin zur Behandlung aufgenommen hat. Während des Krankenhausaufenthaltes eines Patienten oder einer Patientin haben die Krankenkassen dem Krankenhaus Änderungen eines bestehenden Pflegegrades des Patienten oder der Patientin sowie beantragte Einstufungen in einen Pflegegrad durch einen Patienten oder eine Patientin zu übermitteln. Die Übermittlung nach den Sätzen 1 und 2 hat im Wege elektronischer Datenübertragung zu erfolgen.

(3) Das Nähere über Form und Inhalt der erforderlichen Vordrucke, die Zeitabstände für die Übermittlung der Angaben nach Absatz 1 und das Verfahren der Abrechnung sowie ein Verfahren zur Übermittlung eines Antrages auf Anschlussrehabilitation durch das Krankenhaus auf Wunsch und mit Einwilligung der Versicherten, jeweils im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern sowie das Nähere zum Verfahren und zu den Zeitabständen der Übermittlung im Wege elektronischer Datenübertragungen nach Absatz 2a vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder den Bundesverbänden der Krankenhausträger gemeinsam.

(4) Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 oder § 111c besteht, sind verpflichtet den Krankenkassen bei stationärer oder ambulanter Behandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 sowie das interne Kennzeichen der Einrichtung für den Versicherten,
2.
das Institutionskennzeichen der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung und der Krankenkasse,
3.
den Tag der Aufnahme, die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, die voraussichtliche Dauer der Behandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung,
4.
bei ärztlicher Verordnung von Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen die Arztnummer des einweisenden Arztes,
5.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Entlassung oder der externen Verlegung sowie die Entlassungs- oder Verlegungsdiagnose; bei externer Verlegung das Institutionskennzeichen der aufnehmenden Institution,
6.
Angaben über die durchgeführten Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen sowie Vorschläge für die Art der weiteren Behandlung mit Angabe geeigneter Einrichtungen,
7.
die berechneten Entgelte.
Die Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie Angaben nach Satz 1 Nr. 6 ist auch in nicht maschinenlesbarer Form zulässig. Für die Angabe der Diagnosen nach Satz 1 Nr. 3 und 5 gilt Absatz 2 entsprechend. Absatz 3 gilt entsprechend.

(4a) Einrichtungen, die Leistungen nach § 15 des Sechsten Buches und nach § 33 des Siebten Buches erbringen, sind auf Anforderung der zuständigen Krankenkasse verpflichtet, dieser bei Erwerbstätigen mit einem Anspruch auf Krankengeld nach § 44 für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Bestimmung der Dauer des Krankengeldanspruchs und der Mitteilung an den Arbeitgeber über die auf den Entgeltfortzahlungsanspruch des Versicherten anrechenbaren Zeiten stehen, sowie zur Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach den §§ 44, 71 Absatz 5 des Neunten Buches und § 74 folgende Angaben zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 2 bis 6,
2.
das Institutionskennzeichen der Einrichtung,
3.
den Tag der Aufnahme, den Tag und den Grund der Entlassung oder der externen Verlegung sowie die Entlassungs- oder Verlegungsdiagnose,
4.
Aussagen zur Arbeitsfähigkeit,
5.
die zur Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach den §§ 44, 71 Absatz 5 des Neunten Buches sowie nach § 74 erforderlichen Angaben.
Die Übermittlung erfolgt im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern. Für die Angabe der Diagnosen nach Satz 1 Nummer 3 gilt Absatz 2 entsprechend. Das Nähere über Form und Inhalt der erforderlichen Vordrucke, die Zeitabstände für die Übermittlung der Angaben nach Satz 1 und das Verfahren der Übermittlung vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gemeinsam mit den für die Wahrnehmung der Interessen der Rehabilitationseinrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch maßgeblichen Bundesverbänden.

(5) Die ermächtigten Krankenhausärzte sind verpflichtet, dem Krankenhausträger im Rahmen des Verfahrens nach § 120 Abs. 1 Satz 3 die für die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen erforderlichen Unterlagen zu übermitteln; § 295 gilt entsprechend. Der Krankenhausträger hat den kassenärztlichen Vereinigungen die Abrechnungsunterlagen zum Zweck der Abrechnung vorzulegen.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.07.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Berufung wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

Tenor

§ 3 Nummern 3 und 6, § 16a Absätze 1 bis 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik in der zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung vom 1. April 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 499) geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Der Normenkontrollantrag betrifft die Vereinbarkeit von Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993, BGBl I S. 2066; zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009, BGBl I S. 2542) mit dem Grundgesetz. Angegriffen werden Regelungen über die Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), über das Standortregister (§ 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG), über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG), welche auf das Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts (im Folgenden: Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 - GenTNeuOG 2004) vom 21. Dezember 2004 (BGBl I 2005 S. 186) und das Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes, zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes und zur Änderung der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung (im Folgenden: Gentechnikänderungsgesetz 2008 - GenTÄndG 2008) vom 1. April 2008 (BGBl I S. 499) zurückgehen.

I.

2

1. Die gezielte Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik; vgl. BTDrucks 11/5622, S. 19) eröffnet die Möglichkeit, planmäßig Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um Organismen mit erwünschten Eigenschaften zu erzeugen, die mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht herstellbar wären. Dementsprechend ist ein gentechnisch veränderter Organismus im Sinne des Gentechnikgesetzes ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt (§ 3 Nr. 3 GenTG).

3

Der Normenkontrollantrag betrifft vornehmlich den Einsatz von Gentechnik bei Kulturpflanzen sowohl zu kommerziellen Zwecken, etwa in der Landwirtschaft und der Saatgutproduktion, als auch zu Forschungszwecken. Durch diese umgangssprachlich als "grüne" Gentechnik bezeichnete Anwendung sollen agronomisch wünschenswerte Ergebnisse wie Produktivitätssteigerungen oder Reduktionen von Umweltbeeinträchtigungen erzielt werden. Pflanzen sollen beispielsweise ernährungsphysiologische Vorteile und einen besseren Geschmack erhalten, eine längere Lagerfähigkeit aufweisen, Rohstoffe liefern oder Arzneimittel produzieren. Risiken und Chancen dieser Nutzung der Gentechnik sind umstritten und nicht abschließend geklärt. Durch den Transfer von Genmaterial auch über Artgrenzen hinweg können einerseits wünschenswerte Eigenschaften gezielt beeinflusst werden, andererseits besteht das Risiko, dass es zu unerwünschten Nebenfolgen kommt. Indem gentechnisch veränderte Organismen zu experimentellen Zwecken oder in Form von kommerziellen Produkten in die Umwelt ausgebracht werden, können sie sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten. Diese Auswirkungen können unumkehrbar sein.

4

Vor diesem Hintergrund dient eine umfangreiche Gesetzgebung dazu, die mit dem gezielten Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt verbundenen Risiken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu kontrollieren und sowohl eine Grundlage für den Einsatz der neuen Technologie zu schaffen als auch die Interessen der gentechnikfreien Landwirtschaft zu wahren. Wesentliche rechtliche Vorgaben des Unionsgesetzgebers sind festgelegt in der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates (ABl EG Nr. L 106, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 2001/18/EG) und der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EU Nr. L 268, S. 1; im Folgenden: Verordnung Nr. 1829/2003).

5

Bundesrechtliche Grundlage für das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt sind in erster Linie das 1990 in Kraft getretene und nachfolgend mehrfach geänderte Gentechnikgesetz und dessen Bestimmungen über Freisetzungen solcher Organismen und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen.

6

2. Das am 4. Februar 2005 in Kraft getretene Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 beruht auf einer im Mai 2004 in den Bundestag eingebrachten Gesetzesvorlage der Bundesregierung (BTDrucks 15/3088). Nach einer ersten Lesung, Überweisung an die Ausschüsse und Durchführung einer Expertenanhörung empfahl der federführende Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft die Annahme des Entwurfs der Bundesregierung in einer vom Ausschuss geänderten Fassung (BTDrucks 15/3344). Insbesondere waren zustimmungspflichtige Teile aus der Gesetzesvorlage herausgenommen worden, um eine zügige Verabschiedung des Gesetzes mit den materiellen Regelungen zu gewährleisten. Den Ländervollzug betreffende Verfahrensvorschriften sollten in einem späteren, zustimmungspflichtigen Gesetz vorgelegt werden. In der Ausschussfassung wurde der Gesetzentwurf vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 15/115, S. 10517 B). Der Bundesrat rief den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel einer grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes an (Bundesrat, Plenarprotokoll, 802. Sitzung, S. 361 D) und legte nach Abschluss des Verfahrens gegen das Gesetz Einspruch ein (Bundesrat, Plenarprotokoll, 805. Sitzung, S. 544 A; BTDrucks 15/4159). Der Bundestag wies den Einspruch zurück (Plenarprotokoll 15/143, S. 13338 D). Das Gesetz wurde am 21. Dezember 2004 ausgefertigt und im Februar 2005 im Bundesgesetzblatt verkündet.

7

Schwerpunkt des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 war die Umsetzung der Richtlinie 2001/18/EG und die Gewährleistung einer Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen.

8

a) Mit einer Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG, Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c GenTNeuOG 2004) wollte der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 2 Nr. 2 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG klarstellen, dass insbesondere auch Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderter Organismen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenTG darstellen (BTDrucks 15/3344, S. 39) und, selbst wenn sie auf eine genehmigte Freisetzung zurückgehen, unter den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne des § 3 Nr. 6 GenTG und damit in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes2 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) und seiner Vorschriften über das Inverkehrbringen fallen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 56). Hintergrund war die vor dem Inkrafttreten des Gentechnikneuordnungsgesetzes 2004 umstrittene Frage, ob Produkte aus konventioneller Produktion, die infolge eines unbeabsichtigten Eintrages von gentechnisch veränderten Organismen Eigenschaften aufweisen, die auf gentechnischen Veränderungen beruhen, einer gentechnikrechtlichen Genehmigung bedürfen, wenn sie in Verkehr gebracht werden sollen.

9

b) Auf der Grundlage von Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG, eingefügt durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, sollte durch mehrere Instrumente das unbeabsichtigte Vorhandensein von gentechnisch veränderten Organismen in anderen Produkten verhindert und eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Erzeugungsformen gewährleistet werden. Damit verbunden war das Anliegen, die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu sichern und jenseits der Risikodiskussion zu einer gesellschaftlichen Befriedung zu gelangen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass der großflächige Anbau einer gentechnisch veränderten Kulturpflanze ebenso wie eine Freisetzung in kleinerem Maßstab zu Auskreuzungen auf benachbarte Grundstücke führen und damit Wirtschaftsteilnehmer betreffen kann, die auf den Einsatz von Gentechnik verzichten wollen oder nach den geltenden Vorschriften über den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologisch erzeugten Produkten verzichten müssen. Um diesen Entwicklungen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft Rechnung zu tragen, wurde der Koexistenzbelang als Gesetzeszweck aufgenommen (§ 1 Nr. 2 GenTG). Zweck des Gentechnikgesetzes gemäß § 1 GenTG ist nunmehr,


10

1. unter Berücksichtigung ethischer Werte, Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren zu treffen,

11

2. die Möglichkeit zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel, konventionell, ökologisch oder unter Einsatz gentechnisch veränderter Organismen erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können,

12

3. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.

13

Das Ziel der Gewährleistung der Koexistenz wurde mit den angegriffenen Bestimmungen über das Standortregister, über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten und über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen weiter konkretisiert.

14

aa) Zur Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG und als Beitrag zur Sicherung der Koexistenz wurde ein Standortregister eingerichtet (§ 16a GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004). Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 und 2 GenTG werden in dem vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als zuständiger Bundesoberbehörde (vgl. § 31 Satz 2 GenTG) geführten Standortregister die gemeldeten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen für das gesamte Bundesgebiet zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit erfasst. Soll eine genehmigte Freisetzung durchgeführt werden, so hat der Betreiber (vgl. § 3 Nr. 7 GenTG) spätestens drei Werktage vor der Durchführung die Freisetzung, die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, das Grundstück der Freisetzung und die Größe der Freisetzungsfläche und den Freisetzungszeitraum dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden (§ 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GenTG). Soll eine zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze angebaut werden, muss der Bewirtschafter (vgl. § 3 Nr. 13a GenTG) dieses Vorhaben spätestens drei Monate vor dem Anbau dem Bundesamt melden sowie die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften, den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche mitteilen (§ 16a Abs. 3 Satz 1 und 2 GenTG). Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 16a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 3 GenTG). Das Standortregister ist zum Teil allgemein zugänglich. Auskünfte über die Bezeichnung und - im Fall des Anbaus - der spezifische Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße werden durch automatisierten Abruf über das Internet erteilt (§ 16a Abs. 4 GenTG). Über die im Übrigen nicht allgemein zugänglichen Informationen wird grundsätzlich Auskunft erteilt, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat (§ 16a Abs. 5 GenTG). Zur Gewährleistung von Datensicherheit und Datenschutz sind dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen (§ 16a Abs. 6 Satz 1 GenTG). Die Daten des Bundesregisters werden nach Ablauf von 15 Jahren nach ihrer erstmaligen Speicherung gelöscht (§ 16a Abs. 6 Satz 2 GenTG).

15

bb) Als weiterer Beitrag zur Gewährleistung der Koexistenz wurden eine Vorsorgepflicht und Anforderungen an die gute fachliche Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eingeführt (§ 16b GenTG, Art. 1 Nr. 14 GenTNeuOG 2004), wodurch Einträge dieser Organismen vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden sollen. § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG verpflichtet denjenigen zur Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange, der mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen, auf näher bestimmte Art und Weise umgeht oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt. Die Erfüllung der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG wird für die Bereiche des Umgangs mit gentechnisch veränderten Pflanzen und der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren durch Bestimmungen über eine gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 2 und 3 GenTG präzisiert. Gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG in seiner bis zum 4. April 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F.) waren Handlungen ausdrücklich unzulässig, soweit aufgrund der Umstände des Einzelfalles die Erreichung der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange nicht gewährleistet war. Ergänzend zu den Verhaltenspflichten des § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG trifft § 16b Abs. 4 GenTG eine Regelung über die zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderliche Eignung von Person und Ausstattung desjenigen, der zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken mit den Produkten umgeht. Der vorliegend nicht angegriffene § 16b Abs. 5 GenTG verpflichtet denjenigen, der die Produkte in den Verkehr bringt, eine Produktinformation mitzuliefern, die neben den Bestimmungen der Genehmigung auch Angaben zur Erfüllung der Pflichten nach § 16b Abs. 1 bis 3 GenTG enthalten muss. Der ebenfalls nicht beanstandete § 16b Abs. 6 GenTG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung einzelne Aspekte zu § 16b Abs. 3, 4 und 5 GenTG näher zu regeln. § 16a und § 16b GenTG finden auch Anwendung, wenn das Inverkehrbringen durch Rechtsvorschriften geregelt ist, die den Bestimmungen des Gentechnikgesetzes über Freisetzung und Inverkehrbringen vorgehen (vgl. § 14 Abs. 2 GenTG).

16

cc) Das private Nachbarrecht wurde schließlich durch eine Regelung über Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen konkretisiert und ergänzt, um sicherzustellen, dass bei wesentlichen Nutzungsbeeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen ein zivilrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch besteht (§ 36a GenTG, Art. 1 Nr. 24 GenTNeuOG 2004).

17

(1) Im privaten Nachbarrecht kann ein Eigentümer von dem Störer gemäß § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002, BGBl I S. 42 und 2909, BGBl I 2003, S. 738) die Beseitigung oder die Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird oder eine künftige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Gemäß § 1004 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Eigentümer jedoch zur Duldung verpflichtet und sein Abwehranspruch ausgeschlossen, wenn die Benutzung seines Grundstücks durch die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und durch ähnliche grenzüberschreitende Einwirkungen nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Eigentümer auch eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. In diesem Fall kann der Eigentümer aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt. Analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein allgemeiner nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen (BGHZ 155, 99<102 f.> m.w.N.). Die Vorschrift des § 906 BGB konkretisiert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im öffentlichen Nachbarrecht den Maßstab dessen, was ein Grundstückseigentümer oder -besitzer bei Immissionen von hoher Hand entschädigungs- und schadensersatzlos hinnehmen muss (BGHZ 91, 20<21 f.>; 97, 97 <104>). Vor Einführung des § 36a GenTG war umstritten, ob und inwieweit nach dieser Maßgabe Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf benachbarte Flächen als mögliche "ähnliche Einwirkung" im Sinn von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB Abwehr- und Ausgleichsansprüche auslösen können.

18

(2) Mit § 36a GenTG ist nunmehr festgelegt, dass die in den §§ 1004, 906 BGB geregelten Duldungs-, Abwehr- und Ausgleichsansprüche sowohl für die Übertragung der auf gentechnischen Arbeiten beruhenden Eigenschaften eines Organismus wie für sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen gelten (§ 36a Abs. 1 GenTG).

19

(a) In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG wird der Anwendungsbereich von § 906 BGB hinsichtlich der dort verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe der "wesentlichen Beeinträchtigung" durch die Benutzung eines anderen Grundstücks (§ 36a Abs. 1 GenTG), der einem Grundstücksbenutzer "wirtschaftlich zumutbaren" Maßnahmen zur Verhinderung einer Beeinträchtigung (§ 36a Abs. 2 GenTG) und der "ortsüblichen" Benutzung eines Grundstücks (§ 36a Abs. 3 GenTG) konkretisiert.

20

Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen insbesondere dann eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinn von § 906 BGB dar, wenn die Erzeugnisse des betroffenen Nutzungsberechtigten deswegen nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG) oder ihre beabsichtigte Vermarktung aufgrund der geltenden Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten nur eingeschränkt möglich oder ausgeschlossen ist (§ 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG). Soweit in den einzelnen Fallgruppen Schwellenwerte bestehen, etwa für die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel, sollen diese maßgeblicher Bezugspunkt für die Frage sein, ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist (BTDrucks 15/3088, S. 31). Die in § 36a Abs. 1 GenTG aufgezählten Fälle sind nicht abschließend; wertungsmäßig vergleichbare Fälle sollen entsprechend in die Regelung einbezogen werden (BTDrucks 15/3344, S. 41). Wenn kein Fall des § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und auch keine vergleichbare Beeinträchtigung vorliegt, ist der Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbarflächen unwesentlich und darf gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verboten werden.

21

§ 36a Abs. 2 GenTG knüpft an § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung zu dulden ist, soweit sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Gemäß § 36a Abs. 2 GenTG gilt die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 GenTG als wirtschaftlich zumutbar in diesem Sinne.

22

§ 36a Abs. 3 GenTG modifiziert das Kriterium der Ortsüblichkeit im Sinn von § 906 BGB dahingehend, dass es für die Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

23

(b) § 36a Abs. 4 GenTG ergänzt das private Nachbarrecht um eine Regelung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises. § 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG enthält eine Ursachenvermutung nach dem Vorbild von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer möglicher Verursacher nach § 840 Abs. 1 BGB führt. § 36a Abs. 4 Satz 2 GenTG bestimmt den Vorrang der anteiligen Haftung, soweit eine jeweils nur anteilige Verursachung mehrerer Nachbarn feststeht und eine Aufteilung des Ausgleichs nach § 287 ZPO möglich ist.

24

3. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 beruht ebenfalls auf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung. Diese brachte im Oktober 2007 Entwürfe für ein Viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes (BTDrucks 16/6814) und für die Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes (BTDrucks 16/6557) in den Bundestag ein. Nach einer ersten Lesung und Überweisung an die Ausschüsse wurde der Gesetzentwurf auf Empfehlung des federführenden Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Artikelgesetz ausgestaltet (BTDrucks 16/7868). Art. 1 des Gesetzes enthielt das zum Teil geänderte Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Art. 2 fügte ein weiteres Gesetz zur Änderung des EG-Gentechnik-Durchführungsgesetzes an, in welchem die Maßgaben für die Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" geregelt wurden, und Art. 3 hob die entsprechende Vorgängerregelung in der Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutatenverordnung auf. In dieser Textfassung wurde das Gentechnikänderungsgesetz 2008 vom Bundestag angenommen (Plenarprotokoll 16/140, S. 14792 B) und passierte unverändert den Bundesrat, der den Vermittlungsausschuss nicht anrief (Bundesrat, Plenarprotokoll, 841. Sitzung, S. 9 C, BRDrucks 52/08). Das Gesetz wurde am 1. April 2008 ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Sein Artikel 1 ist am 5. April 2008, die Artikel 2 und 3 sind am 1. Mai 2008 in Kraft getreten.

25

Ziel dieser jüngsten Novellierung des Gentechnikrechts war es, Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland zu fördern. Dabei sollten aber der Schutz von Mensch und Umwelt entsprechend dem Vorsorgegrundsatz oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben und die Wahlfreiheit der Landwirte und der Verbraucher sowie die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen weiterhin gewährleistet werden. Vor diesem Hintergrund wurden Verfahrenserleichterungen für Arbeiten in gentechnischen Anlagen vorgenommen und Ausnahmeregelungen für bestimmte gentechnisch veränderte Organismen ausgedehnt. Eine Verwertung von Produkten, die Anteile von nicht zum Inverkehrbringen zugelassenen Organismen aufweisen, wurde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen.

26

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. wurde ersatzlos gestrichen und stattdessen in § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht geregelt (bezüglich § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG im Folgenden: n.F.). Die Pflicht zur Vorsorge muss nunmehr hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 GenTG genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachtet werden, als dieser durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder auf Anfrage des Vorsorgepflichtigen die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient (§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F.). Eine zulässige Abweichung von der guten fachlichen Praxis ist der zuständigen Behörde gemäß § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen und nach Maßgabe des neu eingefügten § 16b Abs. 1a GenTG an das Standortregister (§ 16a GenTG) zu melden. Insoweit hat der Bewirtschafter ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2 GenTG spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstücks dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. oder die Tatsache mitzuteilen, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis aufgrund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen (§ 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG). Die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe über Abweichungen von der guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG) wird allgemein zugänglich gemacht. Im Übrigen gilt für die nach § 16b Abs. 1a GenTG erhobenen Daten § 16a GenTG entsprechend (§ 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG).

II.

27

Mit ihrem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 machte die Antragstellerin ursprünglich die Unvereinbarkeit von Art. 1 Nr. 4 Buchstabe b und c, Nr. 14 und Nr. 24 GenTNeuOG 2004 mit dem Grundgesetz geltend. Im Hinblick auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gentechnikänderungsgesetz 2008 rügt sie zuletzt nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 15. Januar 2009 die Unvereinbarkeit von "§ 3 Nr. 3 und 6, § 16a Absätze 1, 3, 4 und 5, § 16b Absätze 1 bis 4 und § 36a GenTG" in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung mit dem Grundgesetz. Soweit die angegriffenen Normen wesentliche Änderungen erfahren haben, stellt die Antragstellerin die alte Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 ausdrücklich nicht mehr zur Überprüfung und wendet sich insbesondere gegen § 16b Abs. 1 GenTG nur in seiner Neufassung nach dem Gentechnikänderungsgesetz 2008. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin klargestellt, dass § 16b Abs. 1a GenTG Gegenstand der Überprüfung sein soll, soweit der allgemein zugängliche Teil des Standortregisters die auf das betroffene Grundstück des Nachbarn bezogene Angabe umfasst (§ 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG). § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG stellt sie umfänglich und damit auch hinsichtlich solcher Angaben zur Prüfung, die aufgrund des ausdrücklich nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind.

28

Die nach dieser Maßgabe angegriffenen Vorschriften sowie § 16a Abs. 2 GenTG lauten:

29

§ 3

30

Begriffsbestimmungen

31

Im Sinne dieses Gesetzes sind

32

33

3. gentechnisch veränderter Organismus

34

ein Organismus, mit Ausnahme des Menschen, dessen genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt; ein gentechnisch veränderter Organismus ist auch ein Organismus, der durch Kreuzung oder natürliche Rekombination zwischen gentechnisch veränderten Organismen oder mit einem oder mehreren gentechnisch veränderten Organismen oder durch andere Arten der Vermehrung eines gentechnisch veränderten Organismus entstanden ist, sofern das genetische Material des Organismus Eigenschaften aufweist, die auf gentechnische Arbeiten zurückzuführen sind,

35

36

6. Inverkehrbringen

37

die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten

38

a) unter zollamtlicher Überwachung durchgeführter Transitverkehr,

39

b) die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung

40

nicht als Inverkehrbringen,

...

41

§ 16a

42

Standortregister

43

(1) Zum Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange sowie zum Zweck der Information der Öffentlichkeit werden die nach Absatz 2 mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen und die nach Absatz 3 mitzuteilenden Angaben über den Anbau gentechnisch veränderter Organismen in einem Bundesregister erfasst. Das Register wird von der zuständigen Bundesoberbehörde geführt und erfasst die nach Absatz 2 oder Absatz 3 gemeldeten Angaben für das gesamte Bundesgebiet. Das Register muss nach Maßgabe des Absatzes 4 allgemein zugänglich sein.

44

(2) Der Betreiber hat die tatsächliche Durchführung der genehmigten Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen spätestens drei Werktage vor der Freisetzung der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

45

1. die Bezeichnung des gentechnisch veränderten Organismus,

46

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

47

3. das Grundstück der Freisetzung sowie die Größe der Freisetzungsfläche,

48

4. den Freisetzungszeitraum.

49

Änderungen in den Angaben sowie die Beendigung des Freisetzungsvorhabens sind unverzüglich mitzuteilen.

50

(3) Der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen ist von demjenigen, der die Fläche bewirtschaftet, spätestens drei Monate vor dem Anbau der zuständigen Bundesoberbehörde mitzuteilen. Die Mitteilung umfasst folgende Angaben:

51

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

52

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

53

3. den Namen und die Anschrift desjenigen, der die Fläche bewirtschaftet,

54

4. das Grundstück des Anbaus sowie die Größe der Anbaufläche.

55

Änderungen in den Angaben sind unverzüglich mitzuteilen.

56

(4) Der allgemein zugängliche Teil des Registers umfasst:

57

1. die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus,

58

2. seine gentechnisch veränderten Eigenschaften,

59

3. das Grundstück der Freisetzung oder des Anbaus sowie die Flächengröße.

60

Auskünfte aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers werden im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt.

61

(5) Die zuständige Bundesoberbehörde erteilt aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers Auskunft auch über die personenbezogenen Daten, soweit der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat.

...


62

§ 16b

63

Umgang mit

64

in Verkehr gebrachten Produkten

65

(1) Wer zum Inverkehrbringen zugelassene Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, anbaut, weiterverarbeitet, soweit es sich um Tiere handelt, hält, oder diese erwerbswirtschaftlich, gewerbsmäßig oder in vergleichbarer Weise in den Verkehr bringt, hat Vorsorge dafür zu treffen, dass die in § 1 Nr. 1 und 2 genannten Rechtsgüter und Belange durch die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, durch die Beimischung oder durch sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen nicht wesentlich beeinträchtigt werden. Er muss diese Pflicht hinsichtlich der in § 1 Nr. 2 genannten Belange gegenüber einem anderen insoweit nicht beachten, als dieser durch schriftliche Vereinbarung mit ihm auf seinen Schutz verzichtet oder ihm auf Anfrage die für seinen Schutz erforderlichen Auskünfte nicht innerhalb eines Monats erteilt hat und die Pflicht im jeweiligen Einzelfall ausschließlich dem Schutz des anderen dient. In der schriftlichen Vereinbarung oder der Anfrage ist der andere über die Rechtsfolgen der Vereinbarung oder die Nichterteilung der Auskünfte aufzuklären und darauf hinzuweisen, dass er zu schützende Rechte Dritter zu beachten hat. Die zulässige Abweichung von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis sind der zuständigen Behörde rechtzeitig vor der Aussaat oder Pflanzung anzuzeigen.

66

(1a) Der Bewirtschafter hat ergänzend zu den Angaben nach § 16a Abs. 3 Satz 2

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1. die Tatsache des Abschlusses einer Vereinbarung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 oder

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2. die Tatsache, vom Nachbarn keine Auskunft auf eine Anfrage im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhalten zu haben, soweit er die Absicht hat, von den Vorgaben der guten fachlichen Praxis auf Grund einer fehlenden Erteilung von Auskünften abzuweichen,

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der zuständigen Bundesoberbehörde spätestens einen Monat vor dem Anbau unter Bezeichnung des betroffenen Grundstückes mitzuteilen. Der allgemein zugängliche Teil des Registers nach § 16a Abs. 1 Satz 1 umfasst zusätzlich zu der Angabe nach § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 die auf das betroffene Grundstück bezogene Angabe nach Satz 1. Im Übrigen gilt § 16a entsprechend.


70

(2) Beim Anbau von Pflanzen, beim sonstigen Umgang mit Pflanzen und bei der Haltung von Tieren wird die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis erfüllt.

71

(3) Zur guten fachlichen Praxis gehören, soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist, insbesondere

72

1. beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen die Beachtung der Bestimmungen der Genehmigung für das Inverkehrbringen nach § 16 Abs. 5a,

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2. beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen und bei der Herstellung und Ausbringung von Düngemitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, Maßnahmen, um Einträge in andere Grundstücke zu verhindern sowie Auskreuzungen in andere Kulturen benachbarter Flächen und die Weiterverbreitung durch Wildpflanzen zu vermeiden,

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3. bei der Haltung gentechnisch veränderter Tiere die Verhinderung des Entweichens aus dem zur Haltung vorgesehenen Bereich und des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in diesen Bereich,

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4. bei Beförderung, Lagerung und Weiterverarbeitung gentechnisch veränderter Organismen die Verhinderung von Verlusten sowie von Vermischungen und Vermengungen mit anderen Erzeugnissen.

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(4) Wer mit Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, für erwerbswirtschaftliche, gewerbsmäßige oder vergleichbare Zwecke umgeht, muss die Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung besitzen, um die Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erfüllen zu können.

...

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§ 36a

78

Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen

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(1) Die Übertragung von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, oder sonstige Einträge von gentechnisch veränderten Organismen stellen eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dar, wenn entgegen der Absicht des Nutzungsberechtigten wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags Erzeugnisse insbesondere

80

1. nicht in Verkehr gebracht werden dürfen oder

81

2. nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach anderen Vorschriften nur unter Hinweis auf die gentechnische Veränderung gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden dürfen oder

82

3. nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre.

83

(2) Die Einhaltung der guten fachlichen Praxis nach § 16b Abs. 2 und 3 gilt als wirtschaftlich zumutbar im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

84

(3) Für die Beurteilung der Ortsüblichkeit im Sinne von § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kommt es nicht darauf an, ob die Gewinnung von Erzeugnissen mit oder ohne gentechnisch veränderte Organismen erfolgt.

85

(4) Kommen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls mehrere Nachbarn als Verursacher in Betracht und lässt es sich nicht ermitteln, wer von ihnen die Beeinträchtigung durch seine Handlung verursacht hat, so ist jeder für die Beeinträchtigung verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn jeder nur einen Teil der Beeinträchtigung verursacht hat und eine Aufteilung des Ausgleichs auf die Verursacher gemäß § 287 der Zivilprozessordnung möglich ist.

86

Die Antragstellerin hält diese Vorschriften für materiell verfassungswidrig. Sie trägt im Wesentlichen zur Begründung vor:

87

1. Mit § 36a GenTG habe der Gesetzgeber erheblich in das von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägte, ausgeglichene Haftungsregime der §§ 906, 1004 und 823 BGB eingegriffen und ein über die bislang geltenden Regelungen hinausgehendes Haftungssonderrecht für den Einsatz von Gentechnik geschaffen.§ 36a Abs. 1 GenTG verweise offen und unbestimmt auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Produkten und schaffe damit ein unkalkulierbares und voraussichtlich nicht versicherbares Haftungsrisiko. § 36a Abs. 2 und 3 GenTG schlössen die Ortsüblichkeit einer Nutzung und die wirtschaftliche Zumutbarkeit von Gegenmaßnahmen zu Lasten des Verwenders von Gentechnik aus. Mit § 36a Abs. 4 GenTG werde eine gesamtschuldnerische Haftung ohne Kausalitätsnachweis eingeführt. Der Nachbarschaftsausgleich werde nunmehr regelmäßig nach Maßgabe des bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs analog zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgen, der häufig auf volle Schadloshaltung gerichtet sei. Verschulden des Verwenders von Gentechnik sei nicht erforderlich, so dass es sich insgesamt um eine verdeckte Gefährdungshaftung handle.

88

a) Diese stehe nicht mit der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Gentechnik verwendenden Landwirte und Saatguthersteller in Einklang. Die Vorschrift schränke die Freiheit der Berufsausübung gezielt zugunsten des ökologischen Landbaus ein. Sie führe zu Sorgfaltspflichten, die über die Genehmigungsanforderungen und die gute fachliche Praxis hinausgingen, und aufgrund des hohen Haftungsrisikos zu einem faktischen Ausschluss des beruflichen Einsatzes von Gentechnik. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt.

89

§ 36a Abs. 1 GenTG verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot, da eine wesentliche Beeinträchtigung nicht nur in den aufgezählten, sondern auch in wertungsmäßig vergleichbaren Fällen vorliegen könne, ohne dass die für die Gleichstellung maßgeblichen Gesichtspunkte genannt würden. § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verletze das Gebot der Klarheit von Rechtsnormen. Mit der "dynamischen Verweisung" auf Rechtsvorschriften über die nationale Produktkennzeichnung "Ohne Gentechnik" und die europäische Produktkennzeichnung mit Bezug auf ökologischen Landbau würden keine klaren Haftungsvoraussetzungen festgelegt. Der Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung stehe der Annahme einer wesentlichen Eigentumsbeeinträchtigung durch zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen entgegen. Von diesen gehe kein Risiko für Gesundheit, Umwelt und Eigentum aus. Vielmehr legitimiere die Genehmigung für ein Inverkehrbringen die Verbreitung dieser Organismen im offenen ökologischen System, stelle diese einem natürlichen Organismus gleich und schaffe einen Vertrauenstatbestand zugunsten ihrer Verwender. Der Koexistenzbelang (§ 1 Nr. 2 GenTG) gewährleiste ihre wirtschaftliche Nutzung.

90

Da von dem Anbau zum Inverkehrbringen zugelassener gentechnisch veränderter Organismen keine Gefahr ausgehe, genüge die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des § 36a GenTG nicht den allgemeinen, aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgenden Anforderungen an Haftungsbestimmungen. Die Haftung für die von vornherein mitbedachten, produktionsbedingten und zufällig eintretenden Folgen des Anbaus müsse jedenfalls durch einen Haftungsfonds oder die Möglichkeit, das Haftungsrisiko zu versichern, gemildert werden. Unverhältnismäßig sei ferner, dass der Verwender von Gentechnik sich weder durch die Einhaltung der guten fachlichen Praxis noch durch ein unabwendbares Ereignis oder ein Mitverschulden des Gläubigers entlasten könne und ihm ein individueller Verursachungsbeitrag nicht nachgewiesen werden müsse.

91

Gemessen an Art. 12 Abs. 1 GG sei § 36a GenTG auch unverhältnismäßig. Die Haftungsregelung wirke wie eine objektive Einschränkung der Berufswahlfreiheit, da Landwirte aufgrund des nicht einschätzbaren Haftungsrisikos den sich herausbildenden Beruf des "GVO-anbauenden Landwirts" meiden würden. Die mit § 36a GenTG verfolgte Zielsetzung, die Wahlfreiheit zwischen gentechnisch veränderten und nicht veränderten Produkten und Produktionsmitteln für Verbraucher und Produzenten zu erhalten und den ökologischen Landbau besonders zu schützen, besitze keinen verfassungsrechtlichen Rang und könne bereits aus diesem Grund die wirtschaftlich erdrosselnde Haftung nicht rechtfertigen. § 36a GenTG sei zur Erreichung des Koexistenzzieles auch weder geeignet noch erforderlich. Denn es werde einseitig der konventionelle und ökologische Landbau geschützt, der gentechnische Landbau jedoch im Wesentlichen verhindert, ohne dass es dieser Haftung bedürfte. Bereits durch die gute fachliche Praxis könnten unbeabsichtigte Auskreuzungen auf das unvermeidbare Maß reduziert werden und eine Haftung sei nur bei Verletzung dieser Bestimmungen geboten. Die Haftung müsse nicht an der Kennzeichnung von Produkten ausgerichtet werden. Man hätte auch einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einrichten können, um die Rahmenbedingungen für die angestrebte Koexistenz zu schaffen. Die Regelung sei zudem nicht angemessen. Das Haftungsrisiko werde einseitig auf die Verwender von Gentechnik verlagert. Hingegen träfen konventionell oder ökologisch arbeitende Landwirte keine Schutz- und Vorsorgepflichten, obwohl gerade Feldbestände in der ökologischen Landwirtschaft eine besondere Empfindlichkeit aufwiesen, die nur aus den Vermarktungsbedingungen für ökologisch erzeugte Produkte resultiere. Damit könne der Geschädigte den Umfang seines Schadensersatzanspruchs nach seinen subjektiven Verwendungswünschen bestimmen. Auch wenn man das nachbarliche Eigentum als zu schützendes Recht ansehe, ergebe sich kein angemessener Ausgleich.

92

b) § 36a GenTG greife ungerechtfertigt in das Eigentum der Verwender von Gentechnik und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der von der Haftung betroffenen Landwirte und Saatguthersteller ein (Art. 14 Abs. 1 GG). Aufgrund der hohen Sorgfaltspflichten und der nicht einschätzbaren Haftung würden Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen unterbunden und geplante Freisetzungen und kommerzieller Anbau unterlassen. Für das Ziel, die Existenz des ökologischen und konventionellen Anbaus zu sichern und das Eigentum des beeinträchtigten Landwirts zu schützen, sei der Eingriff weder erforderlich noch angemessen. Der Intensität, Tragweite und Schwere des Eingriffs stünden nur geringe Einschränkungen auf Seiten des Nachbarn gegenüber, die einem zufälligen Ereignis gleichzustellen seien. Zudem hätten Landwirtschaftsflächen keinen besonderen sozialen Bezug.

93

c) § 36a GenTG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Vorschrift führe zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von gentechnisch wirtschaftenden Landwirten auf der einen und gentechnikfrei wirtschaftenden Landwirten auf der anderen Seite.

94

2. Das in § 16a GenTG geregelte Standortregister verletze die Verwender von Gentechnik in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Indem personenbezogene Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und den Namen, die Anschrift und das Grundeigentum der Betroffenen erhoben und gespeichert würden sowie Dritten - zum Teil öffentlich - zugänglich seien, werde politisch motivierte Feldzerstörung begünstigt und das Eigentum der Verwender von Gentechnik gefährdet. Demgegenüber sei das Standortregister weder geeignet noch erforderlich, um das Ziel der Überwachung etwaiger Auswirkungen verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen auf die Umwelt, die angestrebte Transparenz und die Koexistenz der verschiedenen Anbauformen zu erreichen. Insbesondere wäre dieser Zielsetzung und den Vorgaben des Europarechts bereits mit einer Veröffentlichung der Gemeinde des jeweiligen Standortes Genüge getan. Zur Sicherung der Koexistenz müsse ein berechtigtes Interesse an Auskünften über die nicht allgemein zugänglichen Informationen nur dann anerkannt werden, wenn eine wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung und darüber hinaus substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn drohten.Die Regelungen seien auch nicht angemessen. Transparenz sei kein Wert von Verfassungsrang und könne die Veröffentlichung der genauen Standortdaten gemäß § 16a Abs. 3 Nr. 4 in Verbindung mit § 16a Abs. 4 Nr. 3 GenTG nicht rechtfertigen. Nur durch eine Geheimhaltung der genauen Standortdaten könne der Betroffene zuverlässig vor dem Verlust seines Eigentums und seiner Betriebsmittel geschützt werden. Indem der Staat mit dem Anbauregister gezielt die Möglichkeit eröffne, dass Dritte durch Sachbeschädigungen gegen die Anbauflächen vorgingen, verstoße er gegen seine verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Unangemessen sei ferner, dass Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil gemäß § 16a Abs. 5 GenTG ohne eine vorherige Abwägung des Geheimhaltungsinteresses und des Auskunftsinteresses erteilt werden könnten und zudem die Kriterien für eine Interessenabwägung nicht vorgegeben seien. Schließlich müssten unter dem Gesichtspunkt der Kooperation und Rücksichtnahme die konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte ebenso zur Auskunft verpflichtet werden, denn auch der gentechnisch wirtschaftende Landwirt müsse wissen, ob benachbarte empfindliche Feldbestände aufgebaut und eine gezielte Verdrängung des gentechnischen Landbaus betrieben werde.

95

§ 16a GenTG verletze auch Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Der genaue Standort und die Art von gentechnisch veränderten Organismen stellten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. Diese würden jedenfalls dann durch die Auskunftserteilung aus dem Standortregister nach Maßgabe des § 16a Abs. 4 und 5 GenTG beeinträchtigt, wenn zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Der Eingriff sei aus den genannten Gründen unverhältnismäßig.

96

3. Die in § 16b Abs. 1 bis 4 GenTG geregelte Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung seien mit der Berufsfreiheit aller Personen, die verkehrszugelassene gentechnisch veränderte Organismen anbauten, weiterverarbeiteten oder in Verkehr brächten, unvereinbar. Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis (§ 16b Abs. 1 bis 3 GenTG) seien für den bezweckten Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter nicht erforderlich. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter würden durch das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen ausreichend geschützt. Vorsorgemaßnahmen bräuchten über das zur Sicherung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) Erforderliche auch nicht hinauszugehen. Die mit § 16b Abs. 4 GenTG eingeführten Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Ausstattung kämen einer subjektiven Berufszugangsregelung nahe. Ob jedoch ein wichtiges Gemeinschaftsgut von Verfassungsrang durch den Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen überhaupt betroffen sein könne, sei fraglich. Jedenfalls sei es nicht erforderlich, unabhängig von dem Eintritt einer Gefahr für den Koexistenzbelang und über die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen sowie die nach § 16b Abs. 5 GenTG mitzuliefernde Produktinformation hinaus weitere Anforderungen an die Person und die Ausstattung des Anwenders von gentechnisch veränderten Organismen zu stellen. § 16b Abs. 4 GenTG verletze auch den Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei unklar, in welcher Weise die Landwirte den geforderten Nachweis ihrer Fähigkeiten und Ausstattung erbringen können und ob ihre Fähigkeiten abstrakt beurteilt oder durch Inspektionen und Stichprobenkontrollen nachgewiesen würden.

97

4. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG seien im Hinblick auf das Begriffsverständnis des Inverkehrbringens im Zusammenhang mit der Definition des gentechnisch veränderten Organismus mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. Denn ein genehmigungspflichtiges Inverkehrbringen liege auch dann vor, wenn ein konventionell oder ökologisch anbauender Landwirt Erzeugnisse abgebe oder bereithalte, die zufällig oder technisch unvermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer genehmigten Freisetzung vermischt worden seien. Es bestünden dann die Abwehr- und Ausgleichsansprüche nach § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG, von denen eine massiv abschreckende Wirkung ausgehe. Dadurch werde insbesondere die Durchführung von Freisetzungsversuchen zum Zweck der Erforschung und Entwicklung transgener Pflanzen durch universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erheblich erschwert, wenn nicht verhindert. Der Eingriff werde nicht durch entgegenstehende Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt. Dem Koexistenzbelang komme ein solcher Stellenwert nicht zu. Das Eigentum des Nachbarn sei nicht betroffen, da es an einer Substanz- und Gebrauchsbeeinträchtigung fehle. Die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter seien durch die Freisetzungsgenehmigung hinreichend geschützt. Die Regelung schränke zudem die Berufsfreiheit der an der Forschung beteiligten Unternehmen mit der Wirkung einer objektiven Regelung der Berufswahl ein, ohne dass nachweisbare oder höchstwahrscheinliche, schwere Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut erkennbar seien. Doch auch eine reine Einschränkung der Berufsausübung wäre unverhältnismäßig, da mit der Freisetzungsgenehmigung die Ungefährlichkeit der Organismen für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter festgestellt sei. Der Gesetzgeber habe auch nicht lediglich zwingende Vorgaben des Europarechts umgesetzt, sondern von einem eigenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht. Die Richtlinie 2001/18/EG fordere und rechtfertige dieses Begriffsverständnis des Inverkehrbringens nicht. Gleichermaßen zwinge sie nicht zu der Erweiterung des Begriffs "gentechnisch veränderter Organismus".

III.

98

Zu dem Normenkontrollantrag vom 27. April 2005 Stellung genommen haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., das Öko-Institut e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V. und die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V.

99

Im Hinblick auf die Novellierung des Gentechnikrechts durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 haben sich die Bundesregierung, der Deutsche Bauernbund e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Verband Katholisches Landvolk e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. und der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. geäußert; der Deutsche Bundestag hat das Protokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 26. November 2007 zur Novelle des Gentechnikgesetzes und der Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung sowie die Stellungnahmen der Sachverständigen zu diesem Gesetz übersandt.

100

In der mündlichen Verhandlung haben die Bundesregierung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., der Deutsche Bauernverband e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. ihre Stellungnahmen ergänzt. Geäußert haben sich darüber hinaus die Bundestagsabgeordneten Höfken (Bündnis 90/Die Grünen) und Miersch (SPD), Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bundesamtes für Naturschutz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V.

101

1. Die Bundesregierung hält die angegriffenen Bestimmungen für verfassungsgemäß. Das Gentechnikänderungsgesetz 2008 wirke sich auf die maßgebenden Rechtsfragen nicht aus.

102

Mit der Neugestaltung des Gentechnikrechts habe der Gesetzgeber die Rechtsstellung aller Beteiligten gestärkt. Das Gesetz fördere die Koexistenz der unterschiedlichen Produktionsmethoden und den verantwortbaren Umgang mit der Gentechnik. Es schütze in angemessener Weise vor möglichen Beeinträchtigungen durch die Gentechnik und stärke dabei die Akzeptanz neuer Techniken. Das Gesetz schaffe einen angemessenen Ausgleich der Grundrechte aller Beteiligten. Dabei schütze es die natürlichen Lebensgrundlagen.

103

a) Der Bund besitze die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1, 11, 17, 20 und 26 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.

104

b) Die Klarstellung der Begriffe "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG) sei verfassungsgemäß und verletze insbesondere nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 1 GG. Zur Sicherung der durch mittelbare Auswirkungen gentechnischer Veränderungen besonders gefährdeten Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG und des § 1 GenTG sei es geboten, auch indirekt durch Kreuzung oder natürliche Rekombination entstandene Organismen in den Begriff "gentechnisch veränderter Organismus" einzubeziehen sowie als "Inverkehrbringen" auch die von einer Freisetzungsgenehmigung nicht gedeckte Abgabe von Produkten zu verstehen, die unbeabsichtigt mit gentechnisch veränderten Organismen aus einer benachbarten Freisetzung vermischt wurden. Demgegenüber seien die Forschung und die Berufsausübung im Zusammenhang mit der Gentechnik weiterhin angemessen möglich; insbesondere könnten gegen unerwünschte Auswirkungen geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Vor dem Hintergrund der zuvor streitigen Rechtslage würden die Präzisierungen in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG der Rechtssicherheit dienen und darüber hinaus den verbindlichen europarechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie 2001/18/EG entsprechen.

105

c) Das Standortregister (§ 16a GenTG) gewährleiste angemessenen Datenschutz. Es diene dazu, den Schutz- und Vorsorgezweck (§ 1 Nr. 1 GenTG) und das Koexistenzprinzip (§ 1 Nr. 2 GenTG) zu verwirklichen und durch Information der Öffentlichkeit eine Transparenz zu schaffen, die letztlich auch zur Akzeptanz einer verantwortbaren Gentechnik und zur Befriedung beitrage. Diese Rechtsgüter und Belange fänden ihre Grundlage in verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten und Staatszielbestimmungen. Die angegriffenen Bestimmungen seien zur Zweckerreichung geeignet, angemessen und erforderlich. Aufgrund der erhobenen Angaben über geplante Freisetzungen und den geplanten Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (§ 16a Abs. 2 und 3 GenTG) könnten Gefahrenlagen erkannt, Schadensverläufe nachvollzogen, zukünftige Schäden vermieden und Ersatzansprüche leichter durchgesetzt werden. Ohne diese Angaben sei es erheblich schwieriger, wenn nicht unmöglich, Einträge zu vermeiden oder ihren Verlauf, ihre Ursachen und ihre Wirkungen festzustellen.Demgegenüber sei die ohne erheblichen Aufwand mögliche Mitteilung der Angaben zumutbar. Die Ausgestaltung der Zugänglichkeit zum Standortregister gewährleiste einen angemessenen Schutz von personenbezogenen Daten und Geschäftsgeheimnissen. Insbesondere bleibe die Anonymität personenbezogener Daten im allgemein zugänglichen Teil des Registers gewahrt. Die Kenntnis der genauen Standortangabe und der weiteren allgemein zugänglichen Informationen (§ 16a Abs. 4 GenTG) sei für alle potentiell Betroffenen erforderlich, um ihre Rechtsgüter zu schützen. Vor diesem Hintergrund sei es den Betroffenen nicht zumutbar, zunächst ein überwiegendes Interesse an der Auskunft darzulegen. Zudem überwiege das Informationsinteresse der konventionell wirtschaftenden Nachbarn regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse angesichts der von Gentechnik potentiell ausgehenden Gefahren. Auch wäre der erforderliche Verwaltungsaufwand für eine Mitteilung der flurstückgenauen Standortangabe im Antragsverfahren unverhältnismäßig hoch. Der Gesetzgeber dürfe hier typisieren Schließlich sei das Register zur Wahrung des Koexistenzprinzips erforderlich; insbesondere könnten Betroffene ihrerseits Schutzmaßnahmen treffen. Dies läge gerade auch im Interesse des Verwenders von Gentechnik.Auskünfte aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (§ 16a Abs. 5 GenTG) dürften nur aufgrund einer Abwägung des berechtigten Interesses des Antragstellers mit den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erteilt werden. Wenn es im Einzelfall Anhaltspunkte dafür gebe, dass gewaltbereite Gentechnikgegner Felder der Betroffenen verwüsten würden, sei dies zu berücksichtigen.

106

d) Die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Anforderungen an Person und Ausstattung beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) würden die Berufsausübung in Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG regeln und mit gut nachvollziehbaren Verpflichtungen Rechtssicherheit schaffen. Die Vorsorgepflicht diene dem Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG beschriebenen hochrangigen Rechtsgüter. Die einzelnen Maßnahmen entsprächen dem, was für den verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und in Teilbereichen auch mit Erzeugnissen allgemein erforderlich sei und könnten mit den in Betrieben vorhandenen technischen Möglichkeiten bewältigt werden. Die Regelungen seien hinreichend bestimmt und verhältnismäßig. Auch nach Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen müsse der Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter in der weiteren Praxis im Rahmen des vernünftig Möglichen gewährleistet bleiben. Die näheren Vorgaben zur guten fachlichen Praxis (§ 16b Abs. 3 GenTG) stünden allerdings ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass sie zur Erfüllung der Vorsorgepflicht erforderlich seien. Auch die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit und Fähigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG) seien zum Schutz der überragend wichtigen Gemeinschaftsgüter zumutbar und Sachkundenachweise bei vergleichbaren Tätigkeiten ohnehin üblich. Mit geringeren Anforderungen sei die Einhaltung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall nicht sicherzustellen; eine großflächige staatliche Überwachung wäre insoweit nicht durchführbar und eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen.

107

e) Das in § 36a GenTG geschaffene Haftungssystem diene dem Grundsatz der Koexistenz unterschiedlicher Produktionsweisen. Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf Nachbargrundstücke seien durch die bisher bekannten Maßnahmen grundsätzlich nicht vollständig zu vermeiden. Anwender müssten aber geeignete Maßnahmen treffen, um solche Einträge einzudämmen. Die Konkretisierung der zivilrechtlichen Unterlassungs- und Haftungsregelungen in § 36a GenTG sei ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung dieses legitimen Zweckes. § 36a GenTG füge sich in das geltende deutsche Nachbar- und Haftungsrecht ein. Ein Verzicht auf Maßnahmen zur Eindämmung von Einträgen auf Nachbargrundstücke berge die Gefahr, dass nicht veränderte Organismen von gentechnisch veränderten Organismen verdrängt würden. Dann würde eine Koexistenz nicht mehr bestehen und unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirte eingegriffen. Die damit gegebene Lastenverteilung schütze zwar spezifisch die konventionelle und ökologisch arbeitende Landwirtschaft. Dies entspreche aber der Wertentscheidung des Gesetzgebers und den europarechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergleichbarkeit von gentechnisch veränderten und konventionellen Produkten.

108

Es sei verfassungsrechtlich auch unbedenklich, wenn nicht zwingend, den Anwender von Gentechnik mit Maßnahmen zur Verhinderung von Einträgen und der Haftung für dadurch erfolgte Einträge zu belasten.

109

Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Die Bestimmung der Ortsüblichkeit (§ 36a Abs. 3 GenTG) differenziere bereits nicht, sondern erfasse alle Eigentümer und Produzenten gleichermaßen. Im Übrigen folge die Zuordnung der Haftung Unterschieden zwischen den Betroffenen von großem Gewicht, welche die unterschiedlichen Haftungsrisiken rechtfertige.

110

Mit § 36a Abs. 1 GenTG habe der Gesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums normiert (Art. 14 Abs. 1 GG). Dynamische Verweisungen auf außerhalb des Gentechnikgesetzes festgelegte Standards seien zulässig und der Begriff "insbesondere" entspreche dem Bestimmtheitserfordernis. Soweit es letztlich zu einer Gefährdungshaftung komme, sei diese ein allgemein anerkanntes Prinzip. Gentechnisch veränderte Kulturen stünden aufgrund der in aller Regel auftretenden Auskreuzungen und Einträge in andere Kulturen in einem besonders ausgeprägten Sozialbezug. Die Präzisierung der wesentlichen Beeinträchtigung in § 36a Abs. 1 GenTG und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit in § 36a Abs. 2 GenTG sichere die Grundrechte der Betroffenen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG und sei Konsequenz der staatlichen Schutzpflicht für die Grundrechte der Nachbarn. Auch der Betrieb ökologischer und konventioneller Landwirtschaft stelle insoweit einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Beruf dar.

111

§ 36a Abs. 4 GenTG normiere eine zulässige und systemgerechte Vermutung der Verursachung. Die Beweislastverteilung stimme mit den herkömmlichen Regeln überein und die gesamtschuldnerische Haftung mehrerer möglicher Verursacher entspreche der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für nachbarrechtliche Ausgleichsansprüche. Die Verteilung der Verantwortung sei verfassungsgemäß. Ein Grundstückseigentümer müsse für die von seinem Grundstück ausgehenden Gefahren einstehen, auch wenn er diese weder verursacht noch verschuldet habe. Der Gesetzgeber sei insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 20a GG verpflichtet, Dritte oder die Allgemeinheit angemessen vor den von einem Grundstück ausgehenden Gefahren zu schützen. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Geschädigten (§ 254 BGB) bleibe möglich. Für einen Haftungsausschluss wegen höherer Gewalt bestehe nach der zugrunde liegenden Risikoverteilung kein Raum, zumal sich in der Übertragung von gentechnisch veränderten Organismen auf ein benachbartes Grundstück nur das typische Risiko ihrer Verwendung realisiere. Auch sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen weder verpflichtet, eine Haftungshöchstgrenze einzuführen oder einen staatlich finanzierten Haftungsfonds einzurichten, noch müsse jedes Haftungsrisiko versicherbar sein.

112

2. Die Vertreter des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und des Bundesamtes für Naturschutz haben zu bestehenden gesundheitlichen und ökologischen Risiken sowie zu Nachteilen für die gentechnikfreie Landwirtschaft Stellung genommen.

113

3. Der Deutsche Bauernbund e.V., der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V., das Öko-Institut e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. und der Verband Katholisches Landvolk e.V. treten dem Normenkontrollantrag entgegen.

114

4. Der Deutsche Bauernverband e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V., die Gesellschaft für Pflanzenzüchtung e.V., der Bundesverband Deutscher Saatguterzeuger e.V., die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie im Verband der Chemischen Industrie e.V. unterstützen den Normenkontrollantrag.

B.

115

Soweit die Antragstellerin § 16b Abs. 1a GenTG zur Überprüfung stellt, ist der Normenkontrollantrag unzulässig; die Vorschrift ist jedoch wegen ihres engen Regelungszusammenhanges zu § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen (I). Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig (II). Darüber hinaus ist § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung einzubeziehen (III).

I.

116

Der Normenkontrollantrag ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG zu begründen. Hierzu ist substantiiert darzutun, aus welchen rechtlichen Erwägungen die angegriffene Norm mit welcher höherrangigen Norm für unvereinbar gehalten wird (vgl. Rozek, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 76 Rn. 61 ; Graßhof, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 76 Rn. 35). Diese Anforderungen sind in Bezug auf § 16b Abs. 1a GenTG nicht gewahrt. Die Antragstellerin hat mit ihrem letzten Antrag vom 15. Januar 2009, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, § 16b Abs. 1a GenTG in das Verfahren einbezogen, ohne ihre Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz darzulegen. Damit ist § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht genügt.

117

§ 16b Abs. 1a GenTG ist gleichwohl wegen des bestehenden Regelungszusammenhanges zu § 16a GenTG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Verfassungswidrigkeit von § 16b Abs. 1a GenTG auf zulässigerweise angegriffene Bestimmungen ausstrahlt oder die Norm notwendiger Bestandteil einer Gesamtregelung ist (vgl. BVerfGE 39, 96 <106>; 40, 296 <309 f.>; 109, 279 <374>). So liegt es hier. Der Umfang und die Tragweite der über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilenden und zu verarbeitenden Angaben erschließt sich erst, wenn die ergänzende Bestimmung in § 16b Abs. 1a GenTG in die Betrachtung einbezogen wird. Die nach § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden und zu veröffentlichenden Angaben werden erst im Kontext der Angaben nach § 16a Abs. 1, 3 und 4 GenTG verständlich.

II.

118

Im Übrigen ist der Normenkontrollantrag zulässig. Die Frage nach dem erforderlichen objektiven Interesse an einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit der früheren Rechtslage nach dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 stellt sich nicht mehr, nachdem die Antragstellerin klargestellt hat, dass sie nur die Unvereinbarkeit der nach dem Inkrafttreten des Gentechnikänderungsgesetzes 2008 bestehenden Rechtslage mit dem Grundgesetz rügt (vgl. hierzu BVerfGE 110, 33 <45> m.w.N.).

III.

119

Über den Normenkontrollantrag hinaus ist auch § 16a Abs. 2 GenTG in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einzubeziehen. Dies ist wegen des inneren Zusammenhangs der angegriffenen Bestimmungen über die nach § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG mit dem nicht angegriffenen § 16a Abs. 2 GenTG notwendig.

C.

120

Der Normenkontrollantrag ist nicht begründet. § 3 Nr. 3 und 6, § 16a Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 16b Abs. 1, 1a, 2, 3 und 4 sowie § 36a GenTG in der Fassung des Art. 1 GenTNeuOG 2004 in der zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

121

Die angegriffenen Vorschriften sind formell verfassungsgemäß.

122

1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Erlass der angegriffenen Normen folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG a.F.) und in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 72 Abs. 2 GG n.F.).

123

a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG wurde mit dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. Oktober 1994 (BGBl I S. 3146) in das Grundgesetz eingefügt, um den Bund mit einer klaren Zuständigkeitsgrundlage für den Bereich der Gentechnologie bezogen auf Menschen, Tiere und Pflanzen mit Ausnahme der künstlichen Befruchtung auszustatten (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 34 f.; BTDrucks 12/6633, S. 9).

124

Der Kompetenztitel ist weit zu verstehen. Er deckt neben der Humangentechnik auch die Gentechnik in Bezug auf Tiere und Pflanzen und begründet eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Regelung des Rechts der Gentechnik. Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG umfasst daher nicht nur Vorschriften, die Forschung und Entwicklung unter Einsatz gentechnischer Verfahren betreffen, sondern auch sonstige die Verwendung von und den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regelnde Normen. Danach bewegen sich nicht nur die angegriffenen Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" (§ 3 Nr. 3 und 6 GenTG), sondern auch die rechtlich und funktional in das Gentechnikrecht eingebetteten Bestimmungen über den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG) und über das Standortregister (§ 16a GenTG) sowie die Ergänzung und Konkretisierung der zivilrechtlichen Ansprüche bei Nutzungsbeeinträchtigungen (§ 36a GenTG) in den Grenzen der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 2. Alternative GG.

125

Ein anderes Verständnis würde zu einer Zersplitterung des Gentechnikrechts in Kernkompetenzen des Bundes nach Art. 72 Abs. 1 GG sowie Erforderlichkeitskompetenzen und Abweichungskompetenzen nach Art. 72 Abs. 2 und Abs. 3 GG in ihrer seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung führen. Eine solche Differenzierung liefe dem Anliegen des verfassungsändernden Gesetzgebers zuwider, den Bund durch die Einführung von Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG mit einer hinreichend klaren Zuständigkeit für das Gebiet der Gentechnik auszustatten.

126

b) Die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. und des Art. 72 Abs. 2 GG n.F. liegen vor. Unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative (vgl. BVerfGE 111, 226 <255> m.w.N.) ist eine bundeseinheitliche Regelung vorliegend im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit (vgl. BVerfGE 111, 226 <253 f.> m.w.N.) erforderlich.

127

2. Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 und das Gentechnikänderungsgesetz 2008 sind auch ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Zustimmung des Bundesrates zu diesen Gesetzen war nicht notwendig.

128

a) Das Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 bedurfte insbesondere nicht deshalb der Zustimmung des Bundesrates, weil der in den Bundestag ursprünglich eingebrachte Regierungsentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das hier zu prüfende, nicht zustimmungsbedürftige Gesetz und in Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren der Länder aufgeteilt wurde (vgl. Art. 84 Abs. 1 2. Halbsatz GG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung), welche nachträglich in einem zustimmungsbedürftigen Gesetz verankert werden sollten (vgl. BVerfGE 105, 313 <338> m.w.N.).

129

b) Mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 wurden zwar auch von den Landesbehörden zu beachtende Verfahrensvorschriften novelliert. Gemäß Art. 84 Abs. 1 GG in der seit dem 1. September 2006 geltenden Fassung (im Folgenden: Art. 84 Abs. 1 GG n.F.) wird den Belangen der Länder nunmehr jedoch durch die Möglichkeit zur abweichenden Gesetzgebung nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG n.F. Rechnung getragen. Weil der Bund vorliegend das Recht zur Abweichungsgesetzgebung für das Verwaltungsverfahren nicht nach Maßgabe von Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. durch eine ausdrückliche Regelung ausgeschlossen hat, bedurfte es auch keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 6 GG n.F. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit mit dem Gentechnikänderungsgesetz 2008 ursprünglich zustimmungspflichtige Verfahrensvorschriften geändert wurden. Eine Zustimmungspflicht wurde hierdurch nicht ausgelöst, weil die Änderungen ihrerseits keinen Abweichungsausschluss nach Art. 84 Abs. 1 Satz 5 GG n.F. enthalten.

II.

130

Die angegriffenen Vorschriften sind materiell verfassungsgemäß.

131

1. Das Bundesverfassungsgericht kann über den Antrag ohne Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV entscheiden. Zwar wollte der Gesetzgeber insbesondere mit der Änderung der Begriffsbestimmungen "gentechnisch veränderter Organismus" und "Inverkehrbringen" in § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sowie mit der Einrichtung des Standortregisters gemäß § 16a GenTG entsprechende Vorgaben aus Art. 2 Nr. 2 und 4 und Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2001/18/EG umsetzen (BTDrucks 15/3088, S. 22 und 26). Nachdem jedoch sämtliche angegriffenen Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind, kommt es auf die Auslegung gemeinschafts- beziehungsweise unionsrechtlicher Bestimmungen nicht entscheidungserheblich an. Eine Vorlage ist in diesem Fall weder geboten noch zulässig (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 2. März 2010 - 1 BvR 256/08 u.a. -, NJW 2010, S. 833 <835> Rn. 185).

132

2. § 3 Nr. 3 und 6 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und mit der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit vereinbar.

133

a) Mit der Möglichkeit, gezielt Veränderungen des Erbgutes vorzunehmen, um erwünschte Eigenschaften von Organismen zu erzeugen, wie es mit Methoden der herkömmlichen Züchtung nicht möglich wäre, greift die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens ein. Die Folgen solcher Eingriffe lassen sich, wenn überhaupt, nur schwer wieder rückgängig machen. Die Ausbreitung einmal in die Umwelt ausgebrachten gentechnisch veränderten Materials ist in Abhängigkeit von zahlreichen Faktoren nur schwer oder auch gar nicht begrenzbar. Auf der anderen Seite birgt die Forschung und Produktion von gentechnisch veränderten Organismen auch erhebliche Chancen. Vor allem können mit Hilfe solcher Organismen größere Ernteerträge erzielt und die Resistenz von Pflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten erhöht werden.

134

Neben den Chancen der Gentechnik sind die gesundheitlichen und ökologischen Risiken und insbesondere auch Nachteile für die gentechnikfreie Landwirtschaft zu bedenken. Eine gentechnische Modifikation kann zu verschiedenen nicht beabsichtigten Effekten führen, die sich nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf die landwirtschaftliche Anbaupraxis auswirken können. So sind gegebenenfalls auch konventionell oder ökologisch angebaute Kulturen - bei zufälligem oder technisch nicht zu vermeidendem Vorkommen von gentechnisch veränderten Organismen oberhalb der im europäischen Recht festgesetzten Toleranzschwelle - entsprechend zu kennzeichnen. Auch kann eine Kennzeichnung mit Bezug auf eine ökologische beziehungsweise biologische Produktion oder mit dem noch strengeren Vorgaben unterliegenden Hinweis "Ohne Gentechnik" unzulässig werden. Dadurch bedingt kann der Marktpreis von Erzeugnissen gemindert oder der Absatz erschwert werden. Außerdem können Produzenten zusätzliche Kosten entstehen, weil sie Überwachungssysteme und Maßnahmen zur Minimierung der Vermischung von genetisch veränderten und nicht veränderten Kulturen einführen müssen.

135

Angesichts einer hochkontroversen gesellschaftlichen Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern der Anwendung von Gentechnik bei Kulturpflanzen und eines noch nicht endgültig geklärten Erkenntnisstandes der Wissenschaft insbesondere bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen und langfristigen Folgen eines solchen Einsatzes von Gentechnik trifft den Gesetzgeber auf diesem Gebiet eine besondere Sorgfaltspflicht. Der Gesetzgeber muss bei der Rechtsetzung nicht nur die von der Nutzung der Gentechnik einerseits und deren Regulierung andererseits betroffenen Interessen, welche insbesondere durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), die Freiheit der Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützt werden, in Ausgleich bringen. Sondern er hat gleichermaßen den in Art. 20a GG enthaltenen Auftrag zu beachten, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen (vgl. BVerfGE 118, 79 <110>). Dieser Auftrag kann sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Risikovorsorge gebieten. Zu den nach dieser Maßgabe von Art. 20a GG geschützten Umweltgütern gehören auch die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Sicherung eines artgerechten Lebens bedrohter Tier- und Pflanzenarten.

136

b) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen nicht Art. 12 Abs. 1 GG.

137

aa) Bei den angegriffenen Vorschriften handelt es sich um Definitionen, die im Zusammenwirken mit weiteren Normen zu Grundrechtseingriffen führen können. Die Freiheit der Berufsausübung ist mittelbar berührt. In der Klarstellung, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderte Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind, hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass das Gentechnikgesetz auch in diesen Fällen als rechtlicher Rahmen für die Berufsausübung unter Einsatz von Gentechnik dient und sich damit auf das Gentechnikgesetz gestützte Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG auch auf diese erstrecken.

138

bb) Soweit in die Freiheit der Berufsausübung mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

139

Die angegriffenen Änderungen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG dienen legitimen Zielen des Gemeinwohls. Sie bezwecken nicht nur eine begriffliche Klarstellung vor dem Hintergrund einer zuvor umstrittenen Rechtslage und dienen damit der Rechtssicherheit, sondern sie stellen auch sicher, dass das Gentechnikgesetz (§ 3 Nr. 3 GenTG) und die besonderen Bestimmungen über das Inverkehrbringen von Produkten (§ 3 Nr. 6 GenTG) möglichst umfassend und insbesondere auch auf die Zufallsnachkommen von legal freigesetzten gentechnisch veränderten Organismen Anwendung finden. Damit dienen die Änderungen den legitimen Zwecken des Gentechnikgesetzes aus § 1 Nr. 1 bis 3 GenTG und dem Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG).

140

Bei einer Beschränkung der Definition des gentechnisch veränderten Organismus in § 3 Nr. 3 GenTG und damit des Anwendungsbereichs des Gentechnikgesetzes auf gezielt und unmittelbar herbeigeführte gentechnische Veränderungen wären die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von vornherein von jeder gentechnikrechtlichen Kontrolle freigestellt. Dies betrifft nicht nur das Inverkehrbringen (§§ 14 ff., § 16d GenTG), sondern auch den Umgang mit in Verkehr gebrachten Produkten (§ 16b GenTG), ihre Beobachtung (§ 16c GenTG), ihre Kennzeichnung (§ 17b GenTG), die Mitteilungspflichten der Betreiber und sonstiger Beteiligter (§ 21 GenTG) und die behördlichen Befugnisse (§§ 20, 25, 26, 28 ff. GenTG). Der bezweckte Schutz der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange wäre jedoch durch das allgemeine, nicht auf Risikovorsorge, sondern auf Gefahrenabwehr ausgerichtete Polizei- und Ordnungsrecht nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet. Der Gesetzgeber durfte auch die Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen im Allgemeinen und die durch zufällige Auskreuzung entstandenen gentechnisch veränderten Organismen im Besonderen als mit einem allgemeinen Risiko behaftet ansehen und sie mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 GenTG den gentechnikrechtlichen Vorschriften unterstellen. Die Annahme eines solchen "Basisrisikos" (vgl. Schleswig-Holsteinisches VG, Beschluss vom 7. November 2007 - 1 B 33/07 -, juris Rn. 76; VG Hannover, Urteil vom 1. Oktober 2008 - 11 A 4732/07- , NuR 2009, S. 67 <72>; Mecklenburg, NuR 2006, S. 229 <232>) liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und setzt keinen wissenschaftlich-empirischen Nachweis des realen Gefährdungspotentials der gentechnisch veränderten Organismen und ihrer Nachkommen voraus. Denn in einer wissenschaftlich ungeklärten Situation wie der vorliegenden ist der Gesetzgeber befugt, die Gefahrenlagen und Risiken zu bewerten, zumal die geschützten Rechtsgüter verfassungsrechtlich verankert sind und ein hohes Gewicht haben. Insbesondere vermindert der Umstand, dass es sich in den Anwendungsfällen von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG um nicht beabsichtigte oder technisch nicht zu vermeidende Vorgänge handeln kann, nicht das mit dem Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt und der Vermarktung gentechnisch veränderter Produkte bestehende Risiko unerwünschter oder schädlicher, gegebenenfalls unumkehrbarer Auswirkungen, das im Sinn einer größtmöglichen Vorsorge beherrscht werden soll (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5 der Richtlinie 2001/18/EG). Der Gesetzgeber liefe zudem Gefahr, seiner Verantwortung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) nicht gerecht zu werden, wenn er die durch zufällige Vorgänge entstandenen Nachkommen von gentechnisch veränderten Organismen keiner Kontrolle unterstellen würde.

141

c) Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit betroffener Landwirte (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund der Genehmigungspflicht für das Inverkehrbringen von zufällig oder technisch nicht vermeidbar mit gentechnisch veränderten Organismen verunreinigten Produkten durch § 3 Nr. 3 und 6 GenTG kommt aus diesen Gründen ebenfalls nicht in Betracht.

142

d) § 3 Nr. 3 und 6 GenTG verletzen auch nicht Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

143

aa) Die Wissenschaftsfreiheit ist allerdings im Zusammenwirken mit anderen Eingriffsnormen des Gentechnikgesetzes berührt. Das von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit regelt als wertentscheidende Grundsatznorm das Verhältnis der Wissenschaft zum Staat und schützt als Abwehrrecht die freie wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfGE 15, 256 <263 f.>; 35, 79 <112>; 95, 193 <209>). In diesen Freiraum des Wissenschaftlers fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe (vgl. BVerfGE 35, 79 <112>; 47, 327 <367>; 90, 1 <11 f.>; 111, 333 <354>).

144

Danach ist die Erforschung von gentechnisch veränderten Organismen vom Schutzbereich erfasst, auch soweit lebende Organismen zu experimentellen Zwecken in die Umwelt - sei es im Rahmen von Freisetzungsversuchen oder im Rahmen wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbaus verkehrszugelassener gentechnisch veränderter Organismen - eingebracht werden und sich in dieser fortpflanzen und ausbreiten können. Art. 5 Abs. 3 GG ist also auch betroffen, wenn die Forschung außerhalb des geschlossenen Systems stattfindet und die Umwelt einschließlich der Rechtsgüter Dritter in das kontrollierte Experiment einbezieht. Dies gilt jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten.

145

Mit der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass insbesondere die Produkte von Auskreuzungen gentechnisch veränderte Organismen darstellen und die aus einer Freisetzung stammenden gentechnisch veränderten Organismen wie zum Beispiel ausgekreuzte Pflanzen im Gegensatz zu den für eine Freisetzung bestimmten Organismen nicht vom "Inverkehrbringen" im Sinn von § 3 Nr. 6 GenTG ausgenommen sind. Hiermit hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass wissenschaftliche Freilandversuche und ihre unbeabsichtigten Folgen den Kontroll- und Eingriffsbefugnissen des Staates und der Folgenverantwortung der Forschung nach Maßgabe des Gentechnikgesetzes unterfallen. Er hat die Rahmenbedingungen der Forschung abgesteckt und auf die praktische Durchführung, Fragestellung und Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen. Selbst wenn man in der Neufassung von § 3 Nr. 3 und 6 GenTG nur eine Klarstellung dessen sehen wollte, was den Normen zuvor durch Auslegung zu entnehmen war, hätte der Gesetzgeber zumindest eine umstrittene Rechtslage im Sinne dieser Auslegung geklärt und einer anderen Interpretation durch die Gerichte entzogen.

146

bb) Soweit in die Wissenschaftsfreiheit mittelbar eingegriffen wird, ist dies jedoch gerechtfertigt.

147

Die Wissenschaftsfreiheit kann, wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte, aufgrund von kollidierendem Verfassungsrecht beschränkt werden (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 57, 70 <99>), wobei es grundsätzlich hierzu einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>; 107, 104 <120>; 122, 89 <107>). Ein Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten ist unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen (vgl. BVerfGE 47, 327 <369>; 122, 89 <107>).

148

Der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener und der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die nicht nur eine Beschränkung der Berufsfreiheit und des Eigentums (vgl. oben b und c), sondern auch der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

149

3. Die Bestimmungen über das Standortregister in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind, soweit sie an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfen, mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar (a bis d).Nichts anderes gilt, soweit § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen betreffen, die nach dem ebenfalls nicht zu beanstandenden § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilen sind (e).

150

a) Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) wird durch die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Vorschriften über das Standortregister nicht verletzt.

151

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194>; 96, 171 <181>; 103, 21 <32 f.>; 113, 29 <46>; 115, 320 <341>). Das Recht gewährt seinen Trägern insbesondere Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>; 84, 239 <279>; 103, 21 <33>; 115, 320 <341>).

152

aa) Bezugspersonen der im Standortregister gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG erfassten und nach Maßgabe von § 16a Abs. 4 und 5 sowie § 16b Abs. 1a GenTG zugänglichen Informationen über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen sind die Bewirtschafter der Anbauflächen und ihre in § 16b Abs. 1a GenTG bezeichneten "Nachbarn". Die Pflicht zur Mitteilung der erforderlichen Angaben an die registerführende Stelle trifft gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG die Bewirtschafter der Anbauflächen.

153

Bewirtschafter ist gemäß § 3 Nr. 13a GenTG "eine juristische oder natürliche Person oder nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die die Verfügungsgewalt und tatsächliche Sachherrschaft über eine Fläche zum Anbau von gentechnisch veränderten Organismen besitzt". Nachbar ist, wer nach § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. durch schriftliche Vereinbarung auf seinen Schutz verzichtet oder die zu seinem Schutz erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat.

154

Handelt es sich bei den Betroffenen um natürliche Personen, sind diese Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Juristische Personen des privaten Rechts sind als Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung anerkannt, soweit dieses Grundrecht auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt ist (vgl. BVerfGE 118, 168 <203>). Auf diese Unterschiede in der Reichweite des Schutzes zwischen natürlichen und juristischen Personen kommt es im vorliegenden Fall einer abstrakten Normenkontrolle jedoch nicht an, da in jedem Fall auch natürliche Personen betroffen sind und der Schutz juristischer Personen nicht weiter reicht.

155

bb) Gemäß § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG werden im Standortregister personenbezogene Daten erfasst.

156

Vom Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sind nur persönliche oder personenbezogene Daten umfasst (vgl. BVerfGE 118, 168 <184> m.w.N.). Unter personenbezogenen Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zu verstehen (vgl. BVerfGE 65, 1 <42>).

157

Das trifft zunächst auf die nach § 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben über Namen und Anschrift desjenigen zu, der die Anbaufläche bewirtschaftet und auf entsprechende Informationen zum Nachbarn gemäß § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG. Auskunft über sachliche Verhältnisse bestimmter oder bestimmbarer Personen erteilen die Angaben über die Bezeichnung und den spezifischen Erkennungsmarker des gentechnisch veränderten Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften sowie das Grundstück des Anbaus und die Größe der Anbaufläche (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 und 4 GenTG) sowie die grundstücksbezogenen Informationen über eine Einschränkung von Schutzmaßnahmen im Verhältnis zu einem Dritten (§ 16b Abs. 1a GenTG). Die Bezugsperson geht für die registerführende Stelle jeweils aus der Mitteilung, welche die Angaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Betroffenen miteinander verbindet, und der gemeinsamen Speicherung der Daten eindeutig hervor.

158

Auf den Wert oder die Sensibilität eines Datums kommt es dabei nicht an. Zwar beschränken sich Name und Anschrift einer Person auf elementare Informationen, die zur Identifizierung benötigt werden. Auch sind die im allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters erfassten Angaben über die Bezeichnung, den spezifischen Erkennungsmarker und die gentechnisch veränderten Eigenschaften des gentechnisch veränderten Organismus (§ 16a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 16a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 GenTG) bereits nach internationalem und europäischem Recht zur Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorgesehen und können im Internet insbesondere über das Register für veränderte Organismen der Informationsstelle für biologische Sicherheit ("Biosafety Clearing-House", Art. 20 des Protokolls von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl II 2003 S. 1506) und über das Gemeinschaftsregister für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel (Art. 28 der Verordnung Nr. 1829/2003) abgerufen werden. Schließlich sind Lage und Größe einer Anbaufläche regelmäßig öffentlich wahrnehmbar, denn Landwirtschaft wird nicht im privaten, sondern im sozialen Raum betrieben. Die Anbaufläche ist in der Natur allerdings im Allgemeinen weder im Hinblick auf den Bewirtschafter noch in Bezug auf den Anbau eines bestimmten Organismus ohne weiteres bestimmbar. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst jedoch alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können. Er erstreckt sich auch auf Basisdaten wie Name und Anschrift sowie auf offenkundige oder allgemein zugängliche Informationen. Unter den Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung gibt es grundsätzlich kein "belangloses" Datum mehr (vgl. BVerfGE 65, 1 <45>). Durch ihre Verknüpfung erlangen die im Standortregister erfassten Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einen neuen Stellenwert. Zusammengeführt informieren sie insbesondere darüber, dass ein bestimmter gentechnisch veränderter Organismus auf einer bestimmten Fläche von einer bestimmten Person angebaut wird.

159

cc) Die hier zu prüfenden Bestimmungen über das Standortregister ermächtigen die registerführende Stelle zur Erhebung und Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen und greifen damit in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein.

160

Beeinträchtigungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung können insbesondere in der Beschaffung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe personenbezogener Informationen liegen.

161

(1) Die Bestimmungen über das Mitteilen (Erheben) und Erfassen (Speichern) der personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in § 16a Abs. 1 und 3, § 16b Abs. 1a GenTG und über die Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers (Weitergabe) in § 16a Abs. 5 GenTG stellen demgemäß einen Grundrechtseingriff dar.

162

(2) Die Erteilung von Auskünften aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers gemäß § 16a Abs. 4 und § 16b Abs. 1a Satz 1 und 2 GenTG über personenbezogene Daten durch den automatisierten Abruf über das Internet stellt eine Sonderform der staatlichen Datenübermittlung und damit eine Form der Datenverarbeitung dar (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchstabe b Bundesdatenschutzgesetz - BDSG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003, BGBl I S. 66). Ist auf diesem Weg die Weitergabe personenbezogener Daten vorgesehen, so liegt darin ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

163

Der Gesetzgeber hat allerdings für den allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters nur Angaben vorgesehen, die sachliche Verhältnisse beschreiben (§ 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG). Informationen über persönliche Verhältnisse wie Name und Anschrift einer Person sind hingegen im nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erfasst und werden vom Gesetzgeber als "personenbezogene Daten" bezeichnet (§ 16a Abs. 5 GenTG). Durch diese Aufteilung verlieren die in das Internet eingestellten Daten jedoch nicht ihren Personenbezug. Dieser besteht fort, solange die Bezugsperson "bestimmbar" oder "individualisierbar" bleibt. Daher ist - unbeschadet der vom Gesetzgeber gewählten Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten in § 16a Abs. 5 GenTG und anderen Daten in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG - für die Frage des Grundrechtseingriffs allein die Grenze zwischen Bestimmbarkeit und Nichtbestimmbarkeit der Bezugsperson entscheidend. Danach können vorliegend personenbezogene Informationen über das Internet abgerufen werden. Es ist davon auszugehen, dass eine unbestimmte Zahl von Empfängern über Zusatzwissen verfügt, das es ihnen ohne großen zeitlichen oder finanziellen Aufwand ermöglicht, die Bezugsperson zu identifizieren. Insbesondere Ortsansässigen kann ohne weiteres bekannt sein, wer welche landwirtschaftlich genutzten Flurstücke in einer Gemarkung bewirtschaftet. Jedenfalls für diese Übermittlungsvorgänge wird die registerführende Stelle durch § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG zur Weitergabe personenbezogener Daten ermächtigt.

164

dd) Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

165

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (1) und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (2). Zudem bedarf der effektive Grundrechtsschutz einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens (3).

166

(1) Die Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gemäß § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG entsprechen dem Gebot der Normklarheit und -bestimmtheit.

167

Dieses Gebot findet im Hinblick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG selbst. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden (vgl. BVerfGE 100, 313 <359 f., 372>; 110, 33 <53>; 113, 348 <375>; 118, 168 <186 f.>). Diese Anforderungen sind vorliegend erfüllt.

168

Nach § 16a Abs. 1 Satz 1, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG dient die Datenerhebung und Datenverarbeitung dem Zweck der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange und dem Zweck der Information der Öffentlichkeit.

169

Das Register wird gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 GenTG von der nach § 31 Satz 2 GenTG zuständigen Bundesoberbehörde geführt, der gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1, § 16b Abs. 1a GenTG die erforderlichen Informationen mitzuteilen sind und die gemäß § 16a Abs. 4 und 5, § 16b Abs. 1a Satz 2 und 3 GenTG die Auskünfte aus dem Register erteilt. In § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und in § 16b Abs. 1a Satz 1 GenTG ist dabei präzise bestimmt, wer welche Angaben wann mitzuteilen hat. Des Weiteren ist in § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG angegeben, welche Informationen auf welche Weise aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers abgerufen werden können.

170

§ 16a Abs. 5 (ggf. i.V.m. § 16b Abs. 1a Satz 3) GenTG umschreibt schließlich hinreichend präzise die Voraussetzungen für eine Erteilung von Auskünften aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers. Soweit der Gesetzgeber sich dabei unbestimmter Rechtsbegriffe bedient hat, steht das Bestimmtheitsgebot dem nicht entgegen. Die Begriffe "berechtigtes Interesse" und "überwiegendes schutzwürdiges Interesse" stehen in dem begrenzenden Kontext der Vorschriften zu dem Standortregister und lassen sich in diesem hinreichend konkretisieren.

171

(2) Die zu prüfenden Regelungen über die Erhebung und Verarbeitung der Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind verhältnismäßig.

172

(a) Mit diesen Bestimmungen verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele. Sie dienen der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, der Schaffung einer angemessenen Transparenz sowie den Zwecken des § 1 GenTG. Sie finden eine verfassungsrechtliche Grundlage insbesondere in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG.

173

Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG dient das Standortregister der Information der Öffentlichkeit. Für die Allgemeinheit soll das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt durch Freisetzungen und Anbau transparent gemacht werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 26). Die Schaffung von Transparenz stellt in diesem Zusammenhang einen eigenständigen und legitimen Zweck der Gesetzgebung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die im Standortregister erfassten und veröffentlichten Angaben über Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen leisten innerhalb der demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Der öffentliche Meinungsaustausch und die Einbeziehung der Gesellschaft in diese umweltrelevanten Entscheidungen und ihre Umsetzung schützen nicht nur den Einzelnen, sondern stärken die effektive Kontrolle staatlichen Handelns. Um solche Transparenz herzustellen, ist es legitim, bestimmte Daten der Öffentlichkeit allgemein und insoweit ohne weitere Bindung an bestimmte Zwecke zugänglich zu machen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schließt die Schaffung allgemein öffentlicher Dateien - auch solcher mit Personenbezug - nicht generell aus. Insbesondere entspricht das Standortregister dem hohen Stellenwert, den die Richtlinie 2001/18/EG dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit beimisst. Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG untersagt, im Genehmigungsverfahren vorgelegte Informationen über eine allgemeine Beschreibung von gentechnisch veränderten Organismen, den Namen und die Anschrift des Anmelders, Zweck und Ort der Freisetzung (vgl. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2001/18/EG) sowie die beabsichtigten Verwendungszwecke als vertrauliche Informationen zu behandeln. In seinem Urteil vom 17. Februar 2009 hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, dass der Mitteilung der in Art. 25 Abs. 4 der Richtlinie 2001/18/EG genannten Informationen kein Vorbehalt zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung oder anderer gesetzlich geschützter Interessen entgegengehalten werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - C-552/07 -, Slg. 2009, S. I-987 <1029 f.> Rn. 55 und Tenor Ziffer 2).

174

Das Standortregister kommt auch der Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter zugute (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es dient damit insbesondere dem Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt und fremden Eigentums vor schädlichen Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Kulturpflanzen und der Vorsorge gegen das Entstehen solcher Gefahren.

175

Das Standortregister soll ferner die Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf den Koexistenzbelang gemäß § 1 Nr. 2 GenTG und die Information potentiell betroffener Dritter über den geplanten Anbau sicherstellen (§ 16a Abs. 1 Satz 1 GenTG). Es leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des zugrunde liegenden europäischen Koexistenzkonzeptes (hierzu: Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Das Ziel eines verträglichen Nebeneinanders der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsmethoden findet seine verfassungsrechtliche Grundlage nicht nur in der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Freiheit anderer Erzeuger zur selbstbestimmten Nutzung ihres Eigentums, sondern auch in ihrer von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung.

176

Das Standortregister dient schließlich dem Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Insbesondere kann die Information der Öffentlichkeit über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt ein eigenes Urteil über den staatlich genehmigten und überwachten Einsatz von Gentechnik schaffen und die Akzeptanz der staatlichen Entscheidungen verbessern.

177

(b) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

178

Das Standortregister kann die effektive Überwachung etwaiger Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange unterstützen und trägt damit zur Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sowie zur Gewährleistung von Koexistenz bei.

179

Die Information der zuständigen Behörden über die Anbauflächen gentechnisch veränderter Kulturen ermöglicht diesen insbesondere, den Anbau und seine Umweltauswirkungen zu beobachten und zu überwachen, Produktionsprozesse gezielt zu kontrollieren, die ordnungsgemäße Anwendung von Koexistenzmaßnahmen sicherzustellen und standortbezogene wissenschaftliche Begleituntersuchungen durchzuführen, um langfristige oder unvorhergesehene Effekte zu erfassen.

180

Das Standortregister ist geeignet, die Öffentlichkeit und mögliche Betroffene über das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt zu informieren und damit die gewünschte Transparenz, Koexistenz und gesellschaftliche Befriedung zu befördern. Insbesondere können sich Nachbarbetriebe und andere mögliche Betroffene rechtzeitig über den beabsichtigten Anbau solcher Organismen informieren und Maßnahmen zum Schutz vor Einträgen in ihre Erzeugnisse ergreifen.

181

(c) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist ein ebenso wirksamer, aber die Betroffenen weniger belastender Weg der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen nicht ersichtlich.

182

Die zuständigen staatlichen Stellen verfügen über keine vergleichbaren Informationen, auf die sie zur Erfüllung der Zwecke des Standortregisters zurückgreifen könnten. Diese liegen insbesondere nicht schon aufgrund des Genehmigungsverfahrens zum Inverkehrbringen vor. Das Genehmigungsverfahren ist nicht auf den Bewirtschafter von Anbauflächen, sondern auf denjenigen bezogen, der ein Produkt erstmals in Verkehr bringt (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 7 GenTG).

183

Auch die Mitteilungsfrist von drei Monaten vor dem Anbau gemäß § 16a Abs. 3 Satz 1 GenTG durfte der Gesetzgeber für erforderlich halten, um das Konzept einer abgestimmten Anbauplanung umzusetzen. Denn bis zur Aussaat von gentechnisch veränderten Pflanzen hat nicht nur die Mitteilung an das Standortregister zu erfolgen. Es ist auch der Nachbar zu unterrichten und dessen Angaben sind gegebenenfalls durch eine Anpassung der Anbaupläne zu berücksichtigten. Zudem können schriftliche Vereinbarungen über die gute fachliche Praxis getroffen werden. Diese Änderungen und Vereinbarungen sind wiederum dem Standortregister zu melden. Ferner sind innerbetriebliche Abweichungen von der guten fachlichen Praxis den zuständigen Behörden zu melden.

184

Desgleichen ist die Datenverarbeitung nach Maßgabe von § 16a Abs. 1, 4 und 5, § 16a Abs. 1a GenTG zur Zweckerreichung erforderlich. Ein Antragsverfahren für die Erteilung von Auskünften über die genauen Anbaustandorte würde die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Zwecke nicht ebenso wirksam umsetzen. Das angestrebte hohe Maß an Transparenz könnte nicht erreicht werden, wenn nur die Gemeinde oder Gemarkung des Standortes gemäß § 16a Abs. 4 GenTG in das Internet eingestellt würde. Auch die Möglichkeit der frühzeitigen Planung, Abstimmung und Koordination konkurrierender Nutzungsinteressen und die Wirtschaftlichkeit der Auskunftserteilung wären mit einem Antragsverfahren nicht gleichermaßen gewährleistet.

185

Eine Begrenzung des berechtigten Interesses an der Auskunftserteilung gemäß § 16a Abs. 5 GenTG auf Fälle, in denen eine "wesentliche Eigentumsbeeinträchtigung" sowie "substantielle Vermögensbeeinträchtigungen des Nachbarn" drohen, wäre nicht geeignet, die Information möglicher Betroffener in dem vom Gesetzgeber gewollten Umfang sicherzustellen. Insbesondere in der Phase der Anbauplanung dürfte regelmäßig nicht absehbar sein, ob solche Nachteile zu erwarten sind mit der Folge, dass Auskünfte über Namen und Anschrift der Bewirtschafter nicht oder nur in geringem Maße erteilt werden dürften. Die Möglichkeit, mit Hilfe des Standortregisters lokale Erzeugungsstrukturen durch Anbauplanung aufeinander abzustimmen und die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Kulturen zu koordinieren, wäre dann nicht vergleichbar gegeben.

186

(d) Die den Anbau betreffenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 und § 16b Abs. 1a GenTG wahren auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn.

187

Erheben und Verarbeiten von personenbezogenen Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen in der vorgesehenen Form führen allerdings zu einem Eingriff von Gewicht.

188

Die nach § 16a Abs. 3 und § 16b Abs. 1a GenTG mitzuteilenden Daten werden im Standortregister verknüpft, so dass neue, über die Einzelangabe hinausgehende Informationen entstehen. Die Datenerhebung erlangt zusätzliches Gewicht dadurch, dass sie nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG bußgeldbewehrt ist. Auch stellt die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß § 16a Abs. 4, § 16b Abs. 1a Satz 2 GenTG durch automatisierten Abruf über das Internet eine besonders weitgehende Form des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 2008 - 1 BvR 3255/07 -, NJW 2008, S. 1435 <1436>). Die Daten können nach ihrem Abruf beliebig weiter verarbeitet, verknüpft und zu einer Vielzahl von Zwecken - auch für die Planung von Straftaten zum Nachteil eines Bewirtschafters oder Nachbarn - verwendet werden.

189

Das Gewicht des Eingriffs wird jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten gemildert.

190

Den Anlass für den Grundrechtseingriff geben die Betroffenen selbst mit einem Verhalten, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Rechtsgüter Dritter haben kann und daher das Bedürfnis nach staatlicher Überwachung und ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit begründet. Auch ist der mit der Datenerhebung verbundene Aufwand verhältnismäßig gering. Soweit nach § 38 Abs. 1 Nr. 9 GenTG eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, wenn eine Mitteilung nach § 16a Abs. 3 Satz 1 oder 3 GenTG nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gemacht wird, ist ein ordnungsgemäßes Verhalten für den Bewirtschafter mit keinen besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die gemäß § 16a Abs. 3 GenTG mitzuteilenden Angaben betreffen ausschließlich den Bewirtschafter und seine berufliche Tätigkeit und können von ihm auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Das in der Bekanntgabe über das Internet liegende Gewicht wird schließlich dadurch relativiert, dass die Empfänger den Personenbezug erst durch Zusatzwissen oder eine aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers erteilte Auskunft herstellen können. Für die überwiegende Zahl der weltweit in Betracht kommenden Informationsempfänger bleiben die Bezugspersonen anonym. Diese Empfänger werden regelmäßig auch kein Interesse daran haben, den konkreten Anbau einer bestimmten Person zuzuordnen.

191

Angesichts der legitimen Gemeinwohlinteressen, denen das Standortregister dient, ist der Eingriff daher nicht unangemessen. Mit der Aufteilung des Registers in einen allgemein zugänglichen und einen nicht allgemein zugänglichen Teil hat der Gesetzgeber einen tragfähigen und aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandenden Kompromiss zwischen dem Informationsinteresse des Staates und der Öffentlichkeit einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse der Bezugspersonen andererseits gefunden.

192

Der gesetzlichen Regelung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass durch die Einrichtung des Standortregisters die Wahrscheinlichkeit mutwilliger Zerstörungen von Anbaukulturen erhöht werde. Bereits vor der Einführung des Standortregisters kam es wiederholt zu Behinderungen von Freisetzungen und Anbau von gentechnisch veränderten Organismen, denen mit dem Einsatz des Polizei- und Strafrechts zu begegnen war. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber sein Konzept eines verträglichen Nebeneinanders der unterschiedlichen Produktionsweisen und einer gesellschaftlichen Befriedung umgesetzt und fortentwickelt. Bestandteil des Konzeptes ist - unbeschadet der ohnehin bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - die transparente Information der Öffentlichkeit über den Einsatz von Gentechnik auf der einen Seite und der Schutz der Nutzer von Gentechnik vor den von dieser Öffentlichkeit ausgehenden Gefahren durch einen nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters und mit den Mitteln des Polizei- und Strafrechts auf der anderen Seite. Der Staat ist, wie auch in anderen Fällen einer Behinderung der Eigentums-, Berufs- oder Forschungsfreiheit durch Dritte verpflichtet, die ungehinderte Betätigung der Grundrechte im Einzelfall zu fördern und zu schützen. Bisher ist nicht erkennbar, dass durch das Standortregister eine Situation so hoher Gefährdung für Bewirtschafter entstanden wäre, dass der Gesetzgeber evident zur Schaffung weitergehender Schutzmechanismen gegen rechtswidrige und strafbare Feldzerstörungen verpflichtet wäre.

193

Auch die Bestimmungen über den nicht allgemein zugänglichen Teil des Standortregisters in § 16a Abs. 5 GenTG schränken das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht unangemessen ein. Gemäß § 16a Abs. 5 GenTG darf eine Auskunft aus dem nicht allgemein zugänglichen Teil des Registers nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Auskunft hat. Den Rechtsanwender trifft damit die Pflicht zur Abwägung, durch die eine einzelfallbezogene Beurteilung erreicht werden kann.

194

(3) Der Grundrechtsschutz ist schließlich auch durch eine angemessene Verfahrensgestaltung abgesichert.

195

Die Verwendung personenbezogener Daten muss auf den gesetzlich bestimmten Zweck begrenzt sein (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Auch sind Aufklärungs-, Auskunfts- und Löschungspflichten von Bedeutung (vgl. BVerfGE 65, 1 <46>). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt.

196

Die Information der Betroffenen vor der Datenerhebung darüber, welche Daten über das Internet abgerufen werden können und unter welchen Voraussetzungen Auskünfte über die mitgeteilten persönlichen Daten erteilt werden können, ist durch die insoweit klare Gesetzeslage sichergestellt. Dass hierbei bestimmte Daten zur Herstellung von Transparenz der allgemeinen Öffentlichkeit auch ohne weitere Zweckbindung zugänglich gemacht werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

197

Eine Information des gemäß § 16b Abs. 1a GenTG betroffenen Nachbarn über die Mitteilung an das Standortregister kann im Rahmen der Aufklärung über die Rechtsfolgen der schriftlichen Vereinbarung oder der Nichterteilung von Auskünften gemäß § 16b Abs. 1 Satz 3 GenTG erfolgen. Jedenfalls ist der Nachbar ausreichend dadurch geschützt, dass die Erhebung, Speicherung und Übermittlung der Daten in § 16b Abs. 1a GenTG durch Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Dementsprechend besteht gemäß § 19a Abs. 2 Nr. 3 BDSG keine Pflicht zur Benachrichtigung eines Betroffenen, ohne dessen Kenntnis die Daten aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung erhoben wurden.

198

Eine Benachrichtigung des Betroffenen über den Abruf von Daten aus dem allgemein zugänglichen Teil des Registers erübrigt sich, weil der Betroffene bereits bei der Datenerhebung weiß, welche Daten veröffentlicht werden und sich entsprechend darauf einstellen kann. Im Übrigen sind weitreichende Auskunftspflichten über erhobene und weitergegebene Daten in § 19 BDSG vorgesehen, der gemäß § 16a Abs. 7 GenTG für juristische Personen entsprechend gilt. Gegen § 19 BDSG bestehen insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. auch BVerfGE 120, 351 <365>).

199

Der auf ein bestimmtes Vorhaben bezogene und begrenzte Zweck der Erhebung und Verarbeitung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen gebietet ferner die Löschung aller nicht oder nicht mehr zur Zweckerreichung erforderlichen Daten (vgl. BVerfGE 113, 29 <58>). Dem ist vorliegend durch die gesetzlich angeordnete Löschung der Daten 15 Jahre nach ihrer erstmaligen Speicherung gemäß § 16a Abs. 6 Satz 2, § 16b Abs. 1a Satz 3 GenTG genügt.

200

b) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

201

aa) Die Verpflichtung zur Mitteilung von Angaben über den Anbau an das Standortregister nach Maßgabe von § 16a Abs. 3 GenTG verletzt die von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

202

Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährleistet grundsätzlich auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (vgl. BVerfGE 115, 205 <229>). Werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durch den Staat offengelegt oder verlangt dieser deren Offenlegung, ist Art. 12 Abs. 1 GG in seinem Schutzbereich berührt. Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden dabei alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

203

Nach dieser Maßgabe handelt es sich bei den gemäß § 16a Abs. 3 GenTG zu erhebenden Daten über den gentechnisch veränderten Organismus und seinen Standort weder um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse noch erscheint die Erhebung und Verarbeitung dieser Daten geeignet, empfindliche Wettbewerbsnachteile nach sich zu ziehen. Da der Anbau im öffentlichen Raum stattfindet, ist seine Wahrnehmung und Kenntnis von vornherein nicht auf einen begrenzten Kreis von Personen beschränkt, der einem landwirtschaftlichen Betrieb oder Unternehmen zugerechnet werden könnte. Der gentechnisch veränderte Organismus, seine gentechnisch veränderten Eigenschaften und der spezifische Erkennungsmarker sind, ohne dass es auf das Standortregister ankommt, im Internet veröffentlicht. Zudem muss der Geheimhaltungswille berechtigten wirtschaftlichen Interessen entspringen, so dass es unerheblich ist, ob ein Unternehmen ein negatives Image, das mit dem Einsatz von Gentechnik verbunden sein mag, abwenden will.

204

bb) Die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben an die registerführende Behörde zu übermitteln, stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die aber durch die dargestellten Gemeinwohlbelange von überragendem Gewicht gerechtfertigt ist.

205

Im Übrigen bietet das Grundrecht der Berufsfreiheit grundsätzlich keinen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hinausgehenden Schutz vor staatlichen informationellen Maßnahmen (vgl. BVerfGE 118, 168 <205>).

206

c) Eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Gefahr von Eigentumsverletzungen durch Gentechnikgegner kommt aus den gleichen Gründen nicht in Betracht.

207

d) Die an den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen anknüpfenden Regelungen in § 16a Abs. 1, 3, 4 und 5 GenTG und § 16b Abs. 1a GenTG sind mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar.

208

Erfolgt der Anbau zu wissenschaftlichen Zwecken, so betrifft die Pflicht der Bewirtschafter, binnen bestimmter Fristen Angaben über den Anbau an die registerführende Behörde zu übermitteln, auch die Bedingungen für die Durchführung des Forschungsprojektes und berührt damit den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die darin liegende Einschränkung weist jedoch in Bezug auf die Forschungsfreiheit kein hohes Gewicht auf und ist durch den Schutz der dargestellten kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt.

209

e) Aus denselben Erwägungen sind die in § 16a Abs. 1, 4 und 5 GenTG enthaltenen Bestimmungen über die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch den Betreiber nach Maßgabe von § 16a Abs. 2 GenTG mitzuteilenden Angaben über Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie mit Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar. Aus den dargestellten Gründen bestehen auch gegen § 16a Abs. 2 GenTG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

210

4. § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Auch eine Verletzung von Art. 5 Abs. 3 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG kann nicht festgestellt werden.

211

a) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG in ihrer zuletzt durch Art. 1 GenTÄndG 2008 geänderten Fassung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

212

aa) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG greifen in die Berufsfreiheit ein. Der Gesetzgeber regelt mit diesen Bestimmungen den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. § 16b Abs. 4 und § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG in der Alternative des Inverkehrbringens knüpfen insoweit unmittelbar an die Betätigung zu Erwerbszwecken an; die weiteren angegriffenen Bestimmungen weisen jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz auf. Denn sie betreffen typischerweise den erwerbswirtschaftlichen oder gewerbsmäßigen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen Produkten und verstehen sich in erster Linie als rechtliche Rahmenbedingungen für die Berufsausübung. Die Pflicht, Vorsorge gegen wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange zu treffen, geht dabei über die Abwehr konkreter Gefahren hinaus und verlagert die Eingriffsbefugnisse der Behörde im Vergleich zur polizeirechtlichen Gefahrenabwehr zeitlich und sachlich nach vorn.

213

bb) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

214

(1) Die Regelungen sind hinreichend bestimmt.

215

In § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG definiert der Gesetzgeber den Inhalt und das Ziel der Vorsorgepflicht dahingehend, dass bestimmte Rechtsgüter und Belange "nicht wesentlich beeinträchtigt" werden dürfen. Wann eine Beeinträchtigung wesentlich ist, kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln bestimmt werden. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollen europäische Schwellenwerte zur Kennzeichnungspflicht Orientierung bieten und der Begriff durch die in § 36a Abs. 1 GenTG vorgegebenen Interpretationsregeln näher festgelegt werden (BTDrucks 15/3088, S. 27). § 36a Abs. 1 GenTG knüpft an den Begriff der wesentlichen Beeinträchtigung in § 906 BGB an. Interpretationsgrundsätze, die sich in diesem Regelungszusammenhang herausgebildet haben, können daher auch bei der Auslegung von § 36a Abs. 1 GenTG herangezogen werden.

216

§ 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist nicht wegen eines Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot zu beanstanden. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ausgesprochene Rechtsfolge sind für die Betroffenen in zumutbarer Weise zu erkennen. Sie lassen sich jedenfalls im Wege der Auslegung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln feststellen. Die Möglichkeiten einer weitergehenden Regelung sind zudem nach der Eigenart des geregelten Lebenssachverhalts begrenzt. Ob und inwieweit die Vorsorgepflicht im Einzelfall abdingbar ist, kann letztlich nur für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse vor Ort geklärt werden. Die sich aus einer Anwendung von § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ergebenden haftungsrechtlichen Fragen hat der Gesetzgeber in § 16b GenTG nicht geregelt. Insoweit konnte er es bei der allgemeinen vertraglichen und außervertraglichen Haftung und den hierzu - auch im Zusammenhang mit einem vertraglichen Verzicht auf eine günstige Rechtsposition - entwickelten Grundsätzen belassen. Insgesamt begegnet § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. in Bezug auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitserfordernis keinen durchgreifenden Bedenken.

217

Auch § 16b Abs. 2 und 3 GenTG sind hinreichend bestimmt gefasst. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in § 16b Abs. 3 GenTG nicht erschöpfend geregelt hat ("insbesondere"). Der Gesetzgeber durfte mit der offenen Fassung dieser Grundsätze der Vielgestaltigkeit des geregelten Lebenssachverhalts Rechnung tragen. Der Begriff der guten fachlichen Praxis ist einerseits offen genug für neue Entwicklungen und andererseits geeignet, einen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen die Landwirte handeln können und müssen. Was im Einzelfall zur guten fachlichen Praxis gehört, lässt sich im Wege der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere auch in Anlehnung an die hinter den Regelbeispielen liegenden Wertungen, mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend bestimmen. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 16b Abs. 6 GenTG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung vorgesehen, die die Grundsätze der guten fachlichen Praxis weiter konkretisieren kann.

218

Schließlich sind die in § 16b Abs. 4 GenTG an die Eignung von Person und Ausstattung gestellten Anforderungen ausreichend bezeichnet. Bei der Umschreibung dieser Anforderungen bedient sich der Gesetzgeber unbestimmter Rechtsbegriffe wie "Zuverlässigkeit" und "Kenntnisse", die seit jeher in wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Gesetzen verwendet werden (z. B. § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung und § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gaststättengesetz). Diese Begriffe sind in einer langen Tradition von Gesetzgebung, Verwaltungshandeln und Rechtsprechung so ausgefüllt worden, dass an ihrer rechtsstaatlichen Bestimmtheit nicht zu zweifeln ist, mögen sie auch für jeden neuen Sachbereich neue Konkretisierungen erfordern (vgl. BVerfGE 49, 89 <134>). Ebenso sind die in § 16b Abs. 4 GenTG verwandten Begriffe "Fertigkeiten" und "Ausstattung" mit den herkömmlichen Auslegungsmethoden hinreichend zu präzisieren. Wozu die Eignung von Person und Ausstattung dienen soll, ist mit dem Verweis auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht gemäß § 16b Abs. 1 GenTG hinreichend geregelt.

219

(2) Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist verhältnismäßig.

220

(a) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis in § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind als Regelungen der Berufsausübung statthaft, weil sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls legitimiert werden, zur Erreichung der Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich sind und den Betroffenen nicht unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 30, 292 <316>; 36, 47 <59>; 61, 291 <312>; 68, 272 <282>; 103, 1 <10>; stRspr). Auch die Sachkundeanforderungen des § 16b Abs. 4 GenTG sind Berufsausübungsregelungen.

221

(b) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung dienen legitimen Gemeinwohlzielen.

222

Mit der Vorsorgepflicht soll ein verantwortungsvoller Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und dadurch einer wesentlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG durch Einträge dieser Organismen vorgebeugt werden (§ 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG). Diesem Ziel dienen auch die Grundsätze der guten fachlichen Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung, welche jeweils auf die Erfüllung der Vorsorgepflicht bezogen sind (§ 16b Abs. 2, 3 und 4 GenTG). Mit der Vorsorgepflicht trägt der Gesetzgeber der - auch bezogen auf den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen bestehenden - Erkenntnis- und Prognoseunsicherheit Rechnung, die aus dem jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik und dort bestehenden Ungewissheiten resultiert. Die Ausbreitung solcher Organismen soll durch die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis von vornherein möglichst vermieden oder, wenn unvermeidbar, auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Die Anforderungen an die Person und Ausstattung (§ 16b Abs. 4 GenTG) sollen sicherstellen, dass der Anwender hierzu fähig und willens ist und damit die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit gewährleisten (BTDrucks 15/3088, S. 27).

223

§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG dienen damit dem Zweck, Vorsorge gegen schädliche Auswirkungen gentechnischer Verfahren und Produkte für das Leben und die Gesundheit von Menschen, die Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge, Tiere, Pflanzen und Sachgüter zu treffen (§ 1 Nr. 1 GenTG). Die Vorschriften konkretisieren zudem die Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) und dienen insoweit insbesondere dem Schutz der Berufs- und Eigentumsfreiheit potentieller Betroffener und dem Ziel, durch die Gewährleistung eines verträglichen Nebeneinanders der landwirtschaftlichen Produktionsformen die Wahlfreiheit für Produzenten und Verbraucher zu wahren, Rechts- und Planungssicherheit zu schaffen und eine gesellschaftliche Befriedung zu erreichen (BTDrucks 15/3088, S. 19 und 27). Schließlich verfolgt der Gesetzgeber auch das Ziel, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG).

224

(c) Die Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind geeignet, diese Zwecke zu erreichen.

225

Soweit der Gesetzgeber das in § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG a.F. geregelte Verbot koexistenzgefährdender Handlungen durch das Gentechnikänderungsgesetz 2008 gestrichen und zugunsten der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen durch eine Ausnahme von der Vorsorgepflicht ersetzt hat, bewegt sich die Änderung innerhalb des ihm zukommenden Einschätzungs- und Prognosevorrangs. Sie führt nicht zu einer fehlenden Eignung der Regelung wegen einer nicht hinreichend konsequenten Verfolgung des Vorsorgeziels.

226

(d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie die Eignung von Person und Ausstattung sind erforderlich, um die Gesetzeszwecke zu erreichen. Unter Berücksichtigung des dem Gesetzgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit zukommenden Beurteilungs- und Prognosespielraums (vgl. BVerfGE 102, 197 <218>; 115, 276 <309>; 116, 202 <225>) ist kein gleich wirksames, aber die Betroffenen weniger belastendes Mittel erkennbar, um den angestrebten verantwortungsvollen Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zu erreichen.

227

Die Erforderlichkeit der Regelungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis kann insbesondere nicht mit dem Argument verneint werden, dass der Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter bereits durch das Bewertungs- und Genehmigungsverfahren im Rahmen der Inverkehrbringensgenehmigung sichergestellt werde. Zwar ist die Erteilung der Genehmigung für ein Inverkehrbringen grundsätzlich mit der Einschätzung verbunden, dass unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 GenTG bezeichneten Rechtsgüter wie die menschliche Gesundheit und die Umwelt nicht zu erwarten sind (§ 16 Abs. 2 Satz 1 GenTG). Es handelt sich jedoch um eine Prognoseentscheidung, welche das Auftreten von nicht vorhergesehenen schädlichen Auswirkungen etwa auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt nicht ausschließen kann. Der Zweck der auf die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 GenTG bezogenen Vorsorgepflicht liegt gerade darin, ergänzend zu den Genehmigungsbedingungen für ein Inverkehrbringen einen verantwortungsvollen Umgang mit den zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und damit einen möglichst umfassenden und lückenlosen Rechtsgüterschutz nach der Marktfreigabe zu gewährleisten.

228

(e) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Anforderungen an die Eignung von Person und Ausstattung sind auch im engeren Sinn verhältnismäßig.

229

Die in § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG normierten öffentlichrechtlichen Verpflichtungen enthalten strenge Vorgaben für die Berufsausübung unter Einsatz von zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen und greifen daher mit nicht unerheblichem Gewicht in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein.

230

Die hiermit verbundene Belastung wird schon dadurch begrenzt, dass das Gesetz zugunsten des Einsatzes der "grünen" Gentechnik eine Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen hinnimmt, die nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG führt. Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die nach § 16b Abs. 1 Satz 2 bis 4 GenTG n.F. bestehende Möglichkeit gemildert, im Einzelfall aufgrund schriftlicher Zustimmung oder Schweigen des Nachbarn ausschließlich zum Schutz der wirtschaftlichen Koexistenz des anderen (§ 1 Nr. 2 GenTG) bestehende Vorgaben nicht zu beachten. Zudem gehören die in § 16b Abs. 3 GenTG normierten Verhaltensanforderungen nur zur guten fachlichen Praxis, "soweit dies zur Erfüllung der Vorsorgepflicht nach Absatz 1 erforderlich ist". Sie enthalten - derzeit ergänzt und konkretisiert durch die Verordnung über die gute fachliche Praxis bei der Erzeugung gentechnisch veränderter Pflanzen (Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung - GenTPflEV - vom 7. April 2008, BGBl I S. 655), die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) - normative Vorgaben, auf die sich ein Verwender von gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie ein möglicher Betroffener einstellen kann. Damit hat sich die Rechts- und Planungssicherheit auch für die Anwender verbessert.Ferner können die zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Betriebsführungsmaßnahmen auf bereits bestehenden Trennungspraktiken oder -verfahren und bisherigen Erfahrungen mit der Behandlung identitätsgeschützter Pflanzensorten und den Saatguterzeugungspraktiken aufbauen. Schließlich besteht die Möglichkeit, mit Nachbarbetrieben zusammenzuarbeiten. Management und Erzeugung können koordiniert und zum Beispiel Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten verwendet, unterschiedliche Aussaatzeiten vereinbart oder Fruchtfolgen aufeinander abgestimmt werden. Bereits auf diesem Weg können die Kosten für die Trennung von gentechnisch veränderten und nicht veränderten Kulturen erheblich gesenkt, das Risiko von Auskreuzungen in benachbarte Kulturen minimiert, die Einhaltung der Kennzeichnungsschwellenwerte für Lebensmittel und Futtermittel ermöglicht und letztlich auch Haftungsfälle von vornherein vermieden werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 27 unter Verweis auf die Empfehlung der Kommission vom 23. Juli 2003 mit Leitlinien für die Erarbeitung einzelstaatlicher Strategien und geeigneter Verfahren für die Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer Kulturen - 2003/556/EG -, ABl EU 2003 Nr. L 189, S. 36).

231

Demgegenüber überwiegen die legitimen Gemeinwohlziele, die den Gesetzgeber zur Normierung der Vorsorgepflicht, der guten fachlichen Praxis und der Eignung von Person und Ausstattung veranlasst haben. Sie könnten, unbeschadet der Einordnung von § 16b Abs. 4 GenTG als Berufsausübungsregelung, sogar eine Regelung der Berufswahl rechtfertigen. Der Schutz von Menschen, Tieren, Pflanzen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge sind verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 20a GG verankert. Die flankierenden, oben dargestellten Regelungsziele dienen ebenfalls wichtigen Belangen des Gemeinwohls und sind wie beispielsweise der Verbraucherschutz auch im Unionsrecht anerkannt.

232

Bei der Verwirklichung dieser Ziele muss dem Gesetzgeber gerade vor dem Hintergrund der breiten gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatte um den Einsatz von Gentechnik und seine angemessene staatliche Regulierung ein großzügiger Entscheidungsspielraum zugestanden werden.

233

Setzt man diese betroffenen, verfassungsrechtlich geschützten Rechte und Interessen zueinander ins Verhältnis und bezieht die weiteren flankierenden Regelungsziele in die Abwägung ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung nicht zu beanstanden.

234

Weder beeinträchtigen die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung die am Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen Beteiligten unzumutbar (§ 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG) noch stehen die Anforderungen an Person und Ausstattung außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit (§ 16b Abs. 4 GenTG).

235

Der Gesetzgeber hat den Behörden und Fachgerichten auch genügend Spielraum belassen, um eine verhältnismäßige Anwendung von § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG im Einzelfall sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, was im Einzelfall zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis gehört. Die allgemein gehaltenen Vorgaben zur Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis lassen es zu, die tatsächlichen Rahmenbedingungen des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Einzelfall, insbesondere an den konkreten Anbaustandorten, angemessen zu berücksichtigen und den Inhalt der Pflichten auf das Maß zu beschränken, welches jeweils zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen der Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG erforderlich ist.

236

Der den Rechtsanwendern belassene Spielraum wahrt dabei die Grenzen der Zumutbarkeit. Die erforderlichen Standards sind sukzessive durch administrative und gerichtliche Vorgaben unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auszuformen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Einsatz von Gentechnik grundsätzlich zugelassen ist und nach dem Willen des Gesetzgebers möglich bleiben soll. § 16b GenTG verlangt keine Vorkehrungen, die mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschließen sollen und damit faktisch auf ein Verbot des Umgangs mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen hinauslaufen können. Die Ausbreitung dieser Organismen soll vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden (BTDrucks 15/3088, S. 26 f.). Anforderungen dürfen daher nach der Gesetzeslage nur so weit gehen, wie sie nach den Gegebenheiten des Einzelfalls erforderlich und zumutbar sind. Innerhalb dieses Rahmens geben derzeit die Gentechnik-Pflanzenerzeugungsverordnung, die Empfehlungen der Europäischen Union für Koexistenzmaßnahmen (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU Nr. C 200, S. 1) und die in der mitzuliefernden Produktinformation vorgegebenen Anwendungsbestimmungen (§ 16b Abs. 5 GenTG) den Beteiligten weitere Maßstäbe für die Konkretisierung der angegriffenen Bestimmungen an die Hand. Verbleibende Unsicherheiten führen nicht zu einer unzumutbaren Belastung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen.

237

Die mit § 16b Abs. 4 GenTG verbundenen Beschränkungen sind aus der Sache heraus legitimiert. Sie beruhen darauf, dass es besonderer theoretischer und praktischer Kenntnisse und einer entsprechenden Betriebsorganisation bedarf, um Einträge in andere Kulturen zu vermeiden oder so weit wie möglich zu reduzieren, und dass die Ausübung des jeweiligen Berufes ohne solche Voraussetzungen unsachgemäß wäre und Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG mit sich bringen würde.

238

b) § 16b Abs. 1, 2 und 3 GenTG sind auch mit der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) vereinbar.

239

aa) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sind an der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit zu messen, soweit sie nicht ausschließlich für den Umgang zu erwerbswirtschaftlichen, gewerbsmäßigen oder vergleichbaren Zwecken gelten. Der Schutzbereich ist insoweit jedenfalls für die experimentelle Forschung an Universitäten eröffnet.

240

bb) Die Vorgaben der Vorsorgepflicht und guten fachlichen Praxis für den Umgang mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen greifen in die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit ein, die Fragestellung und Methodik einschließlich der praktischen Durchführung eines Forschungsprojektes frei zu bestimmen.

241

cc) Die legitimen Gemeinwohlbelange, die den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, die Berufs- und Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG) sind wichtige Werte von Verfassungsrang, die aus den schon genannten Gründen auch einen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

242

c) § 16b Abs. 1, 2, 3 und 4 GenTG verletzen nicht Art. 2 Abs. 1 GG.

243

Art. 2 Abs. 1 GG kommt als Prüfungsmaßstab für die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von ausländischen Personen und die Verpflichtung von Privatpersonen, die nicht erwerbswirtschaftlich mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, in Betracht, die nicht unter den Schutz der Berufsfreiheit fallen (Art. 12 Abs. 1 GG). Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit ist jedoch aus den zu Art. 12 Abs. 1 GG genannten Gründen gerechtfertigt (oben C II 4 a bb).

244

Soweit § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. an das Schweigen Rechtsfolgen anknüpft, ist hiermit keine unzumutbare Belastung für den Nachbarn verbunden. Selbst wenn man die Regelung als Fall einer fingierten Willenserklärung und Eingriff in die Privatautonomie ansieht, ist sie jedenfalls gerechtfertigt.

245

Die Anknüpfung von Rechtswirkungen an das Schweigen gemäß § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. beseitigt Ungewissheiten über die Zustimmung zu einer bestimmten Anbauplanung und verbessert damit die Planungs- und Rechtssicherheit bei den nach § 3 GenTPflEV mitteilungspflichtigen und nach § 16b Abs. 1 Satz 4 GenTG anzeigepflichtigen Grundstücksnutzungen. Damit verbunden ist das Anliegen des Gesetzgebers, die Abstimmung der Anbauplanung als Mittel zur Sicherung der Koexistenz zu fördern und gleichzeitig den Verwender von Gentechnik zugunsten geschützter Interessen nicht mehr als nötig zu belasten. § 16b Abs. 1 Satz 2 GenTG n.F. ist zur Erreichung dieser legitimen Zielsetzung geeignet und erforderlich.

246

Auch die Angemessenheit ist gewahrt. Der Gesetzgeber wertet typisierend diejenigen Personen, denen der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen mitzuteilen ist, als schutzbedürftig. Wer konventionell oder ökologisch wirtschaftet, soll darauf vertrauen dürfen, dass möglicherweise beeinträchtigender Anbau mitgeteilt und abgestimmt wird. Andererseits verlangt der Gesetzgeber von den so Geschützten, sich auf konkrete Anfrage des Verwenders von gentechnisch veränderten Organismen innerhalb einer Monatsfrist über ihr Schutzbedürfnis zu erklären. Andernfalls wird unterstellt, dass kein Schutzbedarf besteht, so dass der Verwender den geplanten Anbau umsetzen kann. Er wird damit auch von der Unsicherheit der Prüfung entlastet, ob in dem Schweigen ein konkludenter Verzicht liegt. Dieser Ausgleich der möglicherweise gegenläufigen Interessen bewegt sich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

247

d) Die angegriffenen Bestimmungen über die Vorsorgepflicht, die gute fachliche Praxis und die Eignung von Person und Ausstattung verletzen auch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.

248

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von Gentechnik im Vergleich zu konventionell oder ökologisch wirtschaftenden Landwirten folgt aus den besonderen Eigenschaften der Produkte, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung legitime Gemeinwohlziele, die so gewichtig sind, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch die Ungleichbehandlung rechtfertigen.

249

Soweit § 16b GenTG zwischen denjenigen, die erwerbswirtschaftlich oder vergleichbar mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen und anderen Verwendern von Gentechnik differenziert, beruht dies zum einen darauf, dass gentechnisch veränderte Organismen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken regelmäßig in größerem Umfang als zu anderen Zwecken eingesetzt werden und die Schutzgüter damit in größerem Ausmaß gefährdet sind. Zum anderen stehen den zusätzlichen Anforderungen im Rahmen des erwerbswirtschaftlichen Umgangs typischerweise auch größere Vorteile aus der Nutzung der Gentechnologie gegenüber. Diese Umstände rechtfertigen die Ungleichbehandlung.

250

Die Ungleichbehandlung der zur Vorsorge verpflichteten Verwender von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen im Vergleich zu denjenigen, die solche Organismen zu Versuchszwecken freisetzen, knüpft schließlich daran an, dass in der Freisetzungsgenehmigung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall und auf den jeweiligen Versuch und Standort angepasst vorgegeben werden können (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG). Eine angemessene Berücksichtigung konkreter Anbaubedingungen ist hingegen in der Genehmigung zum Inverkehrbringen regelmäßig nicht möglich, da diese für eine Vielzahl von Anbaustandorten und allgemeingültig für jeden Mitgliedstaat erteilt wird. Dieser Umstand rechtfertigt die Differenzierung.

251

5. § 36a GenTG ist mit Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

252

a) Nach der nachbarrechtlichen Konzeption des § 36a GenTG sind Haftungsadressaten die Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks, soweit sie die beeinträchtigende Nutzungsart bestimmen und, wenn die Störung von einer Anlage ausgeht, diejenigen, welche die Anlage halten und von deren Willen die Beseitigung abhängt (vgl. BGHZ 155, 99 <102>).

253

Von § 36a GenTG betroffen sind daher in erster Linie die Verwender von gentechnisch veränderten Organismen in Forschung, Land-, Forst- und Gartenwirtschaft. Zum Kreis der Haftenden gehören ferner juristische Personen des öffentlichen Rechts wie beispielsweise Universitäten jedenfalls dann, wenn sich die Nutzung des emittierenden Grundstücks nicht als schlicht hoheitliches, sondern privatrechtliches Handeln darstellt und sie daher der zivilrechtlichen Haftung unterliegen. Die Frage, ob sie auch bei schlicht-hoheitlichem Handeln zu den Adressaten des § 36a GenTG zählen, bedarf keiner abschließenden Klärung. Wie die bisherige Rechtsprechungspraxis zeigt, ist die Haftung staatlicher Forschungseinrichtungen nach privatem Nachbarrecht nicht ausgeschlossen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 24. August 1999 - 14 U 57/97 -, ZUR 2000, S. 29). Insofern ist die Frage einer Verletzung der Wissenschaftsfreiheit insbesondere von Universitäten in die Prüfung einzubeziehen.

254

b) § 36a GenTG ist mit Art. 14 GG vereinbar.

255

aa) Die Vorschrift regelt in Verbindung mit §§ 906, 1004 BGB, die zu den Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehören (vgl. BVerfGE 72, 66 <75 f.>), die Rechtsbeziehungen zwischen Grundstücksnachbarn.

256

§ 36a GenTG ist keine eigenständige Haftungsregelung, sondern konkretisiert und ergänzt die bestehende verschuldensunabhängige Störerhaftung im privaten Nachbarrecht (§§ 1004, 906 BGB). § 36a GenTG stellt bei der Auslegung und Anwendung zentraler Begriffe der nachbarrechtlichen Bestimmungen durch Vorgabe zwingender Interpretationsregeln sicher, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch in den Fällen besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Benutzung eines fremden Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird (§ 36a Abs. 1 bis 3 GenTG). Ferner wird das private Nachbarrecht um eine Regelung ergänzt, die Schwierigkeiten beim Kausalitätsbeweis behebt (§ 36a Abs. 4 GenTG).

257

Diese neuen Haftungsregelungen knüpfen nicht nur dem Wortlaut nach in § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG an § 906 BGB und dessen Tatbestandsmerkmale an, sondern fügen sich auch in die Systematik der nachbarrechtlichen Störerhaftung ein. Wie bisher gilt, dass wesentliche Einwirkungen, die entweder nicht ortsüblich oder zwar ortsüblich, aber mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand zu verhindern sind, nicht hingenommen werden müssen. Derartige Beeinträchtigungen sind rechtswidrig. Hiergegen steht dem Betroffenen grundsätzlich ein auf Unterlassung oder Beseitigung gerichteter Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB zu. Hat ein Nachbar hingegen Einwirkungen zu dulden, so kann ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB oder analog dieser Vorschrift gegeben sein (nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). Unberührt bleiben der Anspruch auf Schutzvorkehrungen nach § 23 Satz 1 GenTG und der Anspruch auf finanziellen Ausgleich nach § 23 Satz 2 GenTG insbesondere bei Vorliegen einer nach Anhörung (§ 18 Abs. 2 GenTG) erteilten, unanfechtbaren Freisetzungsgenehmigung.

258

Eine § 36a Abs. 4 GenTG entsprechende Regelung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwar nicht. Die Vorschrift kann jedoch als Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer emittierender Eigentümer und zur Anwendung von § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 BGB und § 287 ZPO auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gesehen werden (vgl. BGHZ 66, 70 <77>; 85, 375 <386 f.>; 101, 106 <111 ff.>).

259

Dieses Verständnis wird durch die Gesetzesmaterialien unterstützt, nach denen durch § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG zentrale Elemente der nachbarrechtlichen Bestimmungen (§§ 906, 1004 BGB) konkretisiert und mit § 36a Abs. 4 GenTG eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 830 Abs. 1 Satz 2, § 840 Abs. 1 BGB normiert werden sollten (vgl. BTDrucks 15/3088 S. 31).

260

§ 36a GenTG stellt sich daher nach seinem Sinn und Zweck als Norm der nachbarrechtlichen Störerhaftung dar. Eine neuartige Haftung im System des privaten Nachbarrechts wird hierdurch nicht begründet. Auch die §§ 906, 1004 BGB regeln die Koexistenz von Nachbarn.

261

Der Anspruch auf angemessenen Ausgleich analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht zu einer Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 155, 99 <103 f.>). Denn im Gegensatz zur Gefährdungshaftung für eine gefährliche Einrichtung im Verhältnis zwischen Nachbarn geht es bei dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht um das Einstehen für Schäden, die allein auf das rechtmäßige Vorhandensein einer Anlage oder eine erlaubte Tätigkeit zurückzuführen sind, sondern um die Haftung für rechtswidrige, aber aus tatsächlichen Gründen zu duldende Störungen aus einer bestimmungsgemäßen Grundstücksnutzung. Der Ausgleich richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach den Grundsätzen über die Enteignungsentschädigung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380> m.w.N.). Diese Verpflichtung zur Ausgleichsleistung nach den Grundsätzen des Nachbarrechts ist mit einem Schadensersatzanspruch nicht notwendig deckungsgleich; es besteht vielmehr Raum für eine wertende Entscheidung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2003 - V ZR 37/02 -, NJW 2003, S. 2377 <2380>).

262

Konkurrierende konventionell oder ökologisch wirtschaftende Landwirte sind ebenso wie andere Emittenten auch der verschuldensunabhängigen Störerhaftung im Nachbarrecht unterworfen. Die Bezugnahme auf öffentlichrechtliche Grenzwerte (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB) ist der nachbarrechtlichen Störerhaftung ebenso wenig fremd wie die Ursachenvermutung zur Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises bei mehreren Verursachern (§ 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO). Dass die Risiken einer Grundstücksnutzung möglicherweise nicht angemessen kalkuliert und versichert werden können, schließt die nachbarrechtliche Störerhaftung nicht aus. Eine Freistellung der Verwender von gentechnisch veränderten Organismen von der verschuldensunabhängigen Haftung im Nachbarrecht würde im Ergebnis daher keine Benachteiligung beseitigen, sondern diese im Vergleich zu anderen Emittenten privilegieren.

263

bb) § 36a GenTG bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen wegen Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen Abwehransprüche aus § 1004 BGB und Ausgleichsansprüche nach oder analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegen Grundstückseigentümer oder Nutzer des emittierenden Grundstücks geltend gemacht werden können.

264

Wie die §§ 906, 1004 BGB legt die Norm in generell-abstrakter Weise Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer fest und ist damit Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift wahrt die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an eine solche Inhalts- und Schrankenbestimmung zu stellen sind.

265

(1) Die Vorschrift ist hinreichend bestimmt.

266

Die Bezugnahme auf Vorschriften über die Kennzeichnung von Erzeugnissen, die auch von einem anderen, namentlich dem europäischen Gesetzgeber erlassen und von ihm geändert werden können, ist nicht zu beanstanden.

267

Nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG stellen die Pflicht zur Kennzeichnung von Erzeugnissen als gentechnisch verändert (Nr. 2) oder der Verlust einer Kennzeichnungsmöglichkeit hinsichtlich einer bestimmten Produktionsweise (Nr. 3) als Folge eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Beeinträchtigung des Eigentums im Sinn von § 906 BGB dar. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG setzt also die Existenz von "Vorschriften" oder "Rechtsvorschriften" über die Kennzeichnung zwar voraus, um einen Sachverhalt zu definieren, der den Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB oder den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auslöst. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verweisung auf die jeweiligen Kennzeichnungsvorschriften. Diese werden weder zum Bestandteil von § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG noch ändern sich ihr Anwendungsbereich, Rang oder ihre Qualität. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine dem Anspruchssteller nachteilige Rechtslage beschrieben, deren Folgen dem Anspruchsschuldner als Verursacher zuzurechnen sind. Eine vergleichbare Regelungstechnik mit Hilfe einer Generalklausel enthält § 823 Abs. 2 BGB, der die Existenz von Schutzgesetzen voraussetzt.

268

Der Gesetzgeber hat auch im Übrigen alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Nach seinem Willen sollen der Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 in Verbindung mit § 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehen, wenn der Nutzungsberechtigte eines benachbarten Grundstücks wegen der Übertragung oder des sonstigen Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen mit einer gesetzlichen Pflicht zur Kennzeichnung belastet wird oder eine ihm vorteilhafte gesetzliche Möglichkeit der Kennzeichnung entfällt. Die Voraussetzungen für eine Kennzeichnung können sich zwar - etwa durch Absenkung oder Anhebung bestimmter Schwellenwerte - ändern. Die für die Haftung relevante Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine dem Störer zuzurechnende Rechtspflicht zur Kennzeichnung oder der ihm zuzurechnende Verlust der Möglichkeit einer Kennzeichnung die Benutzung des Nachbargrundstücks wesentlich beeinträchtigen, bleibt davon unberührt. Sie schließt auch eine Verschärfung der Haftung durch eine Absenkung von Kennzeichnungsschwellenwerten ein.

269

§ 36a Abs. 1 GenTG begegnet auch keinen Bedenken im Hinblick auf das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, soweit die Fallgruppen einer wesentlichen Beeinträchtigung nicht abschließend normiert wurden ("insbesondere").

270

§ 36a Abs. 1 GenTG definiert und konkretisiert den in § 906 BGB enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der "wesentlichen Beeinträchtigung" im Zusammenhang mit dem Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen. Soweit der Gesetzgeber die Fälle wesentlicher Beeinträchtigungen nicht abschließend beschrieben hat ("insbesondere"), trägt dies der Vielzahl denkbarer, möglicherweise derzeit nicht vollständig überschaubarer Fallgestaltungen Rechnung.

271

(2) Der Gesetzgeber hat auch die Interessen der Beteiligten und das Gemeinwohl in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht (vgl. BVerfGE 87, 114 <138>; 95, 48 <58>; 98, 17 <37>; 101, 239 <259>; 102, 1 <17>).

272

(a) Mit der Aufnahme des § 36a GenTG verfolgt der Gesetzgeber legitime Gemeinwohlziele.

273

Diese ergeben sich sowohl aus der Funktion der von § 36a GenTG ergänzten und konkretisierten nachbarrechtlichen Bestimmungen (insbesondere § 906 BGB) als auch aus den Zielen des Gentechnikgesetzes1 GenTG).

274

(aa) Wie § 906 BGB bezweckt § 36a GenTG den notwendigen Interessenausgleich von Grundstücksnachbarn bei bestimmten Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Auch diese Norm schützt die von Einwirkungen betroffenen Grundeigentümer in ihrer von Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit, den Eigentumsgegenstand nach eigenen Vorstellungen zu nutzen und über die Verwendung des Eigentumsobjekts frei zu entscheiden. Wie die §§ 1004, 906 BGB weist § 36a GenTG dem Störer die sachliche und finanzielle Verantwortung für die von seinem Grundstück ausgehenden (wesentlichen) Einwirkungen zu. Soweit er nach § 1004 BGB oder nach beziehungsweise analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Unterlassung, Beseitigung oder zum angemessenen Ausgleich verpflichtet ist, haftet er - und nicht unbeteiligte Dritte oder die Allgemeinheit - für die Kostenfolgen. Diese Zurechnung hat ihren Grund darin, dass der Störer die Beeinträchtigung veranlasst hat, dass er sie am besten und effektivsten beheben kann und dass ihm die Vorteile aus der störenden Grundstücksnutzung zugute kommen. Schließlich hat § 36a Abs. 4 GenTG wie § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ziel, eine Beweisschwierigkeit des Geschädigten zu überwinden. Dessen Ersatzanspruch soll nicht daran scheitern, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten, deren Handlung den Schaden beziehungsweise die Beeinträchtigung verursacht haben kann, der eigentliche Schädiger gewesen ist (vgl. BGHZ 55, 96 <98>; 101, 106 <111>). Dem Interesse des Eigentümers, Nutzers oder Anlagenbetreibers, zur Haftung nur insoweit herangezogen zu werden, als ihn eine (Mit)Verantwortung für die Beeinträchtigung treffen kann, wird dadurch Rechnung getragen, dass die ihm zuzurechnende Einwirkung nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls geeignet gewesen sein muss, die Beeinträchtigung zu verursachen (§ 36a Abs. 4 Satz 1 GenTG). Die Gesamtschuld folgt dabei dem für § 840 Abs. 1 BGB maßgeblichen Gesichtspunkt, dass der Geschädigte nicht mit dem Risiko belastet werden darf, dem er bei nur anteilsmäßiger Haftung mehrerer Schadensverursacher ausgesetzt wäre.

275

(bb) Mit dem Schutz der Nachbarn dient § 36a GenTG auch der Umsetzung des mit dem Gentechnikneuordnungsgesetz 2004 in den Gesetzeszweck aufgenommenen Koexistenzbelanges (§ 1 Nr. 2 GenTG) und des europäischen Koexistenzkonzeptes (Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG; vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Nach § 1 Nr. 2 GenTG ist Ziel des Gesetzes zu gewährleisten, dass Produkte, insbesondere Lebens- und Futtermittel sowohl konventionell oder ökologisch als auch unter Einsatz von Gentechnik erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können. Wie dargelegt, findet diese Zielsetzung ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.

276

Zur Verwirklichung dieses Zwecks soll mit § 36a GenTG sichergestellt werden, dass ein nachbarrechtlicher Abwehr- und Ausgleichsanspruch für Fälle besteht, in denen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen, insbesondere in Form ungewollter Auskreuzungen, die Nutzung einer fremden Sache wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 30). Während mit Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis der verantwortungsvolle Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen erreicht und wesentliche Beeinträchtigungen der in § 1 Nr. 1 und 2 GenTG genannten Rechtsgüter und Belange durch Einträge dieser Organismen von vornherein vermieden werden sollen, dient § 36a GenTG der Abwehr von (dennoch auftretenden) Eigentumsbeeinträchtigungen und dem Ausgleich damit verbundener Vermögensschäden bei benachbarten Produzenten (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 30). Die Wahlfreiheit der Produzenten soll gewahrt und das Eigentum an den jeweiligen Kulturen geschützt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19). Die Ausübung der einen Produktionsmethode soll nicht zu einer wirtschaftlichen Bedrohung der Personen führen, die eine andere Methode anwenden.

277

Mit der Gewährleistung der Koexistenz (§ 1 Nr. 2 GenTG) soll ferner die Wahlfreiheit für Verbraucher durch Bereitstellung einer breiten, transparent gekennzeichneten Produktpalette gewahrt, Rechts- und Planungssicherheit für alle Seiten sichergestellt und jenseits der Risikodiskussion ein gesellschaftliches Nebeneinander der unterschiedlichen Produktionsweisen sowie eine gesellschaftliche Befriedung erzielt werden (vgl. BTDrucks 15/3088, S. 19 und 21).

278

Schließlich wird mit § 36a GenTG das europäische Koexistenzkonzept auf nationaler Ebene umgesetzt. Dies verleiht den mit § 36a GenTG verfolgten Zwecken zusätzliches Gewicht. Insbesondere das Ziel, den Landwirten eine freie Entscheidung zwischen konventionellen oder ökologischen Anbaumethoden oder gentechnisch veränderten Kulturen unter Einhaltung der Regeln für Etikettierung und/oder Sortenreinheit zu ermöglichen, als auch das Ziel, den Verbrauchern die freie Wahl zwischen gentechnikfreien und mit Gentechnik hergestellten Produkten zu garantieren, sind zentrale Anliegen auch auf europäischer Ebene (vgl. Empfehlung der Kommission vom 13. Juli 2010 mit "Leitlinien für die Entwicklung nationaler Koexistenz-Maßnahmen zur Vermeidung des unbeabsichtigten Vorhandenseins von GVO in konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen", ABl EU 2010 Nr. C 200, S. 1). Soweit § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG das wegen eines Eintrags von gentechnisch veränderten Organismen ohne entsprechende Marktzulassung geltende Verbot des Inverkehrbringens als wesentliche Beeinträchtigung definiert, entspricht dies dem europarechtlich geltenden Anbau- und Vermarktungsverbot für gentechnisch veränderte Organismen, die als Produkte oder in Produkten nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (Art. 6 Abs. 9, Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2001/18/EG).

279

(cc) § 36a GenTG fördert außerdem die Ziele von § 1 Nr. 1 GenTG und damit den Schutz wichtiger Werte von Verfassungsrang wie des Lebens und der Gesundheit von Menschen, der Umwelt, aber auch der Eigentumsfreiheit möglicher Betroffener (Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 20a GG). § 36a GenTG kommt diesen Zielen nicht nur als präventives Instrument zur Durchsetzung von Vorsorgepflicht und guter fachlicher Praxis zugute. Auch die für den Nachbarn mit der Konkretisierung und Ergänzung der nachbarrechtlichen Vorschriften gewährleistete Möglichkeit, (bestimmte) Einträge abzuwehren, dient dem Schutz der in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Güter vor möglichen Gefahren der Gentechnik. Dies gilt insbesondere, soweit die Organismen noch nicht zum Inverkehrbringen zugelassen sind (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG).

280

(dd) § 36a GenTG setzt auch den Zweck um, den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung, Nutzung und Förderung der wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen (§ 1 Nr. 3 GenTG). Die Freisetzung und der Anbau gentechnisch veränderter Kulturen werden grundsätzlich akzeptiert. Nachbarn haben Beeinträchtigungen durch Einträge von gentechnisch veränderten Organismen im Regelfall zu dulden, soweit gesetzliche Toleranzwerte nicht überschritten oder die Methoden guter fachlicher Praxis gewahrt sind. Die haftungsrechtliche Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen mit dem herkömmlichen Anbau (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann den großräumigen Einsatz gentechnisch veränderter Kulturen fördern.

281

(b) Die Konkretisierung und Ergänzung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist angesichts des breiten Spielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gibt (vgl. BVerfGE 53, 257 <293>), zur Erreichung der mit dem Gesetz verfolgten Gemeinwohlziele geeignet und erforderlich.

282

Es ist auch kein ebenso geeignetes, aber weniger belastendes Mittel erkennbar, das der Gesetzgeber hätte wählen können. Lösungsansätze wie die Einführung eines Mediationsverfahrens und spezieller Anbaugebiete für gentechnisch veränderte Kulturen und für ökologische Erzeugnisse folgen einer anderen Konzeption für die Bewältigung der Koexistenzproblematik und sind nicht geeignet, die mit § 36a GenTG verfolgten Zwecke in ihrer Gesamtheit vergleichbar umzusetzen.

283

Die im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Möglichkeit eines freiwilligen Haftungsfonds der Wirtschaft wurde von der Saatgutindustrie abgelehnt (vgl. Deutscher Bundestag, Wortprotokoll der 61. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 26. November 2007 - Protokoll Nr. 16/61 -, S. 12 Frage Nr. 3). Die Einrichtung eines zumindest teilweise staatlich finanzierten Haftungsfonds stellt kein gleich geeignetes Mittel dar, um die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele zu verwirklichen. Ein Haftungsfonds dient anderen Zielen. Rechtlich würden die Verwender von Gentechnik von der sie als Störer treffenden Folgenverantwortung zumindest teilweise befreit und damit im Vergleich zu ihren Konkurrenten in der konventionellen und ökologischen Produktion besser gestellt. Volkswirtschaftlich entfiele für sie der Anreiz, neben privaten oder betriebswirtschaftlichen Kosten negative externe Effekte bei ihren Aktivitäten zu berücksichtigen. Schädigende Wirkungen der Grundstücksnutzung für Dritte würden über den staatlichen Haftungsfonds von der Allgemeinheit getragen und damit gentechnisch veränderte Produkte bezuschusst werden.

284

(c) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG stellt schließlich einen angemessenen und ausgewogenen Ausgleich der betroffenen Interessen dar.

285

(aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts durch § 36a GenTG gibt einerseits der Nutzung von Grundstücken für genehmigte Freisetzungen und genehmigten Anbau zum Inverkehrbringen strengere Rahmenbedingungen vor. Insbesondere bestehen, ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, nachbarrechtliche Ansprüche auch dann, wenn Einträge von gentechnisch veränderten Organismen mit den Methoden guter fachlicher Praxis nicht zu verhindern sind.

286

(bb) Auf der anderen Seite führt die Vorgabe zwingender Interpretationsregeln für zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Bestimmungen zu mehr Rechts- und Planungssicherheit auch für die Verwender von Gentechnik. Die Gerichte haben vor Einführung des § 36a GenTG die §§ 1004, 906 BGB auf Einträge von DNA durch Pollen, Samen oder auf sonstige Weise angewandt, wobei sich eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht herausbilden konnte. Durch bestehende Auslegungsspielräume war die Rechtslage nicht nur für mögliche Betroffene, sondern auch für die Verwender unklar und damit das Haftungsrisiko schwer zu kalkulieren. Diese Lage hat sich nunmehr verbessert. So knüpfen § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG das Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung an gemeinschaftsrechtlich wie auch im deutschen Recht festgelegte Grenzwerte, also an normative Standards an, die für den betroffenen Nutzungsberechtigten gelten und auf die sich ein Nachbar ebenso einstellen kann. Mit der haftungsrechtlichen Gleichstellung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und des herkömmlichen Anbaus (§ 36a Abs. 3 GenTG) kann der flächendeckende Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in bestimmten Gebieten ermöglicht und gefördert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Verwender von Gentechnik eine vergleichsweise strengere "Sonderhaftung" trifft und sie Einwirkungen der benachbarten Landwirtschaft schutzlos gegenüberstehen. Sie können wesentliche Beeinträchtigungen nach §§ 1004, 906 BGB, die von gentechnikfrei bewirtschafteten Nachbarfeldern ausgehen, ebenfalls abwehren oder, sofern sie zur Duldung verpflichtet sind, einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen. Die verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Störerhaftung gibt insoweit auch die Rahmenbedingungen für die Berufsausübung der konventionell oder ökologisch arbeitenden Landwirte vor. Hinsichtlich der in § 36a Abs. 4 GenTG geregelten Beweiserleichterung gelten nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vergleichbare Grundsätze nach den allgemeinen nachbarrechtlichen Vorschriften (vgl. BGHZ 101, 106 <108>).

287

Die haftenden Grundstückseigentümer und -nutzer haben eine etwaige Störung zudem veranlasst, von ihrem Willen hängt die Beseitigung der Störung ab und ihnen kommen die Vorteile aus der störenden Nutzung zu. Die Zustandsverantwortlichkeit des Grundstückseigentümers findet ihren Grund in der Sachherrschaft über das Eigentum und den damit verbundenen Vorteilen, aber auch Lasten. Wie dem Eigentümer nach geltendem Recht die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache im Übrigen selbst dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist (vgl. BVerfGE 102, 1 <19>).

288

(cc) Mit dem bezweckten Interessenausgleich zwischen Grundstücksnachbarn, der Sicherung der Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugungsformen sowie dem Schutz und der Vorsorge vor den Gefahren der Gentechnik werden insbesondere Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt als andernfalls gefährdete Güter von Verfassungsrang geschützt. Weitere wichtige, auch europarechtlich anerkannte Gemeinwohlbelange wie der Schutz der Verbraucher werden gestärkt. Stellt man diese Schutzgüter in die Abwägung der betroffenen Rechte und Interessen ein, so ist die vom Gesetzgeber vorgenommene Gewichtung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

289

c) § 36a GenTG greift in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG ein, ist jedoch auch insoweit verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

290

aa) Die wirtschaftliche Nutzung eines emittierenden Grundstücks zu Erwerbszwecken fällt in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG. Die von § 36a GenTG geregelten Sachverhalte betreffen zwar nicht ausschließlich, jedoch typischerweise ein von Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes berufsbezogenes Verhalten. § 36a GenTG gibt die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die individuelle Erwerbs- und Leistungstätigkeit unter Anwendung von gentechnisch veränderten Organismen vor und dient dem Gesetzgeber auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit diesen Organismen. Insoweit unterscheidet sich § 36a GenTG von § 906 BGB, der gleichermaßen berufsbezogene wie private Grundstücksnutzungen erfasst.

291

§ 36a GenTG ist daher neben Art. 14 Abs. 1 auch an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.

292

bb) § 36a GenTG enthält zwar keinen unmittelbaren Eingriff. Der Grundrechtsschutz ist aber nicht auf unmittelbare Eingriffe beschränkt. Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seine Schutzwirkung dabei auch gegenüber solchen Normen oder Akten, die sich zwar nicht unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen, jedoch eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfGE 95, 267 <302>; 97, 228 <254>; 111, 191 <213>; stRspr).

293

Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie berufliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen eines Haftungsfalls, die einzelne Verwender von Gentechnik erheblich treffen und von entscheidender Bedeutung für deren weitere berufliche Tätigkeit sein können. Darüber hinaus wird denjenigen, die ein Grundstück erwerbswirtschaftlich nutzen, ein Anreiz vermittelt, einen Haftungsfall durch Einhaltung der guten fachlichen Praxis (§ 16b GenTG) zu vermeiden und die anfallenden Kosten bei ihren Entscheidungen im Rahmen der Berufsausübung und der Marktteilhabe zu veranschlagen. Dies kann die Wahl der Mittel, des Umfangs und der gegenständlichen Ausgestaltung der Betätigung ebenso beeinflussen wie die Entscheidungen über Art, Qualität und Preis der für den Markt produzierten Güter. Die Ergänzung und Konkretisierung nachbarrechtlicher Vorschriften erfasst dabei typischerweise die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte erwerbswirtschaftliche Nutzung von Grundstücken und setzt die Rahmenbedingungen für die entsprechende Berufsausübung. Die Haftung dient dem Gesetzgeber nicht nur zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Grundstücksnachbarn, sondern auch als präventives Instrument zur Förderung der Entwicklung, Anwendung und Durchsetzung einer guten fachlichen Praxis im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen und zur Gewährleistung der Koexistenz verschiedener Anbauformen in der Landwirtschaft.

294

Etwas anderes gilt auch nicht, wenn man in § 36a GenTG nur eine Konkretisierung dessen sehen würde, was nach § 906 BGB und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ohnehin gegolten hätte. Die allgemeinen Regeln des Nachbarrechts sind zwar für die Berufsausübung Rahmenbedingungen, welche diese nur reflexhaft treffen. § 36a GenTG kommt jedoch eine gegenüber § 906 BGB eigenständige und nicht nur reflexartig berufsregelnde Wirkung zu. In § 36a Abs. 1 bis 3 GenTG hat der Gesetzgeber zentrale Tatbestandsmerkmale der nachbarrechtlichen Haftung nach §§ 1004, 906 BGB durch zwingende Interpretationsregeln konkretisiert und insoweit der Auslegung und einzelfallbezogenen Anwendung durch die Gerichte entzogen. Dies geschieht gerade in Bezug auf Sachverhalte, die typischerweise auf der beruflichen Nutzung von Grundstücken beruhen. Die der Überwindung von Schwierigkeiten des Kausalitätsbeweises dienende Regelung in § 36a Abs. 4 GenTG ist im Anwendungsbereich des Gentechnikrechts für alle Rechtsanwender verbindlich normiert, während das Bürgerliche Gesetzbuch eine entsprechende Vorschrift neben den von der Rechtsprechung analog angewendeten Bestimmungen in § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 287 ZPO nicht kennt.

295

cc) Der mittelbare Eingriff in die Berufsfreiheit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

296

(1) Keine rechtsstaatlichen Bedenken gegen § 36a GenTG bestehen unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, vermittelt durch eine Genehmigung zum Inverkehrbringen. Genehmigungsinhaber dürfte beim kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bereits regelmäßig nicht der nach §§ 1004, 906 BGB, § 36a GenTG haftende Landwirt, sondern der Hersteller des zum Inverkehrbringen zugelassenen Saatgutes sein. Jedenfalls darf ein Genehmigungsinhaber aufgrund der öffentlichrechtlichen Genehmigung nicht mit Wirkung für Dritte darauf vertrauen, dass die genehmigte Nutzung keine Beeinträchtigungen oder Schäden verursachen wird.

297

Die Genehmigung trifft, mit Ausnahme der ausdrücklichen Präklusion von Abwehransprüchen in § 23 Satz 1 GenTG, für die zivilrechtliche Haftung keine Aussage, überträgt keine Verantwortung für Beeinträchtigungen auf den Staat und schafft keinen Vertrauenstatbestand, der einer späteren Haftung entgegensteht. Dementsprechend bestimmen Art. 7 Abs. 7 und Art. 19 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003, dass die Erteilung der Zulassung die allgemeine zivil- und strafrechtliche Haftung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer hinsichtlich des betreffenden Lebens- oder Futtermittels nicht einschränkt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dem Inhaber einer gentechnikrechtlichen Genehmigung öffentlichrechtliche Vorgaben gemacht und diese eingehalten wurden. Solche öffentlichrechtlichen Pflichten sollen im Interesse der Allgemeinheit die Risiken der Veränderung von Erbmaterial gering halten. Sie haben jedoch nicht die Funktion, einen Störer oder Schädiger von seiner zivilrechtlichen Verantwortung freizustellen.

298

(2) § 36a GenTG ist eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung.

299

Aus den gleichen Gründen, aus denen die Vorschrift als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums für die Nutzung von Grundstückseigentum anzusehen ist, dient sie auch unter dem Gesichtspunkt der Regelung der Berufsausübung legitimen Gemeinwohlzielen und ist für deren Verfolgung geeignet, erforderlich und angemessen.

300

dd) Soweit nicht vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Personen in ihrer wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt werden können, liegt darin ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der aus denselben Gründen gerechtfertigt ist.

301

d) Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleistete Wissenschaftsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt.

302

aa) Die Ergänzung und Konkretisierung des privaten Nachbarrechts in § 36a GenTG ist geeignet, die freie wissenschaftliche Betätigung zu beeinflussen und einzuschränken. Die Norm bestimmt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Folgenverantwortung von Wissenschaftlern und verändert damit die Rahmenbedingungen für eine freie Forschung. Das konkrete Haftungsrisiko, die Folgen eines Haftungsfalls und die für Vorsorgemaßnahmen entstehenden Aufwendungen sind Faktoren, welche für die Entscheidung über Fragestellung, Umfang und praktische Ausführung eines Forschungsprojektes von maßgeblicher Bedeutung sein können. Mit der strengen, verschuldensunabhängigen Haftung kann Forschung dahingehend gesteuert werden, dass Risiken frühzeitig bedacht und Experimente so organisiert und durchgeführt werden, dass Einträge von gentechnisch veränderten Organismen auf andere Grundstücke und damit verbundene Nachteile für Dritte und die Allgemeinheit vermieden oder auf ein Mindestmaß reduziert werden.

303

bb) Dieser Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit ist gerechtfertigt.

304

Im Bereich der Grundstücksnutzung für Forschungsarbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen stehen sich verschiedene Grundrechte und verfassungsrechtlich geschützte Interessen gegenüber. Denn die mit § 36a GenTG verfolgten Ziele finden eine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG und dem Staatsziel des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Art. 20a GG. Diese sind Verfassungswerte, die auch die Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit rechtfertigen.

305

Der Gesetzgeber war um einen Ausgleich der widerstreitenden Rechtspositionen bemüht. Dieses Anliegen verdeutlichen nicht nur die mit § 36a GenTG verfolgten Gemeinwohlziele, sondern auch die Begründung des Regierungsentwurfs zum Gentechnikänderungsgesetz 2008. Die Regelungen des Gentechnikrechts sollten danach so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung der Gentechnik in Deutschland fördern. Gleichzeitig sollte aber der Schutz von Mensch und Umwelt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des Gentechnikrechts bleiben. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der verschiedenen Bewirtschaftungsformen sollten gewahrt bleiben (BTDrucks 16/6814, S. 10).

306

Diesen Zielsetzungen entsprechend dienen dem Gesetzgeber neben der grundsätzlichen Akzeptanz von Freisetzung und Anbau gentechnisch veränderter Kulturen insbesondere Verfahrenserleichterungen dazu, die Forschung auf dem Gebiet der "grünen" Gentechnik voranzubringen. Andererseits setzt der Gesetzgeber der Forschung mittels einer strengen zivilrechtlichen Haftung dort Grenzen, wo Rechte Dritter gefährdet oder beeinträchtigt werden.

307

Die vom Gesetzgeber gewählte Lösung berücksichtigt die beteiligten verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter in ausreichendem Maße und wahrt die verfassungsrechtlichen Vorgaben.

308

Zwar unterwirft § 36a GenTG die freie Wissenschaft und Forschung zum Schutz kollidierender Rechtsgüter derselben strengen Haftung, wie sie auch für den sonstigen Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen gilt. Werden nicht zum Inverkehrbringen zugelassene Organismen zu Forschungszwecken freigesetzt, können bereits Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und der damit verbundenen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führen (§ 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG). Werden zum Inverkehrbringen zugelassene gentechnisch veränderte Organismen untersucht und erprobt, sind die Methoden guter fachlicher Praxis zu beachten (§ 16b Abs. 2 und 3 GenTG). Diese gelten gemäß § 36a Abs. 2 GenTG als wirtschaftlich zumutbar. Auch die Forschung ist nicht von der Haftung freigestellt, soweit eine wesentliche Beeinträchtigung nicht bereits durch Schutzmaßnahmen und gute fachliche Praxis verhindert werden kann. Das Risiko eines gewissen, beim Anbau auf offenen Feldern möglicherweise nicht zu vermeidenden Gentransfers tragen auch im Forschungsbereich die Benutzer des emittierenden Grundstücks. Geeignete Standorte für das experimentelle Einbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt müssen von ihnen daher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Der Gesetzgeber geht jedoch trotz dieser strengen Haftung davon aus, den Förderungszweck des § 1 Nr. 3 GenTG umsetzen und einen Beitrag für die Sicherung des Forschungsstandorts Deutschland leisten zu können. Seine Annahme, die Forschung bei gleichzeitigem Schutz von Mensch und Umwelt und Wahrung der Koexistenz fördern zu können, ist vertretbar.

309

Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zugunsten der Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen, dass gerade eine von gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen befreite Wissenschaft dem Staat und der Gesellschaft im Ergebnis am besten dient (vgl. BVerfGE 47, 327 <369 f.>). Die Forschung im Bereich der "grünen" Gentechnik, sei es Sicherheitsforschung, Entwicklungsforschung oder Begleitforschung, ist zudem von hoher Bedeutung für das Gemeinwohl und dient regelmäßig dem Schutz wesentlicher Belange wie der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ist in den meisten Fällen ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Produkte, die von solchen Organismen abgeleitet sind oder diese enthalten (vgl. Erwägungsgrund Nr. 23 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach dem "Stufenprinzip" dürfen die Einschließung solcher Organismen nur dann stufenweise gelockert und ihre Freisetzung ausgeweitet werden, wenn die Bewertung der vorherigen Stufe in Bezug auf den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt ergeben hat, dass die nächste Stufe eingeleitet werden kann (vgl. Erwägungsgrund Nr. 24 der Richtlinie 2001/18/EG). Gentechnisch veränderte Organismen in Produkten oder als Produkte dürfen für eine Marktfreigabe nur dann in Betracht kommen, wenn sie zuvor im Forschungs- und Entwicklungsstadium in Feldversuchen in Ökosystemen, die von ihrer Anwendung betroffen sein können, ausreichend praktisch erprobt wurden (vgl. Erwägungsgrund Nr. 25 der Richtlinie 2001/18/EG). Nach der Zulassung findet eine Überwachung und marktbegleitende Beobachtung statt. Neue oder zusätzliche wissenschaftliche Erkenntnisse über Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt können einen Mitgliedstaat berechtigen, den Einsatz und Verkauf eines gentechnisch veränderten Organismus als Produkt oder in einem Produkt vorübergehend einzuschränken oder zu verbieten. Forschung mit zum Inverkehrbringen zugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann der Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen dienen, indem sie die Grundlagen für die Entwicklung einer guten fachlichen Praxis liefert. Schließlich ist die Wechselwirkung des in die Umwelt eingebrachten gentechnisch veränderten Organismus mit einem umgebenden Ökosystem nicht nur unbeabsichtigte Nebenfolge, sondern unverzichtbarer Gegenstand der Untersuchung. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen wissenschaftlicher Projekte Basisdaten zur Koexistenz von Anbauformen mit oder ohne Gentechnik erhoben, ausgewertet und in Empfehlungen für die Praxis umgesetzt werden sollen. Aber auch in der Entwicklungs- und Sicherheitsforschung kann die Verbreitung des gentechnisch veränderten Organismus in der Umwelt notwendiger Teil eines Experimentes sein.

310

Zugunsten der kollidierenden Rechtsgüter von Verfassungsrang - Eigentum und Berufsfreiheit, menschliches Leben, Gesundheit und Umwelt - ist in die Abwägung einzustellen, dass die Forschung an gentechnisch veränderten Organismen sie gefährden kann. Insbesondere die Sicherheits- und Entwicklungsforschung vor der Marktzulassung eines gentechnisch veränderten Organismus kann ein hohes Risikopotential bergen, da noch unklar sein kann, wie dieser Organismus funktioniert und welche Schäden er für Menschen, Pflanzen, Tiere und Biodiversität verursacht. Der Erprobungsanbau von verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen kann das verträgliche Nebeneinander der verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionsformen einerseits durch die Erlangung von Daten zur Koexistenz fördern, andererseits durch Auskreuzungen oder andere Einträge dieser Organismen auf benachbarte Flächen die kollidierenden Belange (insbesondere Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20a GG) beeinträchtigen. Für jeden Forschungsbereich gilt, dass einmal in die Umwelt absichtlich eingebrachte oder durch einen Störfall freigesetzte Organismen unter Umständen nicht mehr zurückgeholt werden und Beeinträchtigungen oder Schäden an Rechtsgütern Dritter oder der Umwelt damit irreversibel sein können.

311

Bezieht man diese Gesichtspunkte in die Betrachtung ein, so ist die vom Gesetzgeber in § 36a GenTG vorgenommene Gewichtung zugunsten der kollidierenden Gemeinwohlbelange nicht zu beanstanden. Die Grenze der Zumutbarkeit ist auch für die zu Forschungszwecken handelnden Grundstückseigentümer oder Grundstücksnutzer nicht überschritten.

312

e) § 36a GenTG verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz.

313

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.

314

In § 36a Abs. 1, 2 und 4 GenTG werden diejenigen, die ein Grundstück unter Einsatz von Gentechnik nutzen und daher in den Anwendungsbereich der das private Nachbarrecht konkretisierenden und ergänzenden Bestimmungen fallen, ungleich behandelt im Vergleich zu anderen Emittenten, die nach allgemeinem zivilrechtlichen Nachbarrecht haften. Auch wenn die Haftungsbestimmungen damit jeweils andere Personengruppen betreffen, geht es um die unterschiedliche Behandlung verschiedener Sachverhalte, nämlich den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen im Unterschied zur sonstigen Grundstücksnutzung. Daher ist der Gesetzgeber nur an den Willkürmaßstab gebunden.

315

Der Gesetzgeber hat die Differenzierung nach sachbezogenen Kriterien vorgenommen. § 36a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine für die betroffenen Nutzungsberechtigten im Zusammenhang mit Einträgen von gentechnisch veränderten Organismen geltende Rechtslage und daraus resultierende Nachteile an. Vergleichbare Genehmigungs- und Kennzeichnungspflichten für gentechnisch veränderte Produkte, die durch Einträge aus konventioneller oder ökologischer Produktion ausgelöst werden könnten, bestehen derzeit nicht. In § 36a Abs. 2 GenTG knüpft die Ungleichbehandlung an eine besondere Rechtslage an, die nur für diejenigen gilt, die mit verkehrszugelassenen gentechnisch veränderten Organismen umgehen. § 36a Abs. 4 GenTG beruht auf dem Anliegen, die von der Rechtsprechung im Rahmen der allgemeinen nachbarrechtlichen Störerhaftung für andere Emittenten entwickelten Grundsätze für den Bereich des Gentechnikrechts gesetzlich zu regeln.

316

Der Gesetzgeber verfolgt mit der Differenzierung die bereits dargestellten, verfassungsrechtlich verankerten legitimen Gemeinwohlziele. Diese sind so gewichtig, dass sie nicht nur den Eingriff in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, sondern auch eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Emittenten und erst recht die unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten rechtfertigen.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

(1) Die Erhebung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Dies gilt auch für die Erhebung der besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679. § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Sozialdaten sind bei der betroffenen Person zu erheben. Ohne ihre Mitwirkung dürfen sie nur erhoben werden

1.
bei den in § 35 des Ersten Buches oder in § 69 Absatz 2 genannten Stellen, wenn
a)
diese zur Übermittlung der Daten an die erhebende Stelle befugt sind,
b)
die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und
c)
keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden,
2.
bei anderen Personen oder Stellen, wenn
a)
eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt oder
b)
aa)
die Aufgaben nach diesem Gesetzbuch ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen oder
bb)
die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde
und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden.

(1) Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Absatz 2 Zehntes Buch) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Sozialdaten der Beschäftigten und ihrer Angehörigen dürfen Personen, die Personalentscheidungen treffen oder daran mitwirken können, weder zugänglich sein noch von Zugriffsberechtigten weitergegeben werden. Der Anspruch richtet sich auch gegen die Verbände der Leistungsträger, die Arbeitsgemeinschaften der Leistungsträger und ihrer Verbände, die Datenstelle der Rentenversicherung, die in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen, Integrationsfachdienste, die Künstlersozialkasse, die Deutsche Post AG, soweit sie mit der Berechnung oder Auszahlung von Sozialleistungen betraut ist, die Behörden der Zollverwaltung, soweit sie Aufgaben nach § 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 66 des Zehnten Buches durchführen, die Versicherungsämter und Gemeindebehörden sowie die anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen (§ 2 Absatz 3 des Adoptionsvermittlungsgesetzes), soweit sie Aufgaben nach diesem Gesetzbuch wahrnehmen, und die Stellen, die Aufgaben nach § 67c Absatz 3 des Zehnten Buches wahrnehmen. Die Beschäftigten haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei den genannten Stellen das Sozialgeheimnis zu wahren.

(2) Die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches und der übrigen Bücher des Sozialgesetzbuches regeln die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend, soweit nicht die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar gilt. Für die Verarbeitungen von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 fallenden Tätigkeiten finden die Verordnung (EU) 2016/679 und dieses Gesetz entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.

(2a) Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.

(3) Soweit eine Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist, besteht keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateisystemen und automatisiert verarbeiteten Sozialdaten.

(4) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen Sozialdaten gleich.

(5) Sozialdaten Verstorbener dürfen nach Maßgabe des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches verarbeitet werden. Sie dürfen außerdem verarbeitet werden, wenn schutzwürdige Interessen des Verstorbenen oder seiner Angehörigen dadurch nicht beeinträchtigt werden können.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden neben den in Absatz 1 genannten Stellen auch Anwendung auf solche Verantwortliche oder deren Auftragsverarbeiter,

1.
die Sozialdaten im Inland verarbeiten, sofern die Verarbeitung nicht im Rahmen einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erfolgt, oder
2.
die Sozialdaten im Rahmen der Tätigkeiten einer inländischen Niederlassung verarbeiten.
Sofern die Absätze 1 bis 5 nicht gemäß Satz 1 anzuwenden sind, gelten für den Verantwortlichen oder dessen Auftragsverarbeiter nur die §§ 81 bis 81c des Zehnten Buches.

(7) Bei der Verarbeitung zu Zwecken gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/679 stehen die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.

(1) Die Krankenkassen sind verpflichtet, dem Medizinischen Dienst die für die Beratung und Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Unterlagen, die der Versicherte über seine Mitwirkungspflicht nach den §§ 60 und 65 des Ersten Buches hinaus seiner Krankenkasse freiwillig selbst überlassen hat, dürfen an den Medizinischen Dienst nur weitergegeben werden, soweit der Versicherte eingewilligt hat. Für die Einwilligung gilt § 67b Abs. 2 des Zehnten Buches.

(2) Der Medizinische Dienst darf Sozialdaten erheben und speichern sowie einem anderen Medizinischen Dienst übermitteln, soweit dies für die Prüfungen, Beratungen und gutachtlichen Stellungnahmen nach den §§ 275 bis 275d erforderlich ist. Haben die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst für eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung nach § 275 Absatz 1 bis 3 und 3b, § 275c oder § 275d erforderliche versichertenbezogene Daten bei den Leistungserbringern unter Nennung des Begutachtungszwecks angefordert, so sind die Leistungserbringer verpflichtet, diese Daten unmittelbar an den Medizinischen Dienst zu übermitteln. Die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten Sozialdaten dürfen nur für die in den §§ 275 bis 275d genannten Zwecke verarbeitet werden, für andere Zwecke, soweit dies durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuchs angeordnet oder erlaubt ist. Die Sozialdaten sind nach fünf Jahren zu löschen. Die §§ 286, 287 und 304 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 sowie § 35 des Ersten Buches gelten für den Medizinischen Dienst entsprechend. Der Medizinische Dienst hat Sozialdaten zur Identifikation des Versicherten getrennt von den medizinischen Sozialdaten des Versicherten zu speichern. Durch technische und organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur den Personen zugänglich sind, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Der Schlüssel für die Zusammenführung der Daten ist vom Beauftragten für den Datenschutz des Medizinischen Dienstes aufzubewahren und darf anderen Personen nicht zugänglich gemacht werden. Jede Zusammenführung ist zu protokollieren.

(2a) Ziehen die Krankenkassen den Medizinischen Dienst oder einen anderen Gutachterdienst nach § 275 Abs. 4 zu Rate, können sie ihn mit Erlaubnis der Aufsichtsbehörde beauftragen, Datenbestände leistungserbringer- oder fallbezogen für zeitlich befristete und im Umfang begrenzte Aufträge nach § 275 Abs. 4 auszuwerten; die versichertenbezogenen Sozialdaten sind vor der Übermittlung an den Medizinischen Dienst oder den anderen Gutachterdienst zu anonymisieren. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2b) Beauftragt der Medizinische Dienst einen Gutachter (§ 278 Absatz 2), ist die Übermittlung von erforderlichen Daten zwischen Medizinischem Dienst und dem Gutachter zulässig, soweit dies zur Erfüllung des Auftrages erforderlich ist.

(3) Für das Akteneinsichtsrecht des Versicherten gilt § 25 des Zehnten Buches entsprechend.

(4) Wenn es im Einzelfall zu einer gutachtlichen Stellungnahme über die Notwendigkeit, Dauer und ordnungsgemäße Abrechnung der stationären Behandlung des Versicherten erforderlich ist, sind die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes befugt, zwischen 8.00 und 18.00 Uhr die Räume der Krankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen zu betreten, um dort die Krankenunterlagen einzusehen und, soweit erforderlich, den Versicherten untersuchen zu können. In den Fällen des § 275 Abs. 3a sind die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes befugt, zwischen 8.00 und 18.00 Uhr die Räume der Krankenhäuser zu betreten, um dort die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen einzusehen.

(4a) Der Medizinische Dienst ist im Rahmen der Kontrollen nach § 275a befugt, zu den üblichen Geschäfts- und Betriebszeiten die Räume des Krankenhauses zu betreten, die erforderlichen Unterlagen einzusehen und personenbezogene Daten zu verarbeiten, soweit dies in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137 Absatz 3 festgelegt und für die Kontrollen erforderlich ist. Absatz 2 Satz 3 bis 9 gilt für die Durchführung von Kontrollen nach § 275a entsprechend. Das Krankenhaus ist zur Mitwirkung verpflichtet und hat dem Medizinischen Dienst Zugang zu den Räumen und den Unterlagen zu verschaffen sowie die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass er die Kontrollen nach § 275a ordnungsgemäß durchführen kann; das Krankenhaus ist hierbei befugt und verpflichtet, dem Medizinischen Dienst Einsicht in personenbezogene Daten zu gewähren oder diese auf Anforderung des Medizinischen Dienstes zu übermitteln. Die Sätze 1 und 2 gelten für Kontrollen nach § 275a Absatz 4 nur unter der Voraussetzung, dass das Landesrecht entsprechende Mitwirkungspflichten und datenschutzrechtliche Befugnisse der Krankenhäuser zur Gewährung von Einsicht in personenbezogene Daten vorsieht.

(5) Wenn sich im Rahmen der Überprüfung der Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit (§ 275 Abs. 1 Nr. 3b, Abs. 1a und Abs. 1b) aus den ärztlichen Unterlagen ergibt, daß der Versicherte auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage ist, einer Vorladung des Medizinischen Dienstes Folge zu leisten oder wenn der Versicherte einen Vorladungstermin unter Berufung auf seinen Gesundheitszustand absagt und der Untersuchung fernbleibt, soll die Untersuchung in der Wohnung des Versicherten stattfinden. Verweigert er hierzu seine Zustimmung, kann ihm die Leistung versagt werden. Die §§ 65, 66 des Ersten Buches bleiben unberührt.

(6) Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung ergeben sich zusätzlich zu den Bestimmungen dieses Buches aus den Vorschriften des Elften Buches.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Die nach § 108 zugelassenen Krankenhäuser oder ihre Krankenhausträger sind verpflichtet, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 sowie das krankenhausinterne Kennzeichen des Versicherten,
2.
das Institutionskennzeichen der Krankenkasse und des Krankenhauses sowie ab dem 1. Januar 2020 dessen Kennzeichen nach § 293 Absatz 6,
3.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Aufnahme sowie die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei einer Änderung der Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen, die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung, bei Kleinkindern bis zu einem Jahr das Aufnahmegewicht,
4.
bei ärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung die Arztnummer des einweisenden Arztes, bei Verlegung das Institutionskennzeichen des veranlassenden Krankenhauses, bei Notfallaufnahme die die Aufnahme veranlassende Stelle,
5.
die Bezeichnung der aufnehmenden Fachabteilung, bei Verlegung die der weiterbehandelnden Fachabteilungen,
6.
Datum und Art der im oder vom jeweiligen Krankenhaus durchgeführten Operationen und sonstigen Prozeduren,
7.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Entlassung oder der Verlegung, bei externer Verlegung das Institutionskennzeichen der aufnehmenden Institution, bei Entlassung oder Verlegung die für die Krankenhausbehandlung maßgebliche Hauptdiagnose und die Nebendiagnosen,
8.
Aussagen zur Arbeitsfähigkeit und Vorschläge zur erforderlichen weiteren Behandlung für Zwecke des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a mit Angabe geeigneter Einrichtungen und bei der Verlegung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe der aufnehmenden Einrichtung sowie bei der Entlassung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe, ob eine weitere Beatmung geplant ist,
9.
die nach den §§ 115a und 115b sowie nach dem Krankenhausentgeltgesetz und der Bundespflegesatzverordnung berechneten Entgelte,
10.
den Nachweis über die Erfüllung der Meldepflicht nach § 36 des Implantateregistergesetzes.
Die Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie der Angaben nach Satz 1 Nr. 8 ist auch in nicht maschinenlesbarer Form zulässig.

(2) Die Diagnosen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und 7 sind nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der jeweiligen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung zu verschlüsseln. Die Operationen und sonstigen Prozeduren nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 sind nach dem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen Schlüssel zu verschlüsseln; der Schlüssel hat die sonstigen Prozeduren zu umfassen, die nach § 17b und § 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes abgerechnet werden können. In dem Operationen- und Prozedurenschlüssel nach Satz 2 können durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auch Voraussetzungen für die Abrechnung der Operationen und sonstigen Prozeduren festgelegt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit gibt den Zeitpunkt der Inkraftsetzung der jeweiligen Fassung des Diagnosenschlüssels nach Satz 1 sowie des Prozedurenschlüssels nach Satz 2 im Bundesanzeiger bekannt; es kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beauftragen, den in Satz 1 genannten Schlüssel um Zusatzkennzeichen zur Gewährleistung der für die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen notwendigen Aussagefähigkeit des Schlüssels sowie um Zusatzangaben für seltene Erkrankungen zu ergänzen. Von dem in Satz 4 genannten Zeitpunkt an sind der Diagnoseschlüssel nach Satz 1 sowie der Operationen- und Prozedurenschlüssel nach Satz 2 verbindlich und für die Abrechnung der erbrachten Leistungen zu verwenden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann bei Auslegungsfragen zu den Diagnosenschlüsseln nach Satz 1 und den Prozedurenschlüsseln nach Satz 2 Klarstellungen und Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen, soweit diese nicht zu erweiterten Anforderungen an die Verschlüsselung erbrachter Leistungen führen. Für das Verfahren der Festlegung des Diagnoseschlüssels nach Satz 1 sowie des Operationen- und Prozedurenschlüssels nach Satz 2 gibt sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Verfahrensordnung, die der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit bedarf und die auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu veröffentlichen ist.

(2a) Die Krankenkassen haben den nach § 108 zugelassenen Krankenhäusern einen bestehenden Pflegegrad gemäß § 15 des Elften Buches eines Patienten oder einer Patientin unverzüglich zu übermitteln, sobald ihnen das Krankenhaus anzeigt, dass es den Patienten oder die Patientin zur Behandlung aufgenommen hat. Während des Krankenhausaufenthaltes eines Patienten oder einer Patientin haben die Krankenkassen dem Krankenhaus Änderungen eines bestehenden Pflegegrades des Patienten oder der Patientin sowie beantragte Einstufungen in einen Pflegegrad durch einen Patienten oder eine Patientin zu übermitteln. Die Übermittlung nach den Sätzen 1 und 2 hat im Wege elektronischer Datenübertragung zu erfolgen.

(3) Das Nähere über Form und Inhalt der erforderlichen Vordrucke, die Zeitabstände für die Übermittlung der Angaben nach Absatz 1 und das Verfahren der Abrechnung sowie ein Verfahren zur Übermittlung eines Antrages auf Anschlussrehabilitation durch das Krankenhaus auf Wunsch und mit Einwilligung der Versicherten, jeweils im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern sowie das Nähere zum Verfahren und zu den Zeitabständen der Übermittlung im Wege elektronischer Datenübertragungen nach Absatz 2a vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder den Bundesverbänden der Krankenhausträger gemeinsam.

(4) Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 oder § 111c besteht, sind verpflichtet den Krankenkassen bei stationärer oder ambulanter Behandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 10 sowie das interne Kennzeichen der Einrichtung für den Versicherten,
2.
das Institutionskennzeichen der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung und der Krankenkasse,
3.
den Tag der Aufnahme, die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, die voraussichtliche Dauer der Behandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung,
4.
bei ärztlicher Verordnung von Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahmen die Arztnummer des einweisenden Arztes,
5.
den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Entlassung oder der externen Verlegung sowie die Entlassungs- oder Verlegungsdiagnose; bei externer Verlegung das Institutionskennzeichen der aufnehmenden Institution,
6.
Angaben über die durchgeführten Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen sowie Vorschläge für die Art der weiteren Behandlung mit Angabe geeigneter Einrichtungen,
7.
die berechneten Entgelte.
Die Übermittlung der medizinischen Begründung von Verlängerungen der Verweildauer nach Satz 1 Nr. 3 sowie Angaben nach Satz 1 Nr. 6 ist auch in nicht maschinenlesbarer Form zulässig. Für die Angabe der Diagnosen nach Satz 1 Nr. 3 und 5 gilt Absatz 2 entsprechend. Absatz 3 gilt entsprechend.

(4a) Einrichtungen, die Leistungen nach § 15 des Sechsten Buches und nach § 33 des Siebten Buches erbringen, sind auf Anforderung der zuständigen Krankenkasse verpflichtet, dieser bei Erwerbstätigen mit einem Anspruch auf Krankengeld nach § 44 für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Bestimmung der Dauer des Krankengeldanspruchs und der Mitteilung an den Arbeitgeber über die auf den Entgeltfortzahlungsanspruch des Versicherten anrechenbaren Zeiten stehen, sowie zur Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach den §§ 44, 71 Absatz 5 des Neunten Buches und § 74 folgende Angaben zu übermitteln:

1.
die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 2 bis 6,
2.
das Institutionskennzeichen der Einrichtung,
3.
den Tag der Aufnahme, den Tag und den Grund der Entlassung oder der externen Verlegung sowie die Entlassungs- oder Verlegungsdiagnose,
4.
Aussagen zur Arbeitsfähigkeit,
5.
die zur Zuständigkeitsabgrenzung bei stufenweiser Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nach den §§ 44, 71 Absatz 5 des Neunten Buches sowie nach § 74 erforderlichen Angaben.
Die Übermittlung erfolgt im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern. Für die Angabe der Diagnosen nach Satz 1 Nummer 3 gilt Absatz 2 entsprechend. Das Nähere über Form und Inhalt der erforderlichen Vordrucke, die Zeitabstände für die Übermittlung der Angaben nach Satz 1 und das Verfahren der Übermittlung vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gemeinsam mit den für die Wahrnehmung der Interessen der Rehabilitationseinrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch maßgeblichen Bundesverbänden.

(5) Die ermächtigten Krankenhausärzte sind verpflichtet, dem Krankenhausträger im Rahmen des Verfahrens nach § 120 Abs. 1 Satz 3 die für die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen erforderlichen Unterlagen zu übermitteln; § 295 gilt entsprechend. Der Krankenhausträger hat den kassenärztlichen Vereinigungen die Abrechnungsunterlagen zum Zweck der Abrechnung vorzulegen.

(1) Die Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, soweit die nachfolgenden Vorschriften oder eine andere Rechtsvorschrift in diesem Gesetzbuch es erlauben oder anordnen. Dies gilt auch für die besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679. Die Übermittlung von biometrischen, genetischen oder Gesundheitsdaten ist abweichend von Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe b, d bis j der Verordnung (EU) 2016/679 nur zulässig, soweit eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis nach den §§ 68 bis 77 oder nach einer anderen Rechtsvorschrift in diesem Gesetzbuch vorliegt. § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Zum Nachweis im Sinne des Artikels 7 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat, soll die Einwilligung schriftlich oder elektronisch erfolgen. Die Einwilligung zur Verarbeitung von genetischen, biometrischen oder Gesundheitsdaten oder Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen hat schriftlich oder elektronisch zu erfolgen, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Wird die Einwilligung der betroffenen Person eingeholt, ist diese auf den Zweck der vorgesehenen Verarbeitung, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung sowie auf die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen.

(3) Die Einwilligung zur Verarbeitung personenbezogener Daten zu Forschungszwecken kann für ein bestimmtes Vorhaben oder für bestimmte Bereiche der wissenschaftlichen Forschung erteilt werden. Im Bereich der wissenschaftlichen Forschung liegt ein besonderer Umstand im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 auch dann vor, wenn durch die Einholung einer schriftlichen oder elektronischen Einwilligung der Forschungszweck erheblich beeinträchtigt würde. In diesem Fall sind die Gründe, aus denen sich die erhebliche Beeinträchtigung des Forschungszweckes ergibt, schriftlich festzuhalten.

(1) Die Erhebung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Dies gilt auch für die Erhebung der besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679. § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Sozialdaten sind bei der betroffenen Person zu erheben. Ohne ihre Mitwirkung dürfen sie nur erhoben werden

1.
bei den in § 35 des Ersten Buches oder in § 69 Absatz 2 genannten Stellen, wenn
a)
diese zur Übermittlung der Daten an die erhebende Stelle befugt sind,
b)
die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und
c)
keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden,
2.
bei anderen Personen oder Stellen, wenn
a)
eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt oder
b)
aa)
die Aufgaben nach diesem Gesetzbuch ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen oder
bb)
die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde
und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden.

(1) Die Krankenkassen dürfen Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung nur erheben und speichern, soweit diese für

1.
die Feststellung des Versicherungsverhältnisses und der Mitgliedschaft, einschließlich der für die Anbahnung eines Versicherungsverhältnisses erforderlichen Daten,
2.
die Ausstellung des Berechtigungsscheines und der elektronischen Gesundheitskarte,
3.
die Feststellung der Beitragspflicht und der Beiträge, deren Tragung und Zahlung,
4.
die Prüfung der Leistungspflicht und der Erbringung von Leistungen an Versicherte einschließlich der Voraussetzungen von Leistungsbeschränkungen, die Bestimmung des Zuzahlungsstatus und die Durchführung der Verfahren bei Kostenerstattung, Beitragsrückzahlung und der Ermittlung der Belastungsgrenze,
5.
die Unterstützung der Versicherten bei Behandlungsfehlern,
6.
die Übernahme der Behandlungskosten in den Fällen des § 264,
7.
die Beteiligung des Medizinischen Dienstes oder das Gutachterverfahren nach § 87 Absatz 1c,
8.
die Abrechnung mit den Leistungserbringern, einschließlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnung,
9.
die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung,
10.
die Abrechnung mit anderen Leistungsträgern,
11.
die Durchführung von Erstattungs- und Ersatzansprüchen,
12.
die Vorbereitung, Vereinbarung und Durchführung von von ihnen zu schließenden Vergütungsverträgen,
13.
die Vorbereitung und Durchführung von Modellvorhaben, die Durchführung des Versorgungsmanagements nach § 11 Abs. 4, die Durchführung von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung, zu besonderen Versorgungsformen und zur ambulanten Erbringung hochspezialisierter Leistungen, einschließlich der Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Qualitätsprüfungen,
14.
die Durchführung des Risikostrukturausgleichs nach den §§ 266 und 267 sowie zur Gewinnung von Versicherten für die Programme nach § 137g und zur Vorbereitung und Durchführung dieser Programme,
15.
die Durchführung des Entlassmanagements nach § 39 Absatz 1a,
16.
die Auswahl von Versicherten für Maßnahmen nach § 44 Absatz 4 Satz 1 und nach § 39b sowie zu deren Durchführung,
17.
die Überwachung der Einhaltung der vertraglichen und gesetzlichen Pflichten der Leistungserbringer von Hilfsmitteln nach § 127 Absatz 7,
18.
die Erfüllung der Aufgaben der Krankenkassen als Rehabilitationsträger nach dem Neunten Buch,
19.
die Vorbereitung von Versorgungsinnovationen, die Information der Versicherten und die Unterbreitung von Angeboten nach § 68b Absatz 1 und 2 sowie
20.
die administrative Zurverfügungstellung der elektronischen Patientenakte sowie für das Angebot zusätzlicher Anwendungen im Sinne des § 345 Absatz 1 Satz 1
erforderlich sind. Versichertenbezogene Angaben über ärztliche Leistungen dürfen auch auf maschinell verwertbaren Datenträgern gespeichert werden, soweit dies für die in Satz 1 Nr. 4, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 und § 305 Absatz 1 bezeichneten Zwecke erforderlich ist. Versichertenbezogene Angaben über ärztlich verordnete Leistungen dürfen auf maschinell verwertbaren Datenträgern gespeichert werden, soweit dies für die in Satz 1 Nr. 4, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 und § 305 Abs. 1 bezeichneten Zwecke erforderlich ist. Im Übrigen gelten für die Datenerhebung und -speicherung die Vorschriften des Ersten und Zehnten Buches.

(2) Im Rahmen der Überwachung der Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung dürfen versichertenbezogene Leistungs- und Gesundheitsdaten auf maschinell verwertbaren Datenträgern nur gespeichert werden, soweit dies für Stichprobenprüfungen nach § 106a Absatz 1 Satz 1 oder § 106b Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(3) Die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten dürfen nur für die Zwecke der Aufgaben nach Absatz 1 in dem jeweils erforderlichen Umfang verarbeitet werden, für andere Zwecke, soweit dies durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuchs angeordnet oder erlaubt ist. Die Daten, die nach § 295 Abs. 1b Satz 1 an die Krankenkasse übermittelt werden, dürfen nur zu Zwecken nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 4, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 19 und § 305 Abs. 1 versichertenbezogen verarbeitet werden und nur, soweit dies für diese Zwecke erforderlich ist; für die Verarbeitung dieser Daten zu anderen Zwecken ist der Versichertenbezug vorher zu löschen.

(4) Zur Gewinnung von Mitgliedern dürfen die Krankenkassen Daten verarbeiten, wenn die Daten allgemein zugänglich sind, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Ein Abgleich der erhobenen Daten mit den Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 2 bis 5 ist zulässig. Im Übrigen gelten für die Datenverarbeitung die Vorschriften des Ersten und Zehnten Buches.

(1) Die Krankenkassen sind in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet,

1.
bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung,
2.
zur Einleitung von Leistungen zur Teilhabe, insbesondere zur Koordinierung der Leistungen nach den §§ 14 bis 24 des Neunten Buches, im Benehmen mit dem behandelnden Arzt,
3.
bei Arbeitsunfähigkeit
a)
zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder
b)
zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen. Die Regelungen des § 87 Absatz 1c zu dem im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenen Gutachterverfahren bleiben unberührt.

(1a) Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Nr. 3 Buchstabe b sind insbesondere in Fällen anzunehmen, in denen

a)
Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder
b)
die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Die Prüfung hat unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen. Der Arbeitgeber kann verlangen, daß die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

(1b) Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Absatz 1 rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nach Satz 1 nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen abweichend von Satz 1 zu dem dort bezeichneten Zweck bei den Versicherten nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

1.
Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt, und
2.
Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen.
Die Krankenkassen dürfen die Angaben nach Satz 2 bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Abweichend von Satz 3 ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Absatz 4 bleiben unberührt. Abweichend von Satz 1 dürfen die Krankenkassen zu dem in Satz 1 bezeichneten Zweck im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung nach Satz 7 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind
1.
zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,
2.
zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehenen sind,
3.
zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder
4.
bei Leistungsempfängern nach dem Dritten Buch zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.
Die nach diesem Absatz erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen ist, benötigt werden.

(1c) (weggefallen)

(2) Die Krankenkassen haben durch den Medizinischen Dienst prüfen zu lassen

1.
die Notwendigkeit der Leistungen nach den §§ 23, 24, 40 und 41, mit Ausnahme von Verordnungen nach § 40 Absatz 3 Satz 2, unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans in Stichproben vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regelt in Richtlinien den Umfang und die Auswahl der Stichprobe und kann Ausnahmen zulassen, wenn Prüfungen nach Indikation und Personenkreis nicht notwendig erscheinen; dies gilt insbesondere für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Anschluß an eine Krankenhausbehandlung (Anschlußheilbehandlung),
2.
bei Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist (§ 18),
3.
ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als vier Wochen erforderlich ist (§ 37 Abs. 1),
4.
ob Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 2),
5.
den Anspruch auf Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c Absatz 2 Satz 1.

(3) Die Krankenkassen können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen

1.
vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33); der Medizinische Dienst hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten,
2.
bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist,
3.
die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen,
4.
ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66).
Der Medizinische Dienst hat den Krankenkassen das Ergebnis seiner Prüfung nach Satz 1 Nummer 4 durch eine gutachterliche Stellungnahme mitzuteilen, die auch in den Fällen nachvollziehbar zu begründen ist, in denen gutachterlich kein Behandlungsfehler festgestellt wird, wenn dies zur angemessenen Unterrichtung des Versicherten im Einzelfall erforderlich ist.

(3a) Ergeben sich bei der Auswertung der Unterlagen über die Zuordnung von Patienten zu den Behandlungsbereichen nach § 4 der Psychiatrie-Personalverordnung in vergleichbaren Gruppen Abweichungen, so können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen die Zuordnungen durch den Medizinischen Dienst überprüfen lassen; das zu übermittelnde Ergebnis der Überprüfung darf keine Sozialdaten enthalten.

(3b) Hat in den Fällen des Absatzes 3 die Krankenkasse den Leistungsantrag des Versicherten ohne vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst wegen fehlender medizinischer Erforderlichkeit abgelehnt, hat sie vor dem Erlass eines Widerspruchsbescheids eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einzuholen.

(3c) Lehnt die Krankenkasse einen Leistungsantrag einer oder eines Versicherten ab und liegt dieser Ablehnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes nach den Absätzen 1 bis 3 zugrunde, ist die Krankenkasse verpflichtet, in ihrem Bescheid der oder dem Versicherten das Ergebnis der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis in einer verständlichen und nachvollziehbaren Form mitzuteilen sowie auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich bei Beschwerden vertraulich an die Ombudsperson nach § 278 Absatz 3 zu wenden.

(4) Die Krankenkassen und ihre Verbände sollen bei der Erfüllung anderer als der in Absatz 1 bis 3 genannten Aufgaben im notwendigen Umfang den Medizinischen Dienst oder andere Gutachterdienste zu Rate ziehen, insbesondere für allgemeine medizinische Fragen der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Versicherten, für Fragen der Qualitätssicherung, für Vertragsverhandlungen mit den Leistungserbringern und für Beratungen der gemeinsamen Ausschüsse von Ärzten und Krankenkassen, insbesondere der Prüfungsausschüsse. Der Medizinische Dienst führt die Aufgaben nach § 116b Absatz 2 durch, wenn der erweiterte Landesausschuss ihn hiermit nach § 116b Absatz 3 Satz 8 ganz oder teilweise beauftragt.

(4a) Soweit die Erfüllung der sonstigen dem Medizinischen Dienst obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann er Beamte nach den §§ 44 bis 49 des Bundesbeamtengesetzes ärztlich untersuchen und ärztliche Gutachten fertigen. Die hierdurch entstehenden Kosten sind von der Behörde, die den Auftrag erteilt hat, zu erstatten. § 280 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Der Medizinische Dienst Bund und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat vereinbaren unter Beteiligung der Medizinischen Dienste, die ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Durchführung von Untersuchungen und zur Fertigung von Gutachten nach Satz 1 erklärt haben, das Nähere über das Verfahren und die Höhe der Kostenerstattung. Die Medizinischen Dienste legen die Vereinbarung ihrer Aufsichtsbehörde vor, die der Vereinbarung innerhalb von drei Monaten nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der sonstigen Aufgaben des Medizinischen Dienstes gefährdet wäre.

(4b) Soweit die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben nicht beeinträchtigt wird, kann der Medizinische Dienst Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ersuchen insbesondere einer für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständigen Einrichtung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, eines zugelassenen Krankenhauses im Sinne des § 108, eines nach § 95 Absatz 1 Satz 1 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers sowie eines Trägers einer zugelassenen Pflegeeinrichtung im Sinne des § 72 des Elften Buches befristet eine unterstützende Tätigkeit bei diesen Behörden, Einrichtungen oder Leistungserbringern zuweisen. Die hierdurch dem Medizinischen Dienst entstehenden Personal- und Sachkosten sind von der Behörde, der Einrichtung, dem Einrichtungsträger oder dem Leistungserbringer, die oder der die Unterstützung erbeten hat, zu erstatten. Das Nähere über den Umfang der Unterstützungsleistung sowie zu Verfahren und Höhe der Kostenerstattung vereinbaren der Medizinische Dienst und die um Unterstützung bittende Behörde oder Einrichtung oder der um Unterstützung bittende Einrichtungsträger oder Leistungserbringer. Eine Verwendung von Umlagemitteln nach § 280 Absatz 1 Satz 1 zur Finanzierung der Unterstützung nach Satz 1 ist auszuschließen. Der Medizinische Dienst legt die Zuweisungsverfügung seiner Aufsichtsbehörde vor, die dieser innerhalb einer Woche nach Vorlage widersprechen kann, wenn die Erfüllung der dem Medizinischen Dienst gesetzlich obliegenden Aufgaben beeinträchtigt wäre.

(5) Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen. Sie sind nicht berechtigt, in die Behandlung und pflegerische Versorgung der Versicherten einzugreifen.

(6) Jede fallabschließende gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ist in schriftlicher oder elektronischer Form zu verfassen und muss zumindest eine kurze Darlegung der Fragestellung und des Sachverhalts, das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis umfassen.

(1) Die Erhebung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Dies gilt auch für die Erhebung der besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679. § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.

(2) Sozialdaten sind bei der betroffenen Person zu erheben. Ohne ihre Mitwirkung dürfen sie nur erhoben werden

1.
bei den in § 35 des Ersten Buches oder in § 69 Absatz 2 genannten Stellen, wenn
a)
diese zur Übermittlung der Daten an die erhebende Stelle befugt sind,
b)
die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde und
c)
keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden,
2.
bei anderen Personen oder Stellen, wenn
a)
eine Rechtsvorschrift die Erhebung bei ihnen zulässt oder die Übermittlung an die erhebende Stelle ausdrücklich vorschreibt oder
b)
aa)
die Aufgaben nach diesem Gesetzbuch ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen Personen oder Stellen erforderlich machen oder
bb)
die Erhebung bei der betroffenen Person einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde
und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt werden.

(1) Die Krankenkassen sind verpflichtet, dem Medizinischen Dienst die für die Beratung und Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Unterlagen, die der Versicherte über seine Mitwirkungspflicht nach den §§ 60 und 65 des Ersten Buches hinaus seiner Krankenkasse freiwillig selbst überlassen hat, dürfen an den Medizinischen Dienst nur weitergegeben werden, soweit der Versicherte eingewilligt hat. Für die Einwilligung gilt § 67b Abs. 2 des Zehnten Buches.

(2) Der Medizinische Dienst darf Sozialdaten erheben und speichern sowie einem anderen Medizinischen Dienst übermitteln, soweit dies für die Prüfungen, Beratungen und gutachtlichen Stellungnahmen nach den §§ 275 bis 275d erforderlich ist. Haben die Krankenkassen oder der Medizinische Dienst für eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung nach § 275 Absatz 1 bis 3 und 3b, § 275c oder § 275d erforderliche versichertenbezogene Daten bei den Leistungserbringern unter Nennung des Begutachtungszwecks angefordert, so sind die Leistungserbringer verpflichtet, diese Daten unmittelbar an den Medizinischen Dienst zu übermitteln. Die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten Sozialdaten dürfen nur für die in den §§ 275 bis 275d genannten Zwecke verarbeitet werden, für andere Zwecke, soweit dies durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuchs angeordnet oder erlaubt ist. Die Sozialdaten sind nach fünf Jahren zu löschen. Die §§ 286, 287 und 304 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 sowie § 35 des Ersten Buches gelten für den Medizinischen Dienst entsprechend. Der Medizinische Dienst hat Sozialdaten zur Identifikation des Versicherten getrennt von den medizinischen Sozialdaten des Versicherten zu speichern. Durch technische und organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur den Personen zugänglich sind, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Der Schlüssel für die Zusammenführung der Daten ist vom Beauftragten für den Datenschutz des Medizinischen Dienstes aufzubewahren und darf anderen Personen nicht zugänglich gemacht werden. Jede Zusammenführung ist zu protokollieren.

(2a) Ziehen die Krankenkassen den Medizinischen Dienst oder einen anderen Gutachterdienst nach § 275 Abs. 4 zu Rate, können sie ihn mit Erlaubnis der Aufsichtsbehörde beauftragen, Datenbestände leistungserbringer- oder fallbezogen für zeitlich befristete und im Umfang begrenzte Aufträge nach § 275 Abs. 4 auszuwerten; die versichertenbezogenen Sozialdaten sind vor der Übermittlung an den Medizinischen Dienst oder den anderen Gutachterdienst zu anonymisieren. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(2b) Beauftragt der Medizinische Dienst einen Gutachter (§ 278 Absatz 2), ist die Übermittlung von erforderlichen Daten zwischen Medizinischem Dienst und dem Gutachter zulässig, soweit dies zur Erfüllung des Auftrages erforderlich ist.

(3) Für das Akteneinsichtsrecht des Versicherten gilt § 25 des Zehnten Buches entsprechend.

(4) Wenn es im Einzelfall zu einer gutachtlichen Stellungnahme über die Notwendigkeit, Dauer und ordnungsgemäße Abrechnung der stationären Behandlung des Versicherten erforderlich ist, sind die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes befugt, zwischen 8.00 und 18.00 Uhr die Räume der Krankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen zu betreten, um dort die Krankenunterlagen einzusehen und, soweit erforderlich, den Versicherten untersuchen zu können. In den Fällen des § 275 Abs. 3a sind die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes befugt, zwischen 8.00 und 18.00 Uhr die Räume der Krankenhäuser zu betreten, um dort die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen einzusehen.

(4a) Der Medizinische Dienst ist im Rahmen der Kontrollen nach § 275a befugt, zu den üblichen Geschäfts- und Betriebszeiten die Räume des Krankenhauses zu betreten, die erforderlichen Unterlagen einzusehen und personenbezogene Daten zu verarbeiten, soweit dies in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137 Absatz 3 festgelegt und für die Kontrollen erforderlich ist. Absatz 2 Satz 3 bis 9 gilt für die Durchführung von Kontrollen nach § 275a entsprechend. Das Krankenhaus ist zur Mitwirkung verpflichtet und hat dem Medizinischen Dienst Zugang zu den Räumen und den Unterlagen zu verschaffen sowie die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass er die Kontrollen nach § 275a ordnungsgemäß durchführen kann; das Krankenhaus ist hierbei befugt und verpflichtet, dem Medizinischen Dienst Einsicht in personenbezogene Daten zu gewähren oder diese auf Anforderung des Medizinischen Dienstes zu übermitteln. Die Sätze 1 und 2 gelten für Kontrollen nach § 275a Absatz 4 nur unter der Voraussetzung, dass das Landesrecht entsprechende Mitwirkungspflichten und datenschutzrechtliche Befugnisse der Krankenhäuser zur Gewährung von Einsicht in personenbezogene Daten vorsieht.

(5) Wenn sich im Rahmen der Überprüfung der Feststellungen von Arbeitsunfähigkeit (§ 275 Abs. 1 Nr. 3b, Abs. 1a und Abs. 1b) aus den ärztlichen Unterlagen ergibt, daß der Versicherte auf Grund seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage ist, einer Vorladung des Medizinischen Dienstes Folge zu leisten oder wenn der Versicherte einen Vorladungstermin unter Berufung auf seinen Gesundheitszustand absagt und der Untersuchung fernbleibt, soll die Untersuchung in der Wohnung des Versicherten stattfinden. Verweigert er hierzu seine Zustimmung, kann ihm die Leistung versagt werden. Die §§ 65, 66 des Ersten Buches bleiben unberührt.

(6) Die Aufgaben des Medizinischen Dienstes im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung ergeben sich zusätzlich zu den Bestimmungen dieses Buches aus den Vorschriften des Elften Buches.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

(1) Dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 regeln abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94. Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden werden abschließend in diesem Kapitel, in den §§ 63, 64 und in dem Krankenhausfinanzierungsgesetz, dem Krankenhausentgeltgesetz sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen nach den Sätzen 1 und 2 gelten im Übrigen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch, soweit durch diese Rechtsbeziehungen Rechte Dritter betroffen sind.

(2) Die §§ 1 bis 3 Absatz 1, die §§ 19 bis 21, 32 bis 34a, 48 bis 81 Absatz 2 Nummer 1, 2 Buchstabe a und Nummer 6 bis 11, Absatz 3 Nummer 1 und 2 sowie die §§ 81a bis 95 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gelten für die in Absatz 1 genannten Rechtsbeziehungen entsprechend. Satz 1 gilt nicht für Verträge und sonstige Vereinbarungen von Krankenkassen oder deren Verbänden mit Leistungserbringern oder deren Verbänden, zu deren Abschluss die Krankenkassen oder deren Verbände gesetzlich verpflichtet sind. Satz 1 gilt auch nicht für Beschlüsse, Empfehlungen, Richtlinien oder sonstige Entscheidungen der Krankenkassen oder deren Verbände, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind, sowie für Beschlüsse, Richtlinien und sonstige Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, zu denen er gesetzlich verpflichtet ist.

(3) Auf öffentliche Aufträge nach diesem Buch sind die Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden.

(4) Bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach den §§ 63 und 140a über soziale und andere besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhangs XIV der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014, die im Rahmen einer heilberuflichen Tätigkeit erbracht werden, kann der öffentliche Auftraggeber abweichend von § 119 Absatz 1 und § 130 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie von § 14 Absatz 1 bis 3 der Vergabeverordnung andere Verfahren vorsehen, die die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewährleisten. Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb und ohne vorherige Veröffentlichung nach § 66 der Vergabeverordnung darf der öffentliche Auftraggeber nur in den Fällen des § 14 Absatz 4 und 6 der Vergabeverordnung vorsehen. Von den Vorgaben der §§ 15 bis 36 und 42 bis 65 der Vergabeverordnung, mit Ausnahme der §§ 53, 58, 60 und 63, kann abgewichen werden. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit bis zum 17. April 2019 über die Anwendung dieses Absatzes durch seine Mitglieder.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Betriebskrankenkassen sind Krankenkassen, die durch den Arbeitgeber für einen oder mehrere Betriebe errichtet wurden.

(2) Eine Betriebskrankenkasse kann in ihrer Satzung vorsehen, dass sie durch alle Versicherungspflichtigen und Versicherungsberechtigten gewählt werden kann. Die Satzungsregelung darf das Wahlrecht nicht auf bestimmte Personen beschränken oder von Bedingungen abhängig machen und kann nicht widerrufen werden. Satz 1 gilt nicht für Betriebskrankenkassen, die für Betriebe privater Kranken- oder Lebensversicherungen errichtet oder aus einer Vereinigung mit solchen Betriebskrankenkassen hervorgegangen sind, wenn die Satzung dieser Krankenkassen am 26. September 2003 keine Regelung nach Satz 1 enthalten hat.

(3) Falls die Satzung eine Regelung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, gilt diese für die Gebiete der Länder, in denen Betriebe bestehen und die Zuständigkeit für diese Betriebe sich aus der Satzung der Betriebskrankenkasse ergibt; soweit eine Satzungsregelung am 31. März 2007 für ein darüber hinausgehendes Gebiet gegolten hat, bleibt dies unberührt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.