Sozialgericht Bayreuth Gerichtsbescheid, 05. März 2018 - S 10 AL 96/16

05.03.2018

Gericht

Sozialgericht Bayreuth

Tenor

I. Der Bewilligungsbescheid vom 6.4.2016 in der Fassung des Änderungsbewilligungsbescheides vom 10.5.2016, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.5.2016 werden teilweise aufgehoben, soweit der Zahlbetrag in den Zeiträumen vom 3.6.2015 bis 9.6.2015, 16.6.2015 bis 22.6.2015 und am 25.6.2015 mit Null (0,00 €) bestimmt und die Zahlung mit Ablauf des 25.6.2015 wegen fehlender Verfügbarkeit befristet wurde, und die Beklagte verpflichtet, in den Zeiträumen vom 3.6.2015 bis 9.6.2015, 16.6.2015 bis 22.6.2015 und über den 24.6.2015 hinaus bis längstens 15.12.2015 Arbeitslosengeld nach Maßgabe des Gesetzes zu gewähren.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in vollem Umfang.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Leistungsversagung in drei Zeiträumen sowie die Befristung der Leistungsbewilligung wegen fehlender Verfügbarkeit.

A.

Der Kläger war vom 4.2.2014 bis 31.5.2015 bei der Fa D., als Paketdienstfahrer beschäftigt gewesen. Da er im Monat Mai 2015 kein Arbeitsentgelt mehr erhalten hatte, wurde ihm dies durch die Beklagte im Wege der Insolvenzgeldgewährung ausgeglichen (Bescheid vom 10.8.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.9.2015; bestätigt durch Klageverfahren vor dem SG Bayreuth, Az.: S 10 AL 152/15).

B.

Nach der Kündigung der Fa D. meldete sich der Kläger am 19.5.2015 bei der Beklagten persönlich arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Das an diesem Tag ausgehändigte Antragsformular gab er jedoch erst am 6.4.2016 an die Beklagte zurück.

In der Zwischenzeit hatte die Beklagte noch am 19.5.2015 den Kläger zur persönlichen Vorsprache am 2.6.2015 gem. § 309 SGB III aufgefordert. Da der Kläger diesen Termin ohne Angabe von Gründen nicht wahrnahm, erfolgte am 2.6.2015 eine erneute Meldeaufforderung zum 15.6.2015. Bei seiner persönlichen Vorsprache am 10.6.2016 in der Agentur für Arbeit H., bei der der Kläger Unterlagen zum beantragten Insolvenzgeld sowie die Mahnung bezüglich der Miete vorlegte, wurde der Kläger ausdrücklich und eindringlich darauf hingewiesen, dass er diesen Termin am 15.6.2015 wahrnehmen muss. Er tat dies jedoch ohne Angabe von Gründen wiederum nicht. Darauf erfolgte die dritte Meldeaufforderung zum 24.6.2015, zu der der Kläger ohne Angabe von Gründen ebenfalls nicht erschien.

Die nächste persönliche Vorsprache des Klägers bei der Beklagten am 11.8.2015 erfolgte wieder im Zusammenhang mit dem aus seiner Sicht noch immer nicht verbeschiedenen Insolvenzgeld. Hierbei legte der Kläger auch die Kündigung der Wohnung zum 31.10.2015 vor und gab an, er habe seit Mai 2015 keinerlei Einnahmen mehr. Darauf angesprochen, was mit seiner Arbeitslosmeldung und seinem Arbeitslosengeldantrag sei, meinte er nur „Das lassen Sie mal meine Sorge sein.“ Die Mitarbeiterin der Beklagten zog daraus die Schlussfolgerung, „heute anscheinend keine neue Arbeitslosmeldung durch den Kunden gewünscht.“

Erstmals am 17.9.2015 erkundigte sich der Kläger (nun telefonisch) nach seiner Arbeitslosengeldangelegenheit und einem Terminantragsservice. Ihm wurde darauf mitgeteilt, er sei derzeit abgemeldet wegen Meldeversäumnisses, obwohl er nach seinen Angaben arbeitslos sei. Er müsse sich deshalb umgehend persönlich und unter Vorlage eines Personalausweises arbeitslos melden und erhalte dann einen neuen Antrag; Termine könnten dann kurzfristig vergeben werden. Der Kläger meldete sich nicht.

Vom 16.12.2015 bis 30.3.2016 befand sich der Kläger in der JVA H. in Haft. Bei seiner persönlichen Arbeitslosmeldung am 30.3.2016 und Stellung eines Weiterbewilligungsantrags gab er an, er werde den früheren Antrag zusammen mit dem Weiterbewilligungsantrag bei der Beklagten einreichen.

Bereits vor seiner Entlassung aus der Haft hatte sich die damalige Bevollmächtigte des Klägers am 21.3.2016 bei der Beklagten angezeigt und gerügt, dass über den Antrag vom 19.5.2015 noch immer nicht entschieden worden sei. Mit Schreiben vom 22.3.2016 setzte die Beklagte die Bevollmächtigte darüber in Kenntnis, dass der Antrag vom 19.5.2015 bisher noch nicht zurückgegeben worden sei.

Am 6.4.2016 reichte der Kläger sodann die beiden Arbeitslosengeld-Anträge bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 6.4.2016 bewilligte die Beklagte daraufhin Arbeitslosengeld ab 31.3.2016 weiter.

C.

Mit weiterem und in vorliegendem Verfahren angefochtenen Bewilligungsbescheid vom 6.4.2016 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld ab 19.5.2015 vorläufig; das angekündigte Schreiben über die Gründe der nur vorläufigen Bewilligung erging allerdings genauso wenig wie eine endgültige Bewilligung.

Für die Zeiträume vom 3.6.2025 bis 9.6.2015 und 16.6.2015 bis 22.6.2015 setzte die Beklagte in diesem Bewilligungsbescheid den täglichen Leistungsbetrag mit jeweils 0,00 € fest mit der Begründung, in diesen Zeiträumen seien Sperrzeiten eingetreten.

Die Bewilligung war ferner befristet bis einschließlich 23.6.2015, weil danach die Verfügbarkeit des Klägers entfallen sei.

Auf den Widerspruch des Klägers korrigierte die Beklagte durch Änderungsbewilligungsbescheid vom 10.5.2016 das Ende der Zahlungsbefristung auf den 24.6.2015, gab für den einen Tag am 25.6.2015 den Zahlbetrag mit 0,00 € an wegen Eintritts einer Sperrzeit und als Grund für die Befristung „Beendigung der Arbeitslosigkeit wegen fehlender Verfügbarkeit“.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.5.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers vom 12.4.2015 sodann als unbegründet zurück. Sie trägt insoweit im wesentlichen vor, mit Bewilligungsbescheid vom 6.4.2016 und Änderungsbewilligungsbescheid vom 10.5.2016 sei der Eintritt dreier Sperrzeiten wegen dreier Meldeversäumnissen festgestellt worden und angesichts des dritten Meldeversäumnisses unter Berücksichtigung der EAO die Verfügbarkeit des Klägers entfallen, weil dieser objektiv nicht in der Lage sei, die Agentur für Arbeit persönlich aufzusuchen.

D.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 13.6.2016 zum Sozialgericht Bayreuth erhobenen Klage. Zu deren Begründung trägt er - soweit noch streitig - vor, er sei seit 15.4.2015 ohne Geld gewesen und habe erst am 12.8.2015 Insolvenzgeld erhalten. Er habe daher nicht die finanziellen Mittel gehabt, von N. nach H. zur Wahrnehmung der Meldeaufforderungen zu fahren. Seiner telefonischen Bitte (nach Erhalt der Meldeaufforderung zum 2.6.2015) um vorschussweise Gewährung des Insolvenzgeldes sei nicht entsprochen worden. Sperrzeiten könnten nicht eintreten, solange Arbeitslosengeld nicht bereits bewilligt gewesen sei - was in seinem Fall aber gerade nicht geschehen war. Zudem solle die Beklagte die infolge der verzögerten Zahlung von Insolvenzgeld und Arbeitslosengeld angefallenen Verzugszinsen hinsichtlich der rückständigen Mieten sowie der Beitragsrückstände der Kranken- und Pflegeversicherung erstatten und auch die verspätet geleisteten Sozialleistungen verzinsen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Bescheid vom 6.4.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.5.2016, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.5.2016 aufzuheben, ihm durchgehend ab 19.5.2015 Arbeitslosengeld zu gewähren, Schadenersatz bezüglich der Verzugszinsen für rückständige Mietzahlungen zu leisten und die nachgezahlten Sozialleistungen zu verzinsen. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst vollinhaltlich Bezug auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide sowie den Inhalt ihrer Akten. Ergänzend weist sie darauf hin, dass der Kläger ab 19.5.2015 unabhängig von einer Zahlung von Arbeitslosengeld verpflichtet gewesen sei, Meldeaufforderungen nach § 309 SGB III nachzukommen. Dies habe der Kläger drei Mal nicht getan und damit wie auch durch seine Reaktion am 11.8.2015 zum Ausdruck gebracht, kein Interesse mehr an einer weiteren Arbeitsvermittlung mehr zu haben.

Die Insolvenzgeld- und Arbeitslosengeld-Akten der Beklagten sowie die Klageakten des Sozialgerichts Bayreuth (Az.: S 10 AL 152/15) sind zum Verfahren beigezogen worden und liegen der Entscheidung des Gerichts zugrunde. Hierauf sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze wird zur Ergänzung des Tatbestands vollinhaltlich verwiesen.

Gründe

Da die Sache keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und beide Parteien ausreichend angehört worden sind, konnte das Gericht gem. § 105 SGG durch Gerichtsbescheid seine Entscheidung treffen. Eines Einverständnisses der Parteien mit diesem Procedere bedarf es nicht.

Das Sozialgericht Bayreuth ist zur Entscheidung dieses Rechtsstreits sachlich und auch örtlich gem. §§ 51, 57 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständig. Die form- und fristgerecht sowie nach Durchführung des gesetzlichen Widerspruchsverfahrens erhobene Klage ist im Ergebnis weitgehend begründet.

A.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die beiden Verzinsungsbegehren offensichtlich nicht erfolgreich sein können:

Soweit eine Erstattung der wegen der verzögerten Mietzahlung angefallenen Verzugszinsen begehrt wird, handelt es sich um Schadenersatz. Für die Geltendmachung von privatrechtlichen Schadenersatzforderungen in Verbindung mit einer Verantwortlichkeit der Behörde aus Amtshaftung ist jedoch der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gem. § 51 SGG nicht eröffnet. Derartige Forderungen sind gem. § 40 Abs. 2 VwGO analog iVm Art. 34 GG, § 17 Abs. 2 GVG der Zivilgerichtsbarkeit zugewiesen.

Soweit der Kläger Verzinsung wegen verspäteter Zahlung von Sozialleistungen geltend macht, haben hierüber zwar dem Grunde nach die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zu befinden. Die Zuständigkeit eines Sozialgerichts ist jedoch erst eröffnet, wenn die Behörde mit Verwaltungsakt über einen Zinsanspruch entschieden und hierzu auch ein Widerspruchsverfahren durchgeführt hat. Solche Bescheide liegen hier fraglos nicht vor, so dass dieses Begehr des Klägers unzulässig ist. Im übrigen beginnt nach § 44 SGB I die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Sozialleistungsträger. Der Arbeitslosengeldantrag bezüglich des Arbeitslosengeldes ab 19.5.2015 lag der Beklagten vollständig erst am 6.4.2016 vor; vorher konnte die Beklagte mangels konkreter Angaben überhaupt keine Entscheidung treffen. Die Beklagte hatte nach dem 6.4.2016 zinsrechtlich noch volle sechs Monate Zeit für eine Zahlung ohne zinspflichtig zu werden. Sie hat jedoch bereits am 6.4.2016 bzw 10.5.2016 und damit fraglos innerhalb des Sechs-Monats-Zeitraums über den Antrag entschieden. Gleiches gilt entsprechend bezüglich des Insolvenzgeldes.

B.

Die Befristung der Arbeitslosengeldbewilligung wegen fehlender Verfügbarkeit mit Ablauf des 25.6.2015 ist rechtswidrig. Wie das BSG mit Urteil vom 14.5.2014 (Az.: B 11 AL 8/13 R) entschieden hat, ist auch mit einem dritten Meldeversäumnis nicht automatisch die Verfügbarkeit des Klägers im Sinne des Tatbestandsmerkmals des § 137 SGB III entfallen. Denn selbst nach jeweils drei ordnungsgemäßen Meldeaufforderungen begründet ein dreimal aufeinanderfolgendes unentschuldigtes Fernbleiben von den Meldeterminen iS des § 309 SGB III nicht automatisch die Annahme, dass die Verfügbarkeit entfallen ist. Einen solchen Automatismus sieht das SGB III nicht vor. Damit war die Zahlungseinstellung mit Ablauf des 24.6.2015 bzw 25.6.2015 rechtswidrig und hat keinen Bestand.

I.

Die Regelung des § 138 Abs. 5 Ziff. 3 SGB III verlangt für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit iS von §§ 136, 137 SGB III, dass ein Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv zur Verfügung steht, indem er deren Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Aus der Regelung wird weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sachzusammenhang erkennbar, dass der Gesetzgeber das Vorhandensein dieser äußeren Tatsache allein anhand des Erscheinens bei Meldeterminen feststellen lassen will.

§ 138 Abs. 5 Ziff. 1 SGB III verlangt für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit weiter, dass ein Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv zur Verfügung steht, indem er jede versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkts annehmen und ausüben kann und darf. Dazu gehört auch, dass der Arbeitslos Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Aus dieser Regelung ergibt sich weder nach ihrem Wortlaut noch nach dem Sachzusammenhang, dass das Vorliegen dieser äußeren Tatsache allein anhand des Erscheinens bei Meldeterminen festzustellen wäre.

Ferner verlangt § 138 Abs. 5 Ziff. 3 SGB III auch die Bereitschaft, solche objektiv möglichen Beschäftigungen auch aufnehmen und ausüben zu wollen (sog. Subjektive Verfügbarkeit). Auch aus dieser Regelung ergibt sich weder nach deren Wortlaut noch nach dem Sachzusammenhang, dass das Vorliegen dieser inneren Tatsache allein anhand des Erscheinens bei Meldeterminen festzustellen wäre.

Da § 138 Abs. 5 SGB III keine Verknüpfung zwischen der Verfügbarkeit und dem Erscheinen zu einem Meldetermin nach § 309 SGB III herstellt, kann das Nichterscheinen zu einem Meldetermin auch nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitslosen hinsichtlich des Fortbestehens von objektiver und subjektiver Verfügbarkeit führen.

§ 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III stellt schließlich auch keinen gegenüber § 138 Abs. 5 SGB III erweiterungsfähigen Tatbestand dar, unter dem weitere Tatsachen zur Anspruchsvoraussetzung erhoben werden können, die nicht bereits von § 138 Abs. 5 SGB III erfasst werden.

II.

Das Gericht übersieht dabei nicht, dass das Vorliegen eines mehrfachen - hier dreimaligen - Meldeversäumnisses eine Prüfung und Entscheidung über das Fehlen von Verfügbarkeit aufgrund einer Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Arbeitslosen - auch unter Berücksichtigung der Meldeversäumnisse - nicht ipso iure ausschließt. Denn die Bundesagentur für Arbeit hat auch während des Leistungsbezugs gem. § 20 SGB X von Amts wegen zu prüfen, ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (weiterhin) vorliegen. Im Fall des Klägers könnte zweifelhaft sein, ob „Arbeitslosigkeit“ des Leistungsbeziehers iS des § 138 SGB III noch gegeben ist. Die Verfügbarkeit ist gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III ein Aspekt der Anspruchsvoraussetzung „Arbeitslosigkeit“. Fehlt es an der objektiven oder subjektiven Verfügbarkeit oder auch Erreichbarkeit des Arbeitslosen, liegt Arbeitslosigkeit im Sinne des Gesetzes nicht (mehr) vor.

1. Bei der Prüfung dieser Frage ist das dreimalige Nichterscheinen zum Meldetermin nach Meldeaufforderungen iS des § 309 SGB III ein gewichtiges Indiz dafür, dass es an der subjektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen fehlt. Ein solches Verhalten kann die Beklagte zur Versagung und damit zur Befristung der Bewilligung von Arbeitslosengeld berechtigen. Dabei kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, sodass auch das Verhalten des Arbeitslosen außerhalb der Meldeversäumnisse zu würdigen ist.

Eine solche Würdigung hat die Beklagte im Verwaltungsverfahren überhaupt nicht vorgenommen. Erst im Klageverfahren hat sie insbesondere auf die Reaktion des Klägers am 11.8.2015 hingewiesen, die er auf die Frage der Beklagten nach einer erneuten Arbeitslosmeldung und Antragstellung gezeigt hat. Dabei hat sie allerdings außer Acht gelassen, dass sich die von der Mitarbeiterin der Beklagten gestellte Frage nach einer erneuten Arbeitslosmeldung und Antragstellung objektiv gar nicht stellte, weil die Verfügbarkeit nach dem 25.6.2015 gar nicht entfallen war und somit für den Kläger objektiv keinerlei Anlass bestand, sich erneut persönlich arbeitslos zu melden und einen Weiterbewilligungsantrag zu stellen. Eine Nicht-Antwort auf eine völlig unbehelfliche Frage der Behörde geht nicht zu Lasten des Arbeitslosen. Zudem hätte die unbestimmte und vage Reaktion des Klägers für die Beklagte - aus ihrer Sicht - unbedingt Anlass zu genauer Klärung sein müssen und es hätte die Beklagte nicht bei der ebenso vagen Vermutung belassen dürfen „Heute anscheinend keine neue AloMe durch Kd gewünscht.“ Wenn die Beklagte trotz eines derart offensichtlichen Anlasses gleichwohl eine genaue Sachverhaltsaufklärung unterlässt, geht auch dies ausschließlich zu ihren Lasten.

Darüber hinaus hat die Beklagte die Verfügbarkeit nicht mit der subjektiven und/oder objektiven Verfügbarkeit verneint, sondern mit der fehlenden Erreichbarkeit des Klägers iS der EAO. Ihrer Ansicht nach ist der Kläger nach dem 25.6.2015 objektiv nicht (mehr) in der Lage gewesen, das Arbeitsamt H. aufzusuchen und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Auf welchen konkreten Sachverhalt sie diese Behauptung stützt, hat sie nicht offenbart. Aus den Verwaltungsakten der Beklagten ergibt sich keinerlei Anhalt, dass der Kläger objektiv nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die Arbeitsagentur H. aufzusuchen: Er hat vielmehr unstreitig am 11.8.2015 die Beklagte persönlich aufgesucht und damit die ohnehin nicht nachvollziehbare Annahme der Beklagte eindeutig widerlegt. Die in der Vergangenheit vor dem 25.6.2015 liegenden Meldeversäumnisse lassen - wie bereits oben dargestellt - entgegen der Auffassung der Beklagten keinerlei Rückschluss zu auf die objektive und subjektive Verfügbarkeit.

2. Die Verfügbarkeit des Klägers ist zeitlich jedoch nicht unbegrenzt. Sie hat unzweifelhaft ihre Beendigung gefunden mit dem Beginn der Inhaftierung am 16.12.2015. Denn ab diesem Zeitpunkt war der Kläger offensichtlich nicht mehr in der Lage an jedem Tag, für den er Arbeitslosengeld begehrt, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen und auszuüben. Er stand infolge der Inhaftierung für eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt objektiv nicht mehr zur Verfügung. Soweit der Kläger auch während seiner Inhaftierung die Gewährung von Arbeitslosengeld begehren sollte, ist die Klage offensichtlich unbegründet. Für die Zeit nach dem Ende der Inhaftierung ist Arbeitslosengeld weiterbewilligt worden.

C.

Die Feststellung eines täglichen Zahlbetrags von Null in den Zeiträumen vom 3.6.2025 bis 9.6.2015 und vom 16.6.2015 bis 22.6.2015 sowie am 25.6.2015 mit angefochtenem Bewilligungsbescheid vom 6.4.2016 bzw Änderungsbewilligungsbescheid vom 10.5.2016 hat keinen Bestand.

I.

Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens und damit eines Widerspruchsbescheides ist nach § 78 SGG ein Verwaltungsakt. Vorliegend gibt die Beklagte im Vorblatt ihres Widerspruchsbescheides an, sie halte den „Eintritt von 3 Sperrzeiten wegen Meldeversäumnis und Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 26.6.2015“ für rechtmäßig.

Solche Feststellungs-Bescheide über den Eintritt dreier Sperrzeiten von jeweils einer Woche (eine Sperrzeit von nur genau einem Tag ist aus Rechtsgründen ohnehin nicht möglich, die kürzeste Sperrzeit beträgt immer eine Woche) gibt es genauso wenig wie einen Aufhebungsbescheid ab 26.6.2015, schon gar nicht unter dem Datum 6.4.2016 bzw. 10.5.2016. Unter diesen Daten gibt es nur einen vorläufigen Bewilligungsbescheid, mit dem für die streitigen Zeiträume der tägliche Zahlbetrag des Arbeitslosengeldes mit Null bestimmt und im Anschluss daran Arbeitslosengeld wegen fehlender Verfügbarkeit im Wege der Befristung ganz versagt wird.

Eine nicht existente Einzelfallregelung iS des § 31 SGB X (hier Eintritt dreier „vorläufiger Sperrzeiten“) kann nicht wirksam mit einem Rechtsbehelf angefochten und ihre Existenz und Rechtmäßigkeit auch nicht durch einen Widerspruchsbescheid bestätigt werden. Der Widerspruchsbescheid vom 11.5.2016 ist daher mangels mindestens eines Ausgangsbescheides in Form der Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit nichtig und sein Rechtsschein zu beseitigen.

II.

Der „Bewilligungsbescheid“ vom 6.4.2016 / 10.5.2016 selbst ist, auch soweit er für die streitigen Zeiträume den täglichen Leistungsbetrag, also die tägliche Zahlung, mit Null bestimmt, kein Sperrzeitbescheid iS des § 159 SGB III mit der Folge des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs und der Anspruchsminderung; er steht einem solchen Feststellungsbescheid auch nicht gleich.

Ausgehend vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) dient ein Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X dazu, die abstrakt generellen gesetzlichen Regelungen auf den Einzelfall umzusetzen. Der Verfügungssatz ist der Inbegriff der Regelung des Verwaltungsaktes, der deshalb klarer und eindeutiger Ausführungen bedarf, dass, warum, in welchem Zeitraum mit welchen Rechtsfolgen welche genaue hoheitliche Regelung im vorliegenden konkreten Einzelfall getroffen wird, also etwa ein Ruhen des Anspruchs eingetreten ist oder ein begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben wird. Das BSG hat ausgeführt, dass die „Typus prägenden Merkmale“ unzweifelhaft erkennbar sein müssen. Zwar ist danach ein die Verfügung eines Ruhens ausführender Bewilligungs-/Zahlungsbescheid zusammen mit dem Feststellungsbescheid selbst als rechtliche Einheit im Sinne eines Verwaltungsakts anzusehen, denn der ausführende Zahlungsbescheid trifft für den Ruhenszeitraum keine eigene hoheitliche Regelung im Einzelfall. Und es bildet nach ständiger Rechtsprechung des BSG deshalb ein Bewilligungsbescheid, soweit er den Feststellungs-Bescheid bezüglich der Sperrzeit hinsichtlich des Arbeitslosengeld-Anspruchs ausführt, eine rechtliche Einheit mit dem Feststellungs-Bescheid (vgl BSGE 84, 225, 227 = SozR 3-​4100 § 119 Nr. 17 S. 78; BSGE 84, 270, 271 = SozR 3-​4100 § 119 Nr. 19 S. 93; BSGE 96, 22 ff = SozR 4-​4300 § 144 Nr. 12, jeweils RdNr. 10), sodass der Bewilligungs-Bescheid mangels Einzelfallregelung diesbezüglich nicht gesondert anzufechten ist. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit von klaren und eindeutigen Ausführungen im Verfügungssatz eines feststellenden Verwaltungsakts, dass, wann und wie lange mit welchen genauen Rechtsfolgen eine Sperrzeit und als eine ihrer Folgen das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs eingetreten und die Anspruchsdauer gemindert ist.

Eine bloße Erläuterung für den Grund der Zahlungsverweigerung bzw der Angabe eines Zahlungsanspruchs in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 0,00 € in einem Bewilligungs-Bescheid („Gfs. Begründung falls keine Leistung zusteht“) stellt keinen Feststellungsbescheid über eine kraft Gesetzes eingetretene Sperrzeit und auch keinen Verfügungssatz über den Eintritt eines Ruhens infolge einer Sperrzeit und die Minderung der Anspruchsdauer dar. Durch den ausdrücklich als solchen bezeichneten „Bewilligungsbescheid zur Kundennummer XY“" vom 6.4.2016/10.5.2016 hat die Beklagte im Verfügungssatz nicht über den Eintritt einer Sperrzeit, eines Ruhens und einer Anspruchsminderung entschieden, sondern einen Zahlungsbetrag von Arbeitslosengeld in den drei genannten Zeiträumen in Höhe von 0,00 € täglich angegeben mit der „Begründung“, dass über den Auszahlungsanspruch noch ein gesondertes Schreiben ergeht bzw eine Sperrzeit eingetreten sei.

Die dem Gericht in mündlichen Verhandlungen verschiedentlich kommunizierte und mit dem Hinweis auf den Empfängerhorizont verbrämte Auffassung der Beklagten „Die Leute wissen, dass sie nichts kriegen, das reicht doch“ lässt ein sehr eigenes Verständnis von Rechtsstaatlichkeit erkennen.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur ist bei einem Bescheid, der Geldleistungen betrifft, Gegenstand der Verfügung iS des § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) nur die Art, Dauer (Beginn und Ende) und die Höhe einer Leistung (vgl BSGE 72, 206, 207 = SozR 3-4100 § 103a Nr. 1; BSG SozR 3-4100 § 136 Nr. 3 S. 6; SozR 3-4100 § 119 Nr. 15; SozR 4100 § 112 Nr. 23; siehe auch Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr. 9 mwN). Die Feststellungen zu Eintritt, Lage und konkreten Rechtsfolgen einer Sperrzeit werden durch einen solchen Verwaltungsakt nicht verbindlich festgeschrieben (vgl etwa BSG, Urteil vom 1.6.2006 - B 7a AL 6/05 R -, SozR 4-4300 § 158 Nr. 3, SozR 4-4300 § 77 Nr. 4, Rn. 17; Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl., § 77, Rdnr. 5b mwNw, Rdnr. 5d mwNw). Der Verfügungssatz ist der Inbegriff der Regelung des Verwaltungsaktes, er soll dem Adressaten genau sagen, was die Behörde von ihm will oder was für ein Recht ihm eingeräumt wird, er enthält auch die Angabe der Rechtsnormen, die der Verwaltungsaktsentscheidung zugrunde liegen und hat damit zugunsten des Adressaten eine Klarstellungsfunktion.

Dass manche Bescheidempfänger sich schon denken können, was mit dem „vorläufigen“ (?) Zahlungsbetrag Null gemeint sein könnte, auch wenn sie den entsprechenden Verwaltungsakt (noch) nicht „schwarz auf weiß“ in Händen halten, entbindet die Verwaltung nicht von einem korrekten Verwaltungshandeln auch in formeller Hinsicht.

Insbesondere angesichts der für den Leistungsberechtigten weitreichenden nachteiligen Rechtsfolgen der Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit ist die Verwaltung zwingend gehalten, entsprechend deutlich nach den eindeutigen Vorgaben der gesetzlichen Normen ihre Bescheide abzufassen. Allein die Verwaltung hat es in der Hand, ihre Regelungsabsicht von vornherein mit der nötigen und gebotenen Klarheit auszudrücken (s. dazu auch BSG Urt v 28.6.1990, Az.: 4 RA 57/89, Rdnr. 35). Vollziehende Gewalt ist Gesetzesvollzug. Ausgehend vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung des Art. 20 Abs. 3 GG dient ein Verwaltungsakt dazu, die abstrakt generellen gesetzlichen Regelungen auf den Einzelfall umzusetzen. Im Ergebnis geht daher jedwede Unklarheit zu Lasten der Behörde (vgl LSG Erfurt, Urt v 25.11.2015, Az.: L 4 AS 1010/13). Vorliegend hat die Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 4.11.2016 nur eine Entscheidung über die Höhe von Arbeitslosengeld auch im Zeitraum vom 22.10.2016 bis 13.1.2017 getroffen, aber nicht eine Entscheidung über die Sperrzeit als solche und nicht eine Entscheidung über deren Rechtsfolgen in Form des Ruhens des Arbeitslosengeldanspruchs sowie Tatsache und Umfang der Anspruchsminderung. Ein Zahlungsbewilligungsbescheid regelt in seinem Verfügungssatz nicht einzelne Elemente eines Anspruchs (Meyer-Ladewig, aaO, § 77, Rdnr. 5d).

Mangels eines entsprechenden Verfügungssatzes hat die Beklagte nach alledem zu keinem Zeitpunkt den Eintritt des Ruhens infolge einer Sperrzeit, Lage und Dauer des Sperrzeit- bzw. Ruhenszeitraums wie auch der weiteren Rechtsfolge in Form einer Anspruchsminderung festgestellt. Ein Sperrzeit- bzw. Ruhens-Verfügungssatz existiert somit auch nicht in Form eines Bewilligungsbescheides über eine tägliche Leistung mit dem Wert Null. Vielmehr fehlt es für die Festsetzung einer Zahlung mit dem Wert Null Euro in jedem Fall an der „Grundlagenentscheidung“ in Form eines Sperrzeit- bzw. Ruhens-Feststellungsbescheides.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die in § 77 SGG geregelte Bindungswirkung von Verwaltungsakten zu verweisen, die sich nur auf den Verfügungssatz, nicht aber auf die Begründung des Verwaltungsakts bezieht (vgl BSG Urt v 23.11.2005, Az.: B 12 RA 15/04 R, Rdrn. 14). Deshalb hat bekanntlich ein Bescheid Bestand, wenn sein Verfügungssatz richtig, aber seine Begründung falsch ist. Mit dieser Bindungswirkung nur des Verfügungssatzes korreliert, dass die bloße Bescheidbegründung als solche nicht rechtsbehelfsfähig ist, dies ist nur der „Tenor“ des Verwaltungsakts, in dem die Einzelfallregelung getroffen wird. Soweit sich also lediglich in der Begründung des Zahlungsbescheids Äußerungen dazu finden, dass und weshalb eine Sperrzeit (von den Rechtsfolgen wird in der Begründung nur die Anspruchsminderung erwähnt) vorliege und die Bewilligung aufgehoben werde, ist dies vom Bescheidadressaten nicht anfechtbar. Der einzelne Leistungsempfänger kann sich also in letzter Konsequenz nicht gegen das behauptete Vorliegen einer Sperrzeit oder eines Ruhens mit Mitteln des Rechtsstaats wehren, sondern muss hinnehmen, dass der tägliche Zahlbetrag in einem bestimmten Zeitraum eben Null ist.

III.

Zudem begegnet der Bescheid vom 6.4.2016/10.5.2016 auch insoweit Bedenken, als er für die genannten Zeiträume ausdrücklich eine vorläufige Versagung treffen soll, allerdings diese Vorläufigkeit entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung des § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III nicht ansatzweise begründet!

1. Im Zeitpunkt des Bescheiderlasses stand der Arbeitslosengeldanspruch für die Beklagte jedenfalls ab dem 19.5.2015 dem Grund und der Höhe nach fraglos fest, weitere Ermittlungen der Beklagten waren diesbezüglich nicht erforderlich und wurden auch nicht durchgeführt. Damit hatte der Kläger bereits am 6.4.2016/10.11.2016 Anspruch auf eine abschließende Entscheidung über seinen Leistungsantrag jedenfalls ab dem 19.5.2015. Denn wenn eine Sache entscheidungsreif ist, muss eine abschließende Entscheidung über den Leistungsantrag ergehen. Die Voraussetzungen für eine nur „vorläufige Leistungsbewilligung“ nach § 328 SGB III lagen für diesen Zeitraum nicht vor, denn die Voraussetzungen des Anspruchs waren für diesen Zeitraum waren bereits sämtlich festgestellt.

Hinzu kommt, dass eine vorläufige Leistungsversagung durch § 328 SGB III schon prima facie nicht gedeckt ist. Diese Norm ermöglicht nur eine vorläufige Bewilligung! Die vorläufige Leistungsversagung erfolgte ohne Rechtsgrundlage und ist daher rechtswidrig (s.dazu auch unten).

2. Allerdings hat der Kläger den Bewilligungsbescheid hinsichtlich seiner Vorläufigkeit ab dem 19.5.2015 nicht angegriffen. Das Gericht jedoch hat die Vorläufigkeit der angefochtenen Regelung zu beachten. Denn nach dem Verständnis der Beklagten wollte sie damit drei vorläufige Sperrzeit-Entscheidungen treffen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten lagen (unabhängig von einer Sperrzeit) die Voraussetzungen für eine vorläufige negative Leistungsbewilligung in den drei genannten Zeiträumen schon im Ansatz nicht vor, denn nur die vorläufige Leistungsbewilligung (nicht -versagung) zielt gem. § 328 SGB III gerade auf eine Vorwegleistung bei unklarer Sachverhaltslage, um dem Bürger nahtlose Leistungserbringung zu gewährleisten; § 328 SGB III ermächtigt die Beklagte aber nicht zu einer vorläufigen (teilweisen) Ablehnung des Leistungsanspruchs (Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, § 328, Rdnr. 10; Mutschler ua, SGB III, 6. Aufl., § 328, Rdnr. 21)

Die vorläufige Feststellung des Eintritts einer Sperrzeit zu Lasten des Anspruchstellers, was die Beklagte konstruieren will, ist von § 328 SGB III ohnehin nicht gedeckt, denn diese Norm regelt ausdrücklich und ausschließlich die „Erbringung von Geldleistungen“, nicht die deklaratorische Feststellung einer Rechtslage. Der bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen kraft Gesetzes erfolgende Eintritt einer Sperrzeit ist jedoch selbst keine Geldleistung und hängt hinsichtlich ihres Eintritts und Bestands auch nicht von einem Arbeitslosengeldanspruch dem Grunde nach ab. Eine „vorläufige Sperrzeit“ gibt es nicht!

D.

Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass mit Bewilligungsbescheid vom 6.4.2016/10.5.2016 keine Regelung iS des § 31 SGB X über den Eintritt dreier Sperrzeiten und deren Rechtsfolgen im konkreten Einzelfall getroffen wurde. Dies hat zur Folge, dass der diese Sperrzeiten angreifende „Widerspruch“ des Klägers vom 12.4.2016 sich gegen eine nicht existente Regelung wendet und nicht statthaft ist. Wendet sich ein Antragsteller schriftlich gegen eine Mitteilung der Behörde, die kein Verwaltungsakt ist, liegt ein statthafter Widerspruch auch dann nicht vor, wenn die Behörde selbst das Schreiben als „Widerspruch“ ansieht (vgl. BSG Urt v 18.1.2011, Az. B 2 U 15/10 R), denn der Verwaltungsakt muss bereits vor Einlegung des Widerspruchs ergangen sein. Der „Widerspruch“ des Klägers vom 12.4.2016 gegen den Bescheid vom 6.4.2016 hätte deshalb durch Widerspruchsbescheid als unzulässig verworfen werden müssen.

Ein rechtsbehelfsfähiger Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X über den Eintritt einer Sperrzeit wurde zu keinem Zeitpunkt erlassen. Ein bereits vor dem Erlass eines solchen Sperrzeitbescheides bei der Beklagten eingegangener Widerspruch, der sich gegen einen nicht existenten Sperrzeit-Verwaltungsakt wendet, ist ebenfalls unzulässig und vermag in materiell-rechtlicher Hinsicht kein Widerspruchsverfahren einzuleiten. Der Widerspruch wird auch dann nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt später ergeht (Meyer-Ladewig, aaO, § 83, Rdnr. 3 mwNw), was hier jedoch ohnehin nie der Fall war.

Der zum vorliegend anhängigen Klageverfahren führende Widerspruchsbescheid ist daher bezüglich der Zeiten eines täglichen Leistungsbetrags 0,00 € in jeder Hinsicht rechtswidrig und hat keinen Bestand.

E.

Angesichts der massiven Verletzung von Verfahrens- und materiell-rechtlichen Vorschriften konnten weder der Bewilligungsbescheid vom 6.4.2016/10.5.2016 (soweit der Leistungsbetrag mit Null festgesetzt und die Leistung befristet worden war) noch der Widerspruchsbescheid vom 11.5.2016 Bestand haben und waren zu kassieren und zu entscheiden wie geschehen.

Die Kostengrundentscheidung, wonach die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger iS des § 193 Abs. 2 SGG zu tragen hat, ergibt sich aus dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens, in dem der Kläger im wesentlichen obsiegt hat. …

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Bayreuth Gerichtsbescheid, 05. März 2018 - S 10 AL 96/16

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(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die

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(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn 1. ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder2. der Verwaltungsakt v

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(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. (2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 328 Vorläufige Entscheidung


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Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 44 Verzinsung


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(1) Arbeitslose haben sich während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Un

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(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer1.arbeitslos ist,2.sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und3.die Anwartschaftszeit erfüllt hat. (2) Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Pers

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Sozialgericht Bayreuth Gerichtsbescheid, 05. März 2018 - S 10 AL 96/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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(1) Arbeitslose haben sich während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Die Meldung muss bei der in der Aufforderung zur Meldung bezeichneten Stelle erfolgen. Die allgemeine Meldepflicht besteht auch in Zeiten, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.

(2) Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der

1.
Berufsberatung,
2.
Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit,
3.
Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
4.
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und
5.
Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch
erfolgen.

(3) Die meldepflichtige Person hat sich zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit zu melden. Ist der Meldetermin nach Tag und Tageszeit bestimmt, so ist die meldepflichtige Person der allgemeinen Meldepflicht auch dann nachgekommen, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird. Ist die meldepflichtige Person am Meldetermin arbeitsunfähig, so wirkt die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt.

(4) Die notwendigen Reisekosten, die der meldepflichtigen Person und einer erforderlichen Begleitperson aus Anlaß der Meldung entstehen, können auf Antrag übernommen werden, soweit sie nicht bereits nach anderen Vorschriften oder auf Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges wird durch eine nach Rechtshängigkeit eintretende Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Während der Rechtshängigkeit kann die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

(2) Das Gericht des zulässigen Rechtsweges entscheidet den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Artikel 14 Abs. 3 Satz 4 und Artikel 34 Satz 3 des Grundgesetzes bleiben unberührt.

(1) Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen.

(2) Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrags nach Ablauf eines Kalendermonats nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung.

(3) Verzinst werden volle Euro-Beträge. Dabei ist der Kalendermonat mit dreißig Tagen zugrunde zu legen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) mit Wirkung für die Zukunft nach unentschuldigten Meldeversäumnissen.

2

Der 1967 geborene Kläger war von 1991 bis Ende 2007 als Vertriebsleiter eines großen Versicherungsunternehmens im Außendienst beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags zum 31.12.2007 unter Vereinbarung einer Abfindung von 90 000 Euro. Während des vom 1.1. bis 5.7.2008 festgesetzten Ruhens des Anspruchs auf Alg wurden dem Kläger mehrere Vermittlungsvorschläge unterbreitet, über die er sich beschwerte. Es wurden auch Einladungen zur Vorsprache ausgesprochen, denen er nicht nachkam. Am 24.4.2008 fand im Beisein des örtlichen Teamleiters für Arbeitsvermittlung ein persönliches Gespräch in den Räumlichkeiten der Agentur für Arbeit statt. Als dem Kläger nicht gestattet wurde, dieses Gespräch mithilfe eines Diktiergeräts aufzuzeichnen, brach er es ab. Mit einer E-Mail vom selben Tage teilte der Kläger mit, dass er weitere Gesprächseinladungen nur annehmen werde, wenn ihm der Gesprächsmitschnitt mittels Diktiergerät vorab schriftlich zugestanden werde. Einen Rechtsbeistand könne er aus Kostengründen nicht zu jedem Gespräch hinzuziehen.

3

Die Beklagte zahlte dem Kläger ab 6.7.2008 Alg (Bescheid vom 27.12.2007, Änderungsbescheid vom 19.8.2008). Anfang August 2008 warf die Beklagte dem Kläger vor, innerhalb der zurückliegenden Wochen dreimal hintereinander ohne wichtigen Grund einer Einladung zu einem Meldetermin nicht gefolgt zu sein. Die Beklagte stellte mit nicht angegriffenem Bescheid vom 8.8.2008 Sperrzeiten fest und hob mit Aufhebungsbescheid vom 8.8.2008 die Bewilligung von Alg ab dem 11.8.2008 auf. Der Kläger zeige durch sein Fernbleiben, dass er den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung stehe. Daher habe er keinen weiteren Anspruch auf Alg. Auf den Widerspruch des Klägers verschob die Beklagte das Wirksamwerden der Aufhebungsentscheidung auf den 12.8.2008 (Änderungsbescheid vom 19.8.2008) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 22.10.2008).

4

Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 18.12.2009), das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.11.2012). Zur Begründung haben beide Gerichte nach persönlicher Anhörung des Klägers ausgeführt, es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger auf (schriftlich) übermittelte Eingliederungs- und Vermittlungsvorschläge nicht reagiert hätte, sodass weiterhin von einer ausreichenden subjektiven Verfügbarkeit des Klägers auszugehen sei.

5

Die Beklagte macht mit ihrer Revision ein Überschreiten der Grenzen der freien Beweiswürdigung, § 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sowie eine Verletzung des § 48 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) iVm § 119 Abs 5 Nr 2 und 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung (aF) geltend. Das Verhalten des Klägers lasse den Schluss zu, dass er sich innerlich von jedweder Vermittlungstätigkeit der Beklagten abgewandt habe; die abweichend gebildete Überzeugung des LSG liege außerhalb der Grenzen der freien Beweiswürdigung. Zudem habe das LSG rechtswidrig seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen der Beklagten gesetzt, anstatt - wie es seine Aufgabe gewesen wäre - die Beweiswürdigung der Beklagten lediglich auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Auch sei das materielle Recht dahin auszulegen, dass nach drei aufeinanderfolgenden Meldeversäumnissen zulasten des Arbeitslosen davon auszugehen sei, dass dieser der Vermittlungstätigkeit der Beklagten nicht mehr zur Verfügung stehe.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. November 2012 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Dezember 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§§ 165, 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

10

Die Revision der Beklagten ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

11

Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klage war als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) zulässig und begründet. Der Aufhebungsbescheid vom 8.8.2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 19.8.2008 sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach den bindenden, weil nicht mit einer durchgreifenden Verfahrensrüge angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG (§§ 163, 164 Abs 2 S 3, § 170 Abs 3 S 1 SGG) lagen die Voraussetzungen, unter denen eine Aufhebung der Bewilligung von Alg zum 12.8.2008 hätte ergehen dürfen, nicht vor.

12

Gemäß § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei der Bewilligung von Alg handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die der Bewilligung des Alg im Dezember 2007 zugrunde gelegen haben, ist entgegen dem Bescheid der Beklagten bis zum 12.8.2008 nicht eingetreten.

13

Unschädlich ist, dass sich den Feststellungen des LSG nicht eindeutig entnehmen lässt, ob dem Kläger im August 2008 überhaupt mehr als eine Einladung (Meldeaufforderung) zugegangen ist. Denn selbst nach jeweils drei ordnungsgemäßen Meldeaufforderungen begründet ein dreimal aufeinanderfolgendes unentschuldigtes Fernbleiben von den Meldeterminen (§ 309 SGB III) nicht automatisch die Annahme, dass in den tatsächlichen Verhältnissen, die der Gewährung von Alg zugrunde gelegen haben - namentlich in der Verfügbarkeit des Klägers nach § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 2 und 3 SGB III aF - eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Einen solchen Automatismus sieht das SGB III aF nicht vor.

14

1. Ein dreimaliges Meldeversäumnis begründet nicht ipso jure, dass die Verfügbarkeit eines Arbeitslosen entfällt.

15

Die Regelung des § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 2 SGB III aF verlangte für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit(§ 118 Abs 1 Nr 1 SGB III aF), dass ein Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Beklagten objektiv zur Verfügung steht, indem er deren Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Aus der Regelung wird weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sachzusammenhang erkennbar, dass der Gesetzgeber das Vorhandensein dieser äußeren Tatsache allein anhand des Erscheinens bei Meldeterminen feststellen lassen will. § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 3 SGB III aF verlangte für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit weiter, dass ein Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Beklagten subjektiv zur Verfügung steht, indem er bereit ist, jede versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkts anzunehmen und auszuüben. Aus der Regelung ergibt sich weder nach deren Wortlaut noch nach dem Sachzusammenhang, dass das Vorliegen dieser inneren Tatsache allein anhand des Erscheinens bei Meldeterminen festzustellen wäre.

16

Weder die objektive Verfügbarkeit (§ 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 1 SGB III aF) noch die subjektive Verfügbarkeit (§ 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 Nr 4 SGB III aF) weisen einen Bezug zur Wahrnehmung von Meldeterminen auf.

17

Da § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 SGB III aF keine Verknüpfung zwischen der Verfügbarkeit und dem Erscheinen zu einem Meldetermin nach § 309 SGB III aF herstellt, kann das Nichterscheinen zu einem Meldetermin auch nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitslosen hinsichtlich des Fortbestehens von objektiver und subjektiver Verfügbarkeit führen(vgl zur Beweislastumkehr BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5 mwN).

18

§ 119 Abs 1 Nr 3 SGB III aF stellt schließlich keinen gegenüber § 119 Abs 5 SGB III aF erweiterungsfähigen Tatbestand dar, unter dem weitere Tatsachen zur Anspruchsvoraussetzung erhoben werden können, die nicht bereits von § 119 Abs 5 SGB III aF erfasst werden.

19

Die historische Auslegung der Vorschriften stützt dieses Ergebnis: Der Gesetzgeber des § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 SGB III aF hat eine Verknüpfung von Meldepflicht und Verfügbarkeit nicht hergestellt, obwohl ihm das Konzept einer persönlichen Meldung zum rechtserhaltenden Nachweis anspruchsbegründender Tatsachen aus früheren Rechtslagen bekannt ist. So war in § 179 Abs 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Fassung der Neubekanntmachung vom 3.4.1957 (BGBl I 321, 351) bis zur Ablösung des AVAVG durch das Arbeitsförderungsgesetz vom 25.6.1969 (BGBl I 582) zum 1.7.1969 geregelt: "Wer Arbeitslosengeld bezieht, hat sich zur Erlangung von Arbeit und zum Nachweis der Arbeitslosigkeit regelmäßig und auf Vorladung beim Arbeitsamt zu melden. Die Pflicht zur Meldung besteht auch während einer Sperrfrist (§§ 78 bis 81), während der Wartezeit (§ 92), während eines Vorverfahrens oder eines Verfahrens bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für die Zeit, für die dem Arbeitslosen im Falle seines Obsiegens ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zustände." Hieran anknüpfend regelte § 98 AVAVG: "Das Arbeitslosengeld ist für die Tage eines Meldezeitraumes zu versagen, für den der Arbeitslose die vorgeschriebenen Meldungen (§ 179) ohne triftigen Grund trotz Belehrung über die Rechtsfolgen unterläßt. Eine nachträgliche Entschuldigung ist zulässig." § 91 AVAVG kleidete die Leistungserbringung in eine Holschuld des Arbeitslosen, indem er anordnete: "Das Arbeitslosengeld wird in bar und nur für die sechs Wochentage gewährt. Auf jeden Wochentag entfällt ein Sechstel des unter Berücksichtigung des § 95 festgesetzten wöchentlichen Arbeitslosengeldes. Das Arbeitslosengeld kann in besonderen Fällen dem Empfangsberechtigten überwiesen werden."

20

Dies zeigt, dass das unentschuldigte Unterlassen einer persönlichen Meldung trotz ausreichender Rechtsfolgenbelehrung in den Rang einer rechtsvernichtenden Tatsache (Einwendung) erhoben war. Die Verwaltungspraxis, den Zahltag in der Regel auch als Meldetag festzusetzen (Draeger/Buchwitz/Schönefelder, AVAVG, 1961, § 91 RdNr 3), dürfte dieser Konstruktion zusätzliche Wirkung verschafft haben.

21

Das AFG hat diese Konzeption des AVAVG nicht übernommen. Zwar sah der ursprüngliche Regierungsentwurf eines § 129 Abs 1 S 1 AFG noch vor, dass der Arbeitslose "sich während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt, regelmäßig und auf Vorladung beim Arbeitsamt zu melden (hatte), um Arbeit zu erlangen und glaubhaft zu machen, daß er arbeitslos ist und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht"(BT-Drucks V/2291, 26). Der Wortlaut der Regelung wurde aber im Gesetzgebungsverfahren geändert und lautete in dem am 1.7.1969 in Kraft getretenen § 132 Abs 1 S 1 AFG: "Der Arbeitslose hat sich während der Zeit, für die er Anspruch auf Arbeitslosengeld erhebt, beim Arbeitsamt zu melden, wenn das Arbeitsamt ihn dazu auffordert"(BGBl I 1969, 582, 604). Der Gesetzgeber folgte damit der Einschätzung des Ausschusses für Arbeit, wonach es nicht mehr zeitgemäß sei, "daß ein Arbeitsloser zur regelmäßigen Meldung beim Arbeitsamt - zum 'Stempeln' - verpflichtet ist". Diese Pflicht solle beseitigt werden, um das Tätigwerden der Arbeitsverwaltung einschließlich etwaiger Meldeaufforderungen im Einzelfall allein an den Bedürfnissen der Arbeitsvermittlung auszurichten (zu BT-Drucks V/4110, 22; Sitzungsprotokoll des Deutschen Bundestages, 234. Sitzung, 5. Wahlperiode 1969, S 12951 B, 12953 D).

22

Mit der Einführung des SGB III aF zum 1.1.1998 gab es in § 122 Abs 2 Nr 3 SGB III aF bis zum 31.7.1999 die Regelung, dass die anspruchsbegründende Wirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung nach Ablauf von drei Monaten erlischt, wenn der Arbeitslose diese nicht vor Ablauf dieser Zeit beim Arbeitsamt oder einem an der Vermittlung beteiligten Dritten erneuert (Art 1 des Gesetzes vom 24.3.1997, BGBl I 594, geändert durch Art 3 des Gesetzes vom 16.12.1997, BGBl I 2998, und Art 2 des rückwirkenden Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6.4.1998, BGBl I 688 f, 693). Die ersatzlose Streichung des § 122 Abs 2 Nr 3 SGB III aF(Zweites Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze <2. SGB III-ÄndG>) vom 21.7.1999) wurde wie folgt begründet: "Die seit 1. Januar 1998 geltende Verpflichtung von Arbeitslosen, ihre persönliche Arbeitslosmeldung im Abstand von drei Monaten zu erneuern, hat in der Praxis zu erheblichem Verwaltungsaufwand in den Arbeitsämtern geführt. Zur Bekämpfung des Leistungsmißbrauchs reichen effektivere Instrumente, wie etwa die Einladung von Arbeitslosen im Rahmen der Meldepflicht (§ 309), aus. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Arbeitsverwaltung dafür Sorge trägt, daß der mißbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen auch durch intensivierte Meldekontrollen entgegengewirkt wird. Die Regelung zur Erneuerung der Arbeitslosmeldung soll deshalb entfallen" (BT-Drucks 14/873, S 12).

23

Indem der Gesetzgeber die arbeitsförderungsrechtliche Regelungsfigur eines anspruchsvernichtend wirkenden Meldeversäumnisses aufgegeben und die Meldepflicht nach § 309 SGB III aF als Beispiel effektiverer Kontrolle herausgestellt hat, gibt er zu verstehen, dass er von dem Konzept einer wiederkehrenden Anspruchsprüfung durch Mitwirkungs- und Meldepflichten Abstand genommen hat. Eine Auslegung des § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 SGB III aF, die aus Meldeversäumnissen nach § 309 SGB III unmittelbar oder kraft Rechtsvermutung auf fehlende Verfügbarkeit schließen will, liefe dieser Regelungsabsicht des Gesetzes zuwider.

24

2. Das Vorliegen eines mehrfachen - hier dreimaligen - Meldeversäumnisses schließt allerdings eine Prüfung und Entscheidung über das Fehlen von Verfügbarkeit aufgrund einer Gesamtbetrachtung des Verhaltens des Arbeitslosen - auch unter Berücksichtigung der Meldeversäumnisse - nicht aus.

25

Die Arbeitsverwaltung bleibt in einer Situation, in der ein Arbeitsloser sich - wie hier - auf Meldeaufforderungen hin sowie in anderem Zusammenhang so verhält, dass Zweifel an seiner subjektiven Verfügbarkeit entstehen können, nicht ohne Reaktionsmöglichkeiten.

26

a) Die Bundesagentur für Arbeit hat auch während des Leistungsbezugs von Amts wegen zu prüfen (§ 20 SGB X), ob die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des Anspruchs auf Alg (weiterhin) vorliegen. Im Fall des Klägers könnte zweifelhaft sein, ob "Arbeitslosigkeit" des Leistungsbeziehers (§ 119 SGB III aF; jetzt § 138 SGB III) noch gegeben ist. Die Verfügbarkeit ist gemäß § 119 Abs 1 Nr 3, Abs 5 SGB III aF ein Aspekt der Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit". Fehlt es an der objektiven oder subjektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen, liegt Arbeitslosigkeit im Sinne des Gesetzes nicht (mehr) vor.

27

Bei der Prüfung dieser Frage ist das dreimalige Nichterscheinen zum Meldetermin nach Meldeaufforderungen iS des § 309 SGB III ein gewichtiges Indiz dafür, dass es an der subjektiven Verfügbarkeit des Arbeitslosen fehlt. Ein solches Verhalten kann die Beklagte zur Aufhebung der Bewilligung von Alg und Leistungsentziehung nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X berechtigen. Dabei kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalls an, sodass auch das Verhalten des Arbeitslosen außerhalb der Meldeversäumnisse zu würdigen ist. Vorliegend hat der Kläger es zB abgelehnt, ohne Zulassung der Aufzeichnung mittels Diktiergeräts an weiteren Besprechungen teilzunehmen. Auch hat er sich über Vermittlungsvorschläge beschwert, obwohl es zu den zentralen Aufgaben der Beklagten zählt, Arbeitslosen Vermittlungsangebote zu unterbreiten (§ 2 Abs 1 Nr 2, § 35 SGB III).

28

b) Alternativ zu einer Prüfung über Meldeaufforderungen besteht für die Beklagte auch die Möglichkeit, die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 f Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) zu konkretisieren und im Fall fehlender Mitwirkung des Arbeitslosen nach Maßgabe des § 66 SGB I zu reagieren. §§ 61, 66 SGB I sind insoweit neben der Meldeaufforderung nach § 309 SGB III anwendbar. § 37 SGB I will den Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuchs nur zurücktreten lassen, soweit die sachlich spezielleren Gesetze der einzelnen Bücher des Sozialgesetzbuchs eine Materie gesondert und abschließend regeln(Seewald in Kasseler Komm, § 37 RdNr 2, Stand September 2007). Eine solche Spezialität besteht im Verhältnis von §§ 61, 66 SGB I zu § 309 SGB III nicht; denn es handelt sich insoweit um zwei verschiedene Rechtsinstitute (Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 22.9.2000 - L 3 AL 10/00 - Juris), die nach Voraussetzungen, Rechtscharakter und Folgen ausreichend verschieden sind, um der Behörde nebeneinander zu Gebote zu stehen (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 309 RdNr 9 f, Stand Einzelkommentierung Mai 2012). Diesbezüglich ergibt sich aus § 309 SGB III nichts iS von § 37 SGB I Abweichendes(so im Ergebnis - stillschweigend - BSG SozR 4-1500 § 103 Nr 5; offengelassen, jedoch mit zustimmender Tendenz in einem obiter dictum BSG SozR 4100 § 132 Nr 1; Schleswig-Holsteinisches LSG Urteil vom 22.9.2000 - L 3 AL 10/00 - Juris; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, K § 309 RdNr 9 f, Stand Einzelkommentierung Mai 2012; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 309 RdNr 23 ff, Stand Einzelkommentierung November 2004; Mrozynski, SGB I, 5. Aufl 2014, § 61 RdNr 9; Harks in juris-PK SGB III, 2014, § 309 SGB III RdNr 12; Seewald in Kasseler Komm, § 61 SGB I RdNr 4, Stand Einzelkommentierung Dezember 2010; aA U. Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 309 SGB III RdNr 37 ff, Stand Einzelkommentierung April 2012; J. Winkler in LPK-SGB III, § 309 RdNr 4; Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 309 RdNr 4; Marschner in GK-SGB III, § 309 RdNr 7, Stand Einzelkommentierung Juli 2012; Davilla, Die Eigenverantwortung im SGB III und SGB II, S 234; Vor in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 32 RdNr 7; Scholz in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Aufl 2013, § 309 RdNr 7).

29

Vorliegend hat die Beklagte aber nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X eine gebundene Entscheidung getroffen. Eine Umdeutung in eine nach § 66 Abs 1 SGB I zu treffende Entscheidung, die im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten steht, scheidet gemäß § 43 Abs 3 SGB X aus.

30

3. Die Revisionsrüge der Beklagten gegen die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LSG greift nicht durch. Der Senat bleibt daher an die Feststellungen des LSG gebunden (§ 163 SGG), wonach der Kläger - trotz seines befremdlich erscheinenden Verhaltens - im August 2008 objektiv und subjektiv verfügbar war.

31

Die Rüge der Überschreitung der Grenzen zulässiger Beweiswürdigung durch das LSG ist unbegründet. Diese Grenzen sind vorliegend nicht als überschritten anzusehen.

32

Die Revision kann nicht mit ihrem Einwand durchdringen, das LSG habe seine eigene Beweiswürdigung rechtswidriger Weise an die Stelle derjenigen der Beklagten gesetzt, anstatt - wie es seine Aufgabe gewesen wäre - die Beweiswürdigung der Beklagten lediglich auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Das SGG als die maßgebende Verfahrensordnung sieht eine gerichtliche Kontrolle behördlichen Handelns nicht in der Weise vor, dass das Handeln der Behörde lediglich auf seine Schlüssigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen wäre. Vielmehr verlangt das SGG eine volle Rechtsprüfung, soweit nicht der Verwaltung ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zusteht. Das Tatbestandsmerkmal "Verfügbarkeit" ist ein Rechtsbegriff, der der Beklagten keinen autonomen Beurteilungsspielraum oder Ermessensspielraum eröffnet.

33

Dem LSG ist ein Überschreiten der Grenzen der freien Beweiswürdigung durch Verkennen eines allgemeinen Erfahrungssatzes (hierzu BSG SozR 3-2200 § 581 Nr 8; BSGE 95, 244, 254 = SozR 4-3100 § 1a Nr 1; auch zum Unterfall des Anscheinsbeweises Keller in Mayer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 128 RdNr 9 ff mwN) nicht anzulasten. Denn ein allgemeiner Erfahrungssatz dergestalt, dass von einem dreimaligen unentschuldigten Meldeversäumnis automatisch auf eine innere Abwendung von den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zu schließen sei, existiert nicht. Die übrigen Angriffe der Revision laufen darauf hinaus, die eigene Beweiswürdigung derjenigen des LSG als überlegen darzustellen und zu verlangen, dass die Beweiswürdigung des LSG entsprechend ersetzt werde.

34

Nachdem Erfahrungssätze ebenso wie Denkgesetze nicht als verletzt anzusehen sind, verbleibt die Frage, ob das LSG unter Beibehaltung seiner insoweit zutreffenden Rechtsauffassung, dass die Verfügbarkeit sich nicht schematisch allein an der Wahrnehmung von Meldeterminen festmachen lasse, die vorgefundenen Tatsachen anders hätte würdigen müssen. Dies ist jedoch weder dargetan, noch sonst erkennbar. Das LSG hat sowohl den Vorwurf wiederholter Meldeversäumnisse als auch die Weigerung des Klägers, Gespräche ohne Aufzeichnung auf Tonband zu führen, im Hinblick auf ihren indiziellen Aufschluss über dessen subjektive Verfügbarkeit gewürdigt. Es hat sich jedoch unter Würdigung des Gesamtverhaltens des in der mündlichen Verhandlung persönlich angehörten Klägers sowie unter Beachtung der diesbezüglich bestehenden Darlegungs- und Feststellungslast auf Seiten der Beklagten nicht davon überzeugen können, dass der Kläger auch Vorschlägen zu seiner beruflichen Eingliederung und Vermittlung nicht nachgekommen wäre. Damit sind die durch die Rechtsauffassung des LSG gezogenen äußersten Grenzen der freien Beweiswürdigung vorliegend nicht überschritten.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer

1.
arbeitslos ist,
2.
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3.
die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

(2) Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Person bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll.

(1) Arbeitslose haben sich während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Die Meldung muss bei der in der Aufforderung zur Meldung bezeichneten Stelle erfolgen. Die allgemeine Meldepflicht besteht auch in Zeiten, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.

(2) Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der

1.
Berufsberatung,
2.
Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit,
3.
Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
4.
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und
5.
Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch
erfolgen.

(3) Die meldepflichtige Person hat sich zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit zu melden. Ist der Meldetermin nach Tag und Tageszeit bestimmt, so ist die meldepflichtige Person der allgemeinen Meldepflicht auch dann nachgekommen, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird. Ist die meldepflichtige Person am Meldetermin arbeitsunfähig, so wirkt die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt.

(4) Die notwendigen Reisekosten, die der meldepflichtigen Person und einer erforderlichen Begleitperson aus Anlaß der Meldung entstehen, können auf Antrag übernommen werden, soweit sie nicht bereits nach anderen Vorschriften oder auf Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Arbeitslosengeld

1.
bei Arbeitslosigkeit oder
2.
bei beruflicher Weiterbildung.

(2) Wer das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet hat, hat vom Beginn des folgenden Monats an keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hat, wer

1.
arbeitslos ist,
2.
sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und
3.
die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

(2) Bis zur Entscheidung über den Anspruch kann die antragstellende Person bestimmen, dass der Anspruch nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen soll.

(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.

(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer

1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

(1) Arbeitslose haben sich während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Die Meldung muss bei der in der Aufforderung zur Meldung bezeichneten Stelle erfolgen. Die allgemeine Meldepflicht besteht auch in Zeiten, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.

(2) Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der

1.
Berufsberatung,
2.
Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit,
3.
Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
4.
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und
5.
Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch
erfolgen.

(3) Die meldepflichtige Person hat sich zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit zu melden. Ist der Meldetermin nach Tag und Tageszeit bestimmt, so ist die meldepflichtige Person der allgemeinen Meldepflicht auch dann nachgekommen, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird. Ist die meldepflichtige Person am Meldetermin arbeitsunfähig, so wirkt die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt.

(4) Die notwendigen Reisekosten, die der meldepflichtigen Person und einer erforderlichen Begleitperson aus Anlaß der Meldung entstehen, können auf Antrag übernommen werden, soweit sie nicht bereits nach anderen Vorschriften oder auf Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können.

(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.

(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer

1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.

(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer

1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

(1) Arbeitslose haben sich während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erheben, bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn die Agentur für Arbeit sie dazu auffordert (allgemeine Meldepflicht). Die Meldung muss bei der in der Aufforderung zur Meldung bezeichneten Stelle erfolgen. Die allgemeine Meldepflicht besteht auch in Zeiten, in denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht.

(2) Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der

1.
Berufsberatung,
2.
Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit,
3.
Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen,
4.
Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und
5.
Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch
erfolgen.

(3) Die meldepflichtige Person hat sich zu der von der Agentur für Arbeit bestimmten Zeit zu melden. Ist der Meldetermin nach Tag und Tageszeit bestimmt, so ist die meldepflichtige Person der allgemeinen Meldepflicht auch dann nachgekommen, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird. Ist die meldepflichtige Person am Meldetermin arbeitsunfähig, so wirkt die Meldeaufforderung auf den ersten Tag der Arbeitsfähigkeit fort, wenn die Agentur für Arbeit dies in der Meldeaufforderung bestimmt.

(4) Die notwendigen Reisekosten, die der meldepflichtigen Person und einer erforderlichen Begleitperson aus Anlaß der Meldung entstehen, können auf Antrag übernommen werden, soweit sie nicht bereits nach anderen Vorschriften oder auf Grund anderer Vorschriften dieses Buches übernommen werden können.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn

1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder
2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.

(2) (weggefallen)

(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn

1.
die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
2.
die bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldete (§ 38 Absatz 1) oder die arbeitslose Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung),
3.
die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen),
4.
die oder der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45) oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
5.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
6.
die oder der Arbeitslose sich nach einer Aufforderung der Agentur für Arbeit weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an einem Kurs der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes teilzunehmen, der jeweils für die dauerhafte berufliche Eingliederung notwendig ist (Sperrzeit bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),
7.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einem in Nummer 6 genannten Kurs abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einem dieser Kurse gibt (Sperrzeit bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),
8.
die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis),
9.
die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung).
Die Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen.

(2) Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 bis 9 einander nach.

(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich

1.
auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte,
2.
auf sechs Wochen, wenn
a)
das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder
b)
eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.

(4) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung oder bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung beträgt

1.
im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen,
2.
im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen,
3.
in den übrigen Fällen zwölf Wochen.
Im Fall der Arbeitsablehnung oder der Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach der Meldung zur frühzeitigen Arbeitsuche (§ 38 Absatz 1) im Zusammenhang mit der Entstehung des Anspruchs gilt Satz 1 entsprechend.

(5) Die Dauer einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen beträgt zwei Wochen.

(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt eine Woche.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Über die Erbringung von Geldleistungen kann vorläufig entschieden werden, wenn

1.
die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist,
2.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht ist oder
3.
zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.
Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 ist auf Antrag vorläufig zu entscheiden.

(2) Eine vorläufige Entscheidung ist nur auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist.

(3) Auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten; auf Grund einer vorläufigen Entscheidung erbrachtes Kurzarbeitergeld und Wintergeld ist vom Arbeitgeber zurückzuzahlen.

(4) Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 und 3, Absatz 2 sowie Absatz 3 Satz 1 und 2 sind für die Erstattung von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung entsprechend anwendbar.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30. September 2009 und des Sozialgerichts Würzburg vom 19. Dezember 2007 insoweit geändert, dass der "Widerspruchsbescheid" der Beklagten vom 28. Juli 2006 aufgehoben wird.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Ereignis vom 10.8.1998 ein Arbeitsunfall war.

2

Die am 27.9.1978 geborene behinderte Klägerin nahm an einer von einer Tageseinrichtung des Vereins L. veranstalteten und organisierten Ferienfreizeit teil. Am 10.8.1998 sollte ein Grillabend stattfinden. Auf dem Weg zum Grillplatz stolperte die Klägerin und fiel zwei Stufen hinunter. Dabei erlitt sie einen Kreuzbandriss am rechten Knie.

3

Am 11.2.2005 richtete die Klägerin ein Schreiben an die Beklagte, mit dem sie um Auskunft und Überprüfung bat, ob das Ereignis vom 10.8.1998 dort bekannt sei. Die Beklagte teilte ihr daraufhin am 7.3.2005 mit, dass der Unfall nicht als Schul- bzw Tagesstättenunfall anerkannt worden und das Heilverfahren mit Schreiben vom 7.9.1998 abgebrochen worden sei. Die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt 19 Jahre alt und damit kein Kind iS von § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII gewesen.

4

Mit weiteren Schreiben an die Beklagte vom 15.4.2005 und 20.10.2005 erfragte die Klägerin den Sachstand und wies ua darauf hin, dass sie behindert sei, weshalb Schulpflicht für sie bis zum 21. Lebensjahr bestanden habe. Die Beklagte teilte der Klägerin am 22.6.2006 mit, dass sie das Schreiben der Klägerin vom 20.10.2005 als Widerspruch gegen das Schreiben vom 7.3.2005 werte. Sodann wies die Beklagte diesen "Widerspruch" mit Widerspruchsbescheid vom 28.7.2006 zurück.

5

Das SG Würzburg hat die Klage mit Urteil vom 19.12.2007 abgewiesen, das LSG hat mit Urteil vom 30.9.2009 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Ereignis vom 10.8.1998 habe keinen Arbeitsunfall dargestellt, denn die Verrichtung sei nicht in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erfolgt. Insbesondere sei die Klägerin mit 19 Jahren kein Kind iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII gewesen.

6

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung des § 2 SGB VII. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Kind" in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII müsse die Systematik des Kinder- und Jugendhilferechts (SGB VIII) berücksichtigen, sodass eine feste Altersgrenze nicht angenommen werden könne. Sie habe die Schule und die Tageseinrichtung der L. besucht. Eingliederungshilfe für junge Volljährige sei "ohne weitere Altersbegrenzung" nach § 41 Abs 2 SGB VIII iVm § 35a SGB VIII auch in Tageseinrichtungen für Kinder vorgesehen. Für den Begriff des Kindes in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII sei auf den Stand der persönlichen und geistigen Entwicklung im konkreten Einzelfall abzustellen, weil der Besuch einer Tageseinrichtung auch für junge Erwachsene eine geeignete Hilfe darstelle. § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a bis c SGB VII spiegelten in ihren drei Stufen den gewöhnlichen Entwicklungsablauf eines jungen Menschen vom Kindergarten bis zur Universität wider. Wenn dieser gewöhnliche Entwicklungsablauf durch behinderungsbedingte Verzögerungen gestört sei, könne dies nicht dazu führen, dass behinderte Menschen nur wegen Überschreitens einer Altersgrenze aus dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung herausfielen.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30.9.2009 und das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.12.2007 sowie die Ablehnungsentscheidung im Bescheid der Beklagten vom 7.3.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 28.7.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Unfall der Klägerin vom 10.8.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Auf die zulässige Revision der Klägerin ist der von der Beklagten so bezeichnete "Widerspruchsbescheid" vom 28.7.2006 aufzuheben, weil ihr Schreiben vom 7.3.2005 kein Verwaltungsakt war und daher insoweit auch kein statthafter Widerspruch vorlag. Im Übrigen hatte die Revision keinen Erfolg, weil bereits die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Klägerin nicht statthaft war.

10

1. Die Klägerin hat eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG auf Aufhebung der Bescheide und Verpflichtung der Beklagten, das Ereignis vom 10.8.1998 als Arbeitsunfall anzuerkennen, erhoben (zur Zulässigkeit dieses Begehrens vgl Urteil des Senats vom 27.4.2010 - B 2 U 23/09 R - RdNr 9; sowie BSG SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4; BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 25 RdNr 8). Die Anfechtungsklage war jedoch nur statthaft, soweit sie auf die Aufhebung des "Widerspruchsbescheides" gerichtet war. Im Übrigen waren die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nicht statthaft. Denn die Beklagte hat bisher keinen Verwaltungsakt erlassen, in dem die Feststellung eines Arbeitsunfalls abgelehnt worden wäre.

11

Die Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage setzt voraus, dass der Kläger vom Gericht die Aufhebung eines Verwaltungsakts iS des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG begehrt, die der Verpflichtungsklage, dass er vom Gericht die Verurteilung der Beklagten zum Erlass eines Verwaltungsakts im Sinne dieser Vorschrift verlangt. Das Schreiben der Beklagten vom 7.3.2005 kann nach seinem Inhalt nicht als Verwaltungsakt iS des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 31 SGB X ausgelegt werden. Die Beklagte hat in diesem Schreiben lediglich auf die Sachstandsanfrage der Klägerin vom 11.2.2005 geantwortet, mit der diese Auskunft darüber erbeten hatte, ob der Beklagten der Vorgang aus dem Jahre 1998 bereits bekannt sei bzw ob dieser geprüft werde. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin in dem Schreiben vom 7.3.2005 lediglich mit, ein Heilverfahren, das 1998 begonnen habe, sei zu ihren Lasten wieder abgebrochen und die Kosten der ärztlichen Behandlung seien von der AOK getragen worden. Die Beklagte hat auf das Informationsbegehren der Klägerin hin auch nicht das gemäß § 19 Satz 2 SGB IV von Amts wegen zu betreibende Verwaltungsverfahren aus dem Jahre 1998 wieder aufgegriffen bzw gemäß § 8 SGB X zu einem ordnungsgemäßen Abschluss gebracht. Vielmehr hat die Beklagte im Juni 2006 - also 15 Monate später - ihre eigene Mitteilung vom 7.3.2005 zum Verwaltungsakt erklärt und zugleich ein weiteres Schreiben der Klägerin aus dem Oktober 2005, in dem ua um "Überprüfung des Versicherungsschutzes" gebeten worden war, als "Widerspruch" betrachtet. Ein solches Vorgehen entspricht nicht den Vorgaben eines Verwaltungsverfahrens iS des § 8 SGB X und des SGB VII.

12

Das Schreiben der Beklagten vom 7.3.2005 ist auch kein "bloß formeller Verwaltungsakt", der zwar die Kriterien des § 31 SGB X nicht erfüllt und daher materiell-rechtlich kein Verwaltungsakt ist, der aber als Verwaltungsakt nur im prozessrechtlichen Sinn des § 54 Abs 1 Satz 1 SGG, aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes(Art 19 Abs 4 Satz 1 GG; Art 6 Abs 1 EMRK) gleichfalls mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Die Beklagte hat jedoch das formlose Schreiben weder als förmlichen "Bescheid" ausgestaltet noch auch nur eine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt.

13

Die Beklagte durfte daher am 28.7.2006 keinen "Widerspruchsbescheid" erlassen, weil mit diesem nur über die Recht- und Zweckmäßigkeit eines ergangenen Verwaltungsakts hätte befunden werden dürfen. Ein solcher Verwaltungsakt lag aber nicht vor, demgemäß auch kein "Widerspruch" dagegen. Der "Widerspruchsbescheid" der Beklagten vom 28.7.2006 war daher aufzuheben. Im Übrigen konnte die Revision aber keinen Erfolg haben, weil die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, wie ausgeführt, mangels eines das Feststellungsbegehren ablehnenden Verwaltungsakts der Beklagten nicht statthaft waren.

14

2. Im Hinblick auf den Zeitablauf und die durch das verwaltungsverfahrensrechtlich problematische Vorgehen der Beklagten bedingte Verfahrensdauer sieht sich der Senat auch unter dem Gesichtspunkt des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) verpflichtet, sich in den folgenden nicht tragenden Entscheidungsgründen (obiter dicta) zum Kindbegriff iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII iS des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII zu äußern. "Kind" im Sinne dieser Vorschrift ist jede Person, die noch nicht 14 Jahre alt ist. Damit wird über die in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII beginnende Verweisung letztlich der Kindbegriff des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII maßgeblich.

15

Nach der zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Fassung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII sind versichert "Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen".

16

a) Das SGB VII selbst enthält keine gesetzliche Definition des Begriffs "Kind" und auch die übrigen Bücher des SGB (außer § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) weisen keine, jedenfalls keine auf § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII übertragbare rechtliche Festlegung eines Kindbegriffs oder eines Höchstalters für Kinder auf. Der Bedeutungsgehalt des unfallversicherungsrechtlich hier gemeinten Begriffs "Kind" ist damit bereichsspezifisch nach dem Gesetzeskontext unter Berücksichtigung von Systematik, Gesetzeszweck und Historie zu bestimmen. Eine Abgrenzung nach einem Verwandtschaftsgrad (sog Kindschaftsverhältnis) enthält § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII nicht, denn es wird im Wortlaut keine Bezugsperson für eine Verwandtschaft genannt (zB Kind des Versicherten, Kind des Berechtigten).

17

b) Aus der Gesetzgebungsgeschichte (historischen Entwicklung) ergibt sich hingegen der gesetzliche Zweck des Kindbegriffs des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII und derjenige der darin ausgesprochenen Verweisung auf ua § 45 SGB VIII. Danach sollen als Kind nur Personen in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen sein, die als Kind iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII erlaubnispflichtige Tageseinrichtungen für Kinder besuchen. Wie die Vorgängerregelung (vgl BT-Drucks 13/2204 S 74 zu § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO in der bis 31.12.1996 geltenden Fassung) enthält der Begriff des Kindes in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII eine Alterskomponente und grenzt den versicherten Personenkreis nach dem Lebensalter ab.

18

aa) Nach § 539 Abs 1 Nr 14 RVO in der ab 1.4.1971 bis 31.12.1996 geltenden Fassung (des Gesetzes über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18.3.1971 - BGBl I 237 - im Folgenden: RVO) waren ua versichert a) Kinder während des Besuchs von Kindergärten, b) Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen. Der Versicherungsschutz für Kinder während des Besuchs von Kindergärten nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO bezog sich nur auf Einrichtungen, die vom durchschnittlichen Alter der Kinder her auf eine vorschulische Erziehung gerichtet waren, wie sie in der Regel drei- bis sechsjährige Kinder in Kindergärten erhalten(vgl hierzu BSG SozR 1500 § 150 Nr 9 = BSGE 44, 203 - 207; BSG SozR 2200 § 1511 Nr 1 = BSGE 47, 281 - 285; BSG vom 12.5.1981 - 2 RU 49/79 -). Die Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes auf Kinder während des Besuchs von Kindergärten war mit der Begründung (s BT-Drucks VI/1333, S 7 zu § 1) erfolgt, dass Reform und Ausbau der vorschulischen Erziehung als erste Stufe des Bildungswesens eine vordringliche bildungspolitische Aufgabe seien. Deswegen fielen jedenfalls solche Einrichtungen nicht unter den Kindergartenbegriff des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO, die vom durchschnittlichen Alter der aufzunehmenden Kinder her keine vorschulische Erziehung bieten konnten(vgl BSG SozR § 105 Nr 9 = BSGE 44, 203 - 207 - JURIS RdNr 20; BSG SozR 2200 § 1511 Nr 1 = BSGE 47, 281 - 285 - JURIS RdNr 20). Dazu gehörten etwa Einrichtungen für Säuglinge und Kleinkinder (zB sog Kinderkrippen) sowie Betreuungsstätten für schulpflichtige Kinder wie zB sog Kinderhorte (vgl BSG aaO). Maßgebend für den Begriff des Kindergartens war folglich, dass die vorschulische Erziehung der Kinder den Charakter der Einrichtung bestimmte (vgl BSG SozR 2200 § 1511 Nr 1 = BSGE 47, 281 - 285 - JURIS RdNr 20).

19

Erfasste mithin § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO Kinder während des Besuchs von Einrichtungen zur vorschulischen Erziehung und damit Kinder im "Vorschulalter", so waren Schüler während des Besuchs allgemeinbildender Schulen nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst b RVO in den Unfallversicherungsschutz einbezogen. Kinder, die bereits schulische Erziehung erhielten, konnten folglich keinen Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO genießen.

20

bb) § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII idF des UVEG vom 7.8.1996 erweiterte den Kindbegriff über Kinder im Vorschulalter hinaus auf Kinder im Alter von bis zu 13 Jahren (§ 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) - allerdings nicht auf Jugendliche bzw Kinder bis zur Volljährigkeit (§ 7 Abs 2 SGB VIII) -und auch nicht auf volljährige Personen.

21

In dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung zum UVEG sollte in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII der Unfallversicherungsschutz "auf alle Tageseinrichtungen im Sinne des § 22 SGB VIII" erstreckt werden. Dabei war vorgesehen, wie bei den Kindergärten auch bei diesen Einrichtungen (Krippen, Horte, altersgemischte Gruppen, kindergartenähnliche Einrichtungen) "zur Abgrenzung die zum SGB VIII erlassenen landesgesetzlichen Regelungen zugrunde zu legen" (vgl BR-Drucks 265/95 S 213; BT-Drucks 13/2204 S 74). Dies wurde ua damit begründet (vgl BR-Drucks 263/95 S 213 und BT-Drucks 13/2204 S 74), dass sich seit dem Inkrafttreten des § 539 Abs 1 Nr 14 RVO im Jahre 1971 die Funktion von Kindertageseinrichtungen erheblich geändert habe. Unter Verweis auf Aussagen des 8. Jugendberichts 1990 und die seit 1991 geltenden Regelungen des SGB VIII wurde nunmehr darauf abgestellt, dass die Aufgabe aller Tageseinrichtungen nach § 22 SGB VIII die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes sei. Der Hort habe inzwischen einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag und arbeite häufig eng mit der Schule zusammen. Außerdem wurde auf die Möglichkeit altersgemischter Gruppen und die organisatorische Einheit von Krippe, Kindergarten und Hort hingewiesen, was eine eindeutige Abgrenzung der genannten Einrichtungen nicht mehr zulasse.

22

§ 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII idF des Gesetzentwurfs vom 24.8.1995 sah Versicherungsschutz vor für "Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen im Sinne des § 22 des Achten Buches". Dabei war nach § 22 Abs 1 Nr 1 SGB VIII in der damals (seit 1.1.1991 bis 31.12.2004) geltenden Fassung (durch Art 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts vom 26.06.1990 ) unter Hort eine Tageseinrichtung für Kinder im schulpflichtigen Alter zu verstehen (vgl BT-Drucks 11/5948 S 64 zu § 21§ 22 sgb viii> zu Absatz 1). Die geplante Erweiterung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII durch das UVEG sollte entsprechend der Gesetzesbegründung nicht nur vorschulische Tageseinrichtungen, sondern mit den Horten gerade auch Tageseinrichtungen für Schüler und damit für schulpflichtige Kinder erfassen. Dies wird unterstrichen durch einen Gesetzentwurf über eine Neufassung des § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst a RVO, den der Bundesrat auf Initiative Sachsens eingebracht hatte(vgl Gesetz zur Ergänzung der Unfallversicherung für Kinder in Horten und Krippen und den übrigen Tageseinrichtungen für Kinder vom 2.2.1995 - BT-Drucks 13/373 S 4; vgl Gesetzesantrag des Freistaates Sachsen vom 14.12.1994 - BR-Drucks 248/94 vom 22.3.1994 und BR-Drucks 1124/94 vom 14.12.1994). Hintergrund für diesen Neuregelungsentwurf war, dass übergangsrechtliche Regelungen des Einigungsvertrags in den neuen Bundesländern (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr 1 des Einigungsvertrags vom 31.8.1990 iVm Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990 ) zum 31.12.1991 außer Kraft getreten waren, nach der Schüler bei Teilnahme an der sog "Tageserziehung" gegen Arbeitsunfall versichert waren. Deshalb sollten Kinder in den Tageseinrichtungen iS des § 22 Abs 1 SGB VIII einheitlich unter den Schutz der GUV gestellt werden(vgl BT-Drucks 13/373 S 1). Genannt wurden neben Kindergärten Einrichtungen für Säuglinge und Kleinkinder (Tagesheime, Kinderkrippen, Krabbelstuben) Kinderspielkreise, die an einigen Stunden in der Woche stattfinden, sowie Einrichtungen, in denen Schüler betreut werden, wie Kinderhorte und Kinderheime (vgl BT-Drucks 13/373 S 5).

23

Durch den Verweis auf Tageseinrichtungen iS des § 22 SGB VIII in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII in der Entwurfsfassung vom 24.8.1995 sollten also gerade auch Tageseinrichtungen für Schüler und damit für schulpflichtige Kinder erfasst werden. Allerdings waren als Kinder nach dieser Gesetzesfassung nur Kinder iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII, also Personen unter 14 Jahren, in den Schutz der GUV einbezogen. Kinder iS des § 22 SGB VIII sind nur Kinder nach § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII(vgl so Struck in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, 3. Aufl 2006 zu § 22 SGB VIII RdNr 4 und 5; Lakies in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 6. Aufl 2009 zu § 22 RdNr 5; Mrozynski, Kommentar zum SGB VIII, 5. Aufl 2009 zu § 22 RdNr 9), nicht hingegen Kinder iS von § 7 Abs 2 oder Abs 4 SGB VIII. Denn § 22 SGB VIII trifft weder Regelungen über das elterliche Erziehungsrecht oder das staatliche Wächteramt iS des § 1 Abs 2 SGB VIII noch über die Annahme als Kind iS von § 7 Abs 4 SGB VIII.

24

Damit war auch der Begriff "Kinder" in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII in der Entwurfsfassung des UVEG als "Kinder" iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII zu verstehen. Denn da § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII in dieser Fassung Kinder einbeziehen will, die in bestimmten Einrichtungen für Kinder entsprechend betreut, gebildet und erzogen werden, wäre es sinnwidrig, auch Personen in den Versicherungsschutz einzubeziehen, die gerade nicht zum Adressatenkreis der Verweisungsnorm des § 22 SGB VIII gehören. Anhaltspunkte dafür, dass Versicherungsschutz als "Kinder" im Rechtssinne auch Jugendlichen oder Erwachsenen während des Besuchs von Tageseinrichtungen von Kindern eingeräumt werden sollte, lassen sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Insoweit wäre ein möglicher gesetzgeberischer Wille zur Erweiterung des Versicherungsschutzes über den aufgezeigten Kinderbegriff hinaus jedenfalls nicht im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck gekommen.

25

cc) Zwar ist § 2 Abs 1 Nr 8 SGB VII in der soeben dargestellten Fassung des Regierungsentwurfs nicht Gesetz geworden. Die Änderung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII im weiteren Gesetzgebungsverfahren betraf aber lediglich die von der Norm erfassten Tageseinrichtungen und hat keine Änderung des soeben herausgearbeiteten Kindbegriffs beinhaltet, insbesondere keine Erweiterung der erfassten Altersgruppe über diejenige des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII hinaus. Nach der zum 1.1.1997 in Kraft getretenen Fassung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII sind versichert "Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen". Versichert sind folglich Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, in denen Kinder (zu ergänzen: iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) oder Jugendliche (zu ergänzen: iS von § 7 Abs 1 Nr 2 SGB VIII) ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden.

26

Auch bei Auslegung dieser Norm gebietet es der Grundsatz der Normklarheit, zur Vermeidung von Widersprüchen den in § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII verwandten Begriff "Kinder" nicht anders auszulegen als den Kinderbegriff in § 45 Abs 1 Satz 1 SGB VIII. Insbesondere ist weder aus den Materialien noch aus den Änderungen des Gesetzeswortlautes ersichtlich, dass der in den Versicherungsschutz der GUV einbezogene Personenkreis der Entwurfsfassung - Kinder iS von § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII - durch eine Änderung der Bezeichnung der erfassten Tageseinrichtungen erweitert werden sollte. Denn die abweichende Bestimmung der Tageseinrichtungen sollte lediglich die Abgrenzung der erfassten Einrichtungen sicherstellen (vgl Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drucks 13/2333 Anlage 1 S 4; Zustimmung der BReg in Anlage 2 S 18; ebenso Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks 13/4853 S 16 zu § 2 Abs 1 Nr 1 Buchst a SGB VII). Der nunmehr im Gesetzestext enthaltene Verweis auf Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 SGB VIII bedarf, wurde vom Gesetzgeber deshalb gewählt, weil Sonderkindergärten für Behinderte, die etwa im BSHG(inzwischen: §§ 53 ff SGB XII) ihre Rechtsgrundlage fanden, ansonsten nicht vom Versicherungsschutz erfasst worden wären (vgl hierzu Ausschussprotokoll des Ausschusses für Frauen und Jugend vom 28.6.1995 S 12; Ausschussprotokoll des Ausschusses Arbeit und Sozialpolitik sowie Familie und Soziales vom 20.6.1996 S 44). So erfolgt etwa auch die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern mit seelischer Behinderung in Kindertagesbetreuung nicht nach den §§ 22 ff SGB VIII, sondern § 35a SGB VIII (vgl so Meysen in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Aufl 2009 zu § 35a RdNr 56; Wiesner in Wiesner, Kommentar zum SGB VIII, zu § 35a RdNr 121). Die Erstreckung der Versicherung auf Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen im Sinne landesrechtlicher Regelungen sollte vorrangig der landesrechtlichen Zuordnung des Kindergartenwesens zum Bildungsbereich (vgl § 26 Satz 2 SGB VIII) in Bayern Rechnung tragen. Andernfalls wären dort sämtliche Regelkindergärten und schulvorbereitenden Einrichtungen für behinderte Kinder dem Schutzbereich des SGB VII entzogen gewesen (vgl hierzu Ausschussprotokoll des Ausschusses für Frauen und Jugend vom 28.6.1995 S 12 f; Ausschussprotokoll des Ausschusses AS FS vom 20.6.1996 S 44). Diese Einrichtungen für Kinder entsprachen zwar grundsätzlich den Anforderungen an Tageseinrichtungen iS von § 22 SGB VIII, waren aber nicht von § 22 SGB VIII umfasst. Nicht beabsichtigt war dagegen eine Erweiterung des Versicherungsschutzes über die Altersgruppe der Kinder iS des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII hinaus.

27

c) Auch wenn junge Volljährige iS von § 7 Abs 1 Nr 3 SGB VIII Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gemäß § 41 SGB VIII erhalten, deren Ausgestaltung gemäß § 41 Abs 2 SGB VIII iVm § 35a Abs 2 Nr 2 SGB VIII "in Tageseinrichtungen für Kinder" als teilstationäre Einrichtung erfolgt, sind sie keine "Kinder" iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII. Dabei erscheint schon fraglich, ob die jungen Volljährigen tatsächlich in Tageseinrichtungen für Kinder aufgenommen werden oder ob es sich insoweit um eine Tageseinrichtung für junge Volljährige handelt, weil § 41 Abs 2 SGB VIII die entsprechende Anwendung des § 35a SGB VIII unter der Maßgabe vorsieht, dass an die Stelle des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt. Ebenso kann offenbleiben, ob besondere Gruppen der Tageseinrichtung zur Förderung junger Volljähriger (sofern solche gebildet werden) rechtlich als Teil der Tageseinrichtung für Kinder zu sehen sind.

28

Eine Einbeziehung dieser Personengruppe in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VIII idF des UVEG vom 7.8.1996 findet weder im Gesetzeswortlaut noch in den Materialien eine Stütze. Zudem legen die Normen des § 2 Abs 1 Nr 8 SGB VII, worauf bereits das LSG hingewiesen hat, als erste Tatbestandsvoraussetzungen die für die Versicherung infrage kommenden Personengruppen nach persönlichen Merkmalen fest, Schüler oder Student oder eben "Kind" zu sein. Erst dann werden jeweils die versicherten Tätigkeiten jeder einzelnen Gruppe umschrieben (zB Besuch der allgemeinbildenden Schule oder einer bestimmten Tageseinrichtung). Insoweit unterscheiden sich die Tatbestände des § 2 Abs 1 Nr 8 SGB VII gerade von denen, welche die versicherten Personen allein durch die versicherten Tätigkeiten umschreiben, wie zB § 2 Abs 1 Nr 3, 5, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16 (jeweils: Personen, die …), Nr 1 (Beschäftigte als Personen, die eine Beschäftigung verrichten) oder Nr 2 (Lernende als Personen, die lernen während …). Der Besuch einer (erlaubten) Einrichtung, die als Tageseinrichtung iS von § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII zu sehen ist, begründet Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung daher nicht unabhängig von der Eigenschaft als "Kind", sondern nur, sofern und solange die Person, die die Tageseinrichtung besucht, ein "Kind" im Sinne dieser Vorschrift ist.

29

d) Es verstößt schließlich auch nicht gegen Verfassungsrecht, dass das Gesetz als Kinder iS des § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a SGB VII nur Personen bis zu einer bestimmten Altersgrenze und nur während des Besuchs bestimmter Tageseinrichtungen in den Schutz der GUV einbezieht. Die Altersgrenze gilt für behinderte wie nichtbehinderte Kinder gleichermaßen und knüpft daher nicht verbotenerweise an die Behinderung an (vgl Art 3 Abs 3 Satz 2 GG). So entfällt der Unfallversicherungsschutz, sofern nicht § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst b SGB VII eingreift, auch für einen Jugendlichen mit Vollendung des 14. Lebensjahres während des Hortbesuchs, unabhängig davon, ob der (nicht behinderte) Jugendliche den üblichen Reifegrad eines 14-jährigen erreicht und damit diese Entwicklungsstufe abgeschlossen hat.

30

Junge geistig behinderte Volljährige fallen auch nicht aus einem "gewöhnlichen" (gleichsam lückenlos) unter Schutz der GUV stehenden Entwicklungsablauf (als Folge einer "sachwidrigen Ungleichbehandlung") heraus. Entgegen der von der Revision geäußerten Auffassung spiegelt § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a bis Buchst c SGB VII schon nicht "den" oder einen gewöhnlichen Entwicklungsablauf eines jungen Menschen wider. Denn weder ist ein Hochschulstudium die Regel, noch ist der Besuch von Tageseinrichtungen bzw Kindergärten stets zu erwarten. Überschneidungen sind gerade mit Blick auf § 2 Abs 1 Nr 8 Buchst a und Buchst b SGB VII denkbar, etwa bei Besuch eines Kinderhorts neben dem Schulbesuch. Dass der Gesetzgeber bei (jüngeren) Kindern bzw Kindern iS des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII einen größeren Schutzbedarf (im Sinne einer Typisierung) im Rahmen der außerschulischen Betreuung und Erziehung in bestimmten Einrichtungen gesehen hat als bei älteren Kindern, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Im Gegenteil erscheint eine Differenzierung des Unfallversicherungsschutzes je nach erreichtem individuellen Entwicklungsstand oder Reifegrad nicht praktikabel und müsste einer gesetzgeberischen Regelung vorbehalten bleiben.

31

Dass der Gesetzgeber im Übrigen die Frage des Unfallversicherungsschutzes von behinderten Menschen in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen Tageseinrichtungen übersehen hätte, kann nicht angenommen werden. Dagegen spricht schon, dass Anregungen im Gesetzgebungsverfahren zum UVEG nicht aufgegriffen wurden, behinderte Menschen in Tagesförderstätten bzw Tageseinrichtungen sowie in Tageseinrichtungen für psychisch kranke bzw seelisch behinderte Personen umfassend in den Schutz der GUV einzubeziehen (vgl Bericht zu den Beratungen im Ausschuss BT-Drucks 13/4853 S 16 unter A 4.).

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Bei der Kostenentscheidung gemäß § 193 SGG hat der Senat den verwaltungsverfahrensrechtlichen Fehler der Beklagten im Sinne des Verursacherprinzips berücksichtigt.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.