Sozialgericht Augsburg Urteil, 07. Sept. 2017 - S 8 AS 621/17

bei uns veröffentlicht am07.09.2017

Gericht

Sozialgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch der Klägerinnen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab Februar 2017.

Die 1988 geborene Klägerin zu 1 und ihre 2014 geborene Tochter, die Klägerin zu 2 (schwerbehindert mit Merkzeichen „H“), sind rumänische Staatsangehörige, ebenso wie der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Klägerin zu 2 (im Folgenden nur: der Ehemann). Erstmals im Mai 2016 kam die Familie nach Deutschland, bezog eine Wohnung in A-Stadt und der Ehemann nahm zunächst eine bis 9. November 2016 währende abhängige Beschäftigung auf und ab Oktober 2016 eine weitere. Letztere wurde zum 10. Februar 2017 arbeitgeberseits wegen des Verdachts des Diebstahls fristlos gekündigt. Zwei Tage später zog der Ehemann aus der gemeinsamen Wohnung aus und hielt sich nach Kenntnis der Klägerin zu 1 bei einem Bekannten in A-Stadt auf. Seit Mai 2017 soll der Ehemann wieder eine abhängige Beschäftigung ausüben. Er wohnt auch weiter in A-Stadt und besucht die Klägerinnen regelmäßig am Wochenende.

Am 20. Februar 2017 beantragten die Klägerinnen beim beklagten Jobcenter Leistungen zum Lebensunterhalt. Die Klägerin zu 1 gab an, seit 10. Februar 2017 von ihrem Ehemann getrennt zu leben.

Seit März 2017 erhält die Klägerin zu 2 Unterhaltsvorschussleistungen, zudem wird für sie laufend Kindergeld gezahlt. Am 22. März 2017 zogen in die Wohnung der Klägerinnen zwei Untermieterinnen, die für die Hälfte der Gesamtmiete aufkommen.

Am 6. März 2017 lehnte der Beklagte mündlich die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an die Klägerinnen ab. Sie seien mangels Aufenthaltsrechts von Leistungen ausgeschlossen, weil sie rumänische Staatsangehörige und noch keine fünf Jahre in Deutschland seien. Auch habe der Ehemann noch kein Jahr in Deutschland gearbeitet.

Gegen diese Ablehnung legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen am 3. April 2017 Widerspruch ein und beantragte am 19. April 2017 einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Augsburg (Verfahren S 11 AS 433/17 ER). Zwar sei es richtig, dass der Ehemann noch kein Jahr in Deutschland gearbeitet habe. Dennoch bestehe für sechs Monate ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht und davon abgeleitet ein Aufenthaltsrecht der Klägerinnen als Familienangehörige. Die Trennung der Eheleute sei dafür unerheblich.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2017 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab.

Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. März 2017 wurde unter dem 12. Mai 2017 zurückgewiesen. Ergänzt wurde, das Bestehen einer Ehe sei nicht nachgewiesen. Das sei jedoch unerheblich, da der Ehemann ebenfalls kein Aufenthaltsrecht mehr besitze. Somit gebe es keine Person, von der die Klägerinnen ein Aufenthaltsrecht ableiten könnten.

Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen für diese am 6. Juni 2017 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.

Auf die gegen den Beschluss des Sozialgerichts im Eilverfahren erhobene Beschwerde hin hat das Bayer. Landessozialgericht (Verfahren L 7 AS 424/17 B ER) mit Beschluss vom 11. Juli 2017 den Beklagten einstweilen verpflichtet, den Klägerinnen Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 19. April bis zum 31. Oktober 2017 zu bewilligen. Es wurde unter anderem ausgeführt, ob der vom Beklagten angenommene Leistungsausschluss greife und die Leistungsberechtigung der Klägerinnen deswegen entfalle, sei summarisch nicht abschließend zu beantworten. Die Klägerinnen könnten seit der Trennung kein Aufenthaltsrecht mehr vom Ehemann ableiten. Familienangehörige seien nur freizügigkeitsberechtigt, wenn sie einen Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Daraus sei abzuleiten, dass grundsätzlich eine gemeinsame Wohnung erforderlich sei. Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1 könne sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergeben. Höchstrichterlich sei aber nicht abschließend geklärt, ob der Leistungsausschluss für nicht ausreisepflichtige, nicht erwerbstätige Unionsbürger mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Die Entscheidung des Eufach0000000030s hat der Beklagte mit Bescheiden vom 24. Juli 2017 umgesetzt.

Mit Beschluss vom 23. August 2017 ist der örtliche Sozialhilfeträger zum Klageverfahren beigeladen worden.

In der mündlichen Verhandlung am 7. September 2017 hat der Beklagte den Klägerinnen im Wege eines angenommenen Teilanerkenntnisses die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Grunde nach für die Zeit vom 1. bis zum 10. Februar 2017 zugesichert.

Für die Klägerinnen wird im Übrigen beantragt,

Der Beklagte wird unter Aufhebung bzw. Abänderung seines Bescheids vom 6. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2017 und der Bescheide vom 24. Juli 2017 verpflichtet, den Klägerinnen ab Februar 2017 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen, hilfsweise wird die Beigeladene verpflichtet, ab Februar 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen.

Für den Beklagten wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für die Beigeladene wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig.

Sie hat in der Sache weder im Hauptnoch im Hilfsantrag Erfolg.

Nach dem Teilanerkenntnis aus der heutigen mündlichen Verhandlung ist der Bescheid des Beklagten vom 6. März 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 2017 rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerinnen haben für die Zeit ab 11. Februar 2017 weder Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gegenüber dem beklagten Jobcenter noch gegenüber dem beigeladenen örtlichen Sozialhilfeträger.

Die Klägerinnen sind nicht anspruchsberechtigt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II), weil sie wegen § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2016, BGBl. I, S. 3155) von Leistungen ausgeschlossen sind.

Die Klägerin zu 1 erfüllt seit 1. Februar 2017 zwar die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Das nimmt das Gericht für den streitigen Zeitraum auch bezüglich der Hilfebedürftigkeit an, weil nicht durchgehend bedarfsdeckende Mittel ersichtlich sind. Die beiden Klägerinnen bilden gemäß § 7 Abs. 3 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft, so dass für die Klägerin zu 2 Leistungen aufgrund § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II infrage kämen. Der Ehemann gehört der Bedarfsgemeinschaft nicht an, weil er nicht mit den Klägerinnen in einem Haushalt lebt. Die Trennung der Klägerin zu 1 und ihres Ehemanns ist nach derzeitigem Stand als nicht nur vorübergehend anzusehen. Auch wenn die Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung ein erneutes Zusammenleben für die Zukunft nicht ausgeschlossen hat und regelmäßige Besuche des Ehemanns bei den Klägerinnen stattfinden, ist derzeit eine Beendigung der Trennung nicht absehbar. Das drückt sich auch darin aus, dass die Klägerinnen keinerlei Gelder vom Ehemann erhalten, dieser sie nicht - im Rahmen seiner Möglichkeiten - unterhält. Die unerlaubte Ortsabwesenheit der Klägerinnen erstreckte sich nur vom 23. Juli bis zum 6. September 2017 und änderte nichts am gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Beklagten.

Beide Klägerinnen besitzen aber nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, sondern die rumänische, und sind damit Ausländerinnen. Und für sie kommt im noch offenen Zeitraum ab 11. Februar 2017 kein anderes Aufenthaltsrecht als eines der in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II genannten in Betracht.

Bis einschließlich 10. Februar 2017 besaßen beide Klägerinnen als Familienangehörige ein vom Ehemann abgeleitetes Aufenthaltsrecht als freizügigkeitsberechtigte Familienangehörige nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU). Der Ehemann, der als ebenfalls rumänischer Staatsangehöriger Unionsbürger ist, übte nämlich bis 10. Februar 2017 eine nicht nur unwesentliche, abhängige Beschäftigung aus und hielt sich damit als Arbeitnehmer im Sinn des Freizügigkeitsrechts in Deutschland auf. Die Klägerinnen begleiteten ihn als Familienangehörige. Das Bestehen einer Ehe zwischen der Klägerin zu 1 und dem Ehemann kann für das Gericht nach Vorlage der Heiratsurkunde im Verfahren S 11 AS 433/17 ER nicht mehr infrage gestellt werden. Für den Beklagten ist in der mündlichen Verhandlung ein entsprechendes Teilanerkennntis abgegeben und klägerseits auch angenommen worden, so dass dieser Zeitraum im Urteil nicht mehr weiter behandelt werden muss.

Seit 11. Februar 2017 allerdings kommt für die Klägerinnen kein anderes Aufenthaltsrechts als eines nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II infrage. Vom Ehemann lässt sich ein anderes Aufenthaltsrecht für die Klägerinnen nicht mehr ableiten. Denn dieser ist zum 10. Februar 2017 wegen des Verdachts eines Diebstahls vom Arbeitgeber fristlos gekündigt worden und war seitdem - zunächst - weder Arbeitnehmer noch selbstständig Erwerbstätiger, da er keiner Erwerbstätigkeit mehr nachging. Daran, dass der Ehemann seine Erwerbstätigkeit nicht unfreiwillig verloren hat, besteht für das Gericht angesichts der vorliegenden fristlosen Kündigung kein Zweifel, zumal diese Umstände klägerseits auch nicht infrage gestellt worden sind.

Wegen der arbeitgeberseitigen fristlosen, verhaltensbedingten Kündigung liegt auch kein Fall der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit im Sinn des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU vor; ein anderer Tatbestand des § 2 Abs. 3 Satz 1 FreizügG/EU kommt ohnedies nicht infrage. Der Ehemann konnte seit 11. Februar 2017 daher allenfalls ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU besitzen. Damit können die Klägerinnen als Familienangehörige des Ehemanns über § 3 FreizügG/EU kein anderes Aufenthaltsrecht von diesem ableiten. Auf den Zeitpunkt der Trennung kommt es daher nach Ansicht des Gerichts nicht an.

Die Trennung wurde erst zum 12. Februar 2017 vollzogen. Dass sie sich als nicht nur vorübergehend darstellt oder auf nicht von den Klägerinnen und dem Ehemann zu vertretenden freizügigkeitsrechtlichen Gründen beruht, ist nicht zu erkennen. Vielmehr ist als einziger Grund ersichtlich, dass der Ehemann und/oder die Klägerin zu 1 die familiäre Gemeinschaft nicht weiter beibehalten wollten. Mit dem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung am 12. Februar 2017 und der damit verbundenen, nicht nur vorübergehenden Trennung war auch aus diesem Grund ein Begleiten oder Nachziehen im Sinn des § 3 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU nicht mehr denkbar. Dies wird zum Teil bereits an der Annahme festgemacht, dass diesen Begriffen, wenngleich das nicht ausdrücklich geregelt ist, ein Zusammenwohnen immanent ist (so BayLSG, Beschluss vom 11. Juli 2017, L 7 AS 424/17 B ER). Ansonsten wäre auch die Regelung über die Beibehaltung des Aufenthaltsrechts bei Wegzug in § 3 Abs. 4 FreizügG/EU überflüssig. Andererseits ist in § 4a FreizügG/EU mehrfach vom ständigen Aufenthalt des Familienangehörigen beim Unionsbürger die Rede. Und auch das für die Regelungen des FreizügG/EU federführend zuständige Bundesministerium des Innern geht in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum FreizügG/EU vom 3. Februar 2016 (AVV zum FreizügG/EU), GMBl 2016 Nr. 5, S. 86, nicht davon aus, dass zwingend eine gemeinsame Wohnung erforderlich ist. Vielmehr heißt es dort zu § 3 FreizügG/EU unter Nummer 3.1.1:

„Den Familienangehörigen von Unionsbürgern steht das abgeleitete Aufenthaltsrecht nur dann zu, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Der Begriff “begleiten oder ihm nachziehen„ist dahin gehend auszulegen, dass er sowohl die Familienangehörigen eines Unionsbürgers umfasst, die mit diesem in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind, als auch diejenigen, die sich mit ihm dort aufhalten, ohne dass im letztgenannten Fall danach zu unterscheiden wäre, ob die Drittstaatsangehörigen vor oder nach dem Unionsbürger oder bevor oder nachdem sie dessen Familienangehörige wurden, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind (vgl. EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008, Rs. C-127/08 - Metock u.a.). Eine gemeinsame Wohnung ist keine zwingende Voraussetzung. Es ist vom Sinn und Zweck der Gewährung des “abgeleiteten„Aufenthaltsrechts des Familienangehörigen auszugehen, nämlich der Herstellung oder Wahrung der bestehenden familiären Lebensgemeinschaft des Unionsbürgers. Der Begriff “begleiten oder nachziehen„impliziert eine im Sinne des Ehe- und Familienschutzes schutzwürdige tatsächliche Beziehung.“

Zuvor wird unter Nummer 3.1.0 ausgeführt:

„Absatz 1 stellt klar, dass die Familienangehörigen von Unionsbürgern ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht genießen. Die Freizügigkeit der Familienangehörigen dient primär dem Zweck, die Ausübung der Freizügigkeit durch die Unionsbürger zu erleichtern. Die Freizügigkeit der Familienangehörigen ist daher auch auf die Herstellung der Familieneinheit ausgerichtet und in Bestand und Dauer mit dem Aufenthaltsrecht des freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers verknüpft. Das Aufenthaltsrecht des Ehegatten knüpft an die bestehende Ehe an. Dies hat zur Folge, dass auch ein Ehegatte aus einem Drittstaat, der von dem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger getrennt lebt, bis zur rechtskräftigen Scheidung ein Aufenthaltsrecht besitzt, sofern der Unionsbürger nicht durch dauerhaften Wegzug ins Ausland sein Freizügigkeitsrecht aufgibt.“

Eine nach diesen Maßstäben schutzwürdige Beziehung ist jedoch zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls zu verneinen. Dass die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann sich dauerhaft getrennt haben und heute nicht absehbar ist, dass die familiäre Lebensgemeinschaft wiederhergestellt werden soll, ist bereits mehrfach ausgeführt worden. Es sind auch sonst keine Gründe erkennbar, die es erfordern würden, dem Ehemann die Ausübung seiner Freizügigkeit zu erleichtern, indem seinen Familienangehörigen, also den Klägerinnen, ein von ihm abgeleitetes Freizügigkeitsrecht zugestanden wird. Denn derzeit ist nicht ausreichend erkennbar, dass die (Wieder-)Herstellung der Familieneinheit dem Wunsch des Ehemann oder der Klägerinnen entspricht. Mit Ausnahme von wöchentlichen Besuchen ist nicht zu sehen, dass der Ehemann sich weiter um die Klägerinnen kümmert und nach einem erneuten Zusammenleben strebt; gleiches gilt aus der Blickrichtung der Klägerinnen.

Eine Änderung im Aufenthaltsstatus der Klägerinnen kann aufgrund der laut Klägerin zu 1 erfolgten Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung durch den Ehemann ab Mai 2017 nicht eingetreten sein. Denn dazu wäre, wie eben dargelegt, erforderlich, dass die Klägerinnen mit dem Ehemann erneut gemeinsam wohnen wollen oder zumindest die Familieneinheit wiederhergestellt werden soll. Das ist aber, wie schon ausgeführt, nicht zu erkennen.

Die von der Klägerin zu 1 demnächst beabsichtigten Bewerbungen um eine Arbeitsstelle, führen ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Abgesehen davon, dass die Klägerin zu 1 nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung noch gar keine konkreten Schritte zur Arbeitssuche unternommen hat, sondern diese erst geplant sind, ergäbe sich allenfalls ein Aufenthaltsstatus gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU.

Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Klägerinnen kommt außerdem nicht auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU in Betracht. Schon dem Wortlaut der Regelung lässt sich zwanglos entnehmen, dass dieses Recht nur in dem von den §§ 3 und 4 FreizügG/EU gesetzten Rahmen und unter den dortigen Voraussetzungen besteht. Diese sind aber gerade zu verneinen, da keine Familieneinheit besteht oder hergestellt werden soll.

Ein aus § 3 Abs. 4 FreizügG/EU resultierendes Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 2 scheidet angesichts ihres Alters aus. Der von der Klägerin zu 1 berichtete Besuch einer Kindertagesstätte durch die Klägerin zu 2 stellt keine Ausbildung in diesem Sinn dar, weil darunter nur Ausbildungseinrichtungen zu verstehen sind, die zum Abschluss einer Ausbildung im Sinn einer beruflichen Qualifikation führen (vgl. AVV FreizügG/EU, Ziffer 3.4.2).

Ebenso wenig ergibt sich gemäß § 4 FreizügG/EU ein anderes Aufenthaltsrecht der Klägerinnen, weil diese gerade nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, sondern diese mit dem vorliegenden Verfahren erst erhalten wollen.

Die Voraussetzungen des Daueraufenthaltsrechts nach § 4a FreizügG/EU erfüllt ebenfalls keine der beiden Klägerinnen. Beide sind - ebenso wie der Ehemann - erst seit Mai 2016 in Deutschland aufhältig, die Klägerinnen waren in Deutschland gar nicht erwerbstätig, der Ehemann war weniger als 12 Monate erwerbstätig und hat seine Erwerbstätigkeit nicht infolge einer vollen Erwerbsminderung aufgegeben.

Mangels Daueraufenthaltsrechts scheidet zugleich die Rückausnahme nach § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II aus.

Schließlich kommt auch kein anderes Aufenthaltsrecht der Klägerinnen über die von § 11 Abs. 1 FreizügG/EU vorgesehene Anwendung des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in Betracht. So begründet der besuchsweise Kontakt des Ehemanns mit der Klägerin zu 2 an den Wochenenden kein Aufenthaltsrecht nach § 28 Abs. 1 AufenthG, weil die Klägerin zu 2 nicht Deutsche ist. Aus § 27 des AufenthaltG oder aus Art. 6 des Grundgesetzes (GG) bzw. Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) lässt sich ebenfalls kein Aufenthaltsrecht der Klägerinnen herleiten, weil die familiäre Lebensgemeinschaft nicht hergestellt werden soll und es zudem an einer Verwurzelung in Deutschland fehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 2013, 1 C 15/12). Hinzu kommt bei allen auf der Anwendung des AufenthG basierenden Aufenthaltstiteln ferner, dass dann gegebenenfalls die allgemeinen Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG vorliegen müssten, namentlich scheiterte es hier an der Sicherung des Lebensunterhalts.

Demzufolge steht den Klägerinnen vorliegend wegen der einfachgesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht zu.

Das Gericht hat keine durchgreifenden Bedenken an der Vereinbarkeit des genannten Leistungsausschlusses mit höherrangigem Recht.

Nach den Entscheidungen des EuGH vom 11. November 2014, Rs. C-333/13, vom 15. September 2015, Rs. C-67/14, und vom 25. Februar 2016, Rs. 299/14, ist für das Gericht geklärt, dass ein derartiger Leistungsausschluss nicht gegen europarechtliche Regelungen verstößt.

In Bezug auf (nationale) verfassungsrechtliche Vorgaben ist ebenfalls kein Verstoß anzunehmen. Das BSG hat bereits zur Vorgängerregelung entschieden (Urteil vom 17. März 2016, B 4 AS 32/15 R, und vom 23. Februar 2017, B 4 AS 7/16 R), dass verfassungsrechtliche Bedenken dem Leistungsausschluss nicht entgegenstehen. Nachdem die hier anzuwendende Regelung dem weitgehend entspricht, meint das Gericht, dass sich keine andere Bewertung ergibt, auch wenn vom BSG auf eine Existenzsicherung im Wege der Sozialhilfe abgestellt wurde. Im Anschluss an das Bayer. Landessozialgericht (Beschlüsse vom 24. Juli 2017, L 8 SO 7/17 B ER, und vom 24. April 2017, L 8 SO 77/17 B ER) und das SG Berlin (Beschluss vom 25. Juli 2017, S 95 SO 965/17 ER) meint auch das erkennende Gericht, dass sich der Gesetzgeber mit der Regelung zum Leistungsausschluss von Ausländern mit bestimmten Aufenthaltsrechten innerhalb des Spielraums bewegt, der ihm bei der Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG eingeräumt ist. Anders als dem Personenkreis, für den das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einen Anspruch auf laufende existenzsichernde Leistungen vermittelt, ist es Personen insbesondere aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in der Regel ohne weiteres möglich, kurzfristig in ihren Heimatstaat zurück zu reisen, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten zu aktivieren. Das zeigt sich gerade im Fall der Klägerinnen daran, dass diese sich erst unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung in Moldawien aufgehalten haben, aber wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind. Sie haben also gerade die Chance verstreichen lassen, sich dort um Existenzsicherung zu bemühen.

Hinzu kommt, dass die Freizügigkeitsberechtigung arbeitssuchender Unionsbürger nicht etwa verfassungsrechtlich, sondern vielmehr unionsrechtlich vermittelt wird. Demnach ist es aber gerade zulässig, arbeitssuchende Unionsbürger von dauerhaft existenzsichernden Sozialleistungen im Aufnahmemitgliedstaat auszuschließen. Hierauf hatten sich die Mitgliedsstaaten, denen nach wie vor die originäre (Fürsorge-)Verantwortung für ihre eigenen Staatsbürger zukommt, durch Aufnahme der Ausnahmeregelungen des Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (RL 2004/38/EG) geeinigt. Mit der Inanspruchnahme von Freizügigkeit zum Zweck der Arbeitssuche sollte gerade nicht automatisch auch ein Anspruch auf Existenzsicherung einhergehen, was nach den bereits zitierten Entscheidungen des EuGH auch zulässig war. Dass Unionsbürger, die nicht zugleich erwerbstätig im Aufnahmemitgliedstaat sind, bei Inanspruchnahme ihres Freizügigkeitsrechts zur Arbeitssuche nicht in dem gleichen Umfang mit existenzsichernden Sozialleistungen versorgt werden müssen, wie Bürger des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats, hat seine Grundlage also in einem Übereinkommen aller Mitgliedsstaaten. Die unionsrechtlich legitimierte Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, seine Gewährleistungsverantwortung nicht in vollem Umfang auf lediglich zur Arbeitssuche im Inland aufhältige Unionsbürger zu erstrecken und diese nicht wie eigene Staatsbürger mit existenzsichernden Sozialleistungen zu versorgen, haben Unionsbürger aus anderen Mitgliedstaaten zu respektieren, wenn sie zur Arbeitssuche nach Deutschland einreisen. Zumindest aber machen sie sehenden Auges von ihrer Freizügigkeit unter dieser - unionsrechtlich zulässigen - Prämisse, nämlich einer nur eingeschränkten Sozialleistungsberechtigung, Gebrauch. Vor diesem Hintergrund vermag es nicht einzuleuchten, weswegen es unzulässig sein sollte, einem erwerbsfähigen arbeitssuchenden Unionsbürger grundsätzlich keine einen Daueraufenthalt in Deutschland ermöglichenden existenzsichernden Sozialleistungen zur Verfügung zu stellen, sondern ihn zur Sicherstellung seines verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Existenzminimums nur noch insoweit mit solchen Leistungen zu versorgen, wie dies zur Organisation und Durchführung der Rückreise unerlässlich ist, und ihn im Übrigen auf die Inanspruchnahme der Sozialleistungen seines Herkunftsstaates zu verweisen. Auch aus der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungshöhe des AsylbLG a.F. ergeben sich weder für den Gesetzgeber noch für die Gerichte konkrete verfassungsrechtliche Vorgaben im Hinblick auf das „ob“ einer Leistungsgewährung an lediglich zur Arbeitssuche aufhältige Unionsbürger. Denn die Situation eines Unionsbürgers, der von seiner Freizügigkeit zur Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat Gebrauch macht, ist bereits deshalb nicht mit der eines Asylbewerbers oder Flüchtlings vergleichbar, da ersterer nicht vor Krieg oder individueller Verfolgung flieht und regelmäßig ohne Gefahr für Leib und Leben in sein Herkunftsland zurückkehren kann, um dort existenzsichernde Leistungen zu beziehen. Auch derjenige, der allein wegen Abschiebungshindernissen (z. B. Passlosigkeit) weiter im Bundesgebiet verbleibt und deshalb Leistungen nach dem AsylbLG bezieht, befindet sich evident in einer anderen Situation als ein Unionsbürger, der jederzeit ohne bürokratische Hürden den Grenzübertritt und die Rückreise in seinen Heimatstaat bewältigen kann.

Ein Anspruch auf die begehrten Leistungen kann sich darüber hinaus nicht aus dem Gleichbehandlungsgebot des Europäischen Fürsorgeabkommens ableiten lassen, weil Rumänien nicht zu den Signatarstaaten gehört. Zudem hat die Bundesrepublik Deutschland wirksam einen Vorbehalt bezüglich Leistungen nach dem SGB II erklärt hat (vgl. BSG, a.a.O.).

Die Klage hat deshalb im Hauptantrag keinen Erfolg.

Für den Hilfsantrag ergibt sich dasselbe Ergebnis aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Dass dessen Voraussetzungen vorliegen, begründet sich anhand der Ausführungen zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, so dass hierauf verwiesen wird.

Ebenso kann Bezug genommen werden auf die oben angeführten Erwägungen zur Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit höherrangigem Recht. Diesen können im Hinblick auf § 23 Abs. 3 SGB XII im gleichen Maß Geltung beanspruchen, zumal die Existenzsicherung durch die Sozialhilfe nicht als subsidiäres soziales Sicherungssystem gegenüber dem SGB II angesehen werden kann. Vielmehr belegen die im Dezember 2016 durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitssuchende und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erfolgten Änderungen an beiden Gesetzen, dass der Gesetzgeber hilfebedürftige Personen maßgeblich nach dem Kriterium der Erwerbsfähigkeit bzw. deren Fehlen entweder dem Sicherungssystem des SGB II oder alternativ dem des SGB XII zuweisen will. Diese Änderungen (oder Klarstellungen) sind gerade vorgenommen worden, weil das BSG in den Entscheidung vom 3. Dezember 2015 (a.a.O.) noch geurteilt hat, dass in den Abgrenzungsnormen zwischen SGB XII und SGB II nicht ausschließlich auf das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit abgestellt werde - und demzufolge hat das BSG einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII angenommen. Dem sollte mit der jüngsten Änderung bewusst entgegengewirkt werden. Sofern dieser Leistungsausschluss - wie vom Gericht - als verfassungsrechtlich zulässig erachtet wird, ist daher keine „Ausweichabsicherung“ über das SGB XII anzunehmen.

Auf einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen gemäß § 23 Abs. 3 Satz SGB XII kommt es nicht an, weil dieser nicht streitgegenständlich ist. Begehrt wurden, so auch die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung, laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, nicht zur Ermöglichung der Rückkehr ins Heimatland. Dass es den Klägerinnen zudem an einem Rückkehrwillen fehlt, führen ihrer Rückkehr nach Deutschland nach mehrwöchigem Auslandsaufenthalt und die von der Klägerin zu 1 berichteten Pläne, sich eine Arbeitsstelle zu suchen, aktuell nochmals deutlich vor Augen.

Demzufolge ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Der teilweise Erfolg in Form des Teilanerkenntnisses ist derart zu vernachlässigen, dass er die Erstattung außergerichtlicher Kosten der Klägerseite nicht rechtfertigt.

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Sozialgericht Augsburg Urteil, 20. Okt. 2017 - S 8 AS 1071/17

bei uns veröffentlicht am 20.10.2017

Tenor I. Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheids vom 25. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2017 dem Grunde nach verpflichtet, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vo

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

Tatbestand

1

Der 1973 geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger. Er reiste 2007 ohne Visum erstmals nach Deutschland ein. Mit seiner 1987 geborenen ghanaischen Lebensgefährtin hat er zwei 2008 bzw. 2010 geborene Töchter, die ebenfalls ghanaische Staatsangehörige sind. Für beide Kinder übt er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin die elterliche Sorge aus. Seine Lebensgefährtin hat eine weitere Tochter (R.), die sowohl die ghanaische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, und für die sie allein personensorgeberechtigt ist; diese Tochter lebt ebenfalls im Haushalt des Klägers und seiner Lebensgefährtin. Die Lebensgefährtin ist in einer Teilzeitbeschäftigung erwerbstätig. Sie hat eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, die gemeinsamen Töchter haben Aufenthaltstitel nach § 33 AufenthG.

2

Im Mai und Juli 2008 sowie im Juli 2010 beantragte der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin und den beiden gemeinsamen Töchtern. Auf eine von ihm erstattete Selbstanzeige wegen mehrfacher Einreise ohne Visum erging ein Strafbefehl, durch den eine Geldstrafe festgesetzt wurde. Durch Bescheid vom 24. Januar 2011 lehnte die Beklagte die Anträge des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziff. 1), forderte ihn zur Ausreise auf (Ziff. 2) und drohte ihm für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise die Abschiebung nach Ghana an (Ziff. 3).

3

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 36 Abs. 2 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG, abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung mit Urteil vom 18. April 2012 stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG zu erteilen. Dies sei zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich. Zwischen dem Kläger und seinen Töchtern bestehe eine von Art. 6 GG geschützte Lebens- und Erziehungsgemeinschaft. Der Kläger übe die Personensorge tatsächlich aus und betreue die Kinder während der Abwesenheit ihrer Mutter allein. Diese Lebensgemeinschaft könne nur im Bundesgebiet fortgesetzt werden. Denn weitere, ebenso geschützte Gemeinschaften bestünden nicht nur zwischen den Töchtern des Klägers und ihrer Mutter, sondern auch zwischen dieser und ihrer Tochter R. Eine Aufenthaltsbeendigung des Klägers werde zwangsläufig die familiäre Gemeinschaft mit seinen Töchtern aufheben, sofern ihn jene nicht nach Ghana begleiteten. Dies werde jedoch die Aufhebung der Lebensgemeinschaft der gemeinsamen Töchter mit ihrer Mutter zur Folge haben, sollte diese mit ihrer Tochter R. im Bundesgebiet bleiben wollen. Sollte sie hingegen mit dem Kläger und den gemeinsamen Töchtern nach Ghana zurückkehren, müsse sie entweder die Lebensgemeinschaft mit R. aufgeben oder sie mitnehmen. Als deutsche Staatsangehörige besitze R. aber ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland. Selbst wenn die Annahme zutreffe, die Aufenthaltsbeendigung zu Lasten des Klägers verstoße nicht gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, stünden jedenfalls Art. 20 AEUV und die zu dieser Vorschrift ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) einer Aufenthaltsbeendigung entgegen. Der Anspruch des Klägers scheitere auch nicht am Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen. Hinsichtlich des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (Sicherung des Lebensunterhalts) liege aus den genannten Gründen ein Ausnahmefall vor, der die Anwendung dieser nur im Regelfall geltenden Erteilungsvoraussetzung ausschließe. Durch seine mehrfache Einreise ohne Visum habe der Kläger zwar einen Ausweisungsgrund erfüllt, doch müsse von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im vorliegenden Fall abgesehen werden. Schließlich sei dem Kläger auch nicht die nachträgliche Durchführung eines Visumverfahrens zuzumuten, weil dieses wegen der ablehnenden Haltung der Beklagten voraussichtlich sehr lange dauern werde (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AufenthG).

4

Ihre rechtzeitig eingelegte Revision begründet die Beklagte damit, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht zustehe. Es fehle an einer außergewöhnlichen Härte. Die familiäre Lebenshilfe, die der Kläger seinen beiden minderjährigen Kindern schulde, müsse nicht im Bundesgebiet erbracht werden, weil die Lebensgemeinschaft mit der Lebensgefährtin des Klägers sowie ihrer Tochter R. auch in Ghana fortgeführt werden könne. Zwar stehe dieser Tochter aus ihrer deutschen Staatsangehörigkeit ein Aufenthaltsrecht für die Bundesrepublik zu. Sie dürfe aber auf Grund ihrer zweiten Staatsangehörigkeit auch nach Ghana einreisen, wo der familiären Lebensgemeinschaft ein vergleichbarer verfassungsrechtlicher Schutz zustehe wie in der Bundesrepublik Deutschland. Soweit sich das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 20 AEUV stütze, verkenne es, dass der vorliegende Sachverhalt mit dem vom EuGH entschiedenen Fällen nicht vergleichbar sei.

5

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und hebt hervor, dass ein Härtefall im Sinne von § 36 Abs. 2 AufenthG nicht vorliege; der Gesetzgeber habe sich ausdrücklich gegen ein allgemeines Nachzugsrecht entschieden.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Begründung des Berufungsgerichts für die Annahme, die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels sei zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich, verletzt durch die Wahl eines unzutreffenden Entscheidungsmaßstabs revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu den für die Annahme einer außergewöhnlichen Härte maßgeblichen Umständen fehlt, kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Der Rechtsstreit muss daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Aufklärung und erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Deshalb bedarf es einer Entscheidung über den auch in der Revisionsinstanz angefallenen Hilfsantrag des Klägers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25 Abs. 5 AufenthG derzeit nicht.

7

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Verpflichtungsklage auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 = Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 4 jeweils Rn. 10). Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie zu berücksichtigen hätte (stRspr, Urteil vom 10. Juli 2012 - BVerwG 1 C 19.11 - BVerwGE 143, 277 = Buchholz 402.242 § 11 AufenthG Nr. 9 jeweils Rn. 12 m.w.N.). Der Entscheidung sind deshalb die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der Republik Kroatien zur Europäischen Union vom 17. Juni 2013 (BGBl I S. 1555), zu Grunde zu legen. Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der entscheidungserheblichen Bestimmungen im vorliegenden Fall aber nicht geändert.

8

1. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG vorliegen, kann auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen nicht entschieden werden.

9

1.1 Das Aufenthaltsgesetz ist anwendbar. Es wird nicht durch das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) verdrängt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG), da dieses Gesetz auf den Kläger keine Anwendung findet. Nach § 1 FreizügG/EU regelt dieses Gesetz nur die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie, unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 FreizügG/EU (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU), ihrer Familienangehörigen. Der Kläger ist jedoch kein Familienangehöriger eines Unionsbürgers, da er mit der ältesten Tochter seiner Lebensgefährtin nicht verwandt ist; außerdem wird ihm von ihr kein Unterhalt gewährt.

10

1.2 Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG kann sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt werden, wenn dies zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 5 AufenthG) müssen grundsätzlich ebenfalls vorliegen.

11

Das Aufenthaltsgesetz behandelt im sechsten Abschnitt des zweiten Kapitels den Aufenthalt von Ausländern in Deutschland aus familiären Gründen. Dabei regeln die §§ 28 bis 30, 32, 33 und 36 Abs. 1 AufenthG die Voraussetzungen für eine Familienzusammenführung zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern und unterscheiden zusätzlich danach, ob das in Deutschland lebende Familienmitglied die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder nicht. Demgegenüber erstreckt § 36 Abs. 2 AufenthG die Möglichkeit einer Familienzusammenführung zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG (vgl. § 27 Abs. 1 AufenthG) auch auf sonstige Familienangehörige, die von den vorgenannten Normen nicht erfasst werden; die Vorschrift ist auf sonstige Familienangehörige von Deutschen entsprechend anzuwenden (vgl. § 28 Abs. 4 AufenthG). Allerdings ist der Nachzug sonstiger Familiengehöriger auf Fälle einer außergewöhnlichen Härte, das heißt auf seltene Ausnahmefälle beschränkt, in denen die Verweigerung des Aufenthaltsrechts und damit der Familieneinheit im Lichte des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen widerspräche, also schlechthin unvertretbar wäre.

12

Eine außergewöhnliche Härte in diesem Sinne setzt grundsätzlich voraus, dass der schutzbedürftige Familienangehörige ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung familiärer Lebenshilfe dringend angewiesen ist, und dass diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in Deutschland erbracht werden kann (Urteil vom 10. März 2011 - BVerwG 1 C 7.10 - Buchholz 402.242 § 7 AufenthG Nr. 5 Rn. 10; ebenso zur Vorgängervorschrift in § 22 AuslG: Beschluss vom 25. Juni 1997 - BVerwG 1 B 236.96 - Buchholz 402.240 § 22 AuslG 1990 Nr. 4). Ob dies der Fall ist, kann nur unter Berücksichtigung aller im Einzelfall relevanten, auf die Notwendigkeit der Herstellung oder Erhaltung der Familiengemeinschaft bezogenen konkreten Umstände beantwortet werden (vgl. Urteil vom 18. April 2013 - BVerwG 10 C 9.12 - InfAuslR 2013, 331 Rn. 23).

13

Die spezifische Angewiesenheit auf familiäre Hilfe in Deutschland als Voraussetzung für den Nachzug sonstiger Familienangehöriger stellt eine höhere Hürde dar als die in den §§ 28 bis 30, 32, 33 und 36 Abs. 1 AufenthG geregelten Voraussetzungen für den Nachzug von Kindern, Eltern oder Ehegatten, weil sie eine gesonderte Begründung dafür verlangt, dass die Herstellung der Familieneinheit außerhalb der Bundesrepublik Deutschland unzumutbar wäre (vgl. Urteil vom 18. April 2013 - BVerwG 10 C 10.12 - juris Rn. 37 - 39). Dies folgt im Übrigen auch aus dem Umstand, dass bei dem Ehegatten- und Kindernachzug (§ 30 Abs. 2 und § 31 Abs. 2 bzw. § 32 Abs. 4 AufenthG) die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Fällen, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen Norm nicht erfüllt sind, schon zur Vermeidung einer besonderen Härte, also bei drohender erheblicher Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), in Betracht kommt. Das Berufungsgericht hat den Prüfungsmaßstab des § 36 Abs. 2 AufenthG verfehlt, indem es eine außergewöhnliche Härte schon angenommen hat, wenn die Umstände des Einzelfalles eine im Vergleich zum Nachzug von Eltern, Kindern oder Ehegatten nur vergleichbare Dringlichkeit im Sinne einer besonderen Härte begründen.

14

1.3 Der Kläger ist im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sonstiger Familienangehöriger seiner leiblichen Töchter A. B. und T., denn er ist als nicht mit der Mutter der Kinder verheirateter Vater keinem der sonst in Betracht kommenden Tatbestände des Familiennachzugs zuzuordnen. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem zuvor benannten Entscheidungsmaßstab zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist, da notwendige Feststellungen zu den relevanten Umständen des Einzelfalles fehlen. Zwar sind die Kinder A. B. und T. auf Grund ihres Alters von zwei bzw. vier Jahren außerstande, ein eigenständiges Leben zu führen; sie bedürfen vielmehr als Kleinkinder ständiger Pflege und Betreuung und deshalb der Einbindung in die familiäre Lebensgemeinschaft. Ob allerdings diese familiäre Lebenshilfe für A. B. und T. in zumutbarer Weise nur in Deutschland geleistet werden kann, hängt maßgeblich davon ab, wie sich eine Fortführung der Familiengemeinschaft außerhalb Deutschlands voraussichtlich auf das Kind R. auswirken würde. Dies ergibt sich aus Folgendem:

15

Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährt keinen unmittelbaren Aufenthaltsanspruch, verpflichtet die Ausländerbehörden jedoch, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, umfassend zu berücksichtigen. Die Pflicht des Staates zum Schutz der Familie drängt einwanderungspolitische Belange erst dann zurück, wenn die gelebte Familiengemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden kann, etwa weil besondere Umstände demjenigen Mitglied dieser Gemeinschaft, zu dem der Ausländer eine außergewöhnlich enge Beziehung hat, ein Verlassen des Bundesgebiets unzumutbar machen. Handelt es sich bei diesem Mitglied der Familiengemeinschaft um ein Kind, so ist maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen (BVerfG, Beschlüsse vom 18. April 1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81 <93>, vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101, 313/84 - BVerfGE 76, 1 <46 ff.>, vom 5. Juni 2013 - 2 BvR 586/13 - AuAS 2013, 160, vom 10. Mai 2008 - 2 BvR 588/08 - InfAuslR 2008, 347 und vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 - InfAuslR 2006, 320). Die Besonderheiten, die sich aus einer als "Patchwork-Familie" bezeichneten familiären Konstellation ergeben, müssen sorgfältig ermittelt und mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt werden. Auch die außerhalb der "Patchwork-Familie" stehenden leiblichen Elternteile der minderjährigen Familienangehörigen sind in die Betrachtung einzubeziehen.

16

Nach diesem Maßstab wäre es dem Kläger und seinen leiblichen Töchtern A. B. und T. sowie deren Mutter, der Lebensgefährtin des Klägers, bei isolierter Betrachtung ohne Berücksichtigung des Kindes R. zumutbar, die zwischen ihnen bestehende familiäre Lebensgemeinschaft außerhalb Deutschlands weiterzuführen. Sie besitzen ausschließlich die ghanaische Staatsangehörigkeit; besondere Umstände, die eine Verwurzelung in Deutschland nahe legen würden (Art. 8 EMRK), sind nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Verfahren weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Im Hinblick auf das Alter der Kinder von nur zwei bzw. vier Jahren bestand für das Berufungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung insofern auch kein Anlass zu weiterer Aufklärung. Ob dies im Zeitpunkt der erneuten Verhandlung und Entscheidung nach Zurückverweisung noch in gleicher Weise zutrifft, kann offenbleiben.

17

In den durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutz der gelebten Familiengemeinschaft, der der Kläger angehört, ist nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts jedoch auch die älteste Tochter der Lebensgefährtin des Klägers, die im Jahre 2006 geborene R., einbezogen. Aus diesem Grunde müssen die Auswirkungen einer Ausreise des Klägers, seiner leiblichen Töchter und seiner Lebensgefährtin auf R. berücksichtigt werden. Zwar ist sie, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, als deutsche Staatsangehörige vor behördlichen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen geschützt. Aus ihrer deutschen Staatsangehörigkeit folgt für sich genommen allerdings nicht, dass ihr eine Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft im Ausland ohne Hinzutreten besonderer Umstände stets unzumutbar wäre. Dasselbe gilt auch für den durch Art. 8 EMRK vermittelten Schutz (vgl. Urteil vom 13. Juni 2013 - BVerwG 10 C 16.12 - juris Rn. 22 f. mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EGMR). Ob ein Fall der Unzumutbarkeit vorliegt, hängt vielmehr davon ab, welche Folgen eine - ggf. bis zur Volljährigkeit andauernde, aber jedenfalls vorübergehende - Fortführung der Familiengemeinschaft mit ihrer Mutter, ihren Halbschwestern und dem Kläger im Ausland für sie hätte, ob und ggf. welche Alternativen denkbar wären (stRspr, BVerfG, Beschlüsse vom 10. Mai 2008 a.a.O. und vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 - BVerfGK 14, 458 Rn. 27) und wie sich ein derartiger Aufenthalt im Ausland ggf. auf ihre - rechtlich gesicherte - Möglichkeit einer späteren Rückkehr und Reintegration in Deutschland auswirken würde (Urteil vom 13. Juni 2013 a.a.O. Rn. 27).

18

Sollte sich aus derartigen Umständen - die bisher nicht hinreichend aufgeklärt sind - ergeben, dass R. die Fortführung der familiären Gemeinschaft außerhalb Deutschlands nicht zuzumuten ist, spräche Überwiegendes dafür, dass der Kläger zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte einen Aufenthaltstitel beanspruchen könnte. Denn auch wenn der Kläger mit R. nicht verwandt ist und auch sonst in keiner rechtlichen Beziehung zu ihr steht, so steht die Beziehung R.s zu ihrer leiblichen Mutter - der Lebensgefährtin des Klägers, die zudem das alleinige Sorgerecht für sie ausübt - ebenso unter dem rechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG wie die Beziehung der Lebensgefährtin des Klägers zu den gemeinsamen Kindern A. B. und T. Eine behördlich verfügte Aufenthaltsbeendigung des Klägers würde je nachdem, welche Entscheidung der Kläger und seine Lebensgefährtin über den Verbleib der übrigen Mitglieder der "Patchwork-Familie" treffen, dazu führen, dass entweder R. die Bundesrepublik Deutschland zusammen mit der Familiengemeinschaft verlassen würde oder dass verfassungsrechtlich geschützte familiäre Bindungen zwischen den Mitgliedern der "Patchwork-Familie" beeinträchtigt oder zerstört würden. Die sich hieraus ergebenden konkreten Folgen für das Kind R. sind im Verfahren bisher weder unter dem Aspekt des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG noch unter demjenigen des Art. 8 EMRK hinreichend ermittelt worden, so dass die Frage, ob die Verweigerung eines Aufenthaltstitels zu Lasten des Klägers eine Handlungsmöglichkeit offenlässt, in der R. die Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar wäre, nicht beantwortet werden kann.

19

1.4 Das Berufungsgericht wird daher aufzuklären haben, ob es besondere Umstände gibt, die einen Verbleib des Kindes R. in Deutschland als einzige dem Kind zumutbare Alternative erscheinen lassen. Derartige Umstände können sich etwa aus dem Verhältnis R.s zu ihrem leiblichen Vater ergeben, insbesondere dann, wenn zwischen ihnen bereits bestehende oder gewünschte Kontakte durch die Fortführung der Familiengemeinschaft im Ausland unmöglich gemacht würden. Auch wenn bisher derartige Umstände im Verfahren nicht deutlich zu Tage getreten sind, drängt sich eine weitere Aufklärung im Hinblick auf das Recht eines Kindes auf Umgang mit beiden Eltern auf. Aufzuklären ist auch, ob die Lebensumstände in Deutschland dazu führen können, dass R. eine Beendigung ihres Aufenthalts nicht verarbeiten könnte, ohne Schaden zu nehmen. Ob dies der Fall sein kann, dürfte auch davon abhängen, wie sich ihre Lebensumstände bei einer Verlagerung der Familieneinheit nach Ghana voraussichtlich darstellen würden. Weiter wird eine Prognose darüber zu treffen sein, ob durch einen Umzug der Familie nach Ghana die ihr auf Grund ihrer Staatsangehörigkeit zustehende Rückkehrmöglichkeit beeinträchtigt oder gar entwertet würde, etwa durch eine Erschwerung der Reintegration aus sprachlichen Gründen oder als Folge einer Sozialisation in Ghana. Schließlich muss geprüft werden, ob es Alternativen zu einer Fortführung der familiären Lebensgemeinschaft aller Mitglieder der "Patchwork-Familie" im Ausland gibt. In diesem Zusammenhang dürfte es darauf ankommen, wie das Verhältnis des Kindes R. zum Kläger, zu ihrem leiblichen Vater, ihren Halbgeschwistern und ihrer Mutter zu bewerten ist. Maßgeblicher Bezugspunkt für diese Prüfung wird der Zeitpunkt der erneuten Entscheidung des Berufungsgerichts sein.

20

1.5 Ohne weitere Sachaufklärung lässt sich auch die Frage nicht beantworten, ob die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben sind oder nicht.

21

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass der Lebensunterhalt des Klägers ohne Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen nicht gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG); zudem liegt der Ausweisungsgrund der mehrfachen illegalen Einreise (§ 5 Abs. 1 Nr. 2, § 95 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) vor; schließlich ist der Kläger ohne Visum eingereist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG).

22

1.5.1 Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist; dies gilt allerdings nicht in atypischen Ausnahmefällen. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, dass ein solcher Ausnahmefall anzunehmen ist, wenn sich ergeben sollte, dass die Verweigerung eines Aufenthaltstitels eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 36 Abs. 2 AufenthG darstellt, weil die Fortführung der Familieneinheit im Ausland unzumutbar wäre und deshalb eine Verletzung von Art. 6 GG, Art. 8 EMRK anzunehmen wäre. Ob dies der Fall ist, kann jedoch - wie ausgeführt - erst nach Aufklärung der vorgenannten maßgeblichen Umstände beantwortet werden.

23

1.5.2 Ebenfalls ohne Verstoß gegen revisibles Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass im vorliegenden Fall das Erfordernis des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegensteht. Nach dieser Vorschrift darf in der Regel kein Ausweisungsgrund vorliegen. Zwar verstößt die mehrfache Einreise des Klägers ohne Aufenthaltstitel gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und stellt zugleich eine Straftat (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) und damit einen Ausweisungsgrund (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) dar. Im vorliegenden Fall spricht jedoch Überwiegendes dafür, dass gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege von dieser Erteilungsvoraussetzung abgesehen werden muss. Denn die eingetretene Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist im Hinblick auf den Zweck seiner Einreise, seine nachfolgende Selbstanzeige und die inzwischen erteilte Duldung von geringem Gewicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Mai 2008 - 2 BvR 588/08 - InfAuslR 2008, 347 a.E.). Einer weiteren Sachaufklärung bedarf es hierzu nicht.

24

1.5.3 Ob schließlich der Umstand, dass der Kläger ohne das erforderliche Visum eingereist ist, einem Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht, kann erst nach weiterer Sachaufklärung entschieden werden. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist ist. Von diesem Erfordernis kann etwa dann abgesehen werden, wenn es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles unzumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.

25

Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines solchen Falles ohne hinreichend breite Tatsachengrundlage damit begründet, dass von einer langen Dauer des nachzuholenden Visumverfahrens auszugehen sei, weil der Kläger voraussichtlich den Rechtsweg gegen eine zunächst ablehnende Entscheidung werde beschreiten müssen. Mit dieser Begründung geht das Berufungsgericht zu Unrecht von der Annahme aus, die zuständige Behörde werde trotz einer gerichtlichen Entscheidung, in der ein Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 36 Abs. 2 AufenthG grundsätzlich bejaht wird, durch Verweigerung des Visums rechtswidrig handeln; zudem hat es versäumt, die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO in seine Prognose einzubeziehen (vgl. Urteil vom 18. April 2013 - BVerwG 10 C 9.12 - InfAuslR 2013, 331 Rn. 22).

26

Für die im Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG anzustellende Prognose muss vielmehr konkret ermittelt werden, wie lange der familiären Gemeinschaft des Klägers, seiner Lebensgefährtin und der drei Kinder eine Abwesenheit des Klägers zugemutet werden kann. Hierfür kommt es insbesondere darauf an, wie lange ein Visumverfahren bei korrekter Sachbehandlung und ggf. unter Zuhilfenahme einstweiligen Rechtsschutzes voraussichtlich dauern würde und welche Auswirkungen eine vorübergehende Ausreise des Klägers für die Familie hätte, insbesondere, ob die noch sehr kleinen Kinder auch durch eine verfahrensbedingte Abwesenheit des Klägers von nur wenigen Monaten emotional unzumutbar belastet würden. Die hierfür maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen sind bisher nicht getroffen worden.

27

2. Sollte das Berufungsgericht auf der Grundlage der noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen eine negative Entscheidung über einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG treffen, wird diese Entscheidung am Recht der Europäischen Union zu messen sein.

28

2.1 Die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Unionsbürgerrichtlinie) ist auf den Kläger nicht anwendbar. Sie regelt die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen ihr Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten wahrnehmen können, das Recht dieser Personen auf Daueraufenthalt sowie die Beschränkung dieser Rechte aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit und gilt für jeden Unionsbürger, der sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt hat, sowie seine Familienangehörigen. Der Kläger ist jedoch nicht Familienangehöriger im Sinne der Richtlinie, da er mit dem Kind deutscher Staatsangehörigkeit R. nicht verwandt ist; zudem hat diese von ihrem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht und gewährt dem Kläger keinen Unterhalt.

29

Auch die Richtlinie 2003/86/EG des Rates (Familienzusammenführungsrichtlinie) findet keine Anwendung. Zwar sind die Lebensgefährtin des Klägers und seine leiblichen Kinder Drittstaatsangehörige, so dass sie grundsätzlich als Zusammenführende in Betracht kämen. Doch der Kläger zählt nicht zum Kreis der Nachzugsberechtigten, weil er nicht der Ehegatte seiner Lebensgefährtin ist (vgl. Art. 4 Abs. 1a der Richtlinie); die Optionen für den Nachzug nichtehelicher Partner und von Verwandten in gerader aufsteigender Linie, denen von den zusammenführenden Familienangehörigen Unterhalt gewährt wird (vgl. Art. 4 Abs. 2a und Abs. 3 der Richtlinie) sind im deutschen Aufenthaltsrecht nicht genutzt worden.

30

2.2 Als unionsrechtlicher Maßstab kommen im vorliegenden Falle vielmehr allein Art. 20 und 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Betracht.

31

Art. 20 Abs. 1 AEUV verleiht jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt, den Status eines Unionsbürgers. Dieser umfasst nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2a, Art. 21 AEUV das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Nach der Rechtsprechung des EuGH steht dieser grundlegende Status der Unionsbürger nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird. Dies gilt auch für minderjährige Unionsbürger. Solange sie sich in einer Situation befinden, die durch eine rechtliche, wirtschaftliche oder affektive Abhängigkeit von Drittstaatsangehörigen bestimmt ist, darf auch durch - insbesondere aufenthaltsrechtliche - Maßnahmen gegen diese nicht bewirkt werden, dass sich der minderjährige Unionsbürger rechtlich oder faktisch gezwungen sieht, das Unionsgebiet zu verlassen. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob sich die Maßnahme nur gegen einen Elternteil oder gegen beide Eltern des Unionsbürgers oder gegen andere Bezugspersonen richtet. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Unionsbürger sein Freizügigkeitsrecht bereits ausgeübt hat oder nicht. Allerdings reicht der bloße Wunsch, die Familiengemeinschaft mit allen Familienangehörigen im Unionsgebiet aufrecht zu erhalten, nicht aus. Verhindert werden soll nämlich eine Situation, in der der Unionsbürger für sich keine andere Wahl sieht als einem Drittstaatsangehörigen, von dem er rechtlich, wirtschaftlich oder affektiv vollkommen abhängig ist, bei der Ausreise zu folgen bzw. sich zu ihm ins Ausland zu begeben und deshalb das Unionsgebiet zu verlassen. Lebt er hingegen mit einem sorgeberechtigten Drittstaatsangehörigen zusammen, der über ein Daueraufenthaltsrecht verfügt und eine Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit hat, so spricht dies dagegen, dass eine aufenthaltsrechtliche Maßnahme gegen einen anderen Drittstaatsangehörigen einen unionsrechtswidrigen Zwang zur Ausreise auslösen könnte (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Oktober 2004 - Rs. C-200/02, Zhu und Chen - Slg. 2004, I-9925 Rn. 25 ff.; vom 8. März 2011 - Rs. C-34/09, Zambrano - Slg. 2011, I-1177 Rn. 41 ff.; vom 5. Mai 2011 - Rs. C-434/09, McCarthy - Slg. 2011, I-3375 Rn. 44 ff.; vom 15. November 2011 - Rs. C-256/11, Dereci - NVwZ 2012, 97 Rn. 59 - 69; vom 8. November 2012 - Rs. C-40/11, Iida - NVwZ 2013, 357 Rn. 66 ff.; vom 6. Dezember 2012 - Rs. C-356/11, O. und S. - NVwZ 2013, 419 Rn. 52 ff. mit dem Hinweis auf Rn. 44 der Anträge des Generalanwalts in dieser Sache und vom 8. Mai 2013 - Rs. C-87/12, Ymeraga - InfAuslR 2013, 259 Rn. 34 ff.).

32

Nach diesen Grundsätzen muss sich jede nationale Maßnahme eines Mitgliedstaats gegen drittstaatsangehörige Bezugspersonen minderjähriger Unionsbürger an dem Verbot messen lassen, einen rechtlichen oder faktischen Zwang zum Verlassen des Unionsgebiets auszulösen und die Unionsbürgerschaft dadurch ihrer praktischen Wirksamkeit zu berauben. Die Berufung auf Art. 20 und 21 AEUV ist allerdings auf seltene Ausnahmefälle beschränkt (EuGH, Urteil vom 8. November 2012 a.a.O. Rn. 71). Zu prüfen sind jeweils alle Umstände des konkreten Falles (EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 53). Ob eine nationale Maßnahme den Kernbestand der Unionsbürgerschaft in diesem Sinne beeinträchtigt, hat das mitgliedstaatliche Gericht zu entscheiden.

33

Lebt der schutzbedürftige minderjährige Unionsbürger in einer "Patchwork-Familie", so sind die sich aus den Besonderheiten dieser familiären Lebensgemeinschaft ergebenden Umstände in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, ob zwischen dem Drittstaatsangehörigen, für den das Aufenthaltsrecht beantragt wird, und dem minderjährigen Unionsbürger eine biologische Beziehung besteht; maßgeblich ist vielmehr, ob der Unionsbürger von dem Drittstaatsangehörigen in finanzieller, rechtlicher oder affektiver Hinsicht im vorerwähnten Sinne abhängig ist. Auch ist es von erheblicher Bedeutung, ob ein faktischer Zwang zur Ausreise den minderjährigen Unionsbürger an der Fortführung eines bestehenden Kontakts zu einem leiblichen Vater oder einer leiblichen Mutter hindert, der bzw. die außerhalb der "Patchwork-Familie" lebt. Schließlich ist zu berücksichtigten, wer das Sorgerecht für den minderjährigen Unionsbürger innehat und ausübt (EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 51, 55).

34

2.3 Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall anwendbar. Ob allerdings die Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG gegenüber dem Kläger unionsrechtlichen Anforderungen genügen würde, kann ohne eine im Falle einer derartigen Entscheidung zu § 36 Abs. 2 AufenthG erforderlich werdenden weiteren Sachaufklärung nicht entschieden werden.

35

Das Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass unabhängig von der Annahme eines außergewöhnlichen Härtefalls im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ein Anspruch des Klägers auf einen Aufenthaltstitel jedenfalls aus Art. 20 AEUV folge, weil die Verweigerung eines Aufenthaltstitels dazu führen werde, dass sowohl seine Lebensgefährtin als auch ihre älteste Tochter R. Deutschland verlassen würden. Diese Annahme beruht auf einem Entscheidungsmaßstab, der der vorzitierten Rechtsprechung des EuGH nicht entspricht. Denn das Berufungsgericht lässt außer Acht, dass R.s Mutter - die Lebensgefährtin des Klägers - über ein Aufenthaltsrecht verfügt, das wegen seiner Bindung an die Minderjährigkeit R.s einem Daueraufenthaltsrecht gleichkommt und dass bereits dieser Umstand der Annahme eines unionsrechtswidrigen faktischen Zwangs zum Verlassen des Unionsgebiets entgegensteht. Gegen einen solchen Zwang spricht auch, dass die Lebensgefährtin des Klägers das alleinige Sorgerecht für R. innehat, so dass diese jedenfalls nicht in einem rechtlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Kläger steht. Schließlich hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Lebensgefährtin des Klägers - nicht aber dieser selbst - durch Erwerbstätigkeit zum Unterhalt der Familiengemeinschaft beiträgt, so dass auch nichts für eine wirtschaftliche Abhängigkeit R.s vom Kläger spricht; Unterhaltspflichten hat er ihr gegenüber nicht.

36

Ob die übrigen nach der vorzitierten Rechtsprechung des EuGH maßgeblichen Kriterien gegeben sind oder nicht, lässt sich ohne zusätzliche Sachverhaltsaufklärung allerdings nicht feststellen. Insbesondere liegen keine aussagekräftigen Feststellungen dazu vor, ob zwischen R. und dem Kläger ein affektives Abhängigkeitsverhältnis besteht, dessen Intensität trotz der festgestellten Umstände - insbesondere der wirtschaftlichen, rechtlichen und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch affektiven Bindung R.s an ihre Mutter - für das Vorliegen eines unionsrechtswidrigen Zwangs zum Verlassen des Unionsgebiets sprechen könnte. Hinreichende Feststellungen fehlen auch zu der weiteren Frage, ob eine emotionale Beziehung zwischen R. und ihrem leiblichen Vater festgestellt werden kann, die eine möglicherweise bestehende affektive Abhängigkeit R.s vom Kläger relativieren würde. Erst wenn diese Aspekte hinreichend geklärt sind, kann ggf. entschieden werden, ob die Verweigerung eines Aufenthaltsrechts gegenüber dem Kläger mit Art. 20 AEUV und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH im Einklang stünde.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 8.1.2013 bis 31.5.2013.

2

Die 1981 geborene Klägerin spanischer Staatsangehörigkeit ist am 28.2.2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist (Freizügigkeitsbescheinigung vom 28.2.2012). Gemeinsam mit einer weiteren Person bewohnte sie seit 1.3.2012 in Berlin eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 73 qm und einer Mietbelastung von insgesamt 750 Euro, von der sie einen Anteil in Höhe von 375 Euro trägt. Anlässlich ihres Antrags auf SGB II-Leistungen vom 10.5.2012 überreichte sie eine Anmeldung ihrer Arbeitgeberin M. C. bei der Minijobzentrale ("Haushaltsscheck") vom 22.4.2012 zu einer Beschäftigung ab 18.4.2012 mit einem monatlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 400 Euro. Sie reichte Rechnungen vom 29.5.2012 für eine 30-stündige Betreuung der Kinder der Arbeitgeberin zu einem Entgelt von 250 Euro, jeweils für die Monate April und Mai 2012, ein. Später teilte die Klägerin mit, sie habe für den Monat Juli 2012 noch ein Entgelt in Höhe von 80 Euro für zehn Stunden Kinderbetreuung erhalten. Die Tätigkeit endete zum 7.7.2012 (Schreiben der Klägerin vom 7.7.2012; Abmeldung zum 7.7.2012).

3

Nachdem die Klägerin zunächst bis Ende November 2012 SGB II-Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erhalten hatte, lehnte der Beklagte ihren SGB II-Antrag vom 26.10.2012 ab (Bescheid vom 7.12.2012; Widerspruchsbescheid vom 12.3.2013). Im sozialgerichtlichen Verfahren erkannte er mit einem von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnis einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.12.2012 bis 7.1.2013 an. Sodann hat das SG den Bescheid vom 7.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.3.2013 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin auch für die Zeit vom 8.1.2013 bis zum 31.5.2013 Leistungen in Höhe von 757 Euro monatlich zu erbringen (Urteil vom 7.11.2013).

4

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.6.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin sei nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von SGB II-Leistungen ausgeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im maßgeblichen Zeitraum allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben habe. Der Leistungsausschluss erfasse auch Unionsbürger nach Verlust des fortwirkenden Status als Arbeitnehmer. Jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung sei der Senat von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II nicht überzeugt. Da die Klägerin nach dem Verlust der lediglich knapp drei Monate ausgeübten geringfügigen Tätigkeit im weiteren Verlauf erfolglos nach Arbeit gesucht habe, liege eine Verbindung mit dem Arbeitsmarkt in Deutschland nicht mehr vor. Auch sonstige Gründe, die nach Prüfung des vorliegenden Einzelfalls eine Leistung nach dem SGB II (zB wegen familiärer Kontakte) ausnahmsweise notwendig gemacht hätten, seien nicht gegeben. Aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) ergebe sich kein Anspruch. Einer Beiladung des Sozialhilfeträgers habe es nicht bedurft. Die Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII ständen nicht in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis, sondern schlössen sich gegenseitig aus.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Durch die Entscheidung des EuGH vom 15.9.2015 sei die Frage der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II nicht abschließend entschieden. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II sei einer einschränkenden Auslegung insofern zugänglich, als sie jedenfalls Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nicht erfasse, die bereits eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt aufgebaut hätten. Dies treffe auf sie zu, weil sie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung erfülle. Zudem sei die - hier ab 8.1.2013 - eingreifende, fixe Sechsmonatsgrenze des § 7 Abs 1 S 2 SGB II iVm § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU in Art 7 Abs 3 lit c der UnionsbürgerRL nicht angelegt. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der nicht nur im Europarecht verankert sei, sondern auch aus dem Grundgesetz folge, müsse geprüft werden, ob die Begrenzung auf maximal sechs Monate verhältnismäßig sei. Einer Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses stehe das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA entgegen. Die Klägerin rügt weiter eine fehlende Beiladung des Sozialhilfeträgers. Da sich der von der Bundesregierung gegen das EFA erklärte Vorbehalt nur auf SGB II-Leistungen beziehe, seien - in entsprechender Auslegung des innerstaatlichen Rechts - SGB XII-Leistungen zu erbringen.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2013 zurückzuweisen, hilfsweise den beizuladenden Sozialhilfeträger zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 8. Januar 2013 bis 31. Mai 2013 Leistungen nach dem SGB XII zu erbringen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er vertritt mit Bezug auf das Urteil des EuGH vom 15.9.2015 (Rs C-67/14 ) die Ansicht, dass die Klägerin von SGB II-Leistungen ausgeschlossen sei und die Berücksichtigung persönlicher Umstände bei einer Fallgestaltung wie derjenigen der Klägerin nicht erforderlich sei.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Zwar ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum vom 8.1.2013 bis 31.5.2013 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat, weil sie dem Ausschluss hiervon nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II unterliegt. Der Senat kann aber nicht abschließend entscheiden, weil als anderer leistungspflichtiger Träger nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG der zuständige Sozialhilfeträger in Betracht kommt, dessen Beiladung das LSG nach der nunmehr im Revisionsverfahren erfolgten Rüge der Klägerin nachzuholen hat.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG vom 18.6.2015, das Urteil des SG vom 7.11.2013 sowie der SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ablehnende Bescheid des Beklagten vom 7.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.3.2013. In zeitlicher Hinsicht hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf den Zeitraum vom 8.1.2013 bis 31.5.2013 beschränkt.

11

2. a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen den Beklagten. Zwar lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG entnehmen, dass sie die im SGB II normierten Anspruchsvoraussetzungen im streitigen Zeitraum erfüllte. Sie ist jedoch von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund von § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und 2 SGB II(idF vom 28.8.2007 durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl I 1970, 2008) ausgeschlossen. Danach sind von den benannten Leistungen ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige, die weder in der Bundesrepublik Deutschland noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts und 2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Der Ausschlussgrund des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II kommt wegen des durchgehenden Aufenthalts der Klägerin im Bundesgebiet seit Februar 2012 von vornherein nicht in Betracht.

12

b) Die Klägerin unterfällt jedoch dem Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. In dem streitigen Zeitraum kann sie sich weder auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine etwaige - zuvor durch die Tätigkeiten der Klägerin im Bundesgebiet erworbene - Erwerbstätigeneigenschaft im streitigen Zeitraum jedenfalls nicht mehr erhalten geblieben ist und andere Aufenthaltsrechte nicht vorliegen.

13

Zeitliche Grenzen der Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft ergeben sich aus § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU. Hiernach bleibt ein entsprechender Status als Arbeitnehmerin (oder Selbstständige) "bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung … während der Dauer von sechs Monaten unberührt". Im Falle der Klägerin war dieser Zeitraum am 7.1.2013 abgelaufen. Auf europarechtlicher Ebene bestimmt Art 7 Abs 3 Buchst c RL 2004/38/EG, dass einem Erwerbstätigen, wenn er sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt, seine Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten bleibt. Während dieses Zeitraums behält der betreffende Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat sein Aufenthaltsrecht nach Art 7 der Richtlinie und kann sich auf das in Art 24 Abs 1 RL 2004/38/EG verankerte Gleichbehandlungsgebot berufen.

14

Soweit die Klägerin meint, die Richtlinie gebe die Möglichkeit einer weiteren Abstufung vor, wenn der Zeitraum von sechs Monaten unzureichend sei, um die Rechte und Pflichten eindeutig zu erfassen, folgt hieraus kein über die Umsetzung in § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU hinausgehender Gestaltungsauftrag an den nationalen Gesetzgeber. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelung. Die erweiterte Regelung des Art 8 Abs VII c des Kommissionsentwurfs zur UnionsbürgerRL (vgl KOM <2001>257 endg: "c) er sich bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit infolge des Ablaufs seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten; hat er Anspruch auf eine Arbeitslosenleistung, bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten, bis der Anspruch erlischt") (vgl KOM <2001>257 endg: "c) er sich bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit infolge des Ablaufs seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten; hat er Anspruch auf eine Arbeitslosenleistung, bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten, bis der Anspruch erlischt") ist nicht in die Endfassung der RL übernommen worden (vgl Dienelt in Bergmann/ Dienelt, 11. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU RdNr 107 ff, 112 f). Entsprechend hat der EuGH sowohl in seinem Urteil vom 4.6.2009 (Rs C-22/08/Rs C-23/08 juris RdNr 32) als auch in seinem Urteil vom 15.9.2015 (Rs C-67/14 juris RdNr 61) betont, dass "ein Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit, in dem der Anspruch auf Sozialhilfe aufrechterhalten" bleibe, eine "Rechtssicherheit und Transparenz" gewährleistende Regelung sei, die "zugleich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" stehe. Ausdrücklich wird betont, dass "§ 7 Abs 1 SGB II in Verbindung mit § 2 Abs 3 FreizügG/EU als auch Art 7 Abs 3 Buchst c der Richtlinie 2004/38" auf einen Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit abstelle(Urteil vom 15.9.2015 - Rs C-67/14 juris RdNr 61).

15

c) Soweit die Klägerin - entsprechend den Feststellungen des LSG, dass sich für sie ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe - ab 8.1.2013 weiterhin über eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitsuchende verfügt hat, wäre sie ebenso wie für den Fall, dass keine Freizügigkeitsberechtigung mehr gegeben sein sollte, nicht leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG sind - über den Wortlaut der genannten Regelung hinaus - auch diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgenommen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen. Die Vorschrift des § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, weil sie einen Leistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine solche materielle Freizügigkeitsberechtigung iS des FreizügG/EU berufen können(vgl ausführlich Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen - RdNr 19 ff; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - RdNr 20; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - RdNr 24, auch zur Abgrenzung einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung von der generellen Freizügigkeitsvermutung).

16

d) In dieser Auslegung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ist die Ausschlussregelung nach den Ent-scheidungen des EuGH in der Rechtssache Dano(Urteil vom 11.11.2014 - C-333/13 NZS 2015, 20 ff) und in der Rechtssache Alimanovic (Urteil vom 15.9.2015 - C-67/14 - SGb 2015, 638 ff) europarechtskonform (vgl auch Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen - RdNr 35; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - RdNr 35; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - RdNr 31). Weiter ist als geklärt anzusehen, dass der nach dem Wortlaut des § 7 Abs 1 S 2 SGB II normierte, ausnahmslose Ausschluss der Arbeitsuchenden von SGB II-Leistungen auch bereits im Bundesgebiet beschäftigt gewesene Unionsbürgerinnen und Unionsbürger erfasst, die weniger als ein Jahr gearbeitet haben. Haben diese - wie hier die Klägerin nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - nach Ablauf der Aufrechterhaltung ihrer Erwerbstätigeneigenschaft für den Zeitraum von sechs Monaten erneut ein Aufenthaltsrecht nur (noch) zur Arbeitsuche, steht der nachfolgende ausnahmslose Ausschluss von SGB II-Leistungen (vgl Frage 2 des Vorlagebeschlusses des Senats vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R) unabhängig von der Dauer des rein tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalts der (wieder) Arbeitsuchenden im Bundesgebiet sowie deren familiärer Umstände nach dieser Entscheidung des EuGH im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben des Art 4 der VO (EG) Nr 883/2004 und Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG. Der Hinweis der Klägerin, dass der Beklagte sie durch Abschluss der Eingliederungsvereinbarung im Mai 2012 verpflichtet habe, an einem durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten und im Juni 2013 erfolgreich beendeten Integrationskurs in Vollzeit teilzunehmen, kann daher - unbesehen des Umstandes, ob dies neuer und damit nicht zu berücksichtigender Vortrag im Revisionsverfahren ist - keine Berücksichtigung finden.

17

e) Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 15.9.2015 zugrunde gelegt, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht (gleichzeitig) als finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen, eingestuft werden können, sondern ausschließlich als "Sozialhilfe" iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG anzusehen sind (Rs C-67/14 SGb 2015, 638 ff; bestätigt durch EuGH Urteil vom 25.2.2016 - C-299/14 - juris RdNr 37). Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben sich dem angeschlossen, weshalb - anders als die Klägerin es sieht - ein Verstoß gegen das in Art 45, 18 AEUV enthaltene Diskriminierungsverbot bei finanziellen Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen, nicht diskutiert wird. Entgegen ihrer Ansicht ist der Leistungsausschluss auch nicht aufgrund einer Ungleichbehandlung als spanische Staatsangehörige gegenüber denjenigen Österreichs, die nach Art 2 Abs 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge- und Jugendwohlfahrtspflege vom 17.1.1966 Anspruch auf Fürsorgeleistungen ohne Vorbehaltserklärung hätten, unanwendbar. Insofern hat der 14. Senat des BSG zu Recht darauf verwiesen, dass durchgreifende Gründe dafür, ein anspruchsbegründendes völkerrechtliches Abkommen zwischen bestimmten Staaten, die zwar (mittlerweile) größtenteils zur EU gehören, auf die Staatsangehörigen auch anderer Mitgliedstaaten der EU auszudehnen, nicht zu erkennen sind (vgl BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - RdNr 33 f zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist ein typisches Merkmal völkerrechtlicher Verträge, ohne dass alle völkerrechtlichen Verträge, die Deutschland geschlossen hat, automatisch anspruchsbegründend auch für alle in Deutschland lebenden EU-Ausländer gelten (BSG aaO).

18

f) Bezogen auf die SGB II-Leistungen kann sich die Klägerin - nach Erklärung des Vorbehalts durch die Bundesregierung am 19.12.2011 - im streitigen Zeitraum auch nicht mehr auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA berufen (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - RdNr 18 ff; vgl auch BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

19

g) Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem Leistungsausschluss der Klägerin nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II nicht entgegen, weil für sie - nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung zuständigen Senate des BSG - existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII seitens des zuständigen Sozialhilfeträgers(nach so genannter unechter notwendiger Beiladung <§ 75 Abs 2 2. Alt SGG>; vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 245 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 12; BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 16/11 R - juris RdNr 10) in Betracht kommen (vgl zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt: Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

20

3. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung zuständigen Senate des BSG wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nach Beiladung des Sozialhilfeträgers (so genannte unechte notwendige Beiladung <§ 75 Abs 2 2. Alt SGG>; vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 247 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 12; BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 16/11 R - juris RdNr 10) prüfen müssen, ob die Klägerin existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII beanspruchen kann.

21

Die Klägerin hat die unterbliebene unechte notwendige Beiladung in der Revisionsinstanz geltend gemacht. Von der nach § 168 S 2 SGG eröffneten Möglichkeit, den zuständigen Sozialhilfeträger mit seiner Zustimmung noch im Revisionsverfahren beizuladen, hat der Senat gleichwohl keinen Gebrauch gemacht. Bei der zu treffenden Entscheidung sind auch rechtliche und nicht geprüfte - einen möglichen Sozialhilfeanspruch betreffende - tatsächliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im bisherigen Klageverfahren noch nicht erörtert werden konnten. Insbesondere fehlen Feststellungen des LSG zu einer Hilfebedürftigkeit der Klägerin, insbesondere zum Vorhandensein von Einkommen oder Vermögen, nach den Maßstäben des SGB XII.

22

Sind die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erfüllt, wird das Berufungsgericht allerdings davon ausgehen können, dass Sozialhilfeleistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer Gleichstellung mit inländischen Staatsangehörigen weiterhin zu erbringen sind. Bezogen auf diese Leistungen hat die Bundesregierung keinen Vorbehalt zum EFA erklärt. Die Ausschlussregelung des § 23 Abs 3 S 1 SGB XII findet von vornherein keine Anwendung. Die Gleichbehandlung erfordert einen erlaubten Aufenthalt des Staatsangehörigen aus einem Vertragsstaat des EFA-Angehörigen, der hier jedenfalls bei einem vom LSG festgestellten Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gegeben ist (vgl hierzu BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 59/13 R - juris RdNr 20 ff).

23

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Oktober 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht, ob die Klägerin als Bürgerin der Europäischen Union (EU-Bürgerin) ohne nachgewiesenes Aufenthaltsrecht vom 1.7. bis 31.12.2007 Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, oder ob dieser durch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen ist, sowie ob ggf ein anderes System Leistungen zu erbringen hat.

2

Die 1969 geborene Klägerin ist polnische Staatsangehörige. Sie lebte - jedenfalls zeitweise - mit dem 1946 geborenen deutschen Staatsangehörigen R K in eheähnlicher Gemeinschaft in B zusammen. Die näheren Umstände zum Aufenthalt der Klägerin blieben ungeklärt.

3

Der Beklagte erbrachte der Klägerin und ihrem Lebenspartner vom 1.1.2005 bis 30.6.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.2007 bewilligte er nur noch für den Lebenspartner Leistungen, während er diese für die Klägerin ablehnte. Sie habe keine Freizügigkeitsbescheinigung vorlegen können und ihr Aufent-haltsstatus sei ungeklärt (Bescheid vom 6.9.2007; Widerspruchsbescheid vom 4.10.2007).

4

Hiergegen haben die Klägerin und ihr Lebenspartner Klage beim SG Berlin erhoben, die später auf Ansprüche der Klägerin "begrenzt" worden ist. Sie hat geltend gemacht, sie sei im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere sei sie hier vom 1.5.1990 bis 31.12.1995 mit Unterbrechungen beschäftigt gewesen und habe Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. Sie hat die Freizügigkeitsbescheinigung vom 11.12.2008 vorgelegt, die als Zeitpunkt der Anmeldung eines Wohnsitzes in B den 1.1.2005 angibt. Das SG hat verschiedene Auskünfte von Meldebehörden eingeholt und die Klage sodann abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 13.10.2011). Ein Leistungsanspruch bestehe nicht, weil er nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen sei. Die Klägerin habe für den streitigen Zeitraum weder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis noch halte sie sich seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland auf.

5

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Lebensgefährten der Klägerin sowie ihre Zahnärztin als Zeugen vernommen. Es hat Auskünfte aus dem Melderegister der Stadt L sowie des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten B vom 2.10.2015 über den Aufenthalt der Klägerin und des Lebenspartners eingeholt. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 15.10.2015). Die Klägerin sei nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Ein Daueraufenthaltsrecht sei nicht nachgewiesen.

6

Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt, das Urteil des LSG verletze § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Der bundesrechtliche Leistungsausschluss nach dieser Vorschrift verstoße gegen ihr Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 iVm Art 20 Abs 1 GG. Auch habe das LSG rechtsfehlerhaft angenommen, sie verfüge nicht über ein Daueraufenthaltsrecht. Sie erhebt auch Verfahrensrügen: Das LSG habe seiner Entscheidung die beiden Melderegisterauskünfte vom 2.10.2015 zugrunde gelegt. Diese seien ihr erst kurz vor der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gelangt, sodass sie sich nicht sachgerecht zu den Auskünften habe äußern oder eine qualifizierte Melderegisterauskunft einholen können. Hierin liege eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs. Auch habe das LSG ihren Hilfsbeweisantrag, zum Beweis ihres Aufenthalts in B und Deutschland von 1987 bis 30.4.2009 den Zeugen W R, in W, zu hören, nicht ablehnen dürfen. Hätte das LSG dem Beweisantrag Folge geleistet, wäre es ggf zu einer anderen Entscheidung gelangt. Schließlich habe das LSG im Hinblick auf die inzwischen ergangenen Entscheidungen des BSG den Sozialhilfeträger notwendig zum Berufungsverfahren beiladen müssen.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Oktober 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2011 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 6. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der gesetzlichen Höhe zu bewilligen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtene Entscheidung des LSG für überzeugend.

10

Die Beteiligten haben auf Anfrage des Senats ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§§ 165, 124 Abs 2 SGG; dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 165 RdNr 4), ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG vom 15.10.2015, der Gerichtsbescheid des SG vom 13.10.2011 sowie der die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ablehnende Bescheid des Beklagten vom 6.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.10.2007. In zeitlicher Hinsicht macht die Klägerin Leistungsansprüche für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2007 geltend.

13

Das LSG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin in dem streitigen Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2007 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat (1.). Ihre gegen die Verneinung des Anspruchs durch das LSG erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (a). Auch unterliegt sie dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II(b). Der Senat kann in der Sache aber nicht abschließend entscheiden, weil das LSG - wie die Klägerin zutreffend rügt - den zuständigen Sozialhilfeträger als möglichen alternativ leistungspflichtigen Träger nicht gemäß § 75 Abs 2 Alt 2 SGG zum Rechtsstreit beigeladen hat(2.). Das LSG wird dessen Beiladung nachzuholen haben.

14

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen den Beklagten.

15

a) Die Verfahrensrügen der Klägerin, die sich auf die Feststellungen des LSG zum Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II beziehen, konkret die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs und das Übergehen eines Beweisantrags, greifen nicht durch.

16

aa) Das Urteil des LSG beruht nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG).

17

Die Klägerin macht zwar geltend, sie habe sich nicht sachgerecht zu den vom LSG eingeholten und ihr vor der mündlichen Verhandlung per Telefax übersandten Melderegisterauskünften vom 2.10.2015 äußern können. Insoweit scheitert der Erfolg einer Gehörsrüge schon daran, dass sie nicht alles unternommen hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (dazu BSG Beschluss vom 20.1.1998 - B 13 RJ 207/97 B = SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35). Nachdem das LSG ihr die eingeholten Auskünfte vom 2.10.2015 zugesandt hatte, hat die anwaltlich vertretene Klägerin weder eine Vertagung des Rechtsstreits noch ein Schriftsatzrecht beantragt. Daher liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor (vgl BSG Beschluss vom 23.10.2003 - B 4 RA 37/03 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 1).

18

bb) Das LSG hat auch nicht die Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) verletzt, indem es den Antrag auf Vernehmung eines weiteren Zeugen abgelehnt hat.

19

Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, einen mit Namen und Anschrift benannten Zeugen aus " W" (richtig: W) zum Thema "Aufenthalt in B bzw Deutschland seit 1987 bis 30.4.2009" zu vernehmen. Die Pflicht zur Amtsermittlung ist aber nur verletzt, wenn das LSG einen prozessordnungsgemäß gestellten Beweisantrag, der ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich ist, abgelehnt hätte.

20

Die Klägerin hat keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt. Dazu wäre erforderlich, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter für bestimmte Tatsachen bestimmte Beweismittel benennt; daneben muss er das Beweisthema zumindest umreißen und angeben, was die Beweisaufnahme ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 18d mwN). Was die Vernehmung des Zeugen zum Thema "Aufenthalt" ergeben soll, hat die Klägerin nicht deutlich gemacht. Dies war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, denn grundsätzlich ist ein entfernt lebender Freund oder Bekannter kein geeignetes Beweismittel für den Nachweis eines durchgehenden Aufenthalts (zu den Anforderungen BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 18 f) über einen langen Zeitraum. Wenn es um den Nachweis des tatsächlichen Aufenthalts über einen langen Zeitraum geht, ist aufzuzeigen, warum ein benannter, in W bei H lebender Zeuge ein geeignetes Beweismittel sein könnte, um Wahrnehmungen über den Aufenthalt der Klägerin in B und L zu bekunden.

21

b) Zwar erfüllt die Klägerin nach den Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs 1 S 1 und Abs 2, §§ 8, 9 SGB II). Sie ist jedoch nach Maßgabe des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II(in der ab 28.8.2007 geltenden Fassung der Vorschrift; vgl Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl I 1970, 2008; SGB II aF) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.

22

Nach der Vorschrift sind von den Leistungen nach dem SGB II ua Ausländerinnen und Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Die Klägerin unterfällt diesem Leistungsausschluss, denn in dem streitigen Zeitraum kann sie sich weder auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen. Der Aufenthalt zur Arbeitssuche schließt die der Anwendung des Leistungsausschlusses dagegen nicht aus.

23

Durch den mit Freizügigkeitsbescheinigung belegten Aufenthalt im Bundesgebiet seit 1.1.2005 hat sie insbesondere kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 5 S 1 FreizügG/EU aF erworben. Nach dieser Vorschrift haben Unionsbürger, ihre Ehegatten oder Lebenspartner und ihre unterhaltsberechtigten Kinder, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Freizügigkeitsvoraussetzungen, das Recht auf Aufenthalt. Ein rechtmäßiger für mehr als fünf Jahre bestehender Aufenthalt ist weder durch die Bescheinigung der Ausländerbehörde belegt noch hat das LSG diesen festgestellt.

24

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin - wie vom LSG angenommen - ein Aufenthaltsrecht zu dem Zweck der Arbeitssuche hat, oder ob sie nicht mehr über ein solches Freizügigkeitsrecht verfügt, denn in beiden Fällen ist sie gemäß § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Beide für die Grundsicherung nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG haben entschieden, dass - über den Wortlaut der Regelung hinaus - auch diejenigen EU-Bürger von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen sind, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung noch ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen. Die Vorschrift ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, weil sie einen Leistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU zum Zwecke der Arbeitssuche berufen können. Ein Erst-Recht-Schluss ergibt, dass auch solche EU-Bürger von dem Ausschluss betroffen sind (vgl Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - für BSGE vorgesehen = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 19 f; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 48 RdNr 20; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 47 RdNr 24).

25

Diese Auslegung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ist nach den Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache Dano(Urteil vom 11.11.2014 - C-333/13 - NZS 2015, 20 ff) und in der Rechtssache Alimanovic (Urteil vom 15.9.2015 - C-67/14 - SGb 2015, 638 ff) europarechtskonform (vgl auch BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - für BSGE vorgesehen = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 35; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 48 RdNr 35; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 47 RdNr 31). Insbesondere liegt ein Verstoß gegen das in Art 45, 18 AEUV enthaltene Diskriminierungsverbot bei finanziellen Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen, nicht vor, weil Leistungen nach dem SGB II ausschließlich als solche der "Sozialhilfe" im Sinne von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG zu charakterisieren sind (EuGH Urteil vom 15.9.2015 - C-67/14 - SGb 2015, 638 ff; bestätigt durch EuGH Urteil vom 25.2.2016 - C-299/14 - juris RdNr 37).

26

Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II ebenfalls nicht entgegen(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - für BSGE vorgesehen = SozR 4-4200 § 7 Nr 43; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 47).

27

2. Allerdings ist das Urteil des LSG deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, weil der Klägerin Ansprüche nach dem SGB XII zustehen könnten.

28

Die Grundsicherungssenate des BSG haben für EU-Bürger, die dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II unterliegen, einen Anspruch nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII(idF bis 28.12.2016) grundsätzlich für möglich gehalten (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - für BSGE vorgesehen = SozR 4-4200 § 7 Nr 43; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 47).

29

Zur Prüfung, ob die Klägerin einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII hat, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren den Sozialhilfeträger beizuladen haben (so genannte unechte notwendige Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG; vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 12; BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 16/11 R - juris RdNr 10). Die Klägerin hat die unterbliebene Beiladung mit der Revision zu Recht als Verfahrensmangel gerügt.

30

Von der nach § 168 S 2 SGG eröffneten Möglichkeit, den zuständigen Sozialhilfeträger mit seiner Zustimmung noch im Revisionsverfahren beizuladen, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht. Bei der zu treffenden Entscheidung sind sowohl rechtliche als auch - einen möglichen Sozialhilfeanspruch betreffende - tatsächliche Gesichtspunkte zu prüfen. So ist die Frage zu klären, ob sich die Klägerin im fraglichen Zeitraum überhaupt in Deutschland aufgehalten hat; auch hat das LSG bisher keine Feststellungen zur Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach dem SGB XII getroffen (vgl BSG Urteil vom 17.3.2016 - B 4 AS 32/15 R - juris RdNr 21).

31

Die Zurückverweisung zum Zwecke der Beiladung des Sozialhilfeträgers kann auch nicht deshalb unterbleiben, weil Ansprüche der Klägerin auf Leistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII(idF bis 28.12.2016) nicht (mehr) in Betracht kämen.

32

Zwar hat der Gesetzgeber die maßgebliche Anspruchsgrundlage in § 23 SGB XII durch Art 2 des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl I 3155) geändert. Durch die Neufassung sollen die Leistungsausschlüsse im SGB XII an diejenigen in § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II angepasst und zugleich "klargestellt" werden, dass den ausgeschlossenen Personen weder ein Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs 1 SGB XII zusteht, noch dass ihnen Leistungen im Ermessenswege gewährt werden müssen(vgl BT-Drucks 18/10211 S 15 f).

33

Das LSG wird zu prüfen haben, ob und ggf welche Auswirkungen diese Änderungen des SGB XII auf Ansprüche der Klägerin haben. Insoweit ist zweifelhaft, ob die Änderung des § 23 SGB XII die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche im Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2007 überhaupt betreffen kann. Denn das fragliche Gesetz ist nach dessen Art 5 Abs 1 am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt, also am 29.12.2016, in Kraft getreten. Es misst sich weder rückwirkende Geltung bei noch ist angeordnet, dass es auf zeitlich zurückliegende Sachverhalte Anwendung findet (vgl BSG Urteil vom 25.6.2015 - B 14 AS 28/14 R - SozR 4-4200 § 42a Nr 1 RdNr 19 f).

34

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Rechtsvorschriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben unberührt.

(2) Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe.

(3) Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn

1.
sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder
3.
sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen.
Satz 1 Nummer 1 und 3 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 3. Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Absatz 3a sind die Leistungsberechtigten zu unterrichten. Die Überbrückungsleistungen umfassen:
1.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege,
2.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe nach § 35 und § 35a, einschließlich der Bedarfe nach § 30 Absatz 7,
3.
die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen und
4.
Leistungen nach § 50 Nummer 1 bis 3.
Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Abweichend von Satz 1 Nummer 2 erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 und 2, wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 7 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des tatsächlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Ausländerrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(3a) Neben den Überbrückungsleistungen werden auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 1 gilt entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Absatz 3 Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist als Darlehen zu erbringen.

(4) Ausländer, denen Sozialhilfe geleistet wird, sind auf für sie zutreffende Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken.

(5) Hält sich ein Ausländer entgegen einer räumlichen Beschränkung im Bundesgebiet auf oder wählt er seinen Wohnsitz entgegen einer Wohnsitzauflage oder einer Wohnsitzregelung nach § 12a des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet, darf der für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Träger nur die nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Leistung erbringen. Unabweisbar geboten ist regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des Bedarfs für die Reise zu dem Wohnort, an dem ein Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat. In den Fällen des § 12a Absatz 1 und 4 des Aufenthaltsgesetzes ist regelmäßig eine Reisebeihilfe zu dem Ort im Bundesgebiet zu gewähren, an dem der Ausländer die Wohnsitznahme begehrt und an dem seine Wohnsitznahme zulässig ist. Der örtlich zuständige Träger am Aufenthaltsort informiert den bislang örtlich zuständigen Träger darüber, ob Leistungen nach Satz 1 bewilligt worden sind. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 23a, 24 Absatz 1 oder § 25 Absatz 4 oder 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist. Satz 5 findet keine Anwendung, wenn der Wechsel in ein anderes Land zur Wahrnehmung der Rechte zum Schutz der Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes oder aus vergleichbar wichtigen Gründen gerechtfertigt ist.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Rechtsvorschriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben unberührt.

(2) Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe.

(3) Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn

1.
sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder
3.
sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen.
Satz 1 Nummer 1 und 3 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 3. Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Absatz 3a sind die Leistungsberechtigten zu unterrichten. Die Überbrückungsleistungen umfassen:
1.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege,
2.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe nach § 35 und § 35a, einschließlich der Bedarfe nach § 30 Absatz 7,
3.
die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen und
4.
Leistungen nach § 50 Nummer 1 bis 3.
Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Abweichend von Satz 1 Nummer 2 erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 und 2, wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 7 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des tatsächlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Ausländerrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(3a) Neben den Überbrückungsleistungen werden auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 1 gilt entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Absatz 3 Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist als Darlehen zu erbringen.

(4) Ausländer, denen Sozialhilfe geleistet wird, sind auf für sie zutreffende Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken.

(5) Hält sich ein Ausländer entgegen einer räumlichen Beschränkung im Bundesgebiet auf oder wählt er seinen Wohnsitz entgegen einer Wohnsitzauflage oder einer Wohnsitzregelung nach § 12a des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet, darf der für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Träger nur die nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Leistung erbringen. Unabweisbar geboten ist regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des Bedarfs für die Reise zu dem Wohnort, an dem ein Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat. In den Fällen des § 12a Absatz 1 und 4 des Aufenthaltsgesetzes ist regelmäßig eine Reisebeihilfe zu dem Ort im Bundesgebiet zu gewähren, an dem der Ausländer die Wohnsitznahme begehrt und an dem seine Wohnsitznahme zulässig ist. Der örtlich zuständige Träger am Aufenthaltsort informiert den bislang örtlich zuständigen Träger darüber, ob Leistungen nach Satz 1 bewilligt worden sind. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 23a, 24 Absatz 1 oder § 25 Absatz 4 oder 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist. Satz 5 findet keine Anwendung, wenn der Wechsel in ein anderes Land zur Wahrnehmung der Rechte zum Schutz der Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes oder aus vergleichbar wichtigen Gründen gerechtfertigt ist.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.