Sozialgericht Augsburg Urteil, 19. März 2018 - S 10 KR 30/18

bei uns veröffentlicht am19.03.2018

Gericht

Sozialgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Streitgegenständlich ist die Haarentfernung im Bereich des Rückens, des Bauchs und der Brust der Klägerin mittels Laserepilation.

Die 1973 als Mann geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Mit Schreiben vom 09.10.2017, eingegangen bei der Beklagten am 10.10.2017, beantragte sie die Kostenübernahme für die Durchführung der Laserepilation zur Haarentfernung an Rücken, Bauch und Brust. Zur Begründung führte die Klägerin aus, sie leide sehr unter der Körperbehaarung, wegen derer sie sich nicht als Frau präsentieren könne. Sie könne weder ins Schwimmbad gehen, noch weibliche Oberteile mit Ausschnitt anziehen. Sie müsse die behaarten Körperbereiche alle zwei Tage rasieren, als Frau sei sie dadurch sehr belastet, weine und „falle in Depressionen“ wegen der Körperbehaarung, Beziehungen würden hierdurch erschwert.

Dem Antrag beigefügt war eine „fachärztliche Bescheinigung“ des behandelnden Psychiaters vom 06.09.2017, der ausführt, die Klägerin befinde sich bei gesicherter Mann-zu-Frau-Transsexualität seit Mai 2015 im Alltagstest, die geschlechtsangleichende hormonelle Behandlung sei ab Mitte 2015, die geschlechtsangleichende Operation und Mammaaugmentation im Sommer 2017 erfolgt. Eine relevante psychiatrische Begleitsymptomatik oder relevante somatische Erkrankungen lägen nicht vor, mit einer Rückkehr in das Ursprungsgeschlecht sei nicht mehr zu rechnen. Zur Annährung an das Aussehen des weiblichen Geschlechts bedürfe es unbedingt einer Epilationsbehandlung, da es der Klägerin aufgrund der ausgeprägten Körperbehaarung nicht mehr wirklich glaubhaft möglich sei, die weibliche Rolle auszufüllen; die Angleichung an das Aussehen des weiblichen Geschlechts sei mit der vorhandenen Behaarung an Bauch, Brust und Rücken unmöglich, mit deutlichen und negativen Auswirkungen auf die tägliche Befindlichkeit der Klägerin. Weiter vorgelegt wurde ein hautärztliches Attest vom 20.09.2017, wonach bei der Klägerin ein ausgeprägter Hirsutismus vorliege, worunter eine pathologisch verstärkte Gesichts-, Sexual- und Körperbehaarung, also an androgenabhängigen Körperregionen nach männlichem Behaarungsmuster zu verstehen sei, was zu einer massiven psychischen Belastung führe. Erfolgversprechende Behandlung sei in diesem Fall die Behandlung mittels Diodenlaser. Es seien ca. 10 bis 15 Sitzungen erforderlich, durch die eine deutliche langfristige Reduktion der Behaarung erreicht werden könne. Die Abrechnung erfolge nach GOÄ-Ziffern bei Kosten in Höhe von 450 EUR pro Sitzung.

Auf Anforderung der Beklagten reichte die Klägerin Fotos der betroffenen Körperregionen nach. Die Beklagte holte hierauf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein, wobei die Beklagte einen Hinweis dahingehend erteilte, dass es sich bei der Epilationsbehandlung mittels Diodenlaser nicht um eine zugelassene Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) handle. Eine Leistungserbringung komme daher nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Betracht. Insoweit werde um Beantwortung gebeten, ob eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliege, ob eine notstandähnliche Situation gegeben sei, ob vertragsärztliche Behandlungsmethoden zur Verfügung stünden und ob durch den Einsatz der neuen Methode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe und die Chancen-/Nutzen-Abwägung positiv ausfalle. Der MDK nahm am 07.11.2017 dahingehend Stellung, dass bei gesicherter Mann-zu-Frau-Transsexualität auch Epilationsmaßnahmen mit Laser zu Lasten der GKV erbracht werden könnten, jedoch mit Beschränkung auf die sichtbaren Bereiche Gesicht/Hals/Hände. Die anderen Körperareale könnten bei verbleibendem männlichen Behaarungsmuster mit passender Kleidung kaschiert werden. Lediglich ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass keine lebensbedrohliche oder gleichgestellte Erkrankung vorliege, ebenso wenig eine notstandsähnliche Situation. Für die Enthaarung außerhalb von Gesicht, Hals und Händen sei keine EBM-konforme Epilationsmethode vorgesehen, rein technisch wäre die Enthaarung mittels Laser aber auch an diesen Körperbereichen möglich.

Mit Bescheid vom 13.11.2017 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für eine Laserepilation an Brust, Bauch und Rücken ab. Die Laserepilation an diesen Körperregionen sei als vertragsärztliche Leistung nicht vorgesehen, eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten und Krankenkassen (G-BA) zur Aufnahme in den Leistungskatalog der GKV liege nicht vor. Eine Kostenübernahme könne daher nur im Rahmen einer Einzelfallentscheidung erfolgen, die maßgeblich von der Art und Schwere der Erkrankung, fehlenden Behandlungsalternativen und den Erfolgsaussichten der beantragten Methode abhänge. Unter Berücksichtigung der Stellungnahme des MDK seien die Kriterien für eine Kostenübernahme im Fall der Klägerin nicht erfüllt.

Hiergegen wurde mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 28.11.2017 Widerspruch erhoben. Aufgrund der unstreitig bestehenden Mann-zu-Frau-Transsexualität bestehe ein Anspruch auf geschlechtsangleichende Maßnahmen, hierzu gehöre die Behandlung der starken Behaarung an Rücken, Bauch und Brust zur Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts. Die beantragte Epilation sei auch in der Gebührenordnung der Ärzte aufgeführt und daher als ärztliche Behandlung anzusehen. Die Klägerin verwies auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 08.05.2014, Az.: L 16 KR 453/12), mit der der dortigen Klägerin ein Anspruch auf Entfernung des Bartwuchses zugebilligt wurde, da ihr die Konfrontation mit dem abgelegten männlichen Geschlecht bei gegebenenfalls mehrfach täglicher Rasur nicht zuzumuten sei, insbesondere soweit auch nach der Rasur ein im weiblichen Gesicht deutlich auffälliger „Bartschatten“ verbleibe. Zur weiteren Begründung des Widerspruchs wurde darauf hingewiesen, dass das Bundessozialgericht (BSG) auch einen Anspruch auf Brustaufbau als Krankenbehandlung bei Transsexualität anerkannt habe (BSG, Urteil vom 11.09.2012, Az.: B 1 KR 11/12 R), die Betroffenen seien nicht darauf zu verweisen, z.B. vergrößernde BHs zu tragen. Entsprechend dürfe die Klägerin auch nicht darauf verwiesen werden, die von der Behaarung betroffenen Körperbereiche abzudecken.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2018 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 13.11.2017 als unbegründet zurück. Der grundsätzliche Behandlungsanspruch der Klägerin bei gesicherter Mann-zu-Frau-Transsexualität sei unstreitig. Dazu gehöre auch das Epilieren mittels Lasertechnik an Gesicht, Hals und Händen, entsprechend habe die Beklagte der Klägerin bereits die Epilationsbehandlung zur Entfernung der Barthaare im Gesicht gewährt. Ansprüche auf Geschlechtsangleichung seien aber beschränkt auf einen Zustand, der aus Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert sei. Auch hier gelte der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Da innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen nicht der sei, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern, sei es nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.09.2012, Az.: B 1 KR 3/12 R) ausgeschlossen, diesen Anspruch anhand der Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Das BSG habe aber in dieser Entscheidung auch klargestellt, dass sich eine Grenze des Anspruchs nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung ergebe, so dass auch transsexuellen Versicherten kein Zugang zu kosmetischen Operationen zu gewähren sei, der nicht-transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt sei. Ein Anspruch auf Entfernung von Körperbehaarung für Frauen ergebe sich in Fällen, in denen eine entstellende Wirkung vorliege. Dies sei dann der Fall, wenn die körperliche Veränderung sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen bemerkbar mache und entsprechende Reaktionen auslöse. Eine solche entstellende Wirkung liege hier nicht vor, da die betroffenen Körperregionen durch die Kleidung kaschiert werden könnten. Eine Kostenübernahme der Epilationsbehandlung an Bauch, Brust und Rücken durch die Beklagte könne daher nicht erfolgen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 23.01.2018, eingegangen am 26.01.2018, zum Sozialgericht Augsburg erhobene Klage, zu deren Begründung zunächst auf das Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren Bezug genommen worden ist. Ergänzend ist mit Schriftsatz vom 06.03.2018 vorgetragen worden, dass auch dann, wenn das Kriterium der Entstellung zugrunde zu legen wäre, nicht die Perspektive eines objektiven Betrachters bei Temperaturen, die „Vollverhüllung“ gebieten, maßgeblich sein könne. Ein weibliches Dekollete mit dichter Männerbehaarung stelle eine erhebliche Auffälligkeit dar. Die ständige Notwendigkeit, den Dekolletebereich zu verhüllen, gefährde unter Berücksichtigung des damit verbundenen Drucks die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.01.2018 zu verurteilen, der Klägerin die Behandlung zur dauerhaften Haarentfernung an Bauch, Brust und Rücken mittels Laserepilation zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich zur Begründung des Klageabweisungsantrags auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der gegenständliche Bescheid ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhindern oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Dabei gilt als Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinn ein regelwidriger Körper- und Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf, oder - zugleich oder ausschließlich - Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, wobei als „regelwidrig“ ein Zustand anzusehen ist, der vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht (vgl. z.B. BSGE 35, 10, 12 m.w.N.).

Die Körperbehaarung stellt für sich genommen keinen krankhaften Befund in diesem Sinne dar. Die Einschränkungen, die sich für die Klägerin hieraus ergeben, liegen auch nach ihrem eigenen Vortrag ausschließlich im psychischen und sozialen Bereich. Insoweit gilt grundsätzlich, dass psychische Beeinträchtigungen aufgrund einer körperlichen Abweichung vorrangig mit Mitteln der Psychiatrie zu behandeln sind und grundsätzlich keinen Anspruch auf operativen Eingriff in ein gesundes Organ begründen (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2008, Az.: B 1 KR 19/07 R). Anderes gilt jedoch für die notwendige Behandlung der Transidentität. Hierzu können nach den insoweit wegweisenden Urteilen des BSG vom 11.09.2012 (Az.: B 1 KR 11/12 und B 1 KR 9/12) auch operative Eingriffe in den gesunden Körper gehören.

En Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Maßnahmen bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichenden Maßnahmen müssen zudem zur Behandlung erforderlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 11.09.2012, Az.: B 1 KR 11/12 R). Die medizinische Indikation ist hier bei gesicherter Mann-zu-Frau-Transidentität unstreitig, geschlechtsangleichende Maßnahmen wurden von der Beklagten auf dieser Grundlage bereits gewährt, eine erneute Prüfung, ob die Linderung des psychischen Leidensdrucks grundsätzlich auch ohne geschlechtsangleichende Maßnahmen möglich wäre, entfällt damit.

Besteht eine Indikation für geschlechtsangleichende Maßnahmen, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Gesichtspunkte das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen (BSG, a.a.O.). Das BSG betont dabei, dass den Betroffenen dadurch kein Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen eingeräumt werde. Die Ansprüche seien vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist. Die Grenze trage auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) Rechnung. Die Grenzziehung vermeide es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nichttranssexuellen Versicherten von vornherein versperrt sei.

In seiner weiteren Entscheidung vom 11.09.2012 (Az.: B 1 KR 9/12 R) weist das BSG aber auch darauf hin, dass zur Bestimmung des erforderlichen Ausmaßes der Behandlung nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen sei, dass dem Anspruch mit der Behebung einer Entstellung Genüge getan sei. Der rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließe es aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründe einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit. Innerer Anspruch des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen sei es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte bestehe, bleibe hiervon unberührt (BSG, a.a.O).

Soweit sich hieraus ein Spannungsfeld ergibt - einerseits Anspruch der Versicherten mit Mann-zu-Frau-Transidentität auf Angleichung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts über den bei Entstellung bestehenden Anspruch hinaus, andererseits kein weitergehender Anspruch auf kosmetische Operationen als für nicht-transsexuelle Versicherte - ist dieses zur Überzeugung des Gerichts dadurch aufzulösen, dass die Ausführungen des BSG, wonach auf die Annäherung an das Erscheinungsbild an das andere Geschlecht aus der Sicht eines verständigen Betrachters abzustellen sei, dahingehend auszulegen sind, dass es durchaus auf das Erscheinungsbild im gesellschaftlichen Alltag ankommt, dort aber - über die Beseitigung von Entstellungen hinaus - eine mögliche weitgehende Angleichung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts zu gewähren ist. Dies umfasst nach Ansicht des Gerichts eine Angleichung des Erscheinungsbilds bei im gesellschaftlichen Alltag üblicher, auch den Jahreszeiten angepasster Kleidung, so dass nach Ansicht des Gerichts auch Maßnahmen zur möglichen Angleichung von z.B. bei im gesellschaftlichen Alltag üblicher sommerlicher Kleidung mit ausgeschnittenem Dekollete erkennbaren Körperarealen erfasst sind. Soweit hier im sichtbaren Bereich ein Haarwuchs vorliegt, der im Widerspruch zum im Übrigen weiblichen Erscheinungsbild der Klägerin steht, kommt zur Überzeugung des Gerichts in diesem Bereich ein Anspruch auf dauerhafte Haarentfernung in Betracht.

Zwar ist im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä), dem sozialversicherungsrechtlichen Verzeichnis, nach dem die Leistungen der GKV abgerechnet werden, nur die Epilation im Gesicht und/oder am Hals bzw. an einer Hand und/oder den Händen vorgesehen, wobei hier der Bewertungsausschuss mit Beschluss zur Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM-Ä 2008) mit Wirkung zum 01.10.2017 die bereits im EBM-Ä 2008 enthaltene Epilation mittels Elektrokoagulation um die „Epilation mittels Lasertechnik bei Mann-zu-Frau-Transsexualismus im Rahmen geschlechtsangleichender Maßnahmen“ ergänzt hat. Insoweit handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts bei der hier begehrten Laserepilation an anderen Körperregionen nicht etwa um eine neue Behandlungsmethode, die zur Erbringung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen einer Empfehlung des G-BA gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V bedürfte. Denn entscheidend für die Qualifikation als „neue Behandlungsmethode“ in diesem Sinne ist allein, ob die Methode schon bisher für den Einsatz in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung anerkannt war oder nicht. Wegen dieser Unterschiedlichkeit kann es Leistungen geben, die vom Bewertungsausschuss nach § 87 SGB V als zulasten der GKV abrechenbare Leistungen in den EBM aufgenommen werden können, ohne dass es einer vorherigen Entscheidung des G-BA bedarf (vgl. Flint in: Hauck/Noftz, SGB, 11/12, § 135 SGB V, Rn.49). Hier ist die Laser-Epilation im Gesicht, am Hals oder an den Händen bei Mann-zu-Frau-Transidentität bereits im EBM-Ä enthalten. Der MDK weist in seiner Stellungnahme vom 07.11.2017 ausdrücklich darauf hin, dass die Enthaarung mittels Laser auch an anderen Körperregionen durchgeführt werden kann. Durch die Leistungserbringung für Versicherte mit Transidentität auch an anderen Körperbereichen erfährt die Methode zur Überzeugung des Gerichts in ihrer Indikation oder in der Art der Erbringung keine wesentliche Änderung.

Unabhängig davon gilt aber grundsätzlich, dass Leistungen, die im EBM-Ä nicht enthalten sind, nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen berechnet werden dürfen. Dies gilt selbst dann, wenn sie zu einer Behandlungsmethode gehören, für die der G-BA bereits eine positive Empfehlung abgegeben hat. Entsprechendes muss auch für die nicht im EBM-Ä erfasste Laserbehandlung außerhalb des Gesichts, am Hals oder an den Händen gelten.

Allerdings kommt hier insoweit, als das Gericht davon ausgeht, dass bei gesicherter Mann-zu-Frau-Transidentität zur Erfüllung des Anspruchs auf Angleichung des Erscheinungsbilds an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts ein Anspruch auf dauerhafte Haarentfernung auch an anderen Körperregionen als im Gesicht, am Hals oder an den Händen, insbesondere im Dekolletebereich bestehen kann (s.o.), die Annahme eines Systemversagens in Betracht. Denn dieser Anspruch wird durch die im EBM-Ä vorgesehenen Leistungen nicht abgedeckt. Die Grenze der von den Gerichten zu respektierenden Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit des Bewertungsauschusses kann nach der Rechtsprechung dann überschritten sein, wenn dieser einer Behandlungsmethode die Aufnahme in den EBM-Ä versagt, obwohl an der medizinisch-fachlichen Eignung der Methode, ihrer Unentbehrlichkeit für eine umfassende vertragsärztliche ambulante Versorgung der Versicherten, an ihrer Wirtschaftlichkeit sowie an der Finanzierbarkeit ihres Einsatzes vernünftige Zweifel nicht bestehen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.04.2010, Az.: L 10 KR 5/10 B ER).

Selbst bei Annahme eines Systemversagens bezüglich eines grundsätzlichen Anspruchs von Versicherten mit Transidentität auf dauerhafte Haarentfernung zulasten der GKV auch an anderen Körperbereichen als an Gesicht, Hals oder Händen kommt aber zur Überzeugung des Gerichts keinesfalls ein Anspruch der Klägerin auf dauerhafte Haarentfernung mittels der begehrten Laserepilation in Betracht. Denn auch insoweit ist der Grundsatz zu beachten, dass unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots Versicherten mit Transidentität zu Lasten der GKV kein Zugang zu kosmetischen Maßnahmen zu gewähren ist, der anderen Versicherten von vornherein verwehrt wird (BSG, Urteil vom 11.09.2012, Az.: B 1 KR 9712 R). Nach den Vorgaben des EMB-Ä ist die Laserepilation nur bei Mann-zu-Frau-Transidentität indiziert, bei nicht-transsexuellen Versicherten, die unter Hirsutismus leiden, kommt dagegen ausschließlich die Erbringung der Elektrokoagulation zu Lasten der GKV in Betracht. Eine Rechtfertigung für die Erbringung der Laser-Epilation insbesondere im Gesicht und am Hals für Versicherte mit Transidentität kann zur Überzeugung des Gerichts darin gesehen werden, dass hier bei geborenen Männern ein besonders starker Haarwuchs (Bartwuchs) vorhanden ist, der mit dem entstellenden Haarwuchs einer geborenen Frau, für die die Epilation durch Elektrokoagulation als ausreichend angesehen wird, nicht vergleichbar ist (vgl. SG Dresden, Urteil vom 05.08.2010, Az.: S 16 KR 54/09). Dies kann aber zur Überzeugung des Gerichts für den Haarwuchs geborener Männer an anderen Körperbereichen, der üblicherweise in seiner Intensität nicht dem Bartwuchs im Gesicht entspricht, nicht grundsätzlich angenommen werden. Insoweit besteht kein Grund, Versicherten mit Transidentität zur dauerhaften Haarentfernung an diesen Körperregionen leistungsrechtlichen Zugang zur Laserepilation zu gewähren, der anderen Versicherten, die an Hirsutismus leiden und die insoweit auf die Elektrokoagulation verwiesen werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.10.2012, Az.: L 1 KR 443/11; Sächsisches LSG, Urteil vom 23.07.2015, Az.: L 1 KR 108/11; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2016, Az.: L 5 KR 226/15), von vornherein verwehrt ist. Aus diesem Grund kann auch ein - neben dem Anspruch auf geschlechtsangleichende Maßnahmen - zu prüfender Anspruch auf Durchführung der Laserepilation unter der Voraussetzung einer entstellenden Wirkung des Haarwuchses nicht angenommen werden.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Gewährung der Haarentfernung durch Elektrokoagulation war hier aufgrund des ausschließlich auf die Gewährung der Laserepilation gerichteten Klageantrags nicht zu prüfen. Der Antrag auf Gewährung einer Laserepilation ist aus den dargestellten Gründen abzulehnen, die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 192 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 87 Bundesmantelvertrag, einheitlicher Bewertungsmaßstab, bundeseinheitliche Orientierungswerte


(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitliche

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 135 Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden


(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 192


(1) Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass 1. durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mün

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(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.06.2012 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Verfahrens zu erstatten.


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Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Januar 2012 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Januar 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer Mamma-Augmentationsplastik (MAP).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wurde 1964 anatomisch als Mann geboren. Sie erhielt aufgrund der Diagnose Mann-zu-Frau-Transsexualismus zu Lasten der Beklagten ab 2005 eine Östrogentherapie und im Februar 2008 eine geschlechtsangleichende Operation. Ihren Antrag auf Versorgung mit einer MAP (31.3.2008) stützte sie auf Atteste von Dr. H., Dr. O. und Dr. Sch. Eine operative Brustvergrößerung sei indiziert, weil sich lediglich eine mäßige seitengleiche weibliche Brust entwickelt habe, die durch Östrogenzufuhr nicht weiterwachse. Das minimale Brustwachstum entspreche immer noch einer männlichen Brust. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da nach Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung die bestehende Mammahypoplasie (Unterentwicklung der Brust) nicht als krankhafter Befund zu werten sei. Der kosmetische Aspekt stünde im Mittelpunkt (Bescheid vom 14.4.2008; Widerspruchsbescheid vom 22.9.2008). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7.1.2010). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Bestehe - wie hier - ausnahmsweise die Indikation für operative Maßnahmen aufgrund von Transsexualismus als einer psychischen Regelwidrigkeit, umfasse der Anspruch zwar im Einzelfall auch einen operativen Brustaufbau bei fehlender Anlage, nicht jedoch eine Brustvergrößerung, welche die Klägerin begehre (Urteil vom 25.1.2012).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision sinngemäß die Verletzung des § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Ihr Anspruch auf Krankenbehandlung wegen Transsexualismus umfasse aufgrund der gegebenen medizinischen Indikation auch eine operative Brustvergrößerung.

4

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Januar 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Januar 2010 sowie den Bescheid vom 14. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene LSG-Urteil, der SG-Gerichtsbescheid und die Bescheide der beklagten KK sind aufzuheben, denn sie verletzen § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch darauf, ihr eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu 1.). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu 2.). Der bestehende Brustansatz schließt den Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung nicht aus (dazu 3.).

8

1. Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Versicherte leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu a). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu b). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu c).

9

a) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl das LSG-Urteil - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

10

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

11

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz ) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10 177).

12

b) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker in Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

13

Während notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

14

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

15

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN) und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

16

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität),zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

17

Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich nur darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung und § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG unten, II. 2).

18

c) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu 2.).

19

2. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine MAP. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V)im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG allerdings nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu a). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits mit der Behebung einer Entstellung Genüge getan ist (dazu b).

20

a) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

21

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

22

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

23

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

24

Die genannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt. Das LSG zieht die ärztlich gestellte Indikation nicht in medizinischer Hinsicht in Zweifel, sondern hat lediglich in rechtlicher Hinsicht Bedenken gegen die Reichweite des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin.

25

b) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es demgegenüber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

26

3. Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen ihres bereits vorhandenen Brustansatzes ausgeschlossen. Es steht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine medizinisch indizierte MAP erfordert.

27

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

28

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nichttranssexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

29

Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG hat die Mikromastie der Klägerin nicht ein Ausmaß, das nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung und Freistellung von Kosten einer Mamma- Augmentationsplastik (MAP).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wurde 1967 als Mann geboren. Bei ihr besteht eine primäre Mann-zu-Frau-Transsexualität, die 2007 zu einer Änderung des Vornamens nach dem Transsexuellengesetz (TSG) führte (AG Schöneberg Beschluss vom 7.9.2007 - 70 III 59/07). Seit mehr als 15 Jahren wird sie mit weiblichen Hormonen behandelt. 2006/2007 erhielt sie eine operative Gesichtsfeminisierung und zwei Operationen zur Veränderung der Stimmlage zu Lasten der Beklagten. Ihren Antrag, ihr ua eine MAP zu gewähren (17.7.2007), lehnte die Beklagte hingegen ab: Die ebenfalls beantragte medizinisch indizierte Genitaltransformation habe Vorrang. Die Mikromastie als solche sei kein körperlicher Makel. Es sei möglich, dass die Brust nach der Kastration noch wachse (Bescheide vom 1.10.2007 und 19.3.2008, Widerspruchsbescheid vom 22.9.2008). Während des sich anschließenden Klageverfahrens hat sich die Klägerin vom 8. bis 11.10.2008 in der H. für Ästhetische und Plastische Chirurgie eine MAP verschafft (Behandlungs- und Honorarvereinbarung über 5000 Euro; Zahlung auf der Grundlage eines Privatkredits der Deutschen Bank mit einer Laufzeit von 66 Monaten und einem effektiven Jahreszins von 10,99 %, Gesamtbetrag: 6579,62 Euro). Eine Genitaltransformation ist bisher nicht erfolgt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.6.2009), das LSG die Berufung zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Kostenerstattung scheitere bereits an einem fehlenden konkreten Antrag. Ein Anspruch auf operative Brustvergrößerung könne überdies nur bei Entstellung und als ultima ratio nur bestehen, wenn ein ausreichendes Brustwachstum auf anderem Wege nicht mehr zu erwarten sei (Urteil vom 11.2.2011).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 und § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Sie habe Anspruch auf den Aufbau einer weiblichen Brust, ohne auf eine vorherige geschlechtsumwandelnde Operation verwiesen werden zu können. Vor der streitbefangenen Operation habe ihr Brustumfang abzüglich des Unterbrustumfangs 6 cm betragen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil, der SG-Gerichtsbescheid und die Bescheide der beklagten KK sind aufzuheben. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die auf der Grundlage einer vertragsärztlichen Verordnung im Oktober 2008 durchgeführte stationäre MAP und im Übrigen auf Freistellung von den weiteren Kosten. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenfreistellungs- und -erstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V(anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046) sind erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff):Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die KK, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung. So liegt es hier: Die Beklagte lehnte es zu Unrecht ab, der Klägerin eine stationäre MAP zu gewähren (dazu 1.). Der Klägerin entstanden dadurch, dass sie sich eine der abgelehnten entsprechende, notwendige Leistung - MAP - selbst verschaffte, die von ihr geltend gemachten Kosten. Soweit sie Freistellung begehrt, droht ihr aufgrund der Selbstbeschaffung noch eine Kostenbelastung (dazu insgesamt 2.).

8

1. Die Beklagte lehnte einen Antrag der Klägerin auf Brustvergrößerung zu Unrecht ab, indem sie die Klägerin vorrangig auf die Durchführung einer Genitaltransformation verwies. Bei sinngemäßer Auslegung war der Antrag der Klägerin von Juli 2007 ua auf eine MAP ohne vorrangige Genitaltransformation gerichtet. Das Revisionsgericht ist berechtigt, den Antrag auszulegen. Das LSG hat die von ihm festgestellten Umstände im Hinblick darauf, wie der Antrag der Klägerin auszulegen ist, nicht verwertet. In einem solchen Fall hat das Revisionsgericht die vom LSG festgestellten Tatsachen in die Rechtsanwendung einzubeziehen. Die Auslegung eines Antrags hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für anderes Verhalten vorliegen (vgl BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 12 ff - UAE). Der Antrag der Klägerin lässt trotz seiner Verbindung mit weiteren Anträgen unmissverständlich erkennen, dass sie eine MAP nicht vom Ergebnis einer zuvor durchgeführten Kastration abhängig machen wollte. Ersichtlich ging es ihr lediglich darum, ua eine MAP als Maßnahme zur Angleichung ihrer Geschlechtsmerkmale zu erreichen.

9

Zu Unrecht lehnte die Beklagte den Antrag auf eine MAP ab. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu a). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu b). Der bestehende Brustansatz schließt den Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung nicht aus (dazu c).

10

a) Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Versicherte leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu aa). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu bb). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu cc).

11

aa) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.1.2010 - L 5 KR 375/10 - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

12

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

13

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (TSG) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10177).

14

bb) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo, in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker, in: Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

15

Während die notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

16

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

17

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN)und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

18

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität), zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

19

Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personen-standsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung des TSG und § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG unten, II. 1.b).

20

cc) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu b.).

21

b) Die Klägerin erfüllte zur Zeit der Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine MAP. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V) im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG allerdings nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu aa). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits Genüge getan ist, wenn die Behandlung nicht zu einer Entstellung führt (dazu bb).

22

aa) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

23

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

24

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

25

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

26

Die genannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt. Das LSG zieht die ärztlich gestellte Indikation nicht in medizinischer Hinsicht in Zweifel, sondern hat lediglich in rechtlicher Hinsicht Bedenken gegen die Reichweite des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin, indem es der Genitaltransformation mit der anschließenden Möglichkeit eines spontanen Brustwachstums Vorrang vor einer MAP einräumt und diese auch nur bei Entstellung in Erwägung zieht.

27

bb) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es demgegenüber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

28

c) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen ihres bereits vorhandenen Brustansatzes ausgeschlossen. Es steht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine medizinisch indizierte MAP erfordert.

29

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

30

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

31

Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Mikromastie der Klägerin nicht ein Ausmaß, das nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

32

2. a) Die Klägerin verschaffte sich aufgrund der Ablehnung ihres Antrags selbst eine solche Leistung, die der beantragten MAP entsprach und notwendig war. Grundsätzlich muss die selbst beschaffte Leistung zu demselben Leistungstyp gehören und auf gleicher Indikationsstellung bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen beruhen wie die zuvor abgelehnte Leistung (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 28). Die in der H. selbst beschaffte MAP entsprach in medizinischer Hinsicht der beantragten, abgelehnten MAP. Sie erfolgte aufgrund andauernder Indikationsstellung ebenfalls in vergleichbarer Weise stationär. Die von der Klägerin selbst beschaffte Leistung war auch in vollem Umfang nach den allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst notwendig. Geht die selbst beschaffte Leistung über das als Naturalleistung Geschuldete hinaus, ist sie insoweit nicht notwendig. So lag es hier indes nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht.

33

Ohne Belang ist es hierbei grundsätzlich, dass das von Versicherten - hier: der Klägerin - für die Selbstbeschaffung aufgesuchte Krankenhaus nicht zur Behandlung Versicherter zugelassen ist. Bei rechtswidriger Ablehnung stationärer Behandlung wegen angeblich fehlender medizinischer Notwendigkeit sind die Aufwendungen für die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Krankenhauses nicht nur - wie es die Entscheidung des erkennenden Senats vom 24.9.1996 (1 RK 33/95 - BSGE 79, 125, 128 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 53 - Brustverkleinerung) nahelegen könnte - erstattungsfähig, wenn ein Vertragskrankenhaus mangels ausreichender Informationsmöglichkeiten des Versicherten nicht erreichbar gewesen ist. Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind vielmehr nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25 ff - Magenband). Es fehlt insoweit ein innerer Grund, den Kreis der nach ärztlichem Berufsrecht und sonstigem Recht für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden privatärztlichen Leistung zulässigen Leistungserbringer einzuschränken. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat (vgl hierzu BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 18, 23 mwN - UAE). Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der KK eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung.

34

Will die KK durch die konkrete Wahl des privatärztlichen Leistungserbringers entstehende Mehrkosten vermeiden, weil zB nicht die Grenzen des gesetzlichen Preisrechts der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) eingreifen, kann sie die Versicherten im Rahmen ihrer die Leistungen ablehnenden Entscheidung spontan auf konkrete günstige Möglichkeiten angemessener Selbstbeschaffung hinweisen. Das hat die Beklagte hier nicht getan. Sie hat der Klägerin von sich aus trotz wiederholter Kontaktaufnahme während des laufenden Widerspruchsverfahrens und der daraus erkennbaren Dringlichkeit des Anliegens eines operativen Brustaufbaus keinerlei Unterstützung bei der Suche nach einer kostengünstigen Krankenhausbehandlung gewährt.

35

Die Ablehnung des Antrags der Klägerin, ihr eine MAP zu gewähren, war auch die wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung einer MAP. Insbesondere hatte sich die Klägerin nicht - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Beklagten ausfiel - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29 mwN - Magenband; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24 - UAE; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 260 f).

36

b) Weil die Klägerin sich die MAP selbst verschaffte, entstanden ihr bis zum 11.2.2011 Kosten in Höhe von 2792,16 Euro und droht ihr für die Folgezeit eine weitere Kostenbelastung. Ihr entstanden nämlich für die konkret durchgeführte MAP Kosten in Höhe von 5000 Euro (dazu aa) sowie hierfür Kreditfinanzierungskosten (dazu bb).

37

aa) Der H. erwuchs aus der MAP-Behandlung der Klägerin ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch in Höhe von 5000 Euro. Die Klägerin und die H. vereinbarten in der Sache bei sinngemäßer Auslegung der Erklärungen der Vertragsparteien und ihrer Interessen einen umfassenden sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag. Die Rechnung über die vereinbarte Leistung unterfiel nicht etwa den Anforderungen der Vorschriften der GOÄ (neugefasst durch Bekanntmachung vom 9.2.1996, BGBl I 210; zuletzt geändert durch Art 17 Gesetz vom 4.12.2001, BGBl I 3320) oder anderem öffentlich-rechtlichem Preisrecht.

38

(1) Geht es allein um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, besteht allerdings ein Vergütungsanspruch des Arztes für eine ärztliche Behandlung nur, wenn er dem Patienten darüber eine ordnungsgemäße Abrechnung nach den Bestimmungen der GOÄ erteilt (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18 ff - Brachytherapie). Nach § 1 Abs 1 GOÄ bestimmen sich nämlich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Anwendungsbereich der GOÄ (vgl dazu auch BGHZ 183, 143) ist dagegen nicht eröffnet, weil nicht nur "berufliche Leistungen der Ärzte" Vertragsgegenstand sind, wenn der Patient - wie hier die Klägerin - weitergehend einen umfassenden, sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat (vgl Hermanns/Filler/Roscher, GOÄ Komm, 4. Aufl 2010, § 1 S 17 f; Quaas in ders/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl 2008, § 13 RdNr 41 ff; Spickhoff in ders, Medizinrecht, 2011, § 1 GOÄ RdNr 6). In einem solchen Falle schuldet der Träger des Krankenhauses nach näherer Maßgabe der vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen nicht nur ärztliche Leistungen, sondern zusätzlich auch alle anderen medizinisch erforderlichen Leistungen des Krankenhauses, insbesondere auch nichtärztliche pflegerische Betreuung, Unterbringung, Verpflegung und Medikation. Der behandelnde Krankenhausarzt wirkt an der Erfüllung dieser Pflicht des Krankenhausträgers für diesen mit und ist ihm gegenüber verpflichtet. Der behandelnde Krankenhausarzt ist dagegen gegenüber dem Patienten weder zur Erbringung der ärztlichen Leistungen im eigenen Namen verpflichtet noch berechtigt, ihm seine Leistungen in Rechnung zu stellen.

39

(2) Die vereinbarte Vergütung verstieß auch nicht gegen das öffentlich-rechtliche Preisrecht für Krankenhausbehandlungen. Nach § 1 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz(Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen vom 23.4.2002, hier anzuwenden in der Fassung durch Art 2 Nr 1 Gesetz vom 17.7.2003 BGBl I 1461) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der DRG-Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 29.6.1972, BGBl I 1009, hier anzuwenden idF durch Art 4 Gesetz vom 5.9.2006 BGBl I 2098) vergütet. Gemäß § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG gilt dieses Gesetz indes ua nicht für Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Dies sind Krankenhäuser, die nicht die in § 67 Abgabenordnung(hier anzuwenden idF durch Art 10 Nr 7 und Nr 17 Gesetz vom 13.12.2006, BGBl I 2878) bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. So liegt es nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG auch bei der H. (vgl auch allgemeine Informationen zur Berechnung der Kosten, abrufbar unter www.h. de). Eine solche aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs 1 Gewerbeordnung betriebene Privatkrankenanstalt - wie die H. ist in ihrer Preisgestaltung - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - grundsätzlich frei(vgl BGH Beschluss vom 21.4.2011 - III ZR 114/10 - RdNr 5, GesR 2011, 492 = MedR 2011, 801; vgl auch BGHZ 154, 154, 158).

40

Vorgaben für das Vergütungsrecht aus dem KHG (3. Abschnitt, §§ 16-26), insbesondere aufgrund von § 17 Abs 5 KHG, greifen für den Vertrag mit der H. über im Jahr 2008 zu erbringende Leistungen nicht ein. Das KHG ist grundsätzlich auch auf Krankenhäuser anwendbar, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Die nicht geförderten Krankenhäuser sind vom Anwendungsbereich des KHG nicht ausgeschlossen (§ 3 KHG). § 20 S 1 KHG schränkt den Anwendungsbereich des 3. Abschnitts des KHG über Krankenhauspflegesätze für diese Krankenhäuser indes auf die Regelung des § 17 Abs 5 KHG ein. Pflegesätze sind die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für stationäre und teilstationäre Leistungen des Krankenhauses (§ 2 Nr 4 KHG). Die Vorschriften des 3. Abschnitts mit Ausnahme des § 17 Abs 5 KHG finden ua keine Anwendung auf Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden(vgl § 20 S 1 KHG). Ohne Belang sind vorliegend die ab 1.1.2012 geltenden Änderungen des § 17 Abs 1 KHG(vgl § 17 Abs 1 S 5 und 6 KHG, eingefügt durch Art 6 Nr 1a GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983, kritisch hierzu Quaas, GesR 2012, 193).

41

Der Regelungsbereich des § 17 Abs 5 KHG ist indes vorliegend nicht betroffen. § 17 Abs 5 KHG(hier anzuwenden idF durch Art 18 Nr 3 Gesetz vom 26.3.2007 BGBl I 378 mWv 1.7.2008) regelt ausschließlich Fälle der unmittelbaren Leistung von Krankenhäusern an öffentlich-rechtliche Kostenträger und nicht Fälle, in denen sich Versicherte zunächst rechtswidrig abgelehnte Leistungen selbst privat verschaffen und anschließend von ihrer KK Kostenerstattung begehren. Denn nach § 17 Abs 5 S 1 KHG dürfen bei Krankenhäusern, die nach diesem Gesetz nicht oder nur teilweise öffentlich gefördert werden, bloß von Sozialleistungsträgern und sonstigen öffentlich-rechtlichen Kostenträgern keine höheren Pflegesätze gefordert werden, als sie von diesen für Leistungen vergleichbarer nach diesem Gesetz geförderter Krankenhäuser zu entrichten sind. Auch § 17 Abs 5 S 2 KHG ist nicht einschlägig. Er erfasst lediglich Krankenhäuser, die nur deshalb nach diesem Gesetz nicht gefördert werden, weil sie keinen Antrag auf Förderung stellen. Solche Krankenhäuser dürfen auch von einem Krankenhausbenutzer keine höheren als die sich aus § 17 Abs 5 S 1 KHG ergebenden Pflegesätze fordern. Die H. ist indes von vorneherein als nicht förderungsfähige Privatkrankenanstalt konzipiert (vgl zum Problem auch Dettling in Lenz, Dettling, Kieser, Krankenhausrecht 2007, S 95 RdNr 66; Genzel/Degener-Hencke in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 89 RdNr 21).

42

(3) Der Vergütungsanspruch der behandelnden Privatklinik ist auch nicht wegen Wuchers nach § 138 Abs 2 BGB oder als sog wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs 1 BGB nichtig. Beide Tatbestände erfordern objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl zB BGHZ 104, 102, 104 mwN; BGHZ 128, 255, 257). Die Vergütungen nicht förderungsfähiger Privatkrankenanstalten wie der H., die kein Vertragskrankenhaus sind (§ 108 Nr 3 SGB V), sind mit den Entgelten zu vergleichen, die andere Privatkliniken für vergleichbare Krankenhausleistungen nach einem entsprechenden Abrechnungsmodus verlangen (vgl zum Ganzen BGHZ 154, 154, 159 ff). Es fehlt nach den Feststellungen des LSG jeglicher Hinweis auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in diesem Sinne (vgl auch die Informationen zur Berechnung der Kosten abrufbar unter www.h. de). Die von der Beklagten angestellten Vergleichsberechnungen mit Vergütungen für stationäre Behandlungen von öffentlich geförderten Krankenhäusern und Versorgungskrankenhäusern sind für eine Vergleichsberechnung dagegen nicht geeignet.

43

bb) Die geltend gemachten Zinsen sind als notwendige Beschaffungskosten Teil der Kostenerstattung (vgl BSGE 96,161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 29 - UAE). Die Erstattung "in entstandener Höhe" (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V) geht insoweit der allgemeinen Regelung des § 44 SGB I vor(vgl zur abweichenden Situation bei Zinsaufwendungen zur Befriedigung einer rechtswidrigen Erstattungsforderung BSGE 76, 233 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1). Für die noch ausstehenden Ratenzahlungen ist der Anspruch auf Freistellung gerichtet (vgl zur Freistellung E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 275 f).

44

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Januar 2012 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Januar 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer Mamma-Augmentationsplastik (MAP).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wurde 1964 anatomisch als Mann geboren. Sie erhielt aufgrund der Diagnose Mann-zu-Frau-Transsexualismus zu Lasten der Beklagten ab 2005 eine Östrogentherapie und im Februar 2008 eine geschlechtsangleichende Operation. Ihren Antrag auf Versorgung mit einer MAP (31.3.2008) stützte sie auf Atteste von Dr. H., Dr. O. und Dr. Sch. Eine operative Brustvergrößerung sei indiziert, weil sich lediglich eine mäßige seitengleiche weibliche Brust entwickelt habe, die durch Östrogenzufuhr nicht weiterwachse. Das minimale Brustwachstum entspreche immer noch einer männlichen Brust. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da nach Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung die bestehende Mammahypoplasie (Unterentwicklung der Brust) nicht als krankhafter Befund zu werten sei. Der kosmetische Aspekt stünde im Mittelpunkt (Bescheid vom 14.4.2008; Widerspruchsbescheid vom 22.9.2008). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7.1.2010). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Bestehe - wie hier - ausnahmsweise die Indikation für operative Maßnahmen aufgrund von Transsexualismus als einer psychischen Regelwidrigkeit, umfasse der Anspruch zwar im Einzelfall auch einen operativen Brustaufbau bei fehlender Anlage, nicht jedoch eine Brustvergrößerung, welche die Klägerin begehre (Urteil vom 25.1.2012).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision sinngemäß die Verletzung des § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Ihr Anspruch auf Krankenbehandlung wegen Transsexualismus umfasse aufgrund der gegebenen medizinischen Indikation auch eine operative Brustvergrößerung.

4

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. Januar 2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Januar 2010 sowie den Bescheid vom 14. April 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene LSG-Urteil, der SG-Gerichtsbescheid und die Bescheide der beklagten KK sind aufzuheben, denn sie verletzen § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch darauf, ihr eine Brustvergrößerungsoperation zu gewähren. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu 1.). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu 2.). Der bestehende Brustansatz schließt den Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung nicht aus (dazu 3.).

8

1. Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Versicherte leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu a). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu b). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu c).

9

a) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl das LSG-Urteil - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

10

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

11

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz ) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10 177).

12

b) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker in Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

13

Während notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

14

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

15

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN) und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

16

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität),zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

17

Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich nur darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung und § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG unten, II. 2).

18

c) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu 2.).

19

2. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine MAP. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V)im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG allerdings nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu a). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits mit der Behebung einer Entstellung Genüge getan ist (dazu b).

20

a) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

21

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

22

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

23

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

24

Die genannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt. Das LSG zieht die ärztlich gestellte Indikation nicht in medizinischer Hinsicht in Zweifel, sondern hat lediglich in rechtlicher Hinsicht Bedenken gegen die Reichweite des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin.

25

b) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es demgegenüber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

26

3. Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen ihres bereits vorhandenen Brustansatzes ausgeschlossen. Es steht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine medizinisch indizierte MAP erfordert.

27

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

28

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nichttranssexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

29

Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG hat die Mikromastie der Klägerin nicht ein Ausmaß, das nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

30

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen, im ärztlichen Bereich einschließlich der Sachkosten. In den Bundesmantelverträgen sind auch die Regelungen, die zur Organisation der vertragsärztlichen Versorgung notwendig sind, insbesondere Vordrucke und Nachweise, zu vereinbaren. Bei der Gestaltung der Arzneiverordnungsblätter ist § 73 Abs. 5 zu beachten. Die Arzneiverordnungsblätter sind so zu gestalten, daß bis zu drei Verordnungen je Verordnungsblatt möglich sind. Dabei ist für jede Verordnung ein Feld für die Auftragung des Kennzeichens nach § 300 Abs. 1 Nr. 1 sowie ein weiteres Feld vorzusehen, in dem der Arzt seine Entscheidung nach § 73 Abs. 5 durch Ankreuzen kenntlich machen kann. Die für eine Verordnung nach § 37 Absatz 8 zu verwendenden Vordrucke und Nachweise sind so zu gestalten, dass sie von den übrigen Verordnungen nach § 37 zu unterscheiden sind. Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen prüfen, inwieweit bislang papiergebundene Verfahren zur Organisation der vertragsärztlichen Versorgung durch elektronische Kommunikationsverfahren ersetzt werden können. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen regeln in dem Bundesmantelvertrag für Zahnärzte bis zum 31. Dezember 2019 das Nähere zu einem elektronischen Beantragungs- und Genehmigungsverfahren für bewilligungspflichtige zahnärztliche Leistungen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer durch Regelungen im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte dazu verpflichten, die für die Beantragung von bewilligungspflichtigen Leistungen notwendigen Angaben an die jeweilige Kassenzahnärztliche Vereinigung und an die jeweilige Krankenkasse im Wege elektronischer Datenübertragung zu übermitteln. Zur Durchführung der elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahren sind die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer befugt, die hierfür erforderlichen versichertenbezogene Angaben an die jeweilige Kassenzahnärztliche Vereinigung und an die jeweilige Krankenkasse zu übermitteln. Die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung ist befugt, die für die Durchführung der elektronischen Antrags- und Genehmigungsverfahren erforderlichen versicherungsbezogenen übermittelten Angaben zu verarbeiten. Für die Übermittlung digitaler Vordrucke und Nachweise sind die Dienste der Telematikinfrastruktur zu nutzen, sobald diese zur Verfügung stehen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ist mit Wirkung zum 1. Januar 2021 vorzusehen, dass Leistungen nach § 346 Absatz 1 Satz 1 und 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der Verarbeitung medizinischer Daten in der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen vorzusehen, dass Leistungen nach § 346 Absatz 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der erstmaligen Befüllung der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ist vorzusehen, dass Leistungen im aktuellen Behandlungskontext zur Aktualisierung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 sowie Leistungen zur Aktualisierung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 und 7 zusätzlich vergütet werden.

(1a) In dem Bundesmantelvertrag haben die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen festzulegen, dass die Kosten für Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, soweit die gewählte Versorgung der Regelversorgung nach § 56 Abs. 2 entspricht, gegenüber den Versicherten nach Absatz 2 abzurechnen sind. Darüber hinaus sind im Bundesmantelvertrag folgende Regelungen zu treffen: Der Vertragszahnarzt hat vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien Heil- und Kostenplan zu erstellen, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet. Im Heil- und Kostenplan sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen. Der Heil- und Kostenplan ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen. Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen. Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 entsprechend dem im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Befund. Nach Abschluss der Behandlung rechnet der Vertragszahnarzt die von der Krankenkasse bewilligten Festzuschüsse mit Ausnahme der Fälle des § 55 Abs. 5 mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab. Der Vertragszahnarzt hat bei Rechnungslegung eine Durchschrift der Rechnung des gewerblichen oder des praxiseigenen Labors über zahntechnische Leistungen und die Erklärung nach Anhang XIII Abschnitt 1 der Verordnung (EU) 2017/745 in der jeweils geltenden Fassung beizufügen. Der Bundesmantelvertrag regelt auch das Nähere zur Ausgestaltung des Heil- und Kostenplans, insbesondere muss aus dem Heil- und Kostenplan erkennbar sein, ob die zahntechnischen Leistungen von Zahnärzten erbracht werden oder nicht.

(1b) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren im Bundesmantelvertrag erstmals bis spätestens zum 30. Juni 2016 die Voraussetzungen für eine besonders qualifizierte und koordinierte palliativ-medizinische Versorgung. Im Bundesmantelvertrag sind insbesondere zu vereinbaren:

1.
Inhalte und Ziele der qualifizierten und koordinierten palliativ-medizinischen Versorgung und deren Abgrenzung zu anderen Leistungen,
2.
Anforderungen an die Qualifikation der ärztlichen Leistungserbringer,
3.
Anforderungen an die Koordination und interprofessionelle Strukturierung der Versorgungsabläufe sowie die aktive Kooperation mit den weiteren an der Palliativversorgung beteiligten Leistungserbringern, Einrichtungen und betreuenden Angehörigen,
4.
Maßnahmen zur Sicherung der Versorgungsqualität.
Der Bundesärztekammer und der Bundespsychotherapeutenkammer sowie den in § 92 Absatz 7b genannten Organisationen ist vor Abschluss der Vereinbarung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Auf der Grundlage der Vereinbarung hat der Bewertungsausschuss den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen nach Absatz 2 Satz 2 zu überprüfen und innerhalb von sechs Monaten nach dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt anzupassen. Der Bewertungsausschuss hat dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre beginnend zum 31. Dezember 2023 über die Entwicklung der abgerechneten palliativ-medizinischen Leistungen auch in Kombination mit anderen vertragsärztlichen Leistungen, über die Zahl und Qualifikation der ärztlichen Leistungserbringer, über die Versorgungsqualität sowie über die Auswirkungen auf die Verordnung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung zu berichten. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Nähere zum Inhalt des Berichts und zu den dafür erforderlichen Auswertungen bestimmen.

(1c) Die Krankenkassen können in den in § 275 Absatz 1, 2 und 3 geregelten Fällen insbesondere

1.
bei kieferorthopädischen Maßnahmen,
2.
bei der Behandlung von Parodontopathien,
3.
bei der Versorgung von Zahnersatz und Zahnkronen, einschließlich der Prüfung der Gewährleistung nach § 136a Absatz 4 Satz 3,
4.
für implantologische Maßnahmen bei Ausnahmeindikationen gemäß § 28 Absatz 2 Satz 9
abweichend von § 275 Absatz 1, 2 und 3 statt einer gutachterlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes eine gutachterliche Stellungnahme im Wege des nach Satz 2 im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehene Gutachterverfahrens einholen. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren im Bundesmantelvertrag das Nähere zu einem Gutachterverfahren für Zahnärzte insbesondere zur Bestellung der Gutachter, zur Einleitung des Gutachterverfahrens und zur Begutachtung sowie die Maßnahmen und Behandlungen die Gegenstand des Gutachtenverfahrens sein können. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie für ihren regionalen Zuständigkeitsbereich die Partner der Gesamtverträge können vereinbaren, dass die Krankenkassen einheitlich für die im Bundesmantelvertrag näher bestimmten Maßnahmen und Behandlungen ausschließlich das nach Satz 2 vorgesehene Gutachterverfahren anwenden oder ausschließlich die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst vornehmen lassen. Der behandelnde Vertragszahnarzt ist verpflichtet, dem von der Krankenkasse benannten vertragszahnärztlichen Gutachter die für die gutachterliche Stellungnahme erforderlichen Daten zu übermitteln. Der vertragszahnärztliche Gutachter darf die vom Vertragszahnarzt übermittelten Daten nur zur Erstellung der in Satz 1 genannten gutachterlichen Stellungnahme verarbeiten. Im Übrigen gelten § 275 Absatz 5, § 276 Absatz 1, 2 Satz 2 und Absatz 3 und § 277 Absatz 1 Satz 1 bis 3 für das im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehene Gutachterwesen entsprechend.

(2) Der einheitliche Bewertungsmaßstab bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander; soweit möglich, sind die Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu versehen; dies gilt nicht für vertragszahnärztliche Leistungen. Die Bewertungsmaßstäbe sind in bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen, wobei in die Überprüfung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen auch die Regelung nach § 33 Absatz 9 erstmalig bis spätestens zum 31. Oktober 2012 einzubeziehen ist; bei der Bewertung der Leistungen ist insbesondere der Aspekt der wirtschaftlichen Nutzung der bei der Erbringung von Leistungen eingesetzten medizinisch-technischen Geräte zu berücksichtigen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen sind die Bewertung der Leistungen nach Satz 1 und die Überprüfung der wirtschaftlichen Aspekte nach Satz 2, insbesondere bei medizinisch-technischen Geräten, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der betroffenen Arztgruppen auf in bestimmten Zeitabständen zu aktualisierender betriebswirtschaftlicher Basis durchzuführen. Grundlage der Aktualisierung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen bilden grundsätzlich die vom Statistischen Bundesamt nach dem Gesetz über die Kostenstrukturstatistik bei Arzt- und Zahnarztpraxen sowie bei Praxen von psychologischen Psychotherapeuten erhobenen Daten der Kostenstruktur; ergänzend können sachgerechte Stichproben bei vertragsärztlichen Leistungserbringern verwendet werden. Der Bewertungsausschuss hat die nächste Überprüfung gemäß Satz 3 und die anschließende Aktualisierung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen spätestens bis zum 29. Februar 2020 mit der Maßgabe durchzuführen, insbesondere die Angemessenheit der Bewertung von Leistungen zu aktualisieren, die einen hohen technischen Leistungsanteil aufweisen. Hierzu legt der Bewertungsausschuss dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens bis zum 31. August 2019 ein Konzept vor, wie er die verschiedenen Leistungsbereiche im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen einschließlich der Sachkosten anpassen wird. Dabei soll die Bewertung der Leistungen mit einem hohen technischen Leistungsanteil, die in einem bestimmten Zeitraum erbracht werden, insgesamt so festgelegt werden, dass die Punkte, die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für diese Leistungen vergeben werden, ab einem bestimmten Schwellenwert mit zunehmender Menge sinken. Die Bewertung der Sachkosten kann abweichend von Satz 1 in Eurobeträgen bestimmt werden.

(2a) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen sind entsprechend der in § 73 Abs. 1 festgelegten Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern mit der Maßgabe, dass unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen Leistungen der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Leistungen der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen; die Leistungen der fachärztlichen Versorgung sind in der Weise zu gliedern, dass den einzelnen Facharztgruppen die von ihnen ausschließlich abrechenbaren Leistungen zugeordnet werden. Bei der Bestimmung der Arztgruppen nach Satz 1 ist der Versorgungsauftrag der jeweiligen Arztgruppe im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zugrunde zu legen. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen hat eine Regelung zu enthalten, nach der ärztliche Leistungen zur Diagnostik und ambulanten Eradikationstherapie einschließlich elektronischer Dokumentation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) vergütet werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit quartalsbezogen über Auswertungsergebnisse der Regelung nach Satz 3. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Nähere zum Inhalt des Berichts nach Satz 4 sowie zur Auswertung der anonymisierten Dokumentationen zum Zwecke der Versorgungsforschung und zur Förderung der Qualität bestimmen; es kann auch den Bewertungsausschuss mit der Vorlage des Berichts beauftragen. Im Übrigen gilt die Veröffentlichungspflicht gemäß § 135b Absatz 1 Satz 2. Bei der Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 prüfen der Bewertungsausschuss nach Absatz 3 und der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a jeweils, in welchem Umfang ambulante telemedizinische Leistungen erbracht werden können; auf dieser Grundlage beschließen der Bewertungsausschuss nach Absatz 3 und der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a jeweils, inwieweit der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen anzupassen ist. In die Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 ist auch einzubeziehen, in welchem Umfang die Durchführung von insbesondere telemedizinischen Fallbesprechungen im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen zum Kinder- und Jugendschutz nach § 73c angemessen vergütet werden kann; auf dieser Grundlage ist eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen zu beschließen. In die Überprüfung nach Absatz 2 Satz 2 ist auch einzubeziehen, in welchem Umfang delegationsfähige Leistungen durch Personen nach § 28 Absatz 1 Satz 2 qualifiziert erbracht und angemessen vergütet werden können; auf dieser Grundlage ist eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Versorgungsstrukturen bis zum 23. Januar 2016 zu beschließen. Nach Inkrafttreten der Bestimmungen nach § 27b Absatz 2 Satz 2 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen durch den Bewertungsausschuss gemäß Absatz 5a eine Regelung zu treffen, nach der Leistungen und Kosten im Rahmen der Einholung der Zweitmeinungen nach § 27b abgerechnet werden können. Sofern drei Monate nach Inkrafttreten der Bestimmungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 27b Absatz 2 keine Regelung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen getroffen wurde, können Versicherte die Leistungen nach § 27b bei den dafür berechtigten Leistungserbringern im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 in Anspruch nehmen. Die Kosten sind von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 endet, sobald die Regelung nach Satz 9 in Kraft getreten ist. Mit Wirkung zum 30. September 2020 ist durch den Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen zu regeln, dass Konsilien in einem weiten Umfang in der vertragsärztlichen und in der sektorenübergreifenden Versorgung als telemedizinische Leistung abgerechnet werden können, wenn bei ihnen sichere elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden. Die Regelungen erfolgen auf der Grundlage der Vereinbarung nach § 367 Absatz 1. Der Bewertungsausschuss nach Absatz 3 und der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a legen dem Bundesministerium für Gesundheit im Abstand von zwei Jahren, erstmals zum 31. Oktober 2022, einen gemeinsamen Bericht über den Stand der Beratungen und Beschlussfassungen nach Satz 7 sowie zur Erbringung von ambulanten telemedizinischen Leistungen und zu der Teilnahme der Leistungserbringer an der Erbringung von Leistungen im Rahmen der Videosprechstunde vor. Das Bundesministerium für Gesundheit leitet den Bericht an den Deutschen Bundestag weiter. In dem Beschluss nach Satz 7 sind durch den Bewertungsausschuss Regelungen im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen zu treffen, nach denen telemedizinische Leistungen, insbesondere Videosprechstunden, in einem weiten Umfang ermöglicht werden. Die im Hinblick auf Videosprechstunden bisher enthaltene Vorgabe von Krankheitsbildern im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen entfällt. Bei den Regelungen nach Satz 18 sind die Besonderheiten in der Versorgung von Pflegebedürftigen durch Zuschläge und die Besonderheiten in der psychotherapeutischen Versorgung einschließlich der Versorgung mit gruppentherapeutischen Leistungen und Leistungen der psychotherapeutischen Akutbehandlung zu berücksichtigen. Die Regelungen nach Satz 18 erfolgen auf der Grundlage der Vereinbarung nach § 365 Absatz 1 Satz 1. Bis zum 30. Juni 2016 ist mit Wirkung zum 1. Oktober 2016 eine Regelung zu treffen, nach der ärztliche Leistungen nach § 31a vergütet werden. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen hat eine Regelung über die Vergütung von ärztlichen Leistungen zur Erstellung und Aktualisierung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 und 7 zu enthalten; die Vergütung für die Erstellung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 ist in dem Zeitraum vom 20. Oktober 2020 bis zum 20. Oktober 2021 auf das Zweifache der sich nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab ergebenden Vergütung zu erhöhen; die Vergütungsregelung für die Erstellung von Datensätzen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 ist bis zum 1. Januar 2024 zu vereinbaren. Der Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a beschließt im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen die nach dem Schweregrad zu differenzierenden Regelungen für die Versorgung im Notfall und im Notdienst sowie bis zum 31. März 2022 Regelungen für die Versorgung im Notdienst mit telemedizinischen Leistungen. Zwei Jahre nach Inkrafttreten dieser Regelungen hat der Bewertungsausschuss nach Absatz 5a die Entwicklung der Leistungen zu evaluieren und hierüber dem Bundesministerium für Gesundheit zu berichten; Absatz 3a gilt entsprechend. Der Bewertungsausschuss überprüft, in welchem Umfang Diagnostika zur schnellen und zur qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie eingesetzt werden können, und beschließt auf dieser Grundlage erstmals bis spätestens zum 1. Dezember 2017 entsprechende Anpassungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 6b vom Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach Absatz 5a anzupassen. Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist mit Wirkung zum 1. Januar 2021 vorzusehen, dass Leistungen nach § 346 Absatz 1 Satz 1 und 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der Verarbeitung medizinischer Daten in der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2022 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen vorzusehen, dass ärztliche Leistungen nach § 346 Absatz 3 zur Unterstützung der Versicherten bei der erstmaligen Befüllung der elektronischen Patientenakte im aktuellen Behandlungskontext vergütet werden. Der Bewertungsausschuss hat im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen die Leistungen, die durch Videosprechstunde erbracht werden, auf 30 Prozent der jeweiligen Leistungen im Quartal des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers zu begrenzen. Zudem hat der Bewertungsausschuss im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen die Anzahl der Behandlungsfälle im Quartal, in denen ausschließlich Leistungen im Rahmen einer Videosprechstunde erbracht werden, auf 30 Prozent aller Behandlungsfälle des an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers zu begrenzen. Von der Begrenzung auf 30 Prozent nach den Sätzen 30 und 31 kann der Bewertungsausschuss in besonderen Ausnahmesituationen, wie etwa nach Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, für einen befristeten Zeitraum abweichen. Der Bewertungsausschuss legt bis zum 30. September 2021 fest, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang unter Berücksichtigung der Sätze 30 und 31 die psychotherapeutische Akutbehandlung im Rahmen der Videosprechstunde erbracht werden kann.

(2b) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der hausärztlichen Versorgung sollen als Versichertenpauschalen abgebildet werden; für Leistungen, die besonders gefördert werden sollen oder nach Absatz 2a Satz 7 und 8 telemedizinisch oder im Wege der Delegation erbracht werden können, sind Einzelleistungen oder Leistungskomplexe vorzusehen. Mit den Pauschalen nach Satz 1 sollen die gesamten im Abrechnungszeitraum regelmäßig oder sehr selten und zugleich mit geringem Aufwand im Rahmen der hausärztlichen Versorgung eines Versicherten erbrachten Leistungen einschließlich der anfallenden Betreuungs-, Koordinations- und Dokumentationsleistungen vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 sind in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen folgende Zuschläge auf die jeweilige Versichertenpauschale aufzunehmen:

1.
ein Zuschlag in Höhe von bis zu 200 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für Behandlungen im Akutfall nach § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 4, wenn die Behandlung spätestens am Folgetag der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle beginnt,
2.
ein Zuschlag in Höhe von 100 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am vierten Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt,
3.
ein Zuschlag in Höhe von 80 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 14. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt,
4.
ein Zuschlag in Höhe von 40 Prozent der jeweiligen Versichertenpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 35. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt, sowie
5.
ein Zuschlag in Höhe von mindestens 15 Euro für die erfolgreiche Vermittlung eines Behandlungstermins nach § 73 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2.
Zudem können Qualitätszuschläge vorgesehen werden, mit denen die in besonderen Behandlungsfällen erforderliche Qualität vergütet wird. Der Bewertungsausschuss beschließt spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit Wirkung zum 1. März 2022 eine Anpassung der im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der hausärztlichen Versorgung zur Vergütung der regelmäßigen zeitgebundenen ärztlichen Beratung nach § 2 Absatz 1a des Transplantationsgesetzes in der ab dem 1. März 2022 geltenden Fassung über die Organ- und Gewebespende sowie über die Möglichkeit, eine Erklärung zur Organ- und Gewebespende im Register nach § 2a des Transplantationsgesetzes in der ab dem 1. März 2022 geltenden Fassung abgeben, ändern und widerrufen zu können. Der Vergütungsanspruch besteht je Patient alle zwei Jahre.

(2c) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen der fachärztlichen Versorgung sollen arztgruppenspezifisch und unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen als Grund- und Zusatzpauschalen abgebildet werden; Einzelleistungen sollen vorgesehen werden, soweit dies medizinisch oder auf Grund von Besonderheiten bei Veranlassung und Ausführung der Leistungserbringung, einschließlich der Möglichkeit telemedizinischer Erbringung gemäß Absatz 2a Satz 7 oder der Erbringung im Wege der Delegation nach Absatz 2a Satz 8, erforderlich ist. Mit den Grundpauschalen nach Satz 1 sollen die regelmäßig oder sehr selten und zugleich mit geringem Aufwand von der Arztgruppe in jedem Behandlungsfall erbrachten Leistungen vergütet werden. Mit Wirkung zum 1. Januar 2023 sind in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen folgende Zuschläge auf die jeweilige Grundpauschale aufzunehmen:

1.
ein Zuschlag in Höhe von bis zu 200 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für Behandlungen im Akutfall nach § 75 Absatz 1a Satz 3 Nummer 4, wenn die Behandlung spätestens am Folgetag der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle beginnt,
2.
ein Zuschlag in Höhe von 100 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am vierten Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt,
3.
ein Zuschlag in Höhe von 80 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 14. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt, sowie
4.
ein Zuschlag in Höhe von 40 Prozent der jeweiligen Grundpauschale für den Fall, dass eine Behandlung spätestens am 35. Tag nach der Terminvermittlung durch die Terminservicestelle nach § 75 Absatz 1a Satz 3 beginnt.
Die in Satz 3 Nummer 2 bis 4 genannten Zuschläge gelten bei der Behandlung aufgrund einer erfolgten Vermittlung nach § 73 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Mit den Zusatzpauschalen nach Satz 1 wird der besondere Leistungsaufwand vergütet, der sich aus den Leistungs-, Struktur- und Qualitätsmerkmalen des Leistungserbringers und, soweit dazu Veranlassung besteht, in bestimmten Behandlungsfällen ergibt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann die Behandlung von Versichertengruppen, die mit einem erheblichen therapeutischen Leistungsaufwand und überproportionalen Kosten verbunden ist, mit arztgruppenspezifischen diagnosebezogenen Fallpauschalen vergütet werden. Für die Versorgung im Rahmen von kooperativen Versorgungsformen sind spezifische Fallpauschalen festzulegen, die dem fallbezogenen Zusammenwirken von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen in diesen Versorgungsformen Rechnung tragen. Die Bewertungen für psychotherapeutische Leistungen haben eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit zu gewährleisten. Bis zum 29. Februar 2020 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ein Zuschlag in Höhe von 15 Prozent auf diejenigen psychotherapeutischen Leistungen vorzusehen, die im Rahmen des ersten Therapieblocks einer neuen Kurzzeittherapie erbracht werden. Der Zuschlag ist auf die ersten zehn Stunden dieser Leistungen zu begrenzen und für Psychotherapeuten vorzusehen, die für die in § 19a Absatz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte festgelegten Mindestsprechstunden für gesetzlich Versicherte tatsächlich zur Verfügung stehen.

(2d) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen sind Regelungen einschließlich Prüfkriterien vorzusehen, die sicherstellen, dass der Leistungsinhalt der in den Absätzen 2a bis 2c genannten Leistungen und Pauschalen jeweils vollständig erbracht wird, die jeweiligen notwendigen Qualitätsstandards eingehalten, die abgerechneten Leistungen auf den medizinisch notwendigen Umfang begrenzt sowie bei Abrechnung der Fallpauschalen nach Absatz 2c die Mindestanforderungen zu der institutionellen Ausgestaltung der Kooperation der beteiligten Ärzte eingehalten werden; dazu kann die Abrechenbarkeit der Leistungen an die Einhaltung der vom Gemeinsamen Bundesausschuss und in den Bundesmantelverträgen beschlossenen Qualifikations- und Qualitätssicherungsanforderungen sowie an die Einhaltung der gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zu erbringenden Dokumentationsverpflichtungen geknüpft werden. Zudem können Regelungen vorgesehen werden, die darauf abzielen, dass die Abrechnung der Versichertenpauschalen nach Absatz 2b Satz 1 sowie der Grundpauschalen nach Absatz 2c Satz 1 für einen Versicherten nur durch einen Arzt im Abrechnungszeitraum erfolgt, oder es können Regelungen zur Kürzung der Pauschalen für den Fall eines Arztwechsels des Versicherten innerhalb des Abrechnungszeitraums vorgesehen werden.

(2e) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist jährlich bis zum 31. August ein bundeseinheitlicher Punktwert als Orientierungswert in Euro zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen festzulegen.

(2f) (weggefallen)

(2g) Bei der Anpassung des Orientierungswertes nach Absatz 2e sind insbesondere

1.
die Entwicklung der für Arztpraxen relevanten Investitions- und Betriebskosten, soweit diese nicht bereits durch die Weiterentwicklung der Bewertungsrelationen nach Absatz 2 Satz 2 erfasst worden sind,
2.
Möglichkeiten zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven, soweit diese nicht bereits durch die Weiterentwicklung der Bewertungsrelationen nach Absatz 2 Satz 2 erfasst worden sind, sowie
3.
die allgemeine Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen, soweit diese nicht durch eine Abstaffelungsregelung nach Absatz 2 Satz 3 berücksichtigt worden ist,
4.
(weggefallen)
zu berücksichtigen.

(2h) Die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen können zu Leistungskomplexen zusammengefasst werden. Die Leistungen sind entsprechend einer ursachengerechten, zahnsubstanzschonenden und präventionsorientierten Versorgung insbesondere nach dem Kriterium der erforderlichen Arbeitszeit gleichgewichtig in und zwischen den Leistungsbereichen für Zahnerhaltung, Prävention, Zahnersatz und Kieferorthopädie zu bewerten. Bei der Festlegung der Bewertungsrelationen ist wissenschaftlicher Sachverstand einzubeziehen.

(2i) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen ist eine zusätzliche Leistung vorzusehen für das erforderliche Aufsuchen von Versicherten, die einem Pflegegrad nach § 15 des Elften Buches zugeordnet sind, in der Eingliederungshilfe nach § 99 des Neunten Buches leistungsberechtigt sind und die die Zahnarztpraxis aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit, Behinderung oder Einschränkung nicht oder nur mit hohem Aufwand aufsuchen können. § 71 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(2j) Für Leistungen, die im Rahmen eines Vertrages nach § 119b Absatz 1 erbracht werden, ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen eine zusätzliche, in der Bewertung über Absatz 2i Satz 1 hinausgehende Leistung vorzusehen. Voraussetzung für die Abrechnung dieser zusätzlichen Leistung ist die Einhaltung der in der Vereinbarung nach § 119b Absatz 2 festgelegten Anforderungen. Die Leistung nach Absatz 2i Satz 1 ist in diesen Fällen nicht berechnungsfähig. § 71 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(2k) Im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen sind Videosprechstundenleistungen vorzusehen für die Untersuchung und Behandlung von den in Absatz 2i genannten Versicherten und von Versicherten, an denen zahnärztliche Leistungen im Rahmen eines Vertrages nach § 119b Absatz 1 erbracht werden. Die Videosprechstundenleistungen nach Satz 1 können auch Fallkonferenzen mit dem Pflegepersonal zum Gegenstand haben. § 71 Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Die Anpassung erfolgt auf Grundlage der Vereinbarung nach § 366 Absatz 1 Satz 1.

(2l) Mit Wirkung zum 30. September 2020 ist im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen zu regeln, dass Konsilien in einem weiten Umfang in der vertragszahnärztlichen und in der sektorenübergreifenden Versorgung als telemedizinische Leistungen abgerechnet werden können, wenn bei ihnen sichere elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien eingesetzt werden. Die Regelungen erfolgen auf der Grundlage der Vereinbarung nach § 367 Absatz 1. Der Bewertungsausschuss legt dem Bundesministerium für Gesundheit im Abstand von zwei Jahren jeweils einen Bericht über die als telemedizinische Leistungen abrechenbaren Konsilien vor.

(2m) Der Bewertungsausschuss hat den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen einschließlich der Sachkosten daraufhin zu überprüfen, wie der Aufwand, der den verantwortlichen Gesundheitseinrichtungen im Sinne von § 2 Nummer 5 Buchstabe b und d des Implantateregistergesetzes in der vertragsärztlichen Versorgung auf Grund ihrer Verpflichtungen nach den §§ 16, 17 Absatz 1 sowie den §§ 18, 20, 24, 25 und 33 Absatz 1 Nummer 1 des Implantateregistergesetzes entsteht, angemessen abgebildet werden kann. Auf der Grundlage des Ergebnisses der Prüfung hat der Bewertungsausschuss eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen bis zum 30. September 2020 mit Wirkung zum 1. Januar 2021 zu beschließen.

(3) Der Bewertungsausschuß besteht aus drei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestellten Vertretern sowie drei vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestellten Vertreter. Den Vorsitz führt abwechselnd ein Vertreter der Ärzte und ein Vertreter der Krankenkassen. Die Beratungen des Bewertungsausschusses einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften sind vertraulich. Die Vertraulichkeit gilt auch für die zur Vorbereitung und Durchführung der Beratungen im Bewertungsausschuss dienenden Unterlagen der Trägerorganisationen und des Instituts des Bewertungsausschusses.

(3a) Der Bewertungsausschuss analysiert die Auswirkungen seiner Beschlüsse insbesondere auf die Versorgung der Versicherten mit vertragsärztlichen Leistungen, auf die vertragsärztlichen Honorare sowie auf die Ausgaben der Krankenkassen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann das Nähere zum Inhalt der Analysen bestimmen. Absatz 6 gilt entsprechend.

(3b) Der Bewertungsausschuss wird bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben von einem Institut unterstützt, das gemäß der vom Bewertungsausschuss nach Absatz 3e zu vereinbarenden Geschäftsordnung die Beschlüsse nach den §§ 87, 87a und 116b Absatz 6 sowie die Analysen nach Absatz 3a vorbereitet. Träger des Instituts sind die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Erfüllt das Institut seine Aufgaben nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den geltenden Vorgaben oder wird es aufgelöst, kann das Bundesministerium für Gesundheit eine oder mehrere der in Satz 2 genannten Organisationen oder einen Dritten mit den Aufgaben nach Satz 1 beauftragen. Absatz 6 gilt entsprechend.

(3c) Die Finanzierung des Instituts oder des beauftragten Dritten nach Absatz 3b erfolgt durch die Erhebung eines Zuschlags auf jeden ambulant-kurativen Behandlungsfall in der vertragsärztlichen Versorgung. Der Zuschlag ist von den Krankenkassen außerhalb der Gesamtvergütung nach § 85 oder der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung nach § 87a zu finanzieren. Das Nähere bestimmt der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss nach Absatz 3e Satz 1 Nr. 3.

(3d) Über die Ausstattung des Instituts nach Absatz 3b mit den für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Sach- und Personalmittel und über die Nutzung der Daten gemäß Absatz 3f durch das Institut entscheidet der Bewertungsausschuss. Die innere Organisation des Instituts ist jeweils so zu gestalten, dass sie den besonderen Anforderungen des Datenschutzes nach den Artikeln 24, 25 und 32 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung gerecht wird. Absatz 6 gilt entsprechend. Über die Ausstattung des beauftragten Dritten nach Absatz 3b Satz 3 mit den für die Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Sach- und Personalmitteln sowie über die Nutzung der Daten gemäß Absatz 3f entscheidet das Bundesministerium für Gesundheit.

(3e) Der Bewertungsausschuss beschließt

1.
bis spätestens zum 31. August 2017 eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere die Antragsberechtigten, methodische Anforderungen und Fristen in Bezug auf die Vorbereitung und Durchführung der Beratungen sowie die Beschlussfassung über die Aufnahme in den einheitlichen Bewertungsmaßstab insbesondere solcher neuer Laborleistungen und neuer humangenetischer Leistungen regelt, bei denen es sich jeweils nicht um eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach § 135 Absatz 1 Satz 1 handelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Bewertungsausschusses und des Instituts gemäß Absatz 3b trifft, insbesondere zur Geschäftsführung und zur Art und Weise der Vorbereitung der in Absatz 3b Satz 1 genannten Beschlüsse, Analysen und Berichte, sowie
3.
eine Finanzierungsregelung, in der er Näheres zur Erhebung des Zuschlags nach Absatz 3c bestimmt.
Die Verfahrensordnung, die Geschäftsordnung und die Finanzierungsregelung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung sind im Internet zu veröffentlichen. Der Bewertungsausschuss ist verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss hinsichtlich einer neuen Leistung auf Verlangen Auskunft zu erteilen, ob die Aufnahme der neuen Leistung in den einheitlichen Bewertungsmaßstab in eigener Zuständigkeit des Bewertungsausschusses beraten werden kann oder ob es sich dabei um eine neue Methode handelt, die nach § 135 Absatz 1 Satz 1 zunächst einer Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss bedarf. Eine Auskunft können pharmazeutische Unternehmer, Hersteller von Medizinprodukten, Hersteller von Diagnostikleistungen und deren jeweilige Verbände, einschlägige Berufsverbände, medizinische Fachgesellschaften und die für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen nach § 140f verlangen. Das Nähere regeln der Bewertungsausschuss und der Gemeinsame Bundesausschuss im gegenseitigen Einvernehmen in ihrer jeweiligen Verfahrensordnung.

(3f) Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen erfassen jeweils nach Maßgabe der vom Bewertungsausschuss zu bestimmenden inhaltlichen und verfahrensmäßigen Vorgaben die für die Aufgaben des Bewertungsausschusses nach diesem Gesetz erforderlichen Daten, einschließlich der Daten nach § 73b Absatz 7 Satz 5 und § 140a Absatz 6, arzt- und versichertenbezogen in einheitlicher pseudonymisierter Form. Die Daten nach Satz 1 werden jeweils unentgeltlich von den Kassenärztlichen Vereinigungen an die Kassenärztliche Bundesvereinigung und von den Krankenkassen an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen übermittelt, die diese Daten jeweils zusammenführen und sie unentgeltlich dem Institut oder dem beauftragten Dritten gemäß Absatz 3b übermitteln. Soweit erforderlich hat der Bewertungsausschuss darüber hinaus Erhebungen und Auswertungen nicht personenbezogener Daten durchzuführen oder in Auftrag zu geben oder Sachverständigengutachten einzuholen. Für die Verarbeitung der Daten nach den Sätzen 2 und 3 kann der Bewertungsausschuss eine Datenstelle errichten oder eine externe Datenstelle beauftragen; für die Finanzierung der Datenstelle gelten die Absätze 3c und 3e entsprechend. Das Verfahren der Pseudonymisierung nach Satz 1 ist vom Bewertungsausschuss im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zu bestimmen.

(3g) Die Regelungen der Absätze 3a bis 3f gelten nicht für den für zahnärztliche Leistungen zuständigen Bewertungsausschuss.

(4) Kommt im Bewertungsausschuß durch übereinstimmenden Beschluß aller Mitglieder eine Vereinbarung ganz oder teilweise nicht zustande, wird der Bewertungsausschuß auf Verlangen von mindestens zwei Mitgliedern um einen unparteiischen Vorsitzenden und zwei weitere unparteiische Mitglieder erweitert. Für die Benennung des unparteiischen Vorsitzenden gilt § 89 Absatz 6 entsprechend. Von den weiteren unparteiischen Mitgliedern wird ein Mitglied von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie ein Mitglied vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannt.

(5) Der erweiterte Bewertungsausschuß setzt mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Vereinbarung fest. Die Festsetzung hat die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung im Sinne des § 82 Abs. 1. Zur Vorbereitung von Maßnahmen nach Satz 1 für den Bereich der ärztlichen Leistungen hat das Institut oder der beauftragte Dritte nach Absatz 3b dem zuständigen erweiterten Bewertungsausschuss unmittelbar und unverzüglich nach dessen Weisungen zuzuarbeiten. Absatz 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend; auch für die Unterlagen der unparteiischen Mitglieder gilt Vertraulichkeit.

(5a) Bei Beschlüssen zur Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes zur Vergütung der Leistungen der spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b ist der Bewertungsausschuss für ärztliche Leistungen nach Absatz 3 um drei Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu ergänzen. Kommt durch übereinstimmenden Beschluss aller Mitglieder eine Vereinbarung des ergänzten Bewertungsausschusses nach Satz 1 ganz oder teilweise nicht zustande, wird der ergänzte Bewertungsausschuss auf Verlangen von mindestens zwei Mitgliedern um einen unparteiischen Vorsitzenden und ein weiteres unparteiisches Mitglied erweitert. Die Benennung der beiden unparteiischen Mitglieder durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, den Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft soll bis spätestens zum 30. Juni 2019 erfolgen; § 89a Absatz 6 gilt entsprechend. Im ergänzten erweiterten Bewertungsausschuss sind nur jeweils zwei Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie die beiden unparteiischen Mitglieder stimmberechtigt. Der ergänzte erweiterte Bewertungsausschuss setzt den Beschluss mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner stimmberechtigten Mitglieder innerhalb von drei Monaten fest. Wird eine Mehrheit von zwei Dritteln nicht erreicht, setzen die beiden unparteiischen Mitglieder den Beschluss fest. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(5b) Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 in Verbindung mit § 135 Absatz 1 anzupassen. Satz 1 gilt entsprechend für weitere Richtlinienbeschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses, die eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen erforderlich machen. In diesem Zusammenhang notwendige Vereinbarungen nach § 135 Absatz 2 sind zeitgleich zu treffen. Für Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses, die vor dem 23. Juli 2015 in Kraft getreten sind, gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Frist nach Satz 1 mit dem 23. Juli 2015 beginnt. Der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ist zeitgleich mit dem Beschluss nach § 35a Absatz 3 Satz 1 anzupassen, sofern die Fachinformation des Arzneimittels zu seiner Anwendung eine zwingend erforderliche Leistung vorsieht, die eine Anpassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen erforderlich macht. Das Nähere zu ihrer Zusammenarbeit regeln der Bewertungsausschuss und der Gemeinsame Bundesausschuss im gegenseitigen Einvernehmen in ihrer jeweiligen Verfahrensordnung. Für Beschlüsse nach § 35a Absatz 3 Satz 1, die vor dem 13. Mai 2017 getroffen worden sind, gilt Satz 5 entsprechend mit der Maßgabe, dass der Bewertungsausschuss spätestens bis 13. November 2017 den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen anzupassen hat.

(5c) Sind digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e Absatz 3 dauerhaft in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e aufgenommen worden, so sind entweder der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen oder der einheitliche Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen innerhalb von drei Monaten nach der Aufnahme anzupassen, soweit ärztliche Leistungen für die Versorgung mit der jeweiligen digitalen Gesundheitsanwendung erforderlich sind. Sind digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e Absatz 4 vorläufig in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e aufgenommen worden, so vereinbaren die Partner der Bundesmantelverträge innerhalb von drei Monaten nach der vorläufigen Aufnahme eine Vergütung für ärztliche Leistungen, die während der Erprobungszeit nach Festlegung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 139e Absatz 4 Satz 3 zur Versorgung mit und zur Erprobung der digitalen Gesundheitsanwendung erforderlich sind; die Vereinbarung berücksichtigt die Nachweispflichten für positive Versorgungseffekte, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 139e Absatz 4 Satz 3 festgelegt worden sind. Solange keine Entscheidung über eine Anpassung nach Satz 1 getroffen ist, hat der Leistungserbringer Anspruch auf die nach Satz 2 vereinbarte Vergütung. Soweit und solange keine Vereinbarung nach Satz 2 getroffen ist oder sofern eine Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e ohne Erprobung erfolgt und keine Entscheidung über eine Anpassung nach Satz 1 getroffen ist, können Versicherte die ärztlichen Leistungen, die für die Versorgung mit oder zur Erprobung der digitalen Gesundheitsanwendung erforderlich sind, im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 bei Leistungserbringern in Anspruch nehmen; Absatz 2a Satz 12 gilt entsprechend. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme im Wege der Kostenerstattung nach § 13 Absatz 1 endet, sobald eine Entscheidung über die Anpassung nach Satz 1 getroffen ist.

(6) Das Bundesministerium für Gesundheit kann an den Sitzungen der Bewertungsausschüsse, des Instituts oder des beauftragten Dritten nach Absatz 3b sowie der von diesen jeweils gebildeten Unterausschüssen und Arbeitsgruppen teilnehmen; ihm sind die Beschlüsse der Bewertungsausschüsse zusammen mit den den Beschlüssen zugrunde liegenden Beratungsunterlagen und den für die Beschlüsse jeweils entscheidungserheblichen Gründen vorzulegen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Beschlüsse innerhalb von zwei Monaten beanstanden; es kann im Rahmen der Prüfung eines Beschlusses vom Bewertungsausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen dazu anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist unterbrochen. Die Nichtbeanstandung eines Beschlusses kann vom Bundesministerium für Gesundheit mit Auflagen verbunden werden; das Bundesministerium für Gesundheit kann zur Erfüllung einer Auflage eine angemessene Frist setzen. Kommen Beschlüsse der Bewertungsausschüsse ganz oder teilweise nicht oder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit die Vereinbarungen festsetzen; es kann dazu Datenerhebungen in Auftrag geben oder Sachverständigengutachten einholen. Zur Vorbereitung von Maßnahmen nach Satz 4 für den Bereich der ärztlichen Leistungen hat das Institut oder der beauftragte Dritte oder die vom Bundesministerium für Gesundheit beauftragte Organisation gemäß Absatz 3b dem Bundesministerium für Gesundheit unmittelbar und unverzüglich nach dessen Weisungen zuzuarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit kann zur Vorbereitung von Maßnahmen nach Satz 4 bereits vor Fristablauf das Institut nach Satz 5 beauftragen, Datenerhebungen in Auftrag geben oder Sachverständigengutachten einholen, sofern die Bewertungsausschüsse die Beratungen sowie die Beschlussfassungen nicht oder nicht in einem angemessenen Umfang vorbereiten oder durchführen. Die mit den Maßnahmen nach Satz 4 verbundenen Kosten sind von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung jeweils zur Hälfte zu tragen; das Nähere bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit. Abweichend von Satz 4 kann das Bundesministerium für Gesundheit für den Fall, dass Beschlüsse der Bewertungsausschüsse nicht oder teilweise nicht oder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist zustande kommen, den erweiterten Bewertungsausschuss nach Absatz 4 mit Wirkung für die Vertragspartner anrufen. Der erweiterte Bewertungsausschuss setzt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit gesetzten Frist die Vereinbarung fest; Satz 1 bis 7 gilt entsprechend. Die Beschlüsse und die entscheidungserheblichen Gründe sind im Deutschen Ärzteblatt oder im Internet bekannt zu machen; falls die Bekanntmachung im Internet erfolgt, muss im Deutschen Ärzteblatt ein Hinweis auf die Fundstelle veröffentlicht werden.

(7) Klagen gegen Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach Absatz 6 haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) bis (9) (weggefallen)

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)


Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 09.10.2015 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer ambulanten Laser-Epilation als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung hat.

2

Die 1982 geborene, bei der Beklagten als Bezieherin von Arbeitslosengeld II krankenversicherte Klägerin leidet an Hirsutismus (männliches Verteilungsmuster der Terminalhaare bei der Frau) insbesondere im Gesicht. Im Dezember 2013 beantragte sie deshalb die Haarentfernung mittels Laser-Epilation. Sie legte eine Bescheinigung der Gynäkologin Dr. G , U M , vom 13.12.2013 vor, die bei sehr großem Leidensdruck durch die starke Gesichtsbehaarung eine Lokalbehandlung mittels Elektro-Epilation oder Laser zur dauerhaften Entfernung der Gesichtshaare befürwortete. Laut privatärztlichem Kostenvoranschlag des Chirurgen R vom 28.01.2014 würden für die Laserchirurgie pro Behandlung Kosten in Höhe von 210,98 € entstehen; die Anzahl der benötigten Behandlungen könne im Voraus nicht bestimmt werden. Dr. A, Beratender Arzt des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), führte mit Stellungnahme vom 21.03.2014 aus, eine Epilation sei medizinisch bei entstellender Wirkung des Befundes indiziert. Die Laser-Epilation sei bisher aber nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) gemäß § 135 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) positiv bewertet worden. Alternative vertragsärztliche Behandlungsmethode sei die Epilation mittels Elektrokoagulation. Mit Bescheid vom 24.03.2014 lehnte die Beklagte gestützt auf diese Beurteilung die Gewährung einer Laser-Epilation ab. Ihren Widerspruch begründete die Klägerin unter Vorlage einer Stellungnahme von Dr. B, U M, vom 22.05.2014, die auf das erhöhte Thromboserisiko einer alternativen Hormontherapie bei der Klägerin verwies, so dass nur eine Laser-Epilation in Frage komme. Die Ärztin im MDK Dr. B verblieb mit Gutachten vom 01.07.2014 bei der bisherigen Beurteilung. Bei der Epilation mittels Laser handele es sich um ein Verfahren im Stadium der Erprobung. Eine permanente Haarentfernung mittels Laser oder verwandter Verfahren, auch nach Mehrfachanwendungen, habe bisher in keiner Studie gezeigt werden können. In Anbetracht der fehlenden Standardisierung, des fehlenden Nachweises der permanenten Wirkung und der völlig ungeklärten Langzeitnebenwirkungen könne eine Epilationsbehandlung mittels Laser zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aus sozialmedizinischer Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden. Vertragliche Behandlungsalternativen, wie etwa die Elektro-Epilation, stünden bei gegebener Indikation zur Verfügung und seien von Seiten der Behandler neben der Laser-Epilation im Attest vom 13.12.2013 auch vorgeschlagen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin daraufhin zurück.

3

Am 23.09.2014 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mainz (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, die Laser-Epilation sei die schonendere und effektivere Behandlungsmethode im Vergleich zur Elektrokoagulation. Diese werde zudem in der Region nicht mehr angeboten. Die Beklagte hat auf die Äußerung des MDK im Entwurf zur „Begutachtungsanleitung Transsexualität“ (Seite 14) Bezug genommen, wo ausdrücklich festgehalten sei, dass die Epilation mittels Laser keine langfristigen Erfolge zeige. Sie hat einen Vertragsarzt, der die Elektrokoagulation in räumlicher Wohnortnähe anbietet, nicht benennen können. Der Beklagten gegenüber hat die Kassenärztliche Vereinigung die Auffassung vertreten, der Sicherstellungsauftrag sei durch ein mangelndes Angebot der Elektrokoagulation nicht gefährdet.

4

Das SG hat Beweis erhoben zur Frage, wie häufig Elektrokoagulation im Gesicht und/oder an den Händen bei krankhaftem oder entstellendem Haarwuchs nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) 10340 und 02300 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) im Jahr 2014 abgerechnet wurden. Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) hat hierzu am 11.05.2015 mitgeteilt, Regionaldaten zu einzelnen Leistungen stünden erst 2017 zur Verfügung. Die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz hat am 21.05.2015 mitgeteilt, die Leistungsziffern seien nur ganz vereinzelt zur Abrechnung gekommen, wobei nicht sicher sei, dass die Abrechnung aufgrund von Hirsutismus erfolgt sei. Die Elektrokoagulation werde kaum noch angeboten und entspreche nicht mehr dem Stand der medizinischen Erkenntnisse. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen hat am 22.06.2015 mitgeteilt, die GOP 10340 EBM-Ä sei 2014 hessenweit 143.166 mal von 190 Praxen, darunter in W 6.335 mal von 14 Praxen abgerechnet worden. Die GOP 02300 EBM-Ä sei 2014 hessenweit 296.766 mal von 3.050 Praxen, darunter in W 12.310 mal von 149 Praxen abgerechnet worden. Eine trennscharfe Abgrenzung zu anderen von den Abrechnungsziffern erfassten Eingriffen sei nicht möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 02.07.2015 mitgeteilt, die Laser-Epilation bei Hirsutismus sei bislang nicht überprüft worden. Ein Überprüfungsantrag liege nicht vor. Es seien auch keine Anhaltspunkte für eine Antragspflicht gegeben.

5

Auf Anfrage des SG hat sich die Beklagte mit Schreiben vom 29.07.2015 bereit erklärt, bei der Klägerin die Kosten einer Behandlung mit Elektrokoagulation in der Privatpraxis Dr. Q in W zu übernehmen. Die Klägerin hat demgegenüber auf Gewährung einer Laser-Epilation bestanden.

6

Durch Gerichtsbescheid vom 09.10.2015 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass die notwendige Behandlung des Hirsutismus, der auch nach eigener Anschauung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung am 03.03.2014 bei der Klägerin entstellende Wirkung habe, durch die im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht enthaltene Methode der Laser-Epilation erfolge. Die Beklagte sei zur Sachleistung für eine Behandlung des übermäßigen Haarwuchses in Form der Elektrokoagulation bereit. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass diese als ärztliche Leistung im EBM-Ä enthaltene Therapieform bei der Klägerin unwirksam sein könnte. Dass es sich um ein Verfahren handele, das mit hohem Zeitaufwand und möglicherweise auch mit zeitweiligen Schmerzen der behandelten Stellen verbunden sein könnte, schließe die Behandlung grundsätzlich nicht aus (Hinweis auf LSG Niedersachsen-Bremen 17.10.2012 – L 1 KR 443/11, juris Rn. 23). Das Gericht habe keine Hinweise darauf, dass diese Behandlung nicht mehr dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen würde. Dass die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz dies äußere, sei auf dem Hintergrund eines Streits mit der Beklagten über die Gewährleistung der Versorgung mit Elektrokoagulation verständlich. Die nicht im EBM-Ä enthaltene Laser-Epilation könne die Klägerin demgegenüber aufgrund der fehlenden Anerkennung durch den GBA gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V nicht beanspruchen. Diese Richtlinien regelten nicht nur, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürften, sondern gleichzeitig, dass diese Methoden von den Krankenkassen für ihre Versicherten bei entsprechender Indikation erbracht werden müssten (Hinweis auf BSG 16.12.2008 – B 1 KR 11/08 R). Ein Leistungsanspruch ergebe sich nicht ausnahmsweise aus § 1 (gemeint: 2) Abs. 1a SGB V, weil es sich beim Hirsutismus nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder hiermit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung handele. Auch unter dem Gesichtspunkt eines Systemversagens könne die Klägerin die begehrte Leistung nicht beanspruchen. Ein Systemversagen komme nur in Betracht, wenn es keine zugelassene wirksame Behandlungsmethode für die betreffende Krankheit gebe. Im Fall der Klägerin stehe jedoch mit der Elektrokoagulation eine erprobte und wirksame Behandlungsmethode zur Verfügung. Es könne offen bleiben, ob auch dann ein Systemversagen vorliege, wenn der GBA nicht darauf reagiere, dass eine im Leistungskatalog enthaltene Behandlungsmethode, die nicht durch eine andere im Leistungskatalog enthaltene gleich wirksame Alternative ersetzt werden könne, nicht in einer für die Versicherte erreichbaren Nähe angeboten werde. Denn vorliegend habe die Beklagte die Sachleistung durch die in räumlicher Nähe bestehende Privatpraxis angeboten. Zudem fehle es an Feststellungen, dass die Qualität und Wirksamkeit der Laser-Epilation im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V durch zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen feststehe (Hinweis auf Senatsurteil 02.04.2015 – L 5 KR 214/14).

7

Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.10.2015 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, bereits aus der Äußerung der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz ergebe sich, dass das Verfahren der Epilation durch Elektrokoagulation nicht mehr dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Selbst der Beklagten sei es nicht gelungen, außer einer einzigen Arztpraxis in W , die das schmerzhafte Prozedere angeblich noch betreibe, nachzuweisen, dass diese Tortur noch dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche.

8

Die Klägerin beantragt,

9

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 09.10.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Laser-Epilation zu gewähren.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

13

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Laser-Epilation als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.

15

Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Bei der von der Klägerin begehrten Laser-Epilation handelt es sich um eine „neue“ Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann zu gewähren ist, wenn eine positive Stellungnahme des GBA vorliegt. Ein solches Positivvotum des GBA liegt zur Behandlungsmethode der Laser-Epilation nicht vor. Dass ein Anspruch vorliegend nicht nach § 2 Abs. 1a SGB V in Betracht kommt, weil es sich beim Hirsutismus nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung handelt, hat das SG zutreffend dargelegt. Auch ein Systemversagen ist vom SG zu Recht verneint worden. Die Epilation durch Elektrokoagulation ist nach wie vor im EBM-Ä enthalten und damit vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst (im Ergebnis ebenso Sächsisches LSG 23.07.2015 – L 1 KR 108/11, juris; LSG Niedersachsen-Bremen 17.10.2012 – L 1 KR 443/11, juris). Die Feststellung, ob Qualität und Wirksamkeit von Behandlungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und damit dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geforderten Versorgungsstandard genügen, obliegt dem GBA (vgl. BSG 19.02.2002 – B 1 KR 16/00 R). Die hierzu von der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz geäußerte Auffassung vermag daher einen Leistungsanspruch der Klägerin nicht zu begründen. Im Fall der Klägerin besteht auch keine Versorgungslücke, da die Beklagte, wie sie in der Berufungserwiderung klargestellt hat, nach wie vor bereit ist, die Kosten für eine Behandlung der Klägerin mittels Elektrokoagulation in der privatärztlichen Praxis Q zu übernehmen. Inwieweit hierfür Fahrkosten zu erstatten wären, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

16

Der Berufung bleibt nach alledem der Erfolg versagt.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

18

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht gegeben.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass

1.
durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig geworden ist oder
2.
der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.
Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 für die jeweilige Instanz.

(2) (weggefallen)

(3) Die Entscheidung nach Absatz 1 wird in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage berührt. Sie kann nur durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden.

(4) Das Gericht kann der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Die Entscheidung ergeht durch gesonderten Beschluss.