Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 30. Juni 2022 - 1 OLG 2 Ss 62/21

erstmalig veröffentlicht: 07.09.2022, letzte Fassung: 19.10.2022

Eingereicht durch

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Gericht

Zusammenfassung des Autors

Die Audioaufnahme von Polizeibeamten, die eine Personalienfeststellung vornehmen, kann die Annahme eines Anfangsverdachts für ein gem. § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbares Verhalten (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) begründen. Die Frage, ob und wann Polizeiteinsätze gefilmt werden dürfen ist weiterhin nicht vollständig geklärt.

Dirk Streifler - Streilfer&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluss vom 30.06.2022 

Az.: 1 OLG 2 Ss 62/21
 

Tenor

1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Strafrichters bei dem Amtsgericht Kaiserslautern vom 13.08.2021 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Amtsgericht hat die Angeklagte am 13.08.2021 wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten mit Bewährungsaussetzung verurteilt. Ihre dagegen erhobene (Sprung-)Revision ist gem. § 335 Abs. 1 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist das Rechtsmittel jedoch nicht begründet.

I.

1.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

"Am 30.05.2020 um 02:04 Uhr meldete der Anwohner D. K. der Polizei, dass an der Fachhochschule in Kaiserslautern, an der ehemaligen Kammgarnspinnerei am dortigen Teich, ca. 15 bis 20 Personen seien, die dort Alkohol und wohl auch Drogen konsumieren würden.

Um den zu dieser Zeit geltenden § 2 der 8. Coronabekämpfungsverordnung des Landes Rheinland-Pfalz vom 25.05.2020 durchzusetzen und den Hinweisen auf Straftaten nachzugehen, trafen die Polizeibeamten POK W. und PK´in K. um 03:04 Uhr vor Ort ein. Unter den anwesenden Personen befand sich auch die Angeklagte mit Freunden. Während die Polizeibeamten die Personalien der noch anwesenden Personen feststellten, filmte die Angeklagte den Polizeieinsatz mit ihrem Smartphone. Sie beschränkte sich hierbei darauf, den Boden zu filmen und insbesondere eine Tonaufnahme des Einsatzes zu fertigen. Über einen Zeitraum von 39:07 Minuten wurden jedoch von ihr sämtliche Gespräche aufgezeichnet, die im Rahmen der Personenkontrolle stattfanden. Dass sie aufgenommen werden, war allen Anwesenden deutlich bewusst, da die Angeklagte dies immer wieder lautstark betonte. Trotz mehrfacher Aufforderung der Polizei, das Video zu löschen und die Aufnahme zu stoppen, filmte die Angeklagte weiter und folgte den Polizeibeamten dabei. Sie erklärte hierbei mehrfach, keine Portraitaufnahmen zu machen.

Nachdem die Personenansammlung aufgelöst war, trafen die Polizeibeamten PHK´in M. und PK D. um 03:50 Uhr vor Ort ein. Die Angeklagte wurde erneut aufgefordert, das Filmen zu unterlassen und das Video zu löschen. Die Angeklagte verweigerte dies verbal. Da aus Sicht der Beamten aufgrund des Vorverhaltens der Angeklagten davon auszugehen war, dass sie mit ihrem Smartphone tatsächlich audiovisuelle Aufnahmen von der Polizeikontrolle gefertigt hatte und einzelne Betroffene der Personenkontrolle und auch Gespräche zwischen den einzelnen Betroffenen aufgenommen worden waren, wurde die Sicherstellung des Handys angeordnet und durchgesetzt. Hierzu entnahm POK W. der Angeklagten das Handy aus der rechten Hand, da sie eine freiwillige Herausgabe verweigerte. Hierbei musste er Druck gegen die Finger der Angeklagten ausüben.

Die Angeklagte versuchte mehrfach, ihr Handy wieder zu bekommen, indem sie es POK W. aus der Hand zu nehmen versuchte. Auf dem Weg zum Streifenwagen fasste sie ihn mindestens zwei Mal an der Schulter und versuchte ihn herumzudrehen.

Da die Angeklagte die Sicherstellung störte, musste sie zur Durchsetzung der Maßnahme gefesselt werden. Die Fesselung wurde der Angeklagten mehrfach angedroht und sie wurde aufgefordert, ihre Hände hinter den Rücken zu nehmen. Da sie auch dieser Aufforderung nicht nachkam, musste die Fesselung mittels unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. Sie wurde zu diesem Zweck zu einer nahegelegenen Mauer gebracht. Gegen diese Maßnahme sperrte sich die Angeklagte, indem sie ihre Arme immer wieder vor dem Oberkörper verschränkte und versuchte, sich aus dem Griff der Polizeibeamten loszureißen.

Schließlich musste die Angeklagte zu Boden gebracht werden, um die Fesselung durchzuführen. Hierbei schrie die Angeklagte lautstark, trat nach den umstehenden Polizeibeamten und bezeichnete sie als "Schweine" und POK W. als "Fettsack" um sie in ihrer Ehre herabzusetzen."

2.

Nach der rechtlichen Wertung des Amtsgerichts haben die Polizeibeamten bei der Anordnung und Durchsetzung der Beschlagnahme des Smartphones rechtmäßig gehandelt, weil zumindest ein Anfangsverdacht eines Verstoßes nach § 201 StGB bzw. §§ 21 f. KUG begründet gewesen sei. Weil die Angeklagte versucht hatte, dem Zeugen POK W. das Gerät zu entreißen und diesen dabei mehrfach am Arm gepackt und zudem versucht hatte, ihn herumzuziehen, sei auch die Fesselung der Angeklagten nach erfolgloser Androhung rechtmäßig gewesen. Durch die gegen die Fesselung vorgenommenen Widerstandshandlungen habe die Angeklagte den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 113 Abs. 1 StGB verwirklicht.

II.

Die auf die - hier einzig - erhobene Sachrüge veranlasste umfassende materiell-rechtliche Prüfung des Urteils hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen die Angeklagte benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

1.

Das Amtsgericht hat zutreffend die Fesselung der Angeklagten für rechtmäßig erachtet.

a) Rechtsgrundlage für diese Maßnahme war § 62 S. 1 Nr. 1 POG RP in der bis 06.10.2020 geltenden Fassung (der identisch ist mit § 81 S. 1 Nr. 1 POG RP n.F.). Danach darf eine Person die nach dem POG RP oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, gefesselt werden, wenn durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie Polizeibeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird. Solche, durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte für eine Fortsetzung der gegen die Beschlagnahme des Mobiltelefons gerichteten Widerstandshandlung der Angeklagten lagen nach den getroffenen Feststellungen vor. Die Angeklagte widersetzte sich, indem sie wiederholt versuchte, dem Beamten W. das Gerät zu entreißen und diesen durch körperliche Einwirkungen herumzudrehen.

b) Die Beschlagnahme des Mobiltelefons zum Zwecke der Beweismittelgewinnung war aus der hier maßgeblichen ex-ante-Sicht eines gewissenhaften Polizeibeamten (Bosch in MünchKomm-StGB, 4. Aufl. § 113 Rn. 49 ff.) von § 94 Abs. 2 und Abs. 1 StPO gedeckt. Auf Basis der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen war im Zeitpunkt der Anordnung ein Anfangsverdacht hinsichtlich eines Vergehens nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB begründet.

aa) Die von der Angeklagten gefertigte und auf dem Gerät gespeicherte Tonaufnahme bezog sich auf eine nichtöffentlich getätigte Konversation.

(a) Wann ein gesprochenes Wort als nichtöffentlich anzusehen ist, ist bislang nicht abschließend geklärt (vgl. zum Streitstand die Nachweise bei LG Aachen, Beschluss vom 19.08.2020 - 60 Qs 34/20, juris Rn. 27 ff.; Schünemann in LK, 12. Aufl. 2009, § 201 Rn. 7; Klefisch, jurisPR-StrafR 6/2021 Anm. 4 und Lamsfuß, jurisPR-StrafR 21/2021 Anm. 2). Nach verbreiteter Auffassung ist ein gesprochenes Wort nichtöffentlich, wenn es nicht für einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis bestimmt oder unmittelbar verstehbar ist. Ausgehend vom Schutzzweck der Vorschrift, dem Sprechenden die Kontrolle über die Reichweite seiner Äußerung zu belassen, kommt es nicht entscheidend auf die Zahl der Zuhörer, sondern auf die Abgeschlossenheit des Gesprächskreises an (zu allem: Graf in MünchKomm-StGB, 4. Aufl. 2021, § 201 Rn. 14 f. sowie Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 201 Rn. 6 jew. m.w.N.). Der Einzelne soll in der Unbefangenheit seines Wortes dann besonders geschützt werden, wenn er keinen Anlass zu sehen braucht, wegen der (möglichen) Anwesenheit weiterer Personen besondere Zurückhaltung in Form und Inhalt zu wahren (Schünemann in LK, 12. Aufl. 2009, § 201 Rn. 7; Ullenboom, NJW 2019, 3108, 3110). Maßgeblich für die Nichtöffentlichkeit des gesprochenen Wortes sind der Wille des Sprechenden, als auch der Zweck und die Eigenart des Gesprochenen (BGH, Urteil vom 17.03.1983 - 4 StR 640/82, juris Rn. 6 = BGHSt 31, 304).

(b) Nach diesen Grundsätzen waren die aufgezeichneten Äußerungen nach den den Polizeibeamten bekannten tatsächlichen Umständen nichtöffentlich. Gegenstand der Aufzeichnung waren "sämtliche Gespräche [..] die im Rahmen der Personenkontrolle stattfanden", "sowohl zwischen den eingesetzten Beamten, Beamten und einzelnen Betroffenen der Personenkontrolle und auch Gespräche zwischen den einzelnen Betroffenen" (UA S. 4). Die Polizeikontrolle fand zu nächtlicher Stunde (ab 03:04 Uhr) in einem begrenzten Bereich (am Teich an der ehemaligen Kammgarnspinnerei) statt. Es war daher aus Sicht der Sprechenden nicht damit zu rechnen, dass über die Gruppe der kontrollierten Personen, des Zeugen L. und der Einsatzkräfte hinaus, weitere Personen zuhören; nach den getroffenen Feststellungen war nicht von einer "faktischen Öffentlichkeit" auszugehen (hierzu: LG Kassel, Beschluss vom 23.092019 - 2 Qs 111/19 -, Rn. 7 sowie LG Osnabrück, Beschluss vom 24.09.2021 - 10 Qs 49/21, Rn. 10 juris mit zust. Anm.Lamsfuß, jurisPR-StrafR 21/2021 Anm. 2 [insoweit allein auf die freie Zugänglichkeit der Örtlichkeit abstellend und damit zu weit]). Zudem folgte die Angeklagte während ihrer Aufnahme den Polizeibeamten, offenkundig um auch die abseits der Ansammlung getätigten Gespräche aufzunehmen. Es liegt daher auf der Hand, dass folglich auch Gespräche aufgenommen wurden, die bewusst abseits der Gruppe geführt wurden, beispielsweise im Rahmen der getrennt von anderen Personen durchzuführenden Feststellung der Personalien einzelner von der Maßnahme betroffener Personen (ebenso für polizeiliche Personenkontrollen: LG München I, Urteil vom 11.02.2019 - 25 Ns 116 Js 165870/17, juris Rn. 22; LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 - 2 Qs 111/19, juris Rn. 6).

bb) Dass die Angeklagte "immer wieder lautstark" (UA S. 4) auf die Aufzeichnung hinwies, steht der Unbefugtheit der Aufnahme nicht entgegen. Wer das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf Tonträger aufnimmt, handelt nicht schon deshalb nicht unbefugt, weil die Aufnahme mit Wissen des Sprechenden erfolgt. Die Handlung kann nur dann als nicht tatbestandsmäßig oder nicht rechtswidrig gelten, wenn das Wissen des Verletzten im Hinblick auf die Gesamtumstände dessen Einwilligung ausdrückt (OLG Thüringen, Urteil vom 24.04.1995 - 1 Ss 184/94, NStZ 1995, 502). Einem Einverständnis steht auf Seiten der Polizeikräfte bereits deren wiederholte Aufforderung, die Aufnahme zu stoppen, entgegen. Aber auch hinsichtlich der kontrollierten Personen kann nicht von einem konkludent erklärten Einverständnis mit der Aufnahme ausgegangen werden. Zwar war auch diesen bewusst, dass sie aufgenommen wurden. Jedenfalls in Bezug auf die gegenüber den Polizieibeamten angegebenen Personalien waren sie in ihren Äußerungsmöglichkeiten aber nicht frei (Graf aaO. Rn. 41), sondern schon mit Blick auf § 111 Abs. 1 OWiG zu Angaben verpflichtet.

cc) Der Unbefugtheit der Aufnahme stehen auch weder der Gesichtspunkt berechtigter Interessenausübung noch eine notwehr- oder notstandsähnliche Lage entgegen (hierzu: Graf aaO. Rn. 51 f. sowie Ullenboom, NJW 2019, 3108, 3111). Insbesondere befand sich die Angeklagte nicht in Beweisnot. Ob im Falle eines rechtswidrigen staatlichen Eingreifens zum Zwecke der Beweissicherungen Audio- oder Videoaufnahmen auch ohne Einwilligung der Betroffenen gefertigt werden dürfen, kann dabei dahinstehen. Denn auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen lagen aus verständiger Sicht der Angeklagten keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beamten im Rahmen der Kontrolle rechtswidrig handeln oder handeln würden. Auch ein "Grenzfall" zwischen einem vom Gesetz gedeckten Vorgehen und rechtswidriger Polizeigewalt (Ullenboom, NJW 2019, 3108, 3112) war nicht gegeben. Eine Befugnis ergab sich auch nicht aufgrund von der Angeklagten angeblich gemachter "schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit", da es bereits an Anhaltspunkten für eine Wiederholung mangelte. Soweit die Angeklagte Gespräche zwischen den Polizeibeamten untereinander (hierzu LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 - 2 Qs 111/19, juris Rn. 12) und den Betroffenen untereinander aufgezeichnet hat, scheidet eine berechtigte Interessenausübung von vornherein aus.

b) Entgegen den diesbezüglichen Ausführungen der Revision waren die Polizeibeamten zur Anordnung der Beschlagnahme formell berechtigt. Im Hinblick auf die jederzeit gegebene Möglichkeit einer Löschung der Video/Audio-Datei durften diese von ihrer Eilzuständigkeit ausgehen (§ 98 Abs. 1, 1. Hs. StPO). Allein, dass die Angeklagte auf die Aufforderungen der Polizeibeamten wiederholt eine Löschung der Aufnahme verweigerte, steht dem nicht entgegen.

c) Weil die Beschlagnahme des Mobiltelefons bereits im Hinblick auf den Anfangsverdacht einer Tat nach § 201 StGB rechtmäßig war, kann dahinstehen, ob zudem auch ein Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit nach der DS-GVO in Betracht kam (hierzu: Kirchhoff, NVwZ 2021, 1177, 1181 f.; Rennicke, NJW 2022, 8). Auch auf einen - hier eher fernliegenden - Anfangsverdacht hinsichtlich eines Verstoßes gem. § 33 KUG kommt es folglich nicht an.

2.

Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht zudem einen Irrtum i.S.v. § 113 Abs. 4 StGB ausgeschlossen. Zwar kann das Gericht, wenn der Täter irrtümlich die Diensthandlung für nicht rechtmäßig hält - entgegen den insoweit jedenfalls missverständlichen Ausführungen des Amtsgerichts (UA S. 12) - nach dieser Vorschrift die Strafe auch dann nach seinem Ermessen mildern oder ganz von Strafe absehen, wenn der Täter diesen Irrtum vermeiden konnte. Den hierzu gegebenen weiteren Ausführungen des Amtsgerichts ist jedoch noch mit hinreichender Klarheit zu entnehmen, dass das Amtsgericht den Angaben der Angeklagten, sie habe die Beschlagnahme des Mobiltelefons für rechtswidrig und ihren Widerstand dagegen für rechtmäßig gehalten, keinen Glauben geschenkt hat. Ein Irrtum der Angeklagten über die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung des Mobiltelefons zum Zwecke der Sicherung der von ihr angefertigten Aufnahme erscheint nach den Gesamtumständen auch lebensfern.

3.

Die rechtliche Bewertung der gegenüber den Beamten getätigten Äußerung "Schweine" bzw. der gegen den Zeugen POK W. gerichteten Bezeichnung "Fettsack" als Beleidigung (§ 185 StGB) begegnet ebensowenig rechtlichen Bedenken, wie die Erwägungen des Amtsgerichts zum Strafausspruch.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 201 Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt 1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich

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Landgericht Osnabrück Beschluss, 24. Sept. 2021 - 10 Qs 49/21

bei uns veröffentlicht am 08.09.2022

Das Landgericht Osnabrück stellte fest, dass die Beschlagnahmung des Mobiltelefons eines Beschwerdeführers nicht gerechtfertigt war. Gerechtfertigt könnte die Beschlaagnahmung insbesondere dann sein, wenn das Filmen gegen § 201 St

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(1) Ein Urteil, gegen das Berufung zulässig ist, kann statt mit Berufung mit Revision angefochten werden.

(2) Über die Revision entscheidet das Gericht, das zur Entscheidung berufen wäre, wenn die Revision nach durchgeführter Berufung eingelegt worden wäre.

(3) Legt gegen das Urteil ein Beteiligter Revision und ein anderer Berufung ein, so wird, solange die Berufung nicht zurückgenommen oder als unzulässig verworfen ist, die rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form eingelegte Revision als Berufung behandelt. Die Revisionsanträge und deren Begründung sind gleichwohl in der vorgeschriebenen Form und Frist anzubringen und dem Gegner zuzustellen (§§ 344 bis 347). Gegen das Berufungsurteil ist Revision nach den allgemein geltenden Vorschriften zulässig.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2.
eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2.
das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.
Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (Absätze 1 und 2).

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.

(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Führerscheine, die der Einziehung unterliegen.

(4) Die Herausgabe beweglicher Sachen richtet sich nach den §§ 111n und 111o.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2.
eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2.
das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.
Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (Absätze 1 und 2).

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

LANDGERICHT OSNABRÜCK

Beschluss vom 24.09.2021

Az.: 10 Qs 49/21
 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschuldigten wird der Beschluss des Amtsgerichts vom 14.07.2021,

mit dem die Beschlagnahme des Mobiltelefons des Beschwerdeführers bestätigt wurde,

aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die hierin entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe
I.

Am 13.06.2021 kam es gegen 04:25 Uhr in der Osnabrücker Innenstadt - im Bereich der Kreuzung Seminarstraße / Johannisstraße - zu einem Polizeieinsatz einer Funkstreifenwagenbesatzung, bei der es u.a. zur Fixierung einer renitenten Person auf dem Boden kam. Im weiteren Verlauf dieses Einsatzes waren auch eine Rettungswagenbesatzung sowie zivile Polizeibeamte eingesetzt.

Während dieser Maßnahmen wurden die Einsatzkräfte wiederholt durch umstehende Personen - u.a. auch durch den Beschwerdeführer - gestört, worauf die Beamten versuchten die Situation zu beruhigen und hierzu auch Platzverweise aussprachen. Währenddessen hielt der Beschwerdeführer sein Mobiltelefon "iPhone" deutlich sichtbar vor seinem Körper und fertigte augenscheinlich Video- und Tonaufzeichnungen der Situation an. Hierauf wurde der Beschwerdeführer durch die Polizeibeamten unter Hinweis auf eine Strafbarkeit der Tonaufnahmen angewiesen, diese Aufzeichnungen zu unterlassen und einen Abstand zu den Beamten einzuhalten.

Nach dem Eintreffen weiterer Beamter wurde der Beschwerdeführer im Nahbereich erneut von Polizeibeamten aufgesucht und sein Mobiltelefon wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes durch die von ihm gefertigten Aufnahmen als potentielles Beweismittel gegen den Willen des Beschwerdeführers sichergestellt.

Am 15.06.2021 ging der Ermittlungsvorgang bei der Staatsanwaltschaft ein, die die Akten mit Verfügung vom 22.06.2021 dem Amtsgericht Osnabrück zur richterlichen Bestätigung der Beschlagnahme des Mobiltelefons zuleitete. Mit Beschluss vom 14.07.2021 bestätigte das Amtsgericht die Beschlagnahme mit der Begründung, dass der Gegenstand als Beweismittel für das Verfahren von Bedeutung sei und als Einziehungsgegenstand in Betracht komme.

Unter dem 19.07.2021 stellten die eingesetzten Polizeibeamten gegen den Beschwerdeführer Strafantrag wegen aller in Betracht kommender Delikte. Der Beschwerdeführer hat über seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 19.07.2021 gegen den amtsgerichtlichen Beschluss Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die gemäß §§ 304, 305 StPO zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme seines Smartphones ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Bereits die durch Polizeibeamte angeordnete Beschlagnahme des Mobiltelefons entbehrte einer rechtlichen Grundlage, da - zumindest in dem konkreten vorliegenden Einzelfall - der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung und damit die Voraussetzung einer strafprozessual gemäß §§ 94, 95 StPO zulässigen Beschlagnahme nicht gegeben war.

1. Gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist erforderlich, dass der Täter das nichtöffentlich gesprochene Wort einer anderen Person auf einem Tonträger aufnimmt.

Nichtöffentlich sind Gespräche oder Diskussionen, wenn der Teilnehmerkreis individuell begrenzt ist, d.h. nicht einem beliebigen Zutritt offensteht. Daher kommt es nicht auf die Zahl der Zuhörer, sondern auf die Abgeschlossenheit des Gesprächskreises an. Bestehen bei Gesprächen Mithörmöglichkeiten für andere unbeteiligte Personen, können sie ihren ansonsten privaten Charakter aufgrund ihrer faktischen Öffentlichkeit einbüßen (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 15 und 18 m.w.N.). Unter der Prämisse, dass trotz der systematischen Stellung des § 201 StGB im 15. Abschnitt des StGB, der die Strafbarkeit der Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs regelt, auch dem persönlichen Lebensbereich des agierenden Beamten entrückte dienstliche Äußerungen dem Schutzbereich des § 201 unterfallen, ist auch die Aufzeichnung des gesprochenen Worts etwa bei polizeilichen Kontrollen strafbar, es sei denn, es besteht auch hier bereits eine faktische Öffentlichkeit, weil etwa weitere Personen z.B. in einem frequentierten Bahnhofsgebäude mithören können (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 17, 17a m.w.N.).

Für die Frage des Vorliegens einer faktischen Öffentlichkeit ist nicht maßgeblich, ob lediglich eine Person (was nach Ansicht des LG München I, Urteil vom 11. Februar 2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17 –, Rn. 15, juris, für eine faktische Öffentlichkeit nicht ausreichen soll) oder mehrere Personen die polizeiliche Maßnahme tatsächlich beobachtet oder ihr beigewohnt haben, sondern allein die Frage, ob beliebige andere Personen von frei zugänglichen öffentlichen Flächen oder allgemein zugänglichen Gebäuden und Räumen (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 18) – mithin eine beliebige Öffentlichkeit – die Diensthandlungen hätten beobachten und akustisch wie optisch wahrnehmen können. Um einem unter diesen Bedingungen gesprochenen Wort ein öffentliches Gepräge zu geben, ist nicht entscheidend, ob andere Personen das gesprochene Wort tatsächlich wahrgenommen haben. Denn insoweit ist anerkannt, dass etwa eine Äußerung dadurch den nichtöffentlichen Charakter verliert, wenn sie als Lautsprecherdurchsage (vgl. MükoStGB/Graf a.a.O.) durch einen unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden konnte, ohne dass es (noch) darauf ankommt, ob sie auch tatsächlich von einzelnen Personen wahrgenommen worden ist.

2. Gemessen an diesen Kriterien ist das im Zuge einer im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommenen Diensthandlung geäußerte Wort in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, wenn dieser Ort – wie hier – frei zugänglich war. Die Besonderheit, dass hier u.a. gegen den Beschuldigten ein Platzverweis ausgesprochen wurde, ändert an dieser Bewertung nichts, weil zum einen der Aktenlage nicht eindeutig zu entnehmen ist, dass die Aufnahme unter Verletzung des Platzverweises erfolgte, und zum anderen der Platzverweis hier nicht zur Herstellung der Vertraulichkeit - etwa zur Ermöglichung einer Lagebesprechung – diente, was dazu hätte führen können, dass das dort gesprochene Wort zu einem nicht öffentlichen geworden wäre, sondern der Platzverweis ausschließlich die Durchführung der aufgenommenen Diensthandlung ermöglichen sollte.

Eine weniger enge, d.h. den Bereich der Strafbarkeit erweiternde Auslegung ist nicht angezeigt. Denn die Vorschrift dient der verfassungsrechtlich garantierten freien Entfaltung der Persönlichkeit durch Gewährleistung der Unbefangenheit der mündlichen Äußerung (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 2 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Eines Schutzes der Unbefangenheit bedarf ein Amtsträger, dessen Handeln rechtlich gebunden ist und als solches der rechtlichen Überprüfung unterliegt, indes nicht.

Die hier vorgenommene enge Auslegung vermeidet zudem Friktionen insbesondere zu § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn es ist vor dem Hintergrund dieser nachträglich geschaffenen Regelung und der ihr zugrundeliegenden gesetzgeberischen Wertung kein Grund ersichtlich, warum die Strafbarkeit der akustischen Perpetuierung durch Aufnahme des Wortes (so viel) weitergehen soll als die visuelle Perpetuierung durch Bildaufnahmen im öffentlichen Raum, die abgesehen von den in § 201a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB genannten Fällen straffrei ist.

3. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer einer zuständigen Behörde, einem zuständigen Amtsträger oder einem zuständigen Soldaten der Bundeswehr über seinen Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, den Ort oder Tag seiner Geburt, seinen Familienstand, seinen Beruf, seinen Wohnort, seine Wohnung oder seine Staatsangehörigkeit eine unrichtige Angabe macht oder die Angabe verweigert.

(2) Ordnungswidrig handelt auch der Täter, der fahrlässig nicht erkennt, daß die Behörde, der Amtsträger oder der Soldat zuständig ist.

(3) Die Ordnungswidrigkeit kann, wenn die Handlung nicht nach anderen Vorschriften geahndet werden kann, in den Fällen des Absatzes 1 mit einer Geldbuße bis zu eintausend Euro, in den Fällen des Absatzes 2 mit einer Geldbuße bis zu fünfhundert Euro geahndet werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder
2.
eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt

1.
das nicht zu seiner Kenntnis bestimmte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen mit einem Abhörgerät abhört oder
2.
das nach Absatz 1 Nr. 1 aufgenommene oder nach Absatz 2 Nr. 1 abgehörte nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt.
Die Tat nach Satz 1 Nr. 2 ist nur strafbar, wenn die öffentliche Mitteilung geeignet ist, berechtigte Interessen eines anderen zu beeinträchtigen. Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter die Vertraulichkeit des Wortes verletzt (Absätze 1 und 2).

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) Die Tonträger und Abhörgeräte, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.

(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.