Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 23. Aug. 2012 - 3 M 672/12

ECLI: ECLI:DE:OVGST:2012:0823.3M672.12.0A
published on 23/08/2012 00:00
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 23. Aug. 2012 - 3 M 672/12
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Gericht

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Gründe

1

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

Der Senat geht zunächst davon aus, dass sich die Beschwerde allein gegen die im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts angeordnete Verpflichtung richtet, über den „Antrag des Antragstellers auf Verschiebung der Schulpflicht um ein Jahr bis zum 24. August 2012 unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.“ Dies entspricht dem erklärten Willen des Antragsgegners; auch bestünde für eine weiterreichende Beschwerde kein Rechtsschutzbedürfnis.

3

Das Verwaltungsgericht hat, soweit es den vorbezeichneten Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens betrifft, dem Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu Recht entsprochen. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO auf Neubescheidung seines Antrags auf Verschiebung der für ihn zum Schuljahr 2012/13 beginnenden Schulpflicht unter Beschulung an der Grundschule A-Stadt um ein Jahr durch Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Einzelfall nach § 37 Abs. 3 Satz 2 SchulG LSA glaubhaft gemacht hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

4

Die hiergegen mit der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, greifen nicht durch.

5

Rechtsgrundlage für die vom Antragsteller begehrte (einjährige) Zurückstellung vom Schulbesuch bzw. von der Beschulung an der (regulären) Grundschule A-Stadt zum Schuljahr 2012/13 ist § 37 Abs. 3 Satz 2 SchulG LSA. Danach „kann“ die Aufnahme in die Schule durch die Schulbehörde im Einvernehmen mit den Erziehungsberechtigten um ein Jahr verschoben werden. Dem Antragsgegner ist insoweit ein Ermessen eingeräumt, von dem er pflichtgemäß, mithin entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen Gebrauch zu machen hat (§ 40 VwVfG i.V.m. § 1 VwVfG LSA). Zudem hat er seine Ermessensentscheidung gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG zu begründen, und zwar in der Weise, dass für den Betroffenen die Gesichtspunkte erkennbar werden, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist, und in dem das Ergebnis der von der Behörde getroffenen Entscheidung in einer für den Betroffenen nachvollziehbaren Weise dargelegt wird. Dies ist hier nicht geschehen. Dabei mag auf sich beruhen, ob im vorliegenden Fall – wie auch das Verwaltungsgericht offen gelassen hat – von einem Ermessensnichtgebrauch oder von einem Ermessensfehlgebrauch auszugehen ist. Hätte der Antragsgegner nämlich bei seiner Entscheidung von seinem Ermessen überhaupt keinen Gebrauch gemacht, so wäre der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde rechtswidrig, weil dieser Mangel auch durch den ergänzenden Vortrag des Antragsgegners im vorliegenden vorläufigen Rechtschutzverfahren gem. § 45 Abs. 1 und 2 VwVfG nicht (mehr) geheilt werden konnte (vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG 11. Aufl. § 45 Rdnr. 33). Anders verhielte es sich zwar dann, wenn man zugunsten des Antragsgegners davon ausginge, dass er von seinem Ermessen grundsätzlich Gebrauch gemacht hätte und lediglich die Begründung der Ermessensentscheidung hinter den hieran zu stellenden Anforderungen zurück geblieben wäre. In diesem Fall wäre die Rechtmäßigkeit der getroffenen Ermessensentscheidung auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags des Antragsgegners in beiden Rechtszügen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu beurteilen; indessen gelangt der Senat bei der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, dass auch unter Einbeziehung der nachträglich vorgetragenen Gesichtspunkte und Erwägungen nicht von einer fehlerfreien Ermessensbetätigung auf der Grundlage hinreichend gesicherter Erkenntnisse ausgegangen werden kann:

6

(1.) Der Antragsgegner verkennt bereits, dass auch unter Berücksichtigung der im Gesetz selbst zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Grundentscheidung, wonach die Kinder regelmäßig mit dem sechsten Lebensjahr der Schulpflicht unterliegen und unabhängig von ihrem geistigen, körperlichen und seelischen Entwicklungsstand grundsätzlich einzuschulen sind, der Schulbehörde mit der Regelung in § 37 Abs. 3 Satz 2 SchulG LSA im Rahmen des insoweit eröffneten Ermessens die Möglichkeit ein-geräumt wird, ausnahmsweise von dem vorgenannten Grundsatz abzuweichen und im Einzelfall eine Verschiebung des Beginns der Schulpflicht zuzulassen. D. h. die Schulbehörde hat das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalles stets zu prüfen und von ihrem Ermessen – soweit nicht eine Ermessensreduzierung auf „Null“ vorliegt – unter Abwägung der unterschiedlichen Belange und Gesichtspunkte in erkennbarer Weise Gebrauch zu machen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass – worauf der Antragsgegner zutreffend hinweist – das Fehlen der vormals erforderlichen „Schulreife“ und etwaige Entwicklungsdefizite beim Kind nicht schon regelmäßig einen Anspruch auf Verschiebung des Beginns der Schulpflicht begründen und eine Zurückstellungsentscheidung rechtfertigen. Von der Verpflichtung der Schulbehörde, über eine Zurückstellung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, enthebt schließlich auch nicht die Tatsache, dass es sich bei der Vorschrift des § 37 Abs. 3 Satz 2 SchulG LSA um eine – restriktiv auszulegende – Ausnahmeregelung handelt und an die Voraussetzungen für eine Zurückstellung insoweit hohe Anforderungen zu stellen sind. Denn auch wenn entsprechend der Intention des Gesetzgebers der Schulbehörde insoweit nur ein eingeschränkter Ermessensspielraum verbleiben mag, schließt dies nicht aus, dass eine Zurückstellung von der Schulpflicht in Betracht zu ziehen ist, etwa wenn auch unter Berücksichtigung der bestehenden schulischen Fördermöglichkeiten eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht wenig wahrscheinlich oder gar ausgeschlossen erscheint und im konkreten Einzelfall die (einjährige) Zurückstellung vom Schulbesuch eine höhere Wahrscheinlichkeit bzw. bessere Möglichkeit bietet, den bestehenden Entwicklungsdefiziten des Kindes – ggf. flankiert durch gesonderte ambulante Fördermaßnahmen – wirksam zu begegnen. Die Ausführungen des Antragsgegners lassen indes nicht erkennen, dass das Interesse an der verfügten Einschulung des Antragstellers zum Schuljahr 2012/13 vor dem Hintergrund der bei ihm bestehenden erheblichen Entwicklungsdefizite und den nach den schulrechtlichen Vorschriften vorgesehenen – und tatsächlich bestehenden – Förderungsmöglichkeiten an der Grundschule A-Stadt mit den Belangen, denen mit dem vom Gesetzgeber ebenfalls vorgesehenen Ausnahmeregelung hat Rechnung tragen wollen, in der gebotenen Weise abgewogen und in Relation gesetzt worden sind. Dies gilt um so mehr, als der Antragsteller mit seiner Beschwerdeerwiderung ausdrücklich daran festhält, dass der Antragsgegner die von ihm behaupteten zur Verfügung stehenden Fördermaßnahmen an der Grundschule A-Stadt nicht gewährleisten kann und vom Antragsgegner diesbezüglich Zweifel nicht ausgeräumt worden sind.

7

2. Ferner lässt der angefochtene Bescheid des Antragsgegners – worauf auch das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat – eine Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob und in welchem Ausmaß beim Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht und ob sich im Hinblick hierauf eine Verschiebung des Zeitpunktes der Einschulung des Antragstellers als sachgerecht und angemessen erweist. Zwar steht im vorliegenden Verfahren nicht die Frage zur Überprüfung des Senats, ob der Antragsteller anstelle der verfügten Einschulung an der Grundschule A-Stadt an einer (sonderpädagogischen) Förderschule einzuschulen ist, jedoch hat die Frage nach dem Bestehen sowie Art und Umfang eines sonderpädagogischen Förderbedarfs und die im konkreten Einzelfall vorgesehene bzw. (allein) in Betracht kommende Schulform einen unmittelbaren Einfluss auf die hier zu treffende Ermessensentscheidung, nämlich ob der Antragsteller – wie verfügt – zum vorgesehenen Termin an der Grundschule A-Stadt einzuschulen oder aber ausnahmsweise seine Zurückstellung von der Schulpflicht für ein Jahr veranlasst ist.

8

Die Frage, ob und inwieweit beim Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht und in welcher Weise diesem Rechnung zu tragen ist, ist bislang nicht (ausreichend) geklärt, obwohl – worauf das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss zutreffend hingewiesen hat – die Beteiligten angesichts der vielfältigen und erheblichen Entwicklungsrückstände einen solchen übereinstimmend für erforderlich halten und bereits im ärztlichen Bericht des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes des Burgenlandkreises vom 29. August 2011 ausdrücklich eine „SPÜ“ (Sozialpädagogische Überprüfung) empfohlen wurde. Somit lässt sich nicht verlässlich einschätzen, ob der Besuch der Regelgrundschule – in Verbindung mit geeigneten sonderpädagogischen Maßnahmen i. S. d. §§ 3 ff. der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung vom 02. August 2005 in der zuletzt geänderten Fassung vom 10. Mai 2010 (GVBl. LSA S. 349) – gegenüber einer einjährigen Zurückstellung des Antragstellers die angemessene und geeignete Maßnahme ist, um dem aller Voraussicht nach bestehenden Förderbedarf des Antragstellers gerecht zu werden, bzw. ob nicht – wie vom Antragsteller geltend gemacht wird – sogar eine Beschulung an einer (sozialpädagogischen) Förderschule veranlasst gewesen wäre oder aber, ob nicht eine vorübergehende Zurückstellung des Antragstellers vom Schulbesuch sich als die sachgerechte und angemessene Entscheidung darstellt, um ggf. auch eine (spätere) Beschulung an einer sonderpädagogischen Förderschule zu vermeiden. Alle diese Fragen sind indes nach wie vor als offen anzusehen.

9

Demgegenüber vermag der Antragsgegner nicht mit seinem Einwand durchzudringen, dass selbst ein sonderpädagogischer Förderbedarf beim Antragsteller die Verschiebung der Schulpflicht bzw. des Zeitpunktes der Einschulung nicht zu rechtfertigen mag:

10

Der Antragsgegner macht in diesem Zusammenhang (sinngemäß) geltend, auch Kinder, bei denen ein sonderpädagogischer Förderbedarf bestünde, seien mit Beginn des Schuljahres, welches auf die Vollendung ihres sechsten Lebensjahres folgt, in die (reguläre) Grundschule aufzunehmen, um diesen Kindern möglichst frühzeitig die notwendige (sonderpädagogische) Förderung zukommen zu lassen. Eine Verschiebung des Beginns der Schulpflicht sei (auch in diesen Fällen) “nach Erlasslage gerade nicht vorgesehen“.

11

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass es nicht der Gesetzeslage entspräche, sofern beim Antragsgegner eine Verwaltungspraxis bestünde, wonach in Fällen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs eine Verschiebung des Beginns der Schulpflicht grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Dies gilt auch unabhängig davon, ob dem sonderpädagogischen Förderbedarf durch spezielle Maßnahmen an einer Grundschule oder durch eine Beschulung an einer Förderschule Rechnung getragen werden soll. § 37 Abs. 3 Satz 1 SchulG LSA bestimmt, dass schulpflichtige Kinder, die körperlich, geistig, seelisch oder in ihrem sozialen Verhalten nicht genügend entwickelt sind, um mit Aussicht auf Erfolg am Unterricht teilzunehmen, an der Grundschule oder an der Förderschule entsprechend gefördert werden. Im Anschluss hieran regelt § 37 Abs. 3 Satz 2 SchulG LSA, dass im Einzelfall die Aufnahme in die Schule durch die Schulbehörde im Einvernehmen mit den Erziehungsberechtigten um ein Jahr verschoben werden kann. Nach dem Wortlaut und des Gesetzessystematik besteht insoweit kein Zweifel, dass – neben der von Gesetzes wegen vorgesehenen Förderung an den jeweiligen Schulen – auch eine Zurückstellung sowohl für den Besuch der Grundschule als auch für den Besuch einer Förderschule in Betracht kommen kann. Nichts anderes folgt im Übrigen auch aus dem Runderlass des Kultusministeriums vom 18. Juni 2010 – 23-80100/1-1 –, auf den der Antragsgegner offenbar Bezug nimmt. Zu Ziffer 4.42. Satz 2 a. a.O. ist insoweit jedenfalls geregelt: „Für Kinder, die Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII – Sozialhilfe – erhalten, kann in Einzelfällen die Schulpflicht einmal um ein Jahr verschoben werden.“

12

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Antragsgegners, die Mutter des Antragstellers habe keinen Antrag auf Überprüfung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs gestellt, obwohl sie hierzu berechtigt gewesen sei und es sei nach der Erlasslage auch nicht vorgesehen, dass in dem beim Antragsteller (allein) in Betracht kommenden Förderschwerpunkt „Sprachliche Entwicklung“ und „Lernen“ ein Förderbedarf vor der Einschulung „diagnostiziert“ werde, weil sich dies bezogen auf den genannten Förderschwerpunkt hinsichtlich des erforderlichen Umfanges und der Auswirkungen auf den Unterrichtsprozess vor der Einschulung nur schwer bewerkstelligen lasse. Deshalb sei es angezeigt, Kinder mit einem vermuteten derartigen Förderbedarf (zunächst) in die Grundschule aufzunehmen, um sie dort entsprechend den Erfordernissen zu fördern und um dann ggf. eine Überprüfung auf einen sonderpädagogischen Förderbedarf an einer Förderschule zu veranlassen. Dabei ist davon auszugehen, dass bei einem - zumal umfassenden – sonderpädagogischen Förderbedarf, wie er beim Antragsteller wohl erforderlich sein dürfte, nach der geltenden Rechts- und Erlasslage keineswegs zunächst immer erst (womöglich versuchsweise) eine Einschulung an einer Regelschule zu erfolgen hat. § 39 Abs. 1 SchulG LSA sieht vor, dass Schülerinnen und Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen, (nur) zum Besuch einer für sie geeigneten Förderschule oder des für sie geeigneten Sonderunterrichts verpflichtet sind, wenn die entsprechende Förderung nicht in einer Schule einer anderen Schulform erfolgen kann. Dass ungeachtet der Notwendigkeit des Besuchs einer sonderpädagogischen Förderschule zunächst regelmäßig eine Einschulung an einer (regulären) Grundschule zu erfolgen hat, lässt sich der genannten Regelung nicht entnehmen. Dem steht auch die Regelung über den Beginn der Schulpflicht entgegen, dass schulpflichtige Kinder mit Entwicklungsdefiziten an der Grundschule „oder an der Förderschule“ gefördert werden (§ 37 Abs. 3 Satz 1 SchulG LSA). Letztlich bedarf dies hier aber keiner Vertiefung, weil – wie bereits erwähnt – nicht die Frage im Streit steht, ob der Antragsteller (sogleich) an einer Förderschule hätte eingeschult werden müssen, sondern für die in Rede stehende Schulzurückstellung lediglich die Frage bedeutsam ist, ob und inwieweit beim Antragsteller ein sonderpädagogischer Förderbedarf besteht.

13

Nicht durchzudringen vermag der Antragsgegner schließlich mit seinem erstmals mit der Beschwerde geltend Einwand, es befinde sich „in der weiteren Umgebung“ des Wohnortes des Antragstellers keine entsprechende Förderschule und, da die nächstgelegene Förderschule für sprachliche Entwicklung in der Stadt Halle (Saale) belegen sei, sei es sehr unwahrscheinlich, dass die Mutter des Antragstellers eine Beschulung dort wünschen würde. Sieht man einmal davon ab, dass diese Einlassungen äußerst unbestimmt sind und auch spekulativ erscheinen, ist der Antragsgegner aufgrund seines Einwandes nicht von der Notwendigkeit enthoben, den von ihm angeführten Umstand in der gebotenen Weise in eine Ermessensabwägung einzustellen – und sei es womöglich auch durch eine vorübergehende Zurückstellung des Antragstellers von der Schulpflicht –, sofern es sich bei den Annahme und Feststellungen des Antragsgegners um hinreichend gesicherter Erkenntnisse handelt und auch die gesetzlich vorgesehenen Optionen nach Maßgabe der §§ 17 ff. der genannten Verordnung ausgeschöpft worden sind. Abgesehen davon besteht bei fehlender Möglichkeit, eine Förderschule unter Berücksichtigung eines zumutbaren Schulweges zu erreichen, um so mehr Anlass, den Förderbedarf eines nicht genügend entwickelten Kindes sorgsam zu ermitteln. Scheidet nämlich die in § 37 Abs. 3 Satz 1 SchulG LSA als Alternative vorgesehene Möglichkeit, eine Förderschule zu besuchen, aus, so hat die Schulbehörde zunächst den Förderbedarf auf genügend sicherer Erkenntnisbasis zu ergründen, damit sie verantwortungsvoll abschätzen kann, ob das schulpflichtige Kind unter Berücksichtigung des Förderangebots der Grundschule an dem Unterricht mit Erfolg wird teilnehmen können oder ob Art und Ausmaß der Entwicklungsdefizite im Einzelfall eine Verschiebung der Aufnahme in die Schule notwendig und angemessen erscheinen lassen.

14

3. Weiter ist zu berücksichtigen, dass es sich nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung bei der Zurückstellung vom Schulbesuch für ein Jahr lediglich um einen vorübergehenden Eingriff in die “gewöhnliche“ (regulären) Schullaufbahn eines Kindes handelt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zurückstellung muss daher zumindest die begründete Erwartung bestehen, dass das Kind nach Ablauf des Zurückstellungszeitraumes im neuen Schuljahr am Unterricht der ersten Jahrgangsstufe der Grundschule wird erfolgversprechend teilnehmen können. Die Zurückstellungsentscheidung setzt insoweit eine Prognose der zur Entscheidung berufenen Schulbehörde voraus, dass die Zurückstellung auch den “gewünschten Erfolg“ zeitigt und zumindest die bestehenden Leistungs- und / oder Reifedefizite, wenn auch nicht völlig überwunden, so aber zumindest in der Weise abgebaut werden, dass das Kind – ggf. auch durch eine (weitere) Förderung an der Grundschule oder an einer Förderschule – mit Aussicht auf Erfolg am Unterricht teilnehmen kann. D. h. steht aktuell die mangelnde Schulreife oder aber sonstige Defizite, wie sie in § 37 Abs. 3 Satz 1 SchulG LSA genannt werden, fest, erfordert die Entscheidung nach § 37 Abs. 3 Satz 2 SchulG LSA zugleich die Feststellung, dass die Zurückstellung um ein Jahr angesichts der Art und des Umfangs der festgestellten Leistungs- und Entwicklungsstörung geeignet ist, die noch nicht vorhandene Schulfähigkeit herzustellen. Der Antragsgegner hat insoweit eine Eignungs- bzw. „Nachreife“-Prognose anzustellen, wobei eine solche verlässliche Prognose im Allgemeinen nur auf der Grundlage einer sachverständigen Einschätzung möglich sein wird. Dieses Erfordernis ist im Gesetz zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber nach anerkannter Rechtsprechung daraus, dass der Gesetzgeber der Schulbehörde bei der Entscheidung nach § 37 Abs. 3 Satz 2 SchulG LSA ein Ermessen eingeräumt hat und dieses Ermessen unter Beachtung des Zwecks der Regelung auszuüben ist (vgl. VG Braunschweig, Beschl. v. 08.08.2002 - 6 B 528/02 - Juris; VG Cottbus, Beschl. v. 10.07.2012 - 1 L 206/12 - Juris; VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 07. 10.2011 - VG 1 L 321/11 - Juris)).

15

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht hierzu festgestellt, dass es diesbezüglich an einer auf fachlichen Feststellungen beruhenden Prognose des Antragsgegners fehlt. Die gegenwärtig vorliegenden Unterlagen und Stellungnahmen sind für sich allein nicht hinreichend aussagekräftig, um eine sachgerechte Prüfung zu ermöglichen, ob eine Zurückstellung voraussichtlich eine Nachreifung oder Begehung von Leistungsdefiziten beim Antragsteller bewirken wird und ob sich im Hinblick hierauf eine Verschiebung des Beginns der Schulpflicht rechtfertigen könnte. Dies gilt auch, wie das Verwaltungsgericht zutreffend anmerkt, in bezug auf die nur wenig konkreten und fachlich untersetzten Stellungnahmen der Kindertageseinrichtung, wonach zumindest eine solche Möglichkeit nicht ausgeschlossen wird. Veranlassung zu einer weiteren Aufklärung dürfte unterdessen der Umstand geben, dass die mit dem Antragsteller seit langem zusammenarbeitende Früh- und Beratungsstelle trotz nur geringer Entwicklungsfortschritte des Antragstellers in den vergangenen fünf Monaten eine weitere Nachreifung während der einjährigen im Verlauf einer einjährigen Zurückstellung von der Schulpflicht für nicht unwahrscheinlich hält, ohne dies jedoch näher zu erläutern.

16

Ohne Erfolg bleibt schließlich auch der Einwand des Antragsgegners, es bestehe wegen des verbleibenden kurzen Zeitraums überhaupt keine Möglichkeit (mehr), den Antragsteller auf einen sonderpädagogischen Förderbedarf hin zu überprüfen. In diesem Punkt ist der Auffassung des Antragstellers in der Beschwerdeerwiderung beizutreten, dass es dem Antragsgegner oblegen hätte, rechtzeitig der Frage nach dem Bestehen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs, so auch bereits bei Erlass des streitbefangenen Bescheides vom 23. Mai 2012, nachzugehen und ggf. das zur Feststellung eines solchen Förderbedarfs Erforderliche zu veranlassen. Die Verletzung dieser eigenen Obliegenheit durch den Antragsgegner kann dem Antragsteller jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen.

17

4. Soweit sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde zugleich gegen die im Beschluss des Verwaltungsgerichts getroffene Kostenentscheidung richtet, steht dem Rechtsmittel die Regelung gem. § 158 VwGO nicht entgegen, weil die erstinstanzliche Kostenentscheidung bezogen auf den Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht isoliert angefochten wird. Die Kostenentscheidung begegnet jedoch in Anwendung des § 155 Abs. 1 VwGO keinen rechtlichen Bedenken, weil das Verwaltungsgericht in nachvollziehbarer Weise trotz Ablehnung des Verpflichtungsbegehrens im Hinblick auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Antragstellers mit der Stattgabe des Neubescheidungsantrages im Ergebnis von einem weit überwiegenden Obsiegen des Antragstellers in der Sache ausgegangen ist.

18

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

19

Dem Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nebst Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten war gem. § 166 VwGO i. V. m. §§ 119, 121 ZPO zu entsprechen.

20

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. Nr. 38.3. der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO 17. Aufl. Anh. § 164). Der Senat sieht gem. Nr. 1.5 Satz 2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs wegen der mit dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren einhergehenden faktischen Vorwegnahme der Hauptsache für eine Reduzierung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren keine Veranlassung; allerdings erachtet der Senat eine Halbierung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren gem. Nr. 1.4 zweiter Halbsatz der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für angemessen, weil das Beschwerdeverfahren allein das (hilfsweise) geltend gemachte Neubescheidungsbegehren des Antragstellers zum Gegenstand hat.

21

Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au
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published on 28/08/2013 00:00

Gründe 1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. 2 Die Beschwerde ist zulässig (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), obwohl sie nicht den nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erforderlich Antrag enthält. Grundsätzlich ist nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO eine Antragstell
published on 27/08/2013 00:00

Gründe 1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. 2 Die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, greifen nicht durch. 3 Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf
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Annotations

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

(2) Einer Begründung bedarf es nicht,

1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift;
2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist;
3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist;
4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt;
5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.

(2) Ist eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen, so ist die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.

(2) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.