Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt ein bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen die von den Beigeladenen betriebene Tierhaltung.

2

Der Kläger betreibt im Gewerbegebiet A-Straße in A-Stadt einen Fachbetrieb für Land- und Baumaschinentechnik. Im südlichen Teil der Werkstatthalle befindet sich im 1. Obergeschoss eine etwa 120 m² große Betriebswohnung. Auf den westlich angrenzenden Grundstücken betreiben die Beigeladenen eine landwirtschaftliche Tierhaltung, zu der auch ein Rinderoffenstall für etwa 100 Tiere gehört.

3

Mit Schreiben vom 11.02.2011 beantragte der Vater des Klägers bei dem Beklagten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beigeladenen wegen der – nach seinen Angaben – aus dem Rinderoffenstall auf die öffentliche Straße und in das öffentliche Kanalsystem abfließenden Gülle. Er machte geltend, die vor dem Objekt in Pfützen stehende Gülle stinke bestialisch und behellige Kundenvertreter auf seinem Betriebsgelände mit Insekten, Ratten und ähnlichem Ungeziefer. Zudem werde die Jauche durch das Kanalnetz über die von ihm erstellte und vom Abwasserzweckverband abgenommene Grundstücksentwässerungsanlage in sein Grundstück gedrückt.

4

Mit Bescheid vom 20.10.2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten ab und führte zur Begründung aus, es gebe keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich die Rinderhaltung nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befinde. Bei Verfahren mit Tiefstreu falle keine Jauche/Gülle an. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 10.02.2015 zurückgewiesen. Hierin wurde ausgeführt, die Geruchsbelästigung durch die Rinderhaltung sei gering. Die weiteren Argumente seien bei der Ortsbesichtigung nicht bestätigt worden.

5

Mit Urteil vom 20.04.2016 – 2 A 58/15 HAL – hat das Verwaltungsgericht die vom Kläger erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten lägen nicht vor. Zwar bedürfe der Rinderoffenstall einer Baugenehmigung, die nicht vorliege. Der Beklagte habe dessen Errichtung zu Unrecht für verfahrensfrei gehalten. Es sei aber nicht ersichtlich, dass der Rinderoffenstall gegen Vorschriften verstoße, denen im konkreten Fall nachbarschützende Wirkung zukomme. Der Stall verletze nicht den Gebietserhaltungsanspruch des Klägers. Zwar widerspreche er den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 4 „Gewerbegebiet A-Straße“ der Stadt A.. Hierin sei für das Grundstück, auf dem der Rinderoffenstall errichtet sei, ein eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt. Landwirtschaftliche Betriebe gehörten nicht in Gewerbegebiete, sondern in Dorfgebiete. Die Stadt A. habe aber inzwischen den Bebauungsplan Nr. 6 „Gewerbegebiet A-Straße“ beschlossen, welcher die Grundstücke des Beigeladenen zu 2 nicht mehr erfasse. Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 6 lägen diese Grundstücke nicht mehr in einem eingeschränkten Gewerbegebiet. Es könne offen bleiben, ob es – wie der Beklagte meine – einer Aufhebung des Bebauungsplanes Nr. 4 bedürfe. Soweit eine Aufhebung erforderlich sein sollte, weil der Bebauungsplan Nr. 4 noch Regelungen für die Grundstücke des Beigeladenen zu 2 treffe, könne der Kläger daraus nichts für sich herleiten, weil ein Gebietserhaltungsanspruch voraussetze, dass es sich um ein einheitliches Baugebiet handele. Sein Grundstück liege jedoch im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 6. Selbst wenn sowohl der Bebauungsplan Nr. 6 für das Grundstück des Klägers als auch der Bebauungsplan Nr. 4 für die Grundstücke des Beigeladenen zu 2 ein eingeschränktes Gewerbegebiet festsetze, fehle es an einem einheitlichen Baugebiet. Ein gebietsübergreifender, von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger Schutz des Nachbarn vor gebietsfremden Nutzungen in einem angrenzenden Plangebiet bestehe grundsätzlich nicht. Soweit eine Aufhebung des Bebauungsplans Nr. 4 nicht erforderlich sei, weil dieser durch den Bebauungsplan Nr. 6 vollständig ersetzt worden sei, lägen die Grundstücke des Beigeladenen zu 2 nicht mehr in einem eingeschränkten Gewerbegebiet, so dass sich der Kläger erst Recht nicht mit Erfolg auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen könne. Der Nachbarschutz des Eigentümers eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets gelegenen Grundstücks bestimme sich (nur) nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme. Dieses sei nicht verletzt, da von dem Rinderoffenstall keine für den Kläger unzumutbaren (Geruchs-)Belästigungen ausgingen. Auch unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Geruchsimmissionen durch den südlich des streitigen Rinderoffenstalles gelegenen Stalls ergäben sich für die Betriebswohnung des Klägers erhebliche Geruchsbelästigungen allenfalls in 10 % der Jahresstunden oder knapp darüber. Dies erachte die Kammer als zumutbar. Soweit der Kläger geltend mache, dass von dem Rinderoffenstall Gülle über die betonierte Fläche auf die öffentliche Straße laufe, habe das Gericht im Rahmen der Ortsbesichtigung keine Feststellungen treffen können. Ein Anspruch des Klägers auf Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladenen zu 1 und 3 dürfte bereits deshalb ausscheiden, weil diese nicht Eigentümer der Grundstücke seien. Unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens sei der Beklagte im Hinblick auf die Genehmigungsbedürftigkeit des Rinderoffenstalles gehalten, dafür zu sorgen, dass der Beigeladene zu 2 nachträglich die Erteilung einer Baugenehmigung beantrage. Im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens werde zu prüfen sein, ob und wie ggf. durch Auflagen störende Belästigungen durch Gülle und Dunglagerung verhindert werden könnten.

II.

6

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

7

Die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.06.2016 – 1 BvR 2453/12 –, juris RdNr. 16). Entscheidend ist, ob Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses des Verwaltungsgerichts begründet sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 – BVerwG 7 AV 4.03 –, juris RdNr. 9). Das ist vorliegend nicht der Fall.

8

1. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Ansatz des Verwaltungsgerichts, allein der Grundstückseigentümer dürfe im Rahmen des bauaufsichtlichen Einschreitens herangezogen werden, sei fehlerhaft, weil eine entsprechende Verfügung auch gegenüber dem Handlungsstörer bzw. dem Mieter und Pächter ergehen könne. Es kann dahinstehen, ob dem Verwaltungsgericht zu folgen ist, soweit es ausführt, ein Anspruch des Klägers auf Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladenen zu 1 und 3 dürfte bereits deshalb ausscheiden, weil diese nicht Eigentümer der Grundstücke seien. Denn dies ist nicht entscheidungstragend, da das Verwaltungsgericht die Klage in erster Linie mit der Begründung abgewiesen hat, der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten, weil die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht vorlägen.

9

2. Der Kläger hat auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dargelegt, soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die Voraussetzungen des Gebietserhaltungsanspruchs seien nicht gegeben. Das Verwaltungsgericht hat insoweit tragend darauf abgestellt, dass das Grundstück des Klägers im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 6 liege, während die Grundstücke des Beigeladenen zu 2 im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 4 lägen. Der hiergegen vorgebrachte Einwand des Klägers, es seien lediglich die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 4 gültig, da der Bebauungsplan Nr. 6 wegen einer fehlerhaften Bekanntmachung unwirksam sei, greift nicht durch. Zwar ist die Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 6 – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht nur in einem Normenkontrollverfahren, sondern auch im Rahmen der vorliegenden Verpflichtungsklage (inzident) zu prüfen. Die vom Kläger geltend gemachten Bekanntmachungsmängel sind jedoch nicht schlüssig dargelegt, so dass offen bleiben kann, welche Rechtsfolgen die im „F-Kurier“ vom 19.08.2016 erfolgte Bekanntmachung der rückwirkenden Inkraftsetzung des Bebauungsplans Nr. 6 der Stadt A. für das Gebiet „Gewerbegebiet A-Straße“ zum 14.07.2006 hat.

10

a) Der Einwand des Klägers, die Bekanntgabe des Bebauungsplans Nr. 6 bzw. der Genehmigung dieses Bebauungsplans hätte nicht durch den Leiter des gemeinsamen Verwaltungsamtes, sondern durch den Bürgermeister der Stadt A. erfolgen müssen, greift nicht durch.

11

Nach § 10 Abs. 1 BauGB beschließt die Gemeinde den Bebauungsplan als Satzung. Soweit eine Genehmigung erforderlich ist, muss deren Erteilung gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB ortsüblich bekanntgemacht werden. Was unter „ortsüblicher“ Bekanntmachung zu verstehen ist, bestimmt sich, soweit das Baugesetzbuch – wie in § 10 Abs. 3 Satz 1 – keine besonderen Regelungen trifft, nach Landesrecht. Da es an einer näheren landesrechtlichen Ausgestaltung fehlt, richtet sich die vorgeschriebene Form der öffentlichen Bekanntmachung regelmäßig nach der Hauptsatzung der Gemeinde (vgl. Urt. d. Senats v. 21.11.2003 – 2 K 94/01 –, juris RdNr. 35; vgl. jetzt § 9 Abs. 1 Satz 3 des Kommunalverfassungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 17.06.2014, GVBl. LSA S. 288).

12

Die Genehmigung des Bebauungsplans Nr. 6 „Gewerbegebiet A-Straße“ der Stadt A. bzw. die Bestätigung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 07.07.2006 über den Eintritt der Genehmigungsfiktion wurde am 14.07.2006 im „F-Kurier“, dem Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft (F.), veröffentlicht. Anhaltspunkte dafür, dass diese Bekanntmachung nicht der einschlägigen Regelung in der Hauptsatzung der Stadt A. über öffentliche Bekanntmachungen entsprach und damit nicht „ortsüblich“ i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB war, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass unter der Bekanntmachung vom 14.07.2006 der Name „U.“ sowie die Amtsbezeichnung „Leiter des gemeinsamen Verwaltungsamtes“ aufgeführt sind, ändert nichts an der Ortsüblichkeit der Bekanntmachung und ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich.

13

b) Zu Unrecht meint der Kläger, die Veröffentlichung sei (auch) deshalb unwirksam, weil das Datum der Unterschriftsleistung durch den Leiter des gemeinsamen Verwaltungsamtes innerhalb der Bekanntmachung nicht wiedergegeben worden sei. Zwar hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt zu § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA a.F. (vgl. jetzt § 9 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA), wonach Satzungen von dem Bürgermeister zu unterzeichnen und bekanntzumachen sind, entschieden, dass bei der Bekanntmachung von kommunalen Satzungen sowohl die Unterschrift als auch das Datum der Unterschriftsleistung als Bestandteile der Ausfertigung mit der Satzung veröffentlicht werden müssen (vgl. OVG LSA, Urt. v. 16.04.2013 – 4 L 97/12 –, juris RdNr. 56). Das gilt jedoch nicht für Bebauungspläne, die die Gemeinde gemäß § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung beschließt. Die nach dem Beschluss eines Bebauungsplans erforderliche Bekanntmachung regelt § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB abschließend dahin, dass entweder die Erteilung der Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforderlich ist, der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ortsüblich bekannt zu machen ist. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 5 BauGB tritt die Bekanntmachung an die Stelle der sonst für Satzungen vorgeschriebenen Veröffentlichung. Für eine Veröffentlichung der bei der Ausfertigung des Bebauungsplans vorgenommenen Unterschrift des Bürgermeisters sowie des Datums der Unterschriftsleistung entsprechend den zu § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA a.F. (jetzt § 9 Abs. 1 Satz 1 KVG LSA) geltenden Grundsätzen ist daneben kein Raum, zumal eine Veröffentlichung der bei der Ausfertigung einer Satzung geleisteten Unterschrift nebst Datum ohne Veröffentlichung der ausgefertigten Satzung (hier: des Bebauungsplans) wenig sinnvoll erscheint.

14

3. Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, soweit sich der Kläger gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, es liege keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor, soweit der Kläger geltend mache, von dem Rinderoffenstall laufe Gülle über die betonierte Fläche auf die öffentliche Straße. Ohne Erfolg greift der Kläger die diesbezügliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts an.

15

Zwar können die Gründe, aus denen bei einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Entscheidung bestehen, auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren. Bei Einwänden gegen die freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene richterliche Überzeugung als tatsächliche Grundlage eines Urteils ist von einer schlüssigen Gegenargumentation allerdings erst dann auszugehen, wenn gute Gründe dafür aufgezeigt werden, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung mit Blick auf eine entscheidungserhebliche Tatsache von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, oder wenn die vom Erstrichter vorgenommene Sachverhaltswürdigung im Lichte der Begründung des Zulassungsantrags fragwürdig erscheint, weil die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 23.09.2010 – 4 A 138/10 –, juris RdNr. 7; Beschl. v. 28.02.2012 – 1 L 159/11 –, juris Rdnr. 5; OVG NW, Beschl. v. 31.01.2013 – 18 A 1369/12 –, juris RdNr. 20). Wird – wie hier – eine fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gerügt, ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst dann erfüllt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wahrscheinlich nicht zutreffend oder doch ernsthaft zweifelhaft sind (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 30.03.2006 – 4 L 330/05 –, juris RdNr. 3).

16

Gemessen daran liegen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu der Frage, ob von dem Rinderoffenstall Gülle über die betonierte Fläche auf die öffentliche Straße läuft, vor. Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil ausgeführt, es habe im Rahmen der Ortsbesichtigung insoweit keine Feststellungen treffen können. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die Rinder in dem Offenstall – wie auch in dem angrenzenden geschlossenen Stall – auf Tiefstreu gehalten und offenbar regelmäßig ausgemistet würden. Auch die vom Kläger vorgelegten Fotos (Beiakte A) belegten nicht, dass über die vor dem Rinderoffenstall gelegene Freifläche Gülle fließe.

17

Ohne Erfolg wendet der Kläger hiergegen ein, das Verwaltungsgericht habe keine Feststellungen dahingehend getroffen, ob diese Tiefstreuhaltung stets ordnungsgemäß betrieben werde bzw. ob der Stall regelmäßig ausgemistet werde. Zwar besteht die Möglichkeit, dass die Tiere – entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts – nicht stets auf Tiefstreu gehalten werden und dass der Stall nicht regelmäßig ausgemistet wird. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Annahmen des Verwaltungsgerichts nicht zutreffen, ergibt sich aus dem Einwand des Klägers jedoch nicht.

18

Das Gleiche gilt, soweit der Kläger vorträgt, der Ortstermin vom 20.04.2016 habe an einem Tag stattgefunden, an dem es nicht und an dem es auch zuvor nicht geregnet habe. Darüber hinaus habe er sich immer darauf bezogen, dass die Beeinträchtigung durch die Gülle insbesondere in der kalten Jahreszeit zu verzeichnen sei. Zudem habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass der Ortstermin fast 3 Wochen zuvor – auch den Beigeladenen gegenüber – angekündigt worden sei. Auch aus diesen Gesichtspunkten lässt sich nicht ableiten, dass die Feststellungen des Verwaltungsgerichts fehlerhaft sind. Es ist zwar denkbar, dass ein Ortstermin an einem verregneten Tag im Winter ohne vorherige Ankündigung bei den Beigeladenen ein anderes Bild ergeben hätte; zwingend oder zumindest überwiegend wahrscheinlich ist dies jedoch nicht.

19

Nicht durchgreifend ist der Einwand des Klägers, es sei nicht verständlich, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichts auch die von ihm vorgelegten Fotos nicht belegten, dass über die vor dem Rinderoffenstall gelegene Freifläche Gülle fließe. Er habe im Rahmen der Anlage K 4 einige Fotos vorgelegt, die dokumentierten, dass ein bräunliche Flüssigkeit ausgehend vom Rinderoffenstall bis hin zu der auf der Straße befindlichen Entwässerungseinrichtung für Niederschlagswasser fließe. Das überzeugt nicht. Auch nach Auffassung des Senats lässt sich die Behauptung des Klägers, es fließe Gülle von dem Rinderoffenstall über die betonierte Fläche auf die öffentliche Straße und in die öffentliche Kanalisation, nicht durch die von ihm als Anlage K 4 vorgelegte CD belegen. Es fehlt an einer näheren Darlegung, was genau auf den insgesamt 221 Lichtbilden zu sehen sein soll, die auf dieser CD gespeichert sind.

20

Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch der Hinweis des Verwaltungsgerichts nicht widersprüchlich, der Beklagte sei unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens gehalten, dafür zu sorgen, dass der Beigeladene zu 2 nachträglich die Erteilung einer Baugenehmigung beantrage, und im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu prüfen, ob und wie gegebenenfalls durch Auflagen störende Belästigungen durch Gülle und Dunglagerung verhindert werden könnten. Das Verwaltungsgericht bejaht hiermit nicht etwa im Rahmen eines obiter dictums störende Belästigungen durch Gülle und Dunglagerungen, die es im Rahmen seiner eigentlichen Entscheidungsgründe ignoriert. Vielmehr sind diese Äußerungen als Aufforderung an den Beklagten zu verstehen, im Rahmen eines noch durchzuführenden Baugenehmigungsverfahrens durch Auflagen vorsorglich sicherzustellen, dass derartige Belästigungen möglichst gar nicht erst entstehen.

21

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergeben sich auch nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Schreiben des Beklagten an Herrn (R.) vom 07.03.2000, in dem es zu dem Betreff "Nutzung Lagerhalle als Rinderstall und Lagerung von Silage im Gewerbegebiet A-Straße A-Stadt" heißt, er sei in obiger Angelegenheit tätig geworden und habe Herrn C. die Nutzung der Lagerhalle als Rinderstall untersagt, ebenso die Lagerung von Silage. In diesem Schreiben erläutert der Beklagte nicht näher, weshalb er die Nutzung "der Lagerhalle" als Rinderstall untersagt habe. Ein Beleg für die Behauptung des Klägers, über die vor dem Rinderoffenstall gelegene Freifläche fließe Gülle, ist dieses Schreiben jedenfalls nicht.

22

Das Gleiche gilt für den vom Kläger vorgelegten Auszug aus der Abwägung zur Änderung des Bebauungsplans Nr. 6 "Gewerbegebiet A-Straße" der Stadt A., in dem die Stellungnahme des Abwasserzweckverbandes (…) vom 31.03.2016 wiedergegeben wird. Zwar wird hierin ausgeführt, durch den angrenzenden Nutzer erfolge eine Verunreinigung (tierische Exkremente) von befestigten Flächen. Diese wiederum werde im Regenfalle in das Rohrsystem eingetragen und dem Gewässer zugeführt. Solch eine Einleitung sei nicht statthaft. Hieraus geht indessen nicht hervor, wer Verursacher der genannten Verunreinigung sein soll und welche befestigten Flächen bzw. welches Rohrsystem betroffen sein sollen. Auch über das Ausmaß der beanstandeten Einleitung wird nicht näheres ausgeführt, so dass – entgegen der Ansicht des Klägers – auch hieraus nicht abgeleitet werden kann, dass nur ein Einschreiten des Beklagten (Ermessensreduzierung auf Null) in Betracht kommt.

23

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

24

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

25

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).


ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Jan. 2018 - 2 L 71/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Jan. 2018 - 2 L 71/16

Referenzen - Gesetze

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Jan. 2018 - 2 L 71/16 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Baugesetzbuch - BBauG | § 10 Beschluss, Genehmigung und Inkrafttreten des Bebauungsplans


(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung. (2) Bebauungspläne nach § 8 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. § 6 Absatz 2 und 4 ist entsprechend anzuwenden. (3) Die Er

Kommunalvermögensgesetz - KVermG | § 9 Übergangsbestimmung


Bis zur Länderbildung nehmen die Regierungsbevollmächtigten für die Bezirke die Befugnisse aus § 2 Absatz 2 und § 8 Absatz 2 wahr.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Jan. 2018 - 2 L 71/16 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Jan. 2018 - 2 L 71/16 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 09. Juni 2016 - 1 BvR 2453/12

bei uns veröffentlicht am 09.06.2016

Tenor 1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Gru

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 16. Apr. 2013 - 4 L 97/12

bei uns veröffentlicht am 16.04.2013

Tatbestand 1 Die Kläger wenden sich als Rechtsnachfolger gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren. 2 Die Beklagte erhebt Abfallgebühren im Wesentlichen getrennt nach einer behälterbezogenen Restmüllgebühr und - nur bei Wohngrundstücken - einer..

Referenzen

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

1. Der Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. September 2012 - 2 LA 234/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Das Land Niedersachsen hat die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu erstatten.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein verwaltungsgerichtliches Verfahren aus dem Bereich des Schulrechts.

2

1. a) Der Beschwerdeführer besuchte ein öffentliches technisches Fachgymnasium. Da er an einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie) leidet, beantragte er zum Nachteilsausgleich eine Schreibzeitverlängerung für die Anfertigung von Klausuren sowie die Nichtbewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Die Schule lehnte dies ab.

3

b) Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Schule, dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache bei der Anfertigung schriftlicher Leistungsüberprüfungen außer in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern eine Schreibzeitverlängerung von 10 % der jeweiligen Bearbeitungszeit zu gewähren. Soweit der Eilantrag darüber hinaus auf vorläufige Gewährung eines Zeitzuschlages von 25 % und Notenschutz bezüglich der Rechtschreibleistung in allen Fächern sowie auf die ebenfalls bereits vorgerichtlich geltend gemachte Verpflichtung der Schule gerichtet war, ihn in Mathematik anwendungsbezogen auf das erste Prüfungsfach Elektronik zu unterrichten, blieb er ohne Erfolg. Eine vom Beschwerdeführer in dieser Sache erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 2129/08).

4

c) In der Hauptsache fasste das Verwaltungsgericht zunächst einen Beweisbeschluss zur Frage der medizinischen Notwendigkeit eines weitergehenden Nachteilsausgleichs. Dieser wurde jedoch nicht mehr ausgeführt, nachdem der Beschwerdeführer die Allgemeine Hochschulreife erworben hatte. Der Beschwerdeführer stellte seine Klage daraufhin um. Neben Feststellungsanträgen begehrte er, seine unter anderem auf Klausurabwertungen wegen Schreibfehlern (sog. "GRZ-Abzug") beruhenden Kursnoten im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 anzuheben.

5

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die in der Jahrgangsstufe 12 erteilten Einzelnoten seien bestandskräftig geworden und daher nicht mehr anfechtbar. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge stehe teilweise der Subsidiaritätsgrundsatz und teilweise das Fehlen eines Feststellungsinteresses entgegen.

6

d) Den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit dem hier angegriffenen Beschluss ab.

7

aa) Es könne offenbleiben, ob das Verwaltungsgericht die halbjährlichen Kursabschlussnoten als eigenständig anfechtbare Regelungen habe ansehen dürfen. Die Versäumung der Widerspruchsfrist sei insoweit jedenfalls unschädlich, da die Widerspruchsbehörde eine Sachentscheidung getroffen habe. Von der Bestandskraft der Einzelnoten könne daher nicht ausgegangen werden.

8

An der Richtigkeit der Ablehnung des Verpflichtungsantrags bestünden im Ergebnis gleichwohl keine ernstlichen Zweifel, da nicht ersichtlich sei, dass die den Kursnoten zugrunde liegenden Bewertungen fehlerhaft gewesen sein könnten. Es sei in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass unter einer Legasthenie leidenden Schülern zum Nachteilsausgleich nur Schreibzeitverlängerungen gewährt werden könnten oder die Nutzung technischer Hilfsmittel gestattet werden könne. Die Gewährung von Notenschutz (durch Nichtbewertung der Rechtschreibung) sei demgegenüber in der Regel nicht zulässig, da sie zu einer Benachteiligung von Schülern führen könne, denen aus sonstigen Gründen Rechtschreibfehler in größerem Umfang unterliefen. Darüber hinaus komme ein Ausgleich durch Notenschutz deswegen nicht in Betracht, weil sich die vom Beschwerdeführer beanstandeten Noten gerade auf das Fach Deutsch bezögen und in diesem unter anderem Rechtschreibung und Zeichensetzung zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen gehörten. Ein Anspruch auf Notenschutz folge selbst bei einem den Behinderungsbegriff erfüllenden Ausmaß der Legasthenie auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, da sich hieraus ein originärer subjektiver Leistungsanspruch nicht ableiten lasse. Unmittelbar aus Art. 24 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, BGBl 2008 II S. 1419) ergäben sich ebenfalls keine entsprechenden Rechte. Schließlich sehe die geltende Erlasslage in gewissem Umfang eine differenzierte Bewertung vor und eröffne einen pädagogischen Bewertungsspielraum, der eine einzelfallgerechte Berücksichtigung des Erscheinungsbildes der Legasthenie ermögliche. Es sei nicht ersichtlich, dass bei der Bewertung der den beanstandeten Kursnoten zugrunde liegenden Deutschklausuren hiervon in willkürlicher Weise abgewichen worden sei.

9

bb) Auch das Feststellungsinteresse habe das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Ein Rehabilitationsinteresse könne nicht bejaht werden, da von den Einzelnoten und der Durchschnittsnote des Abiturzeugnisses keine den Beschwerdeführer in seiner Persönlichkeit diskriminierende Wirkung ausgehe. Die Bewertung im Fach Deutsch in der Jahrgangsstufe 12 könne für sich gesehen nicht als diskriminierend angesehen werden, zumal sich die begehrte Anhebung nicht auf die Durchschnittsnote auswirken würde. Hinsichtlich anderer Einzelnoten habe der Beschwerdeführer nicht näher dargelegt, welche Punktzahl er für angemessen halte. Soweit er sein Feststellungsbegehren auf eine beabsichtigte Amtshaftungsklage stütze, habe das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass eine solche mangels Verschuldens offensichtlich aussichtslos sei.

10

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 19 Abs. 4 GG, aus Art. 3 Abs. 1 und 3 GG in Verbindung mit der UN-Behindertenrechtskonvention sowie aus Art. 12 GG und führt dies näher aus. Insbesondere rügt er, das Ausgangsgericht habe zu keinem Zeitpunkt in einem ordentlichen Hauptsacheverfahren durch Beweisaufnahme geprüft, welche Maßnahmen notwendig gewesen seien, um die behinderungsbedingten Nachteile auszugleichen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aber uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar, ob ein in Prüfungen gewährter Nachteilsausgleich die Störung vollständig ausgeglichen habe, was gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen zu ermitteln sei (Hinweis auf BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 21. Dezember 1992 - 1 BvR 1295/90 -, NJW 1993, S. 917 <918>). Das Oberverwaltungsgericht habe zudem verkannt, dass er durch die Anlegung desselben Leistungsbemessungsmaßstabs wie bei seinen nicht behinderten Mitschülern in einem Bereich, in dem er aufgrund seiner Funktionsstörung nicht gleichermaßen leistungsfähig sein könne, benachteiligt worden sei. Aus fachärztlicher Sicht habe er in allen Fächern zusätzlich 25 % der üblichen Bearbeitungszeit benötigt, um die gleichen Chancen bei der Bearbeitung der anstehenden Aufgaben zu haben. Ein reiner Nachteilsausgleich führe, auch wenn er den Verzicht auf die Benotung der Rechtschreibung beinhalte, keineswegs zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit nichtbehinderter Mitschüler. Dadurch, dass es das Oberverwaltungsgericht versäumt habe, seine willkürliche Entscheidung aus dem Eilverfahren im Berufungszulassungsverfahren zu korrigieren, nehme es ihm die Möglichkeit der Rehabilitation und verschärfe damit die bereits erfolgte Diskriminierung. Damit werde zudem eine Amtshaftungsklage bewusst ausgeschlossen und würden legasthene Schüler in Niedersachsen im Ergebnis rechtlos gestellt.

11

3. Die Verfassungsbeschwerde ist dem Niedersächsischen Justizministerium und der Beklagten des Ausgangsverfahrens, der vormaligen Schule des Beschwerdeführers, zugestellt worden. Diese haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II.

12

1. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 <25>). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die hier maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist danach offensichtlich begründet.

13

2. Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht wird der verfassungsrechtlichen Verbürgung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht.

14

a) Das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet zwar keinen Anspruch auf die Errichtung eines bestimmten Instanzenzuges (vgl. BVerfGE 104, 220 <231>; 125, 104 <136 f.>; stRspr). Hat der Gesetzgeber jedoch mehrere Instanzen geschaffen, darf der Zugang zu ihnen nicht in unzumutbarer und durch Sachgründe nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>; 125, 104 <137>; stRspr). Das Gleiche gilt, wenn das Prozessrecht - wie hier die §§ 124, 124a VwGO - den Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit gibt, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Aus diesem Grund dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe nicht derart erschwert werden, dass sie auch von einem durchschnittlichen, nicht auf das gerade einschlägige Rechtsgebiet spezialisierten Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand nicht mehr erfüllt werden können und die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft. Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, sondern in entsprechender Weise für die Auslegung und Anwendung der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO selbst (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>). Mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar ist eine Auslegung und Anwendung des § 124 Abs. 2 VwGO danach dann, wenn sie sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 125, 104 <137>; 134, 106 <117 f. Rn. 34>).

15

b) Das Oberverwaltungsgericht hat durch seine Handhabung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO den Zugang zur Berufungsinstanz in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise verengt und dadurch das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt.

16

aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind immer schon dann begründet, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfGE 125, 104 <140>). Dies hat der Beschwerdeführer getan. Er hat aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht seinen Verpflichtungsantrag rechtsfehlerhaft als unzulässig behandelt hat und die angenommene Unzulässigkeit der Feststellungsanträge betreffend den Notenschutz und den Umfang des ihm zustehenden Nachteilsausgleichs aus Subsidiaritätsgründen zumindest ernstlichen - vom Oberverwaltungsgericht selbst näher aufgezeigten - Zweifeln begegnet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Begründung gleichwohl die Berufung nicht zugelassen.

17

bb) Es begegnet zwar keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf andere rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte abstellt als das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils und wenn es - soweit rechtliches Gehör gewährt ist - die Zulassung der Berufung deshalb ablehnt, weil sich das Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Es widerspricht jedoch sowohl dem Sinn und Zweck des dem Berufungsverfahren vorgeschalteten Zulassungsverfahrens als auch der Systematik der in § 124 Abs. 2 VwGO geregelten Zulassungsgründe und kann den Zugang zur Berufung in sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Weise einschränken, wenn das Berufungsgericht auf andere Gründe entscheidungstragend abstellt als das Verwaltungsgericht, die nicht ohne Weiteres auf der Hand liegen und deren Heranziehung deshalb über den mit Blick auf den eingeschränkten Zweck des Zulassungsverfahrens von ihm vernünftigerweise zu leistenden Prüfungsumfang hinausgeht (vgl. BVerfGE 134, 106 <119 f. Rn. 40>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 542 <543>).

18

Dass dem Beschwerdeführer vor Erlass der angegriffenen Entscheidung im Hinblick auf die neue Begründung des Oberverwaltungsgerichts im Berufungszulassungsverfahren rechtliches Gehör gewährt worden wäre, lässt sich den beigezogenen Akten des Ausgangsverfahrens nicht entnehmen. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für einen Austausch der Begründung hiernach auch nicht vor.

19

(1) Hinsichtlich der auf den Notenschutz bezogenen Klageanträge ergibt sich dies schon daraus, dass das Oberverwaltungsgericht die angenommene inhaltliche Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Gründe stützt, denen ihrerseits grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zukommt. Denn die Heranziehung von Erwägungen mit Grundsatzbedeutung zur Ablehnung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel verkürzt den vom Gesetzgeber für Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorgesehenen Rechtsschutz im Berufungsverfahren in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise (vgl. BVerfGK 10, 208 <213 f. m.w.N.>).

20

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage immer dann, wenn es maßgebend auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage ankommt, deren Klärung im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entspricht danach weitgehend dem der grundsätzlichen Bedeutung in der revisionszulassungsrechtlichen Bestimmung des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. BVerfGK 10, 208 <214>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 814/09 -, NJW 2009, S. 3642 <3643>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2011 - 1 BvR 1764/09 -, NVwZ-RR 2011, S. 963 <964>).

21

Nach diesen Maßstäben kam der vom Oberverwaltungsgericht verneinten Frage, ob der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Legasthenie so genannten Notenschutz in Form der Nichtbewertung der Rechtschreibung verlangen konnte, grundsätzliche Bedeutung zu. Denn ihre Beantwortung hat Bedeutung weit über den Einzelfall des Beschwerdeführers hinaus und betrifft den Umfang des verfassungsrechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit im Prüfungsrecht (BVerfGE 52, 380 <388>) als auch des Benachteiligungsverbots gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfGE 96, 288<301 ff.>) bestehenden Anspruchs auf behinderungsbezogenen Nachteilsausgleich (zu der namentlich aus den verfassungsrechtlichen Bezügen abgeleiteten Grundsatzbedeutung der Rechtmäßigkeit der Bemerkung der Nichtberücksichtigung von Rechtschreibleistungen im Abiturzeugnis vgl. BayVGH, Urteile vom 28. Mai 2014 - 7 B 14.22 u.a. -, juris, Rn. 27). Die umstrittene Frage des Umfangs des Nachteilsausgleichs, der an Legasthenie leidenden Schülern zusteht, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts noch nicht höchstrichterlich geklärt. Erst im Jahr 2015 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass aus dem Gebot der Chancengleichheit nur Ansprüche auf Änderung der Prüfungsbedingungen (Nachteilsausgleich), nicht aber solche auf Änderung des Maßstabs der Leistungsbewertung (Notenschutz) abgeleitet werden könnten (BVerwGE 152, 330). Hiergegen sind beim Bundesverfassungsgericht mittlerweile Verfassungsbeschwerden anhängig (Az. 1 BvR 2577/15, 1 BvR 2578/15 und 1 BvR 2579/15), über die noch nicht entschieden ist.

22

Das Oberverwaltungsgericht konnte die Nichtzulassung der Berufung wegen inhaltlicher Richtigkeit daher hierauf nicht stützen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der flankierenden Erwägungen, im Fach Deutsch gehörten Rechtschreibung und Zeichensetzung gerade zu den allgemein vorausgesetzten Kompetenzen und der Schutz des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG beschränke sich auf seine Funktion als Abwehrrecht. Gleiches gilt für den Hinweis auf den nach den einschlägigen schulrechtlichen Ausführungsbestimmungen bestehenden pädagogischen Spielraum. Ob die erfolgten Abwertungen unter Berücksichtigung des Spielraums der Behinderung des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung trugen, wäre gegebenenfalls erst in einem Berufungsverfahren zu klären gewesen.

23

(2) Auch mit Blick auf das (verneinte) Feststellungsinteresse verkürzt das Oberverwaltungsgericht die verfassungsrechtlich garantierten Zugangsmöglichkeiten zum Berufungsverfahren. Soweit es ausführt, es fehle an dem (vom Verwaltungsgericht insoweit nicht geprüften) Feststellungsinteresse, weil die Ausweisung der Deutschnoten in der Jahrgangsstufe 12 mit Blick auf deren Auswirkungen auf das Abiturergebnis keinen diskriminierenden Charakter hätten und der Beschwerdeführer hinsichtlich der anderen Einzelnoten schon nicht näher dargelegt habe, welche Punktzahl er für erforderlich halte, lagen diese Erwägungen nicht ohne Weiteres auf der Hand und überschritten den statthaften Prüfungsumfang im Berufungszulassungsverfahren. Inhaltlich liegen sie auch eher fern, weil der Beschwerdeführer dargelegt hat, dass die Feststellung, welche Noten er mit der von ihm für notwendig gehaltenen längeren Schreibzeitverlängerung in allen Fächern erreicht hätte, im Nachhinein nicht möglich ist. Gerade deswegen blieb ihm aber nur die Möglichkeit eines Feststellungsantrags, um eine in den erreichten Noten gegebenenfalls fortwirkende Benachteiligung durch einen entsprechenden Feststellungsausspruch zu beseitigen. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung ist im Übrigen geklärt, dass sich das notwendige Feststellungsinteresse in einer solchen Situation bereits aus der Geltendmachung einer fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - BVerwG 1 WB 59.13 -, juris, Rn. 20; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 113 Rn. 146 m.w.N.), die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG gerügt wird.

24

3. Auf die Beantwortung der weiteren vom Beschwerdeführer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen kommt es nicht an, da der angegriffene Beschluss die Berufungszulassung behandelt und keine Entscheidung zur Sache enthält.

III.

25

1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht auf dem Verfassungsverstoß. Er ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache ist an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

26

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG und den Grundsätzen für die Festsetzung des Gegenstandswerts im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 ff.>).

(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung.

(2) Bebauungspläne nach § 8 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. § 6 Absatz 2 und 4 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Erteilung der Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforderlich ist, der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ist ortsüblich bekannt zu machen. Der Bebauungsplan ist mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung nach § 10a Absatz 1 zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten; über den Inhalt ist auf Verlangen Auskunft zu geben. In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann. Mit der Bekanntmachung tritt der Bebauungsplan in Kraft. Die Bekanntmachung tritt an die Stelle der sonst für Satzungen vorgeschriebenen Veröffentlichung.

Bis zur Länderbildung nehmen die Regierungsbevollmächtigten für die Bezirke die Befugnisse aus § 2 Absatz 2 und § 8 Absatz 2 wahr.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich als Rechtsnachfolger gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren.

2

Die Beklagte erhebt Abfallgebühren im Wesentlichen getrennt nach einer behälterbezogenen Restmüllgebühr und - nur bei Wohngrundstücken - einer Personengebühr, die nach Biotonnennutzern und Eigenkompostierern aufgeteilt ist. Am 28. Januar 2009 beschloss der Stadtrat der Beklagten rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine neue Abfallgebührensatzung (AbfGS). In einer Anlage zur Satzung wurde die Höhe der Restmüllgebühr abhängig von der Größe des Restmüllbehälters und der Entsorgungshäufigkeit festgesetzt.

3

Nach einer Überarbeitung für das Jahr 2010 mit der ersten Satzung zur Änderung der Abfallgebührensatzung vom 25. November 2009 wurde der Gebührentarif mit der zweiten Änderungssatzung vom 27. Oktober 2010 zum 1. Januar 2011 erneut geändert. Die Höhe der Restmüllgebühr wurde wie folgt geregelt:

4

 Entsorgung

 14-täglich

 wöchentlich

 2 x wöchentlich

        

 60 Liter

 50,40

 100,80

 201,60

 €/Jahr

 120 Liter

 81,00

 162,00

 324,00

 €/Jahr

 240 Liter

 135,00

 270,00

 540,00

 €/Jahr

 770 Liter

 436,80

 873,60

 1747,20

 €/Jahr

 1.100 Liter

 598,80

 1.197,60

 2.395,20

 €/Jahr

5

Mit Bescheid vom 24. Januar 2011 zog die Beklagte Frau A., die Mutter der Kläger, für das Jahr 2011 für ihr Wohngrundstück zu Abfallgebühren in Höhe von 85,20 € heran, die sich aus einer Personengebühr in Höhe von 34,80 € sowie einer Restmüllgebühr in Höhe von 50,40 € zusammensetzten. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2011 wies die Beklagte den fristgerecht erhobenen Widerspruch zurück und setzte mit Bescheid vom 15. März 2011 Kosten für den Widerspruchsbescheid fest.

6

Am 6. April 2011 hat Frau A. beim Verwaltungsgericht Halle gegen den Gebührenbescheid sowie den Kostenbescheid Anfechtungsklage erhoben.

7

Auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 hat das Gericht den Gebührenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 10. März 2011 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen:

8

Die Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung sei ebenso nichtig wie in der Fassung der ersten Änderungssatzung, weil die Staffelung der Restmüllgebühr gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA verstoße. Dieser Vorschrift sei das Gebot zu entnehmen, die Kosten für die Beseitigung des Restmülls insgesamt zusammenzufassen und linear auf die gewählten Maßstabseinheiten - etwa Behältergröße und Abfuhrrhythmus - zu verteilen. Eine degressive Staffelung sei ausgeschlossen, eine progressive Staffelung könne zulässig sein, wenn sie einen Anreiz zu umweltschonendem Verhalten schaffe. Diesen Vorgaben entspreche die streitbefangene Restmüllgebühr nicht, da sie jedenfalls überwiegend nicht linear, sondern degressiv ausgestaltet sei. Dies widerspreche weiterhin dem sowohl in § 6 Abs. 3 AbfG LSA als auch in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA niedergelegten Prinzip, dass mit dem Gebührenmaßstab Anreize zu umweltschonendem Verhalten, insbesondere zur Vermeidung und Verwertung, geschaffen werden sollten. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Vertiefung, ob die von der Beklagten vorgenommene Verteilung der Kostenüberdeckung auf die Behältergrößen mit gebührenrechtlichen Grundsätzen vereinbar, insbesondere willkürfrei sei. Die Nichtigkeit der Regelung über die Restmüllgebühr führe zur Gesamtnichtigkeit der Regelung über die Abfallgebühr, also einschließlich der Personengebühr.

9

Die Klage gegen den Kostenbescheid sei unzulässig, weil es an der erforderlichen Durchführung des Vorverfahrens fehle.

10

Die Beklagte hat einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, soweit ihr Bescheid aufgehoben worden ist. Mit Beschluss vom 26. Juli 2012 hat der erkennende Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Am 12. November 2012 hat der Berichterstatter der Klägerseite eine Frist gem. § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zum 7. Dezember 2012 gesetzt.

11

Frau A. war am 23. Juli 2012 verstorben, ihr Prozessbevollmächtigter hat dies am 30. November 2012 angezeigt und die Unterbrechung des Verfahrens beantragt. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. Februar 2013 haben die Kläger das zuvor ausgesetzte Verfahren als Rechtsnachfolger aufgenommen.

12

Im Amtsblatt der Beklagten vom 13. Februar 2013 befindet sich für die Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 und die beiden Änderungssatzungen eine Bekanntmachung mit Bestätigungen, dass diese ordnungsgemäß ausgefertigt worden seien. Gleichzeitig ist der jeweilige Ausfertigungsvermerk (Ortsname, Datum und Unterschrift der bis Ende 2012 amtierenden Oberbürgermeisterin - sowohl handschriftlich als auch maschinenschriftlich - mit Amtsbezeichnung) nochmals veröffentlicht worden.

13

Die Beklagte macht zur Begründung der fristgerecht erhobenen Berufung im Wesentlichen geltend, durch § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA werde die degressive Staffelung von Abfallgebühren nicht ausgeschlossen. Nach dem 1. Halbsatz des Satzes 2 seien Ausnahmen von der linearen Staffelung sowohl bei der Abwassergebühr als auch bei der Abfallgebühr möglich. Dies ergebe sich bereits aus der Formulierung „grundsätzlich linear“. Zudem beziehe sich der 1. Halbsatz von seiner Stellung im Gesetz und von seiner Systematik auf den Satz 1 des § 5 Abs. 3a KAG LSA, bei dem es sich um den leitenden Grundsatz handele. Der Runderlass benenne hierzu beispielhaft die rechtliche Zulässigkeit einer degressiven Abfallgebühr für leichter zu behandelnde Abfälle aus Großwohnanlagen oder bei Gewerben. Hingegen lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA schließen, dass eine degressive Staffelung der Abfallgebühren gänzlich unzulässig wäre. Insbesondere lasse sich dies nicht aus dem 2. Halbsatz des Satzes 2 herleiten. Der 2. Halbsatz sei nicht im ausschließlichen Zusammenhang mit dem 1. Halbsatz zu sehen. Anderenfalls wäre die dortige Benennung der grundsätzlich linear zu staffelnden Abfallgebühren ohne Sinn erfolgt. Die weitere Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA bei den Abwassergebühren ziele entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf eine Gebührendegression, die dem Äquivalenzprinzip Rechnung trage, sondern auf eine Gebührenermäßigung aus Gründen des öffentlichen Interesses. Daraus lasse sich nicht im Umkehrschluss folgern, dass die Regelung des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Gebührenstaffelung nur bei Abwassergebühren und bei vorliegendem öffentlichen Interesse, hingegen gar nicht bei Abfallgebühren zulasse. Für die Gebührenkalkulation der Abfallentsorgung habe § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA also allenfalls deklaratorischen Charakter, indem er - nach der Regelung der Ausnahme in Satz 1 - den allgemeinen Grundsatz der linearen Gebührenbemessung wiedergebe und (lediglich) für die Abwasserbeseitigung zu einer weiteren Ausnahmeregelung (HS 2) überleite.

14

Eine Gebührendegression im Abfallgebührenrecht werde zum Teil sogar als rechtlich geboten und eine lineare Steigerung als unzulässig angesehen. Überwiegend halte jedenfalls die Rechtsprechung eine degressive Gebührenstaffelung (Mengenrabatt) gegenüber einer linearen Steigerung zwar nicht für rechtlich geboten, aber für zulässig und durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nicht für ausgeschlossen. Die Unzulässigkeit einer degressiven Gebührenstaffelung bei den Abfallgebühren ergebe sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2005. Dort würden ausschließlich Aussagen zur Gebührenstaffelung von Abwassergebühren getroffen.

15

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts lasse sich auch nicht mit Blick auf § 6 Abs. 3 AbfG LSA begründen. Unterhalb der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erzwungenen Obergrenze der Gebührenbemessung sei die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden könnten, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln seien, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen würden, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibe. Nach diesen Grundsätzen sei die vorliegende Gebührenstaffelung aber zulässig und verstoße deshalb auch nicht gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA. Zudem gehe das Gericht fehlerhaft davon aus, dass die Abfallgebühr pro m³ Leerungsvolumen je kleiner werde, desto größer der Behälter sowie der Entsorgungsrhythmus werde. Bereits die letzte Tatsachenfeststellung sei unzutreffend, denn die Abfallgebühr werde lediglich mit steigender Behältergröße kleiner, nicht aber beim Entsorgungsrhythmus. Wie aus einer Stellungnahme der (...) zusammenfassend hervorgehe, ergebe sich der Degressionseffekt allein durch die Gestaltung der behältergestützten Leistungsgebühr. Nicht linear seien im Wesentlichen die Kosten für Einsammeln/Transportieren/Umschlag, die Behälterkosten und die Kosten für Behälterwaschen. Ein Gebührenmaßstab mit degressiven Elementen spiegele im Abfallbereich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten den Logistikeinsatz und die daraus resultierenden Abfuhrkosten wirklichkeitsnah und kostenverursachungsgerecht wider. Die Entscheidung über die Höhe der einzelnen Degressionsstufen liege dabei weitgehend im Ermessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Seine Rechtsansicht werde in einem Runderlass des Innenministeriums vom 6. Juni 2001 geteilt. Der Runderlass interpretiere den nunmehr gesetzlich verankerten Grundsatz der linearen Bemessung von Abfallgebühren gleichsam als Wiederholung des seit jeher im Kommunalabgabenrecht platzgreifenden Äquivalenzprinzips. Eine degressive Gebührengestaltung sei regelmäßig mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, wenn sie - wie hier - einen degressiven Kostenverlauf widerspiegele. Eine Gebührendegression wirke zwar Anreizen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung entgegen und könne damit gegen die bundes- und landesrechtlichen Zielvorgaben verstoßen. Sie, die Beklagte, setze aber solche Anreize mit der Möglichkeit des Eigentümers, auf die Auswahl des vorzuhaltenden Restmüllbehälters und den Entsorgungsrhythmus - im Rahmen der angebotenen Leistungen - entsprechend der regelmäßig anfallenden Abfallmenge pro Grundstück Einfluss zu nehmen. Außerdem bestehe die Wahl zur Entscheidung für Eigenkompostierung oder Nutzung der Biotonne im Rahmen der Personengebühr. Ihr Gebührensystem werde zweifelsfrei den Anforderungen des § 6 Abs. 3 AbfG LSA gerecht, zumal für „über das normale Maß hinaus gehende Entsorgungsleistungen“ Sondergebühren in Höhe der tatsächlichen Kosten erhoben würden. Gerade für die Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten, die in einer Großstadt wie Halle mit ihren unterschiedlichen Grundstücksgegebenheiten erforderlich sei, sei es geboten, wirklichkeitsnahe und kostenverursachungsgerecht kalkulierte Behältergebühren zu erheben. Mit einer linearen Behältergebühr würde man diese Kosten vereinheitlichen und den Zusammenhang von konkreter Behälterinanspruchnahme und Gebührenhöhe verwischen. Würden die Anschlusspflichtigen der größeren Mehrfamilienhäuser dann z.B. überwiegend viele kleine Abfallbehälter wählen, würde die Restmüllgebühr in der Konsequenz insgesamt auf Grund der höheren Logistikkosten steigen.

16

Schließlich stünden die Begriffe „Beseitigung“ und „Verwertung“ in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA im Gegensatz zu dem umfassenden Begriff „Abfallentsorgung“ in § 5 Abs. 3 KAG LSA. Auch zum Abwasserrecht habe der Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 und 3a KAG LSA den umfassenden Begriff „Abwasserbeseitigung“ verwendet. Die auf die Beseitigung bzw. Verwertung des Abfalls entfallenden Kostenpositionen seien aber linear aufgeteilt.

17

Selbst wenn die Regelung zum Gebührenmaßstab in § 3 Abs. 1 Abfallgebührensatzung nichtig sei, führe dies nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Satzung. Alle anderen Gebührentarife und deren Kalkulation blieben von der konkreten Kalkulation der „Gebühr für Restmüllbehälter“ unberührt und auch ohne den bestrittenen Teil sinnvoll. Deshalb sei davon auszugehen, dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife losgelöst davon in eine Satzung zu geben und gegebenenfalls den hier strittigen Teil gesondert (auch gegebenenfalls nachträglich) zu regeln.

18

Weiterhin macht sie geltend, der klägerische Vortrag in der Berufungserwiderung sei wegen Verspätung zurückzuweisen und deshalb unbeachtlich.

19

Darüber hinaus seien die formellen Mängel bei der Bekanntmachung der Abfallgebührensatzungen inzwischen geheilt worden.

20

Hinsichtlich der Rügen der Kläger zur Nichteinhaltung des Äquivalenzprinzips bei zahlreichen Kostenpositionen innerhalb der Personen- und Behältergebühr weist die Beklagte darauf hin, dass der Satzungsgeber einen weitgehenden Gestaltungsspielraum habe. Entscheidend sei, ob für eine Ungleichbehandlung sachliche Gründe vorlägen. Diese könnten sich auch aus dem Gesichtspunkt der Praktikabilität ergeben, wenn eine dem strikten formalen Gleichbehandlungsgebot entsprechende Gebührenbemessung zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führen würde. Nach der Rechtsprechung würden Gleichheitssatz und Äquivalenzprinzip kein striktes Gebot der gebührenrechtlichen Leistungsproportionalität in dem Sinn gebieten, dass die Gebühren nach dem Maß der durch die Benutzung im Einzelfall jeweils verursachten Kosten erhoben werden müssten. Das von ihr verwendete mehrteilige Abfallgebührensystem bei Wohngrundstücken in einer Kombination von Personen- und Behältermaßstab sei in der Rechtsprechung bestätigt. Die Nutzung kleinerer oder größerer Behälter habe nichts mit der Nebenkostenbelastung durch Hartz IV-Empfänger für sie zu tun. Die sonstigen Rügen der Kläger seien ebenfalls sämtlich unbegründet.

21

Die Beklagte beantragt,

22

das auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

23

Die Kläger beantragen,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Die Satzung vom 28. Januar 2009 sowie die erste und zweite Änderungssatzung seien schon nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die erneute Bekanntmachung des Ausfertigungsvermerks sei ebenfalls nicht fehlerfrei und habe keine Heilung zur Folge.

26

Die Intention des Gesetzgebers sei von Anfang bis Ende des Verfahrens zur Änderung des § 5 KAG LSA im Jahre 2000 die Fixierung einer linearen Gebührenstaffelung gewesen. Dies ergebe sich aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens und der Intention des Entwurfsverfassers. Auch aus dem Regelungszusammenhang ergebe sich eine zwingende lineare Staffelung. Der Runderlass des Innenministeriums ändere nichts, da auch dort als grundlegender Gedanke formuliert sei, dass dem Äquivalenzprinzip entsprechend Abfallgebühren grundsätzlich linear zu staffeln sein. Soweit die Beklagte meine, eine degressive Gebührenstaffelung vornehmen zu müssen, sei allein das städtische Interesse maßgeblich. Eine degressive Staffelung führe zur Stützung größerer Sammelbehälter. Diese Container befänden sich überwiegend in alten Plattenbauten, in welchen Bürger wohnten, die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II bezögen. Dazu gehörten auch Miet- und Mietnebenkosten, die von der Kommune zu tragen sein.

27

Unter Bezugnahme auf das Äquivalenzprinzip werde der Verursacher von Aufwendungen mit einer betriebswirtschaftlichen Kostenanalytik nur bei - aus Sicht der Beklagten - passenden Stellen bis ins kleinste Detail bemüht. Zahlreiche Beispiele in anderen Bereichen der Abfallgebühren zeigten, wie auch Nichtverursacher von Leistungen/Abfällen/Abfallmengen entgegen den Vorgaben des Äquivalenzprinzips wegen linearer Kostenverteilung und daraus resultierenden Gebührenteilen belastet würden. Setze man die Abfallgebühr in ihrer Gesamtheit (Summe von Personen- und Restmüllgebühr) behältergrößenbezogen unter den Maßstab des § 5 Abs. 3a KAG LSA, so finde sich zudem in der Personengebühr ebenfalls ein Beitrag zur Degression und damit zur Nichtkonformität mit dem KAG LSA. Das rühre daher, dass die Personengebühr unabhängig von der Restabfallmenge erhoben werde und damit Viel-Abfall-Produzenten bevorzugt würden.

28

Die Kostenüberdeckung sei bei der Kalkulation der Restmüllgebühr willkürlich ausgeglichen worden. Nach der Satzungsbegründung sei die Überdeckung so auf die einzelnen Behältergrößen aufgeteilt worden, dass alle Behältergrößen von der Senkung der Restmüllgebühr profitierten.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die zulässige Berufung ist begründet.

31

Der Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 24. Januar 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. März 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

32

Die als Rechtsgrundlage herangezogene Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 ist, auch in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009 und der zweiten Änderungssatzung vom 27. Oktober 2010, nichtig, da sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung verstößt gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA.

33

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfG LSA erheben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Leistungen der kommunalen Abfallentsorgung auf der Grundlage von Satzungen nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und unter Beachtung der nachfolgenden Absätze Gebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Nach § 6 Abs. 3 AbfG LSA sollen mit dem Gebührenmaßstab wirksame und nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung geschaffen werden.

34

Gemäß § 5 Abs. 3a KAG LSA kann bei Einrichtungen und Anlagen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, die Benutzungsgebühr für die Leistungen so bemessen werden, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bietet (Satz 1). Die Gebühren für die Abwasserbeseitigung sowie für die Beseitigung und Verwertung von Abfällen sind grundsätzlich linear zu staffeln; die Abwassergebühren können degressiv bemessen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist (Satz 2).

35

§ 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA ist mit dem Verwaltungsgericht dahingehend auszulegen, dass eine degressive Staffelung von Abfallgebühren, d.h. eine Staffelung, bei der die Gebühren bei zunehmender Leistungsmenge unterproportional ansteigen, ausgeschlossen und zumindest eine lineare Staffelung vorzunehmen ist.

36

Zwar ist der Wortlaut der Regelung nicht eindeutig. Denn der Begriff „grundsätzlich“ könnte sich zum einen allein darauf beziehen, dass in Anwendung der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG auch eine progressive Staffelung erlaubt ist und dass (nur) bei Abwassergebühren gem. § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Staffelung möglich ist. Zum anderen könnte er im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung Raum für eine degressive Staffelung der genannten Gebühren in besonderen Einzelfällen eröffnen. Auch der Wortlaut des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA lässt nicht hinreichend sicher darauf schließen, ob danach (allein) Abwassergebühren degressiv gestaffelt werden dürfen oder ob eine (eben nicht generell ausgeschlossene) degressive Staffelung bei Abwassergebühren (nur) erlaubt ist, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

37

Jedoch ergibt sich das hier vertretene Ergebnis aus der Gesetzeshistorie, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung.

38

Der mit Änderungsgesetz vom 15. August 2000 (GVBl. S. 526) eingeführte § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geht auf einen Gesetzentwurf der PDS vom 7. April 1999 (LT- DrS 3/1386) zurück. Zur Begründung heißt es dort: „Der Gedanke einer umweltverträglichen Wassernutzung soll sich in der Gebührenbemessung niederschlagen. Mengenrabatte auf Umweltgebrauch sollen grundsätzlich nicht zugelassen werden. Eine degressive Gebührengestaltung widerspricht diesem Anliegen und ist daher ausgeschlossen.“ Auch wenn der Begriff „grundsätzlich“ verwendet wird und nach dem Gesetzestext bei den Abwassergebühren eine degressive Staffelung gerade nicht ausgeschlossen ist, lässt diese Begründung erkennen, dass mit der Gesetzesänderung das Ziel verfolgt werden sollte, ansonsten degressive Staffelungen generell zu untersagen.

39

Die Systematik des Gesetzes spricht ebenfalls für eine solche Auslegung. § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA bestimmt als den leitenden Grundsatz, dass die Benutzungsgebühren bei Einrichtungen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, so bemessen werden dürfen, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bieten. Der Regelungszusammenhang mit dem folgenden Satz 2 macht deutlich, dass die Ermächtigung in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, die Bemessung von Benutzungsgebühren als Anreiz zu umweltschonenden Verhalten zu nutzen, durch den folgenden Satz 2 nicht eingeschränkt werden soll. Vielmehr knüpft diese Bestimmung an den Satz 1 in der Weise an, dass er die Ermächtigung im Satz 1 zu einer bindenden Verpflichtung macht, jedenfalls eine lineare Staffelung der Benutzungsgebühren vorzusehen. Dieser Mindeststandard soll nur unter den engen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA für die Abwasserbeseitigung durchbrochen und unterschritten werden dürfen (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 264/03 -, zit. nach JURIS zu einer Abwassergebühr). Der Begriff „grundsätzlich“ bezieht sich danach allein auf die Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA. Dass das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt - IM LSA - in seinen „Auslegungshilfen zum Kommunalabgabenrecht“ (Runderlass v. 6. Juni 2001 - 33.3-10500/H) eine degressive Staffelung von Abfallgebühren in besonderen Fällen für zulässig erachtet, stellt lediglich eine abweichende Rechtsmeinung dar.

40

Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG ist es daher nicht nur, im Sinne einer Soll-Vorschrift zu wirken, sondern eine zumindest lineare Staffelung der Abfallgebühren bindend vorzuschreiben. Dafür spricht im Abfallgebührenrecht nicht nur § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, sondern gerade auch die Regelung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA. Diese beiden Normen zielen hinsichtlich des Gebührenmaßstabes im Ergebnis darauf ab, dass für ansteigende Abfallerzeugung auch gleichermaßen ansteigende Abfallgebühren entrichtet werden. Dass eine degressive Gebührengestaltung gerade keine wirksamen und nachhaltigen Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfall setzt, sondern im Ansatz sogar den gegenteiligen Effekt hat (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 338), wird auch von der Beklagten eingeräumt.

41

Sonstige Grundsätze der Gebührenbemessung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Insbesondere das von der Beklagten genannte Äquivalenzprinzip hat nicht zur Folge, dass der Landesgesetzgeber an der Untersagung einer degressiven Gebührengestaltung im Abfallrecht gehindert ist (anders wohl das IM LSA im Runderlass vom 6. Juni 2001). Das aus Verfassungsrecht herzuleitende Äquivalenzprinzip, dessen landesgesetzliche Ausprägung sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG LSA findet, besagt als Ausdruck des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich, dass eine Gebührenbemessung nicht in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stehen darf (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 6. November 2012 - 2 BvL 51/06, 2 BvL 52/06 -, jeweils zit. nach JURIS). Es darf also zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Zwar seien dem Äquivalenzprinzip Vorgaben zu entnehmen, die bei landesrechtlichen Gebührenregelungen zu beachten seien. Dem Landesrecht verblieben insoweit aber, insbesondere was die Verknüpfung der Gebührenhöhe mit den aufgewandten Kosten angehe, umfangreiche Gestaltungsspielräume (so BVerwG, Beschl. v. 27. Mai 2003 - 9 BN 3/03 -, zit. nach JURIS).

42

Selbst wenn unbestritten bei höheren Müllmengen verbunden mit größeren Abfallbehältern eine Kostenersparnis bzw. eine Leistungsreduzierung eintritt, ist diese von vornherein nicht so erheblich, dass bei einer streng linearen Gebührenstaffelung ein das Äquivalenzprinzip verletzendes Ungleichgewicht vorliegt. Dies wird auch nicht von der Beklagten vertreten. Dementsprechend ist nach der herrschenden Meinung im Abfallgebührenrecht - bei Nichtvorliegen einer entgegengesetzten landesrechtlichen Regelung - eine degressive Gebührenstaffelung gegenüber einer linearen Steigerung nicht rechtlich geboten, sondern kann lediglich zulässig sein (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 11. Dezember 2002 - 5 D 13/02 -; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2001 - 4 N 47/96 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25. November 1999 - 12 A 12472/98 -, jeweils zit. nach JURIS; VGH Bayern, Urt. v. 6. Juni 1984 - 4 B 81 A.2310 -, BayVBl. 1985, 17, 18; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 214; 338; 754, 765; Wenzel/v. Bechtolsheim, LKV 2004, 18, 19; offen gelassen von VGH Hessen, Beschl. v. 24. August 1995 - 5 N 2019/92 -, jeweils zit. nach JURIS; anders VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 30. Januar 1997 - 2 S 1891/94 -, zit. nach JURIS m.w.N. für Müllgebühren je Haushaltsangehörigen bzw. je Bewohner eines Grundstücks; vgl. auch Thiem/Böttcher, KAG SH, § 6 Rdnr. 424). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat schon entschieden, dass im Benutzungsgebührenrecht weder aus dem Äquivalenzprinzip noch aus dem Gleichheitssatz ein Anspruch auf eine Gebührendegression folge (so BVerwG, Urt. v. 15. März 1983 - 8 C 167.81 -, zit. nach JURIS m.w.N.).

43

Die weiteren Einwendungen der Beklagten sind ebenfalls nicht durchgreifend.

44

Aus der Verwendung der Begriffe „Beseitigung“ und „Verwertung“ in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA lässt sich nicht schließen, der Gesetzgeber habe bewusst nicht den Oberbegriff „Abfallentsorgung“ gewählt mit der Folge, dass allenfalls für einzelne Teilleistungsbereiche ein Verbot der degressiven Gebührenstaffelung gelte. Diese beiden Begriffe hatten nach der zum Zeitpunkt der Einführung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geltenden Gesetzeslage (vgl. § 3 Abs. 7 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in der ab 11. Mai 2000 geltenden Fassung; § 12 Abs. 1 AbfG LSA vom 10. März 1998) einen umfassenden Bedeutungsgehalt und stellen daher eine Entsprechung zu dem in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA ebenfalls verwendeten Begriff „Abwasserbeseitigung“ dar.

45

Soweit die Beklagte geltend macht, die Gebührenbelastung werde bei einer linearen Gebührengestaltung auf Grund von höheren Logistikkosten insgesamt steigen, handelt es sich um eine reine Spekulation. Für die von ihr genannte Befürchtung, es werde zu einem Austausch von großen Abfallbehältern gegen (mehrere) kleinere Behälter kommen, hat sie schon keinen Anhaltspunkt genannt. Im Übrigen dürfte selbst eine solche Folge nichts an der Auslegung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA und dessen Vereinbarkeit mit sonstigen gebührenrechtlichen Grundsätzen ändern.

46

Ob die Staffelung der Restmüllgebühr (auch) gegen die Vorgaben der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG LSA verstößt, spielt keine Rolle, weil es darauf bei einem Verstoß der Satzung gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht ankommt.

47

Die im Übrigen von der Beklagten vorgebrachten Argumente, insbesondere die genannten Belege für eine abnehmende Kostenbelastung bzw. abnehmende Leistungserbringung bei steigenden Behältergrößen, sind zwar durchaus geeignet, auf der Ebene der Satzungsgestaltung die Einführung einer Degression zu stützen. Sie sind aber gegenüber den genannten Anhaltspunkten in der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Norm nicht ausreichend, um eine abweichende Auslegung der streitbefangenen Norm zu rechtfertigen. Angesichts der Einschränkung durch den Landesgesetzgeber ist es daher auch von vornherein unbeachtlich, dass grundsätzlich auch dem Satzungsgeber bei der Gestaltung des Gebührenmaßstabs ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt.

48

Ob die Bestimmung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA die sachgerechteste Vorgabe für eine Gebührengestaltung beinhaltet, ist bei der Auslegung des Gesetzes schließlich nicht Gegenstand der richterlichen Prüfung. Entscheidend sind allein der objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich nach Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden darstellt, und die Untersuchung, ob die Norm in der gefundenen Auslegung wiederum mit höherrangigem (Verfassungs-)Recht vereinbar ist.

49

Die Regelungen zur Restmüllgebühr in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 sowie in der Abfallgebührensatzung in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009 und der zweiten Änderungssatzung vom 27. Oktober 2010 stehen danach mit § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht in Übereinstimmung. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung ist auf Grund der Festlegung der Gebührenhöhe für die einzelnen Behältergrößen weitestgehend degressiv ausgestaltet. Die Beklagte räumt dies auch ein, und dieser Umstand wird in der von ihr vorgelegten Stellungnahme der (...) ausdrücklich bestätigt. Dass durch den Entsorgungsrhythmus keine Degression eintritt, ist danach unbeachtlich. Ob einzelne Kostenbestandteile der Restmüllgebühr je nach Behältergröße unterschiedlich hoch sind, hat für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gebührenmaßstabs von vornherein keine Bedeutung. Denn es kommt allein auf den Gebührenmaßstab bzw. die Gebührenstaffelung an und nicht auf die Gebührenkalkulation (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 3. November 2006 - 4 L 284/05 -, zit. nach JURIS).

50

Der aufgezeigte Mangel hat zur Folge, dass die Gebührenregelungen in der Satzung insgesamt nichtig sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt Beschl. v. 24. Februar 2012 - 9 B 80/11 -, zit. nach JURIS m.w.N.) führt die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die jeweils einzeln kalkulierten Gebührentarife blieben - jeweils für sich betrachtet - sinnvoll und ergäben eine Kostendeckung, so dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife gegebenenfalls gesondert zu regeln. Wie der erkennende Senat aber schon mehrfach entschieden hat, kann man nicht davon ausgehen, es entspreche regelmäßig dem Willen des Satzungsgebers, dass für den Fall der Unwirksamkeit eines Teils der Satzung die übrige Satzung Geltung behalte. Eine solche Regelvermutung besteht gerade nicht. Dass die Körperschaft bei Annahme einer Teilnichtigkeit befugt wäre, den nichtigen Teil der Satzung rückwirkend zu heilen, ist für die Auslegung ihres (hypothetischen) Willens ohne Bedeutung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. November 2006 - 4 L 320/06 -, Urt. v. 14. April 2008 - 4 L 181/07 - und Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 - jeweils zit. nach JURIS m.w.N.). Da die Beklagte die Abfallgebühren mit einem in sich geschlossenen und aufeinander abgestimmten Gebührensystem erhebt, dessen wesentliche Bestandteile die Personen- und Restmüllgebühr sind, ist ohne deutliche Indizien gerade nicht anzunehmen, dass bei der Nichtigkeit eines Teils dieses Gesamtgefüges der restliche Teil bestehen bleiben soll. Solche Anhaltspunkte sind aber weder substanziiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

51

Dass die Gebührenerhebung auf eine vorhergehende Gebührensatzung gestützt werden kann, hat die Beklagte schon nicht geltend gemacht. Es kann daher offen bleiben, ob sich die Gesamtnichtigkeit der Satzung nicht auf die Regelung über das Inkrafttreten der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 bezieht, mit der die Vorgängersatzung aufgehoben worden ist (so OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28. Januar 2009 - 9 A 1.07 -; VGH Bayern, Beschl. v. 26. Februar 2001 - 23 ZS 00.2999 -; Rosenzweig/Fresse, KAG Nds, § 2 Rdnr. 31 m.w.N.; a.M.: VG Potsdam, Urt. v. 8. November 2012 - 6 K 1249/11 -, jeweils zit. nach JURIS).

52

Nicht entschieden werden muss noch danach, ob eine unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung einer Kostenüberdeckung zu beanstanden ist. Da ohnehin keine Verbindung zwischen den in einem vorherigen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenüberdeckungen und dem Verhalten der Gebührenpflichtigen des darauffolgenden Kalkulationszeitraums besteht (vgl. dazu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 92, 101)) und § 5 Abs. 2b Satz 2 KAG LSA nur allgemein den „Ausgleich“ von Kostenüberdeckungen vorsieht, reicht es aus, wenn diese Verteilung auf die Behältergrößen nicht willkürlich erfolgt, sondern nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien vorgenommen wird, die den Gesichtspunkt der Praktikabilität einbeziehen dürfen (vgl. auch VGH Hessen, Beschl. v. 8. September 2005 - 5 N 3200/02 -, zit. nach JURIS).

53

Die in der Berufungserwiderung vorgebrachten Einwendungen der Kläger, die sich auf eine Verletzung des Äquivalenzprinzips beziehen, dürften dagegen von vornherein nicht durchgreifend sein. Die Kläger sehen dieses Prinzip dann als verletzt an, wenn Kosten der Abfallbeseitigung innerhalb der Personen- bzw. Restmüllgebühr auf sämtliche Gebührennutzer umgelegt werden, obwohl die entsprechenden Leistungen nicht gegenüber allen Gebührennutzern erbracht bzw. die Kosten nicht von allen Gebührennutzern verursacht werden.

54

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dem Satzungsgeber bei der Bestimmung des Gebührenmaßstabs für Abfallgebühren ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, dessen Grenzen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Der jeweilige Satzungsgeber kann je nach den konkreten Umständen eine Auswahl unter den verschiedensten Gebührenmodellen treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt. Zur Wahl stehen neben mengen- oder gewichtsorientierten auch personen-, haushalts- oder grundstücksbezogene Gebührenmaßstäbe; auch Kombinationen kommen in Betracht. Nach dem Äquivalenzprinzip darf nur zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Dabei verbleibt dem Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, in welcher Weise eine sachgerechte Verbindung zwischen dem Wert seiner Leistung und der auf den Anschlusspflichtigen entfallende Gebühr bewirkt werden soll, ein weiter Ermessenspielraum (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 2007 - 7 BN 6/07 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Verfassungsrechtlich geboten ist nicht, dass dem unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme staatlicher Leistung genau Rechnung getragen wird, sondern nur, dass in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit eine verhältnismäßige Belastungsgleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04 -, zit. nach JURIS). Auch sonst hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz es nicht verlangen, dass Benutzungsgebühren strikt nach dem Maß der durch die jeweilige Benutzung verursachten Kosten erhoben werden müssen. Vielmehr ist auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität hinsichtlich der Ermittlung der jeweiligen Kosten zu beachten (BVerwG, Urt. v. 7. Dezember 2000 - 11 C 7/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.). Danach ist eine pauschalierende Gebührenerhebung im Abfallrecht, die nicht strikt auf die erbrachten Leistungen bzw. entstandenen Kosten abstellt (vgl. zu einem einheitlichen Maßstab nach dem Restabfallbehältervolumen Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 765a; Rosenzweig/Freese, KAG Nds, § 5 Rdnr. 329 jeweils m.w.N.), grundsätzlich nicht zu beanstanden.

55

Offen bleiben kann, ob die Bekanntmachung der Ausfertigungen der Änderungssatzungen formell ordnungsgemäß erfolgt ist.

56

Es ist grundsätzlich unverzichtbar, dass bei einer gemeindlichen Satzung die Unterschrift des Bürgermeisters als nach der Gemeindeordnung notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens ebenso mit der Satzung veröffentlicht wird wie das Datum der Unterschriftsleistung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012 - 4 L 135/12 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Bei der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 wurde ein solcher Ausfertigungsvermerk mit der Satzung bekannt gemacht; dass die Wiedergabe der Unterschrift in Form einer „maschinengedruckten“ Namensangabe erfolgte, ist ausreichend (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Dagegen genügte der bei der ersten Änderungssatzung lediglich vorgenommene Abdruck einer „Bekanntmachungsanordnung“ nicht den rechtlichen Vorgaben an die Bekanntmachung eines Ausfertigungsvermerks (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.) und bei der zweiten Änderungssatzung fehlte im Ausfertigungsvermerk die Angabe des Datums der Unterschrift, was ebenfalls die Nichtigkeit der Satzung zur Folge hatte (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012 - 4 L 155/09 -, zit. nach JURIS).

57

Unterbleibt die Veröffentlichung des Ausfertigungsvermerks gemeinsam mit der Satzung oder ist die Veröffentlichung dieses Vermerks fehlerhaft bzw. unvollständig, kommt grundsätzlich in Betracht, dass die gesamte Satzung mit dem vollständigen Ausfertigungsvermerk im Wege einer wiederholenden Bekanntmachung nochmals veröffentlicht wird oder eine neue Ausfertigung erfolgt mit anschließender Bekanntmachung der Satzung und eines neuen Ausfertigungsvermerks. Ansonsten ist der Mangel nur dann unbeachtlich, wenn die Satzung bei der Bekanntmachung tatsächlich ausgefertigt war und die Ausfertigung der Satzung in der üblichen Form jedenfalls nachträglich bestätigt wird (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012, a.a.O.; Beschl. v. 24. November 2010 - 4 K 368/08 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 7. Juni 1978 - VII C 63.76 -, zit. nach JURIS). Eine solche Bestätigung kann einmal durch eine nachträgliche Bekanntmachung einer rechtsverbindlichen Erklärung erfolgen, dass die Satzung zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ordnungsgemäß ausgefertigt war. Diese Erklärung muss von dem zum Zeitpunkt der Erklärung amtierenden Bürgermeister abgegeben werden, weil dieser das nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA das für die Ausfertigung und Bekanntmachung von Satzungen zuständige Gemeindeorgan ist und eine derartige Erklärung eine über eine redaktionelle Berichtigung hinausgehende Ergänzung des zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts darstellt. Zum anderen kann die Bestätigung durch eine redaktionelle Berichtigung (vgl. dazu auch § 61 Abs. 3 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien) der Satzung erfolgen, mit der der - allein im Rahmen der Veröffentlichung - aufgetretene Mangel erläutert und der vollständige Ausfertigungsvermerk nochmals veröffentlicht wird. Eine derartige Berichtigung muss auch nicht durch den zum Zeitpunkt der Berichtigung amtierenden Bürgermeister unterzeichnet sein, wenngleich die Angabe der veranlassenden Verwaltung der Gemeinde zumindest als Orientierung hilfreich wäre.

58

Die Beklagte hat in dem Amtsblatt vom 13. Februar 2013 ausdrücklich im Wege einer „Bekanntmachung“ eine Erklärung zur Ordnungsgemäßheit der Ausfertigung der Satzung veröffentlicht und gleichzeitig den ursprünglichen Ausfertigungsvermerk beigefügt, ohne dass der zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung amtierende Bürgermeister die Bekanntmachung unterzeichnet hat. Es ist nach den oben dargestellten Überlegungen deshalb problematisch, ob es sich um die Bekanntmachung einer Bestätigungserklärung oder eine redaktionelle Berichtigung gehandelt hat.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

60

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

61

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


(1) Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung.

(2) Bebauungspläne nach § 8 Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bedürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde. § 6 Absatz 2 und 4 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Erteilung der Genehmigung oder, soweit eine Genehmigung nicht erforderlich ist, der Beschluss des Bebauungsplans durch die Gemeinde ist ortsüblich bekannt zu machen. Der Bebauungsplan ist mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung nach § 10a Absatz 1 zu jedermanns Einsicht bereitzuhalten; über den Inhalt ist auf Verlangen Auskunft zu geben. In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann. Mit der Bekanntmachung tritt der Bebauungsplan in Kraft. Die Bekanntmachung tritt an die Stelle der sonst für Satzungen vorgeschriebenen Veröffentlichung.

Bis zur Länderbildung nehmen die Regierungsbevollmächtigten für die Bezirke die Befugnisse aus § 2 Absatz 2 und § 8 Absatz 2 wahr.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.