Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 16. Apr. 2013 - 4 L 97/12

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2013:0416.4L97.12.0A
16.04.2013

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich als Rechtsnachfolger gegen die Heranziehung zu Abfallgebühren.

2

Die Beklagte erhebt Abfallgebühren im Wesentlichen getrennt nach einer behälterbezogenen Restmüllgebühr und - nur bei Wohngrundstücken - einer Personengebühr, die nach Biotonnennutzern und Eigenkompostierern aufgeteilt ist. Am 28. Januar 2009 beschloss der Stadtrat der Beklagten rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine neue Abfallgebührensatzung (AbfGS). In einer Anlage zur Satzung wurde die Höhe der Restmüllgebühr abhängig von der Größe des Restmüllbehälters und der Entsorgungshäufigkeit festgesetzt.

3

Nach einer Überarbeitung für das Jahr 2010 mit der ersten Satzung zur Änderung der Abfallgebührensatzung vom 25. November 2009 wurde der Gebührentarif mit der zweiten Änderungssatzung vom 27. Oktober 2010 zum 1. Januar 2011 erneut geändert. Die Höhe der Restmüllgebühr wurde wie folgt geregelt:

4

 Entsorgung

 14-täglich

 wöchentlich

 2 x wöchentlich

        

 60 Liter

 50,40

 100,80

 201,60

 €/Jahr

 120 Liter

 81,00

 162,00

 324,00

 €/Jahr

 240 Liter

 135,00

 270,00

 540,00

 €/Jahr

 770 Liter

 436,80

 873,60

 1747,20

 €/Jahr

 1.100 Liter

 598,80

 1.197,60

 2.395,20

 €/Jahr

5

Mit Bescheid vom 24. Januar 2011 zog die Beklagte Frau A., die Mutter der Kläger, für das Jahr 2011 für ihr Wohngrundstück zu Abfallgebühren in Höhe von 85,20 € heran, die sich aus einer Personengebühr in Höhe von 34,80 € sowie einer Restmüllgebühr in Höhe von 50,40 € zusammensetzten. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2011 wies die Beklagte den fristgerecht erhobenen Widerspruch zurück und setzte mit Bescheid vom 15. März 2011 Kosten für den Widerspruchsbescheid fest.

6

Am 6. April 2011 hat Frau A. beim Verwaltungsgericht Halle gegen den Gebührenbescheid sowie den Kostenbescheid Anfechtungsklage erhoben.

7

Auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 hat das Gericht den Gebührenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 10. März 2011 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen:

8

Die Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung sei ebenso nichtig wie in der Fassung der ersten Änderungssatzung, weil die Staffelung der Restmüllgebühr gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA verstoße. Dieser Vorschrift sei das Gebot zu entnehmen, die Kosten für die Beseitigung des Restmülls insgesamt zusammenzufassen und linear auf die gewählten Maßstabseinheiten - etwa Behältergröße und Abfuhrrhythmus - zu verteilen. Eine degressive Staffelung sei ausgeschlossen, eine progressive Staffelung könne zulässig sein, wenn sie einen Anreiz zu umweltschonendem Verhalten schaffe. Diesen Vorgaben entspreche die streitbefangene Restmüllgebühr nicht, da sie jedenfalls überwiegend nicht linear, sondern degressiv ausgestaltet sei. Dies widerspreche weiterhin dem sowohl in § 6 Abs. 3 AbfG LSA als auch in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA niedergelegten Prinzip, dass mit dem Gebührenmaßstab Anreize zu umweltschonendem Verhalten, insbesondere zur Vermeidung und Verwertung, geschaffen werden sollten. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner Vertiefung, ob die von der Beklagten vorgenommene Verteilung der Kostenüberdeckung auf die Behältergrößen mit gebührenrechtlichen Grundsätzen vereinbar, insbesondere willkürfrei sei. Die Nichtigkeit der Regelung über die Restmüllgebühr führe zur Gesamtnichtigkeit der Regelung über die Abfallgebühr, also einschließlich der Personengebühr.

9

Die Klage gegen den Kostenbescheid sei unzulässig, weil es an der erforderlichen Durchführung des Vorverfahrens fehle.

10

Die Beklagte hat einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, soweit ihr Bescheid aufgehoben worden ist. Mit Beschluss vom 26. Juli 2012 hat der erkennende Senat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Am 12. November 2012 hat der Berichterstatter der Klägerseite eine Frist gem. § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO bis zum 7. Dezember 2012 gesetzt.

11

Frau A. war am 23. Juli 2012 verstorben, ihr Prozessbevollmächtigter hat dies am 30. November 2012 angezeigt und die Unterbrechung des Verfahrens beantragt. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. Februar 2013 haben die Kläger das zuvor ausgesetzte Verfahren als Rechtsnachfolger aufgenommen.

12

Im Amtsblatt der Beklagten vom 13. Februar 2013 befindet sich für die Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 und die beiden Änderungssatzungen eine Bekanntmachung mit Bestätigungen, dass diese ordnungsgemäß ausgefertigt worden seien. Gleichzeitig ist der jeweilige Ausfertigungsvermerk (Ortsname, Datum und Unterschrift der bis Ende 2012 amtierenden Oberbürgermeisterin - sowohl handschriftlich als auch maschinenschriftlich - mit Amtsbezeichnung) nochmals veröffentlicht worden.

13

Die Beklagte macht zur Begründung der fristgerecht erhobenen Berufung im Wesentlichen geltend, durch § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA werde die degressive Staffelung von Abfallgebühren nicht ausgeschlossen. Nach dem 1. Halbsatz des Satzes 2 seien Ausnahmen von der linearen Staffelung sowohl bei der Abwassergebühr als auch bei der Abfallgebühr möglich. Dies ergebe sich bereits aus der Formulierung „grundsätzlich linear“. Zudem beziehe sich der 1. Halbsatz von seiner Stellung im Gesetz und von seiner Systematik auf den Satz 1 des § 5 Abs. 3a KAG LSA, bei dem es sich um den leitenden Grundsatz handele. Der Runderlass benenne hierzu beispielhaft die rechtliche Zulässigkeit einer degressiven Abfallgebühr für leichter zu behandelnde Abfälle aus Großwohnanlagen oder bei Gewerben. Hingegen lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA schließen, dass eine degressive Staffelung der Abfallgebühren gänzlich unzulässig wäre. Insbesondere lasse sich dies nicht aus dem 2. Halbsatz des Satzes 2 herleiten. Der 2. Halbsatz sei nicht im ausschließlichen Zusammenhang mit dem 1. Halbsatz zu sehen. Anderenfalls wäre die dortige Benennung der grundsätzlich linear zu staffelnden Abfallgebühren ohne Sinn erfolgt. Die weitere Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA bei den Abwassergebühren ziele entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf eine Gebührendegression, die dem Äquivalenzprinzip Rechnung trage, sondern auf eine Gebührenermäßigung aus Gründen des öffentlichen Interesses. Daraus lasse sich nicht im Umkehrschluss folgern, dass die Regelung des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Gebührenstaffelung nur bei Abwassergebühren und bei vorliegendem öffentlichen Interesse, hingegen gar nicht bei Abfallgebühren zulasse. Für die Gebührenkalkulation der Abfallentsorgung habe § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA also allenfalls deklaratorischen Charakter, indem er - nach der Regelung der Ausnahme in Satz 1 - den allgemeinen Grundsatz der linearen Gebührenbemessung wiedergebe und (lediglich) für die Abwasserbeseitigung zu einer weiteren Ausnahmeregelung (HS 2) überleite.

14

Eine Gebührendegression im Abfallgebührenrecht werde zum Teil sogar als rechtlich geboten und eine lineare Steigerung als unzulässig angesehen. Überwiegend halte jedenfalls die Rechtsprechung eine degressive Gebührenstaffelung (Mengenrabatt) gegenüber einer linearen Steigerung zwar nicht für rechtlich geboten, aber für zulässig und durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nicht für ausgeschlossen. Die Unzulässigkeit einer degressiven Gebührenstaffelung bei den Abfallgebühren ergebe sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2005. Dort würden ausschließlich Aussagen zur Gebührenstaffelung von Abwassergebühren getroffen.

15

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts lasse sich auch nicht mit Blick auf § 6 Abs. 3 AbfG LSA begründen. Unterhalb der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erzwungenen Obergrenze der Gebührenbemessung sei die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden könnten, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln seien, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen würden, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibe. Nach diesen Grundsätzen sei die vorliegende Gebührenstaffelung aber zulässig und verstoße deshalb auch nicht gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA. Zudem gehe das Gericht fehlerhaft davon aus, dass die Abfallgebühr pro m³ Leerungsvolumen je kleiner werde, desto größer der Behälter sowie der Entsorgungsrhythmus werde. Bereits die letzte Tatsachenfeststellung sei unzutreffend, denn die Abfallgebühr werde lediglich mit steigender Behältergröße kleiner, nicht aber beim Entsorgungsrhythmus. Wie aus einer Stellungnahme der (...) zusammenfassend hervorgehe, ergebe sich der Degressionseffekt allein durch die Gestaltung der behältergestützten Leistungsgebühr. Nicht linear seien im Wesentlichen die Kosten für Einsammeln/Transportieren/Umschlag, die Behälterkosten und die Kosten für Behälterwaschen. Ein Gebührenmaßstab mit degressiven Elementen spiegele im Abfallbereich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten den Logistikeinsatz und die daraus resultierenden Abfuhrkosten wirklichkeitsnah und kostenverursachungsgerecht wider. Die Entscheidung über die Höhe der einzelnen Degressionsstufen liege dabei weitgehend im Ermessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Seine Rechtsansicht werde in einem Runderlass des Innenministeriums vom 6. Juni 2001 geteilt. Der Runderlass interpretiere den nunmehr gesetzlich verankerten Grundsatz der linearen Bemessung von Abfallgebühren gleichsam als Wiederholung des seit jeher im Kommunalabgabenrecht platzgreifenden Äquivalenzprinzips. Eine degressive Gebührengestaltung sei regelmäßig mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar, wenn sie - wie hier - einen degressiven Kostenverlauf widerspiegele. Eine Gebührendegression wirke zwar Anreizen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung entgegen und könne damit gegen die bundes- und landesrechtlichen Zielvorgaben verstoßen. Sie, die Beklagte, setze aber solche Anreize mit der Möglichkeit des Eigentümers, auf die Auswahl des vorzuhaltenden Restmüllbehälters und den Entsorgungsrhythmus - im Rahmen der angebotenen Leistungen - entsprechend der regelmäßig anfallenden Abfallmenge pro Grundstück Einfluss zu nehmen. Außerdem bestehe die Wahl zur Entscheidung für Eigenkompostierung oder Nutzung der Biotonne im Rahmen der Personengebühr. Ihr Gebührensystem werde zweifelsfrei den Anforderungen des § 6 Abs. 3 AbfG LSA gerecht, zumal für „über das normale Maß hinaus gehende Entsorgungsleistungen“ Sondergebühren in Höhe der tatsächlichen Kosten erhoben würden. Gerade für die Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten, die in einer Großstadt wie Halle mit ihren unterschiedlichen Grundstücksgegebenheiten erforderlich sei, sei es geboten, wirklichkeitsnahe und kostenverursachungsgerecht kalkulierte Behältergebühren zu erheben. Mit einer linearen Behältergebühr würde man diese Kosten vereinheitlichen und den Zusammenhang von konkreter Behälterinanspruchnahme und Gebührenhöhe verwischen. Würden die Anschlusspflichtigen der größeren Mehrfamilienhäuser dann z.B. überwiegend viele kleine Abfallbehälter wählen, würde die Restmüllgebühr in der Konsequenz insgesamt auf Grund der höheren Logistikkosten steigen.

16

Schließlich stünden die Begriffe „Beseitigung“ und „Verwertung“ in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA im Gegensatz zu dem umfassenden Begriff „Abfallentsorgung“ in § 5 Abs. 3 KAG LSA. Auch zum Abwasserrecht habe der Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 und 3a KAG LSA den umfassenden Begriff „Abwasserbeseitigung“ verwendet. Die auf die Beseitigung bzw. Verwertung des Abfalls entfallenden Kostenpositionen seien aber linear aufgeteilt.

17

Selbst wenn die Regelung zum Gebührenmaßstab in § 3 Abs. 1 Abfallgebührensatzung nichtig sei, führe dies nicht zu einer Gesamtnichtigkeit der Satzung. Alle anderen Gebührentarife und deren Kalkulation blieben von der konkreten Kalkulation der „Gebühr für Restmüllbehälter“ unberührt und auch ohne den bestrittenen Teil sinnvoll. Deshalb sei davon auszugehen, dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife losgelöst davon in eine Satzung zu geben und gegebenenfalls den hier strittigen Teil gesondert (auch gegebenenfalls nachträglich) zu regeln.

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Weiterhin macht sie geltend, der klägerische Vortrag in der Berufungserwiderung sei wegen Verspätung zurückzuweisen und deshalb unbeachtlich.

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Darüber hinaus seien die formellen Mängel bei der Bekanntmachung der Abfallgebührensatzungen inzwischen geheilt worden.

20

Hinsichtlich der Rügen der Kläger zur Nichteinhaltung des Äquivalenzprinzips bei zahlreichen Kostenpositionen innerhalb der Personen- und Behältergebühr weist die Beklagte darauf hin, dass der Satzungsgeber einen weitgehenden Gestaltungsspielraum habe. Entscheidend sei, ob für eine Ungleichbehandlung sachliche Gründe vorlägen. Diese könnten sich auch aus dem Gesichtspunkt der Praktikabilität ergeben, wenn eine dem strikten formalen Gleichbehandlungsgebot entsprechende Gebührenbemessung zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führen würde. Nach der Rechtsprechung würden Gleichheitssatz und Äquivalenzprinzip kein striktes Gebot der gebührenrechtlichen Leistungsproportionalität in dem Sinn gebieten, dass die Gebühren nach dem Maß der durch die Benutzung im Einzelfall jeweils verursachten Kosten erhoben werden müssten. Das von ihr verwendete mehrteilige Abfallgebührensystem bei Wohngrundstücken in einer Kombination von Personen- und Behältermaßstab sei in der Rechtsprechung bestätigt. Die Nutzung kleinerer oder größerer Behälter habe nichts mit der Nebenkostenbelastung durch Hartz IV-Empfänger für sie zu tun. Die sonstigen Rügen der Kläger seien ebenfalls sämtlich unbegründet.

21

Die Beklagte beantragt,

22

das auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

23

Die Kläger beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

25

Die Satzung vom 28. Januar 2009 sowie die erste und zweite Änderungssatzung seien schon nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Die erneute Bekanntmachung des Ausfertigungsvermerks sei ebenfalls nicht fehlerfrei und habe keine Heilung zur Folge.

26

Die Intention des Gesetzgebers sei von Anfang bis Ende des Verfahrens zur Änderung des § 5 KAG LSA im Jahre 2000 die Fixierung einer linearen Gebührenstaffelung gewesen. Dies ergebe sich aus dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens und der Intention des Entwurfsverfassers. Auch aus dem Regelungszusammenhang ergebe sich eine zwingende lineare Staffelung. Der Runderlass des Innenministeriums ändere nichts, da auch dort als grundlegender Gedanke formuliert sei, dass dem Äquivalenzprinzip entsprechend Abfallgebühren grundsätzlich linear zu staffeln sein. Soweit die Beklagte meine, eine degressive Gebührenstaffelung vornehmen zu müssen, sei allein das städtische Interesse maßgeblich. Eine degressive Staffelung führe zur Stützung größerer Sammelbehälter. Diese Container befänden sich überwiegend in alten Plattenbauten, in welchen Bürger wohnten, die Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II bezögen. Dazu gehörten auch Miet- und Mietnebenkosten, die von der Kommune zu tragen sein.

27

Unter Bezugnahme auf das Äquivalenzprinzip werde der Verursacher von Aufwendungen mit einer betriebswirtschaftlichen Kostenanalytik nur bei - aus Sicht der Beklagten - passenden Stellen bis ins kleinste Detail bemüht. Zahlreiche Beispiele in anderen Bereichen der Abfallgebühren zeigten, wie auch Nichtverursacher von Leistungen/Abfällen/Abfallmengen entgegen den Vorgaben des Äquivalenzprinzips wegen linearer Kostenverteilung und daraus resultierenden Gebührenteilen belastet würden. Setze man die Abfallgebühr in ihrer Gesamtheit (Summe von Personen- und Restmüllgebühr) behältergrößenbezogen unter den Maßstab des § 5 Abs. 3a KAG LSA, so finde sich zudem in der Personengebühr ebenfalls ein Beitrag zur Degression und damit zur Nichtkonformität mit dem KAG LSA. Das rühre daher, dass die Personengebühr unabhängig von der Restabfallmenge erhoben werde und damit Viel-Abfall-Produzenten bevorzugt würden.

28

Die Kostenüberdeckung sei bei der Kalkulation der Restmüllgebühr willkürlich ausgeglichen worden. Nach der Satzungsbegründung sei die Überdeckung so auf die einzelnen Behältergrößen aufgeteilt worden, dass alle Behältergrößen von der Senkung der Restmüllgebühr profitierten.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist begründet.

31

Der Abfallgebührenbescheid der Beklagten vom 24. Januar 2011 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 10. März 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

32

Die als Rechtsgrundlage herangezogene Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 ist, auch in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009 und der zweiten Änderungssatzung vom 27. Oktober 2010, nichtig, da sie mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung verstößt gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA.

33

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfG LSA erheben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Leistungen der kommunalen Abfallentsorgung auf der Grundlage von Satzungen nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und unter Beachtung der nachfolgenden Absätze Gebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Nach § 6 Abs. 3 AbfG LSA sollen mit dem Gebührenmaßstab wirksame und nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung geschaffen werden.

34

Gemäß § 5 Abs. 3a KAG LSA kann bei Einrichtungen und Anlagen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, die Benutzungsgebühr für die Leistungen so bemessen werden, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bietet (Satz 1). Die Gebühren für die Abwasserbeseitigung sowie für die Beseitigung und Verwertung von Abfällen sind grundsätzlich linear zu staffeln; die Abwassergebühren können degressiv bemessen werden, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist (Satz 2).

35

§ 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG LSA ist mit dem Verwaltungsgericht dahingehend auszulegen, dass eine degressive Staffelung von Abfallgebühren, d.h. eine Staffelung, bei der die Gebühren bei zunehmender Leistungsmenge unterproportional ansteigen, ausgeschlossen und zumindest eine lineare Staffelung vorzunehmen ist.

36

Zwar ist der Wortlaut der Regelung nicht eindeutig. Denn der Begriff „grundsätzlich“ könnte sich zum einen allein darauf beziehen, dass in Anwendung der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG auch eine progressive Staffelung erlaubt ist und dass (nur) bei Abwassergebühren gem. § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA eine degressive Staffelung möglich ist. Zum anderen könnte er im Sinne einer allgemeinen Ausnahmeregelung Raum für eine degressive Staffelung der genannten Gebühren in besonderen Einzelfällen eröffnen. Auch der Wortlaut des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA lässt nicht hinreichend sicher darauf schließen, ob danach (allein) Abwassergebühren degressiv gestaffelt werden dürfen oder ob eine (eben nicht generell ausgeschlossene) degressive Staffelung bei Abwassergebühren (nur) erlaubt ist, wenn dies im öffentlichen Interesse erforderlich ist.

37

Jedoch ergibt sich das hier vertretene Ergebnis aus der Gesetzeshistorie, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung.

38

Der mit Änderungsgesetz vom 15. August 2000 (GVBl. S. 526) eingeführte § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geht auf einen Gesetzentwurf der PDS vom 7. April 1999 (LT- DrS 3/1386) zurück. Zur Begründung heißt es dort: „Der Gedanke einer umweltverträglichen Wassernutzung soll sich in der Gebührenbemessung niederschlagen. Mengenrabatte auf Umweltgebrauch sollen grundsätzlich nicht zugelassen werden. Eine degressive Gebührengestaltung widerspricht diesem Anliegen und ist daher ausgeschlossen.“ Auch wenn der Begriff „grundsätzlich“ verwendet wird und nach dem Gesetzestext bei den Abwassergebühren eine degressive Staffelung gerade nicht ausgeschlossen ist, lässt diese Begründung erkennen, dass mit der Gesetzesänderung das Ziel verfolgt werden sollte, ansonsten degressive Staffelungen generell zu untersagen.

39

Die Systematik des Gesetzes spricht ebenfalls für eine solche Auslegung. § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA bestimmt als den leitenden Grundsatz, dass die Benutzungsgebühren bei Einrichtungen, die auch dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen dienen oder bei deren Inanspruchnahme die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen gefährdet werden können, so bemessen werden dürfen, dass sie Anreize zu einem umweltschonenden Verhalten bieten. Der Regelungszusammenhang mit dem folgenden Satz 2 macht deutlich, dass die Ermächtigung in § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, die Bemessung von Benutzungsgebühren als Anreiz zu umweltschonenden Verhalten zu nutzen, durch den folgenden Satz 2 nicht eingeschränkt werden soll. Vielmehr knüpft diese Bestimmung an den Satz 1 in der Weise an, dass er die Ermächtigung im Satz 1 zu einer bindenden Verpflichtung macht, jedenfalls eine lineare Staffelung der Benutzungsgebühren vorzusehen. Dieser Mindeststandard soll nur unter den engen Voraussetzungen des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA für die Abwasserbeseitigung durchbrochen und unterschritten werden dürfen (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 264/03 -, zit. nach JURIS zu einer Abwassergebühr). Der Begriff „grundsätzlich“ bezieht sich danach allein auf die Ausnahme in § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 2 KAG LSA. Dass das Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt - IM LSA - in seinen „Auslegungshilfen zum Kommunalabgabenrecht“ (Runderlass v. 6. Juni 2001 - 33.3-10500/H) eine degressive Staffelung von Abfallgebühren in besonderen Fällen für zulässig erachtet, stellt lediglich eine abweichende Rechtsmeinung dar.

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Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3a Satz 2 HS 1 KAG ist es daher nicht nur, im Sinne einer Soll-Vorschrift zu wirken, sondern eine zumindest lineare Staffelung der Abfallgebühren bindend vorzuschreiben. Dafür spricht im Abfallgebührenrecht nicht nur § 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, sondern gerade auch die Regelung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA. Diese beiden Normen zielen hinsichtlich des Gebührenmaßstabes im Ergebnis darauf ab, dass für ansteigende Abfallerzeugung auch gleichermaßen ansteigende Abfallgebühren entrichtet werden. Dass eine degressive Gebührengestaltung gerade keine wirksamen und nachhaltigen Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfall setzt, sondern im Ansatz sogar den gegenteiligen Effekt hat (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 338), wird auch von der Beklagten eingeräumt.

41

Sonstige Grundsätze der Gebührenbemessung stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Insbesondere das von der Beklagten genannte Äquivalenzprinzip hat nicht zur Folge, dass der Landesgesetzgeber an der Untersagung einer degressiven Gebührengestaltung im Abfallrecht gehindert ist (anders wohl das IM LSA im Runderlass vom 6. Juni 2001). Das aus Verfassungsrecht herzuleitende Äquivalenzprinzip, dessen landesgesetzliche Ausprägung sich nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats in § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 KAG LSA findet, besagt als Ausdruck des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich, dass eine Gebührenbemessung nicht in einem "groben Missverhältnis" zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken stehen darf (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 6. November 2012 - 2 BvL 51/06, 2 BvL 52/06 -, jeweils zit. nach JURIS). Es darf also zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Zwar seien dem Äquivalenzprinzip Vorgaben zu entnehmen, die bei landesrechtlichen Gebührenregelungen zu beachten seien. Dem Landesrecht verblieben insoweit aber, insbesondere was die Verknüpfung der Gebührenhöhe mit den aufgewandten Kosten angehe, umfangreiche Gestaltungsspielräume (so BVerwG, Beschl. v. 27. Mai 2003 - 9 BN 3/03 -, zit. nach JURIS).

42

Selbst wenn unbestritten bei höheren Müllmengen verbunden mit größeren Abfallbehältern eine Kostenersparnis bzw. eine Leistungsreduzierung eintritt, ist diese von vornherein nicht so erheblich, dass bei einer streng linearen Gebührenstaffelung ein das Äquivalenzprinzip verletzendes Ungleichgewicht vorliegt. Dies wird auch nicht von der Beklagten vertreten. Dementsprechend ist nach der herrschenden Meinung im Abfallgebührenrecht - bei Nichtvorliegen einer entgegengesetzten landesrechtlichen Regelung - eine degressive Gebührenstaffelung gegenüber einer linearen Steigerung nicht rechtlich geboten, sondern kann lediglich zulässig sein (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 11. Dezember 2002 - 5 D 13/02 -; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2001 - 4 N 47/96 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25. November 1999 - 12 A 12472/98 -, jeweils zit. nach JURIS; VGH Bayern, Urt. v. 6. Juni 1984 - 4 B 81 A.2310 -, BayVBl. 1985, 17, 18; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 214; 338; 754, 765; Wenzel/v. Bechtolsheim, LKV 2004, 18, 19; offen gelassen von VGH Hessen, Beschl. v. 24. August 1995 - 5 N 2019/92 -, jeweils zit. nach JURIS; anders VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 30. Januar 1997 - 2 S 1891/94 -, zit. nach JURIS m.w.N. für Müllgebühren je Haushaltsangehörigen bzw. je Bewohner eines Grundstücks; vgl. auch Thiem/Böttcher, KAG SH, § 6 Rdnr. 424). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat schon entschieden, dass im Benutzungsgebührenrecht weder aus dem Äquivalenzprinzip noch aus dem Gleichheitssatz ein Anspruch auf eine Gebührendegression folge (so BVerwG, Urt. v. 15. März 1983 - 8 C 167.81 -, zit. nach JURIS m.w.N.).

43

Die weiteren Einwendungen der Beklagten sind ebenfalls nicht durchgreifend.

44

Aus der Verwendung der Begriffe „Beseitigung“ und „Verwertung“ in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA lässt sich nicht schließen, der Gesetzgeber habe bewusst nicht den Oberbegriff „Abfallentsorgung“ gewählt mit der Folge, dass allenfalls für einzelne Teilleistungsbereiche ein Verbot der degressiven Gebührenstaffelung gelte. Diese beiden Begriffe hatten nach der zum Zeitpunkt der Einführung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA geltenden Gesetzeslage (vgl. § 3 Abs. 7 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz in der ab 11. Mai 2000 geltenden Fassung; § 12 Abs. 1 AbfG LSA vom 10. März 1998) einen umfassenden Bedeutungsgehalt und stellen daher eine Entsprechung zu dem in § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA ebenfalls verwendeten Begriff „Abwasserbeseitigung“ dar.

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Soweit die Beklagte geltend macht, die Gebührenbelastung werde bei einer linearen Gebührengestaltung auf Grund von höheren Logistikkosten insgesamt steigen, handelt es sich um eine reine Spekulation. Für die von ihr genannte Befürchtung, es werde zu einem Austausch von großen Abfallbehältern gegen (mehrere) kleinere Behälter kommen, hat sie schon keinen Anhaltspunkt genannt. Im Übrigen dürfte selbst eine solche Folge nichts an der Auslegung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA und dessen Vereinbarkeit mit sonstigen gebührenrechtlichen Grundsätzen ändern.

46

Ob die Staffelung der Restmüllgebühr (auch) gegen die Vorgaben der §§ 5 Abs. 3a Satz 1 KAG LSA, 6 Abs. 3 AbfG LSA verstößt, spielt keine Rolle, weil es darauf bei einem Verstoß der Satzung gegen § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht ankommt.

47

Die im Übrigen von der Beklagten vorgebrachten Argumente, insbesondere die genannten Belege für eine abnehmende Kostenbelastung bzw. abnehmende Leistungserbringung bei steigenden Behältergrößen, sind zwar durchaus geeignet, auf der Ebene der Satzungsgestaltung die Einführung einer Degression zu stützen. Sie sind aber gegenüber den genannten Anhaltspunkten in der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA, der Gesetzessystematik sowie dem Sinn und Zweck der Norm nicht ausreichend, um eine abweichende Auslegung der streitbefangenen Norm zu rechtfertigen. Angesichts der Einschränkung durch den Landesgesetzgeber ist es daher auch von vornherein unbeachtlich, dass grundsätzlich auch dem Satzungsgeber bei der Gestaltung des Gebührenmaßstabs ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt.

48

Ob die Bestimmung des § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA die sachgerechteste Vorgabe für eine Gebührengestaltung beinhaltet, ist bei der Auslegung des Gesetzes schließlich nicht Gegenstand der richterlichen Prüfung. Entscheidend sind allein der objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich nach Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden darstellt, und die Untersuchung, ob die Norm in der gefundenen Auslegung wiederum mit höherrangigem (Verfassungs-)Recht vereinbar ist.

49

Die Regelungen zur Restmüllgebühr in der Abfallgebührensatzung der Beklagten vom 28. Januar 2009 sowie in der Abfallgebührensatzung in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 25. November 2009 und der zweiten Änderungssatzung vom 27. Oktober 2010 stehen danach mit § 5 Abs. 3a Satz 2 KAG LSA nicht in Übereinstimmung. Die Staffelung der Restmüllgebühr in § 3 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung in Verbindung mit Nr. 1.2 der Anlage zur Satzung ist auf Grund der Festlegung der Gebührenhöhe für die einzelnen Behältergrößen weitestgehend degressiv ausgestaltet. Die Beklagte räumt dies auch ein, und dieser Umstand wird in der von ihr vorgelegten Stellungnahme der (...) ausdrücklich bestätigt. Dass durch den Entsorgungsrhythmus keine Degression eintritt, ist danach unbeachtlich. Ob einzelne Kostenbestandteile der Restmüllgebühr je nach Behältergröße unterschiedlich hoch sind, hat für die Frage der Rechtmäßigkeit des Gebührenmaßstabs von vornherein keine Bedeutung. Denn es kommt allein auf den Gebührenmaßstab bzw. die Gebührenstaffelung an und nicht auf die Gebührenkalkulation (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 3. November 2006 - 4 L 284/05 -, zit. nach JURIS).

50

Der aufgezeigte Mangel hat zur Folge, dass die Gebührenregelungen in der Satzung insgesamt nichtig sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt Beschl. v. 24. Februar 2012 - 9 B 80/11 -, zit. nach JURIS m.w.N.) führt die Ungültigkeit eines Teils einer kommunalen Satzungsbestimmung dann nicht zu ihrer Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Teile auch ohne den ungültigen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die jeweils einzeln kalkulierten Gebührentarife blieben - jeweils für sich betrachtet - sinnvoll und ergäben eine Kostendeckung, so dass es in einem solchen Fall dem (mutmaßlichen) Willen des Satzungsgebers entspreche, zumindest die übrigen Gebührentarife gegebenenfalls gesondert zu regeln. Wie der erkennende Senat aber schon mehrfach entschieden hat, kann man nicht davon ausgehen, es entspreche regelmäßig dem Willen des Satzungsgebers, dass für den Fall der Unwirksamkeit eines Teils der Satzung die übrige Satzung Geltung behalte. Eine solche Regelvermutung besteht gerade nicht. Dass die Körperschaft bei Annahme einer Teilnichtigkeit befugt wäre, den nichtigen Teil der Satzung rückwirkend zu heilen, ist für die Auslegung ihres (hypothetischen) Willens ohne Bedeutung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 30. November 2006 - 4 L 320/06 -, Urt. v. 14. April 2008 - 4 L 181/07 - und Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 - jeweils zit. nach JURIS m.w.N.). Da die Beklagte die Abfallgebühren mit einem in sich geschlossenen und aufeinander abgestimmten Gebührensystem erhebt, dessen wesentliche Bestandteile die Personen- und Restmüllgebühr sind, ist ohne deutliche Indizien gerade nicht anzunehmen, dass bei der Nichtigkeit eines Teils dieses Gesamtgefüges der restliche Teil bestehen bleiben soll. Solche Anhaltspunkte sind aber weder substanziiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

51

Dass die Gebührenerhebung auf eine vorhergehende Gebührensatzung gestützt werden kann, hat die Beklagte schon nicht geltend gemacht. Es kann daher offen bleiben, ob sich die Gesamtnichtigkeit der Satzung nicht auf die Regelung über das Inkrafttreten der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 bezieht, mit der die Vorgängersatzung aufgehoben worden ist (so OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28. Januar 2009 - 9 A 1.07 -; VGH Bayern, Beschl. v. 26. Februar 2001 - 23 ZS 00.2999 -; Rosenzweig/Fresse, KAG Nds, § 2 Rdnr. 31 m.w.N.; a.M.: VG Potsdam, Urt. v. 8. November 2012 - 6 K 1249/11 -, jeweils zit. nach JURIS).

52

Nicht entschieden werden muss noch danach, ob eine unter dem Gesichtspunkt der relativ gleichmäßigen Erhöhung der Restmüllgebühr für alle Behältergrößen vorgenommene Verteilung einer Kostenüberdeckung zu beanstanden ist. Da ohnehin keine Verbindung zwischen den in einem vorherigen Kalkulationszeitraum entstandenen Kostenüberdeckungen und dem Verhalten der Gebührenpflichtigen des darauffolgenden Kalkulationszeitraums besteht (vgl. dazu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 92, 101)) und § 5 Abs. 2b Satz 2 KAG LSA nur allgemein den „Ausgleich“ von Kostenüberdeckungen vorsieht, reicht es aus, wenn diese Verteilung auf die Behältergrößen nicht willkürlich erfolgt, sondern nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien vorgenommen wird, die den Gesichtspunkt der Praktikabilität einbeziehen dürfen (vgl. auch VGH Hessen, Beschl. v. 8. September 2005 - 5 N 3200/02 -, zit. nach JURIS).

53

Die in der Berufungserwiderung vorgebrachten Einwendungen der Kläger, die sich auf eine Verletzung des Äquivalenzprinzips beziehen, dürften dagegen von vornherein nicht durchgreifend sein. Die Kläger sehen dieses Prinzip dann als verletzt an, wenn Kosten der Abfallbeseitigung innerhalb der Personen- bzw. Restmüllgebühr auf sämtliche Gebührennutzer umgelegt werden, obwohl die entsprechenden Leistungen nicht gegenüber allen Gebührennutzern erbracht bzw. die Kosten nicht von allen Gebührennutzern verursacht werden.

54

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dem Satzungsgeber bei der Bestimmung des Gebührenmaßstabs für Abfallgebühren ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, dessen Grenzen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Der jeweilige Satzungsgeber kann je nach den konkreten Umständen eine Auswahl unter den verschiedensten Gebührenmodellen treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt. Zur Wahl stehen neben mengen- oder gewichtsorientierten auch personen-, haushalts- oder grundstücksbezogene Gebührenmaßstäbe; auch Kombinationen kommen in Betracht. Nach dem Äquivalenzprinzip darf nur zwischen erbrachter Leistung und Gebühr kein grobes Missverhältnis bestehen. Dabei verbleibt dem Satzungsgeber bei Beantwortung der Frage, in welcher Weise eine sachgerechte Verbindung zwischen dem Wert seiner Leistung und der auf den Anschlusspflichtigen entfallende Gebühr bewirkt werden soll, ein weiter Ermessenspielraum (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 2007 - 7 BN 6/07 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Verfassungsrechtlich geboten ist nicht, dass dem unterschiedlichen Maß der Inanspruchnahme staatlicher Leistung genau Rechnung getragen wird, sondern nur, dass in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit eine verhältnismäßige Belastungsgleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4/04 -, zit. nach JURIS). Auch sonst hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt, dass das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz es nicht verlangen, dass Benutzungsgebühren strikt nach dem Maß der durch die jeweilige Benutzung verursachten Kosten erhoben werden müssen. Vielmehr ist auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität hinsichtlich der Ermittlung der jeweiligen Kosten zu beachten (BVerwG, Urt. v. 7. Dezember 2000 - 11 C 7/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2007, a.a.O.). Danach ist eine pauschalierende Gebührenerhebung im Abfallrecht, die nicht strikt auf die erbrachten Leistungen bzw. entstandenen Kosten abstellt (vgl. zu einem einheitlichen Maßstab nach dem Restabfallbehältervolumen Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 765a; Rosenzweig/Freese, KAG Nds, § 5 Rdnr. 329 jeweils m.w.N.), grundsätzlich nicht zu beanstanden.

55

Offen bleiben kann, ob die Bekanntmachung der Ausfertigungen der Änderungssatzungen formell ordnungsgemäß erfolgt ist.

56

Es ist grundsätzlich unverzichtbar, dass bei einer gemeindlichen Satzung die Unterschrift des Bürgermeisters als nach der Gemeindeordnung notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens ebenso mit der Satzung veröffentlicht wird wie das Datum der Unterschriftsleistung (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012 - 4 L 135/12 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Bei der Abfallgebührensatzung vom 28. Januar 2009 wurde ein solcher Ausfertigungsvermerk mit der Satzung bekannt gemacht; dass die Wiedergabe der Unterschrift in Form einer „maschinengedruckten“ Namensangabe erfolgte, ist ausreichend (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.). Dagegen genügte der bei der ersten Änderungssatzung lediglich vorgenommene Abdruck einer „Bekanntmachungsanordnung“ nicht den rechtlichen Vorgaben an die Bekanntmachung eines Ausfertigungsvermerks (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23. November 2012, a.a.O.) und bei der zweiten Änderungssatzung fehlte im Ausfertigungsvermerk die Angabe des Datums der Unterschrift, was ebenfalls die Nichtigkeit der Satzung zur Folge hatte (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012 - 4 L 155/09 -, zit. nach JURIS).

57

Unterbleibt die Veröffentlichung des Ausfertigungsvermerks gemeinsam mit der Satzung oder ist die Veröffentlichung dieses Vermerks fehlerhaft bzw. unvollständig, kommt grundsätzlich in Betracht, dass die gesamte Satzung mit dem vollständigen Ausfertigungsvermerk im Wege einer wiederholenden Bekanntmachung nochmals veröffentlicht wird oder eine neue Ausfertigung erfolgt mit anschließender Bekanntmachung der Satzung und eines neuen Ausfertigungsvermerks. Ansonsten ist der Mangel nur dann unbeachtlich, wenn die Satzung bei der Bekanntmachung tatsächlich ausgefertigt war und die Ausfertigung der Satzung in der üblichen Form jedenfalls nachträglich bestätigt wird (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012, a.a.O.; Beschl. v. 24. November 2010 - 4 K 368/08 -, zit. nach JURIS; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 7. Juni 1978 - VII C 63.76 -, zit. nach JURIS). Eine solche Bestätigung kann einmal durch eine nachträgliche Bekanntmachung einer rechtsverbindlichen Erklärung erfolgen, dass die Satzung zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung ordnungsgemäß ausgefertigt war. Diese Erklärung muss von dem zum Zeitpunkt der Erklärung amtierenden Bürgermeister abgegeben werden, weil dieser das nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA das für die Ausfertigung und Bekanntmachung von Satzungen zuständige Gemeindeorgan ist und eine derartige Erklärung eine über eine redaktionelle Berichtigung hinausgehende Ergänzung des zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts darstellt. Zum anderen kann die Bestätigung durch eine redaktionelle Berichtigung (vgl. dazu auch § 61 Abs. 3 Satz 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien) der Satzung erfolgen, mit der der - allein im Rahmen der Veröffentlichung - aufgetretene Mangel erläutert und der vollständige Ausfertigungsvermerk nochmals veröffentlicht wird. Eine derartige Berichtigung muss auch nicht durch den zum Zeitpunkt der Berichtigung amtierenden Bürgermeister unterzeichnet sein, wenngleich die Angabe der veranlassenden Verwaltung der Gemeinde zumindest als Orientierung hilfreich wäre.

58

Die Beklagte hat in dem Amtsblatt vom 13. Februar 2013 ausdrücklich im Wege einer „Bekanntmachung“ eine Erklärung zur Ordnungsgemäßheit der Ausfertigung der Satzung veröffentlicht und gleichzeitig den ursprünglichen Ausfertigungsvermerk beigefügt, ohne dass der zum Zeitpunkt dieser Bekanntmachung amtierende Bürgermeister die Bekanntmachung unterzeichnet hat. Es ist nach den oben dargestellten Überlegungen deshalb problematisch, ob es sich um die Bekanntmachung einer Bestätigungserklärung oder eine redaktionelle Berichtigung gehandelt hat.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

60

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

61

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Beklagten. 2 Die 1991 gegründete Klägerin, die bis zum 28. März 2003 als Chemiewerke

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Gründe 1 1. Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 16. Apr. 2013 - 4 L 97/12.

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(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

1

1. Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2

a) Eine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt der Rechtssache nicht zu.

3

aa) Die Beschwerde meint, es müsse revisionsgerichtlich geklärt werden, ob jeweils das gleiche Ergebnis, nämlich die Besteuerung der Spieler, ausgelöst werde, wenn nach der hier maßgeblichen Satzung das "Halten der Geräte" und in anderen Kommunen das "Benutzen der Geräte" besteuert werde; für eine Besteuerung des Halters der Spielgeräte fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage.

4

Diese Grundsatzrüge vermag die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. Die Beschwerde legt schon nicht nachvollziehbar dar, weshalb die Zulässigkeit der von ihr angenommenen "Halterbesteuerung" davon abhängen sollte, dass die in anderen Kommunen gebräuchliche Besteuerung der Spieler "das gleiche Ergebnis" auslöst. Im Übrigen steht die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Geräteaufsteller dürfe der Vergnügungssteuerpflicht unterworfen werden, wenn die Steuer auf den Steuerträger, nämlich den sich vergnügenden Spieler, abgewälzt werden könne (indirekte Steuererhebung), in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Urteil vom 10. Dezember 2009 - BVerwG 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367 Rn. 28). Die Beschwerde zeigt nicht ansatzweise auf, dass und weshalb der vorliegende Fall Gelegenheit zur Fortentwicklung dieser Rechtsprechung geben könnte.

5

Soweit mit der Grundsatzrüge eine Verletzung der steuerlichen Belastungsgleichheit geltend gemacht werden sollte, ist ein Klärungsbedarf nicht gegeben. Denn Art. 3 Abs. 1 GG fordert die Gleichbehandlung nur innerhalb des Bereichs eigener Rechtssetzungsgewalt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Dezember 2004 - 1 BvR 113/03 - NVwZ-RR 2005, 297 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 20. April 1990 - BVerwG 7 C 34.89 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 103 S. 25). Daher begründet eine abweichende Regelung der Steuererhebung und -bemessung im Zuständigkeitsbereich eines anderen Normgebers grundsätzlich keine Verletzung der steuerlichen Belastungsgleichheit.

6

bb) Die Beschwerde sieht einen Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage,

"ob nachgewiesen werden muss, dass die Steuer auf den Preis der Dienstleistung abgewälzt werden kann, damit sie letztendlich vom Verbraucher getragen wird."

7

Ein solcher Klärungsbedarf ist nicht erkennbar. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind die Anforderungen an die Abwälzbarkeit der Vergnügungssteuer als indirekte Steuer geklärt. Danach genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerschuldner den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - etwa Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - treffen kann. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. April 1971 - 1 BvL 22/67 - BVerfGE 31, 8 <20> und vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <22 f.>; BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 28; stRspr). Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass Anlass zu einer Fortentwicklung dieser Rechtsprechung besteht. Sie macht geltend, der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft habe im Urteil vom 3. März 1988 (Rs. 252/86 - Slg. 1988, 1343) klargestellt, dass die Mehrwertsteuer nachweislich auf den Verbraucher abwälzbar sein müsse. Diese Rechtsprechung müsse aus Gründen der Gleichbehandlung auf die Erhebung der Vergnügungssteuer übertragen werden. Daher könne nicht verlangt werden, dass die Vergnügungssteuer durch Kostensenkung oder Umsatzsteigerung "aufgefangen" werde, vielmehr müsse die Steuer nachweislich in den Spielpreis eingestellt werden können. Dies sei jedoch nicht möglich, weil an den Spielgeräten keine Veränderungen vorgenommen werden dürften, so dass tatsächlich Preisbindung bestehe.

8

Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Vergnügungssteuer nicht den Charakter einer Umsatzsteuer i.S.d. vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft mit Blick auf das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems entwickelten Kriterien aufweist. Sie wird nicht allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte in einer Gemeinde erhoben und ist strukturell nicht auf einen Vorsteuerabzug angelegt (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 36 f.). Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb es gleichwohl "aus Gründen der Gleichbehandlung" geboten sein sollte, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Anforderungen an die Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Letztverbraucher auf die als Aufwandsteuer erhobene Vergnügungssteuer zu übertragen. Im Übrigen kann auch nicht angenommen werden, dass die Umsatzsteuer nicht kalkulatorisch, sondern nur durch Aufschlagen auf den Nettopreis überwälzt werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 10. November 2010 - XI R 79/07 - BFHE 231, 373 zur Umsatzsteuerpflicht gewerblicher Betreiber von Geldspielautomaten).

9

cc) Soweit die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig hält,

"ob die Formulierung 'angefangener Kalendermonat' gleichgesetzt werden kann mit einem gesamten Kalendermonat",

wendet sie sich gegen die Auslegung von Landesrecht (§ 10 Vergnügungssteuersatzung - VS), die vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird und eine Zulassung der Revision deswegen nicht begründen kann. Bezüge zum revisiblen Recht zeigt die Beschwerde nicht auf.

10

dd) Ferner will die Beschwerde bezogen auf § 13 Abs. 3 Satz 3 VS, wonach die unbeanstandete Entgegennahme der Steueranmeldung als Steuerfestsetzung gilt, grundsätzlich geklärt wissen,

"ob eine solche Formulierung in einer Steuersatzung zu deren Unwirksamkeit führt oder ob eine solche Formulierung nur zu einer Teilunwirksamkeit führt."

11

Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass diese Frage der revisionsgerichtlichen Klärung bedarf. Sie betrifft wiederum irrevisibles Recht. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die Auslegung einer - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschluss vom 20. September 1995 - BVerwG 6 B 11.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 6 S. 8 m.w.N.). Zudem sind die abstrakt-generellen, von der entsprechenden Anwendung des § 139 BGB ausgehenden Fragen der Gesamt- oder Teilnichtigkeit von Satzungen höchstrichterlich bereits geklärt. Danach steht fest, dass die Entscheidung, ob ein Rechtsmangel zur Gesamtnichtigkeit der Satzung oder nur zur Nichtigkeit einzelner Vorschriften führt, davon abhängt, ob - erstens - die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob - zweitens - hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (vgl. Beschluss vom 28. August 2008 - BVerwG 9 B 40.08 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 56 Rn. 13 m.w.N.). Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Im Übrigen hängt die Beantwortung der Frage maßgeblich von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, die einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich sind.

12

Soweit die Beschwerde der Sache nach auch eine Verletzung des bei der Steuerfestsetzung zu beachtenden Bestimmtheitsgebots rügen sollte, fehlt es bereits an einer nachvollziehbaren Darlegung, weshalb die Bestimmtheit der - hier erfolgten - Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid von der Wirksamkeit der Steuerfestsetzung durch unbeanstandete Entgegennahme der Steueranmeldung abhängen sollte.

13

ee) Auch die Frage,

"ob eine Formulierung, wie sie in § 10a der Satzung angetroffen wird, zu einer vollständigen Nichtigkeit der Satzung führt oder nur zu einer Teilnichtigkeit, wonach eine abweichende Besteuerung nach dem Stückzahlmaßstab ermöglicht wird, wenn die Einspielergebnisse nicht durch Ausdrucke manipulationssicherer elektronischer Zählwerke nachgewiesen und belegt werden können",

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Das Oberverwaltungsgericht ist von der Nichtigkeit nur des § 10a VS ausgegangen, der eine abweichende Besteuerung nach dem Stückzahlmaßstab ermöglicht. Es hat angenommen, dass dies keine weiteren Auswirkungen auf die grundsätzlich vorgesehene Steuererhebung aufgrund mitgeteilter Einspielergebnisse habe. Soweit das Einspielergebnis nicht ermittelt werden könne, sei es gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 KAG NW i.V.m. § 162 Abs. 1 AO zu schätzen. Vor diesem Hintergrund ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb die Beschwerde eine Verletzung des Grundsatzes der steuerlichen Belastungsgleichheit darin sieht, dass der Steuerschuldner bei bloßer Teilnichtigkeit die Möglichkeit habe, entweder pauschal nach der Stückzahl oder prozentual nach den Einspielergebnissen besteuert zu werden. Im Übrigen ist ein Klärungsbedarf nicht erkennbar; insoweit wird auf die Ausführungen zur vorstehenden Frage verwiesen.

14

Soweit die Beschwerde darüber hinaus auf einen - auch vom Oberverwaltungsgericht angenommenen - Verstoß gegen § 162 AO verweist, wird schon keine konkrete fallübergreifende Frage des revisiblen Rechts formuliert.

15

b) Auch die Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) können nicht durchdringen.

16

aa) Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht weiche von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - (BVerfGE 123, 1) sowie dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2009 - BVerwG 9 C 12.08 - (BVerwGE 135, 367) ab, weil es eine Abwälzbarkeit der Vergnügungssteuer in den Fällen unterstelle, in denen keine Erdrosselungswirkung vorliege. Damit ist keine Divergenz dargetan. Das Oberverwaltungsgericht ist in Einklang mit den von der Beschwerde in Bezug genommenen höchstrichterlichen Entscheidungen davon ausgegangen, dass die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung der Vergnügungssteuer in dem Sinne genüge, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen könne. Die Behauptung einer fehlerhaften Anwendung höchstrichterlicher Rechtsgrundsätze kann eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht rechtfertigen.

17

bb) Soweit die Beschwerde Divergenz hinsichtlich der Annahme des Oberverwaltungsgerichts geltend macht, dass die Steuer nicht erdrosselnd wirkt, bezeichnet sie keinen bestimmten, die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts, der zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch steht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14).

18

c) Die Beschwerde sieht einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) darin, dass das Oberverwaltungsgericht keine "Untersuchungen" zur Frage der Abwälzbarkeit der Steuer und deren erdrosselnder Wirkung vorgenommen habe. Dem kann nicht gefolgt werden.

19

Das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass eine erdrosselnde Wirkung der Steuer dann gegeben ist, wenn die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sind, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen. Hinsichtlich der Abwälzbarkeit der Vergnügungssteuer genüge die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerpflichtige den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen treffen könne. Die hier in Rede stehende Vergnügungssteuer wirke nicht erdrosselnd. Wäre eine solche Wirkung vorhanden, müsste feststellbar sein, dass die schwächsten Anbieter aus dem Markt ausschieden, ohne dass neue ihren Platz einnähmen. Es müsste eine Tendenz zum Absterben der Spielgeräteaufstellerbranche erkennbar sein. Das sei vorliegend nicht der Fall. Vielmehr lasse die Entwicklung des Bestandes von Spielgeräten und Spielhallen seit dem Jahre 2002 bis zum Jahre 2010 hinsichtlich der in Spielhallen aufgestellten Geldspielgeräte eine gegenteilige Tendenz erkennen (Zunahme von 84 Geräten im Jahre 2002 auf 154 Geräte im Jahre 2010 im Satzungsgebiet). Danach sei noch nicht einmal eine - legitime - Lenkungswirkung zur erwünschten Verminderung des Bestandes eingetreten. Die Tatsache, dass in immer mehr Spielgeräte investiert werde, zeige, dass damit Geld verdient werde. Diese Entwicklung des Bestandes der Geldspielgeräte in Spielhallen stelle ein schlüssiges Indiz für die fehlende Erdrosselungswirkung der Steuer dar. Hinzu komme, dass die von der Beklagten erhobene Vergnügungssteuer mit 10 % des Einspielergebnisses im Verhältnis zu anderen Gemeinden in einem unteren, moderaten Bereich liege. Vor diesem Hintergrund sei auch die wirtschaftliche Möglichkeit zur kalkulatorischen Überwälzung der Steuer gegeben.

20

Danach ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass bereits die Entwicklung der Anzahl der in Spielhallen aufgestellten Geldspielgeräte im Satzungsgebiet seit 2002 zusammen mit dem nach seiner Auffassung moderaten Steuersatz den hinreichend sicheren Rückschluss zulasse, dass die Steuer nicht erdrosselnd wirkt und kalkulatorisch abgewälzt werden kann (vgl. Beschluss vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 9 B 16.11 - NVwZ-RR 2012, 38). Die Beschwerde legt nicht substantiiert dar, weshalb sich gleichwohl weitere "Untersuchungen" aufgedrängt haben sollten. Der pauschale Hinweis, eine Vergnügungssteuer von 10 % könne zusammen mit der Umsatzsteuer von 19 % nicht erwirtschaftet werden, stellt für sich genommen die Schlussfolgerungen des Oberverwaltungsgerichts nicht in Frage. Soweit die Beschwerde meint, im Hinblick auf den effektiven Rechtsschutz der Klägerin hätte untersucht werden müssen, ob sich die Steuer für deren Betrieb existenzvernichtend auswirken könne, übersieht sie, dass die Aufklärungsrüge den materiellen Standpunkt der angefochtenen Entscheidung zugrunde zu legen hat (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O. S. 14 f.; stRspr). Danach ist für die Beurteilung der erdrosselnden Wirkung nicht auf den individuellen Betrieb, sondern darauf abzustellen, ob die Steuerbelastung es bezogen auf das Gebiet der Beklagten unmöglich macht, den Beruf des Spielautomatenbetreibers wirtschaftlich zu betreiben (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 44).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Gründe

1

A. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

I. Das Vorbringen der Beklagten begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn mit der Zulassungsschrift wird weder ein die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz noch eine für die Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 21.01.2009 - 1 BvR 2524/06 -; BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, beide zit. nach JURIS).

3

Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Entscheidung selbständig tragend darauf gestützt, dass die Zweitwohnungssteuersatzung 2009 ebenso wie deren 1. Änderung nicht wirksam bekannt gemacht worden seien, weil es an dem nach Landesrecht (§ 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA) erforderlichen Ausfertigungsvermerk fehle, dem Text der Zweitwohnungssteuersatzung vielmehr lediglich eine „Bekanntmachungsanordnung“ der Oberbürgermeisterin beigefügt sei.

4

Diese Annahme der Vorinstanz begegnet keinen ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

5

§ 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA bestimmt, dass Satzungen von dem Bürgermeister zu unterzeichnen und bekanntzumachen sind. Da mit der Ausfertigung bezeugt wird, dass der Inhalt der Urkunde mit dem Beschluss des zuständigen Organs übereinstimmt, ist es grundsätzlich unverzichtbar, dass sowohl die Unterschrift des Bürgermeisters als nach der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens ebenso mit der Satzung veröffentlicht wird wie das Datum der Unterschriftsleistung (Beschl. v. 06.03.2007 - 4 K 78/05 -; Beschl. v. 24.11.2010 - 4 K 368/08 -; Urt. v. 11.09.2012 - 4 L 155/09 -).

6

Hiernach weist die Beklagte zwar zu Recht darauf hin, dass die Bekanntmachung einer Satzung nicht die Wiedergabe der eigenhändigen Unterschrift des Bürgermeisters durch etwa eine Fotokopie der Originalunterschrift erfordert. Der Rechtsprechung des Senats (a. a. O.) ist nichts Abweichendes zu entnehmen. Vielmehr ist z. B. auch die Wiedergabe der Unterschrift als „maschinengedruckte“ Namensangabe ausreichend (vgl. Rundverfügung des Landesverwaltungsamtes Nr. 11/11 vom 5. Juli 2011, Aktenzeichen: 305.1. -allg- 101). Diesem Erfordernis wird zwar in der vorliegend in Rede stehenden Veröffentlichung entsprochen. Gleichwohl sind die an eine ordnungsgemäße Bekanntmachung der Ausfertigung der Satzung zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt, weil die veröffentlichte „Bekanntmachungsanordnung“ entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den erforderlichen Ausfertigungsvermerk darstellt.

7

Die „Bekanntmachungsanordnung“ erscheint nach ihrer äußeren Gestaltung, insbesondere durch die drucktechnische Umrandung, als vom Satzungstext losgelöst und abgesetzt. Mit der herausgehobenen Wendung „Bekanntmachungsanordnung“ wird zudem - ihrer Wortbedeutung entsprechend - auch einem objektiven Betrachter der Eindruck vermittelt, dass Zielrichtung der Anordnung (allein) der von der Oberbürgermeisterin veranlasste (technische) Vorgang der Veröffentlichung ist und damit gerade nicht die Authentizität des Satzungsinhalts mit dem entsprechenden Ratsbeschluss bezeugt werden soll. Bekanntmachungsanordnung und Ausfertigung weisen nach alledem einen unterschiedlichen Aussagegehalt auf (a. A. Ziegler, DVBl. 1987, S. 280, 284). Den vorstehenden Ausführungen entspricht, dass etwa die Friedhofssatzung der Beklagten (Amtsblatt v. 18.01.2012, S. 5) im unmittelbaren Anschluss an den Satzungstext die Unterschrift der Oberbürgermeisterin enthält und erst dann eine - jedenfalls nach dem äußeren Eindruck auf eine Trennung zwischen Ausfertigung und Bekanntgabe zielende - „Bekanntmachungsanordnung“ aufweist.

8

II. Soweit die Beklagte eine Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) rügt, wird entgegen § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO schon nicht substanziiert aufgezeigt, von welchem Rechtssatz der angeführten Senatsentscheidung (Beschl. v. 24.11.2010, a. a. O.) die Vorinstanz, die diese Entscheidung selbst in Bezug genommen hat, abgewichen sein soll. In einer (unterstellt) unrichtigen Anwendung der vorgenannten Senatsrechtsprechung läge im Übrigen keine Abweichung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.

9

III. Die von der Beklagten weiterhin als grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erachtete Fragestellung, „dürfen in Sachsen-Anhalt Ausfertigungen kommunaler Satzungen noch mit maschinengedruckter Unterschrift (in der „üblichen Form“) des jeweiligen Bürgermeisters unter den Ausfertigungsvermerk (die Bekanntmachungsanordnung) veröffentlicht werden oder ist dafür zwingend eine Veröffentlichung auch der handschriftlichen Unterzeichnung erforderlich“, würde sich in dem erstrebten Berufungsverfahren nicht stellen, weil sie nicht an eine entscheidungserhebliche Feststellung im angefochtenen Urteil anknüpft. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist auf das Fehlen eines Ausfertigungsvermerks als solches gestützt und nicht auf die Abbildung der Unterschriftsleistung.

10

Auf die gegen die materiell-rechtliche Auffassung der Vorinstanz gerichteten Einwände der Beklagten kommt es nach alledem nicht an.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

12

B. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen; denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt grundsätzlich nicht mehr in Betracht, wenn das Verfahren, für das sie begehrt wird, abgeschlossen ist (vgl. VGH BW, Beschl. v. 09.07.1990 - 2 S 1137/90 -, zit. nach JURIS, m. w. N.). In diesem Fall dient der Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht mehr der gesetzlich allein relevanten Absicht der Rechtsverfolgung (vgl. § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO). So liegt es hier. Das Verfahren, für das der Kläger Prozesskostenhilfe begehrt, ist durch die Ablehnung des Antrags der Beklagten auf Zulassung der Berufung rechtskräftig abgeschlossen worden. Nach dieser Entscheidung hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, so dass den Kläger keine Verfahrenskosten mehr treffen können.

13

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Herstellung der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage der Beklagten.

2

Die 1991 gegründete Klägerin, die bis zum 28. März 2003 als Chemiewerke A-Stadt GmbH firmierte, übernahm Flächen eines ehemaligen Betriebsteils der VEB Sprengstoffwerk A-Stadt, die durch jahrzehntelange Sprengstoffherstellung kontaminiert worden waren. Nachdem die Produktion eingestellt worden war, begann die Klägerin mit der Altlastensanierung und der Vorbereitung der Flächen für eine Neubesiedlung, u.a. durch Dekontaminierung der Sprengstoffanlagen und die Demontage von Gebäuden. Ihr Unternehmensgegenstand wurde die Vermietung und Verpachtung von gewerblich nutzbaren Flächen. In dem Areal des ehemaligen Sprengstoffwerks befinden sich weitere ehemalige Industriegrundstücke anderer Eigentümer. Die Bebauung ist aufgelockert, es befinden sich dort Grünflächen und alter Baumbestand. Die Altlasten aus der Zeit der Nutzung des Geländes als Sprengstoffwerk führten zur Errichtung eines Sicherheitszaunes. Es besteht für das Areal ein Flächennutzungsplan sowie eine Innenbereichs- und Arrondierungssatzung der Beklagten.

3

Mit Bescheid vom 14. August 2002, gefertigt von der Abwasserentsorgung A-Stadt - (...) - GmbH namens und im Auftrag der Beklagten, wurde gegenüber der Klägerin nach Anhörung für eine aus den Flurstücken 137, 138, 139, 412/48, 418/48 und 48/5 bestehende 420.174 m2 große Fläche ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 581.940,99 € festgesetzt. Ein Betrag in Höhe von 20.387,20 € wurde gestundet. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2004 in einer Höhe von 568.710,78 € zurück (Nr. 1 des Tenors). Weiterhin wurde die bislang gewährte Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Teilbetrages in Höhe von 407.140,75 € aufgehoben (Nr. 2 des Tenors), eine Kostengrundentscheidung zu Lasten der Klägerin getroffen (Nr. 3 des Tenors) und darauf hingewiesen, dass für den Widerspruchsbescheid eine Verwaltungsgebühr erhoben werde, wozu ein gesonderter Bescheid ergehe (Nr. 4 des Tenors).

4

Am 23. Januar 2004 entrichtete die Klägerin einen Betrag in Höhe von 20.000,- €.

5

Am 13. Februar 2004 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben (9 A 39/04 MD) und einstweiligen Rechtsschutz begehrt. In dem Eilverfahren hat die Beklagte eine Berichtigung gem. § 129 AO vorgenommen und erklärt, unter Heranziehung einer beitragsrechtlich relevanten Fläche von 415.766 m2 ergebe sich für die Klägerin ein Kanalbaubeitrag in Höhe von 575.835,91 €.

6

Mit Beschluss vom 1. Juni 2004 (9 B 81/04 MD) hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet: Bei den herangezogenen Flurstücken handele es sich jeweils um eigene Grundstücke.

7

Die Beklagte hat daraufhin unter Bezugnahme auf diesen Beschluss einen „geänderten Widerspruchsbescheid“ vom 27. September 2004 erlassen. Darin hat sie unter Nr. 1 des Tenors jeweils für die als eigene Grundstücke anzusehenden Flurstücke 137, 138, 139, 48/5, 412/48, 414/48, 38/1 und 48/7 unter Zugrundelegung eines Nutzungsfaktors von 0,25 für zwei Geschosse gesonderte Anschlussbeiträge festgesetzt. Weiter heißt es in dem Tenor unter Nr. 1: „Im Übrigen wird der Heranziehungs- und Festsetzungsbescheid 0-1604 zum Beitrag für die öffentliche Schmutzwasserkanalisation vom 14.08.2002 aufgehoben. Der Widerspruchsbescheid vom 23.01.2004 bleibt in den übrigen Punkten unberührt.“ In der Nr. 2 des Tenors des Bescheides ist eine Kostengrundentscheidung zu Lasten der Beklagten erfolgt und unter Nr. 3 eine Entscheidung zur Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes. Unter Berücksichtigung von 20.000,- €, welche die Klägerin bereits bezahlt hatte, hat die Beklagte die Klägerin zur Zahlung von 561.990,86 € aufgefordert.

8

Am 1. November 2004 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben und ausgeführt, ihre Klage richte sich allein gegen die belastenden Regelungen des Bescheides vom 27. September 2004.

9

In einem Schriftsatz vom 3. November 2008 hat die Beklagte “klarstellend und unter gleichzeitiger Berichtigung der Beitragsfestsetzungen im geänderten Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004“ erklären lassen:

10

 - Der Beitrag für das Flurstück 10059 (früher 137) werde auf 291.726,70 € festgesetzt und der bislang höhere Beitrag aufgehoben.

 - Der Beitrag für das Grundstück aus den Flurstücken 10078 bis 10081 (früher 414/48) werde auf 199.499,55 € festgesetzt, aber in der Höhe auf den bisherigen Beitrag von 199.370,75 € beschränkt.

 - Der Beitrag für das Grundstück aus den Flurstücken 10084 und 10085 (früher 412/48) betrage an sich 42.480,72 €, solle aber bei 42.412,85 € verbleiben.

 - Der Beitrag für das Grundstück aus den Flurstücken 10082 und 10083 (früher 48/7) werde auf 4.398,76 € festgesetzt und der bislang höhere Beitrag aufgehoben.

 - Der Beitrag für das Flurstück 38/1 verbleibe unverändert bei 8.827,99 €.

11

In einem Schriftsatz vom 28. Januar 2009 hat die Beklagte erklären lassen, sie halte trotz eines Bestehens von drei Vollgeschossen auf dem Flurstück 10146 an dem für das Ausgangsflurstück 10059 festgesetzten Beitrag ebenso fest wie an dem Beitrag für die Flurstücke 10078, 10079, 10080, 10081. Hinsichtlich des Flurstücks 139 halte sie gleichfalls an dem festgesetzten Beitrag fest, da sie das Grundstück nicht habe betreten können. Für die übrigen Flurstücke hat sie den Beitrag unter Herabsetzung auf insgesamt 552.258,36 € im Einzelnen wie folgt abändern und Teilrücknahmen in Höhe von insgesamt 29.732,50 € erklären lassen:

12

 - Flurstücke 10082 und 10083 auf 2.199,38 € unter Zugrundlegung einer Bebauung mit einem Vollgeschoss,

 - Flurstücke 10084 und 10085 auf 21.240,36 €,

 - Flurstück 38/1 auf 4.413,99 €,

 - Flurstück 138 auf 968,12 €,

 - Flurstück 48/5 auf 755,52 €

13

jeweils unter Zugrundlegung einer Umgebungsbebauung mit einem Vollgeschoss.

14

Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2008 hat die Klägerin hilfsweise mit einem Rückforderungsanspruch von 115.752,50 € aufgerechnet. Ihr stehe ein „gegenwärtig nicht bezifferbarer Rückforderungsanspruch“ gegen die Beklagte in Höhe von 95.752,50 € aus einem Ablösungsvertrag nach dem BauGB zu, außerdem sei der von ihr bereits geleistete Betrag von 20.000,- € zurückzuzahlen.

15

Nachdem die Klägerin zunächst beantragt hatte, den geänderten Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004 aufzuheben, hilfsweise den Bescheid vom 14. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004 und des geänderten Widerspruchsbescheides vom 27. September 2004 aufzuheben, hat sie mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2008 beantragt, den als „geänderten Widerspruchsbescheid“ bezeichneten Bescheid vom 27. September 2004 in der ggfs. durch den Schriftsatz der Beklagten vom 3. November 2008 gefundenen Fassung aufzuheben, sowie „klageerweiternd im Wege der Untätigkeitsklage“ die Beklagte zu verpflichten, die auf Erlass und Stundung gerichteten Anträge zu bescheiden.

16

In einer mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2008 hat das Verwaltungsgericht Beweis über die Altlastenproblematik durch Vernehmung einer Mitarbeiterin der Landesanstalt für Altlastenfreistellung erhoben. In einer mündlichen Verhandlung vom 14. Mai 2009 haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen und auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet. Die Klägerin hat den Vergleich widerrufen, weil sie davon ausging, erhebliche Teilflächen der streitbefangenen Grundstücke lägen außerhalb des Bereiches der Innenbereichs - und Arrondierungssatzung der Beklagten.

17

Mit Urteil vom 24. Juni 2009 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren teilweise eingestellt. Weiterhin hat es das Verfahren hinsichtlich der Verpflichtung zur Bescheidung der Billigkeitsanträge abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 9 A 174/09 MD fortgeführt. Schließlich hat das Gericht den geänderten Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004 in der Gestalt der Änderungen durch die Schriftsätze der Beklagten vom 3. November 2008 und vom 28. Januar 2009 aufgehoben, soweit die Beklagte für das Flurstück 139 einen Beitrag von 31.583,54 € und für das Flurstück 138 einen Beitrag von 968,12 € festgesetzt hat. Im Übrigen hat das Gericht die Klage abgewiesen:

18

Das Verfahren sei einzustellen gewesen, soweit die Klägerin ihre Klage durch Änderung ihres Klageantrages im Schriftsatz vom 2. Dezember 2008 inzident zurückgenommen habe. Soweit sie auf die Änderung des Bescheides durch Schriftsatz der Beklagten vom 28. Januar 2009 ihre Klage nicht geändert habe, sei die Klage unzulässig, da der Klägerin insoweit das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

19

Die Klage sei im Übrigen zulässig. Zwar klage die Klägerin isoliert gegen einen als Widerspruchsbescheid bezeichneten Bescheid und der Ausgangsbescheid sei auch nicht etwa nichtig. Dennoch sei sie ausnahmsweise befugt, nur den Widerspruchsbescheid anzugreifen, weil dieser sich auf Grund der darin enthaltenen neuen Berechnungen und Festsetzungen wie ein erstmaliger Beitragsbescheid darstelle.

20

Der Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der rückwirkend zum 1. Januar 2006 in Kraft getretenen Abwasserabgabensatzung vom 14. Dezember 2006, bei der es sich um die erste wirksame Beitragssatzung der Beklagten handele. Formale Bedenken bestünden weder hinsichtlich der Satzung noch hinsichtlich des Bescheides in der Gestalt der letzten Änderung durch Schriftsatz der Beklagten. Die Satzung verstoße auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot.

21

Die vom Beitragsbescheid in der nunmehrigen Fassung betroffenen Grundstücke der Klägerin seien grundsätzlich bebaubar. Sie befänden sich unfraglich jedenfalls im unbeplanten Innenbereich. Denn der Industriepark West bilde, unabhängig von der Wirksamkeit und rechtlichen Wirkung der von der Beklagten erlassenen Innenbereichs- und Arrondierungssatzung, selbst einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Er stelle sich nach seinem äußeren Eindruck als typisches Gewerbegebiet dar. Auch hinderten die auf dem Grundstück befindlichen Altlasten weder die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht noch minderten sie die der Beitragsbemessung zugrunde liegende Vorteilsfläche. Die Grundstücke seien nicht Unland gleichzusetzen, weil sie nicht auf unabsehbare Zeit unsanierbar seien. Dabei sei zu beachten, dass jeweils nur Teilflächen betroffen seien und die Klägerin von dem Vorteil der Anschlussmöglichkeit in der Vergangenheit durch Verkauf oder Vermietung sanierter Flächen auch Gebrauch gemacht habe. Die sachliche Beitragspflicht sei für die Flurstücke 48/5, 10078 - 10081, 10059, 10084/10085, 10082/10083 und 38/1 am 1. Januar 2006 entstanden, weil diese Flurstücke zu diesem Zeitpunkt im Eigentum der Klägerin gestanden und jeweils über eine gesicherte Anschlussmöglichkeit verfügt hätten. Auch die Billigkeitsregelungen nach § 8 Abs. 2 der Satzung führten nicht zur Kürzung des Beitragsanspruches. Denn danach werde lediglich die Vollgeschosszahl derjenigen Gebäude nicht berücksichtigt, die keinen Bedarf nach Anschluss hätten, nicht etwa werde die Grundstücksfläche um die Grundfläche der Gebäude gekürzt. Soweit die Klägerin mit einem angeblichen Gegenanspruch hilfsweise aufrechne, sei eine Aufrechnung nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen möglich.

22

Nur für die als Hinterliegergrundstücke anzusehenden Flurstücke 138 und 139 sei die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden, weil die mit einer Grundstücksentwässerungsanlage zu überwindende Strecke ca. 400 m betrage und der damit einhergehende wirtschaftliche Aufwand unzumutbar sei.

23

Mit Bescheid vom 7. Juni 2010, gegen den die Klägerin - einen bislang noch nicht beschiedenen - Widerspruch erhoben hat, hat die Beklagte die Fälligkeit für mehrere Grundstücke und Teilflächen auf den 30. Juni 2010 festgesetzt und folgende Billigkeitsmaßnahmen vorgenommen:

24

Erlass des festgesetzten Beitrages für folgende Grundstücke.

25

 - 10059 (vormals 137) in einer Höhe von 173.457,40 €,

 - 38/1 vollständig (4.414,- €),

 - 414/48 (neues Flurstück 10124) in einer Höhe von 677,27 €.

26

Stundung des Beitrages bis zum 29. Juni 2025 mit einem Zinssatz von 1% p.a. für folgende Grundstücke:

27

 - 10146 (alt 137)

 113.257,- €,

 - 10147 (alt 414/48)

 123.285,78 €,

 - 10085 (alt 412/48)

  16.912,32 €,

 - 10083 (alt 48/7)

  1.334,45 €,

 - 48/5

  755,52 €.

28

In Schriftsätzen vom 3. August sowie 10. September 2010 und vom 30. August sowie 23. September 2010 haben die Beteiligten den Rechtsstreit in dem Verfahren teilweise für erledigt erklärt, soweit die Beitragsforderungen erlassen worden sind.

29

Mit Beschluss vom 27. September 2011 hat der erkennende Senat auf den Antrag der Klägerin die Berufung wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassen.

30

Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen geltend:

31

Hinsichtlich der von Restitutions- und Vermögenszuordnungsbescheiden erfassten Flurstücke 48/5 und 48/7 sei noch vor dem 1. Januar 2006 ein Eigentumsübergang auf einen Dritten eingetreten. Die Eigentumsänderung nach dem VermG trete durch den Restitutionsbescheid selbst ein. Auch habe die Beklagte für Teilflächen durch notariellen Kaufvertrag die öffentlichen Lasten für leitungsgebundene Anlagen ab Besitzübergang übernommen, der vor dem 1. Januar 2006 gelegen habe.

32

In der Beitragssatzung vom 14. Dezember 2006 sei das Datum der Ausfertigung durch den Oberbürgermeister nicht angegeben und zwar sowohl in der Bekanntmachung als auch in der lediglich paraphierten Originalfassung. Sie habe durchgehend bestritten, dass die Satzung am Sonntag, dem 24. Dezember 2006, ortsüblich bekannt gegeben worden sei. Eine gemäß § 10 Abs. 1 KAG LSA zulässige satzungsmäßige Ermächtigung für die Beauftragung Dritter fehle in der Satzung.

33

Die rückwirkende Schaffung einer Satzungsgrundlage für den als Neufestsetzung anzusehenden, sogenannten geänderten Widerspruchsbescheid vom 27. September 2004 durch die Satzung vom 14. Dezember 2006 verstoße gegen die verfassungsrechtlichen Schranken rückwirkender Abgabensatzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG LSA. Es sei vorliegend eine sogenannte echte Rückwirkung gegeben, die mit dem Vertrauensschutz unvereinbar sei. Selbst wenn man eine lediglich unechte Rückwirkung annehmen wolle, scheitere sie bereits an der erforderlichen Abwägung, denn durch die neue Satzung seien die Unklarheiten nicht beseitigt, sondern verstärkt worden. Die landesgesetzlichen Schranken rückwirkender Abgabensatzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KAG LSA seien ebenfalls nicht gewahrt. Die Satzung verstoße auch gegen das Schlechterstellungsverbot des § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG LSA.

34

Weiterhin seien durch die neue Beitragssatzung vom 30. Mai 2012 die abweichenden Bestimmungen der Vorgängersatzung aufgehoben worden, wozu auch die Rückwirkungsanordnung in der Satzung vom 14. Dezember 2006 gehöre. Allerdings sei die Festsetzungsverjährung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits abgelaufen und die ohne Rückwirkung erlassene Satzung vom 30. Mai 2012 könne den vor acht Jahren erlassenen Bescheiden nicht nachträglich die erforderliche Satzungsgrundlage verschaffen. Es werde beantragt, der Beklagten aufzugeben, mehrere der von ihr genannten Gerichtsurteile vorzulegen, und ihr - der Klägerin - für die Prüfung dieser Satzung eine Frist einzuräumen. Im Übrigen werde ausdrücklich gerügt, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 11. Juni 2012 eingereicht worden sei, als die neue Satzung bereits veröffentlicht gewesen sei, was offenbar ihrer Irreführung und Desinformation habe dienen sollen.

35

Die Unrichtigkeit des Urteils ergebe sich aus der mangelnden Bestimmtheit des Bescheides vom 27. September 2004 in Verbindung mit diversen Änderungserklärungen in den Beklagtenschriftsätzen und mit dem auf diese verweisenden Urteilstenor. Selbst wenn durch die Bezeichnung der Buchgrundstücke zum 1. Januar 2006 in den Schriftsätzen dem Bestimmtheitserfordernis als solchem Genüge getan sein sollte, so werde verkannt, dass die sachliche Beitragspflicht neben einer wirksamen Satzung die konkrete Bevorteilung bei sonstiger, insbesondere straßenseitiger Erschließung und eine tatsächlich und rechtlich dauerhafte Sicherung der Anschlussmöglichkeit voraussetze. Es sei also nicht am 1. Januar 2006 zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht gekommen, sondern - wenn überhaupt - später zu unterschiedlichen Zeitpunkten, in denen wiederum überdies ganz andere Buchgrundstücke bestanden hätten. Die vermeintlich klarstellenden Schriftsätze hätten in Wirklichkeit zur Unklarheit und Unbestimmtheit geführt.

36

Die verkehrliche Erschließung der herangezogenen Grundflächen sei im maßgeblichen Zeitraum bis 2006 einschließlich ausdrücklich gerade nicht über die W-Straße und den M-Ring vorgenommen worden. Auch eine verkehrliche Erschließung über die Verlängerung der Hohendorfer Straße habe am 1. Januar 2006 nicht vorgelegen.

37

Weiterhin läge auf den noch streitgegenständlichen Flurstücken eine erhebliche Verunreinigung mit ökologischen Altlasten und mit Sprengstoffen vor, die die Flächen jedenfalls teilweise zu Unland mache. Mit Ausnahme des tatsächlich genutzten Verwaltungsgebäudes und der wenigen sanierten Flächen könne in keiner der ihr verbliebenen Teilflächen innerhalb des früheren eingefriedeten Sprengstoffwerkgeländes von einer selbständigen baulichen Nutzbarkeit ausgegangen werden. Gäbe es auf dem Gelände nachweislich nennenswerte unbelastete Flächen, hätte das Landesamt sie aus der Störerverantwortlichkeit entlassen müssen. In den vorliegenden Berichten seien einige hochgradig kontaminierte Flächen nicht erwähnt, insbesondere in Altkanälen. Daneben gebe es Bereiche, die bis heute nicht untersucht seien, in denen aber hohe Bodenbelastungen zu erwarten seien, so insbesondere im Bereich ehemaliger Tanklager. Auf Grund der Sanierungskosten könne für keines der verbleibenden, für den Beitrag herangezogenen Buchgrundstücke innerhalb der Umfriedung des früheren Sprengstoffwerks ein nach Abzug der Kosten der Altlastenbeseitigung noch verbleibender positiver Verkehrswert angenommen werden. Es fehle überdies an einer Beitragspflicht nach § 3 der Satzung vom 14. Dezember 2006, da große, großflächig kontaminierte Altlasten- und Altlastenverdachtsflächen nach der Verkehrsauffassung gerade kein Bauland seien. Ihr gesamtes Gelände sei im Altlastenkataster des Landes als Altlastenfläche ausgewiesen. Eine Beplanung von Altlastenflächen durch Bebauungsplan sei rechtswidrig und würde zu Amtshaftungsansprüchen gegen die Gemeinde führen. Daher könne selbst in Bereichen, in denen eine Bebauung im Zusammenhang oder ein Ortsteil als Planersatz vorläge, eine Nutzbarkeit von Altlastenflächen nicht angenommen werden.

38

Es handele sich bei den streitgegenständlichen Flächen insgesamt um Grundstücke im Außenbereich, mindestens gingen die meisten und insbesondere die größeren unter ihnen unmittelbar in den Außenbereich über. Es bleibe nach dem angefochtenen Urteil unklar, was das Verwaltungsgericht überhaupt als „Gebiet“ und was es als „Industriepark West“ ansehe und wo nach seiner Auffassung der Bebauungszusammenhang anfange und aufhöre. Die wenigen, am 1. Januar 2006 aufstehenden Gebäude, von denen ein Großteil Ruinen und durch Kontaminationen nicht nutzbar seien, hätten keinen Ortsteil und keinen Bebauungszusammenhang gebildet. Sie sei nicht auf eine gesonderte Anfechtung der lediglich deklaratorisch wirkenden Innenbereichs- und Arrondierungssatzung vom 28. November 2002 zu verweisen. Die Satzung enthalte mit der das gesamte umfriedete Werksgelände umfassenden „Klarstellungslinie“ eine Klarstellungsfestsetzung i.S.d. § 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB a.F. Einzelne herangezogene Flächen lägen indessen außerhalb dieser Linie und der Umfriedung des früheren Werks. Die Beklagte habe selbst mittelbar bestätigt, dass sie bestimmte Flächen in der Satzung selbst dem Außenbereich zugeordnet habe. Die Festsetzung sei auch im Übrigen unwirksam. Durch eine Klarstellungssatzung könnten allenfalls die Grenzen eines schon vorhandenen Ortsteils festgelegt werden, nicht aber eine Industriebrache im Außenbereich zum Ortsteil erhoben werden. Auch eine Festsetzung durch eine Abrundungs-, Einbeziehungs- oder Ergänzungssatzung wäre unwirksam und rechtswidrig.

39

Es habe keine Anschlüsse und Anschlussmöglichkeiten vor dem Jahr 2006 gegeben, da die Übergabeschächte nicht vor den von der Beklagten genannten Grundstücken, sondern hinter dazwischen liegenden Fremdgrundstücken bzw. hinter Außenbereichsflächen gelegen hätten. Am 1. Januar 2006 bis heute lägen zwischen den erst viel später hergestellten Abwasserleitungen in der M-Allee und in der W-Straße jeweils Fremdgrundstücke. Von dem damaligen Endpunkt der Abwasseranlage in der Hohendorfer Straße habe sie gerade nicht angeschlossen werden können. Ob irgendeiner der von der Beklagten angegebenen Kanalabschnitte an der sogenannten Grenzlinie ende oder ob eine rechtliche Anschlussmöglichkeit der Hinterliegergrundstücke über ein Leitungsrecht oder eine Dienstbarkeit zu den Straßen vorgelegen habe, sei nicht festgestellt. Diese Voraussetzungen lägen auch erkennbar nicht vor. Die maßgebliche Formulierung in der Satzung, dass die Beitragspflicht mit der betriebsfertigen Herstellung der Schmutzwasseranlage für das zu entwässernde Grundstück entstehe, sei mehr als unklar und unbestimmt. Die sachliche Beitragspflicht sei auch nicht bereits mit der betriebsfertigen Herstellung des Hauptsammlers entstanden, zu der - und deren Zeitpunkt - die Beklagte nichts weiter vortrage. Denn es habe mangels wirksamer Satzung keinen Erstattungsanspruch nach § 8 KAG LSA gegeben. Daneben seien die Hausanschlüsse, wie die Beklagte selbst vortrage, ausschließlich von dieser selbst herzustellen, so dass durchweg nicht die betriebsbereite Herstellung der Hauptsammler irgendwo vor den herangezogenen Grundstücken genüge.

40

Es fehle weiterhin auf Grund der Entfernungen von Hunderten von Metern und dazwischen liegenden Hindernisse (Altlasten, Ruinen, Betonfundamente, Altleitungen) jedenfalls an der Zumutbarkeit einer Anschlussnahme. Die durchschnittliche Leitungslänge habe über 200 m betragen. Fehlerhaft sei auch die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass es keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursacht hätte, über das Flurstück 10085 und das Flurstück 10059 jeweils Anschlussleitungen zu den Hinterliegergrundstücken zu legen.

41

Bei der Ermittlung der Vollgeschosszahlen sei § 8 Abs. 2 Satz 1 der Satzung zu Unrecht nicht angewandt worden und zwar weder auf die zahlreichen Ruinen noch die denkmalgeschützten Baulichkeiten und Bunker noch die kontaminierten und deswegen nicht nutzbaren Baulichkeiten. Die Ermittlung sei weiterhin offenkundig fehlerhaft gewesen. Das Verwaltungsgericht beziehe sich auf die Durchschnittsbetrachtungen durch die (...) bzw. die ... aus dem Jahr 2002. Dabei seien die 25 einstöckigen und überwiegend denkmalgeschützten Bunker nicht berücksichtigt worden und es fehle eine Ermächtigung zur Beauftragung Dritter in der Satzung. Auch auf Grund der Änderungen in den maßgeblichen Satzungsregelungen und der Bebauung sei es unzulässig, auf diese Durchschnittszahlen zurückzugreifen. Zahlreiche Gebäude seien abgerissen worden. Weiterhin habe das Verwaltungsgericht einen methodischen Fehler begangen. Auch sei die Bezugnahme auf die „nähere Umgebung“ in der Beitragssatzung zu unbestimmt und die vorgenommene Ermittlung einer näheren Umgebung der streitbefangenen Grundstücke entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen. Schließlich sei die flächendeckende Heranziehung mit zwei Vollgeschossen wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unzulässig, weil die benachbarte L... GmbH mit nur einem Vollgeschoss herangezogen worden sei.

42

Die vorgenommenen Aufrechnungen seien zu Unrecht nicht anerkannt worden. Die Zahlung und die Verrechnung eines Betrages in Höhe von 20.000,- € seien unstreitig. Sie habe die Hilfsaufrechnung allein deswegen nochmals erklärt, weil die verschiedenen Verrechnungen der Beklagten sich widersprochen hätten und die Beweislage ungewiss gewesen sei. Die weitergehende Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 95.752,50 € wegen des Ablösebetrages für den Straßenausbau sei nicht unzulässig. Diese Forderung sei nicht bestritten worden. Eine solche Feststellung ergebe sich weder aus einem Protokoll noch aus dem Tatbestand des Urteils oder einem Beklagtenschriftsatz. Die Anrechnung im angefochtenen Bescheid sei durch den Billigkeitsbescheid auch aufgehoben worden.

43

Ihr Eigentum werde durch diverse Zugriffe der öffentlichen Stellen des Landes gänzlich ausgehöhlt. Die Sanierungskosten gemeinsam mit den geforderten Beiträgen und den Kosten der behördlicherseits auferlegten Bewachung der Altlast hätten eine mit Art. 14 GG nicht zu vereinbarende erdrosselnde Wirkung.

44

Die Klägerin beantragt,

45

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 24. Juni 2009 abzuändern und den Heranziehungs- und Festsetzungsbescheid vom 14. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 23. Januar 2004, ihres Schriftsatzes vom 13. April 2004 und ihres Bescheides vom 27. September 2004 sowie der Schriftsätze der Beklagten vom 3. November 2008 und 28. Januar 2009 und ihres Bescheides vom 7. Juni 2010 aufzuheben, soweit das Verfahren nicht in der Hauptsache auf Grund des Billigkeitsbescheides vom 7. Juni 2010 übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist,

46

hilfsweise,

47

zum Beweis der Behauptung der Klägerin, es seien auf jedem einzelnen der streitgegenständlichen Grundstücke selbständig baulich nutzbare, von Altlasten unbelastete oder nur unwesentlich unterhalb der Gefahrenschwelle belastete Grundflächen nicht vorhanden, und zur Widerlegung der gegenteiligen Behauptung der Beklagten

48

die Einholung eines Sachverständigengutachtens,
die Einholung einer Auskunft der Landesanstalt für Altlastenfreistellung,
zum Beweis der Behauptung der Klägerin, es liege in der näheren Umgebung der streitgegenständlichen Grundstücke eine eingeschossige Bebauung vor,
die Einholung eines Sachverständigengutachtens,

49

weiter hilfsweise,

50

Beweis zu folgenden Fragen zu erheben:

51

welche Grundstücke der Klägerin sind von Altlasten betroffen, welche Altlasten lagern dort ?

52

Beeinträchtigten die Altlasten die Bebaubarkeit/Nutzung der Grundstücke und können die Altlasten beseitigt werden ?

53

In welchem Zeitraum und mit welchem Kostenaufwand können die Altlasten für die jeweiligen Grundstücke beseitigt werden ?

54

Die Beklagte beantragt,

55

die Berufung zurückzuweisen.

56

Sie trägt vor, die der Satzung vom 14. Dezember 2006 vorgehenden Abwasserbeseitigungsabgabensatzungen seien mit ihrem Beitragsteil jeweils nichtig, da sie einen unvollständigen und damit fehlerhaften Beitragsmaßstab enthielten.

57

Die Klägerin sei ausweislich einer Stellungnahme des Liegenschaftsamtes am 1. Januar 2006 Eigentümerin des Flurstücks 48/5 gewesen und ausweislich eines Schreibens des Amtsgerichts Schönebeck zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Eigentümerin des Flurstücks 48/7.

58

Eine Kontamination durch Altlasten habe keinen Einfluss auf die Beitragshöhe. Alle Grundstücke seien schon allein wegen ihrer Bebauung und der auf ihr ausgeübten gewerblichen Nutzung fähig, aus der Anschlussmöglichkeit bevorteilt zu werden. Nur wenn durch die Kontamination für die Gesamtfläche eines Grundstücks jede Art einer beitragsrechtlich relevanten Nutzbarkeit ausgeschlossen sei, bleibe ein solches Grundstück bis zur Beseitigung des der Nutzbarkeit entgegen stehenden Hindernisses beitragsfrei. Derartige Gegebenheiten gebe es bei den streitbefangenen Grundstücken nicht. Ein Baugrundstück sei - mit Ausnahme von Grundstücken in Kerngebieten - nie vollständig überbaubar. Eine andere Frage sei, ob bei der Großflächigkeit der Altlastenbelastung nicht möglicherweise die uneingeschränkte Beitragsbelastung eine sachliche Härte darstelle. Der jetzt behaupteten „Schwerstkontamination“ müsse im Rahmen des Widerspruchs gegen den Billigkeitsbescheid vom 7. Juni 2010 nachgegangen werden. Eine künftige Nutzung von Teilflächen sei in den Berichten der von der Landesanstalt für Altlastenfreistellung beauftragten Firma nicht ausgeschlossen. Es sei auch relevant, dass auf Antrag der Klägerin die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Errichtung eines Solarparks beschlossen worden sei, der teilweise streitbefangene Flächen erfasse. Bei den noch streitigen Grundstücksflächen, die von der Klägerin als „schwerst kontaminiert“ bezeichnet würden, handele es sich wohl um eine Fläche von 14.785 m2 südlich des sog. Sicherheitszaunes. Die Flurstücksbezeichnungen dieser „schwerst kontaminierten Flächen“ könnten nicht nachvollzogen werden.

59

Die Innenbereichs- und Arrondierungssatzung sei seit dem Jahre 2002 nicht überarbeitet worden. Nach dem aktuellen Flächennutzungsplan lägen Teilflächen der von der Beitragserhebung erfassten Grundstücke nicht im Geltungsbereich der Satzung. Durch den Neubau der im Oktober 2003 gewidmeten „W-Straße“ sei allerdings fraglich, ob die Annahme des Außenbereichs noch zutreffend sei. Auch das Verwaltungsgericht habe angenommen, der Industriepark West bilde selbst einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil.

60

Es komme nach der Satzungslage für das Entstehen der Vorteilslage jeweils nur auf die betriebsfertige Herstellung des Hauptsammlers an. Aus den bereits erstinstanzlich vorgelegten Unterlagen ergebe sich die betriebsfertige Herstellung der Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung im Jahre 1999 in dem östlichen Teil der „Hohendorfer Straße“ bis westlich des heutigen Abzweigs der „W-Straße“. Von dem Endpunkt in der „Hohendorfer Straße“ habe die Klägerin mit dem früheren Flurstück 137 angeschlossen werden können. Von der „W-Straße“ aus seien zwei Grundstücksanschlüsse vom Flurstück 412/48 bereits im Jahre 2003 hergestellt worden. Darüber hinaus habe wegen der Eigentümeridentität auch für das aus den Flurstücken 10078, 10079, 10080 und 10081 bestehende bürgerlich-rechtliche Grundstück und für das aus den Flurstücken 10082 und 10083 bestehende bürgerlich-rechtliche Grundstück die tatsächlich und rechtlich gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit zur „W-Straße“ bestanden, da die Klägerin es allein in der Hand gehabt habe, ihre Anschlussrechte für das Flurstück 10085 wahrzunehmen. Dieser Anschluss wäre mit verhältnismäßig geringen Kosten möglich gewesen.

61

Die Widmung der Straßen im Industriepark West als öffentliche Straßen sei mit Eintritt der Bestandskraft der ortsüblichen Bekanntgabe am 10. Oktober 2003 erfolgt. Die „Hohendorfer Straße“ habe zunächst aus dem östlich des Flurstücks 38/1 verlaufenden Straßenteil bestanden, der seit Oktober 2003 straßenrechtlich öffentlich sei. Die auf dem Flurstück 38/1 verlaufende Teillänge der „Hohendorfer Straße“ sei u.a. einschließlich der Einrichtungen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung in der Zeit von Mai 2005 bis Juni 2006 endgültig hergestellt worden. Gewidmet worden sei diese Teillänge durch die nach dem 26. März 2007 bestandskräftig gewordene Widmungsverfügung. Da bereits Ende 1999 die Anschlussmöglichkeit gesichert gewesen sei, komme es auf die Verlegung der Einrichtung in der Verlängerung der „Hohendorfer Straße“ nicht an.

62

Die von der Klägerin geltend gemachten Gegenforderungen seien von ihr bestritten worden und würden weiterhin bestritten.

63

In ihrem Amtsblatt vom 10. Juni 2012 hat die Beklagte eine Abwasserabgabensatzung vom 30. Mai 2012 bekannt gemacht, die am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft treten sollte.

64

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten - jeweils dieses Verfahrens und des Streitverfahrens 4 L 160/09 - Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

65

Das Verfahren ist zunächst einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache auf Grund des Billigkeitsbescheides vom 7. Juni 2010 übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Dies betrifft zum einen auf Grund des in dem Billigkeitsbescheid vorgenommenen Erlasses die Festsetzung von Beiträgen in Höhe von 173.457,40 € für das (ehemalige) Flurstück 137, in Höhe von 4.414,- € für das Flurstück 38/1 und in Höhe von 677,27 € für das (ehemalige) Flurstück 414/48. Zum anderen ist der Rechtsstreit auch für erledigt erklärt worden, soweit in dem Billigkeitsbescheid für verschiedene Beitragsforderungen der Fälligkeitszeitraum nachträglich verringert worden ist. Auch wenn sich die Erledigungserklärungen teilweise nach ihrem Wortlaut nur auf die erlassenen Beiträge bezogen haben, ergab sich doch aus den Gesamtumständen, dass die Beteiligten der Erledigungswirkung des Billigkeitsbescheides Rechnung tragen wollten.

66

Die Berufung ist weiterhin ausweislich ihrer Begründung dahingehend auszulegen (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO), dass sie sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet, soweit darin die Klage als unbegründet abgewiesen worden ist. Soweit in dem Urteil die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen worden ist, weil die Klägerin nicht auf die teilweise Bescheidaufhebung durch den Schriftsatz der Beklagten vom 28. Januar 2009 reagiert habe, ist damit das Urteil und insbesondere die damit verbundene Kostenentscheidung nicht Gegenstand der Berufung.

67

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

68

Der Heranziehungs- und Festsetzungsbescheid vom 14. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 23. Januar 2004, ihres Schriftsatzes vom 13. April 2004 und ihres Bescheides vom 27. September 2004 sowie der Schriftsätze der Beklagten vom 3. November 2008 und 28. Januar 2009 und ihres Bescheides vom 7. Juni 2010 ist - soweit er im Berufungsverfahren noch streitbefangen ist - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

69

1. Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) der Klägerin ist zulässig.

70

Die Klage hat insbesondere den richtigen Verwaltungsakt zum Klagegegenstand gemacht. Nach Erlass des Ausgangsbescheides vom 14. August 2002 und des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004 sowie einer Berichtigung nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 129 AO in einem Schriftsatz vom 13. April 2004 hat die Beklagte einen „geänderten Widerspruchsbescheid“ vom 27. September 2004 erlassen. Es handelte sich dabei nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont trotz der missverständlichen Bezeichnung nicht um die Ersetzung, sondern die Abänderung (vgl. dazu auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 1375 m.w.N., Rdnr. 1510) des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004. Wie sich aus der mehrfachen Bezugnahme auf den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts in der Einleitung und der Begründung des Bescheides vom 27. September 2004 ergibt, trug die Beklagte mit diesem Bescheid lediglich der Beanstandung der Veranlagung mehrerer selbständiger Grundstücke als ein Grundstück Rechnung. Der Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2004 sollte nach der Nr. 1 des Tenors des Bescheides vom 27. September 2004 ausdrücklich „in den übrigen Punkten unberührt“, d.h. bestehen, bleiben. Auch wenn Beiträge und Leistungsgebot neu festgesetzt worden sind, entfaltete danach zumindest die Aufhebung der gewährten Aussetzung der Vollziehung (Nr. 2 des Tenors des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004) weiter eine Regelungswirkung. Daneben sollte ersichtlich ansonsten die in dem Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2004 enthaltene Begründung für die Zurückweisung des Widerspruchs fortgelten. Eine zumindest der Sache nach vollständige Ersetzung (vgl. dazu OVG Sachsen, Beschl. v. 10. Februar 2012 - 5 A 12/09 -; OVG Thüringen, Beschl. v. 9. November 2011 - 4 EO 39/11 -, m.w.N. jeweils zit. nach JURIS) des Ausgangsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2004 liegt im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts danach ebenfalls nicht vor. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 27. September 2004, in der auf die Klagemöglichkeit verwiesen wird, ist für die Unterscheidung zwischen Ersetzung und Abänderung von vornherein nicht maßgeblich, weil in beiden Fällen eine Anfechtungsklage zumindest statthaft wäre. Es macht auch keinen Unterschied, dass nur der Widerspruchsbescheid und nicht ausdrücklich der Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides abgeändert worden ist (vgl. auch OVG Niedersachsen, Urt. v. 12. Dezember 1989 - 9 A 62/88 -, NVwZ 1990, 590). Denn Ausgangs- und Widerspruchsbehörde sind vorliegend identisch und der Widerspruchsbescheid gab gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO dem Ausgangsbescheid seine endgültige Gestalt. Dass in dem Bescheid vom 27. September 2004 der Ausgangsbescheid „im Übrigen“ aufgehoben worden ist, sollte daher auch lediglich klarstellen, dass die dem Bescheid vom 27. September 2004 entgegenstehenden Regelungsbestandteile des Ausgangsbescheides keine Rechtswirkung mehr entfalten sollten.

71

Durch die im Klageverfahren vorgelegten Schriftsätze der Beklagten vom 3. November 2008 und 28. Januar 2009 erfolgte ausdrücklich eine weitere Abänderung durch teilweise Aufhebung der Beitragsfestsetzungen. Schließlich wurde durch den Billigkeitsbescheid vom 7. Juni 2010 der Fälligkeitszeitpunkt für bestimmte Grundstücke und Teilflächen abweichend von der bisherigen Zahlungsanforderung auf den 30. Juni 2010 festgesetzt und damit eine teilweise Aufhebung des Bescheides vorgenommen.

72

Die im Klageverfahren erfolgte Einbeziehung des Schriftsatzes vom 3. November 2008 und die erst im Berufungsverfahren erfolgte Einbeziehung des Schriftsatzes vom 28. Januar 2009 und des Billigkeitsbescheides vom 7. Juni 2010 waren jeweils nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klagebeschränkungen. Soweit die Klägerin erst im Berufungsverfahren den Ausgangsbescheid vom 14. August 2002, die Berichtigung in dem Schriftsatz vom 13. April 2004 sowie den Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2004 in ihren Klageantrag einbezogen hat, stellte dies eine nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterung dar.

73

2. Die Klage ist auch begründet.

74

Als erste wirksame Beitragssatzung kommt allein die im Juni 2012 in Kraft getretene Abwasserabgabensatzung der Beklagten vom 30. Mai 2012 - AAS 2012 - in Betracht (a). Deshalb kann die sachliche Beitragspflicht - bei unterstellter Wirksamkeit dieser Satzung - jeweils erst im Juni 2012 entstanden sein und die Klägerin für die zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke nicht herangezogen werden (b). Die zu diesem Zeitpunkt in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke werden in dem streitbefangenen Beitragsbescheid nicht hinreichend benannt (c). Ob sonstige Einwendungen der Klägerin gegen die Beitragserhebung durchgreifen, muss danach nicht abschließend entschieden werden (d).

75

a) (1) Die vor der Abwasserabgabensatzung in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2006 erlassenen Abwasserabgabensatzungen der Beklagten waren sämtlich wegen Unvollständigkeit des jeweiligen Verteilungsmaßstabs zumindest in ihrem Beitragsteil nichtig. Grundsätzlich muss im Anschlussbeitragsrecht der Verteilungsmaßstab alle im Versorgungsgebiet in Betracht kommenden Anwendungsfälle regeln (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30. Juni 2004 - 4 K 34/02 -; OVG Thüringen, Urt. v. 21. Juni 2006 - 4 N 574/98 -; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 12. August 2003 - 9 LA 36/03 -; OVG Sachsen, Urt. v. 29. November 2001 - 5 D 25/00 -; jeweils zit. nach JURIS; BVerwG, Urt. v. 19. August 1994 - 8 C 23/92 -, zit. nach JURIS zum Erschließungsbeitragsrecht). Inwieweit auf eine Maßstabsregelung ausnahmsweise verzichtet werden kann, weil Anwendungsfälle tatsächlich nicht entstehen und auch nicht entstehen werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 27. Juni 2012 - OVG 9 B 20.11 -; jeweils zit. nach JURIS) oder die Unvollständigkeit ohne Auswirkung auf die im Beitragssatz zum Ausdruck kommende vorteilsgerechte Verteilung des Aufwandes bleibt (vgl. VG Magdeburg, Urt. v. 15. Dezember 2011 - 9 A 272/10 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2200 m.w.N.) bzw. nur wenige atypische Fälle nicht geregelt werden (vgl. VGH Hessen, Urt. v. 17. März 1994 - 5 UE 2001/91 -, zit. nach JURIS; Rosenzweig/Freese, KAG Nds, § 6 Rdnr. 192), muss dabei angesichts des Umfanges der vorliegend jeweils nicht geregelten Anwendungsfälle nicht abschließend entschieden werden.

76

Die Abwasserabgabensatzung vom 27. Januar 1994 enthielt schon keine ausdrückliche Regelung zu Grundstücken im Außenbereich, sondern nur eine einheitliche Bestimmung bei Nichtbestehen eines Bebauungsplans. In der Abwasserabgabensatzung vom 3. April 1997 waren - auch in der Gestalt der Änderungssatzung vom 26. März 1998 - keine Regelungen für Grundstücke enthalten, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen. In den Abwasserabgabensatzungen vom 27. Februar 2001 und vom 20. Juni 2002 fehlten Regelungen zur Zahl der Vollgeschosse bei Außenbereichsgrundstücken. Die Bestimmungen in § 4 Abs. 3 Buchst. d dieser Satzungen bezogen sich ersichtlich nur auf Innenbereichsgrundstücke. Zudem wäre es bei bebauten Außenbereichsgrundstücken nicht erlaubt, auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse der Baulichkeiten auf einem Grundstück abzustellen, da es nur auf die angeschlossenen Baulichkeiten des Grundstücks ankommt.

77

(2) Die Abwasserabgabensatzung in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 14. Dezember 2006, die rückwirkend zum 1. Januar 2006 in Kraft treten sollte, ist nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden, da in dem veröffentlichten Satzungstext das Datum der bei der Ausfertigung geleisteten Unterschrift des zuständigen Amtsträgers fehlt und die Veröffentlichung des Datums auch nicht nachgeholt worden ist.

78

§ 6 Abs. 2 Satz 2 GO LSA bestimmt, dass Satzungen von dem Bürgermeister zu unterzeichnen und bekanntzumachen sind. Die Angabe des Datums der Unterschriftsleistung ist für die Wirksamkeit der Ausfertigung zwingend notwendig, weil nur so die Einhaltung der notwendigen zeitlichen Reihenfolge von Normerlass, Ausfertigung und Bekanntmachung gewährleistet werden kann (vgl. OVG Sachsen, Urt. v. 23. Oktober 2000 - 1 D 33/00 -, NVwZ-RR 2001, 426; OVG Niedersachsen, Urt. v. 5. September 2007 - 1 KN 204/05 -; zit. nach JURIS m.w.N.; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. A., Rdnr. 279; Lübking/Beck, GO LSA, § 6 Rdnr. 40; Ziegler, DVBl. 1987, 280, 283; a.M.: Wiegand, Kommunalverfassungsrecht Sachsen-Anhalt, § 6 GO LSA, Nr. 7, S. 9). Da mit der Ausfertigung bezeugt wird, dass der Inhalt der Urkunde mit dem Beschluss des zuständigen Organs übereinstimmt, ist es weiterhin nicht nur unverzichtbar, dass die Unterschrift als nach der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt notwendiges Element des Rechtsetzungsverfahrens mit der Satzung veröffentlicht wird (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24. November 2010 - 4 K 368/08 -, zit. nach JURIS), sondern auch das Datum der Unterschriftsleistung. Die Veröffentlichung der Ausfertigung bzw. des Ausfertigungsvermerks dient der Sicherung des Rechtsetzungsverfahrens, insbesondere der Gewährleistung der Übereinstimmung von Urkundeninhalt und Beschlussinhalt, und erfüllt darüber hinaus auch die Verlautbarungsfunktion der Bekanntmachung, die zum Ausdruck bringen muss, dass Gegenstand der Publikation eine Rechtsnorm ist, und als amtliche Verlautbarung im Sinne eines zum Rechtsetzungsverfahren gehörigen Formalakts erkennbar sein muss. Unterbleibt diese Veröffentlichung gemeinsam mit der Satzung, ist dies nur dann unbeachtlich, wenn die Satzung bei der Bekanntmachung tatsächlich ausgefertigt war und die Ausfertigung der Satzung in der üblichen Form jedenfalls nachträglich bestätigt wird.

79

(3) Durchgreifende Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der im Amtsblatt der Beklagten vom 10. Juni 2012 (einem Sonntag) veröffentlichten Abwasserabgabensatzung vom 30. Mai 2012, insbesondere gegen die ordnungsgemäße Ausfertigung und Bekanntmachung dieser Satzung sind weder substanziiert geltend gemacht noch ersichtlich. Ein Bekanntmachungsnachweis für diese Satzung liegt vor. Der von der Klägerin gegen die Satzung vom 14. Dezember 2006 erhobene Einwand, eine ortsübliche Bekanntmachung einer Satzung in einem an einem Sonntag erscheinenden Amtsblatt sei nicht zulässig, verfängt nicht. Es gibt keinerlei rechtliche Begründung dafür, dass ein Amtsblatt nicht an einem Sonntag erscheinen darf.

80

Auch materiell-rechtliche Fehler der Satzung sind bislang nicht vorgetragen. Dass in der Satzung eine Regelung nach § 10 Abs. 1 KAG LSA für die Ermächtigung Dritter (vgl. dazu Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2248; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 20. August 2009 - 4 L 173/07 -, zit. nach JURIS) fehlt, stellt keinen Mangel der Satzung dar, sondern führt allenfalls zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides, falls ein Dritter bei der Beitragserhebung eingeschaltet worden ist.

81

Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 7. September 2012 anscheinend geltend macht, sie habe erst nachträglich von der Bekanntmachung dieser Satzung erfahren, und um eine „auskömmliche Prüfungs- und Erklärungsfrist von 8 Wochen“ bittet, war dem nicht nachzukommen. Es erscheint schon eher fernliegend, dass ein mit der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken im Gemeindegebiet befasstes Unternehmen nicht über die Veröffentlichung einer neuen Abwasserabgabensatzung dieser Gemeinde informiert sein soll. Auch obliegt es der Klägerin selbst, sich die vom Prozessgegner benannten Gerichtsurteile zu beschaffen. Jedenfalls aber kommt es die Wirksamkeit der Abwasserabgabensatzung der Beklagten vom 30. Mai 2012 nicht entscheidungserheblich an.

82

b) Denn die sachliche Beitragspflicht kann danach (frühestens) auf Grund dieser Abwasserabgabensatzung entstanden sein.

83

Werden in satzungsloser Zeit oder unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung die Anschlussvoraussetzungen für Grundstücke geschaffen, so entsteht für diese Grundstücke die sachliche Beitragspflicht erst mit Inkrafttreten der ersten - wirksamen - Abgabensatzung (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30. Mai 2012, a.a.O. m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2202 m.w.N.). Eine solche nachträglich erlassene Beitragssatzung kann auch dann als Rechtsgrundlage für einen vorher erlassenen Beitragsbescheid dienen, wenn sie sich keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe oder der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides beimisst. Eine auf Grund fehlender Satzungsgrundlage bestehende Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides wird durch die neue Satzung ex nunc geheilt; der Betroffene ist prozessrechtlich dadurch geschützt, dass er das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklären kann (vgl. Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 173 m.w.N.).

84

Ohne Erfolg macht die Klägerin daher geltend, eine ohne Rückwirkung erlassene Satzung könne nicht als Rechtsgrundlage für einen vorher erlassenen Beitragsbescheid dienen. Ebenfalls von vornherein nicht begründet ist ihr Vorbringen, die Festsetzungsverjährungsfrist des § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. §§ 169 ff. AO sei abgelaufen. Dabei verkennt sie, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginnt, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO).

85

Da die sachliche Beitragspflicht erstmalig im Juni 2012 entstanden sein konnte, waren nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Grundbuchsituation allenfalls die noch im Eigentum der Klägerin befindlichen Flurstücke 10192, 10199 und 10203 beitragspflichtig, bei denen es sich jeweils um eigene Grundstücke handelt bzw. gehandelt hat. Die in der mit der Berufungserwiderung vorgelegten Aufstellung zusätzlich genannten Flurstücke 10202, 10197 und 10198 standen seit der am 5. April 2012 im Grundbuch erfolgten Eintragung im Eigentum der (...) C. GmbH.

86

Soweit in dem streitbefangenen Bescheid Grundstücke herangezogen werden, die im Juni 2012 im Eigentum von Dritten standen, ist der Bescheid schon deshalb rechtswidrig. Auch wenn § 6 Abs. 8 KAG LSA für die Entstehung der persönlichen Beitragspflicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides abstellt, kann die persönliche Beitragspflicht nicht vor der sachlichen Beitragspflicht entstehen. Entstehen die sachlichen Beitragspflichten (ausnahmsweise) erst nach der Bekanntgabe des Bescheides, ist zwar grundsätzlich derjenige persönlich beitragspflichtig, dem der Bescheid bereits bekannt gegeben worden ist. Dies gilt allerdings nur, sofern er im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten noch Eigentümer bzw. Erbbau- oder Nutzungsberechtigter ist (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30. Mai 2012 - 4 L 226/11 -; Beschl. v. 5. November 2009 - 4 M 94/09 - jeweils zit. nach JURIS).

87

c) Einem Entstehen der persönlichen Beitragspflicht und damit der Heranziehung der Flurstücke 10192, 10199 und 10203 steht entgegen, dass sie in dem streitbefangenen Bescheid nicht mit ihrer jeweiligen Flurstücksbezeichnung benannt werden.

88

Für eine Heilung eines Beitragsbescheids durch eine die sachliche Beitragspflicht an sich erst herbeiführende Beitragssatzung ist kein Raum, wenn das in diesem Bescheid benannte Grundstück vor Inkrafttreten der Satzung durch Vereinigung mit anderen Grundstücken bzw. Aufteilung in neue Grundstücke seine rechtliche Existenz verloren hat (so auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 9. April 1992 - 2 S 1958/90 -, zit. nach JURIS zum Erschließungsbeitragsrecht). Insoweit besteht eine Vergleichbarkeit mit dem erstmaligen Erlass eines Beitragsbescheides. Dass einer später wirksam gewordenen Beitragssatzung eine Heilungswirkung für einen vorher erlassenen Beitragsbescheid zugebilligt wird, beruht vor allem darauf, dass dieser Bescheid bei einer Aufhebung mit demselben Inhalt sofort wieder erlassen werden müsste (vgl. BVerwG, Urt. v. 27. April 1990 - 8 C 87/88 -, zit. nach JURIS). Dies ist hier gerade nicht der Fall. Weiterhin zwingt die Tatsache, dass ab Entstehen der sachlichen Beitragspflicht die öffentliche Last (§ 6 Abs. 9 KAG LSA) auf dem (Buch)Grundstück ruht, zu einer formalen Auslegung hinsichtlich der Benennung der von der Beitragspflicht erfassten Grundstücke.

89

Die im Juni 2012 bestehenden Buchgrundstücke der Klägerin waren auf Grund der abweichenden Flurstücksbezeichnungen nicht Gegenstand des streitbefangenen Beitragsbescheides, auch nicht in Gestalt der vorgenommenen Änderungen. Der Beitragsbescheid bezieht sich allein auf Grundstücke, die entweder nicht mehr im Eigentum der Klägerin stehen oder durch Trennungen rechtlich untergegangen sind. Auch können die Flächen der untergegangenen Grundstücke nicht auf die Flächen der neu gebildeten Grundstücke der Klägerin reduziert werden. Denn Gegenstand der Beitragserhebung ist das Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinn. Eine Auslegung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass sich die Veranlagung der untergegangenen Grundstücke auf inzwischen neu gebildete Grundstücke beziehen soll, wäre mit dem Bestimmtheitserfordernis des § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 119 Abs. 1 AO nicht vereinbar. Dieses Erfordernis setzt voraus, dass ein Beitragsbescheid in seinem verfügenden Teil, d.h. dem Entscheidungssatz oder Spruch, dem die Regelungswirkung zukommt, hinreichend deutlich erkennen lässt, von wem was für welche Maßnahme und für welches Grundstück gefordert wird (vgl. auch § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots ist genügt, wenn der Betroffene aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, aus der von dem Beklagten gegebenen Begründung oder aus den ihm bekannten näheren Umständen des Erlasses im Wege einer am Grundsatz von Treu und Glauben orientierten Auslegung hinreichende Klarheit über den Inhalt des Spruchs gewinnen kann (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 26. Oktober 2010 - 4 L 55/09 - und v. 13. Oktober 2008 - 4 L 408/06 -, m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 76, Rdnr. 1505). Danach muss der Beitragsbescheid das der sachlichen Beitragspflicht unterliegende (Buch-)Grundstück, für das der Beitrag festgesetzt wird, auch konkret benennen. Die bloße Erwähnung der zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht noch existenten Grundstücke der Klägerin in dem Billigkeitsbescheid vom 7. Juni 2010 oder in Berufungsschriftsätzen der Beklagten ist nicht ausreichend,

90

d) Zu den sonstigen Einwendungen der Klägerin weist der Senat - ohne insoweit eine abschließende Prüfung vorgenommen zu haben - auf folgendes hin:

91

Auf den von der Klägerin behaupteten Eigentumsübergang der Flurstücke 48/5 und 48/7 schon vor dem 1. Januar 2006 - dem die Beklagte allerdings substanziiert widersprochen hat - kommt es auf Grund der Nichtigkeit der Satzung vom 14. Dezember 2006 ebenso wenig an wie auf ihren Vortrag, die Beklagte habe mit einem notariellen Vertrag einer Übernahme öffentlicher Lasten schon ab Besitzübergang zugestimmt.

92

Ebenfalls nicht entschieden werden muss, ob die Rückwirkungsanordnung in dieser Satzung fehlerhaft ist. Allerdings liegt nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Anschlussbeitragsrecht ein Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG LSA oder gegen § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG LSA nicht vor, wenn die Beitragssatzung mit ihrer Rückwirkungsanordnung Zeiträume erfasst, in denen nichtige Beitragssatzungen eigentlich gelten sollten. Einer Rückwirkung steht auch nicht entgegen, dass zwischen der Bekanntgabe des Beitragsbescheides und dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch die rückwirkend in Kraft getretene Satzung Eigentumsveränderungen stattfanden. Dabei handelt es sich - wie oben dargelegt - um Fragen der persönlichen Beitragspflicht nach § 6 Abs. 8 KAG LSA.

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Soweit streitig ist, ob die herangezogenen Grundstücke im Innenbereich oder (teilweise) im Außenbereich liegen, spricht Überwiegendes dafür, dass eine Innenbereichsabgrenzung durch eine nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB erlassene Satzung der Gemeinde für das Gericht bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Anschlussbeitrags maßgeblich und verbindlich ist (VG Cottbus, Urt. v. 19. Mai 2011 - 6 K 198/08 -, zit. nach JURIS m.w.N.; vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1031, 1465; a.M.: OVG Sachsen, Beschl. v. 2. März 2010 - 5 D 149/09 -; VG Dessau, Urt. v. 28. April 2006 - 1 A 466/05 -, jeweils zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 550). Denn für die Beitragserhebung ist grundsätzlich von der Rechtsverbindlichkeit bauplanerischer Satzungen auszugehen, solange diese nicht aufgehoben oder durch (allgemein-)verbindlichen Ausspruch in einer gerichtlichen Entscheidung, ggf. in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO für nichtig bzw. unwirksam erklärt worden sind (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13. September 2011 - 4 L 196/10 -, zit. nach JURIS zu einem Bebauungsplan; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 29. Juni 2005 - 1 L 411/04 -). Zwar ist die Gemeinde bei der Aufstellung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB an die Grenzen des tatsächlich vorhandenen Innenbereichs gebunden; sie ist nicht ermächtigt, planerisch über die Zugehörigkeit von Flächen zum Innenbereich zu entscheiden. In diesem Sinne hat eine Klarstellungssatzung lediglich deklaratorische Wirkung (so BVerwG, Urt. v. 22. September 2010 - 4 CN 2/10 -, zit. nach JURIS). Entscheidend im Rahmen der Prüfung einer beitragsrechtlichen Vorteilslage dürfte aber sein, dass der Klarstellungssatzung gegenüber öffentlichen Planungsträgern und sonstigen öffentlichen Stellen - ähnlich dem § 7 BauGB - Bindungswirkung zukommt. Insbesondere ist die Baugenehmigungsbehörde an die Festlegung der Grenzen gebunden (so OVG Sachsen, Urt. v. 23. Oktober 2000 - 1 D 33/00 -, zit. nach JURIS; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rdnr. 99; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 414). Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung anscheinend die Rechtsauffassung vertreten hat, die Klägerin könne im beitragsrechtlichen Verfahren mit Erfolg die Innenbereichslage ihrer Grundstücke negieren und gleichzeitig im bau(planungs)rechtlichen Verfahren einen Anspruch auf Bebauung dieser Grundstücke auf der Grundlage einer Innenbereichssatzung durchsetzen, trifft dies nicht zu.

94

Falls Grundstücke nur teilweise von der Geltungswirkung einer Innenbereichssatzung erfasst werden, dürfte allerdings nach den Vorgaben der Beitragssatzung vom 30. Mai 2012 von vornherein nur die von der Innenbereichssatzung erfasste Fläche herangezogen werden dürfen. Denn nach § 4 Abs. 3 Buchst. Nr. 3 AAS 2012 gilt bei Grundstücken, die im Bereich einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB liegen sowie bei Grundstücken, die über die Grenzen einer solchen Satzung hinausreichen, - sofern sie nicht unter Nr. 6 oder Nr. 7 fallen - die Fläche im Satzungsbereich, wenn diese baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Damit dürfte eine Anwendbarkeit des § 4 Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a AAS 2012 auf die Grundstücksteile, die nicht von der Innenbereichssatzung erfasst werden, ausgeschlossen sein.

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Sollte es darauf ankommen, wo die Grenze eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB und damit die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht verläuft, lässt sich dies nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats nicht unter Anwendung von geographisch-mathematischen Maßstäben bestimmen, sondern bedarf einer Beurteilung aufgrund einer „echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts". Bei dieser Wertung und Bewertung kann nur eine komplexe, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigende Betrachtungsweise im Einzelfall zu einer sachgerechten Entscheidung führen. Grundlage und Ausgangspunkt dieser bewertenden Beurteilung sind die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie darüber hinaus auch andere topographische Verhältnisse und Straßen. Zu berücksichtigen sind indes nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse. Die Anwendbarkeit des § 34 BauGB setzt danach eine bestehende aufeinander folgende Bebauung voraus (Bebauungszusammenhang), die einen „Ortsteil“ bildet. Ortsteil in diesem Sinne ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Dabei erfordert das Merkmal der organischen Siedlungsstruktur nicht, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handelt. Auch eine unterschiedliche, unter Umständen sogar eine in ihrer Art und Zweckbestimmung gegensätzliche Bebauung kann einen Ortsteil bilden. Ebenso wenig kommt es auf die Entstehungsweise der vorhandenen Bebauung oder darauf an, dass die Bebauung einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 27. April 2011 - 4 M 43/11 - und v. 19. Dezember 2011 - 4 L 75/11 -, jeweils zit. nach JURIS m.w.N.). Danach unterbricht ein tatsächlich bebautes Grundstück grundsätzlich nicht den Bebauungszusammenhang. Insoweit kann auch eine aufgegebene oder dem Verfall preisgegebene Bebauung eine fortdauernd prägende Wirkung entfalten. Unter den Begriff „Bebauung“ fallen allerdings auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur Bauwerke, die maßstabsbildend, also optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind. Eine ursprünglich vorhandene Prägung der näheren Umgebung kann zwar auch noch für eine gewisse Zeit nach Aufgabe einer Nutzung nachwirken. Eine tatsächlich beendete bauliche Nutzung verliert indes ihre maßstabsbildende Wirkung, wenn sie endgültig aufgegeben worden ist und nach der Verkehrsauffassung mit ihr nicht mehr gerechnet werden kann (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 27. April 2011 - 4 M 43/11 -, zit. nach JURIS m.w.N.).

96

Ein Vorteil i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 5. Mai 2011 - 4 L 175/09 -, zit. nach JURIS m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2152) entsteht nur bei baulich oder zumindest abwasserrechtlich vergleichbar nutzbaren Grundstücken. Dementsprechend macht § 3 Abs. 1 Nr. 2 AAS 2012 bei Grundstücken, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, die Beitragspflicht davon abhängig, ob sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung in der Stadt zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen und es gilt gem. § 4 Abs. 3 Nr. 3 AAS 2012 bei der Flächenermittlung von Grundstücken im Bereich von § 34 BauGB-Satzungen eine Einschränkung hinsichtlich ihrer baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit.

97

Die Vorteilslage besteht nicht oder nicht in vollem Umfang, wenn die Bebaubarkeit bzw. Nutzbarkeit eines Grundstücks durch darauf lagernde Altlasten (wie hier durch Munition, Munitionsteile und andere chemische Stoffe) im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht vollständig ausgeschlossen ist. Dies ist voraussichtlich erst dann der Fall, wenn auch eine Räumung bzw. Sanierung des Grundstücks tatsächlich nicht möglich oder aus wirtschaftlichen Gründen objektiv nicht vertretbar ist. Dann ist es sog. Unland gleichzusetzen, zu dem gem. § 45 Abs. 1 BewG die Betriebsflächen von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen gehören, die auch bei geordneter Wirtschaftsweise keinen Ertrag abwerfen können. Die Eintragung im Altlastenregister an sich bzw. die fehlende Entlassung der Klägerin aus der Störerverantwortlichkeit führt danach allerdings noch nicht zu einer fehlenden Vorteilslage, weil eine Sanierbarkeit gegeben sein könnte. Die Sanierungspflichten des Eigentümers nach § 4 Abs. 3 BBodSchG wiederum sind allein nicht ausreichend, eine Vorteilslage anzunehmen. Denn diese Pflichten sollen nach der Regelung lediglich Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für Einzelne oder die Allgemeinheit ausschließen (Satz 1) und es wird ausdrücklich auf den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgestellt (Satz 3).

98

Es spricht Überwiegendes dafür, dass im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Beklagten nicht die Gesamtfläche eines Grundstücks durch Kontamination einer beitragsrechtlich relevanten Nutzbarkeit entzogen sein muss, um von einer fehlenden Bevorteilung auszugehen. Selbst wenn nur Teilflächen dieses Grundstücks derart betroffen sind, dürfte ein Vorteil für diese Teilflächen nicht gegeben sein. Dass bau(planungs)rechtlich nicht immer die gesamte Grundstücksfläche nutzbar ist, dürfte bei der Betroffenheit durch Altlasten weder dazu führen, dass diese Einschränkungen erst im Rahmen von Billigkeitsentscheidungen zu berücksichtigen sind, noch, dass hinsichtlich derart betroffener Flächen eine Gleichbehandlung mit den einen Verminderungszwang auslösenden öffentlich-rechtlichen Baubeschränkungen (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10. März 2006 - 4 L 250/05 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 2178, 2181) vorzunehmen ist (a.M.: VGH Hessen, Urt. v. 17. Dezember 2003 - 5 UE 1734/02 -, zit. nach JURIS). Abgesehen davon, dass bei Anwendung des § 4 Abs. 3 Nr. 3 AAS 2012 schon auf Grund der ausdrücklichen Anordnung zur baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit der heranzuziehenden Grundstücksfläche eine solche Nutzbarkeit Voraussetzung für die Grundstücksflächenermittlung ist, besteht zwischen öffentlich-rechtlichen Baubeschränkungen und dem Ausschluss jeglicher Nutzbarkeit durch Altlasten ein substanzieller und auch rechtlich erheblicher Unterschied (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 9. August 2006 - 4 L 255/06 -, zit. nach JURIS).

99

Die Ermittlung derart unsanierbarer Grundstücksflächen obliegt nach dem im Abgabenrecht geltenden Untersuchungsgrundsatz (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG LSA i.V.m. § 88 AO) der Behörde, die nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG LSA i.V.m. § 99 AO dazu Betretungsrechte hat. Sie kann dazu auch sachverständige Aussagen anderer Behörden, etwa der Landesanstalt für Altlastenfreistellung, verwenden. Jedoch hat der Grundstückseigentümer nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a KAG LSA i.V.m. § 90 Abs. 1 AO umfassende Mitwirkungspflichten bei der Ermittlung von Art und Umfang der Kontaminierungen. Die pauschalen Behauptungen der Klägerin zu den bestehenden Altlasten ohne eine nähere Substanziierung wären daher keinesfalls ausreichend. Dies gilt umso mehr, weil die Klägerin einen Großteil der streitbefangenen Flächen zum Verkauf anbietet oder angeboten hat bzw. solche Flächen tatsächlich verkauft worden sind und schon deshalb zumindest eine erhebliche Indizwirkung dafür besteht, dass es sich dabei um baulich nutzbare Flächen handelt bzw. eine Sanierung wirtschaftlich vertretbar ist. Auf das Vorbringen der Klägerin, es seien auf jedem einzelnen der streitgegenständlichen Grundstücke selbständig baulich nutzbare, von Altlasten unbelastete oder nur unwesentlich unterhalb der Gefahrenschwelle belastete Grundflächen nicht vorhanden, kommt es schon deshalb nicht an, weil auch sanierungsfähige Flächen aus der Anschlussmöglichkeit einen wirtschaftlichen Vorteil ziehen können. Es kann daher offen bleiben, ob diese Behauptung zudem nicht schon durch ihren sonstigen Vortrag und die dargestellten tatsächlichen Umstände zu dem Verkauf von Teilflächen widerlegt wird.

100

Zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht muss - falls das herangezogene Grundstück nicht schon tatsächlich an die zentrale Abwasserentsorgungseinrichtung angeschlossen ist - jedenfalls die gesicherte Möglichkeit der Anschlussnahme an die Einrichtung gegeben sein. In diesem Zusammenhang ist die Regelung des § 6 Abs. 1 AAS 2012, wonach die Beitragspflicht mit der betriebsfertigen Herstellung der zentralen öffentlichen Schmutzwasseranlage für das zu entwässernde Grundstück entsteht, dahingehend auszulegen, dass dazu die betriebsfertige Herstellung des Hauptsammlers vor dem zu entwässernden Grundstück ausreicht. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist diese Regelung nicht zu unbestimmt. Die betriebsfertige Herstellung i.S.d. § 6 Abs. 1 AAS 2012 umfasst weiterhin nicht die Herstellung des Grundstücksanschlusses. Zwar gehören nach § 2 Abs. 8 Buchst. a Satz 2 der Abwassersatzung der Beklagten in der Fassung der 4. Novellierung vom 20. Juni 2002 in der Gestalt der 2. Änderungssatzung vom 10. März 2005 - AbwS - zur öffentlichen Einrichtung der zentralen Abwasseranlage auch die Grundstücksanschlüsse. Bei einer Erhebung von gesonderten Kosten für die Grundstücksanschlüsse, wie sie in den §§ 17 ff. AAS 2012 vorgesehen ist, genügt es für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht, dass der Hauptsammler betriebsfertig hergestellt ist. Die in § 8 Satz 2 KAG LSA ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, für die Herstellung von Grundstücksanschlüssen auch dann Kostenerstattungen nach § 8 Satz 1 KAG LSA geltend zu machen, wenn der Grundstücksanschluss durch Satzung zum Bestandteil der öffentlichen Einrichtung bestimmt wurde, bewirkt eine Aufwandspaltung (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 8. September 2006 - 4 M 44/06 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1068, Rdnr. 2204). Daher ist es auch unbeachtlich, dass die Herstellung der Grundstücksanschlüsse als Teil der öffentlichen Einrichtung gem. § 11 Abs. 3 AbwS der (...) GmbH oder einem von ihr beauftragten Unternehmen obliegt.

101

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Größe der Grundstücke und Hindernisse auf den Grundstücken die Zumutbarkeit der Anschlussmöglichkeit bestreitet, fehlt sowohl hinsichtlich einer Anschlussmöglichkeit der Vorderliegergrundstücke (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 542, Rdnr. 1050, Rdnr. 2205 jeweils m.w.N.) als auch hinsichtlich einer Anschlussmöglichkeit von Hinterliegergrundstücken (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1050b, Rdnr. 2211 jeweils m.w.N.; Rosenzweig/Freese, a.a.O., § 6 Rdnr. 243 m.w.N.) schon eine hinreichende Substanziierung. Die pauschale Auflistung von tatsächlichen Hindernissen ohne Anknüpfung an die konkrete Grundstückssituation und der bloße Hinweis auf eine „durchschnittliche Leitungslänge“ von „über 200 m“ und die bloße Rüge, das Verwaltungsgericht habe insbesondere verschiedene Kostenpositionen nicht ermittelt, ist nicht ausreichend. Darüber hinaus dürfte auch hier zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin diese Flächen bzw. erhebliche Teile davon als Gewerbeflächen zum Verkauf anbietet und angeboten hat.

102

Soweit die Klägerin geltend macht, die Ermittlung der Vollgeschosszahlen, die sich bei Innenbereichsgrundstücken i.S.d. § 3 Abs. 3 Nr. 3 bis 5 AAS 2012 gem. § 4 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a und b AAS 2012 nach der höchsten Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse bei bebauten Grundstücken und der Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse bei unbebauten Grundstücken richtet, sei auf Grund von Ermittlungsfehlern im Einzelfall und auf Grund von mehreren methodischen Fehlern offenkundig verfehlt, lässt ihr Vorbringen nicht einmal ansatzweise erkennen, von welchen Vollgeschosszahlen stattdessen auszugehen sei. Ihr Einwand, der Begriff „nähere Umgebung“ sei zu unbestimmt, ist angesichts der gleichlautenden Formulierung in § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BauGB offensichtlich unbegründet (vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16. Januar 2004 - 1 L 146/03 -, zit. nach JURIS). Der weiterhin geltend gemachte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich der benachbarten L... GmbH läuft auf eine unzulässige (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 2. September 2009 - 4 L 467/08 - und Beschl. v. 25. Juli 2006 - 4 M 293/06 -, jeweils zit. nach JURIS) Gleichbehandlung im Unrecht hinaus. Im Übrigen geht die Klägerin zu Unrecht von einer „flächendeckenden Heranziehung mit zwei Vollgeschossen“ aus. In dem Schriftsatz vom 28. Januar 2009 hat die Beklagte für mehrere Grundstücke nur noch eine (Umgebungs)Bebauung von einem Vollgeschoss angenommen und die Beiträge entsprechend festgesetzt.

103

Eine Aufrechnung mit dem von der Klägerin schon gezahlten Betrag in Höhe von 20.000,- € ist schon deshalb ausgeschlossen, weil es sich dabei nicht um einen Gegenanspruch i.S.d. § 13a Abs. 1 Satz 5 KAG LSA i.V.m. § 226 Abs. 3 AO handelt.

104

Hinsichtlich der Aufrechnung mit einer Rückforderung in Höhe von 95.752,50 € aus einem Ablösevertrag nach dem Baugesetzbuch müsste für die Frage, ob diese Forderung i.S.d. § 226 Abs. 3 AO unbestritten ist, im Einzelnen geprüft werden, wann die Beklagte den Anspruch bestritten hat und ob diese Erklärung nicht als verspätet angesehen werden muss (vgl. dazu Pahlke, AO, 2. A., § 226 Rdnr. 32; Klein, AO, 11. A., § 226 Rdnr. 40; vgl. auch BFH, Urt. v. 5. Februar 1985 - VII R 124/80 -, zit. nach JURIS).

105

Eine fehlerhafte Anwendung der satzungsrechtlichen Billigkeitsregelungen nach § 6c Abs. 3 KAG LSA hat die Klägerin lediglich behauptet, ohne substanziiert darzustellen, für welche Grundstücke eine abweichende Berechnung des Beitrages geboten gewesen wäre.

106

Der bloße Einwand, ihr Eigentum werde „gänzlich ausgehöhlt“ und die Belastungen durch staatliche Forderungen überstiegen den jeweiligen Grundstückswert, ist schließlich - unabhängig von der fehlenden Konkretisierung und Substanziierung dieser Behauptung - von vornherein nicht geeignet, im Rahmen einer Anfechtungsklage Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung zu wecken. Insoweit müsste die Klägerin mit einer Verpflichtungsklage Billigkeitsmaßnahmen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 163 Abs. 1 AO oder nach § 13a Abs. 1 KAG LSA i.V.m. § 227 AO verfolgen.

107

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 VwGO. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin voll obsiegt, für das erstinstanzliche Verfahren ist zu berücksichtigen, dass ein Teil der Klage unzulässig war. Im Rahmen der Kostenentscheidung gem. § 161 Abs. 2 VwGO über den durch die Erledigungserklärungen erfassten Teil des Rechtsstreits entspricht es billigem Ermessen, dass die Beklagte die Kosten des Verfahrens trägt. Denn die Klage hätte auch hinsichtlich der insoweit betroffenen Grundstücke Erfolg gehabt.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.