Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 21. Aug. 2012 - 2 B 178/12

bei uns veröffentlicht am21.08.2012

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 8. Mai 2012 - 5 L 286/12 – ist wirkungslos.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1/4 und der Antragsgegner zu 3/4.

Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller wandten sich im Aussetzungsverfahren gegen eine mit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit versehene Duldungsanordnung des Antragsgegners.

Die Antragsteller sind Eigentümer der Parzellen Nrn. 165/6, 165/8, 166/2 und 167 in Flur 42 der Gemarkung A-Stadt. Im rückwärtigen, über eine Zufahrt im Bereich der rechten Grenze erreichbaren Teil befindet sich ihr Wohnhaus (Anwesen A-Straße). Auf der zur Straße hin nördlich vorgelagerten, im Eigentum einer Frau R W stehenden Parzelle Nr. 574/166 befindet sich ein ehemals als Scheune benutztes Gebäude, das an das auf der Parzelle Nr. 165/10 stehende Wohnhaus (Anwesen Nr. 24) angebaut ist. Dieses war mit Blick auf eine mögliche Einsturzgefahr seit März 2010 mehrfach Gegenstand örtlicher Baukontrollen des Antragsgegners.

Mit Schreiben vom 12.3.2010 wies der Antragsgegner die Eigentümerin auf ihre Instandhaltungspflicht und darauf hin, dass bei einem Sturm Ziegel vom Dach der Scheune auf das Grundstück der Antragsteller gefallen seien.

Im Dezember 2011 wandte sich der Antragsteller schriftlich an den Antragsgegner und verwies auf eine erhebliche Verschlechterung des baulichen Zustands des Scheunengebäudes. Es sei zu befürchten, dass die dem Grundstück der Antragsteller zugewandte Giebelecke „vollständig zusammenbreche“. Daraufhin forderte der Antragsgegner Frau W mit Schreiben vom 22.12.2011 unter Hinweis auf eigene Feststellungen vor Ort auf, Abhilfemaßnahmen zu treffen und wies erneut auf die Möglichkeit der Einleitung eines bauaufsichtlichen Verfahrens hin. Bei einer Nachkontrolle Anfang Januar 2012 stellte der Antragsgegner unter anderem eine „starke Rissbildung im Bereich Giebel/Nachbarwand“ sowie ein vollständiges Fehlen der Dachziegel am Ortgang fest.

In einem Schreiben des Antragsgegners vom 13.1.2012 heißt es, der Antragsteller habe nach einem Hinweis auf notwendige Absperrmaßnahmen auf seinem Grundstück im Bereich des Fallschattens der schadhaften Gebäudeteile gebeten, das Ergebnis eines zwischenzeitlich von ihm eingeleiteten zivilgerichtlichen Klageverfahrens gegen Frau W abzuwarten.

Im Rahmen einer erneuten Ortsbesichtigung Anfang Februar 2012 stellte der Antragsgegner unter anderem die wesentliche Verbreiterung eines bereits 2010 vorgefundenen senkrechten Risses im Mauerwerk fest, weswegen es „letztlich zu einem unkontrollierten Umfallen des belasteten rückwärtigen Wandteils“ des altersbedingt nicht über technische Vorkehrungen zur Ableitung auftretender Horizontalkräfte verfügenden Gebäudes kommen könne.(vgl. hierzu im Einzelnen den ausführlichen Aktenvermerk des Antragsgegners vom 9.2.2012 über das Ergebnis der am Vortag durchgeführten Kontrolle vor Ort)

Anfang März 2012 wurde Frau W im Wege eines Versäumnisurteils verpflichtet, durch geeignete Sicherungsmaßnahmen ein Herabfallen von Ziegeln, Brettern und eines „Kornspeichers“ an der Gebäuderückseite auf das Grundstück der Antragsteller zu verhindern.(vgl. dazu Amtsgericht Ottweiler, Urteil vom 6.3.2012 – 2 C 10/12 (81) –)

Mit Bescheid vom 13.3.2012 forderte der Antragsgegner Frau W unter Hinweis auf seine Feststellungen vor Ort auf, binnen einer Woche einen auf einem beigefügten Katasterauszug rot schraffierten „einsturzgefährdeten Bereich“ des Gebäudes durch Absperrung mittels eines Bau- oder Bretterzaunes abzusichern. Die Verfügung enthält eine mit dem Hinweis auf die „akute Einsturzgefahr der Gebäuderückwand“ und die sich daraus ergebende erhebliche Gefahrensituation begründete Sofortvollzugsanordnung.

Da sich wesentliche Teile des von dieser Sicherungsanordnung betroffenen Bereichs auf dem Nachbargrundstück der Antragsteller befinden, erging ihnen gegenüber unter demselben Datum eine auf die Absperrmaßnahme bezogene Duldungsanordnung, die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde. Darin ist ausgeführt, die von den Antragstellern im Vorfeld geltend gemachte erhebliche Beeinträchtigung, nicht mehr in ihre Garage gelangen zu können, müsse hingenommen werden, um den Erfolg der Absperrmaßnahme sicherzustellen.

Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs und des insoweit Ende März 2012 beim Verwaltungsgericht gestellten Aussetzungsbegehrens machten die Antragsteller geltend, dass „gegebenenfalls auch mit Zwangsmaßnahmen“ mit entsprechenden Anordnungen gegen die Nachbarin vorzugehen sei, um diese entweder zum Abriss des baufälligen Giebels oder zur Vornahme von Sicherungsmaßnahmen „wie im Zivilverfahren beantragt“ zu veranlassen. Es könne nicht angehen, dass sie infolge rechtswidrigen Verhaltens der Grundstücksnachbarin erhebliche Behinderungen bei der Nutzung ihres Grundstücks hinnehmen müssten, deren Ende nicht abzusehen sei, weil der Antragsgegner keine Maßnahmen gegenüber der Schadensverursacherin getroffen habe.

Der Antragsgegner hat im Aussetzungsverfahren darauf verwiesen, dass die Absperrung aus Sicherheitsgründen erfolgen müsse, bis die Nachbarin die von den Antragstellern im Rahmen des Zivilverfahrens durch Versäumnisurteil „erwirkten Sicherungsmaßnahmen“ habe durchführen lassen. Deren Ehemann habe inzwischen erklärt, dass er die bauliche Anlage abbrechen lassen werde. Bis dahin seien die Belange der Gefahrenabwehr gegenüber den privaten Interessen der Antragsteller vorrangig.

Nachdem die Antragsteller auf einen von Frau W gegen das Versäumnisurteil erhobenen Einspruch, mit dem die Baufälligkeit des Gebäudes bestritten wurde, hingewiesen hatten, kündigte der Antragsteller den Erlass einer Abrissverfügung für die „einsturzgefährdeten Bauteile“ an.

Daraufhin hat das Verwaltungsgericht im Mai 2012 den Aussetzungsantrag der Antragsteller zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, es sei davon auszugehen, dass deren Widerspruch gegen die Duldungsanordnung keine Aussicht auf Erfolg habe. Eine solche sei zulässig, wenn der Ausgangsverwaltungsakt, dessen Befolgung oder Durchsetzung sie ermöglichen solle, rechtmäßig und die Begründung der Pflicht zur Duldung des seinem Adressaten auferlegten Verhaltens erforderlich sei, um der geforderten Handlung entgegenstehende Hindernisse in Form privatrechtlicher Einwirkungsbefugnisse des auf Duldung in Anspruch Genommenen auszuräumen. Die gegenüber der Nachbarin ergangene Anordnung hinsichtlich der notwendigen Absperrungen sei rechtlich nicht zu beanstanden. Aus den bei den Verwaltungsunterlagen befindlichen Fotos und aus Vermerken des Antragsgegners ergebe sich der schlechte bauliche Zustand der Scheune, der sich in den letzten beiden Jahren zunehmend verschlechtert habe, so dass Einsturzgefahr bestehe. Die sachgerechte Sicherung der Gefahrenstelle erfordere die Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragsteller. Die dazu ergangene Duldungsverfügung sei auch nicht unverhältnismäßig, obwohl sie nicht für die Gefahr verantwortlich seien. Im Falle eines Einsturzes des Gebäudes erfasse der Einwirkungsbereich vor allem das Grundstück der Antragsteller. Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der sich aus der Absperrung ergebenden eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks bestünden, wenn sich der Antragsgegner nur auf den Erlass der bauaufsichtlichen Verfügung vom 13.3.2012 beschränkt hätte und keine weiteren Maßnahmen gegen Frau W ergreifen würde, um die Gefahrenstelle dauerhaft zu beseitigen und dementsprechend die Antragsteller gezwungen würden, die Sicherungsmaßnahmen auf ihrem Grundstück auf unabsehbare Zeit zu dulden. Daher habe sich der Antragsgegner vorliegend nicht darauf zurückziehen dürfen, die Durchsetzung der Beseitigung der Gefahrenquelle den Antragstellern im Wege des zivilgerichtlichen Verfahrens zu überlassen und dessen Ausgang abzuwarten. Der Antragsgegner habe aber im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens „seine Meinung geändert“ und erklärt, nun selbst gegenüber der Nachbarin eine Abrissverfügung zu erlassen. Hinsichtlich der „Verhältnismäßigkeit des Abwartens mit dem Erlass einer Beseitigungsanordnung“ sei zu beachten, dass die Antragsteller selbst „wohl“ zunächst gebeten hätten, mit dem Erlass einer solchen Verfügung wegen des anhängigen Zivilrechtsstreits zu warten. Da nach dem Einspruch gegen das Versäumnisurteil eine zivilrechtliche Klärung indes auf absehbare Zeit nicht erfolgen werde, sei ein umgehendes Handeln zur Beseitigung der Gefahrenquelle angezeigt. Das werde durch den angekündigten Erlass einer Abrissverfügung bezüglich der einsturzgefährdeten Bauteile erreicht. Der Antragsgegner sei gehalten, diese Ankündigung umgehend umzusetzen.

Unter dem 4.7.2012 forderte der Antragsgegner die Grundstückseigentümerin auf, die „baufälligen und einsturzgefährdeten Teile des Gebäudes Hstraße 24 … so abzubrechen, dass eine weitere Gefährdung durch den verbleibenden Restbestand des Bauwerks ausgeschlossen ist“. Daraufhin haben die Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt.

II.

Nachdem die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist dieses in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch den Berichterstatter (§§ 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 VwGO analog) einzustellen. Gleichzeitig ist die erstinstanzliche Entscheidung klar stellend für wirkungslos zu erklären (§§ 173 VwGO, 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog) und nach Maßgabe des § 161 Abs. 2 VwGO nach bisherigem Sach- und Streitstand über die Verfahrenskosten zu entscheiden. Dabei ist davon auszugehen, dass nach übereinstimmenden Hauptsacheerledigungserklärungen keine ergänzende Sachverhaltsermittlung und auch keine weitere Klärung durch das betreffende Verfahren gegebenenfalls aufgeworfener schwieriger Rechtsfragen mehr geboten ist.(vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 16.12.2004 – 1 R 4/03 und 1 R 5/03 -, SKZ 2005, 101, Leitsatz Nr. 66, vom 29.12.2004 – 1 U 3/04 und 1 U 4/04 -, SKZ 2005, 101, Leitsatz Nr. 67, vom 31.5.2006 – 2 Q 3/06 –, SKZ 2006, 227, Leitsatz Nr. 82, vom 24.5.2007 – 2 R 6/07 und 2 R 7/07 –, vom 15.1.2008 – 2 A 15/07 –, SKZ 2008, 231 Leitsatz Nr. 68, und vom 21.12.2011 – 2 B 353/11 –, SKZ 2012, 100, Leitsatz Nr. 56) Dies gilt insbesondere für die auf der Grundlage einer Bewertung der gegenseitigen Interessen der Verfahrensbeteiligten zu entscheidenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

Vorliegend entspricht es billigem Ermessen im Sinne des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die Kosten den Antragstellern und dem Antragsgegner anteilig aufzuerlegen. Für die überwiegende Beteiligung des Antragsgegners an den Kosten – zu drei Vierteln – spricht, dass, wie bereits in der erstinstanzlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichts ausgeführt wurde, der dem bezogen auf die Gefahrenlage „unbeteiligten“ Nachbarn in solchen Fällen über die sofort vollziehbare Anordnung zur Duldung von Absperrvorrichtungen zur Sicherung der Gefahrenstelle auferlegte Verzicht auf die Nutzung der betroffenen Teile seines Grundstücks unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten in der Regel nur gerechtfertigt ist, wenn gleichzeitig durch eine vollziehbare Anordnung (§§ 57 Abs. 2, 82 Abs. 1 LBO 2004), hier gegenüber Frau W als – im polizeirechtlichen Verständnis – Störerin (§§ 4, 5 SPolG), eine zeitnahe Vornahme der die Gefahren für Leib und Leben ausschließenden Abbrucharbeiten notwendigenfalls im Wege des Verwaltungszwangs sichergestellt wird. Das ist hier zunächst nicht geschehen. Vielmehr hat der Antragsgegner der ihren Unterhaltungspflichten nach § 3 LBO 2004 offenbar nicht nachkommenden Nachbarin Anfang März 2012 lediglich die Durchführung von Absperrmaßnahmen im Wesentlichen auf dem Grundstück der Antragsteller aufgegeben und diese zur Hinnahme der Maßnahme verpflichtet. Eine durchsetzbare Beseitigungsanordnung zur zeitnahen Ausräumung des durch eine Baufälligkeit des früheren Scheunengebäudes hervorgerufenen Gefahrenzustands ist hingegen erst im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens Anfang Juli 2012 ergangen. Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls richtig ausgeführt hat, darf eine Bauaufsichtsbehörde, zu deren „vornehmsten Aufgaben“ wegen der dabei im Raum stehenden erheblichen Gefährdungen von Leben und Gesundheit auch „unbeteiligter“ Dritter die Überwachung der Standsicherheit (§§ 13, 3 Abs. 1 Nr. 1 LBO 2004) von Gebäuden gehört,(vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 3.2.2010 – 2 B 407/09 –, SKZ 2010, 131, Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp. VIII Rn 122 unter Hinweis auf VG des Saarlandes, Beschluss vom 5.1.1989 – 2 F 67/88 –, zu den in der Praxis auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten im Verhältnis zu § 82a LBO 2008 etwa Bitz, Die gemeindliche Beseitigungsanordnung nach § 82a LBO 2008 für im Verfall begriffene Gebäude, SKZ 2009, 262, und ergänzend dazu: Die Problematik leer stehender und verfallender Gebäude in Ortslagen, SKZ 2010, 129) den betroffenen Grundstücksnachbarn bei festgestellter unzureichender Standsicherheit beziehungsweise bei akuter Einsturzgefahr eines Gebäudes grundsätzlich auch nicht auf die zivilrechtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen den säumigen Unterhaltungspflichtigen verweisen und diesem damit faktisch die Lösung des Problems „auferlegen“. Das sich aus solchen Gefahrensituationen ergebende Problem lässt sich daher auch nicht unter fiskalischen Aspekten im Hinblick auf die mit der Durchführung einer gegebenenfalls notwendigen Ersatzvornahme verbundenen Kosten gewissermaßen „privatisieren“. Ob das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund angesichts der von ihm erkannten Pflicht zu einem „umgehenden Handeln des Antragsgegners zur endgültigen Beseitigung der Gefahrenquelle“ allein einen – damals nur angekündigten, letztlich erst zwei Monate später erfolgten – Erlass der „Abrissverfügung bezüglich der einsturzgefährdeten Bauteile“ zutreffend zum Anlass genommen hat, eine Verhältnismäßigkeit der Duldungsanordnung vom März 2012 anzunehmen und deswegen im Ergebnis das Aussetzungsbegehren der Antragsteller zu Recht zurückgewiesen hat, erscheint daher zumindest sehr zweifelhaft.

Dabei mag es Fälle geben, in denen die Bauaufsichtsbehörde aufgrund einer ausdrücklich und unter Vorlage beispielsweise entsprechender Pläne und bereits erteilter Aufträge auch nach dem bisherigen Verhalten glaubhaft erklärten Bereitschaft zur kurzfristigen Ausräumung einer Gefährdung von Personen infolge der Einsturzgefahr seines Gebäudes ausnahmsweise berechtigt ist, kurzfristig von einer hoheitlichen Inanspruchnahme eines erkennbar „erfüllungsbereiten“ Pflichtigen zur Beseitigung der nicht mehr standsicheren baulichen Anlage beziehungsweise zur Behebung des Gefahrenzustands abzusehen. Diese Voraussetzungen lagen hier aber ersichtlich nicht vor. Ausweislich der vom Antragsgegner vorgelegten Bauakten wurde die Eigentümerin des Nachbargrundstücks nach einer örtlichen Baukontrolle erstmals bereits im März 2010, also über zwei Jahre vor dem späteren Erlass der baupolizeilichen Verfügung im Juli 2012, schriftlich auf Beschädigungen im Dachbereich der Scheune, hierdurch drohende „Schäden an Sachen und Personen“ und auf die mögliche Einleitung eines bauaufsichtlichen Verfahrens hingewiesen und unter Verweis auf ihre Bauunterhaltungspflicht gebeten, für Abhilfe zu sorgen. Nach Aktenlage blieb dieses Schreiben ohne Reaktion, was dann zu der durch Fotos vom November 2011 seitens des Antragsgegners dokumentierten Verschärfung der Gefährdungssituation führte. Gleiches gilt im Ergebnis für die anschließende neuerliche schriftliche Bitte um Abhilfe durch den Antragsgegner im Dezember 2011, die dieser nun als Beleg für sein Tätigwerden anführt. Auch die dort nochmals beigefügte Ankündigung eines „bauaufsichtlichen Verfahrens“ hat die bauunterhaltungspflichtige Nachbarin allerdings nicht zum Tätigwerden veranlasst. Ergebnis war die im Februar 2012 vom Antragsgegner vor Ort festgestellte konkrete Gefahr eines „unkontrollierten Umfallens“ des Gebäudes. Obwohl bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Bereitschaft zur Verhinderung des Einsturzes der Anlage bei der Eigentümerin erkennbar geworden war, ordnete der Antragsgegner im März 2012 lediglich die Sicherungsmaßnahme (Absperrung) an und verpflichtete die Antragsteller zur Duldung, um den Erfolg dieser Maßnahme sicherzustellen. Der hier streitgegenständlichen Anordnung vom 13.3.2012 lässt sich weder eine zeitliche Grenze für die Duldungspflicht noch ein Hinweis auf eine Fristvorgabe für die Nachbarin zur Behebung des Gefahrenzustands entnehmen. In dieser Situation ist nicht erkennbar, auf welcher Grundlage der Antragsgegner sich veranlasst sah, von einer gleichzeitigen ordnungsrechtlichen Inanspruchnahme der Nachbarin abzusehen, um so gegebenenfalls im Wege der Verwaltungsvollstreckung nach fruchtlosem Ablauf einer aus Sicht der Antragsteller verhältnismäßigen Befolgungsfrist die mit dem drohenden Einsturz der Anlage verbundenen Gefahren im Wege der Ersatzvornahme selbst zeitnah ausräumen zu können. Erst danach hat sich ausweislich eines Aktenvermerks vom 22.3.2012 der Ehemann der Nachbarin telefonisch bei dem Antragsgegner gemeldet und seine Absicht erklärt, die ehemalige Scheune abbrechen zu lassen. Wie die weiteren Abläufe bis zum Juli 2012 zeigen, handelte es sich dabei offensichtlich um einen – nach den vorherigen Abläufen unschwer erkennbaren – Versuch, weiter „auf Zeit zu spielen“. Bezeichnenderweise wurde in dem fast gleichzeitig erhobenen Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 6.3.2012 – 2 C 10/12 (81) – die Baufälligkeit beziehungsweise eine mangelnde Standsicherheit der „alten Scheune“ generell in Abrede gestellt und zwar insbesondere mit dem Argument, dass im Falle des Vorliegens einer Gefährdungssituation der Antragsgegner „mit Sicherheit Sofortmaßnahmen zur Gefahrenbeseitigung … angeordnet hätte“.

Obwohl die Antragsteller im Anschluss an den Erlass der Beseitigungsanordnung und die darin enthaltene Fristvorgabe für die Nachbarin als Pflichtige vom Antragsgegner vorgenommene zeitliche Konkretisierung das Verfahren für erledigt erklärt haben, erscheint auch ihre – freilich untergeordnete – Beteiligung an den Verfahrenskosten zu einem Viertel im Sinne des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO angemessen, weil sie nach eigenem Bekunden gegenüber dem Antragsgegner auch auf dem Zivilrechtsweg versucht haben, ihre Rechte gegenüber der Eigentümerin des Nachbargrundstücks durchzusetzen. Ausweislich des insoweit nicht substantiiert in Abrede gestellten Vorbringens des Antragsgegners haben sie im Januar 2012 gebeten, „abzuwarten, was von Gerichtsseite veranlasst“ werde, und waren im Zeitpunkt der Anordnung der Sicherungsmaßnahmen auf ihrem Grundstück beziehungsweise deren Duldung durch sie im Besitz eines nach Maßgabe des § 708 Nr. 2 ZPO für vorläufig vollstreckbar erklärten und am Tag vor Erlass der Sicherungs- und Duldungsanordnung zugestellten Titels in Form des im schriftlichen Vorverfahren (§ 331 Abs. 3 ZPO) erlassenen Versäumnisurteils des Amtsgerichts A-Stadt vom 6.3.2012.(vgl. zu einem ungeachtet der objektiven Pflicht zum Tätigwerden in Ausnahmefällen in Betracht kommenden Ausschluss subjektiver Einschreitensansprüche der Nachbarn bei Vorliegen eines von ihnen erstrittenen vollstreckbaren zivilgerichtlichen Titels gegen den Bauunterhaltungspflichtigen OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.2.2010 – 2 A 390/09 –, SKZ 2010, 210, Leitsatz Nr. 14, Beschluss vom 10.8.1994 – 2 R 19/93 –, n.v., zu den für den Ausschluss des Nachbaranspruchs geltenden Anforderungen an die Durchsetzbarkeit des Titels Urteil vom 17.6.2010 – 2 A 425/08 –, SKZ 2010, 213, Leitsatz Nr. 20) Spätestens nach dem bereits erwähnten Einspruch der Nachbarin und dortigen Beklagten gegen dieses Urteil bereits Ende März 2012(vgl. den Schriftsatz vom 27.3.2012 – 2 C 10/12 (81) –) durfte der Antragsgegner die Antragsteller ungeachtet der Frage der vollstreckungsrechtlichen Wirkungen dieses Rechtsbehelfs(vgl. dazu etwa Czub in Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Auflage 2012, Rn 2 zu § 342) indes nicht mehr auf eine im Sinne der vorerwähnten Senatsrechtsprechung dadurch eröffnete Möglichkeit, sich durch Vollstreckung des zivilrechtlichen Titels „selbst zum Recht zu verhelfen“, verweisen. Dass die Antragsteller diesen Zusammenhang offenbar rechtlich anders bewerteten, indem sie wiederholt unter Hinweis auf das zivilrechtliche Urteil auf eine sich nunmehr ergebende Erforderlichkeit der Einleitung von bauaufsichtsbehördlichen Maßnahmen gegen die Nachbarin verwiesen, gebietet insoweit keine abweichende Beurteilung. Aus Anlass des Vorbringens des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren ist allerdings klarzustellen, dass seine sich aus § 57 Abs. 2 LBO 2004 ergebende objektive Pflicht zu wirksamer Gefahrenabwehr durch diese subjektiv-nachbarrechtlichen Betrachtungen offensichtlich zu keinem Zeitpunkt berührt wurde.

Insgesamt erscheint es daher im Sinne des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO angemessen, die Kosten des Verfahrens zu einem Viertel den Antragstellern und (überwiegend) zu drei Vierteln dem Antragsgegner aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2 und Abs. 3, 53 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 GKG 2004.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 331 Versäumnisurteil gegen den Beklagten


(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständ

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Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

10

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

11

a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

12

b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

13

c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

14

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

15

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

16

Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

17

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

18

e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

19

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

20

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

21

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

22

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

23

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

24

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

28

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

29

Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

30

k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

31

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

32

Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

35

Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

36

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller und der Antragsgegner jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 12.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

Nachdem die Beteiligten das Verfahren, in dem der Antragsteller die Anordnung – hilfsweise Feststellung – der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 4.6.2004 begehrte, in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist dieses in entsprechender Anwendung der §§ 87a Abse. 1 Nr. 3, 3 und 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO durch den Berichterstatter einzustellen.

Im Rahmen der nach den Maßstäben des § 161 Abs. 2 VwGO vorzunehmenden Entscheidung über die Verfahrenskosten ist zunächst festzustellen, dass die Erledigung nicht auf einem Beteiligten zurechenbaren Umständen beruht, die es rechtfertigen würden, ihm die Verfahrenskosten (allein) aufzuerlegen.

Auch eine abschließende Aussage über den voraussichtlichen Ausgang des Eilrechtsschutzverfahrens, in dem seinerseits eine prognostische Beurteilung der Erfolgsaussichten der von dem Antragsteller erhobenen, noch anhängigen Klage gegen den genannten Planfeststellungsbeschluss (Geschäftszeichen 1 M 1/04) vorzunehmen gewesen wäre, lässt sich gegenwärtig angesichts der Komplexität des Streitgegenstandes nicht treffen. Die Beurteilung anstehender schwieriger Rechtsfragen durch das Gericht ist nach einer Erledigung des Streitgegenstands in der Hauptsache nicht mehr geboten.

Vor diesem Hintergrund entspricht es billigem Ermessen im Sinne des § 161 Abs. 2 VwGO, die Kosten des Verfahrens – wie geschehen – hälftig zu teilen. Dies erscheint insbesondere aus folgenden Erwägungen heraus gerechtfertigt :

Wenn man mit den Beteiligten nach deren im Verfahren geäußerten Auffassung in Ansehung des ursprünglichen Hauptantrags (Aussetzungsantrag) von einer zumindest wesentliche Teile des planfestgestellten Straßenbauvorhabens erfassenden sofortigen Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschlusses der Grundlage des § 17 Abs. 6a Satz 1 FStrG ausgeht, so konnte der Antragsteller zwar mit Blick auf Satz 2 dieser Vorschrift grundsätzlich eine allgemeinen Fristgebundenheit der Geltendmachung eines Aussetzungsbegehrens annehmen (§ 17 Abs. 6a Satz 5 FStrG). Er hatte jedoch entgegen seinen Angaben in der Antragsschrift vom 26.7.2004 nach der dem Planfeststellungsbeschluss in Abschnitt 4 (Seite 57) beigegebenen Rechtsbehelfsbelehrung, die sich ausschließlich mit der Klagemöglichkeit und nicht mit Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung eines Aussetzungsbegehrens, geschweige denn mit dessen Fristgebundenheit beschäftigt, mangels Belehrung keine Veranlassung vom Erfordernis eines kurzfristig gerichtlich geltend zu machenden Aussetzungsverlangens auszugehen (§§ 17 Abs. 6a Satz 5 FStrG i.V.m. § 58 VwGO). Eine besondere Dringlichkeit in diesem Sinne, etwa mit Blick auf einen kurzfristig zu erwartenden Baubeginn, ließ sich auch dem sonstigen Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses des Antragsgegners vom 4.6.2004 nicht entnehmen.

Die hälftige Beteiligung des Antragsgegners an den Kosten des Verfahrens rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass der gesetzliche Ausschluss des Suspensiveffekts (§§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 17 Abs. 6a Satz 1 FStrG) lediglich eine Verlagerung der Interessenabwägung in das gerichtliche Verfahren beinhaltet, indes gerade nicht zur Folge hat, dass es auf das Bestehen eines – insbesondere behördlicherseits stets im Blick zu behaltenden - Sofortvollzugsinteresses in dem konkreten Fall nicht mehr ankäme. Für die Planfeststellungsbehörde besteht daher bei absehbar im Entscheidungszeitpunkt, etwa unter Finanzierungsgesichtspunkten, fehlendem Sofortvollzugsinteresse im Einzelfall gerade angesichts des dem § 17 Abs. 6a FStrG zu entnehmenden Fristerfordernisses für die Geltendmachung gerichtlicher Aussetzungsbegehren generell Veranlassung, gegebenenfalls auch vom Amts wegen auf der Grundlage des § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO eine eigene Aussetzungsentscheidung zu treffen, um auf diese Weise einer mangels Dringlichkeit „unnötigen“ Einleitung von gerichtlichen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzubeugen. Durch eine solche bereits mit dem Planfeststellungsbeschluss verbundene Aussetzungsentscheidung werden einem sich gegen das Vorhaben wendenden Betroffenen von vorneherein Schritte zur Erlangung eines vorläufigen Rechtsschutzes erspart, der sich als unnötig erwiese, solange feststeht, dass die Behörde eine sofortige Vollziehung durch die Inangriffnahme von Baumaßnahmen, die der Gesetzgeber in diesen Fällen grundsätzlich ermöglicht hat, aus welchen Gründen auch immer aktuell nicht beabsichtigt.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG. Der Betrag (12.500,- EUR) entspricht der Hälfte der für das Hauptsacheverfahren zur Anforderung eines Gerichtskostenvorschusses festgesetzten Wertes.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständigkeit des Gerichts nach § 29 Abs. 2, § 38.

(2) Soweit es den Klageantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.

(3) Hat der Beklagte entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 nicht rechtzeitig angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle, so trifft auf Antrag des Klägers das Gericht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; dies gilt nicht, wenn die Erklärung des Beklagten noch eingeht, bevor das von den Richtern unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle übermittelt ist. Der Antrag kann schon in der Klageschrift gestellt werden. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist auch insoweit zulässig, als das Vorbringen des Klägers den Klageantrag in einer Nebenforderung nicht rechtfertigt, sofern der Kläger vor der Entscheidung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Tenor

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22. April 2009 – 5 K 700/07 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) tragen die Kläger.

Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 15.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger sind Eigentümer des Wohnanwesens E-Straße in A-Stadt (Parzelle Nr. 766/8 in der Gemarkung R). Eine linksseitig an das Wohnhaus angebaute Garage reicht bis auf die Grenze zum Nachbargrundstück (Parzellen Nr. 766/6 und Nr. 765/7). Dieses gehört zu dem über den Ostring angefahrenen Betriebsgrundstück der Beigeladenen zu 1), das auch rückseitig an das Grundstück der Kläger grenzt. Dort (Parzelle Nr. 766/10) befindet sich eine Werkshalle, in der Zuschnitt- und Montagearbeiten im Rahmen des Holzbaubetriebs (Dachbinderwerk) der Beigeladenen zu 1) ausgeführt werden.

Im Juni 1980 erteilte die Beklagte (vgl. den Bauschein vom 3.6.1980 – 00183/80 –) dem Beigeladenen zu 2), dem Eigentümer des Betriebsgrundstücks der Beigeladenen zu 1) und deren Geschäftsführer, eine Baugenehmigung zum Neubau einer eingeschossigen Halle auf den Parzellen Nr. 765/7 und 766/6, die im Grenzbereich mit einem Flachdach versehen werden sollte. Die genehmigten Bauvorlagen tragen die Unterschrift des Klägers. Nach dem Ergänzungsplan sollte dieses Gebäude ebenfalls grenzständig errichtet und teilweise an die Garage der Kläger angebaut werden. Insoweit wurde eine Befreiung von der Verpflichtung zur Einhaltung von Abstandsflächen erteilt. Nach beigefügten Auflagen sollte die Halle von angrenzenden Gebäuden zur Vermeidung von Körperschallübertragungen durch Fugen ohne Schallbrücken getrennt werden. Das Vorhaben ist ausgeführt.

Seit 2001 sind vor Zivilgerichten in Saarbrücken Nachbarschaftsstreitigkeiten zwischen dem Beigeladenen zu 2) und den Klägern anhängig, in deren Rahmen sich unter anderem die Kläger gegen Einwirkungen durch den Holzbaubetrieb in Form von Lärm und Rauch auf ihr Grundstück wenden. Dieser Rechtsstreit ist gegenwärtig in der Berufungsinstanz beim Saarländischen Oberlandesgericht (Az. 5 U 469/08-75) anhängig.

Im Februar 2003 ordnete der Beklagte die Beseitigung eines nicht genehmigten Wintergartens auf der Grenzgarage der Kläger (vgl. zu einem durch einen ÖBVI festgestellten geringfügigen Überbau das im Rahmen des Zivilrechtsstreits im Auftrag des Landgerichts Saarbrücken (16 O 98/01) gefertigte Gutachten zur Grenzbestimmung vom 27.11.2002, Blatt 19 der Bauakte (Ablichtung)) unter Hinweis auf dessen nicht den Brandschutzerfordernissen genügende Ausführung an. Dagegen gerichtete Rechtsbehelfe der Kläger blieben erfolglos. (vgl. VG des Saarlandes, Urteil vom 21.6.2006 – 5 K 95/05 –, OVG des Saarlandes, Beschluss vom 11.12.2007 – 2 Q 36/06 –)

Im März 2003 beantragten die Kläger beim Beklagten ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Betrieb der Beigeladenen zu 1), um von der Halle an der gemeinsamen Grenze ausgehende Brandgefahren abzuwehren, um von dem Betrieb herrührende unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen durch Betriebsgeräusche und eine Gefährdung durch Abrieb und Staub des asbesthaltigen Eternitdachs der Halle auszuschließen, sowie, um Beeinträchtigungen durch „ätzend riechenden Qualm und Rauch“ infolge eines Verbrennens von Industrieabfällen abzustellen.

Nachdem die Kläger im Januar 2005 eine Entscheidung angemahnt hatten, teilte der Beklagten ihnen mit Schreiben vom 21.1.2005 mit, dass es sich bei der Halle um ein bauordnungsrechtlich auf der Grundlage geltender Vorschriften genehmigtes Gebäude handele. Nach einer Auskunft des Landesamts für Verbraucher-, Gesundheits- und Arbeitsschutz (LVGA) vom April 2003 lägen seit längerem keine Beschwerden gegen den Betrieb der Beigeladenen zu 1) mehr vor. Eine Überprüfung auf eine frühere Beschwerde im Jahr 1994 hin habe keine Überschreitung der maßgeblichen Lärmimmissionsrichtwerte ergeben. Die Eindeckung des Hallendachs mit Wellasbestzement sei Gegenstand der Genehmigung und damals auch üblich gewesen. Im Normalfall entstehe dabei kein Abrieb, der zu einer Gesundheitsgefährdung führen könne. Die zeitlich letzte Beschwerde eines Anwohners wegen Geruchsbelästigung datiere aus dem Jahr 1988. Die Beklagte verwies ferner auf den anhängigen Zivilrechtsstreit, behielt sich seine Entscheidung vor und kündigte an, dass diese nicht vor Abschluss des damals im Zusammenhang mit dem Wintergarten noch anhängigen Widerspruchsverfahrens getroffen werde.

Durch Bescheid vom 25.7.2006 lehnte die Beklagte das Einschreitensbegehren der Kläger ab. In der Begründung wurden die Baugenehmigung und der Befreiungsbescheid vom Juni 1980, die Ausführung nach den damals einschlägigen brandschutztechnischen Bestimmungen, die seinerzeitige Üblichkeit einer Dachabdeckung mit Wellasbestzement, die normalerweise keinen Abrieb verursache, und die erwähnte Stellungnahme des LGVA angeführt. Mit Blick auf ein von den Klägern im Mai 2005 vorgelegtes, im Zivilrechtsstreit eingeholtes Gutachten habe die Immissionsschutzbehörde (nunmehr Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz, LUA) mitgeteilt, dass die darin enthaltenen Feststellungen nicht auf tatsächlichen Lärmemissionen des Betriebs der Beigeladenen zu 1), sondern lediglich auf für die Planung neuer Anlagen entwickelten Anhaltswerten nach der VDI-Richtlinie 2571 zur Schallabstrahlung von Industriebauten basierten und weitere Schallschutzmaßnahmen nicht rechtfertigten. 1998 sei in dem Betrieb eine Schallpegelmessung zur Ermittlung der Lärmbelastung der Arbeitnehmer durchgeführt worden, bei der kein Lärmbereich ermittelt worden sei. Erkenntnisse über eine zwischenzeitliche Erhöhung des Lärmpotentials lägen nicht vor. Der Tagesimmissionsrichtwert von 60 dB(A) werde nicht annähernd erreicht. Da eine Verletzung nachbarschützender Bestimmungen nicht erkennbar sei, sei bei pflichtgemäßer Ermessensausübung ein bauaufsichtliches Einschreiten derzeit nicht erforderlich.

Zur Begründung der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (vgl. den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses vom 10.4.2007 –172/2006–) dagegen erhobenen Klage, mit der sie ihr Einschreitensbegehren weiter verfolgt haben, haben die Kläger geltend gemacht, die Klägerin habe der Grenzbebauung im Jahre 1980 nicht zugestimmt. Zudem sei der damals vorgesehene Schallschutz, der Grundlage der Zustimmung des Klägers gewesen sei, nie ausgeführt worden. Von Messungen im Jahre 1998 sei ihnen nichts bekannt. Vom Betrieb der Beigeladenen zu 1) gingen Gefahren für Leib und Leben sowie unzumutbare Belästigungen aus. Die Gefährdung beruhe auf einem Übertrag von Asbeststaub auf ihr Anwesen und Belästigungen durch Lärm und Gerüche. Der Lärm überschreite den geltenden Grenzwert für Mischgebiete. Darüber führten auch andere Nachbarn Beschwerde. Das zivilgerichtlich eingeholte Lärmgutachten des Prof. Dr. P basiere auf den tatsächlichen Emissionen des Betriebs und berücksichtige zudem noch nicht die Hammerschläge und das besonders störende Poltern beim Transportieren und bei der Montage der Dachbalken in der Industriehalle, die unmittelbar mit ihrem Gebäude verbunden sei. Eine zur Reduzierung der beim Verbrennen von Betriebsabfällen entstehenden Feinstaub- und Rauchimmissionen eingerichtete neue Feuerungsanlage sei baurechtlich nicht abgenommen. Brandschutztechnisch sei mit 2,90 m der Grenzabstand des Satteldachaufbaus nicht eingehalten. Das Dach entspreche nicht der vorgeschriebenen Feuerwiderstandsklasse (F 90 A). Es handele sich um eine latente Gefährdung, so dass sich die Beigeladene zu 1) nicht auf Bestandsschutz berufen könne. Die Beklagte sei verpflichtet, tätig zu werden.

Die Beklagte hat erklärt, für ein Einschreiten sehe sie nach wie vor keine Grundlage. Das im Dreimeterabstand zur Grenze der Kläger befindliche Flachdach der Halle sei mit Kies abgedeckt. Das sich anschließende Satteldach sei – wie das frühere Dach der mit dem Wintergarten versehenen und das vorhandene Dach einer weiteren Garage der Kläger im Hof – mit Welleternit gedeckt. Eine vom Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) vorgenommene Überprüfung habe keine Beschädigung oder sonstige mechanische Bearbeitung des funktionsfähigen Daches erbracht, so dass von einer sehr geringen Freisetzung von Asbestfasern auszugehen sei, von der keine Gesundheitsgefährdung ausgehe. Das Gutachten des Prof. Dr. P sei nicht aussagekräftig, zumal die darin angestellte Prognoserechnung zu Unrecht auf einen nicht vergleichbaren Schreinereibetrieb abstelle. Erforderlich sei eine Messung und Bewertung auf der Grundlage der TA-Lärm. Ein ebenfalls in dem Zivilrechtsstreit eingeholtes Gutachten der Dipl.Umw. B von 2006 habe keinen Nachweis der Belästigung von Anwohnern durch Rauch aus der in der Halle betriebenen Feuerungsanlage erbracht. Nach Aussage des zuständigen Bezirksschornsteinfegermeisters würden nur unbehandelte Holzreste verbrannt. Bei feuerbeständiger Ausführung der verbleibenden Reststärke des oberen Mauerabschlusses im Bereich des Flachdaches sei von einer für die der Gebäudeklasse 3 zuzurechnende Halle erforderlichen feuerbeständigen Abschlusswand auszugehen.

Die Beigeladenen sind der Klage entgegen getreten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im April 2009 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, den Klägern stehe der geltend gemachte Einschreitensanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Die von ihnen behaupteten Störungen resultierten aus dem Vorhandensein und der Nutzung der im Jahre 1980 mit Zustimmung des Klägers bestandskräftig grenzständig zugelassenen baulichen Anlage. Baugenehmigung und Befreiung hinsichtlich der Abstandsflächenvorschriften und damit das unmittelbare Nebeneinander von Werkshalle und Wohngrundstück seien so erst möglich geworden. An bestandsgeschützte Anlagen könnten nachträgliche bauaufsichtliche Anforderungen nur gestellt werden, wenn dies zur Abwehr von Lebens- oder Gesundheitsgefahren oder von unzumutbaren Belästigungen erforderlich sei. In diesen Fällen lägen die notwendigen Maßnahmen im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Der Beklagte habe die von den Klägern an ihn herangetragenen Störungen unter Einschaltung der Fachbehörde einer Prüfung zugeführt und anschließend sein Ermessen dahin ausgeübt, dass er vorerst nicht einschreite, es sei denn, es ergäben sich im zivilgerichtlichen Verfahren weiter gehende Erkenntnisse. Diese Vorgehensweise sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Baugenehmigung aus dem Jahr 1980 habe zur Folge, dass die durch ihre Ausnutzung auftretenden Beeinträchtigungen hinzunehmen seien. Da seit der Genehmigung bis auf eine Ausnahme beim Beklagten keine Beschwerden über den Betrieb der Beigeladenen eingegangen seien und das Einschreitensverlangen der Kläger erst im Zusammenhang mit einem Nachbarstreit um deren Wintergarten aufgeflammt sei, sei die zurückhaltende Beurteilung des Beklagten hinsichtlich seines Handlungsbedarfs nachvollziehbar. Das Gutachten des Prof. Dr. P gebe nichts Zwingendes zugunsten einer erheblichen nachträglichen Veränderung der aus dem Arbeitslärm in der Werkshalle resultierenden Immissionen her. Auch Brandgefahren und eine mögliche Asbestbelastung hätten sich seit Erteilung der Genehmigung nicht verändert. Nach den bei einer Ortsbesichtigung in dem Rechtsstreit um den Wintergarten gewonnenen Erkenntnissen befinde sich auf dem Dach im Grenzbereich eine Kiesabdeckung, die einen Abtrag von Asbest schwerlich erwarten lasse. Bei der geltend gemachten Rauchbelästigung gehe es lediglich um den Werkstattofen, der im Winter zum Beheizen der Halle benutzt werde. Der vorhandene Ofen sei im Jahr 2007 neu installiert und vom Schornsteinfeger abgenommen worden.

Die Kläger beantragen die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

II.

Dem Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung (§§ 124a Abs. 4, 124 Abs. 1 VwGO) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22.4.2009 – 5 K 700/07 –, mit dem ihre Klage auf Verpflichtung des Beklagten zum bauaufsichtsbehördlichen Einschreiten gegen den Betrieb der Beigeladenen zu 1) abgewiesen wurde, kann nicht entsprochen werden. Dem den gerichtlichen Prüfungsumfang mit Blick auf das befristete Darlegungserfordernis (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO) begrenzenden Antragsvorbringen kann das Vorliegen eines der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe nicht entnommen werden.

Dabei unterliegt – worauf die Beigeladenen in der Beschwerdeerwiderung unter Bezugnahme auf die dem angegriffenen Urteil beigegebene Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich hingewiesen haben – bereits die Zulässigkeit des Zulassungsbegehrens mit Blick auf das insoweit geltende Darlegungserfordernis (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hinsichtlich der in § 124 Abs. 2 VwGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe grundsätzlichen Bedenken. Die Antragsbegründung vom 13.7.2009 lässt inhaltlich-terminologisch keinen Bezug zu diesen Zulassungsvoraussetzungen erkennen. Vielmehr verweisen die Kläger eingangs ihrer Ausführungen zu durch den Fall aus ihrer Sicht aufgeworfenen materiellrechtlichen Fragestellungen lediglich darauf, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer „Überprüfung“ bedürfe. Es gehört indes anerkanntermaßen nicht zu den Aufgaben des Oberverwaltungsgerichts in Zulassungsverfahren, mit eigenem Überlegungs- und Auslegungsaufwand zu ermitteln oder auch nur zu „vermuten“, welchem Zulassungstatbestand im Sinne von § 124 Abs. 2 VwGO sich ein – wie hier – in der Form einer Berufungsbegründung gehaltener Sachvortrag zuordnen lassen könnte. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 18.3.2003 – 1 Q 9/03 –, SKZ 2003, 194, Leitsatz Nr. 7, und vom 20.3.2008 – 2 A 33/08 –, SKZ 2008, 203, Leitsatz Nr. 5) Der daher nachvollziehbare Einwand der Beigeladenen hinsichtlich einer diesbezüglichen „Unschlüssigkeit“ des Antrags soll hier indes nicht vertieft werden.

Sofern man die Darlegungen der Kläger dahingehend interpretiert, begründet der Vortrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), (vgl. zu dem insoweit anzulegenden Maßstab der Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen erstinstanzlichen Entscheidung zuletzt OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 8.1.2010 – 2 A 447/09 –, m.w.N., und vom 3.2.2010 – 2 A 407/09 –) mit der das Verwaltungsgericht einen subjektiven Anspruch der Kläger auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegen den Holzbaubetrieb der Beigeladenen zu 1) im Umfang des Klageantrags verneint und die hierauf zielende Verpflichtungsklage (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) abgewiesen hat.

Dies gilt zunächst, soweit die Kläger darauf verweisen, dass die Klägerin die der Baugenehmigung für die Betriebserweiterung im Jahre 1980 zugrunde liegenden Bauvorlagen – anders als der klägerische Ehemann – nicht unterzeichnet hatte. Zwar trifft es zu, dass der darin zu erblickende Verzicht auf materielle nachbarliche Abwehrrechte bei mehreren Miteigentümern ungeachtet im Einzelfall bestehender familiärer Beziehungen, insbesondere auch bei Ehegatten, entgegen der damaligen Verwaltungspraxis der Beklagten nur den jeweils Verzichtenden bindet. (vgl. hierzu Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI, Rn 61 ff, 67) Ebenso sicher lässt sich allerdings feststellen, dass die dem Beigeladenen zu 2) erteilte Bauerlaubnis gegenüber der Klägerin nach über 20 Jahren und dem in Form der Betriebsplanung und –führung in dem (erweiterten) Holzbaubetrieb betätigten Vertrauen auf dessen Hinnahme durch sie zumindest nach den Grundsätzen der Verwirkung bereits der formellen Rechtsbehelfsbefugnis „unanfechtbar“ geworden und in diesem Sinne auch ihr gegenüber mit Blick auf die Bestandskraft dieses Verwaltungsakts – materiell – verbindlich geworden ist. (vgl. hierzu Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI, Rn 73 ff) Nichts anderes hätte im Ergebnis zu gelten, sofern aufgrund der von der Genehmigung abweichenden Ausführung des Vorhabens insgesamt von einem nicht genehmigten Baubestand auszugehen wäre. In diesem Fall wären nachbarliche Abwehrrechte der Klägerin als verwirkt anzusehen, da das Institut der Verwirkung auch in Bezug auf materielle Rechtspositionen gegenüber einem nicht genehmigten Bauwerk Anwendung findet und seine Voraussetzungen – wie dargelegt – vorliegend erfüllt sind.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht vor dem Hintergrund darauf hingewiesen, dass jeder Nachbaranspruch auf Einschreiten durch die Bauaufsichtsbehörde – hier die Beklagte – in dieser Situation das Vorliegen der qualifizierten tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage für ein (nachträgliches) Tätigwerden gegenüber bestandsgeschützten baulichen Anlagen (§ 57 Abs. 3 LBO 2004), also eine Erforderlichkeit zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit oder von unzumutbaren Belästigungen, und zudem eine Reduzierung des der Behörde zusätzlich eingeräumten Entschließungsermessens auf Null zugunsten des betroffenen Nachbarn voraussetzt. Inwieweit der Baugenehmigung in dem Zusammenhang unter immissionsschutzrechtlichen Aspekten (§ 22 BImSchG) in objektiv-rechtlicher Hinsicht lediglich eingeschränkte Wirkungen beigemessen werden können, (vgl. entsprechend zu einer heutigen Umweltstandards nicht mehr genügenden, aber bauaufsichtlich genehmigten Hausentwässerung OVG des Saarlandes, Urteil vom 24.10.1994 – 1 R 28/92 –, SKZ 1995, 110, Leitsatz Nr. …) bedarf aus Anlass des vorliegenden Nachbarstreits keiner Vertiefung. Nach der Rechtsprechung des Senats ist davon auszugehen, dass jedenfalls sowohl materielle nachbarliche Verzichtserklärungen als auch die Verwirkung von Nachbarrechten selbst bei Gefahren für Leib und Leben des Verzichtenden wirksam sind, weil sie in erster Linie die Nutzbarkeit des eigenen Grundstücks betreffen. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Urteil vom 5.10.1990 – 2 R 397/87 –, SKZ 1991, 111, Leitsatz Nr. 13, Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 65 ) Ein subjektiver Anspruch der Kläger auf Einschreiten durch die Beklagte auf dieser Grundlage lässt sich auch auf der Grundlage ihres Vorbringens im Zulassungsverfahren nicht bejahen.

A. Das unterliegt keinen Zweifeln, soweit die Kläger auf aus ihrer Sicht nicht eingehaltene Brandschutzvorschriften hinsichtlich von Wänden und Dächern von Gebäuden (heute §§ 30, 32 LBO 2004 i.V.m. dem die Anforderungen konkretisierenden Anhang zur Landesbauordnung) hinweisen und pauschal geltend machen, dass der „an die Garage angebaute Bereich der Industriehalle mit F 90 – Verkleidung zu versehen“ sei und dass sich die Beklagte darum „nicht kümmere“. Zu diesen Fragen hat das Landgericht im Rahmen des zwischen den Beteiligten geführten Zivilrechtsstreits ein Sachverständigengutachten eingeholt, das die Kläger zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht haben. (vgl. das in Anlage 2 zum Schriftsatz der Kläger vom 12.3.2008 zu den Akten gereichte Gutachten des Dipl.Ing. H vom 10.1.2008, Umschlag Blatt 117 in Band 1 der Gerichtsakte) Dieses kommt eindeutig zu dem Ergebnis, dass die auf der gemeinsamen Grenze ausgeführte Wand in 24 cm starkem Kalksteinmauerwerk den an das Bauwerk zu stellenden brandschutzrechtlichen Anforderungen nach der Landesbauordnung 1974/80 an eine Brandwand und insoweit auch den Vorgaben der Baugenehmigung entspricht und dass das Flachdach im Grenzbereich und der dieses überragende, dem Grundstück der Kläger zugewandte obere Wandabschluss der Werkshalle (Achse A) aufgrund seines brandschutztechnisch ausreichenden seitlichen Grenzabstands keinen besonderen (gesetzlichen) Anforderungen an den Brandschutz unterliegt.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass in den Bauvorlagen zum Bauschein aus dem Jahre 1980 (vgl. dazu den Schnitt (Achse A) und die Grundrisszeichnung in den genehmigten Bauvorlagen, Blatt 131 der Bauakte 00183/80) über die gesetzlichen Brandschutzerfordernisse hinaus durch Grüneinträge (zu deren Bedeutung etwa Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 35) weiter gehende Anforderungen an die Ausgestaltung des Flachdachs und an den von der gemeinsamen Grenze abgesetzten oberen Abschluss der Wand der Werkshalle gestellt wurden, denen bisher ersichtlich baulich nicht Rechnung getragen wurde. Diese „Auflagen“ gehen zurück auf entsprechende Forderungen des Klägers in seiner im November 1979 im Rahmen einer Bauvoranfrage des Beigeladenen zu 2) erklärten Nachbarzustimmung hinsichtlich der Grenzbebauung. (vgl. die von der Beklagten als Ablichtung aus der Bauakte im Zulassungsverfahren vorgelegte Erklärung vom 5.11.1979, Blatt 271 der Gerichtsakte, die unter Ziffer 4. im Vorbescheid des Beklagten vom 18.3.1980 – 00074/80 – ausdrücklich für verbindlich erklärt worden sind) Auch wenn davon ausgegangen wird, dass der Nachbar in solchen Fällen gegen die als Adressat der Verzichtserklärung anzusehende Bauaufsichtsbehörde auch einen Anspruch auf Beachtung solcher „Auflagen“ hat, (vgl. zur fehlenden Befugnis der Bauaufsichtsbehörden zum Erlass sog. Baugebote auch bei der Durchsetzung verbindlicher nachbarlicher Vorbehalte im Genehmigungsverfahren, die Gegenstand der behördlichen Zulassungsentscheidung geworden sind OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.1.1994 – 2 R 16/93 –, BRS 56 Nr. 192, wonach insoweit regelmäßig die Anordnung der Beseitigung entsprechend nicht genehmigungskonform ausgeführter Anlagen in Betracht kommt) ergibt sich für das vorliegende Verfahren nichts anderes. Die Beigeladenen weisen in dem Zusammenhang im Ergebnis zu Recht darauf hin, dass diese Fragen bereits in dem Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom September 2008 „rechtskräftig erledigt und entschieden“ seien. (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 9.9.2008 – 16 O 98/01 –, Blätter 183 ff. in Band 1 der Gerichtsakten) Hierin wurde der Beigeladene zu 2) – und dortige Kläger – auf die Widerklage der Kläger (dort: Beklagte) hin unter ausdrücklicher Inbezugnahme der vorerwähnten, insoweit als privatvertragliche Vereinbarung gewerteten Zustimmungserklärung des Klägers zu dem Bauvorhaben vom November 1979 verurteilt, die mit Holz verschalte Seitenwand der Werkshalle und das Flachdach von der Unter- und von der Dachoberseite mit Bauteilen beziehungsweise Baustoffen der Feuerwiderstandsklasse F-90 zu versehen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Beigeladene zu 2) kein Rechtsmittel gegen das Urteil ergriffen hat. Ist aber – wie hier – der ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde verlangende Nachbar im Besitz eines inhaltlich die zur Ausräumung seiner geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung von ihm für geboten erachteten Anordnung abdeckenden vollstreckbaren zivilgerichtlichen Titels und kann er sich daher selbst „zu seinem Recht verhelfen“, so kommt bereits deswegen kein Anspruch auf (zusätzliches) Tätigwerden der Bauaufsicht (mehr) in Betracht. Das gilt insbesondere auch im Hinblick auf die aus Sicht des Nachbarn einfachere und vor allem „kostengünstigere“ Vollstreckung einer behördlichen Anordnung im Vergleich zur Durchsetzung des Zivilurteils, bei der der private Vollstreckungsgläubiger zumindest in Vorlage treten muss. Auf die vom Beigeladenen zu 2) in dem Zusammenhang erklärte Erfüllungsbereitschaft seinerseits kommt es ebenso wenig an wie auf die Fragen, ob die Beklagte mit Blick auf ihren gesetzlichen Auftrag (§ 57 Abs. 2 LBO 2004) objektiv-rechtlich gehalten wäre, durch entsprechende bauaufsichtsbehördliche Anordnungen für Abhilfe zu sorgen (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.8.1994 – 2 R 19/93 –, n.v.) und ob auch in dem Zusammenhang die Grundsätze über die Verwirkung materieller nachbarlicher Abwehrrechte (inzwischen) einen Anspruch auf Tätigwerden ausschließen.

Zusammenfassend ergeben sich also keine durchgreifenden Anhaltspunkte für einen vom Verwaltungsgericht damit zutreffend verneinten Einschreitensanspruch unter dem Aspekt unzureichenden Brandschutzes. Die im Wesentlichen auf einer Wiedergabe von Vorschriften der aktuellen Fassung der Landesbauordnung (2004) beruhenden pauschalen Ausführungen in dem im Rahmen des Zulassungsverfahrens von den Klägern vorgelegten „Bericht“ des TÜV Saarland e.V. „über die Prüfung einer Feuerüberschlagsgefahr“, der – knapp – auf eine „Sichtprüfung“ vom Anwesen der Kläger aus verweist, rechtfertigen sicher keine abweichende Beurteilung. Die Beklagte hat zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass der in dem „Bericht“ angegebene allgemeine Beurteilungsgegenstand des Betriebs insgesamt den im Verfahren allein streitgegenständlichen baulichen Bereich zur A-Straße hin überschreitet.

B. Das Verwaltungsgericht hat ferner zu Recht das Vorliegen der Anforderungen des § 57 Abs. 3 LBO 2004 für ein bauaufsichtsbehördliches Einschreiten mit Blick auf von ihnen ersichtlich erstmals mehr als 20 Jahre nach der Erweiterung des Betriebs im Zusammenhang mit einem Streit um eine vom Beigeladenen zu 2) verlangte Einstellung der Mitbenutzung des sich im Grenzbereich auf seinem Grundstück anschließenden Flachdachs geltend gemachte Lärmbeeinträchtigungen verneint. Weder Akteninhalt noch Vorbringen im Zulassungsverfahren bieten durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass durch den Betrieb der Beigeladenen zu 1) über das von den Klägern bereits nach den einschlägigen umweltrechtlichen Vorgaben hinzunehmende Maß hinausgehende Immissionen hervorgerufen werden, geschweige denn, dass diese das Ausmaß der Gesundheitsgefährdung oder einer „unzumutbaren Belästigung“ im Verständnis des § 57 Abs. 3 LBO 2004 erreichen. Mit dem von den Klägern im Zulassungsverfahren erneut angeführten Gutachten P (vgl. das Gutachten von Prof. Dr. Ing. P vom 7.5.2005, Blätter 22 ff. in Band 1 der Gerichtsakte) hat sich bereits das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend auseinandergesetzt. Dabei handelt es sich lediglich um eine Prognosebetrachtung aufbauend auf den bei einer Betriebsbesichtigung festgestellten Maschinen, aus der sich aus Sicht der von der Beklagten eingeschalteten Fachbehörde für Immissionsschutz kein Handlungsbedarf ergibt. Dem Gutachten sind nicht einmal durchgreifende Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die durch den tatsächlich vorhandenen Betrieb hervorgerufenen Immissionen auf dem Wohnanwesen der Kläger erheblich störend sind oder den für Mischgebiete nach der TA-Lärm maßgeblichen Tagesrichtwert von 60 dB(A) erreichen. Was die Kläger aufgrund der Genehmigung für den Betrieb aus dem Jahre 1980 letztlich an Lärmbelastung hinzunehmen haben, bedarf daher keiner Vertiefung. Eine erhebliche Lärmbelästigung der Kläger konnte auch bei mehreren Schallpegelmessungen durch das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) nicht festgestellt werden. Dabei hat sogar eine als worst case scenario durchgeführte (gesteuerte) und letztlich bezogen auf die tatsächlichen Betriebsabläufe und den vorhandenen Mitarbeiterbestand unrealistische Messung im Mai 2009, bei der alle in dem Betrieb vorhandenen Maschinen gleichzeitig zum Einsatz gebracht wurden, lediglich einen Beurteilungspegel von 59 dB(A) ergeben. Das LUA hat darüber hinaus am 5. und am 25.6.2009 zwei Lärmmessungen auf dem Anwesen der Kläger durchgeführt, die nur diesen – nicht aber den Beigeladenen – angekündigt worden waren. Dabei wurde der erwähnte Tagesrichtwert für Mischgebiete bei weitem nicht erreicht, sondern mit 46 dB(A) beziehungsweise 51 dB(A) sogar jeweils deutlich unterschritten. Von daher steht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 3 LBO 2004 unter dem Gesichtspunkt betriebsbedingter Geräuschimmissionen nicht in Rede.

Ein Einschreitensanspruch ergibt sich insoweit auch nicht aufgrund des – unstreitig – hinter baulichen Anforderungen der Genehmigung aus dem Jahre 1980 zurückbleibenden Zustands der Werkshalle der Beigeladenen zu 1). Nach den genehmigten Bauvorlagen (vgl. dazu den Schnitt in den Bauvorlagen, Blatt 131 der Bauakte 00183/80) sollte unter dem mit Wellasbestzement eingedeckten Satteldach der Halle auf der gesamten Breite in Höhe des oberen Abschlusses der Seitenwände eine „Schallisolierung“ eingebaut werden. Diese ist nach den bei dem bereits erwähnten Gutachten zu Brandschutzfragen befindlichen, 2007 gefertigten Fotoaufnahmen (vgl. das in Anlage 2 zum Schriftsatz der Kläger vom 12.3.2008 zu den Akten gereichte Gutachten des Dipl.Ing. H vom 10.1.2008, Umschlag Blatt 117 in Band 1 der Gerichtsakte, Seite 16) vom Inneren der Halle nicht vorhanden. (so ausdrücklich auch das Gutachten von Prof. Dr. Ing. P vom 7.5.2005, Blätter 22 ff. in Band 1 der Gerichtsakte, Seite 2 unter Bezugnahme auf die Fotos in Anlagen 3, 6 und 7) Den Klägern ist zuzugestehen, dass die öffentlich-rechtliche Wirkung der nachbarlichen Verzichtserklärung gegenüber der Genehmigungsbehörde in diesen Fällen ein genehmigungsabweichend ausgeführtes Vorhaben insgesamt nicht erfasst, (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.7.1998 – 2 Q 20/98 –, SKZ 1999, 122, Leitsatz Nr. 60, allgemein: Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 62) so dass dem Nachbarn mit Blick auf eine Nichteinhaltung seinem Schutz dienender Vorschriften, hier zumindest die seinerzeitigen Grenzabstandsbestimmungen in § 7 LBO 1974/80, nach Bauausführung ein Anspruch der Beseitigung des Gebäudes (§ 104 Abs. 1 Satz 1 LBO 1974/80) – vorbehaltlich einer nachträglichen Herstellung des genehmigten Zustands durch den Bauherrn – zuzubilligen war. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.1.1994 – 2 R 16/93 –, BRS 56 Nr. 192) Die Beklagte wäre nach dem vorausgegangenen Vorbescheidsverfahren und den die Forderungen des Klägers seinerzeit umsetzenden genehmigten Bauzeichnungen ohnehin in besonderer Weise gehalten gewesen, eine genehmigungskonforme Herstellung des Gebäudes zu überwachen und gegebenenfalls sicherzustellen (§§ 82, 105 LBO 1974/80). Des ungeachtet hat der Kläger, der dem Bau auf der gemeinsamen Grenze grundsätzlich zugestimmt hatte, heute knapp 20 Jahre nach der Bauausführung keine bessere Rechtsposition (mehr) als die Klägerin, die seinerzeit von vorneherein nicht wirksam auf ihre Nachbarrechte verzichtet hatte. Wie materielle Abwehrrechte sind auch Ansprüche auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten mit dem Ziel der Beseitigung aufgrund einer Nichteinhaltung von „Bedingungen“ für die Nachbarzustimmung im Rahmen der Bauausführung vom Verzichtenden zeitnah geltend zu machen und unterliegen ansonsten einer Verwirkung. Vorliegend spricht alles dafür, dass neben dem Zeitablauf auch die diesbezüglichen Anforderungen nach dem so genannten Umstandsmoment erfüllt sind. (zu deren Bedeutung etwa Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 86) Nach Aktenlage sind die Kläger erst im März 2003 unmittelbar nach dem Erlass der Beseitigungsanordnung für den Wintergarten auf ihrer Garage unter dem 17.2.2003, mit dem Begehren auf „Beseitigung und Einstellung“ von dem Betrieb der Beigeladenen zu 1) ausgehender „Störungen“ an den Beklagten herangetreten. (vgl. das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 12.3.2003, Blatt 2 der Bauakte) Nach dem Gesagten bedarf es schließlich auch keiner Auseinandersetzung mit der weiteren Frage, ob und wie sich der Begriff der „Schallisolierung“, der für sich genommen kein Schutzniveau definiert, technisch hier überhaupt konkretisieren lässt.

Daher sind die Kläger beide aus heutiger Sicht allenfalls auf die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Vorgaben zu verweisen. Dass der insoweit geltende Tagesrichtwert für Mischgebiete (§ 6 BauNVO 1990) von 60 dB(A) nach Nr. 6.1c der TA-Lärm erreicht oder gar überschritten würde, ist – wie ausgeführt – nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht festzustellen. Auch insoweit bestehen daher im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) an der Richtigkeit der einen Anspruch der Kläger auf Einschreiten verneinenden erstinstanzlichen Entscheidung. Entsprechendes gilt für die hinsichtlich ihrer Einhaltung zwischen den privaten Beteiligten indes umstrittene Genehmigungsauflage, wonach im Bereich des damals bereits grenzständig vorhandenen Garagengebäudes kein „bündiger“ Anbau erfolgen sollte, sondern zur Vermeidung von Körperschallübertragungen eine Fuge einzurichten war.

Inwieweit sich auf privatrechtlicher Grundlage – ähnlich wie beim Brandschutz in dem landgerichtlichen Urteil vom September 2008 entschieden – ein Anspruch der Kläger auf entsprechende Nachrüstung des Daches der Werkshalle der Beigeladenen zu 1) ergibt, ist von den Zivilgerichten in dem insoweit vor dem Saarländischen Oberlandesgericht anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden und hier nicht zu vertiefen.

C. Die Richtigkeit der Klageabweisung unterliegt auch keinen ernstlichen Zweifeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), soweit die Kläger eine Verpflichtung des Beklagten zum Einschreiten wegen von dem Betrieb der Beigeladenen zu 1) ausgehender Rauchgasimmissionen verlangen. Beurteilungsgegenstand ist insoweit allein der vorhandene, im Jahre 2007 eingebaute neue Werkstattofen. Anhaltspunkte für das Vorliegen unzumutbarer Belästigungen oder gar Gesundheitsbeeinträchtigungen durch auf das Anwesen einwirkende Rauchentwicklung und damit Abwehransprüche auf der Grundlage von §§ 41 Abs. 3 Satz 1 LBO 2004 liegen nicht vor. (vgl. dazu im Zusammenhang mit Gasfeuerungsanlagen OVG des Saarlandes, Urteil vom 18.9.2008 – 2 A 4/08 –, SKZ 2009, 121, Leitsatz Nr. 29, zu § 14 FeuVO) Das Verwaltungsgericht hat insoweit bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass die (neue) Anlage vom zuständigen Bezirksschornsteinfeger im Mai 2007 abgenommen wurde. Danach ist von einer sicheren Benutzbarkeit der Anlage auszugehen, wobei Gegenstand dieser Beurteilung nicht die Frage unzumutbarer Belästigungen war. (vgl. dazu das Schreiben des Bezirksschornsteinfegers G vom 27.6.2007 (Eingang) an den Beklagten, in dem Herr G ausführte, diese Frage nicht beurteilen zu können, weil er sich während des Betriebs „nicht in der Nähe aufhalte“) Das Landgericht ist unter Würdigung einer amtlichen Stellungnahme des Bezirksschornsteinfegermeisters sowie zusätzlich eines nach dem Umbau eigens eingeholten Sachverständigengutachtens vom Vorliegen allenfalls unwesentlicher Beeinträchtigungen (§§ 1004 Abs. 2, 906 Abs. 1 BGB) ausgegangen. Die Gutachterin (vgl. das Gutachten von Dipl. Umw. B vom 21.1.2008 Hülle Blatt 116 in Band 1 der Gerichtsakten) ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die der 1. BImSchV über kleine und mittlere Feuerungsanlagen zu entnehmenden Abgasgrenzwerte eingehalten werden. Die inhaltlichen Einwendungen der Kläger gegen dieses Gutachten rechtfertigen nicht bereits den Schluss auf eine unzumutbare Beeinträchtigung im Sinne des § 57 Abs. 3 LBO 2004. Soweit die Kläger technisch-baubezogen argumentieren, ist auf die erwähnte Abnahme der Anlage hinzuweisen. Der Beklagte hat weiter vorgetragen, dass mehrere „kurzfristig durchgeführte Ortsbesichtigungen“ keine Hinweise auf eine Verbrennung anderer Stoffe als ungehandeltes Holz ergeben haben. Auch eine im August 2007 auf Veranlassung des Beklagten vorgenommene unangekündigte Kontrolle des Heizofens durch das LUA, dem übrigens nach einem Schreiben vom August 2009 (vgl. das Schreiben des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz vom 25.8.2009, Blatt 150 der Bauakten) keine Nachbarbeschwerden vorliegen, gab keinen Anlass zu Beanstandungen. Auch insoweit ist es daher ohne weiteres nachzuvollziehen, wenn der Beklagte vorbehaltlich der Erlangung eine abweichende Neubeurteilung rechtfertigender weiterer Erkenntnisse gegenwärtig ein Einschreiten gegen die Beigeladene zu 2) auch unter diesem Aspekt unter Verweis auf das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen der in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage des § 57 Abs. 3 LBO 2004 ablehnt.

D. Die von den Klägern im bisherigen Verlauf des Verfahrens behauptete Gesundheitsgefährdung durch Asbestabrieb ist – ungeachtet des uneingeschränkt formulierten Zulassungsantrags – nicht Gegenstand der Antragsbegründung vom 13.7.2009. Ausführungen dazu verbieten sich bereits aufgrund des für das Zulassungsverfahren geltenden Darlegungsgebots (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Nach ihrer Klagebegründung vom 22.5.2007 befindet sich im Übrigen auf dem Grundstück der Kläger selbst ein mit Eternit gedecktes Garagengebäude.

E. Soweit die Kläger in der Begründung ihres Zulassungsantrags unter verschiedenen Gesichtspunkten auf eine aus ihrer Sicht vorliegende Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Verwaltungsgericht verweisen, könnte auch das die begehrte Rechtsmittelzulassung nicht begründen, wenn man diese – trotz er eingangs beschriebenen grundsätzlichen Bedenken – als Geltendmachung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO interpretieren wollte. Das Verwaltungsgericht verletzt nach ständiger Rechtsprechung seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht, wenn ein in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertretener Beteiligter dort – wie hier die Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 22.4.2009 – keine konkreten Beweisanträge zu dem jeweiligen Tatsachenvorbringen gestellt hat. Die Aufklärungsrüge im Berufungszulassungsverfahren dient nicht dazu, solche Beweisanträge zu ersetzen. (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 9.1.2006 – 2 Q 31/05 –, SKZ 2006, 212, Leitsatz Nr. 1, st. Rspr., zuletzt Beschluss vom 10.2.2009 – 2 A 267/08 –, SKZ 2009, 223, Leitsatz Nr. 6, und vom 27.4.2009 – 2 A 286/09 –, SKZ 2009, 224, Leitsatz Nr. 8) Gleiches gilt für Ankündigungen von Beweisanträgen oder Beweisersuchen in die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen, (vgl. zuletzt OVG des Saarlandes Beschluss vom 8.1.2010 – 2 A 447/09 –) hier insbesondere für den Hinweis auf erstinstanzlich „benannte“ Zeugen zu Lärmbeschwerden aus der Nachbarschaft beziehungsweise von Mietern der Kläger.

F. Der am Ende der Antragsbegründungsschrift vom 13.7.2009 zu findende Verweis auf eine durch nervenärztliches Attest belegte „ausgeprägte Lärm- und Rauchempfindlichkeit“ der Klägerin im Zusammenhang mit einer „depressiven Symptomatik, ausgelöst durch die nachbarlichen Störungen“ gibt Veranlassung zu dem Hinweis, dass es im Rahmen eines baurechtlichen Nachbarstreits, insbesondere hinsichtlich der Beurteilung von Lärm- und Geruchsimmissionen nicht auf besondere Befindlichkeiten des individuellen (konkreten) Nachbarn ankommen kann.

G. Da das Vorbringen der Kläger auch bei entsprechender Interpretation keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO aufzeigt, ist der Antrag zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch nach § 162 Abs. 3 VwGO ist gerechtfertigt, weil die Beigeladenen zu 1) und 2) eigene Anträge gestellt und damit Kostenrisiken übernommen haben (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11.7.2007 – 5 K 71/06 – abgeändert und der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheids verpflichtet, den Beigeladenen aufzugeben, den auf ihrem Grundstück Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2 in Flur 16 der Gemarkung Außen (Anwesen A-Straße) grenzständig errichteten zweigeschossigen Wohnhausanbau mit oben liegender Terrasse zu beseitigen, diese Anordnung mit Zwangsmitteln für den Fall der Nichtbefolgung zu versehen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Beklagte, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen einerseits der Beklagte und andererseits die Beigeladenen jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen – in beiden Instanzen – werden nicht erstattet.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Anwesens Sch... Straße ... in A-Stadt (Parzellen Nr. 159/1 und Nr. 160/1 in Flur 16 der Gemarkung A). Daran grenzt rückseitig das über die rechts vom Grundstück der Kläger liegende Parzelle Nr. 159/2 erschlossene Grundstück der Beigeladenen (Nr. ..., Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2) an. Darauf befindet sich neben einem Wohnhaus (A-Straße) ein bis auf die gemeinsame Grenze reichender zweigeschossiger Anbau mit Garage und darüber befindlichem Wohnraum. Die Kläger wenden sich gegen die Benutzung des auf der Höhe des Dachgeschosses des Wohngebäudes der Beigeladenen liegenden Flachdachs dieses Anbaus als Terrasse.

Der Anbau wurde im Jahr 1979 von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen, , ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet und auch nie nachträglich vom Beklagten zugelassen. Im Zuge der Ausführung hatten die Rechtsvorgänger der Beigeladenen ein in der Giebelwand des Hauses befindliches Fenster durch eine Tür ersetzt, um das mit einem Geländer umwehrte Dach des Anbaus als Terrasse nutzen zu können. Eine daraufhin vom Rechtsvorgänger der Kläger, , hinsichtlich des Anbaus eingeleitete zivilgerichtliche Nachbarstreitigkeit vor dem Amtsgericht in Lebach wurde im Jahre 1983 durch gerichtlichen Vergleich beendet. Darin verpflichteten sich die Rechtsvorgänger der Beigeladenen, die vom Elternschlafzimmer auf den Balkon hinausführende Tür wieder in Höhe des neben der Tür befindlichen Fensters zuzumauern, um eine „Begehung des Balkons auszuschließen“. Diese Vereinbarung haben die Rechtsvorgänger der Beigeladenen baulich umgesetzt.

Im April 1998 erwarben die Beigeladenen ihr Grundstück (Nr. ...). Im Jahre 2002 stellten sie den ursprünglichen Zustand durch neuerlichen Einbau einer Tür in die Giebelwand als Zugang zu dem Dach des Anbaus wieder her und nutzten dieses als Terrasse. Daraufhin forderten die Kläger als nunmehrige Eigentümer des Anwesens Nr. ... die Beigeladenen im Oktober 2002 unter Hinweis auf die Bindungswirkung des Vergleichs auf, diese Veränderungen erneut rückgängig zu machen.

Nachdem die Beigeladenen das abgelehnt und sich lediglich zur Anbringung eines Sichtschutzes bereit erklärt hatten, wandten sich die Kläger im Dezember 2002 an den Beklagten und baten diesen, die erforderlichen rechtlichen Schritte gegen die Beigeladenen bezüglich der rechtswidrigen Nutzung des „Balkons“ auf dem nicht genehmigten Wohnhausanbau in die Wege zu leiten. Im März 2003 konkretisierten die Kläger diese Forderung dahingehend, dass die „Nutzung des rechtswidrigen Bauwerks sofort zu untersagen und dessen Beseitigung zu veranlassen“ sei.

Durch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenes Schreiben an die Kläger vom 11.7.2003 lehnte der Beklagte ein Einschreiten ab und verwies zur Begründung darauf, dass aufgrund des 1983 geschlossenen Vergleichs zwischen den Rechtsvorgängern Ansprüche auf Beseitigung oder auf Erlass einer Nutzungsuntersagung „aus öffentlich-rechtlicher Sicht als verwirkt anzusehen“ seien. Die Wiederherstellung der Türöffnung durch die Beigeladenen stelle aus öffentlich-rechtlicher Sicht keine Verletzung der Kläger in geschützten Nachbarrechten dar.

Der dagegen erhobene Widerspruch der Kläger wurde im Juni 2004 zurückgewiesen. (vgl. den auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses – KRA 196/03 –) In der Begründung heißt es unter anderem, die Rechtsvorgänger der Kläger hätten 1983 bewusst auf ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich des illegalen Anbaus verzichtet und ihre Nachbarrechte zivilrechtlich durchgesetzt. Diese Entscheidung binde die Kläger. Sie könnten nicht nach 20 Jahren nunmehr ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde verlangen. Ein solcher Anspruch sei, sofern er irgendwann bestanden haben sollte, verwirkt. Der Vergleich sei für die Bauaufsichtsbehörde Anlass gewesen, nicht gegen den illegalen Bau einzuschreiten. Die Rechtsvorgänger der Beigeladenen hätten darauf vertrauen dürfen, dass die Rechtsvorgänger der Kläger den Anbau akzeptierten. Wenn sich die Beigeladenen nun nicht an den Vergleich hielten, seien die Kläger erneut auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, für den sich ihre Rechtsvorgänger entschieden hätten.

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage haben die Kläger auf die Nichteinhaltung der Abstandsfläche durch den Wohnhausanbau und eine durch die Nutzung der Dachterrasse bedingte Verletzung ihrer Privatsphäre verwiesen. Bei Erlass eines Benutzungsverbots für die Terrasse, der Beseitigung von Umwehrung und Handlauf sowie einer „Vermauerung“ der Zugangstür bis auf Höhe der Fensterbrüstung stehe das dafür streitende auch öffentliche Interesse in angemessenem Verhältnis zur Erheblichkeit des Eingriffs in private Belange der Beigeladenen. Diesen seien beim Grundstückserwerb die Vereinbarungen und der Bauzustand bekannt gewesen. Ein Einschreiten des Beklagten sei ungeachtet des Zeitablaufs seit Errichtung des Anbaus geboten. Ihnen stehe als betroffenen Nachbarn ein darauf gerichteter subjektiver Anspruch zu. Ihrem Verhalten und dem ihrer Rechtsvorgänger habe nie entnommen werden können, dass sie keine Abwehransprüche gegen den Anbau geltend machen würden, da sie sich jeweils umgehend „gewehrt“ hätten, sobald die baulichen Voraussetzungen für die von ihnen nie tolerierte Benutzung des Dachs als Terrasse geschaffen worden seien. Die Entscheidung des Beklagten, nicht tätig zu werden, sei auch willkürlich. Zivilrechtliche Absprachen könnten die Rechtslage hinsichtlich des öffentlichen Baurechts nicht beeinflussen. In der Beschreitung des Zivilrechtswegs sei kein Verzicht auf den Einschreitensanspruch oder dessen Durchsetzung zu erblicken. Der Anbau sei in dieser Form auch nicht nachträglich genehmigungsfähig. Insbesondere die Widerspruchsbehörde habe sich auch nicht mit der Frage beschäftigt, ob Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche für sie überhaupt zivilrechtlich durchsetzbar seien. Immerhin bedürfe es für eine Titelumschreibung und Vollstreckung einer „komplizierten Konstruktion“. Ihnen könne nicht das Prozessrisiko einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung aufgebürdet werden.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheids zu verpflichten, den Beigeladenen aufzugeben, die auf ihrem Hausanbau an der gemeinsamen Grenze zum Grundstück der Kläger auf dem Grundstück Gemarkung A, Flur 16, Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2 (Sch… Straße ...), auf dem Flachdach aufgesetzte Umwehrung zu beseitigen und die auf das Flachdach führende Türöffnung bis zur Brüstungshöhe zuzumauern, damit eine Begehung des Flachdachs ausgeschlossen ist.

Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Verwaltungsentscheidungen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen haben in erster Instanz keinen Antrag gestellt. Sie haben vorgetragen, die Kläger, die auf die „Durchführung eines Abrisses des Anbaus verzichtet“ hätten, könnten auch mit Blick auf das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme keinen Schutz vor einer Einsichtnahme in ihr Grundstück verlangen. Nach der Flurkarte seien die Hauptgebäude in der näheren Umgebung fast sämtlich grenzständig erbaut. Die Situation der nächstgelegenen Bebauung sei von einer Bauweise geprägt, die verstärkt Einsichtsmöglichkeiten biete. Diese müssten in einem erhöhten Maße hingenommen werden. Die umstrittene Dachterrasse, die keine weitergehenden Einsichtsmöglichkeiten biete als ein Fenster, sei etwa 17 m vom Haus der Kläger entfernt. Dazwischen befinde sich lediglich eine Wiese. Ein Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften lasse sich nicht feststellen. Die nicht überdachte Terrasse verursache keine gebäudegleichen Wirkungen und sei daher abstandsflächenrechtlich irrelevant. Die rein subjektive Empfindung der Kläger, es läge eine Störung vor, sei nicht von Belang. Entgegen der Ansicht der Kläger sei die Nutzungsänderung daher genehmigungsfähig. An den 1983 geschlossenen Vergleich seien sie nicht gebunden, da sie beim Erwerb des Grundstücks diesbezüglich gutgläubig gewesen seien. Der Verkäufer habe ihnen im Vertrag garantiert, dass keine Auflagen der Baubehörden bestünden und dass alle Baulichkeiten genehmigt seien.

Durch Urteil vom 11.7.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist zu lesen, den Klägern stehe der geltend gemachte Anspruch auf Einschreiten nicht zu. Zwar habe der Nachbar einen Anspruch auf Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften. Der zweigeschossige Wohnhausanbau sei abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert. Der Verstoß gegen die anerkannt nachbarschützenden Bestimmungen könne auch nicht durch einen Dispens „überwunden“ werden. Bei dieser Sachlage habe der betroffene Nachbar „im Grundsatz“ einen Anspruch auf bauaufsichtsbehördliches Vorgehen. Ferner sei anerkannt, dass die Möglichkeit eines zivilrechtlichen Nachbarschutzes weder die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Ansprüche hindere, noch den behördlichen Ermessensspielraum erweitere. Eine Verpflichtung der Behörde zum Einschreiten sei gleichwohl dann nicht anzuerkennen, wenn der Nachbar – wie hier die Kläger – im Besitz eines rechtskräftigen Titels gegen den Bauherrn und daher ohne „erneute umfängliche Anrufung von Gerichten“ in der Lage sei, seine Rechte zu wahren. Hierzu gehöre auch die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich. Bislang sei nicht streitig, dass die Rechtsvorgänger der privaten Beteiligten vor dem Amtsgericht Lebach einen Vergleich geschlossen hätten, dessen Inhalt nach wie vor auch gegen Rechtsnachfolger vollstreckt werden könne. Auf die Möglichkeit einer Umschreibung des Titels hätten die Kläger selbst hingewiesen. Die Erfolglosigkeit dieses Weges sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Demgegenüber erscheine der Erfolg der baurechtlichen Nachbarklage angesichts der unvollständigen Bauakten des Beklagten und des wegen der Vergleichsbereitschaft der Rechtsvorgänger der Kläger sowie wegen des aufgrund der über Jahrzehnte währenden Hinnahme der Baumaßnahme mit in den Blick zu nehmenden Gesichtspunkts der Verwirkung „eher ungewiss“. Von daher sei die Vollstreckung aus dem zivilrechtlichen Titel die einfachere Möglichkeit für die Kläger, ihre Rechte durchzusetzen. Die Gewährung öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes im Wege eines bauaufsichtsbehördlichen Einschreitens sei bei dieser Sachlage nicht erforderlich.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 7.11.2008 – 2 A 406/07 –) gegen dieses Urteil machen die Kläger geltend, sie seien gerade nicht im Besitz eines rechtskräftigen Vollstreckungstitels gegen die Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht habe selbst die Notwendigkeit einer Titelumschreibung angesprochen. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Inhalt des Vergleichs nach wie vor völlig unproblematisch und kurzfristig gegen die Beigeladenen durchsetzbar sei. Sie hätten bereits im September 2003 einen Antrag auf Umschreibung des Titels und auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung beim Amtsgericht Lebach gestellt. (vgl. dazu das in Anlage zum Berufungszulassungsantrag vorgelegte Schreiben an das Amtsgericht Lebach vom 23.9.2003, Blatt 115 der Gerichtsakte) Dabei sei zu problematisieren, ob die Rechtskraft des zwischen den jeweiligen Rechtsvorgängern geschlossenen Vergleichs für und gegen die Rechtsnachfolger wirke und ob es sich bei den Nachbargrundstücken um streitbefangene Gegenstände handele, weil auf der rechtlichen Beziehung zu den Grundstücken ihre Aktivlegitimation und die Passivlegitimation der Beigeladenen beruhe. Die rechtlichen Beziehungen zu den Grundstücken könnten sich sowohl auf ein dingliches Recht als auch auf dem jeweiligen Eigentümer zustehende Ansprüche, im konkreten Fall nach den §§ 985, 1004 BGB stützen. Aus dem Anspruch aus § 1004 BGB ergebe sich die Aktivlegitimation der Kläger, aus der Störung durch Schwarzbau und Terrassennutzung die Passivlegitimation der Beigeladenen. Die Umschreibung des Titels erfolge also nicht rein formal, sondern erst nach rechtlicher Prüfung. Bevor das Amtsgericht in eine solche eingetreten sei, hätten die Beigeladenen behauptet, dass ihnen – den Klägern – keine Rechte aus § 1004 BGB zustünden und ihr Rechtsvorgänger zur Herausgabe des Titels nach Erfüllung verpflichtet gewesen sei. (vgl. dazu das Schreiben der Beigeladenen an das Amtsgericht Lebach vom 17.12.2003, Ablichtung Blatt 117 der Gerichtsakte) Für den Fall der Umschreibung hätten die Beigeladenen bereits eine Vollstreckungsabwehrklage in Aussicht gestellt. Daher hätten sie sich entschlossen, ihre Rechte zunächst auf dem „weit einfacheren und zügigeren“ verwaltungsprozessualen Weg weiter zu verfolgen. Der Beklagte sei aufgrund einer entsprechenden Ermessenreduzierung verpflichtet, gegen den gesamten Grenzanbau in seiner jetzigen Form vorzugehen und dessen Abriss anzuordnen. Erst Recht könnten sie – die Kläger – daher ein Vorgehen gegen einen von ihnen beanstandeten Teil des Anbaus, hier die Dachterrasse, verlangen. „Neben der Sache“ liege die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Erfolg des baurechtlichen Nachbarstreits eher ungewiss sei. Dass es bei dem Beklagten keine Bauakten für den Anbau gebe, könne nicht verwundern, da es sich unstreitig um einen Schwarzbau handele. Das könne ihnen nicht zum Nachteil gereichen. Was die Vergleichsbereitschaft ihres Rechtsvorgängers mit einem Erfolg der Klage zu tun haben sollte, sei nicht nachvollziehbar; dabei gerate ihr Anliegen „völlig aus dem Blick“. Sie verlangten im Ergebnis ein Zumauern der Türöffnung bis auf Brüstungshöhe, um die Begehung und Benutzung des Flachdachs auszuschließen, also die Wiederherstellung der im Vergleich zwischen den Rechtsvorgängern gefundenen Lösung, und eine Entfernung der Umwehrung, um die Terrassennutzung „mit Sicherheit“ auszuschließen. Das könne nicht durch jahrzehntelange Hinnahme des Schwarzbaus ausgeschlossen werden. Auch auf ihre angebliche, ohnehin sehr zweifelhafte „Gutgläubigkeit“ beim Erwerb des Anwesens könnten sich die Beigeladenen jedenfalls ihnen gegenüber nicht berufen.

Die Kläger, die im Rechtsmittelverfahren zunächst ihr erstinstanzlich formuliertes Begehren weiterverfolgt haben, beantragen nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.7.2007 – 5 K 71/06 – den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheids zu verpflichten, den Beigeladenen aufzugeben, den auf ihrem Grundstück Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2 in Flur 16 der Gemarkung A (Anwesen A-Straße) grenzständig errichteten zweigeschossigen Wohnhausanbau zu beseitigen, diese Anordnung mit geeigneten Zwangsmitteln für den Fall der Nichtbefolgung zu versehen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Der Beklagte und die Beigeladenen sehen in der Umstellung des Antrags eine Klageänderung, der beide in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich widersprochen haben.

Der Beklagte beantragt ferner,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dem Vorbringen der Kläger lasse sich nicht entnehmen, dass sie auf das Schreiben der Beigeladenen an das Amtsgericht Lebach vom Dezember 2003 reagiert hätten, um das Verfahren zur Umschreibung des Titels beziehungsweise das Vollstreckungsverfahren weiter zu betreiben. Daher sei nicht erkennbar, ob die Titelumschreibung erhebliche Streitigkeiten nach sich gezogen hätte. Der Rechtsvorgänger der Kläger habe sich seinerzeit für die zivilrechtliche Durchsetzung der Nachbarrechte entschieden. Daran seien die Kläger gebunden und könnten nicht nach 20 Jahren auf einem Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde bestehen.

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweisen auf ihr bisheriges Vorbringen und machen geltend, die Verwaltungsgerichtsbarkeit sei nicht der Ort, bei Vorliegen eines zivilrechtlichen Titels vollstreckungsrechtliche Einzelfragen zu klären. Vermeintlich bestehende Nachbarrechte der Kläger seien zudem verwirkt. Der Rechtsvorgänger der Kläger habe nicht den Abriss des Grenzbauwerks betrieben. Der Dachterrasse komme insoweit keine selbständige rechtliche Bedeutung zu. Sie sei abstandsflächenrechtlich für sich genommen irrelevant. Es handele sich um einen unselbständigen und untergeordneten Teil des Grenzbauwerks und sein daher von der Verwirkung der Nachbarrechte „umfasst“. Gegen den Anbau hätten weder die Kläger noch ihr Rechtsvorgänger Einwände erhoben. Der Vergleich sei ihnen – den Beigeladenen – bei Abschluss des Kaufvertrags nicht bekannt gewesen und der Verkäufer habe ihnen zugesichert, dass alle Baulichkeiten genehmigt seien.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der zugehörigen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

A.

Die vom Senat zugelassene und fristgerecht mit einer Begründung versehene Berufung der Kläger ist auch sonst zulässig.

Die im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens vorgenommene Neufassung des Klageantrags auf – nunmehr – die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass einer Beseitigungsanordnung für den grenzständigen Wohnhausanbau auf dem Grundstück der Beigeladenen unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Es ist bereits fraglich, ob hierin eine Änderung des Streitgegenstands zu erblicken ist, da das Einschreitensbegehren eines Nachbarn gegenüber der Bauaufsichtsbehörde in der Sache immer auf eine Ausräumung materieller Nachbarrechtsverstöße durch das von ihm bekämpfte Bauvorhaben mit den der Behörde durch die Landesbauordnung eröffneten Möglichkeiten des Vorgehens gegen den Bauherrn zielt und vom Nachbarn regelmäßig keine abschließende rechtliche Prüfung hinsichtlich der insoweit im konkreten Einzelfall in Betracht kommenden Einschreitensbefugnisse und ihrer Grenzen verlangt werden kann. Selbst wenn man aber, wie dies der Beklagte und die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung getan haben, die Umstellung des Antrags als Änderung der Klage ansieht, so wäre diese in jedem Falle sachdienlich und daher zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO). Ansprüche privater Nachbarn auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegenüber Dritten können sich von vornherein nur im Rahmen der durch die einschlägigen Bestimmungen der Landesbauordnung eröffneten Befugnisse zum Tätigwerden nach den §§ 57 Abs. 2, 81, 82 LBO 2004 ergeben. Diese Vorschriften ermächtigen nicht zum Erlass von Baugeboten in Form einer Verpflichtung zur baulichen Änderung bestehender Anlagen (vgl. zur fehlenden Befugnis der Bauaufsichtsbehörden zum Erlass sog. Baugebote selbst bei der Durchsetzung verbindlicher nachbarlicher Vorbehalte in Genehmigungsverfahren, die Gegenstand der behördlichen Zulassungsentscheidung geworden sind OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.1.1994 – 2 R 16/93 –, BRS 56 Nr. 192, wonach insoweit regelmäßig nur die Anordnung der Beseitigung entsprechend nicht genehmigungskonform ausgeführter Anlagen in Betracht kommt) und lassen daher hier keinen Raum zumindest für die im erstinstanzlichen Klageantrag von den Klägern geforderte Rückbaumaßnahme hinsichtlich der von den Beigeladenen in die Giebelwand ihres Wohnhauses eingebauten Zugangstür zur Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Die Anordnungsbefugnisse des Beklagten umfassen – bei Vorliegen der in § 82 Abs. 1 LBO 2004 genannten Voraussetzungen – vielmehr lediglich die Beseitigung des insoweit rechtlich als Einheit zu betrachtenden Anbaus in seiner Gesamtheit. Die Änderung des Antrags durch die Kläger dient einer abschließenden Klärung der Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Bauwerks und der rechtlichen Beziehungen der Kläger zum Beklagten mit Blick auf das von ihnen seit Jahren verlangte Tätigwerden. Die Sachdienlichkeit (§ 91 Abs. 1 VwGO) ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht bereits wegen einer erkennbar zutage liegenden Unzulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens in der nun von den Klägern formulierten Fassung zu verneinen. Das Verlangen auf Anordnung der Beseitigung des Anbaus war bereits Gegenstand des Verwaltungsantrags der Kläger und „spielte sich“ daher entgegen der Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht lediglich in deren „Hinterkopf“ ab. Bereits in dem Schreiben der Kläger vom 20.3.2003 an den Beklagten heißt es ausdrücklich, dass der Anbau die notwendigen Abstandsflächen nicht einhalte, weswegen neben der Nutzungsuntersagung auch „die Beseitigung des rechtswidrigen Bauwerks zu veranlassen“ sei. Das hätte dem Beklagten unter Ermessensgesichtspunkten von vornherein Veranlassung geben müssen, sich mit diesem Begehren der Kläger zu befassen und den Gesichtspunkt in seine Erwägungen einzubeziehen.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Die Weigerung des Beklagten zum Einschreiten ist gegenüber den Klägern rechtswidrig und verletzt diese in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht ein Anspruch auf Erlass der begehrten Beseitigungsanordnung bezüglich des grenzständigen Wohnhausanbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen zu.

Dieser Anspruch ergibt sich aus dem § 82 Abs. 1 LBO 2004, wonach die Bauaufsichtsbehörden die Beseitigung baulicher Anlagen anordnen können, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden und rechtmäßig Zustände auf andere Weise nicht hergestellt werden können, in Verbindung mit den nachbarschützenden Bestimmungen in § 7 LBO 2004 über die vor Gebäudeaußenwänden auf dem Baugrundstück einzuhaltenden Abstandsflächen (Grenzabstände).

1. Der bis auf die gemeinsame Grenze mit dem Grundstück der Kläger (Parzellen Nr. 159/1 und Nr. 160/1) reichende Wohnhausanbau verstößt gegen das Grenzabstandsgebot des § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004. Danach sind vor Außenwänden von Gebäuden auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) Abstandsflächen freizuhalten, deren Tiefe mindestens 3 m beträgt (§ 7 Abs. 5 Satz 4 LBO 2004). Die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LBO 2004, nach denen abweichend von dieser Grundregel Abstandsflächen nicht erforderlich sind (Satz 2) beziehungsweise „ohne Grenzabstand“ gebaut werden darf, liegen hier nicht vor. Insbesondere wurde das Grundstück der Kläger nicht ohne Grenzabstand bebaut (Satz 3). Für diese Beurteilung ist mit Blick auf das den Abstandsflächenregelungen zugrunde liegende nachbarliche Austauschverhältnis allein auf die gemeinsame Grenze des Baugrundstücks mit dem Grundstück des sich gegen eine Grenzbebauung wendenden Nachbarn abzustellen. (vgl. zu den sich allgemein aus der Novellierung des Abstandsflächenrechts im Jahre 2004 ergebenden weitergehenden Möglichkeiten „einvernehmlicher“ Grenzbebauung Bitz, „Die neuere Rechtsprechung zum Abstandsflächenrecht der Landesbauordnung 2004“, SKZ 2009, 158 ff.)

Entgegen der im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung der Beigeladenen kommt es dabei nicht entscheidend darauf an, ob nach der Flurkarte Hauptgebäude in der näheren Umgebung ohne die Einhaltung von Grenzabständen errichtet worden sind oder nicht. Anhaltspunkte für einen aus der faktischen Umgebungsbebauung im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO 2004, 34 Abs. 1 BauGB wegen Nichteinfügens einer Bebauung mit Grenzabstand ergebenden strikten bauplanungsrechtlichen Zwang zur Grenzbebauung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Nicht zulässig ist ferner die von den Beigeladenen geforderte isolierte abstandsflächenrechtliche Beurteilung (nur) der Dachterrasse auf der Grundlage des § 7 Abs. 7 Satz 1 LBO 2004. Die Terrasse mit den diese Benutzung des Flachdachs ermöglichenden baulichen Einrichtungen ist untrennbarer Bestandteil des Wohnhausanbaus, auf dessen Dach sie eingerichtet ist und der mit Ausnahme untergeordneter Bauteile nach § 7 Abs. 6 LBO 2004 einer einheitlichen Beurteilung zu unterziehen ist. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 53, OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.8.1999 – 2 Q 31/99 – (Dachgeländer), Urteil vom 14.12.1999 – 2 R 4/99 –, SKZ 2000, 103, Leitsatz Nr. 57 (Rollmarkise))

2. Die materielle Illegalität des 1979 errichteten Bauwerks (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) erfasst den gesamten Zeitraum seines Bestands. Der aus dem Abstandsflächenrecht herzuleitende Widerspruch zum Bauordnungsrecht ergab sich auch aus den einschlägigen Vorläuferbestimmungen in den §§ 6 LBO 1996 und 6 LBO 1988 und aus den Vorschriften über die von Gebäudeaußenwänden und insbesondere von „betretbaren Anbauten“ gegenüber den Grundstücksgrenzen einzuhaltenden Abstände (Bauwiche) nach § 7 Abs. 1 und Abs. 8 LBO 1974/80. Dass nach § 7 Abs. 4 Satz 3 LBO 1974/80 bis zur Änderung der Bauordnung im Jahre 1988 noch Terrassen auf „Grenzgaragen“ gestattet werden konnten, wenn sie einen Abstand von mindestens 2 m von der Grenze einhielten, lässt in mehrfacher Hinsicht keine andere Beurteilung zu. Zum einen handelte es sich bei dem Grenzanbau hier nicht um eine die dafür geltenden gesetzlichen Grenzen, insbesondere hinsichtlich der Höhenvorgaben, wahrende privilegierte Grenzgarage (§ 7 Abs. 5 LBO 1974/80). Zum anderen wurde die nunmehr maßgebliche erneute Änderung der Anlage im Dachbereich erst im Jahr 2002 von den Beigeladenen ins Werk gesetzt.

3. Der Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht wäre mangels Vorliegens der insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen auch zu keinem Zeitpunkt durch die Gewährung einer Abweichung (§ 68 LBO 2004) oder – früher – einer Befreiung (§§ 75 Abs. 3 LBO 1996, 64 Abs. 1 LBO 1988, 95 Abs. 1 LBO 1974/80) mit Blick auf eine atypische Sachverhaltskonstellation im Einzelfall und damit im Sinne des § 82 Abs. 1 LBO 2004 aus heutiger Sicht „auf andere Weise“ ausräumbar gewesen. Zum einen liegen grundstücksbezogene Besonderheiten des Einzelfalls hier offensichtlich nicht vor. Zum anderen hat die Rechtsprechung aus der in diesen Vorschriften durchgängig vom Gesetzgeber geforderten Würdigung nachbarlicher Interessen auf der Tatbestandsseite hergeleitet, dass eine Befreiung von nachbarschützenden Anforderungen des Bauordnungsrechts gegen den Willen der betroffenen Nachbarn in aller Regel nicht in Betracht kam. Das gilt auch für die nunmehr in § 68 Abs. 1 LBO 2004 vorgesehene Abweichungsmöglichkeit.

4. Im Falle einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften des materiellen Baurechts verdichtet sich das der zuständigen Behörde – hier dem Beklagten – auf der Rechtsfolgeseite des § 82 Abs. 1 LBO 2004 vom Gesetzgeber eingeräumte Entschließungsermessen für ein Tätigwerden in aller Regel zu einem positiven Anspruch des betroffenen Nachbarn auf Tätigwerden zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes. Das ist auch hier der Fall. Einschränkungen ergeben sich insoweit im konkreten Fall zunächst nicht aus einem Vorliegen behördlicher Zulassungsentscheidungen für den Wohnhausanbau. Dieser wurde – unstreitig – vom Rechtsvorgänger der Beigeladenen ohne die damals nach den §§ 87 ff. LBO 1974/80 erforderliche Baugenehmigung errichtet und in der Folge von der Bauaufsichtsbehörde ungeachtet ihres gesetzlichen Auftrags (heute: § 57 Abs. 2 LBO 2004) nie überprüft, geschweige denn genehmigt.

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen, die – was im Übrigen bezogen auf die Nutzung des vollständigen, sich in mehreren Metern Höhe befindenden Daches des grenzständigen Anbaus ohnehin sehr stark bezweifeln lässt – eine Störung der Kläger in ihrem Eigentum in Abrede stellen, setzt eine Ermessensreduzierung auf Null und damit der nachbarliche Einschreitensanspruch gegen die sich aus den Bestimmungen über die Abstandsflächen ergebende Grenzabstandserfordernisse unterschreitende Gebäude insbesondere nicht die Feststellung einer tatsächlichen Betroffenheit durch das Bauwerk voraus. (ständige Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte, so bereits OVG des Saarlandes, Urteil vom 6.3.1987 – 2 R 180/84 –, BRS 47 Nr. 100 unter Hinweis auf die „zentimeterscharf“ konzipierte Abstandsverpflichtung) Insofern gilt für den § 82 Abs. 1 LBO 2004 nichts anderes als für die entsprechenden Vorläuferbestimmungen. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 99) Die saarländischen Abstandsflächenvorschriften (§§ 7, 8 LBO 2004) sind (auch) an die Stelle der früheren Regelungen über die Sozialabstände (§ 8 LBO 1974/80) getreten, wobei der Gesetzgeber bei der diesen Gesichtspunkt ausdrücklich einbeziehenden Novellierung des Grenzabstandsrechts im Saarland im Jahre 1988 (§§ 6, 7 LBO 1988) ausdrücklich auch die weitere Gewährleistung eines störungsfreien Wohnens zur Wahrung des Nachbarfriedens im Blick hatte. Für die aktuellen Nachfolgebestimmungen über die insbesondere von Gebäuden einzuhaltenden Abstandsflächenvorschriften in den §§ 7 und 8 LBO 2004 gilt nichts anderes. (vgl. Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 19 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Gesetzesmaterialien; OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.11.2000 – 2 R 2/00 –, SKZ 2001, 111, Leitsatz Nr. 48, BRS 63 Nr. 135)

5. Die Kläger sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht aufgrund von Besonderheiten des konkreten Falls an der Geltendmachung ihres Abwehrrechts und damit des Anspruchs gegen den Beklagten gehindert.

a. Der Einschreitensanspruch der Kläger nach § 82 Abs. 1 LBO 2004 gegenüber dem „Schwarzbau“ wegen Verletzung des materiellen Grenzabstandsgebots kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht mit Blick auf den Bestandszeitraum des Wohnhauses von nunmehr über 20 Jahren als gemäß § 242 BGB entspr. verwirkt angesehen werden. (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen dieses auch gegenüber sog. ungenehmigten „Schwarzbauten“ im öffentlichen Baunachbarrecht beachtlichen Verlusttatbestands Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 73, 77 ff.)

Weder die Kläger noch – insoweit zurechenbar – ein Rechtsvorgänger haben in der Vergangenheit durch ihr Verhalten den Beigeladenen beziehungsweise deren Rechtsvorgängern zu irgendeinem Zeitpunkt – geschweige denn über einen ein schutzwürdiges Vertrauen in die Hinnahme des Bauwerks begründenden Zeitraum Veranlassung zu der Annahme gegeben, dass der grenzständige Wohnhausanbau in seiner jetzigen Form, das heißt mit einem als Terrasse benutzbaren Flachdach, hingenommen würde. Der Voreigentümer des Wohnhauses der Kläger hat unmittelbar nach der Ausführung der Anlage um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht und über einen mit den Bauherrn geschlossenen zivilgerichtlichen Vergleich den Rückbau der Terrasse, insbesondere die Schließung der Zugangstür erreicht, die baulich umgesetzt wurde und anschließend bis zur Änderung durch die Beigeladenen im Jahre 2002 Bestand hatte. Gegen den erneuten Einbau der Tür haben sich die Kläger zeitnah sowohl in Schreiben an die Beigeladenen als auch, nachdem diese einen erneuten Rückbau abgelehnt hatten, an den Beklagten gewandt.

Ob die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Verwirkung von sich aus dem materiellen Bundesbaurecht ergebenden nachbarlichen Abwehransprüchen gegen Bauvorhaben entwickelten strengen Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Kausalitätskriteriums zwischen einem Untätigbleiben des Nachbarn und einer darauf aufbauenden Vertrauensbetätigung durch den Bauherrn (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urteil vom 16.5.1991 – 4 C 4.89 –, BRS 52 Nr. 218) auf die Verwirkung landesrechtlicher Abwehrrechte vollumfänglich zu übertragen sind und ob insoweit hier überhaupt eine Verwirkung des Anspruchs der Kläger in Betracht käme, kann daher auf sich beruhen.

b. Dem Begehren auf Erlass einer Beseitigungsanordnung durch den Beklagten für den streitgegenständlichen Wohnhausanbau kann auch nicht der Einwand eines darin liegenden Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens entgegen gehalten werden. ( vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.5.1996 – 2 R 24/95 -, SKZ 1996, 266, Leitsatz Nr. 20, wonach die im Rahmen eines Zivilprozesses abgegebene Erklärung des Nachbarn, er erhebe keine Einwendungen gegen ein bestimmtes Bauvorhaben, die Erhebung des Widerspruchs gegen die für dieses Vorhaben erteilte Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des ‚ venire contra factum proprium ’ unzulässig machen kann, und Beschluss vom 14.3.1983 – 2 R 14/82 –, BRS 40 Nr. 209 ) Das gilt insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass sowohl ihr Rechtsvorgänger, wie sich dem zwischen ihm und den Bauherrn im Jahre 1983 vor dem Amtsgericht in Lebach geschlossenen Vergleich entnehmen lässt, als auch die Kläger, wie bereits die Fassung ihres Klageantrags in erster Instanz zeigt, bereit waren beziehungsweise sind, den formell und materiell illegalen Grenzbau zu tolerieren, sofern die Benutzung des Flachdaches als Terrasse „über“ ihrem Garten beziehungsweise Außenwohnbereich unterbleibt und die diese Nutzung ermöglichenden baulichen Vorkehrungen in Form einer Zugangstür im Giebel des Wohnhauses und einer Umwehrung der dann betretbaren Dachfläche (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 LBO 2004) „zurückgebaut“ werden. Aus dem eindeutig an diese Vorbedingung geknüpften nachbarlichen Einverständnis vermögen die Beigeladenen offensichtlich keine Verpflichtung zur Hinnahme des Anbaus in seiner nunmehr insoweit gerade entgegen der nachbarlichen Bedingung wiederum veränderten Form mit der Terrasse auf dessen Flachdach herzuleiten.

Eine Bindung der Kläger ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Rechtsvorgänger 1983 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich. Zwar hat der Senat in der Vergangenheit Nachbarn, die sich im Rahmen eines Zivilprozesses mit einem ursprünglich von ihnen bekämpften Bauvorhaben in einer bestimmten Form einverstanden erklärt hatten, anschließend unter Verweis auf ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB entspr.) die Befugnis abgesprochen, bezüglich dieses Bauvorhabens Ansprüche auf Einschreiten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde wegen einer Nichteinhaltung nachbarschützender öffentlich-rechtlicher Vorschriften geltend zu machen. Das betraf indes Fälle, in denen das Vorhaben nicht nachträglich in einer die Frage der Nachbarbetroffenheit – wie hier – neu aufwerfenden Form verändert wurde oder in denen teilweise sogar das Bauwerk im Gefolge und nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Nachbarn geändert worden war. (vgl. insoweit OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1997 – 2 R 1/97 –, n.v., betreffend ein Beseitigungsverlangen des Nachbarn für einen auf seiner Grenze ausgeführten Wintergarten, der zuvor entsprechend seinen Wünschen im Zivilprozess vom Bauherrn verändert worden war.) Das hat mit dem vorliegenden Fall, in dem sich die Beigeladenen offensichtlich – ob bewusst oder unbewusst, spielt insoweit keine Rolle – von der zivilrechtlichen Einigung entgegen dem erkennbar fortbestehenden Willen der Nachbarn einseitig „eigenmächtig verabschiedet“ haben, nichts zu tun. Daher ließe sich hier allenfalls die Frage aufwerfen, ob den Klägern trotz der neuerlichen Veränderung des Bauwerks im Jahre 2002 im Falle des (erneuten) Rückbaus (weiterhin) eine Pflicht zur Hinnahme des Anbaus in der Form obliegt, wie sie im Vergleich von 1983 festgelegt worden ist. Das muss indes mit Blick auf die diesbezüglich eindeutigen Erklärungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, wonach die Kläger weiterhin zur Hinnahme des Grenzbaus ohne die Terrasse entsprechend dem 1983 geschlossenen Vergleich bereit sind, nicht vertieft werden.

Die Situation stellt sich daher rechtlich nicht anders dar, als in der Konstellation, dass der Beklagte seinerzeit, was mit Blick auf seine allgemeine Aufgabenstellung als Bauaufsichtsbehörde (damals: § 82 Abs. 2 LBO 1974/80) zu erwarten gewesen wäre, über eine ausdrückliche Nachbarzustimmung und eine – unterstellt rechtmäßige – Befreiung (§ 95 Abs. 1 LBO 1974/80) für den Anbau in der von dem Rechtsvorgänger der Kläger tolerierten Form ohne Nutzung des Daches eine nachträgliche zumindest formelle Legalisierung herbeigeführt hätte. Auch in diesem Fall beschränkte sich die Bindungswirkung der Nachbarzustimmung allein auf das konkrete Vorhaben in der Ausgestaltung, in der es der Nachbar gebilligt hatte, das heißt hier ebenfalls ohne Herstellung einer Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Dass der von den Beigeladenen im Jahre 2002 vorgenommene, dem Beklagten spätestens seit 2003 bekannte Umbau diesem ohnehin unabhängig von Nachbarbeschwerden Veranlassung zu einer baurechtlichen Überprüfung des Vorgangs geben müsste, sei dabei nur ergänzend erwähnt.

Wollte man den Klägern eine Befugnis zur Geltendmachung der Verletzung der ihrem Schutz dienenden Abstandsflächenvorschriften verwehren, so hätte das zur Konsequenz, dass sie nun den illegalen Bau auf ihrer Grenze in einer Form hinzunehmen hätten, die sie beziehungsweise ihr Rechtsvorgänger von Anfang an nicht zu tolerieren bereit waren und den sie auch in beiden Herstellungsphasen der Terrasse jeweils konsequent und zeitnah bekämpft haben. Da dies eindeutig ist, kann der Beklagte gegenüber dem Einschreitensbegehren vorliegend nicht darauf verweisen, dass er als Bauaufsichtsbehörde – was im Grundsatz zutrifft – nicht verpflichtet sein kann, die inhaltliche Reichweite im Einzelfall getroffener zivilrechtlicher Absprachen zwischen Bauherrn und von dem Bauvorhaben betroffenen Nachbarn im Wege der Auslegung und Würdigung zu ermitteln. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.6.1985 – 2 R 404/83 –, SKZ 1985, 235 Leitsatz Nr. 19, wonach der Bauaufsichtsbehörde unter Ermessensgesichtspunkten die Befugnis einzuräumen sein soll, unter Hinweis auf „ungeklärte zivilrechtliche Vorfragen“ auch bei einer nur möglichen Pflicht zur Hinnahme des Bauwerks durch den Nachbarn ein Einschreiten abzulehnen; OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.6.1991 – 2 R 12/90 –, zur Pflicht der Bauaufsichtsbehörde, im Rahmen einer auf die Nachbarrechtsverletzung abhebenden Beseitigungsanordnung bei der Ermessensausübung zivilrechtliche Absprachen zwischen Bauherrn und Nachbarn zu berücksichtigen)

c. Schließlich müssen sich die Kläger in dem konkreten Fall entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht die Existenz des vor dem Amtsgericht Lebach im Jahre 1983 von ihrem Rechtsvorgänger geschlossenen Vergleichs, in dem sich die Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu dem von den Klägern nunmehr erneut verlangten Rückbau verpflichtet haben, entgegenhalten lassen. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass der Nachbar im Grundsatz dann kein (zusätzliches) bauaufsichtsbehördliches Einschreiten erfolgreich einfordern kann, wenn er im Besitz eines inhaltlich die zur Ausräumung seiner geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung von ihm für geboten erachtete Anordnung abdeckenden vollstreckbaren zivilgerichtlichen Titels ist und er sich daher insoweit selbst einfacher „zu seinem Recht verhelfen“ kann. (vgl. insoweit zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.2.2010 – 2 A 390/09 – mit weiteren Nachweisen, wonach das auch im Hinblick auf die aus Sicht des Nachbarn einfachere und vor allem „kostengünstigere“ Vollstreckung einer behördlichen Anordnung im Vergleich zur Durchsetzung eines Zivilurteils gilt) Das gilt hier indes nicht. Dies ergibt sich zwar nicht bereits formal aus dem Umstand, dass weder die Kläger noch die Beigeladenen als Vollstreckungsgläubiger beziehungsweise Vollstreckungsschuldner – wie in § 750 Abs. 1 ZPO für den Beginn der Vollstreckung vorgeschrieben – in der Vergleichsurkunde namentlich benannt sind. Insoweit müssten sich die Kläger im Grundsatz auf ihnen zivilprozessual eröffnete Möglichkeiten einer Umschreibung des Titels verweisen lassen. Die Kläger weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass eine Vollstreckung durch sie aus dem 1983 zwischen den Rechtsvorgängern geschlossenen Vergleich gegenüber den Beigeladenen, sofern diese überhaupt in Betracht kommt, eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft, die, nachdem die Beigeladenen Rechtsbehelfe gegen die von den Klägern beantragte Umschreibung des Titels angekündigt haben, im Rahmen weiterer (zivil-)gerichtlicher Verfahren, deren Ausgang aus heutiger Sicht nicht im Sinne der Kläger positiv prognostiziert werden kann, zu klären wären.

Die Kläger haben im September 2003, also unmittelbar nachdem der Beklagte ein Tätigwerden unter Hinweis auf den zivilgerichtlichen Vergleich der Rechtsvorgänger abgelehnt hatte, beim Amtsgericht in Lebach beantragt, ihnen eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) auf der Grundlage des insoweit über § 795 ZPO auch für gerichtliche Vergleiche geltenden § 727 Abs. 1 ZPO zu erteilen. (vgl. den Schriftsatz vom 23.9.2003 im Verfahren 3 C 659/82 der Rechtsvorgänger, Blatt 115 der Gerichtsakte) Ohne eine solche qualifizierte Klausel ist der Titel für die Kläger von vorneherein nicht vollstreckbar; sie können eine Vollstreckung weder beginnen noch fortsetzen. Das Vollstreckungsgericht ist auch in Fällen der Rechtsnachfolge (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25.1.2007 – V ZB 47/06 –, NJW 2007, 3357) grundsätzlich zu einer materiellen Überprüfung des titulierten Anspruchs und der materiellen Rechtslage weder berechtigt noch in der Lage. Mit der Möglichkeit der Umschreibung in § 727 Abs. 1 ZPO soll nachträglichen Veränderungen in der materiellen Berechtigung Rechnung getragen und insbesondere ein neuer Prozess für oder gegen Rechtsnachfolger vermieden werden. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1) Von daher konsequent verneint die Rechtsprechung ein Rechtsschutzinteresse für den neuen Prozess gegen den Rechtsnachfolger unter Verweis auf die Umschreibungsmöglichkeit nach § 727 Abs. 1 ZPO beziehungsweise die dem Gläubiger dadurch eröffneten Möglichkeiten, einen gegen den Rechtsvorgänger des Schuldners erstrittenen Titel auch gegen dessen Rechtsnachfolger nutzbar zu machen. Das wird indes wiederum ausnahmsweise dann nicht angenommen, wenn es sich bei dem Titel um eine vollstreckbare Urkunde oder – wie hier – um einen Vergleich, also um einen nicht der Rechtskraft fähigen Titel handelt und der Gläubiger eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ernsthaft gewärtigen muss, mit welcher der in Anspruch genommene Rechtsnachfolger die Geltendmachung von Einwendungen gegen den titulierten (materiellen) Anspruch gegenüber dem Prozessgericht erhebt. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 3.4.1957 – V ZR 111/56 –, NJW 1957, 1111 und KG Berlin, Urteil vom 21.1.2005 – 13 UF 146/04 –,  FamRZ 2005, 1759) Diese Wertung ist auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Die Beigeladenen haben gegenüber dem Amtsgericht Lebach schon im Dezember 2003 eine Vielzahl von Einwendungen gegen die – wohlgemerkt im Ansatz doppelt erforderliche – Umschreibung des Vergleichs erhoben und eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bereits ausdrücklich angekündigt. (vgl. den Schriftsatz vom 17.12.2003 – 3 C 659/82 – an das AG Lebach, Blatt 117 der Gerichtsakte) Dabei wurden neben der Rechtsnachfolge, und zwar für beide Anwesen, auch die materielle Berechtigung der Kläger aus dem Vergleich beziehungsweise aus § 1004 BGB in Abrede gestellt und den Klägern insoweit die Einleitung eines erneuten Erkenntnisverfahrens angesonnen. Darüber hinaus haben die Beigeladenen einen Herausgabeanspruch bezogen auf den Titel eingewandt mit Blick auf den Umstand, dass der frühere Eigentümer ihres Grundstücks die im Vergleich gegenüber dem damaligen Eigentümer des klägerischen Anwesens übernommene Verpflichtung des Teilrückbaus der Tür erfüllt und dass dieser Zustand bis ins Jahr 2002 Bestand hatte. In dieser Situation kann es kaum verwundern, dass das Amtsgericht in Lebach bisher – unstreitig – den Titel nicht umgeschrieben hat. Nicht ganz widerspruchsfrei erscheint es allerdings, wenn sich die Beigeladenen in dem Zusammenhang die Auffassung des Beklagten zu eigen machen, wonach den Klägern ein einfacherer zivilrechtlicher Weg offenstehe, um ihre Rechte durchzusetzen.

Vor dem Hintergrund kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass den Klägern aufgrund des 1983 vor dem Amtsgericht geschlossenen Vergleichs eine „einfachere“ und „sichere“ Möglichkeit offenstünde, um im Ergebnis zu ihrem Recht zu kommen. Die Kläger sind daher im konkreten Fall nicht verpflichtet, die absehbar notwendigen weiteren streitigen zivilgerichtlichen Erkenntnisverfahren mit derzeit zumindest ungewissem Ausgang durchzuführen, bevor ihnen eine Befugnis zuerkannt werden kann, im Verwaltungsrechtsweg die ihnen aus öffentlichem Recht, hier der Landesbauordnung, zustehenden materiellen Abwehrrechte und Ansprüche gegenüber dem vom Landesgesetzgeber mit der „Überwachung“ der Einhaltung dieser Vorschriften – unabhängig von Fragen des Bauverfahrensrechts – betrauten Beklagten (§§ 57 Abs. 2, 60 Abs. 2 LBO 2004) geltend zu machen.

3. Insgesamt war daher der Berufung stattzugeben und der Beklagte unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Erlass der von den Klägern geforderten Beseitigungsanordnung hinsichtlich des Anbaus in seiner durch die Beigeladenen (erneut) hergestellten Form mit bis auf die gemeinsame Grenze reichendem begehbarem Flachdach, und auch zur im Fall der Nichtbefolgung erforderlichen Durchsetzung einer solchen Verfügung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs (§§ 13 ff. SVwVG) zu verpflichten. Bei letzterem handelt es sich lediglich um eine „Klarstellung“ des Umstands, dass sich der Einschreitensanspruch der Kläger in der Sache auf eine Ausräumung der Nachbarrechtsverletzung richtet und daher erforderlichenfalls auch die Durchsetzung diesem Ziel dienender Anordnungen durch den Beklagten umfasst.

4. Zur Klarstellung ist anzumerken, dass die Beigeladenen jedenfalls im Rechtsverhältnis zu den Klägern im Falle des Erlasses beziehungsweise gegenüber der Durchsetzung der Beseitigungsanordnung (§§ 82 Abs. 1 LBO 2004, 13 ff. SVwVG) für den Anbau berechtigt sind, als – in der vollstreckungsrechtlichen Terminologie – geeignetes Austauschmittel zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes den Rückbau entsprechend den Vorgaben des Vergleichs aus dem Jahre 1983 durchzuführen. Dass die Kläger mit dieser Maßnahme ihre Nachbarrechte als gewahrt ansehen, haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.6.2010 noch einmal ausdrücklich zu Protokoll erklärt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Die Beigeladenen, die nur in zweiter Instanz Anträge gestellt haben, waren insoweit nach Maßgabe des § 154 Abs. 3 VwGO hälftig an den Kosten des Berufungsverfahrens zu beteiligen. Für einen Ausspruch nach § 162 Abs. 3 VwGO zu ihren Gunsten bestand mit Blick auf den Prozessausgang insgesamt keine Veranlassung.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG, ebenso bereits die vorläufige Festsetzung im Beschluss vom 7.11.2008 – 2 A 406/07 –).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

I.

A.

Die vom Senat zugelassene und fristgerecht mit einer Begründung versehene Berufung der Kläger ist auch sonst zulässig.

Die im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens vorgenommene Neufassung des Klageantrags auf – nunmehr – die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass einer Beseitigungsanordnung für den grenzständigen Wohnhausanbau auf dem Grundstück der Beigeladenen unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Es ist bereits fraglich, ob hierin eine Änderung des Streitgegenstands zu erblicken ist, da das Einschreitensbegehren eines Nachbarn gegenüber der Bauaufsichtsbehörde in der Sache immer auf eine Ausräumung materieller Nachbarrechtsverstöße durch das von ihm bekämpfte Bauvorhaben mit den der Behörde durch die Landesbauordnung eröffneten Möglichkeiten des Vorgehens gegen den Bauherrn zielt und vom Nachbarn regelmäßig keine abschließende rechtliche Prüfung hinsichtlich der insoweit im konkreten Einzelfall in Betracht kommenden Einschreitensbefugnisse und ihrer Grenzen verlangt werden kann. Selbst wenn man aber, wie dies der Beklagte und die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung getan haben, die Umstellung des Antrags als Änderung der Klage ansieht, so wäre diese in jedem Falle sachdienlich und daher zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO). Ansprüche privater Nachbarn auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegenüber Dritten können sich von vornherein nur im Rahmen der durch die einschlägigen Bestimmungen der Landesbauordnung eröffneten Befugnisse zum Tätigwerden nach den §§ 57 Abs. 2, 81, 82 LBO 2004 ergeben. Diese Vorschriften ermächtigen nicht zum Erlass von Baugeboten in Form einer Verpflichtung zur baulichen Änderung bestehender Anlagen (vgl. zur fehlenden Befugnis der Bauaufsichtsbehörden zum Erlass sog. Baugebote selbst bei der Durchsetzung verbindlicher nachbarlicher Vorbehalte in Genehmigungsverfahren, die Gegenstand der behördlichen Zulassungsentscheidung geworden sind OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.1.1994 – 2 R 16/93 –, BRS 56 Nr. 192, wonach insoweit regelmäßig nur die Anordnung der Beseitigung entsprechend nicht genehmigungskonform ausgeführter Anlagen in Betracht kommt) und lassen daher hier keinen Raum zumindest für die im erstinstanzlichen Klageantrag von den Klägern geforderte Rückbaumaßnahme hinsichtlich der von den Beigeladenen in die Giebelwand ihres Wohnhauses eingebauten Zugangstür zur Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Die Anordnungsbefugnisse des Beklagten umfassen – bei Vorliegen der in § 82 Abs. 1 LBO 2004 genannten Voraussetzungen – vielmehr lediglich die Beseitigung des insoweit rechtlich als Einheit zu betrachtenden Anbaus in seiner Gesamtheit. Die Änderung des Antrags durch die Kläger dient einer abschließenden Klärung der Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Bauwerks und der rechtlichen Beziehungen der Kläger zum Beklagten mit Blick auf das von ihnen seit Jahren verlangte Tätigwerden. Die Sachdienlichkeit (§ 91 Abs. 1 VwGO) ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht bereits wegen einer erkennbar zutage liegenden Unzulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens in der nun von den Klägern formulierten Fassung zu verneinen. Das Verlangen auf Anordnung der Beseitigung des Anbaus war bereits Gegenstand des Verwaltungsantrags der Kläger und „spielte sich“ daher entgegen der Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht lediglich in deren „Hinterkopf“ ab. Bereits in dem Schreiben der Kläger vom 20.3.2003 an den Beklagten heißt es ausdrücklich, dass der Anbau die notwendigen Abstandsflächen nicht einhalte, weswegen neben der Nutzungsuntersagung auch „die Beseitigung des rechtswidrigen Bauwerks zu veranlassen“ sei. Das hätte dem Beklagten unter Ermessensgesichtspunkten von vornherein Veranlassung geben müssen, sich mit diesem Begehren der Kläger zu befassen und den Gesichtspunkt in seine Erwägungen einzubeziehen.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Die Weigerung des Beklagten zum Einschreiten ist gegenüber den Klägern rechtswidrig und verletzt diese in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht ein Anspruch auf Erlass der begehrten Beseitigungsanordnung bezüglich des grenzständigen Wohnhausanbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen zu.

Dieser Anspruch ergibt sich aus dem § 82 Abs. 1 LBO 2004, wonach die Bauaufsichtsbehörden die Beseitigung baulicher Anlagen anordnen können, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden und rechtmäßig Zustände auf andere Weise nicht hergestellt werden können, in Verbindung mit den nachbarschützenden Bestimmungen in § 7 LBO 2004 über die vor Gebäudeaußenwänden auf dem Baugrundstück einzuhaltenden Abstandsflächen (Grenzabstände).

1. Der bis auf die gemeinsame Grenze mit dem Grundstück der Kläger (Parzellen Nr. 159/1 und Nr. 160/1) reichende Wohnhausanbau verstößt gegen das Grenzabstandsgebot des § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004. Danach sind vor Außenwänden von Gebäuden auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) Abstandsflächen freizuhalten, deren Tiefe mindestens 3 m beträgt (§ 7 Abs. 5 Satz 4 LBO 2004). Die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LBO 2004, nach denen abweichend von dieser Grundregel Abstandsflächen nicht erforderlich sind (Satz 2) beziehungsweise „ohne Grenzabstand“ gebaut werden darf, liegen hier nicht vor. Insbesondere wurde das Grundstück der Kläger nicht ohne Grenzabstand bebaut (Satz 3). Für diese Beurteilung ist mit Blick auf das den Abstandsflächenregelungen zugrunde liegende nachbarliche Austauschverhältnis allein auf die gemeinsame Grenze des Baugrundstücks mit dem Grundstück des sich gegen eine Grenzbebauung wendenden Nachbarn abzustellen. (vgl. zu den sich allgemein aus der Novellierung des Abstandsflächenrechts im Jahre 2004 ergebenden weitergehenden Möglichkeiten „einvernehmlicher“ Grenzbebauung Bitz, „Die neuere Rechtsprechung zum Abstandsflächenrecht der Landesbauordnung 2004“, SKZ 2009, 158 ff.)

Entgegen der im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung der Beigeladenen kommt es dabei nicht entscheidend darauf an, ob nach der Flurkarte Hauptgebäude in der näheren Umgebung ohne die Einhaltung von Grenzabständen errichtet worden sind oder nicht. Anhaltspunkte für einen aus der faktischen Umgebungsbebauung im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO 2004, 34 Abs. 1 BauGB wegen Nichteinfügens einer Bebauung mit Grenzabstand ergebenden strikten bauplanungsrechtlichen Zwang zur Grenzbebauung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Nicht zulässig ist ferner die von den Beigeladenen geforderte isolierte abstandsflächenrechtliche Beurteilung (nur) der Dachterrasse auf der Grundlage des § 7 Abs. 7 Satz 1 LBO 2004. Die Terrasse mit den diese Benutzung des Flachdachs ermöglichenden baulichen Einrichtungen ist untrennbarer Bestandteil des Wohnhausanbaus, auf dessen Dach sie eingerichtet ist und der mit Ausnahme untergeordneter Bauteile nach § 7 Abs. 6 LBO 2004 einer einheitlichen Beurteilung zu unterziehen ist. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 53, OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.8.1999 – 2 Q 31/99 – (Dachgeländer), Urteil vom 14.12.1999 – 2 R 4/99 –, SKZ 2000, 103, Leitsatz Nr. 57 (Rollmarkise))

2. Die materielle Illegalität des 1979 errichteten Bauwerks (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) erfasst den gesamten Zeitraum seines Bestands. Der aus dem Abstandsflächenrecht herzuleitende Widerspruch zum Bauordnungsrecht ergab sich auch aus den einschlägigen Vorläuferbestimmungen in den §§ 6 LBO 1996 und 6 LBO 1988 und aus den Vorschriften über die von Gebäudeaußenwänden und insbesondere von „betretbaren Anbauten“ gegenüber den Grundstücksgrenzen einzuhaltenden Abstände (Bauwiche) nach § 7 Abs. 1 und Abs. 8 LBO 1974/80. Dass nach § 7 Abs. 4 Satz 3 LBO 1974/80 bis zur Änderung der Bauordnung im Jahre 1988 noch Terrassen auf „Grenzgaragen“ gestattet werden konnten, wenn sie einen Abstand von mindestens 2 m von der Grenze einhielten, lässt in mehrfacher Hinsicht keine andere Beurteilung zu. Zum einen handelte es sich bei dem Grenzanbau hier nicht um eine die dafür geltenden gesetzlichen Grenzen, insbesondere hinsichtlich der Höhenvorgaben, wahrende privilegierte Grenzgarage (§ 7 Abs. 5 LBO 1974/80). Zum anderen wurde die nunmehr maßgebliche erneute Änderung der Anlage im Dachbereich erst im Jahr 2002 von den Beigeladenen ins Werk gesetzt.

3. Der Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht wäre mangels Vorliegens der insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen auch zu keinem Zeitpunkt durch die Gewährung einer Abweichung (§ 68 LBO 2004) oder – früher – einer Befreiung (§§ 75 Abs. 3 LBO 1996, 64 Abs. 1 LBO 1988, 95 Abs. 1 LBO 1974/80) mit Blick auf eine atypische Sachverhaltskonstellation im Einzelfall und damit im Sinne des § 82 Abs. 1 LBO 2004 aus heutiger Sicht „auf andere Weise“ ausräumbar gewesen. Zum einen liegen grundstücksbezogene Besonderheiten des Einzelfalls hier offensichtlich nicht vor. Zum anderen hat die Rechtsprechung aus der in diesen Vorschriften durchgängig vom Gesetzgeber geforderten Würdigung nachbarlicher Interessen auf der Tatbestandsseite hergeleitet, dass eine Befreiung von nachbarschützenden Anforderungen des Bauordnungsrechts gegen den Willen der betroffenen Nachbarn in aller Regel nicht in Betracht kam. Das gilt auch für die nunmehr in § 68 Abs. 1 LBO 2004 vorgesehene Abweichungsmöglichkeit.

4. Im Falle einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften des materiellen Baurechts verdichtet sich das der zuständigen Behörde – hier dem Beklagten – auf der Rechtsfolgeseite des § 82 Abs. 1 LBO 2004 vom Gesetzgeber eingeräumte Entschließungsermessen für ein Tätigwerden in aller Regel zu einem positiven Anspruch des betroffenen Nachbarn auf Tätigwerden zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes. Das ist auch hier der Fall. Einschränkungen ergeben sich insoweit im konkreten Fall zunächst nicht aus einem Vorliegen behördlicher Zulassungsentscheidungen für den Wohnhausanbau. Dieser wurde – unstreitig – vom Rechtsvorgänger der Beigeladenen ohne die damals nach den §§ 87 ff. LBO 1974/80 erforderliche Baugenehmigung errichtet und in der Folge von der Bauaufsichtsbehörde ungeachtet ihres gesetzlichen Auftrags (heute: § 57 Abs. 2 LBO 2004) nie überprüft, geschweige denn genehmigt.

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen, die – was im Übrigen bezogen auf die Nutzung des vollständigen, sich in mehreren Metern Höhe befindenden Daches des grenzständigen Anbaus ohnehin sehr stark bezweifeln lässt – eine Störung der Kläger in ihrem Eigentum in Abrede stellen, setzt eine Ermessensreduzierung auf Null und damit der nachbarliche Einschreitensanspruch gegen die sich aus den Bestimmungen über die Abstandsflächen ergebende Grenzabstandserfordernisse unterschreitende Gebäude insbesondere nicht die Feststellung einer tatsächlichen Betroffenheit durch das Bauwerk voraus. (ständige Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte, so bereits OVG des Saarlandes, Urteil vom 6.3.1987 – 2 R 180/84 –, BRS 47 Nr. 100 unter Hinweis auf die „zentimeterscharf“ konzipierte Abstandsverpflichtung) Insofern gilt für den § 82 Abs. 1 LBO 2004 nichts anderes als für die entsprechenden Vorläuferbestimmungen. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 99) Die saarländischen Abstandsflächenvorschriften (§§ 7, 8 LBO 2004) sind (auch) an die Stelle der früheren Regelungen über die Sozialabstände (§ 8 LBO 1974/80) getreten, wobei der Gesetzgeber bei der diesen Gesichtspunkt ausdrücklich einbeziehenden Novellierung des Grenzabstandsrechts im Saarland im Jahre 1988 (§§ 6, 7 LBO 1988) ausdrücklich auch die weitere Gewährleistung eines störungsfreien Wohnens zur Wahrung des Nachbarfriedens im Blick hatte. Für die aktuellen Nachfolgebestimmungen über die insbesondere von Gebäuden einzuhaltenden Abstandsflächenvorschriften in den §§ 7 und 8 LBO 2004 gilt nichts anderes. (vgl. Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 19 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Gesetzesmaterialien; OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.11.2000 – 2 R 2/00 –, SKZ 2001, 111, Leitsatz Nr. 48, BRS 63 Nr. 135)

5. Die Kläger sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht aufgrund von Besonderheiten des konkreten Falls an der Geltendmachung ihres Abwehrrechts und damit des Anspruchs gegen den Beklagten gehindert.

a. Der Einschreitensanspruch der Kläger nach § 82 Abs. 1 LBO 2004 gegenüber dem „Schwarzbau“ wegen Verletzung des materiellen Grenzabstandsgebots kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht mit Blick auf den Bestandszeitraum des Wohnhauses von nunmehr über 20 Jahren als gemäß § 242 BGB entspr. verwirkt angesehen werden. (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen dieses auch gegenüber sog. ungenehmigten „Schwarzbauten“ im öffentlichen Baunachbarrecht beachtlichen Verlusttatbestands Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 73, 77 ff.)

Weder die Kläger noch – insoweit zurechenbar – ein Rechtsvorgänger haben in der Vergangenheit durch ihr Verhalten den Beigeladenen beziehungsweise deren Rechtsvorgängern zu irgendeinem Zeitpunkt – geschweige denn über einen ein schutzwürdiges Vertrauen in die Hinnahme des Bauwerks begründenden Zeitraum Veranlassung zu der Annahme gegeben, dass der grenzständige Wohnhausanbau in seiner jetzigen Form, das heißt mit einem als Terrasse benutzbaren Flachdach, hingenommen würde. Der Voreigentümer des Wohnhauses der Kläger hat unmittelbar nach der Ausführung der Anlage um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht und über einen mit den Bauherrn geschlossenen zivilgerichtlichen Vergleich den Rückbau der Terrasse, insbesondere die Schließung der Zugangstür erreicht, die baulich umgesetzt wurde und anschließend bis zur Änderung durch die Beigeladenen im Jahre 2002 Bestand hatte. Gegen den erneuten Einbau der Tür haben sich die Kläger zeitnah sowohl in Schreiben an die Beigeladenen als auch, nachdem diese einen erneuten Rückbau abgelehnt hatten, an den Beklagten gewandt.

Ob die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Verwirkung von sich aus dem materiellen Bundesbaurecht ergebenden nachbarlichen Abwehransprüchen gegen Bauvorhaben entwickelten strengen Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Kausalitätskriteriums zwischen einem Untätigbleiben des Nachbarn und einer darauf aufbauenden Vertrauensbetätigung durch den Bauherrn (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urteil vom 16.5.1991 – 4 C 4.89 –, BRS 52 Nr. 218) auf die Verwirkung landesrechtlicher Abwehrrechte vollumfänglich zu übertragen sind und ob insoweit hier überhaupt eine Verwirkung des Anspruchs der Kläger in Betracht käme, kann daher auf sich beruhen.

b. Dem Begehren auf Erlass einer Beseitigungsanordnung durch den Beklagten für den streitgegenständlichen Wohnhausanbau kann auch nicht der Einwand eines darin liegenden Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens entgegen gehalten werden. ( vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.5.1996 – 2 R 24/95 -, SKZ 1996, 266, Leitsatz Nr. 20, wonach die im Rahmen eines Zivilprozesses abgegebene Erklärung des Nachbarn, er erhebe keine Einwendungen gegen ein bestimmtes Bauvorhaben, die Erhebung des Widerspruchs gegen die für dieses Vorhaben erteilte Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des ‚ venire contra factum proprium ’ unzulässig machen kann, und Beschluss vom 14.3.1983 – 2 R 14/82 –, BRS 40 Nr. 209 ) Das gilt insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass sowohl ihr Rechtsvorgänger, wie sich dem zwischen ihm und den Bauherrn im Jahre 1983 vor dem Amtsgericht in Lebach geschlossenen Vergleich entnehmen lässt, als auch die Kläger, wie bereits die Fassung ihres Klageantrags in erster Instanz zeigt, bereit waren beziehungsweise sind, den formell und materiell illegalen Grenzbau zu tolerieren, sofern die Benutzung des Flachdaches als Terrasse „über“ ihrem Garten beziehungsweise Außenwohnbereich unterbleibt und die diese Nutzung ermöglichenden baulichen Vorkehrungen in Form einer Zugangstür im Giebel des Wohnhauses und einer Umwehrung der dann betretbaren Dachfläche (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 LBO 2004) „zurückgebaut“ werden. Aus dem eindeutig an diese Vorbedingung geknüpften nachbarlichen Einverständnis vermögen die Beigeladenen offensichtlich keine Verpflichtung zur Hinnahme des Anbaus in seiner nunmehr insoweit gerade entgegen der nachbarlichen Bedingung wiederum veränderten Form mit der Terrasse auf dessen Flachdach herzuleiten.

Eine Bindung der Kläger ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Rechtsvorgänger 1983 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich. Zwar hat der Senat in der Vergangenheit Nachbarn, die sich im Rahmen eines Zivilprozesses mit einem ursprünglich von ihnen bekämpften Bauvorhaben in einer bestimmten Form einverstanden erklärt hatten, anschließend unter Verweis auf ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB entspr.) die Befugnis abgesprochen, bezüglich dieses Bauvorhabens Ansprüche auf Einschreiten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde wegen einer Nichteinhaltung nachbarschützender öffentlich-rechtlicher Vorschriften geltend zu machen. Das betraf indes Fälle, in denen das Vorhaben nicht nachträglich in einer die Frage der Nachbarbetroffenheit – wie hier – neu aufwerfenden Form verändert wurde oder in denen teilweise sogar das Bauwerk im Gefolge und nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Nachbarn geändert worden war. (vgl. insoweit OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1997 – 2 R 1/97 –, n.v., betreffend ein Beseitigungsverlangen des Nachbarn für einen auf seiner Grenze ausgeführten Wintergarten, der zuvor entsprechend seinen Wünschen im Zivilprozess vom Bauherrn verändert worden war.) Das hat mit dem vorliegenden Fall, in dem sich die Beigeladenen offensichtlich – ob bewusst oder unbewusst, spielt insoweit keine Rolle – von der zivilrechtlichen Einigung entgegen dem erkennbar fortbestehenden Willen der Nachbarn einseitig „eigenmächtig verabschiedet“ haben, nichts zu tun. Daher ließe sich hier allenfalls die Frage aufwerfen, ob den Klägern trotz der neuerlichen Veränderung des Bauwerks im Jahre 2002 im Falle des (erneuten) Rückbaus (weiterhin) eine Pflicht zur Hinnahme des Anbaus in der Form obliegt, wie sie im Vergleich von 1983 festgelegt worden ist. Das muss indes mit Blick auf die diesbezüglich eindeutigen Erklärungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, wonach die Kläger weiterhin zur Hinnahme des Grenzbaus ohne die Terrasse entsprechend dem 1983 geschlossenen Vergleich bereit sind, nicht vertieft werden.

Die Situation stellt sich daher rechtlich nicht anders dar, als in der Konstellation, dass der Beklagte seinerzeit, was mit Blick auf seine allgemeine Aufgabenstellung als Bauaufsichtsbehörde (damals: § 82 Abs. 2 LBO 1974/80) zu erwarten gewesen wäre, über eine ausdrückliche Nachbarzustimmung und eine – unterstellt rechtmäßige – Befreiung (§ 95 Abs. 1 LBO 1974/80) für den Anbau in der von dem Rechtsvorgänger der Kläger tolerierten Form ohne Nutzung des Daches eine nachträgliche zumindest formelle Legalisierung herbeigeführt hätte. Auch in diesem Fall beschränkte sich die Bindungswirkung der Nachbarzustimmung allein auf das konkrete Vorhaben in der Ausgestaltung, in der es der Nachbar gebilligt hatte, das heißt hier ebenfalls ohne Herstellung einer Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Dass der von den Beigeladenen im Jahre 2002 vorgenommene, dem Beklagten spätestens seit 2003 bekannte Umbau diesem ohnehin unabhängig von Nachbarbeschwerden Veranlassung zu einer baurechtlichen Überprüfung des Vorgangs geben müsste, sei dabei nur ergänzend erwähnt.

Wollte man den Klägern eine Befugnis zur Geltendmachung der Verletzung der ihrem Schutz dienenden Abstandsflächenvorschriften verwehren, so hätte das zur Konsequenz, dass sie nun den illegalen Bau auf ihrer Grenze in einer Form hinzunehmen hätten, die sie beziehungsweise ihr Rechtsvorgänger von Anfang an nicht zu tolerieren bereit waren und den sie auch in beiden Herstellungsphasen der Terrasse jeweils konsequent und zeitnah bekämpft haben. Da dies eindeutig ist, kann der Beklagte gegenüber dem Einschreitensbegehren vorliegend nicht darauf verweisen, dass er als Bauaufsichtsbehörde – was im Grundsatz zutrifft – nicht verpflichtet sein kann, die inhaltliche Reichweite im Einzelfall getroffener zivilrechtlicher Absprachen zwischen Bauherrn und von dem Bauvorhaben betroffenen Nachbarn im Wege der Auslegung und Würdigung zu ermitteln. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.6.1985 – 2 R 404/83 –, SKZ 1985, 235 Leitsatz Nr. 19, wonach der Bauaufsichtsbehörde unter Ermessensgesichtspunkten die Befugnis einzuräumen sein soll, unter Hinweis auf „ungeklärte zivilrechtliche Vorfragen“ auch bei einer nur möglichen Pflicht zur Hinnahme des Bauwerks durch den Nachbarn ein Einschreiten abzulehnen; OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.6.1991 – 2 R 12/90 –, zur Pflicht der Bauaufsichtsbehörde, im Rahmen einer auf die Nachbarrechtsverletzung abhebenden Beseitigungsanordnung bei der Ermessensausübung zivilrechtliche Absprachen zwischen Bauherrn und Nachbarn zu berücksichtigen)

c. Schließlich müssen sich die Kläger in dem konkreten Fall entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht die Existenz des vor dem Amtsgericht Lebach im Jahre 1983 von ihrem Rechtsvorgänger geschlossenen Vergleichs, in dem sich die Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu dem von den Klägern nunmehr erneut verlangten Rückbau verpflichtet haben, entgegenhalten lassen. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass der Nachbar im Grundsatz dann kein (zusätzliches) bauaufsichtsbehördliches Einschreiten erfolgreich einfordern kann, wenn er im Besitz eines inhaltlich die zur Ausräumung seiner geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung von ihm für geboten erachtete Anordnung abdeckenden vollstreckbaren zivilgerichtlichen Titels ist und er sich daher insoweit selbst einfacher „zu seinem Recht verhelfen“ kann. (vgl. insoweit zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.2.2010 – 2 A 390/09 – mit weiteren Nachweisen, wonach das auch im Hinblick auf die aus Sicht des Nachbarn einfachere und vor allem „kostengünstigere“ Vollstreckung einer behördlichen Anordnung im Vergleich zur Durchsetzung eines Zivilurteils gilt) Das gilt hier indes nicht. Dies ergibt sich zwar nicht bereits formal aus dem Umstand, dass weder die Kläger noch die Beigeladenen als Vollstreckungsgläubiger beziehungsweise Vollstreckungsschuldner – wie in § 750 Abs. 1 ZPO für den Beginn der Vollstreckung vorgeschrieben – in der Vergleichsurkunde namentlich benannt sind. Insoweit müssten sich die Kläger im Grundsatz auf ihnen zivilprozessual eröffnete Möglichkeiten einer Umschreibung des Titels verweisen lassen. Die Kläger weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass eine Vollstreckung durch sie aus dem 1983 zwischen den Rechtsvorgängern geschlossenen Vergleich gegenüber den Beigeladenen, sofern diese überhaupt in Betracht kommt, eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft, die, nachdem die Beigeladenen Rechtsbehelfe gegen die von den Klägern beantragte Umschreibung des Titels angekündigt haben, im Rahmen weiterer (zivil-)gerichtlicher Verfahren, deren Ausgang aus heutiger Sicht nicht im Sinne der Kläger positiv prognostiziert werden kann, zu klären wären.

Die Kläger haben im September 2003, also unmittelbar nachdem der Beklagte ein Tätigwerden unter Hinweis auf den zivilgerichtlichen Vergleich der Rechtsvorgänger abgelehnt hatte, beim Amtsgericht in Lebach beantragt, ihnen eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) auf der Grundlage des insoweit über § 795 ZPO auch für gerichtliche Vergleiche geltenden § 727 Abs. 1 ZPO zu erteilen. (vgl. den Schriftsatz vom 23.9.2003 im Verfahren 3 C 659/82 der Rechtsvorgänger, Blatt 115 der Gerichtsakte) Ohne eine solche qualifizierte Klausel ist der Titel für die Kläger von vorneherein nicht vollstreckbar; sie können eine Vollstreckung weder beginnen noch fortsetzen. Das Vollstreckungsgericht ist auch in Fällen der Rechtsnachfolge (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25.1.2007 – V ZB 47/06 –, NJW 2007, 3357) grundsätzlich zu einer materiellen Überprüfung des titulierten Anspruchs und der materiellen Rechtslage weder berechtigt noch in der Lage. Mit der Möglichkeit der Umschreibung in § 727 Abs. 1 ZPO soll nachträglichen Veränderungen in der materiellen Berechtigung Rechnung getragen und insbesondere ein neuer Prozess für oder gegen Rechtsnachfolger vermieden werden. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1) Von daher konsequent verneint die Rechtsprechung ein Rechtsschutzinteresse für den neuen Prozess gegen den Rechtsnachfolger unter Verweis auf die Umschreibungsmöglichkeit nach § 727 Abs. 1 ZPO beziehungsweise die dem Gläubiger dadurch eröffneten Möglichkeiten, einen gegen den Rechtsvorgänger des Schuldners erstrittenen Titel auch gegen dessen Rechtsnachfolger nutzbar zu machen. Das wird indes wiederum ausnahmsweise dann nicht angenommen, wenn es sich bei dem Titel um eine vollstreckbare Urkunde oder – wie hier – um einen Vergleich, also um einen nicht der Rechtskraft fähigen Titel handelt und der Gläubiger eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ernsthaft gewärtigen muss, mit welcher der in Anspruch genommene Rechtsnachfolger die Geltendmachung von Einwendungen gegen den titulierten (materiellen) Anspruch gegenüber dem Prozessgericht erhebt. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 3.4.1957 – V ZR 111/56 –, NJW 1957, 1111 und KG Berlin, Urteil vom 21.1.2005 – 13 UF 146/04 –,  FamRZ 2005, 1759) Diese Wertung ist auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Die Beigeladenen haben gegenüber dem Amtsgericht Lebach schon im Dezember 2003 eine Vielzahl von Einwendungen gegen die – wohlgemerkt im Ansatz doppelt erforderliche – Umschreibung des Vergleichs erhoben und eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bereits ausdrücklich angekündigt. (vgl. den Schriftsatz vom 17.12.2003 – 3 C 659/82 – an das AG Lebach, Blatt 117 der Gerichtsakte) Dabei wurden neben der Rechtsnachfolge, und zwar für beide Anwesen, auch die materielle Berechtigung der Kläger aus dem Vergleich beziehungsweise aus § 1004 BGB in Abrede gestellt und den Klägern insoweit die Einleitung eines erneuten Erkenntnisverfahrens angesonnen. Darüber hinaus haben die Beigeladenen einen Herausgabeanspruch bezogen auf den Titel eingewandt mit Blick auf den Umstand, dass der frühere Eigentümer ihres Grundstücks die im Vergleich gegenüber dem damaligen Eigentümer des klägerischen Anwesens übernommene Verpflichtung des Teilrückbaus der Tür erfüllt und dass dieser Zustand bis ins Jahr 2002 Bestand hatte. In dieser Situation kann es kaum verwundern, dass das Amtsgericht in Lebach bisher – unstreitig – den Titel nicht umgeschrieben hat. Nicht ganz widerspruchsfrei erscheint es allerdings, wenn sich die Beigeladenen in dem Zusammenhang die Auffassung des Beklagten zu eigen machen, wonach den Klägern ein einfacherer zivilrechtlicher Weg offenstehe, um ihre Rechte durchzusetzen.

Vor dem Hintergrund kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass den Klägern aufgrund des 1983 vor dem Amtsgericht geschlossenen Vergleichs eine „einfachere“ und „sichere“ Möglichkeit offenstünde, um im Ergebnis zu ihrem Recht zu kommen. Die Kläger sind daher im konkreten Fall nicht verpflichtet, die absehbar notwendigen weiteren streitigen zivilgerichtlichen Erkenntnisverfahren mit derzeit zumindest ungewissem Ausgang durchzuführen, bevor ihnen eine Befugnis zuerkannt werden kann, im Verwaltungsrechtsweg die ihnen aus öffentlichem Recht, hier der Landesbauordnung, zustehenden materiellen Abwehrrechte und Ansprüche gegenüber dem vom Landesgesetzgeber mit der „Überwachung“ der Einhaltung dieser Vorschriften – unabhängig von Fragen des Bauverfahrensrechts – betrauten Beklagten (§§ 57 Abs. 2, 60 Abs. 2 LBO 2004) geltend zu machen.

3. Insgesamt war daher der Berufung stattzugeben und der Beklagte unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Erlass der von den Klägern geforderten Beseitigungsanordnung hinsichtlich des Anbaus in seiner durch die Beigeladenen (erneut) hergestellten Form mit bis auf die gemeinsame Grenze reichendem begehbarem Flachdach, und auch zur im Fall der Nichtbefolgung erforderlichen Durchsetzung einer solchen Verfügung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs (§§ 13 ff. SVwVG) zu verpflichten. Bei letzterem handelt es sich lediglich um eine „Klarstellung“ des Umstands, dass sich der Einschreitensanspruch der Kläger in der Sache auf eine Ausräumung der Nachbarrechtsverletzung richtet und daher erforderlichenfalls auch die Durchsetzung diesem Ziel dienender Anordnungen durch den Beklagten umfasst.

4. Zur Klarstellung ist anzumerken, dass die Beigeladenen jedenfalls im Rechtsverhältnis zu den Klägern im Falle des Erlasses beziehungsweise gegenüber der Durchsetzung der Beseitigungsanordnung (§§ 82 Abs. 1 LBO 2004, 13 ff. SVwVG) für den Anbau berechtigt sind, als – in der vollstreckungsrechtlichen Terminologie – geeignetes Austauschmittel zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes den Rückbau entsprechend den Vorgaben des Vergleichs aus dem Jahre 1983 durchzuführen. Dass die Kläger mit dieser Maßnahme ihre Nachbarrechte als gewahrt ansehen, haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.6.2010 noch einmal ausdrücklich zu Protokoll erklärt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Die Beigeladenen, die nur in zweiter Instanz Anträge gestellt haben, waren insoweit nach Maßgabe des § 154 Abs. 3 VwGO hälftig an den Kosten des Berufungsverfahrens zu beteiligen. Für einen Ausspruch nach § 162 Abs. 3 VwGO zu ihren Gunsten bestand mit Blick auf den Prozessausgang insgesamt keine Veranlassung.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG, ebenso bereits die vorläufige Festsetzung im Beschluss vom 7.11.2008 – 2 A 406/07 –).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten Landes. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder Landesrecht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in Deutschland einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des Polizeipräsidiums ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

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1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Das Bundesarbeitsgericht hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche Mindesturlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BAGE 134, 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom Bundesarbeitsgericht herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

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2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: RL 2003/88/EG) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

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Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

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a) Es ist in der Rechtsprechung des EuGH seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der EuGH mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen (EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen ist und nicht etwa Streitkräfte, Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buchholz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

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b) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 Beamtenstatusgesetz, § 30 Nr. 4 BBG) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu entnehmen, dass der EuGH der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach deutschem Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

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c) Entgegen der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts hindert Art. 15 RL 2003/88/EG die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deutschen Beamten nicht.

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Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der EuGH hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie RL 93/104/EG entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten Mindestvorschriften zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 - Rs. C-14/04, Dellas - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

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Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den Einzelvergleich, nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewährleisteten Mindeststandard hinausgehen. Das ist aber bei deutschen Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in Deutschland kommt es deshalb nicht an.

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Bestätigt wird dies durch das Urteil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der EuGH hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts ausführlich dargestellt hatte.

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d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser Zeit den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden (Mindest)Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

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e) Der Umfang des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der EuGH hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG unionsrechtlich gewährleisten Mindesturlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erfasst.

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Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Charakter dieser Ansprüche als Mindeststandard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der RL 2003/88/EG hat diese Richtlinie den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

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f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über einen zu langen Zeitraum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs ausgeschlossen.

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Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. Hinreichend lang ist nach der Rechtsprechung des EuGH ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten (EuGH, Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der EuGH gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

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Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ein Verfall des Urlaubsanspruches 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der EuGH leitet aus dem Umstand, dass die RL 2003/88/EG nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

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g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

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h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

25

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist angesichts der Rechtsprechung des EuGH unerheblich, dass die Besoldung Alimentationscharakter hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

26

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte Mindestjahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011 - Rs. C-155/10, Williams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

27

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

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j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

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Der EuGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH, Urteile vom 17. November 1998 - Rs. C-228/96, Aprile - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spencer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, jeweils m.w.N.). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts anderes.

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k) Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

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Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-397/01, Pfeiffer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Januar 2012 - Rs. C-282/10, Dominguez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.O. Rn. 19).

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Diese Voraussetzungen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des EuGH räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

33

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

34

Für das Jahr 2007 standen dem Kläger bei einem Mindesturlaubsanspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und einer 5-Tage-Woche 20 Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung RP genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung (UrlVO RP) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage Mindesturlaub zu.

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Für das Jahr 2008 standen dem Kläger 20 Mindesturlaubstage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche Mindesturlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 UrlVO RP, wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der Urlaubsberechnung verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 UrlVO RP), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

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Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

37

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 BeamtVG, nicht in Betracht kommt.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.