Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 12. Dez. 2014 - 1 LA 57/14

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2014:1212.1LA57.14.0A
12.12.2014

Tenor

Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer, Einzelrichter - vom 16.06.2014 wird abgelehnt.

Die Beigeladene trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 15.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beigeladene wendet sich gegen die Verpflichtung zur Beseitigung einer Außentreppenanlage.

2

Die Außentreppenanlage war der Beigeladenen im Zusammenhang mit der Errichtung einer Dachterrasse im vereinfachten Verfahren genehmigt worden. Die nach erfolglosem Widerspruch gegen diese Genehmigung erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, die Beklagte aber antragsgemäß verpflichtet, im Wege einer Beseitigungsanordnung gegen die Außentreppe einzuschreiten. Die innerhalb der relevanten Abstandsfläche errichtete Treppenanlage sei weder nach § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBO SH noch nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO SH zulässig. Sie sei weder ein Bauteil von untergeordneter Bedeutung noch ein „Vorbau", der dem Bauwerk funktional untergeordnet sei. Das im Rahmen des § 59 Abs. 2 LBO SH obwaltende Ermessen zum Erlass einer Beseitigungsverfügung sei auf Null reduziert.

3

Ihren Antrag auf Zulassung der Berufung begründet die Beigeladene mit ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten und einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

II.

4

Der fristgerecht gestellte und begründete Antrag auf Zulassung der Berufung betrifft Ziff. 1 Satz 1 des Tenors des erstinstanzlichen Urteils, also die Verpflichtung der Beklagten, gegenüber der Beigeladenen die Beseitigung der Außentreppenanlage anzuordnen.

5

Der Zulassungsantrag ist unbegründet. Die Beigeladene kann die Berufungszulassung nicht beanspruchen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 - 3 VwGO nicht vorliegen.

6

1. Die dargelegten Gründe lösen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des ernstlichen Urteils aus.

7

1.1 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die an der östlichen Außenwand des Gebäudes der Beigeladenen errichtete Treppenanlage in der nach § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 LBO SH frei zu haltenden Abstandsfläche unzulässig ist. Die Außentreppe kann bei der Bemessung der Abstandsfläche nicht außer Betracht bleiben (1.1.1); sie ist - entgegen der Ansicht der Beigeladenen - weder ein „Bauteil" i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBO SH (1.1.2) noch ein „Vorbau" i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO SH (1.1.3).

8

1.1.1 Den nach § 6 Abs. 6 LBO SH bei der Abstandsflächenbemessung „außer Betracht" bleibenden Fällen ist gemeinsam, dass die durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange einer ausreichenden Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie der Wahrung von „Privatheit" und Wohnfrieden allenfalls geringfügig beeinträchtigt werden. Das ist bei optisch nicht wesentlich in den Vordergrund tretenden und die Kubatur des Gebäudes nicht verändernden oder verfremdenden unselbständigen Bauteilen oder Vorbauten der Fall, wobei Bezugspunkt der Beurteilung deren Relation zur jeweiligen Außenwand bzw. deren Länge ist. Die Unselbständigkeit zeigt sich auch darin, dass sie dem „Hauptbaukörper" funktional dienen.

9

Im Umkehrschluss kann § 6 Abs. 6 LBO SH nicht (mehr) auf Bauteile angewandt werden, denen eine eigene (neue) Funktion zukommt, die der „Hauptbaukörper" (bisher) nicht hatte oder deren Zweck darin besteht, die Wohn- oder Nutzfläche des „Hauptbaukörpers" zu erweitern oder Wohn- und Nutzflächen außerhalb der Außenwände des Gebäudes zu erschließen. In diesen Fällen stehen die o. g. Schutzgüter des Abstandsflächenrechts nach dem - erkennbaren - Willen des Gesetzgebers einer Inanspruchnahme der Abstandsfläche entgegen.

10

Die von der Beigeladenen errichtete Außentreppe dient der Erschließung der - neu angelegten - Dachterrasse(n) und fügt dem (bisherigen) „Hauptbaukörper“ somit eine neue Funktion zu. Die Außentreppe tritt gegenüber der Außenwand, an der sie montiert ist, bedingt durch ihren Standort, ihre Maße und das Baumaterial optisch deutlich hervor.

11

1.1.2 Entgegen der Ansicht der Beigeladenen ist die Außentreppe nicht als ein vor die Außenwand vortretender „Bauteil“ i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBO SH anzusehen.

12

Die im Gesetzestext für ein „Bauteil“ genannten Beispiele („Gesimse“, „Dachüberstände“) belegen, dass der Gesetzgeber insoweit nicht eigenständig benutzbare Teile bzw. Teilbereiche der Außenwand oder des Gebäudes, sondern funktional und baulich untergeordnete Elemente ansprechen wollte (vgl. Domning u. a., Bauordnungsrecht Schleswig-Holstein, Komm., Stand Aug. 2010, § 6 Rn. 76; vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 04.12.2013, 3 L 143/10, NordÖR 2014, 198 [Ls.]). Die in § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBO SH genannten Maßvorgaben begrenzen die bauliche Unterordnung; das Verwaltungsgericht hat - unabhängig davon - eine bauliche Unterordnung verneint, weil die Außentreppe „in ihrer konkreten Ausführung optisch erheblich ins Gewicht fällt“ (Urt.-Abdr., S. 16). Das ist in Anbetracht der bei den Akten befindlichen Fotoaufnahmen schwerlich zu bestreiten. Unabhängig davon fehlt es auch an einer funktionalen Unterordnung der Außentreppe, weil sie die (nachträglich angelegte) Dachterrasse(n) erschließt.

13

Der Ansicht der Beigeladenen, eine funktionale oder bauliche Unterordnung des „Bauteils“ i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBO SH sei rechtlich nicht erforderlich, ist nicht zu folgen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich das Gegenteil (s. o. 1.1.1); weder aus der Entstehungsgeschichte der Norm noch aus der sog. „Musterbauordnung“ oder aus einem Vergleich zu den Bauordnungen anderer Bundesländer lässt sich etwas für die Ansicht der Beigeladenen gewinnen. Der Regelung in § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBO SH vorausgegangen ist § 6 Abs. 7 LBO SH in der Fassung vom 10.01.2000; für diese Vorschrift war - ebenfalls - anerkannt, dass sie nur für untergeordnete Bauteile gilt (vgl. Witt, in: Arndt u. a.; Handkomm. LBO SH, 2001, § 6 Rn. 94, 95; Möller/Suttkus, LBO SH 2000 Kurzkommentierung, 2000, zu § 6, S. 40). Aus der sog. „Musterbauordnung“ (dort: § 6 Abs. 6), die die Novellierung der Landesbauordnung Schleswig-Holstein vom 22.01.2009 beeinflusst hat (vgl. Niere, NordÖR 2009, 273 ff.), ergibt sich nichts anderes. Das Bauordnungsrecht anderer Bundesländer ist für die Auslegung des Landesrechts Schleswig-Holstein nicht heranzuziehen; unabhängig davon gelten - auch - dort dem § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBO SH vergleichbare Regelungen für baulich und funktional untergeordnete Bauteile (zu Niedersachsen: vgl. Breyer, in: Große-Suchsdorf, NBauO, 2013, § 5 Rn. 107). Einer „gesetzesrechtlichen“ Verankerung des Erfordernisses der baulichen und funktionalen Unterordnung bedurfte es entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht; das Erfordernis war und ist aus dem Wortlaut des Gesetzes ohne Weiteres abzuleiten.

14

1.1.3 Ob die Außentreppe der Maßvorgabe nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 a LBO SH entsprechend weniger als ein Drittel der Wandlänge in Anspruch nimmt (s. S. 17/18 des erstinstanzl. Urt.-Abdr.), kann dahinstehen. Sie ist entgegen der Ansicht der Beigeladenen nicht als ein „Vorbau“ i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO SH einzuordnen. Als solcher wäre nur ein Bauteil anzusehen, das - in begrenztem Umfang - aus funktionalen oder gestalterischen Gründen aus der Außenwand hervorspringt. Davon zu unterscheiden ist ein Bauwerk, das dazu dient, weitere Wohn- oder Nutzflächen zu erschließen. Dafür steht die abstandsflächenrechtliche Privilegierung nicht zur Verfügung (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 29.11.1985, 7 B 2402/85, BRS 44 Nr. 101 [S. 246]).

15

Es kommt hinzu, dass - entgegen der Ansicht der Beigeladenen - auch für einen „Vorbau“ i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO SH das Erfordernis der baulichen und funktionalen Unterordnung gilt; die abstandsflächenrechtliche Privilegierung erfordert, dass das Erscheinungsbild der Außenwand weiterhin dominiert (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 09.07.2014, 8 S 827/14, DöV 2014, 849 [Ls.]). Soweit die Beigeladene meint, das Erfordernis einer Unterordnung im genannten Sinne bestehe nicht (mehr), findet dies in der Kommentierung zu § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO SH (vgl. Domning u. a., a.a.O., § 6 Rn. 80 f.; Möller/Suttkus, LBO SH 2009, Erl. § 6 LBO SH [S. 149]) keine Bestätigung. Aus den Maßgrenzen für Vorbauten, dem Regelungszusammenhang und dem Sinn und Zweck der Regelungen in § 6 Abs. 6 LBO SH ist vielmehr zu entnehmen, dass nur solche "Vorbauten" abstandsflächenrechtlich privilegiert sein sollen, die sich sowohl quantitativ, also ihrem baulichen Umfang nach, als auch funktional der jeweils betroffenen Außenwand deutlich unterordnen. Nur bei einer solchen Unterordnung bleibt der der Abstandsregelung zugedachte Schutzzweck (s. o. 1.1.1) gewahrt und eine (dann) geringfügige Minderung des Wohnfriedens ggf. gerechtfertigt (vgl. OVG Berlin, Urt. v. 22.05.1992, 2 B 22.90, NVwZ 1993, 593 [bei Juris Rn. 28] sowie Beschl. v. 25.03.1993, 2 S 4.93, Juris; OVG Koblenz, Beschl. v. 21.05.1996, 8 B 11166/96, NVwZ-RR 1997, 668/669). Von einer funktionalen Unterordnung kann - insbesondere - dann keine Rede mehr sein, wenn die Außentreppe - wie hier - dazu dient, eine Nutzung der Dachterrasse(n) überhaupt erst zu ermöglichen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 17.01.2008, 7 A 2761/06, Juris [Rn. 31 f.]).

16

1.2 Die im erstinstanzlichen Urteil zu „Lasten" der Beigeladenen angenommene Reduzierung des Einschreitensermessens der Beklagten auf Null ist keinen Richtigkeitszweifeln ausgesetzt.

17

Bei einer materiellen und zugleich nachbarrechtsrelevanten Unzulässigkeit der Treppenanlage der Beigeladenen haben die klagenden Nachbarn einen Rechtsanspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zum Einschreiten der beklagten Bauaufsichtsbehörde (BVerwG, Urt. v. 18.08.1960, I C 42.59, BVerwGE 11, 95 ff.). Aus bundesrechtlicher Sicht führen allerdings Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften allein nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null; maßgeblich ist insoweit das Landesrecht (BVerwG, Beschl. v. 24.05.1988, 4 B 93.88, NVwZ 1988, 824).

18

1.2.1 Das nach § 59 Abs. 2 Nr. 3 LBO SH obwaltende Ermessen der Beklagten bleibt unbeeinflusst von der im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilten Baugenehmigung für die Außentreppe. Da in diesem Verfahren nur bauplanungsrechtliche Vorschriften geprüft werden (§ 69 Abs. 1 LBO SH), kann die Bauaufsichtsbehörde gegen bauordnungsrechtliche Verstöße vorgehen, ohne die erteilte Baugenehmigung zuvor aufheben zu müssen.

19

Ob infolge der - im vereinfachten Genehmigungsverfahren entfallenen - präventiven Kontrolle von Bauordnungsverstößen ggf. eine verschärfte Einschreitenspflicht - mit entsprechend geringeren Anforderungen an eine Ermessensreduzierung - gilt (so VGH Mannheim, Beschl. v. 26.10.1994, 8 S 2763/94, NVwZ-RR 1995, 490/491 sowie VGH Kassel, Urt. v. 25.11.1999, 4 UE 2222/92, BauR 2000, 873/877 [bei Juris Rn. 77] oder ob die Bauaufsichtsbehörde den betroffenen Nachbarn wegen der - gesetzgeberisch gewollten - Entlastungswirkung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens bei bauordnungsrechtlichen Verstößen bei nur geringfügiger Beeinträchtigung auf zivilrechtliche Ansprüche gegen den Bauherrn „verweisen" darf (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 22.10.2008, 1 ME 134/08, BauR 2009, 639 [bei Juris Rn. 15] sowie Beschl. v. 28.03.2014, 1 LA 216/12, NordÖR 2014, 390; kritisch: Mehde/Hansen, NVwZ 2010, 14/16 sowie Mampel, UPR 1997, 267 f.), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da - auch - nach der für die Beigeladenen „günstigeren" (zweiten) Auffassung der hier gegebene Verstoß gegen § 6 Abs. 6 LBO SH mehr als lediglich geringfügig ist und eine Ermessensreduzierung begründet (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 13.12.1991, 3 S 2358/91, VBlBW 1992, 148). Im erstinstanzlichen Urteil (S. 21) werden die für die betroffenen Kläger unzumutbaren Auswirkungen der rechtswidrig in der Abstandsfläche errichteten Außentreppe - nachvollziehbar - benannt: Die Treppenanlage liegt im direkten „Blickfeld“ von wichtigen Aufenthaltsräumen des Wohnhauses der Kläger und entfaltet aufgrund ihrer Abmessung und Bauausführung auch im Außenwohnbereich eine - durch die bei den Akten befindlichen Fotos eindrucksvoll dokumentierte - spürbare Wirkung. Diese kann in Anbetracht der dichten Bebauungsstruktur im Gebiet an der Straße „Reling“ nicht als lediglich „geringfügig“ angesehen werden.

20

1.2.2 Soweit die Beigeladene die Ansicht vertritt, eine Einschreitenspflicht der Beklagten könne erst bei „unmittelbaren, auf andere Weise nicht zu beseitigenden Gefahren für hochrangige Rechtsgüter, wie Leben oder Gesundheit“ oder zur Abwehr „sonst unzumutbarer Belästigungen“ in Betracht, ist dem nicht zu folgen. Die Ermessensentscheidung hat sich an der betroffenen Nachbarrechtsverletzung zu orientieren. Auch die in der Begründung des Zulassungsantrags der Beigeladenen angegebenen Entscheidungen stellen darauf ab, welche Auswirkungen der Verstoß gegen die nachbarschützenden Vorschriften hat (OVG Lüneburg, Beschl. v. 06.03.2003, 1 LA 197/02, NordÖR 2003, 202); bei unzumutbaren Beeinträchtigungen ist die Behörde „in aller Regel zum Einschreiten gegen illegale bauliche Anlagen oder Nutzungen verpflichtet, es sei denn, es stünden ihr sachliche Gründe für eine Untätigkeit zur Seite“ (VGH Mannheim, Beschl. v. 13.12.1991, 3 S 2358/91, VBlBW 1992, 148).

21

Bei nachbarschützenden Vorschriften wird - allerdings - die Frage, inwieweit die Einschreitenspflicht der Behörde vom Gewicht eines Baurechtsverstoßes abhängt, unterschiedlich beantwortet (vgl. Otto, ZfBR 2012, 15/16 m. w. N.). Während - z. T. - vertreten wird, dass die Verletzung eines Nachbarrechts nicht nur notwendige, sondern auch zureichende Voraussetzung für einen Einschreitensanspruch des Nachbarn ist (VGH Kassel, Urt. v. 26.05.2008, 4 UE 1626/06, BauR 2009, 1126 [bei Juris Rn. 24], OVG Münster, Urt. v. 15.04.2005, 7 A 19/03, BRS 69 Nr. 135, Urt. v. 22.01.1996, 10 A 1464/92, BRS 58 Nr. 115 sowie Urt. v. 19.05.1983, 11 A 1128/82, BRS 40 Nr. 122; OVG Saarlouis, Urt. v. 23.04.2002, 2 R 7/01, BRS 65 Nr. 118 sowie Urt. v. 17.06.2010, 2 A 425/08, Juris), fordern andere einen „erheblich ins Gewicht fallenden“ Nachbarrechtsverstoß bzw. eine spürbare Beeinträchtigung des Nachbarn (VGH München, Beschl. v. 02.03.2006, 15 ZB 05.2726, Juris und Beschl. vom 16.11.2005, 14 ZB 05.2018, Juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.03.2003 [a.a.O.] und Urt. v. 29.10.1993, 6 L 3295/91, BRS 55 Nr. 196; OVG Magdeburg, Beschl. v. 10.10.2006, 2 L 680/04, Juris).

22

Vorliegend ist ein gewichtiger und für die Nachbarn spürbarer Nachbarrechtsverstoß gegeben. Auf oben 1.2.1 wird verwiesen.

23

Die Beigeladenen beschränken sich in ihrer Antragsbegründung (S. 8) darauf, der Außentreppe eine störende Wirkung bzw. „hoch intensive" Störung abzusprechen. Damit wird der für die Ermessensreduzierung anzulegende Maßstab verkannt, denn die tatbestandliche Verletzung der Abstandsvorschriften in § 6 Abs. 6 LBO SH indiziert die Beeinträchtigung der Nachbarn in Belangen, deren Schutz die Abstandsvorschriften dienen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Beeinträchtigung allein „ideell" (ästhetisch) oder optisch wirke, denn die Kläger haben - nachvollziehbar - auf die den Wohnfrieden beeinträchtigende Wirkung der - direkt gegenüber ihrem Esszimmer montierten - Außentreppe verwiesen. Die Nutzung der Treppe eröffnet bisher nicht vorhandene Einsichtsmöglichkeiten auf das Nachbargrundstück. Auch diese - von § 6 Abs. 6 LBO SH geschützten - Wirkungen sind nicht (mehr) als geringfügig anzusehen.

24

1.2.3 Für eine Einschreitenspflicht der Beklagten spricht - darüber hinaus - auch der aus den Akten abzulesende Ablauf des Genehmigungsverfahrens. Zwar hatte die Beklagte im vereinfachten Verfahren gem. § 69 Abs. 1 LBO SH das Abstandsflächenrecht nicht zu prüfen (s. S. 10 des erstinstanzl. Urt.-Abdr.). Aus dem Schreiben der Kläger vom 23.11.2012 (Beiakte A, Bl. 21 ff.) ergibt sich aber, dass sie schon frühzeitig vor Genehmigungserteilung gegenüber der Beklagten auf ihre Bedenken hingewiesen hatten. Der Beigeladenen waren diese Einwände (schon 2010) bekannt. Sie ist nicht davor geschützt, dass die Bauaufsichtsbehörde zugleich mit oder nach „vereinfachter" Erteilung einer Baugenehmigung die Einhaltung der an sich eigenverantwortlich zu beachtenden Vorschriften überwacht und - insbesondere - bei Verstößen gegen das Abstandsflächenrecht repressiv tätig wird (vgl. OVG Saarlouis, Beschl. v. 08.12.2010, 2 B 308/10, Juris). Den Klägern kann vorliegend nicht vorgehalten werden, dass sie die Baumaßnahme der Beigeladenen untätig haben „geschehen lassen"; sie haben - im Gegenteil - frühzeitig und unmissverständlich auf ihre nachbarlichen Rechte hingewiesen. Wenn die Beigeladene ungeachtet dessen gebaut hat, ist dies auf eigenes Risiko geschehen; dem Einschreitensanspruch der Kläger steht die bauliche Realisierung nicht entgegen.

25

1.3 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Verpflichtungsurteils (Ziff. 1 Satz 1 des Tenors) sind nach alledem nicht gegeben.

26

2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache liegen nicht vor.

27

2.1 Die Frage, ob sich die Außentreppe der Außenwand des Gebäudes der

28

Beigeladenen baulich und funktional unterordnet und welchen Umfang die beeinträchtigende Wirkung der Treppenanlage hat, lässt sich anhand der im erstinstanzlichen Urteilstatbestand abgedruckten Zeichnungen, der - weiteren - bei den (Bei-)Akten befindlichen Zeichnungen sowie der Fotoaufnahmen, die die Kläger im Verwaltungsverfahren eingereicht haben bzw. die das Verwaltungsgericht im Ortstermin am 16.06.2014 gefertigt hat, ausreichend beurteilen. Besondere tatsächliche Schwierigkeiten bestehen insoweit nicht.

29

2.2 Besondere rechtliche Schwierigkeiten sind mit der Auslegung und Anwendung der in § 6 Abs. 6 Nr. 1 bzw. Nr. 2 LBO SH geregelten Fälle („Bauteile“, „Vorbauten“) nicht verbunden. Das Erfordernis einer baulichen und funktionalen Unterordnung von „Bauteilen“ bzw. „Vorbauten“ ergibt sich ohne Weiteres aus § 6 Abs. 6 Nr. 1 bzw. Nr. 2 LBO SH sowie aus dem systematischen Zusammenhang, in dem die Regelung steht. Bezugspunkt der Unterordnung ist - aus dem Gesetzestext ersichtlich - die jeweilige Außenwand bzw. Wandlänge, also nicht das gesamte Gebäude. Auf die Ausführungen zu oben 1.1.1 bis 1.1.3 wird verwiesen.

30

3. Die Frage, ob die „abstandsflächenrechtliche Privilegierung einer baulichen Anlage als ,vortretendes Bauteil‘ i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBO SH bzw. als ,Vorbau“ i. S. d. § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBO SH deren bauliche und/oder funktionale Unterordnung voraussetzt“, wirft keinen grundsatzbedeutsamen Klärungsbedarf auf. Insoweit gelten die o. a. Gründe zu 2.2 entsprechend. Ob ein „Bauteil“ bzw. ein „Vorbau“ baulich und/oder funktional der Außenwand bzw. der Länge der Außenwand untergeordnet ist, ist im Einzelfall anhand der tatsächlichen Gegebenheiten und ihrer Würdigung zu entscheiden.

31

4. Andere Zulassungsgründe sind nicht dargelegt. Der Zulassungsantrag ist damit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist damit rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

32

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 12. Dez. 2014 - 1 LA 57/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 12. Dez. 2014 - 1 LA 57/14

Referenzen - Gesetze

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 12. Dez. 2014 - 1 LA 57/14 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Auslandsunterhaltsgesetz - AUG 2011 | § 6 Unterstützung durch das Jugendamt


Wird die zentrale Behörde tätig, um Unterhaltsansprüche Minderjähriger und junger Volljähriger, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, geltend zu machen und durchzusetzen, kann sie das Jugendamt um Unterstützung ersuchen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 12. Dez. 2014 - 1 LA 57/14 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 12. Dez. 2014 - 1 LA 57/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 09. Juli 2014 - 8 S 827/14

bei uns veröffentlicht am 09.07.2014

Tenor Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. März 2014 - 2 K 3527/13 - wird zurückgewiesen.Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen K

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 04. Dez. 2013 - 3 L 143/10

bei uns veröffentlicht am 04.12.2013

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23.06.2010 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 18.12.2007 und seines Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 verpflichtet, üb

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 08. Dez. 2010 - 2 B 308/10

bei uns veröffentlicht am 08.12.2010

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6.10.2010 – 5 L 915/10 – wird zurückgewiesen.Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin. Außergerichtliche Kosten der Beigelad

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil, 17. Juni 2010 - 2 A 425/08

bei uns veröffentlicht am 17.06.2010

Tenor Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11.7.2007 – 5 K 71/06 – abgeändert und der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangene
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 12. Dez. 2014 - 1 LA 57/14.

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 06. Jan. 2015 - 1 LA 60/14

bei uns veröffentlicht am 06.01.2015

Tenor Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichterin - vom 30.09.2014 wird abgelehnt. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Die außergerich

Referenzen

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Wird die zentrale Behörde tätig, um Unterhaltsansprüche Minderjähriger und junger Volljähriger, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, geltend zu machen und durchzusetzen, kann sie das Jugendamt um Unterstützung ersuchen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23.06.2010 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 18.12.2007 und seines Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung einschließlich der beantragten Abweichung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Änderung eines in 3 m Entfernung von der Grundstücksgrenze errichteten Gebäudes.

2

Das Gebäude befindet sich auf den Flurstücken ... und ... der Flur y, Gemarkung A-Stadt. Es ist in einem Abstand von 3 m zur gemeinsamen Grenze mit dem Nachbargrundstück der Beigeladenen (Flurstück ... der Flur y, Gemarkung A-Stadt) errichtet. Das Gebäude hat eine Grundfläche von 7,80 m x 7,50 m. Im Erdgeschoss befinden sich eine Garage, ein Flur, ein Hobbyraum, ein Hauswirtschaftsraum sowie ein Raum mit WC und Dusche. Nachdem die dem Kläger bereits erteilte Baugenehmigung vom 11.06.2007 ein eingeschossiges Gebäude mit Flachdach vorgesehen hatte, begehrt der Kläger nunmehr die Änderung der Genehmigung für ein - so auch bereits errichtetes - eineinhalbgeschossiges Gebäude mit Satteldach. Im Obergeschoss ist ein Lagerraum vorgesehen, der nur in dem etwa 1,80 m breiten mittleren Bereich eine Höhe von 2,30 m erreicht. Der Zugang zu diesem Lagerraum ist über eine Außentreppe mit Podest auf der dem Grundstück des Beigeladenen zugewandten Südostseite des Gebäudes geplant. Dieser Gebäudeteil mit einer Breite von 4,80 m und einer Tiefe von 1 m soll nördlich angeordnet werden und auf eine Entfernung von 2 m an die gemeinsame Grundstücksgrenze heranrücken. Das Dach weist über die gesamte Breite der Südostseite einen Überstand von 1 m auf.

3

Am 21.08.2007 beantragte der Kläger beim Beklagten die Genehmigung dieser Änderung im vereinfachten Verfahren nach § 63 LBauO M-V. Die Gemeinde erteilte hierzu das Einvernehmen. Mit Schreiben vom 12.10.2007 forderte der Beklagte den Kläger auf, für eine Fläche von 7,50 m x 1 m eine Abstandflächenbaulast nachzuweisen, da in diesem Umfang die Abstandfläche auf das Nachbargrundstück falle. Mit der unter dem 14.11.2007 erfolgten Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung verlängerte der Beklagte die Frist zur Entscheidung über den Bauantrag gemäß § 63 Abs. 2 LBauO M-V um einen Monat.

4

Mit Bescheid vom 18.12.2007 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung mit der Begründung ab, es fehle an einem Sachbescheidungsinteresse, weil die Treppe abstandflächenrechtlich unzulässig sei. Es handele sich nicht um ein gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V begünstigtes Bauteil, weil die Treppe nicht - wie die beispielhaft aufgezählten Gesimse und Dachüberstände - ausschließlich gestalterische Zwecke verfolge, sondern für die Benutzung, nämlich für den Zugang ins Dachgeschoss notwendig sei. Die Treppe sei eine Anlage, von der - wie sich aus ihrer Ausdehnung von fast 5 m Länge und mehr als 3 m Höhe ergebe, wobei für letztere auch das Geländer zu berücksichtigen sei - Wirkungen wie von Gebäuden ausgingen. Die mögliche Einsichtnahme auf das Nachbargrundstück vom Podest der Außentreppe störe den nachbarlichen Frieden.

5

Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2008 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Im Falle einer Genehmigung des Vorhabens wäre auf Grund der Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen (Bauordnungs-)Rechts eine Nutzungsuntersagung für die in Rede stehende Außentreppe zu verfügen. In Abwägung des Interesses des Klägers am Erhalt der beantragten Baugenehmigung mit dem öffentlichen Interesse an der Unterbindung baurechtswidriger Zustände überwiege das öffentliche Interesse. Die Pflicht der unteren Bauaufsichtsbehörde darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten würden, ergebe sich aus § 58 Abs. 1 LBauO M-V.

6

Der Kläger reichte am 02.11.2010 erneut einen "Nachtrag zur Baugenehmigung" ein, der sich von dem ursprünglichen Änderungsantrag dadurch unterschied, dass die geplante Außentreppe südlich (statt nördlich) angeordnet werden sollte. Aus den selben Gründen, aus denen bereits die ursprünglich beantragte Änderungsgenehmigung versagt worden war, lehnte die Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung mit Bescheid vom 25.01.2011 ab und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2011 zurück.

7

Bereits am 16.05.2008 hatte der Kläger wegen des ursprünglichen Änderungsvorhabens (mit nördlich angeordneter Außentreppe) Klage erhoben und geltend gemacht: Die Außentreppe habe nach § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V als Bauteil bei der Bemessung der Abstandflächen unberücksichtigt zu bleiben. Die Entscheidung, einen Antrag wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses abzulehnen, stelle eine Ermessensentscheidung dar. Die ablehnende Entscheidung vom 18.12.2007 enthalte jedoch keine Ermessenserwägungen. Auch die Erwägungen im Widerspruchsbescheid reichten nicht aus. U.a. werde die Möglichkeit einer Abweichung nach § 67 LBauO M-V nicht berücksichtigt. Die Treppe trete auf Grund ihrer Abmessungen, ihrer Baumasse und ihrer "transparenten" offenen Ausführungsart nur relativ geringfügig in Erscheinung und beeinträchtige die Schutzfunktion der Abstandflächen nicht mehr als ein nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V zulässiger Balkon.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18.12.2007 und des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

10

Der Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Er hat vorgetragen: Die Außentreppe sei kein untergeordnetes Bauteil im Sinne des § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V, sondern ein wesentliches, weil für die Erschließung des Dachgeschosses notwendiges Bauteil. Es handele sich um eine Anlage, von der Wirkungen wie von Gebäuden ausgingen. Da ein Abweichungsantrag nicht gestellt worden sei, habe ein solcher auch nicht Gegenstand von Ermessenserwägungen sein können.

13

Der Beigeladene zu 1. hat keinen Antrag gestellt. Die Beigeladenen zu 2. und 3. waren im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht beteiligt.

14

Das Verwaltungsgericht Greifswald hat die Klage mit Urteil vom 23.06.2010 abgewiesen und ausgeführt: Eine Baugenehmigungsfiktion dürfte nicht eingetreten sein, weil der Beklagte die Frist zur Entscheidung über den Bauantrag habe verlängern können und auch verlängert habe. Die Frage, ob dem Kläger wegen Eintritts einer Baugenehmigungsfiktion bereits das Rechtsschutzinteresse fehle, könne aber letztlich offen bleiben. Jedenfalls habe der Beklagte die beantragte Baugenehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagen dürfen. Es liege ein offensichtlicher Verstoß gegen Vorschriften des Abstandflächenrechts vor. Bei der Außentreppe handele es sich nicht um ein Bauteil bzw. einen Vorbau, der bei der Bemessung der Abstandfläche außer Betracht bleibe. Die grundsätzliche Möglichkeit, eine Abweichung zu beantragen, ändere nichts an der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens, weil nicht ersichtlich sei, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung nach dieser Vorschrift habe oder der Beklagte ihm eine Abweichung erteilen wolle, und weil der Kläger auch nicht den nach § 67 Abs. 2 LBauO M-V erforderlichen Antrag gestellt habe. Das ihm bei der Versagung einer Baugenehmigung mangels Sachbescheidungsinteresse zustehende Ermessen habe der Beklagte spätestens mit dem Widerspruchsbescheid fehlerfrei ausgeübt.

15

Gegen das am 29.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.07.2010 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag am Montag, den 30.08.2010 begründet. Der Senat hat mit Beschluss vom 08.02.2011, zugestellt am 17.02.2011, die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß § 63 LBauO M-V mangels Sachbescheidungsinteresses abgelehnt werden darf, weil dem Vorhaben in diesem Verfahren gerade nicht zu prüfende bauordnungsrechtliche Vorschriften entgegen stehen.

16

Der Kläger hat die Berufung am 17.03.2011 begründet. Er trägt vor: Es treffe zu, dass eine Baugenehmigungsfiktion nicht eingetreten sei. Die beantragte Baugenehmigung dürfe nicht wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagt werden. Das Abstandflächenrecht sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gerade nicht Prüfungsgegenstand. Der Fall, dass der Antragsteller an der Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert sei und das Hindernis sich schlechthin nicht ausräumen lasse, liege nicht vor. Die Baugenehmigung sei im Übrigen für den Bauherrn nicht etwa schon dann ersichtlich nutzlos, wenn die Behörde einen Verstoß gegen materielles Bauordnungsrecht feststelle, weil die Entscheidung über ein Einschreiten im Ermessen der Behörde stehe.

17

Der vom Verwaltungsgericht angenommene Verstoß gegen die Vorschriften des Abstandflächenrechts sei zweifelhaft. Dass ein Bauteil im Sinne des § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V "untergeordnet" sein müsse, sei weder in der Vorschrift ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal gefordert noch folge dies aus der beispielhaften Aufzählung von Bauteilen. So dienten Dachüberstände ganz überwiegend dem Schutz des Gebäudes vor Witterungseinflüssen und hätten damit eine ganz eigenständige Funktion, die dem Gebäude nicht stärker untergeordnet sei als eine Außentreppe zum Dachgeschoss. Im übrigen handele es sich bei der Treppe aber auch um ein untergeordnetes Bauteil, weil sie sich von ihrer Ausgestaltung und ihren Abmessungen auf das zur Erfüllung ihrer Funktion Erforderliche beschränke. Sie trete zudem auf Grund ihrer Abmessungen, ihrer Baumasse und ihrer "transparenten" offenen Ausführungsart nur relativ geringfügig in Erscheinung, so dass die Belange des Abstandflächenrechts allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Wohnfriedens betroffen sein könnten. Die eventuell von der Treppe aus ermöglichte Einsicht des Nachbargrundstücks führe hier aber zu keiner größeren oder lästigeren Beeinträchtigung als dies bei in die Außenwand eingelassenen Fenstern oder einem nach § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V abstandflächenrechtlich privilegierten Balkon der Fall wäre.

18

Im übrigen sei die geplante Außentreppe abstandflächenrechtlich auch dann, wenn man sie nicht als untergeordnetes Bauteil einstufen wolle, ohne Abweichung zulässig. Dies ergebe sich aus den Besonderheiten des Verlaufs der Grundstücksgrenze. Soweit die durch die Außentreppe etwa ausgelöste Abstandfläche mit einer Länge von 2,27 m und einer Tiefe von 1 m auf das Nachbargrundstück falle, liege dieser Bereich in einer "Ecke" des Nachbargrundstücks, die ohnehin nicht bzw. nur mit den ohne Abstandflächen zulässigen baulichen Anlagen bebaut werden dürfe, wobei die entsprechende Fläche sich auch nicht mit den für die potentielle Bebauung des Nachbargrundstücks notwendigen Abstandflächen überschneide.

19

Schließlich beschränke sich die Befugnis der Behörde zur Berücksichtigung nicht zu prüfender Gesichtspunkte auf eine Evidenzkontrolle. Im vorliegenden Fall erscheine aber die Legalisierung im Wege einer Abweichung mit gewisser Aussicht auf Erfolg möglich.

20

In der mündlichen Verhandlung am 04.12.2013 hat der Kläger zu Protokoll des Gerichts beantragt, eine Abweichung nach § 67 LBauO M-V für das streitgegenständliche Vorhaben sowie für das mit Antrag vom 02.11.2010 zur Genehmigung gestellte Vorhaben zu erteilen.

21

Der Kläger beantragt,

22

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23.06.2010 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 18.12.2007 und seines Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung sowie die beantragte Abweichung zu erteilen,

23

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die am 02.11.2010 beantragte Baugenehmigung sowie die beantragte Abweichung zu erteilen.

24

Der Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Er trägt vor: Bei der Außentreppe handele es sich nicht um ein für die Bemessung der Abstandflächen unbeachtliches Bauteil. Sie erfülle einen funktionalen Hauptzweck, ohne den das Dachgeschoss nicht nutzbar wäre. Dies sei für die Bauaufsichtsbehörde ohne umfassende Prüfung erkennbar gewesen. Da die Treppe nur einen Abstand von 2 m zur Grundstücksgrenze aufweise und der Nachbar eindeutig zu erkennen gegeben habe, dass er einer Übernahme der Abstandflächen auf sein Grundstück nicht zustimmen werde, sei es für die Bauaufsichtsbehörde evident, dass sich der bauordnungsrechtliche Hinderungsgrund schlechthin nicht ausräumen lasse. Es sei offensichtlich, dass von einer Baugenehmigung kein Gebrauch gemacht werden könnte. Wie der Abstandflächenverstoß im Wege einer Abweichung legalisiert werden könnte, sei nicht ersichtlich. Der Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts zwinge die Bauaufsichtsbehörde, gegen den ihr bekannten Rechtsverstoß umgehend einzuschreiten; ihr Ermessen tendiere gegen Null.

27

Die Beigeladenen zu 2. und 3. sind im Berufungsverfahren beigeladen worden. Sie stellen ebenso wie der Beigeladene zu 1. keine Anträge. Der Beigeladene zu 2. trägt vor: Er verwahre sich gegen den Bau der Außentreppe, da diese massive Auswirkungen auf die Nutzung seines Grundstücks hätte. Der Eingang seines Hauses liege genau an der Grundstücksgrenze und sei derzeit durch einen blickdichten Zaun vom Nachbargrundstück getrennt, über den der Kläger aber, sollte die Treppe genehmigt werden, ohne Schwierigkeiten hinwegblicken und genau in seinen Hauseingang hineinsehen könnte. Auch seine Terrasse liege unmittelbar neben der Haustür und könnte durch den Kläger ebenfalls uneingeschränkt eingesehen werden. Hinzu komme, dass bereits die jetzige Bebauung auf dem Grundstück des Klägers ihn beeinträchtige. Bei einem Blick aus der Haustür nach links sehe er nur noch auf Mauern. Sollte nun auch die Treppe gebaut werden dürfen, würde die bisherige fast schon bedrohlich wirkende Situation noch verschärft werden. Die Durchführung eines Ortstermins werde angeregt. Sollte der Klage stattgegeben werden, werde er wegen der Verletzung der Abstandflächen ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde beantragen.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29

Die Berufung hat mit dem Hauptantrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

30

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere, nachdem der Beschluss über die Zulassung der Berufung den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.02.2011 zugestellt worden war, mit dem am 17.03.2011 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage fristgerecht binnen eines Monats begründet worden, § 124a Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

31

Der Hauptantrag ist zulässig, auch soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz die Klage auf die Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts erweitert hat. Diese Erweiterung der Klage ist sachdienlich, § 91 Abs. 1 VwGO. Der Streitstoff bleibt im Wesentlichen derselbe, und die Klageänderung dient der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffs, so dass ein weiterer Prozess vermieden wird.

32

Die Ablehnung der Baugenehmigung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Abweichungsbegehrens und in diesem Zusammenhang auf erneute Entscheidung über die Erteilung der beantragten Baugenehmigung.

33

Der Kläger ist nicht bereits Inhaber einer Baugenehmigung. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass das Vorhaben im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen war, ist eine Baugenehmigungsfiktion nach § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V nicht eingetreten. Die dreimonatige Frist zur Entscheidung über den Bauantrag gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, 1. HS LBauO M-V, die mit dem Eingang des Antrags am 21.08.2007 in Lauf gesetzt worden war, wurde mit dem Anhörungsschreiben des Beklagten vom 14.11.2007 um einen Monat verlängert, § 63 Abs. 2 Satz 1, 2. HS LBauO M-V. Diese verlängerte Frist wurde durch den ablehnenden Bescheid vom 18.12.2007 gewahrt.

34

Grundsätzlich ist eine beantragte Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, § 72 Abs. 1 LBauO M-V. Soweit der Anwendungsbereich des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens eröffnet ist, prüft die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 63 Abs. 1 LBauO M-V (1.) die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, (2.) beantragte Abweichungen im Sinne des § 67 Abs. 1 und 2 Satz 2 LBauO M-V sowie (3.) andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine Abweichung insoweit ausdrücklich beantragt hat, ist daher in jedem Fall auch das Abstandflächenrecht Prüfungsgegenstand.

35

Bedenken gegen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gemäß §§ 29 ff. BauGB bestehen nicht. Ebenso wenig sind sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Vorhabens erkennbar, außer im Hinblick auf die Anforderungen des § 6 LBauO M-V. Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts zu, § 67 Abs. 1 LBauO M-V.

36

Das Vorhaben steht mit den Vorschriften des Abstandflächenrechts gemäß § 6 LBauO M-V nicht in Einklang. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese müssen auf dem Grundstück selbst liegen, § 6 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V. Die Tiefe der Abstandfläche beträgt 0,4 H, mindestens aber 3 m, wobei das Maß H der Wandhöhe von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand entspricht (§ 6 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V). Gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V bleiben vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht. Entsprechendes gilt gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V für Vorbauten, wenn sie a) insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen, b) nicht mehr als 1,50 m vor diese Außenwand vortreten und c) mindestens 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben. Gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V sind in den Abstandflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandflächen Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig. Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorhaben des Klägers nicht.

37

Zwar hält der Baukörper selbst die gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V erforderliche Abstandfläche von 0,4 H, mindestens aber 3 m ein. Da der südöstliche Giebel 6,17 m hoch ist, wären 0,4 H lediglich 2,47 m, so dass es ausreicht, dass die Mindestabstandfläche von 3 m gewahrt wird. Die Außentreppe zum Obergeschoss soll jedoch lediglich 2 m entfernt von der Grundstücksgrenze errichtet werden; sie hält damit den erforderlichen Grenzabstand von 3 m nicht ein.

38

Um ein abstandflächenrechtlich insgesamt privilegiertes Gebäude nach § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V handelt es sich nicht, weil im Erdgeschoss des Gebäudes ein Hobbyraum und damit ein Aufenthaltsraum vorgesehen ist (vgl. Heintz in: Gädtke u.a. BauO NRW 11. Aufl. 2008 § 2 Rn. 233 f.).

39

Die Außentreppe kann bei der Bemessung der Abstandflächen auch nicht gemäß § 6 Abs. 6 LBauO M-V unberücksichtigt bleiben. Die Treppe ist kein "vor die Außenwand vortretendes Bauteil wie Gesimse und Dachüberstände" im Sinne des § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V. Eigenständig benutzbare Teile bzw. Teilbereiche des Gebäudes können allenfalls unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V abstandflächenrechtlich privilegiert sein. Denn dieser Regelung ist die Wertung zu entnehmen, dass eine mit der Gewinnung weiterer nutzbarer Fläche verbundene Ausdehnung des Baukörpers in die Abstandflächen jedenfalls nur bei Einhaltung der in der Vorschrift konkret bestimmten Abmessungen zulässig sein soll. Gegen diese Unterscheidung von Bauteilen und Vorbauten kann auch nicht die bis zum 01.09.2006 geltende Fassung der entsprechenden Regelung der Landesbauordnung angeführt werden. Nach deren § 6 Abs. 7 blieben vor die Außenwand vortretende Bauteile, wie Gesimse, Dachvorsprünge, Blumenfenster, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen, sowie Vorbauten, wie Erker und Balkone, bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vortraten; von gegenüberliegenden Nachbargrenzen mussten sie mindestens 2 m entfernt bleiben. In dieser Vorschrift wurden zumindest Hauseingangstreppen (denen in der Rechtsprechung zum Teil äußere Zugangstreppen in Obergeschosse gleich gestellt wurden, vgl. OVG Koblenz B. v. 21.05.1996 - 8 B 11 166/96 - NVwZ-RR 1997, 668, 669 und OVG Saarlouis U. v. 30.07.1991 - 2 R 451/88 - BRS 52 Nr. 99 = Juris Rn. 29 ff.; anders OVG Münster U. v. 17.01.2008 - 7 A 2761/06 - Juris Rn. 22 ff.) als vor die Außenwand vortretende Bauteile und nicht als Vorbauten angesehen. Diese Rechtsprechung kann zur heutigen Gesetzesfassung jedoch nicht mehr herangezogen werden. Handelt es sich vorliegend nicht um ein vor die Außenwand vortretendes Bauteil, so kommt es auf die Frage, ob und inwieweit dessen abstandflächenrechtliche Privilegierung zusätzlich eine Unterordnung funktionaler und/oder quantitativer Art erfordert (vgl. VGH München U. v. 23.03.2010 - 15 B 08.2180 - Juris Rn. 25; Rauscher in Simon/Busse BayBO Art. 6 Rn. 406 ff.; vgl. auch die Ausführungen des Senats zu § 10 Abs. 3 Satz 3 BauNVO im U. v. 18.04.2012 - 3 L 3/08 -, S. 13), nicht mehr an.

40

Die Außentreppe erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V. Sie entspricht jedenfalls nicht den dortigen Maßfestlegungen, weil sie insgesamt mehr als ein Drittel der Breite der entsprechenden Außenwand in Anspruch nimmt. Welche Anforderungen im übrigen an einen Vorbau zu stellen sind, insbesondere ob dessen Höhe auf die Höhe eines Geschosses begrenzt sein muss (vgl. OVG Berlin B. v. 25.03.1993 – 2 S 4.93 – BRS 55 Nr. 21 = Juris Rn. 32; OVG Münster B. v. 29.11.1985 – 7 B 2402/85 – BRS 44 Nr. 101; vgl. auch die ausdrückliche gesetzliche Regelung für Erker in Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO), und ob es auch unter der aktuellen Gesetzeslage einer funktionalen Zu- und Unterordnung im Verhältnis zu dem hinter dem Vorbau liegenden Bereich des Hauptgebäudes bedarf (vgl. die Rechtsprechung des Senats zur früheren Gesetzeslage: U. v. 26.10.2000 – 3 L 106/00 – Juris Rn. 23 mwN; U. v. 23.06.1998 – 3 L 227/97 – NordÖR 1998, 402 = Juris Rn. 56; B. v. 12.07.1996 – 3 M 36/96 – Juris Rn. 23 mwN; vgl. aber auch VGH München B. v. 14.06.2007 – 1 CS 07.265 – Juris Rn. 34, wo für das dortige Landesrecht eine entsprechende Auffassung als durch die Neufassung der Abstandflächenvorschriften überholt angesehen wird), kann deshalb dahinstehen.

41

Der Verstoß kann jedoch durch die Zulassung einer Abweichung ausgeräumt werden. Dies gilt auch, soweit der Dachüberstand nicht gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht bleibt (zur Tiefe des nach dieser Vorschrift bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht bleibenden Dachüberstandes vgl. U. d. Senats v. 18.04.2012 - 3 L 3/08 - S. 13 mwN).

42

Die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen der Landesbauordnung zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V vereinbar sind. Der gemäß § 67 Abs. 2 LBauO M-V erforderliche gesonderte schriftliche Antrag ist nunmehr gestellt worden; die erforderliche Begründung ergibt sich aus dem Vortrag im gerichtlichen Verfahren.

43

Die Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie setzt allerdings einen Sachverhalt voraus, der von dem der gesetzlichen Regelung der Abstandflächen zu Grunde liegenden Normalfall in so deutlichem Maß abweicht, dass die strikte Anwendung des Gesetzes zu Ergebnissen führt, die der Zielrichtung der Norm nicht entsprechen. Dabei muss es sich um eine grundstücksbezogene Atypik handeln. § 67 LBauO M-V ist kein Instrument zur Legalisierung gewöhnlicher Rechtsverletzungen (vgl. OVG Münster, U. v. 29.10.2012 – 2 A 723/11 – Juris Rn. 82 mwN).

44

Diese grundstücksbezogene Atypik liegt hier in dem außergewöhnlichen Grundstückszuschnitt mit einer Grundstücksgrenze, die von der Höhe der Wohnhäuser bis zur Straße mehrfach zu Lasten des klägerischen Grundstücks verspringt und für ein Gebäude mit einer Kubatur wie vom Kläger beantragt an diesem Standort, an dem sich eine entsprechende Bebauung auch nach der Bebauung der näheren Umgebung als angemessen darstellt, wenig Raum lässt. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass auf dem betroffenen Nachbargrundstück in dem Bereich zur Straße hin ebenfalls ein nicht nur grenznahes, sondern grenzständiges Nebengebäude vorhanden ist, und sich auf dem Grundstück des Klägers in Höhe des Vorhabenstandortes in der Vergangenheit bereits ein grenzständiges Nebengebäude befand, das erst im Zusammenhang mit der Errichtung des nunmehrigen Gebäudes abgerissen wurde. Allerdings erstreckt sich das Grundstück des Klägers noch weit in den rückwärtigen, von der Straße aus gesehen jenseits der Wohnhäuser liegenden Bereich. Auf die Frage, ob eine Anordnung des Gebäudes im rückwärtigen Grundstücksbereich bauplanungsrechtlich zulässig wäre, wie die Vertreterin des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, kommt es jedoch nicht an. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, das Gebäude im rückwärtigen Grundstücksbereich zu errichten, weil dieses auch eine Garage umfasst, und die Zufahrt zu dieser bei entsprechender Anordnung des Gebäudes über eine erhebliche Länge am Wohnhaus vorbei in den rückwärtigen Grundstücksbereich geführt werden müsste. Dies erscheint auch unter Berücksichtigung der dortigen Nachbarn nicht angemessen.

45

Bei dem grenzständigen Nebengebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 2. und 3. handelt es sich um eine dem heutigen Abstandflächenrecht nicht entsprechende Bebauung erheblichen Umfangs, mit der Folge dass diese gehindert wären, eine Verletzung der Abstandflächen geltend zu machen. Das Stallgebäude auf dem Flurstück ... ist mit seiner etwa 7 m breiten südwestlichen Giebelseite vollständig grenzständig errichtet und überschreitet eine Höhe von 3 m deutlich. Die etwa 15 m langen Nordwestseite des Stallgebäudes hält zum Nachbargrundstück des Klägers lediglich einen Abstand von zwischen 2 m an der nördlichen Ecke und 0,6 m an der westlichen Ecke ein. Damit wird auch die Vorgabe des § 6 Abs. 7 Satz 2 nicht beachtet, nämlich dass die Länge der die Abstandflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden privilegierten Bebauung auf einem Grundstück insgesamt 15 m nicht überschreiten darf.

46

Hält der Nachbar seinerseits den erforderlichen Abstand nicht ein und setzt sich dennoch gegen einen vergleichbaren Rechtsverstoß durch ein Vorhaben auf dem angrenzenden Grundstück zur Wehr, so liegt eine unzulässige Rechtsausübung vor (vgl. VGH Mannheim U. v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - BRS 65 Nr. 193; OVG Münster U. v. 24.04.2001 - 10 A 1402/98 - BRS 64 Nr. 188). Für die Vergleichbarkeit wechselseitiger Rechtsverstöße ist neben dem Maß des Grenzabstands die Qualität der Beeinträchtigung von Bedeutung (vgl. OVG Münster aaO). Vorliegend übersteigt der Umfang der Abstandflächenverletzung durch das Stallgebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen diejenige durch die Außentreppe zum Obergeschoss des klägerischen Nebengebäudes um ein Mehrfaches. Eine besondere Qualität der Beeinträchtigung durch die Außentreppe, die dies aufwiegen könnte, ist nicht erkennbar. Belange der Belichtung und Besonnung sowie des Brandschutzes werden nicht berührt. Der nachbarliche Wohnfrieden ist allerdings durch erhöhte Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück der Beigeladenen berührt. Der Umfang dieser Einsichtsmöglichkeiten ist jedoch geringfügig, weil die Außentreppe zu einem Raum führt, der als Lagerraum genutzt werden soll. Dem entsprechend gering ist die Nutzungsintensität einzuschätzen; dass Personen auf der Treppe oder dem Podest verweilen, ist nicht zu erwarten. Wegen der zu erwartenden geringen Nutzungsintensität ist auch nicht damit zu rechnen, dass von der Benutzung der Treppe in erheblichem Umfang Lärmimmissionen – insbesondere durch das Treten auf die Metallkonstruktion – ausgehen werden.

47

Aus den selben Gründen liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung vor, nämlich dass die Abweichung unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die durch das Vorhaben des Klägers bewirkte Abstandflächenverletzung ist dem Umfang nach geringfügig; eine Beeinträchtigung von Schutzzwecken des Abstandflächenrechts scheidet nahezu aus. Die Außentreppe führt nicht zu Aufenthaltsräumen, ist also einer Nutzung zugeordnet, die nach der Wertung des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V auch in den Abstandflächen zulässig ist. Die Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V, nämlich dass bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und in Stand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden, sind gewahrt.

48

Zur Vermeidung von Missverständnissen wird darauf hingewiesen, dass allein eine bereits bestehende abstandflächenwidrige Bebauung auf dem Nachbargrundstück nicht ausreicht, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 LBauO M-V zu erfüllen und die Möglichkeit einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts zu eröffnen. Hinzu kommen müssen weitere grundstücksbezogene Besonderheiten wie hier der außergewöhnliche Grundstückszuschnitt. Die Zulassung einer Abweichung ist ferner bereits tatbestandlich ausgeschlossen, wenn sie geeignet ist, eine ohnehin im Hinblick auf die Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V problematische Bebauungssituation zu verschlechtern oder zu verfestigen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

49

Die Entscheidung über die Zulassung einer Abweichung nach § 67 Abs. 1 LBauO M-V steht im Ermessen des Beklagten. Dieses Ermessen ist hier angesichts bestehender anderer baulicher Möglichkeiten, einen Zugang zum Obergeschoss zu schaffen, nicht auf Null reduziert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vom Kläger zum Gegenstand seines Hilfsantrags gemachte alternative Anordnung einer Außentreppe, gegebenenfalls aber auch im Hinblick auf die Möglichkeit, im Inneren des Gebäudes einen Zugang zu schaffen.

50

Über den Hilfsantrag war nicht mehr zu entscheiden, da dieser nach dem Verständnis des Senats nur für den Fall gänzlicher Erfolglosigkeit des Hauptantrags gestellt sein sollte.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

52

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. März 2014 - 2 K 3527/13 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, gegen den Antragsgegner eine einstweilige Anordnung gerichtet auf baurechtliches Einschreiten in Form einer Baueinstellungsverfügung gegen die Beigeladene zu erlassen. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts keinen Anlass.
1. a) Die Antragsteller wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die auf der ihrem Grundstück zugewandten Seite vorgesehenen Vorbauten hielten den erforderlichen Abstand nicht ein. Das Verwaltungsgericht hat insoweit entschieden, dass es sich bei dem geplanten Vorbau um einen solchen nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO handele, weil er nach seiner räumlichen Ausdehnung im Verhältnis zum Baukörper des Hauptgebäudes deutlich untergeordnet sei und sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstelle. Er erstrecke sich an der Nordseite des Gebäudes über das Unter- und das Erdgeschoss. In der Höhe reiche er über zwei Stockwerke. Im darüber liegenden Dachgeschoss sei ein Balkon vorgesehen. Die um einen knappen Meter vor die Hauptwand tretende Wand weise eine Länge von 4,65 m auf. Der dominierende Eindruck der Hauptwand, die im Erdgeschoss eine Länge von 17,43 m und im Untergeschoss vom 16,06 m aufweise, nicht in Frage gestellt. Da der Vorbau auch mit 2,06 m mehr als 2 m von der Nachbargrenze entfernt bleibe, bleibe er bei der Bemessung der Abstandsflächen außer Betracht.
b) Hiergegen bringen die Antragsteller vor, dass der umstrittene Vorbau zur Grundstücksgrenze ihres Grundstücks nicht im Sinne der Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs deutlich untergeordnet sei. Zwar halte das vorgestellte Bauteil die in § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vorgeschriebenen Außenmaße ein, aber es erweise sich nicht als deutlich untergeordnet. Das Verwaltungsgericht habe nicht darauf abgestellt, dass das vorgestellte Bauteil mit seiner Oberkante bis in das Dachgeschoss hineinrage. Im Blick auf seine höhenmäßige Ausdehnung sei es nicht mehr deutlich untergeordnet, sondern stelle vielmehr ein dominantes Bauteil dar. Vom Erdgeschoss bis zur Oberkante der Balkonbrüstung weise es eine Höhe von 6 m auf. Aufgrund der nachgereichten Schnitte errechne sich eine Wandhöhe von 6,18 m. Hinzukomme, dass der Vorbau sich in Form des Balkons fortsetze. Erweise sich das Bauvorhaben aber im Hinblick auf die Abstandsfläche des vorgestellten Bauteils als rechtswidrig, verletze es die rechtlich geschützten Interessen der Antragsteller in Form der Verletzung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen.
c) Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der geplante Vorbau abstandsflächenrechtlich nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert ist und deshalb bei der Bemessung der Abstandsfläche außer Betracht zu bleiben hat.
aa) Nach dieser Vorschrift bleiben bei der Bemessung der Abstandsfläche Vorbauten wie Wände, Erker, Balkone, Tür- und Fenstervorbauten, wenn sie nicht breiter als 5 m sind, nicht mehr als 1,5 m vortreten und von Nachbargrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben, außer Betracht. Vorbauten im Sinne dieser Vorschrift müssen nicht oberhalb der Erdoberfläche oder unterhalb des Daches enden. Sie müssen aber dem hinter ihnen liegenden Gebäude zu- und untergeordnet sein. Ein vor die Außenwand gesetzter Bauteil fällt danach jedenfalls im Grundsatz nur dann unter diesen Begriff, wenn er diese Wand nicht überragt (Senatsbeschluss vom 04.07.2003 - 8 S 1251/03 - juris Rn. 9). Er muss sich für den objektiven Betrachter noch als vorgebauter Annex und nicht bereits als angebauter Teil des Hauptgebäudes darstellen (Senatsurteil vom 15.04.2008 - 8 S 12/07 - VBlBW 2009, 184). Mehrere Vorbauten im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vor der Außenwand eines Gebäudes sind nach dieser Vorschrift nur dann abstandsflächenrechtlich privilegiert, wenn sie sich in ihrer Gesamtheit unterordnen und das Erscheinungsbild der Außenwand weiterhin dominiert (vgl. Sauter, LBO, 3. Aufl., Stand: März 2010, § 5 Rn. 99 zur vertikalen Verteilung von Vorbauten einer Außenwand).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben sind sowohl der erkerähnliche Vorbau als auch der auf ihm vorgesehene Balkon abstandsflächenrechtlich privilegiert. Rechtlich unzutreffend ist der Ansatz der Beschwerde, den erkergleichen, sich über Unter- und Erdgeschoss erstreckenden Vorbau und den auf ihm im Dachgeschoss vorgesehenen Balkon als einheitlichen Vorbau im Sinne des § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO zu betrachten. Vielmehr sind die beiden Vorbauten nach den obigen Maßstäben zunächst getrennt voneinander zu betrachten und zu bewerten.
(1) Der erkerähnliche Vorbau ist ein untergeordneter Vorbau im Sinne von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO. Er hält - wie die Beschwerde einräumt - die von § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO vorgeschriebenen Außenmaße ein und ragt selbst auch nicht über die Außenwand in die Giebelfläche des Bauvorhabens hinein. Weiter erstreckt sich auf deutlich weniger als ein Drittel der Länge der Außenwand und ist mithin im Verhältnis zu ihr untergeordnet.
(2) Der auf dem erkerähnlichen Vorbau vorgesehene, im Dachgeschoss teilweise in die Giebelfläche des geplanten Gebäudes hineinragende Balkon ist eigenständig an § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO zu messen. Denn er wäre ohne den erkerähnlichen Vorbau konstruierbar, da er ihn nicht als Fundament benötigt. Es handelt sich damit um einen eigenständigen Vorbau, der als Balkon ebenfalls nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 LBO privilegiert ist. Er ist nämlich für sich betrachtet erkennbar der Außenwand untergeordnet.
10 
(3) Die Gesamtheit der vor der Außenwand befindlichen Vorbauten - Erker und Balkon - erweist sich ebenfalls als untergeordnet und im Umkehrschluss die Außenwand weiterhin als optisch dominierend. Dafür ist im Wesentlichen die Ausdehnung in der Länge von deutlich weniger als einem Drittel der Außenwand und ergänzend ausschlaggebend, dass die Außenwand und die Giebelfläche hinter dem Balkon weiterhin sichtbar bleiben und nicht etwa vollständig verdeckt werden.
11 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es billigem Ermessen, ihre außergerichtlichen Kosten den unterlegenen Antragstellern aufzuerlegen.
12 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und lehnt sich an Nr. 9.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ 2013, Beilage S. 57) an. Eine Reduzierung des Streitwerts in Anlehnung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 kommt nach ständiger Senatsrechtsprechung nicht in Betracht, da sich die Antragsteller nicht allein gegen die Auswirkungen der zukünftigen Nutzung des Nachbargrundstücks zur Wehr setzten.
13 
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11.7.2007 – 5 K 71/06 – abgeändert und der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheids verpflichtet, den Beigeladenen aufzugeben, den auf ihrem Grundstück Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2 in Flur 16 der Gemarkung Außen (Anwesen A-Straße) grenzständig errichteten zweigeschossigen Wohnhausanbau mit oben liegender Terrasse zu beseitigen, diese Anordnung mit Zwangsmitteln für den Fall der Nichtbefolgung zu versehen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Beklagte, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen einerseits der Beklagte und andererseits die Beigeladenen jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen – in beiden Instanzen – werden nicht erstattet.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Anwesens Sch... Straße ... in A-Stadt (Parzellen Nr. 159/1 und Nr. 160/1 in Flur 16 der Gemarkung A). Daran grenzt rückseitig das über die rechts vom Grundstück der Kläger liegende Parzelle Nr. 159/2 erschlossene Grundstück der Beigeladenen (Nr. ..., Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2) an. Darauf befindet sich neben einem Wohnhaus (A-Straße) ein bis auf die gemeinsame Grenze reichender zweigeschossiger Anbau mit Garage und darüber befindlichem Wohnraum. Die Kläger wenden sich gegen die Benutzung des auf der Höhe des Dachgeschosses des Wohngebäudes der Beigeladenen liegenden Flachdachs dieses Anbaus als Terrasse.

Der Anbau wurde im Jahr 1979 von den Rechtsvorgängern der Beigeladenen, , ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtet und auch nie nachträglich vom Beklagten zugelassen. Im Zuge der Ausführung hatten die Rechtsvorgänger der Beigeladenen ein in der Giebelwand des Hauses befindliches Fenster durch eine Tür ersetzt, um das mit einem Geländer umwehrte Dach des Anbaus als Terrasse nutzen zu können. Eine daraufhin vom Rechtsvorgänger der Kläger, , hinsichtlich des Anbaus eingeleitete zivilgerichtliche Nachbarstreitigkeit vor dem Amtsgericht in Lebach wurde im Jahre 1983 durch gerichtlichen Vergleich beendet. Darin verpflichteten sich die Rechtsvorgänger der Beigeladenen, die vom Elternschlafzimmer auf den Balkon hinausführende Tür wieder in Höhe des neben der Tür befindlichen Fensters zuzumauern, um eine „Begehung des Balkons auszuschließen“. Diese Vereinbarung haben die Rechtsvorgänger der Beigeladenen baulich umgesetzt.

Im April 1998 erwarben die Beigeladenen ihr Grundstück (Nr. ...). Im Jahre 2002 stellten sie den ursprünglichen Zustand durch neuerlichen Einbau einer Tür in die Giebelwand als Zugang zu dem Dach des Anbaus wieder her und nutzten dieses als Terrasse. Daraufhin forderten die Kläger als nunmehrige Eigentümer des Anwesens Nr. ... die Beigeladenen im Oktober 2002 unter Hinweis auf die Bindungswirkung des Vergleichs auf, diese Veränderungen erneut rückgängig zu machen.

Nachdem die Beigeladenen das abgelehnt und sich lediglich zur Anbringung eines Sichtschutzes bereit erklärt hatten, wandten sich die Kläger im Dezember 2002 an den Beklagten und baten diesen, die erforderlichen rechtlichen Schritte gegen die Beigeladenen bezüglich der rechtswidrigen Nutzung des „Balkons“ auf dem nicht genehmigten Wohnhausanbau in die Wege zu leiten. Im März 2003 konkretisierten die Kläger diese Forderung dahingehend, dass die „Nutzung des rechtswidrigen Bauwerks sofort zu untersagen und dessen Beseitigung zu veranlassen“ sei.

Durch mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenes Schreiben an die Kläger vom 11.7.2003 lehnte der Beklagte ein Einschreiten ab und verwies zur Begründung darauf, dass aufgrund des 1983 geschlossenen Vergleichs zwischen den Rechtsvorgängern Ansprüche auf Beseitigung oder auf Erlass einer Nutzungsuntersagung „aus öffentlich-rechtlicher Sicht als verwirkt anzusehen“ seien. Die Wiederherstellung der Türöffnung durch die Beigeladenen stelle aus öffentlich-rechtlicher Sicht keine Verletzung der Kläger in geschützten Nachbarrechten dar.

Der dagegen erhobene Widerspruch der Kläger wurde im Juni 2004 zurückgewiesen. (vgl. den auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses – KRA 196/03 –) In der Begründung heißt es unter anderem, die Rechtsvorgänger der Kläger hätten 1983 bewusst auf ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich des illegalen Anbaus verzichtet und ihre Nachbarrechte zivilrechtlich durchgesetzt. Diese Entscheidung binde die Kläger. Sie könnten nicht nach 20 Jahren nunmehr ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde verlangen. Ein solcher Anspruch sei, sofern er irgendwann bestanden haben sollte, verwirkt. Der Vergleich sei für die Bauaufsichtsbehörde Anlass gewesen, nicht gegen den illegalen Bau einzuschreiten. Die Rechtsvorgänger der Beigeladenen hätten darauf vertrauen dürfen, dass die Rechtsvorgänger der Kläger den Anbau akzeptierten. Wenn sich die Beigeladenen nun nicht an den Vergleich hielten, seien die Kläger erneut auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, für den sich ihre Rechtsvorgänger entschieden hätten.

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage haben die Kläger auf die Nichteinhaltung der Abstandsfläche durch den Wohnhausanbau und eine durch die Nutzung der Dachterrasse bedingte Verletzung ihrer Privatsphäre verwiesen. Bei Erlass eines Benutzungsverbots für die Terrasse, der Beseitigung von Umwehrung und Handlauf sowie einer „Vermauerung“ der Zugangstür bis auf Höhe der Fensterbrüstung stehe das dafür streitende auch öffentliche Interesse in angemessenem Verhältnis zur Erheblichkeit des Eingriffs in private Belange der Beigeladenen. Diesen seien beim Grundstückserwerb die Vereinbarungen und der Bauzustand bekannt gewesen. Ein Einschreiten des Beklagten sei ungeachtet des Zeitablaufs seit Errichtung des Anbaus geboten. Ihnen stehe als betroffenen Nachbarn ein darauf gerichteter subjektiver Anspruch zu. Ihrem Verhalten und dem ihrer Rechtsvorgänger habe nie entnommen werden können, dass sie keine Abwehransprüche gegen den Anbau geltend machen würden, da sie sich jeweils umgehend „gewehrt“ hätten, sobald die baulichen Voraussetzungen für die von ihnen nie tolerierte Benutzung des Dachs als Terrasse geschaffen worden seien. Die Entscheidung des Beklagten, nicht tätig zu werden, sei auch willkürlich. Zivilrechtliche Absprachen könnten die Rechtslage hinsichtlich des öffentlichen Baurechts nicht beeinflussen. In der Beschreitung des Zivilrechtswegs sei kein Verzicht auf den Einschreitensanspruch oder dessen Durchsetzung zu erblicken. Der Anbau sei in dieser Form auch nicht nachträglich genehmigungsfähig. Insbesondere die Widerspruchsbehörde habe sich auch nicht mit der Frage beschäftigt, ob Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche für sie überhaupt zivilrechtlich durchsetzbar seien. Immerhin bedürfe es für eine Titelumschreibung und Vollstreckung einer „komplizierten Konstruktion“. Ihnen könne nicht das Prozessrisiko einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung aufgebürdet werden.

Die Kläger haben beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheids zu verpflichten, den Beigeladenen aufzugeben, die auf ihrem Hausanbau an der gemeinsamen Grenze zum Grundstück der Kläger auf dem Grundstück Gemarkung A, Flur 16, Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2 (Sch… Straße ...), auf dem Flachdach aufgesetzte Umwehrung zu beseitigen und die auf das Flachdach führende Türöffnung bis zur Brüstungshöhe zuzumauern, damit eine Begehung des Flachdachs ausgeschlossen ist.

Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Verwaltungsentscheidungen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen haben in erster Instanz keinen Antrag gestellt. Sie haben vorgetragen, die Kläger, die auf die „Durchführung eines Abrisses des Anbaus verzichtet“ hätten, könnten auch mit Blick auf das Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme keinen Schutz vor einer Einsichtnahme in ihr Grundstück verlangen. Nach der Flurkarte seien die Hauptgebäude in der näheren Umgebung fast sämtlich grenzständig erbaut. Die Situation der nächstgelegenen Bebauung sei von einer Bauweise geprägt, die verstärkt Einsichtsmöglichkeiten biete. Diese müssten in einem erhöhten Maße hingenommen werden. Die umstrittene Dachterrasse, die keine weitergehenden Einsichtsmöglichkeiten biete als ein Fenster, sei etwa 17 m vom Haus der Kläger entfernt. Dazwischen befinde sich lediglich eine Wiese. Ein Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften lasse sich nicht feststellen. Die nicht überdachte Terrasse verursache keine gebäudegleichen Wirkungen und sei daher abstandsflächenrechtlich irrelevant. Die rein subjektive Empfindung der Kläger, es läge eine Störung vor, sei nicht von Belang. Entgegen der Ansicht der Kläger sei die Nutzungsänderung daher genehmigungsfähig. An den 1983 geschlossenen Vergleich seien sie nicht gebunden, da sie beim Erwerb des Grundstücks diesbezüglich gutgläubig gewesen seien. Der Verkäufer habe ihnen im Vertrag garantiert, dass keine Auflagen der Baubehörden bestünden und dass alle Baulichkeiten genehmigt seien.

Durch Urteil vom 11.7.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist zu lesen, den Klägern stehe der geltend gemachte Anspruch auf Einschreiten nicht zu. Zwar habe der Nachbar einen Anspruch auf Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften. Der zweigeschossige Wohnhausanbau sei abstandsflächenrechtlich nicht privilegiert. Der Verstoß gegen die anerkannt nachbarschützenden Bestimmungen könne auch nicht durch einen Dispens „überwunden“ werden. Bei dieser Sachlage habe der betroffene Nachbar „im Grundsatz“ einen Anspruch auf bauaufsichtsbehördliches Vorgehen. Ferner sei anerkannt, dass die Möglichkeit eines zivilrechtlichen Nachbarschutzes weder die Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Ansprüche hindere, noch den behördlichen Ermessensspielraum erweitere. Eine Verpflichtung der Behörde zum Einschreiten sei gleichwohl dann nicht anzuerkennen, wenn der Nachbar – wie hier die Kläger – im Besitz eines rechtskräftigen Titels gegen den Bauherrn und daher ohne „erneute umfängliche Anrufung von Gerichten“ in der Lage sei, seine Rechte zu wahren. Hierzu gehöre auch die Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich. Bislang sei nicht streitig, dass die Rechtsvorgänger der privaten Beteiligten vor dem Amtsgericht Lebach einen Vergleich geschlossen hätten, dessen Inhalt nach wie vor auch gegen Rechtsnachfolger vollstreckt werden könne. Auf die Möglichkeit einer Umschreibung des Titels hätten die Kläger selbst hingewiesen. Die Erfolglosigkeit dieses Weges sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Demgegenüber erscheine der Erfolg der baurechtlichen Nachbarklage angesichts der unvollständigen Bauakten des Beklagten und des wegen der Vergleichsbereitschaft der Rechtsvorgänger der Kläger sowie wegen des aufgrund der über Jahrzehnte währenden Hinnahme der Baumaßnahme mit in den Blick zu nehmenden Gesichtspunkts der Verwirkung „eher ungewiss“. Von daher sei die Vollstreckung aus dem zivilrechtlichen Titel die einfachere Möglichkeit für die Kläger, ihre Rechte durchzusetzen. Die Gewährung öffentlich-rechtlichen Rechtsschutzes im Wege eines bauaufsichtsbehördlichen Einschreitens sei bei dieser Sachlage nicht erforderlich.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 7.11.2008 – 2 A 406/07 –) gegen dieses Urteil machen die Kläger geltend, sie seien gerade nicht im Besitz eines rechtskräftigen Vollstreckungstitels gegen die Beigeladenen. Das Verwaltungsgericht habe selbst die Notwendigkeit einer Titelumschreibung angesprochen. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Inhalt des Vergleichs nach wie vor völlig unproblematisch und kurzfristig gegen die Beigeladenen durchsetzbar sei. Sie hätten bereits im September 2003 einen Antrag auf Umschreibung des Titels und auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung beim Amtsgericht Lebach gestellt. (vgl. dazu das in Anlage zum Berufungszulassungsantrag vorgelegte Schreiben an das Amtsgericht Lebach vom 23.9.2003, Blatt 115 der Gerichtsakte) Dabei sei zu problematisieren, ob die Rechtskraft des zwischen den jeweiligen Rechtsvorgängern geschlossenen Vergleichs für und gegen die Rechtsnachfolger wirke und ob es sich bei den Nachbargrundstücken um streitbefangene Gegenstände handele, weil auf der rechtlichen Beziehung zu den Grundstücken ihre Aktivlegitimation und die Passivlegitimation der Beigeladenen beruhe. Die rechtlichen Beziehungen zu den Grundstücken könnten sich sowohl auf ein dingliches Recht als auch auf dem jeweiligen Eigentümer zustehende Ansprüche, im konkreten Fall nach den §§ 985, 1004 BGB stützen. Aus dem Anspruch aus § 1004 BGB ergebe sich die Aktivlegitimation der Kläger, aus der Störung durch Schwarzbau und Terrassennutzung die Passivlegitimation der Beigeladenen. Die Umschreibung des Titels erfolge also nicht rein formal, sondern erst nach rechtlicher Prüfung. Bevor das Amtsgericht in eine solche eingetreten sei, hätten die Beigeladenen behauptet, dass ihnen – den Klägern – keine Rechte aus § 1004 BGB zustünden und ihr Rechtsvorgänger zur Herausgabe des Titels nach Erfüllung verpflichtet gewesen sei. (vgl. dazu das Schreiben der Beigeladenen an das Amtsgericht Lebach vom 17.12.2003, Ablichtung Blatt 117 der Gerichtsakte) Für den Fall der Umschreibung hätten die Beigeladenen bereits eine Vollstreckungsabwehrklage in Aussicht gestellt. Daher hätten sie sich entschlossen, ihre Rechte zunächst auf dem „weit einfacheren und zügigeren“ verwaltungsprozessualen Weg weiter zu verfolgen. Der Beklagte sei aufgrund einer entsprechenden Ermessenreduzierung verpflichtet, gegen den gesamten Grenzanbau in seiner jetzigen Form vorzugehen und dessen Abriss anzuordnen. Erst Recht könnten sie – die Kläger – daher ein Vorgehen gegen einen von ihnen beanstandeten Teil des Anbaus, hier die Dachterrasse, verlangen. „Neben der Sache“ liege die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Erfolg des baurechtlichen Nachbarstreits eher ungewiss sei. Dass es bei dem Beklagten keine Bauakten für den Anbau gebe, könne nicht verwundern, da es sich unstreitig um einen Schwarzbau handele. Das könne ihnen nicht zum Nachteil gereichen. Was die Vergleichsbereitschaft ihres Rechtsvorgängers mit einem Erfolg der Klage zu tun haben sollte, sei nicht nachvollziehbar; dabei gerate ihr Anliegen „völlig aus dem Blick“. Sie verlangten im Ergebnis ein Zumauern der Türöffnung bis auf Brüstungshöhe, um die Begehung und Benutzung des Flachdachs auszuschließen, also die Wiederherstellung der im Vergleich zwischen den Rechtsvorgängern gefundenen Lösung, und eine Entfernung der Umwehrung, um die Terrassennutzung „mit Sicherheit“ auszuschließen. Das könne nicht durch jahrzehntelange Hinnahme des Schwarzbaus ausgeschlossen werden. Auch auf ihre angebliche, ohnehin sehr zweifelhafte „Gutgläubigkeit“ beim Erwerb des Anwesens könnten sich die Beigeladenen jedenfalls ihnen gegenüber nicht berufen.

Die Kläger, die im Rechtsmittelverfahren zunächst ihr erstinstanzlich formuliertes Begehren weiterverfolgt haben, beantragen nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 11.7.2007 – 5 K 71/06 – den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 11.7.2003 und des auf die mündliche Verhandlung vom 8.6.2004 ergangenen Widerspruchsbescheids zu verpflichten, den Beigeladenen aufzugeben, den auf ihrem Grundstück Parzellen Nr. 159/4 und Nr. 160/2 in Flur 16 der Gemarkung A (Anwesen A-Straße) grenzständig errichteten zweigeschossigen Wohnhausanbau zu beseitigen, diese Anordnung mit geeigneten Zwangsmitteln für den Fall der Nichtbefolgung zu versehen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Der Beklagte und die Beigeladenen sehen in der Umstellung des Antrags eine Klageänderung, der beide in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich widersprochen haben.

Der Beklagte beantragt ferner,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, dem Vorbringen der Kläger lasse sich nicht entnehmen, dass sie auf das Schreiben der Beigeladenen an das Amtsgericht Lebach vom Dezember 2003 reagiert hätten, um das Verfahren zur Umschreibung des Titels beziehungsweise das Vollstreckungsverfahren weiter zu betreiben. Daher sei nicht erkennbar, ob die Titelumschreibung erhebliche Streitigkeiten nach sich gezogen hätte. Der Rechtsvorgänger der Kläger habe sich seinerzeit für die zivilrechtliche Durchsetzung der Nachbarrechte entschieden. Daran seien die Kläger gebunden und könnten nicht nach 20 Jahren auf einem Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde bestehen.

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweisen auf ihr bisheriges Vorbringen und machen geltend, die Verwaltungsgerichtsbarkeit sei nicht der Ort, bei Vorliegen eines zivilrechtlichen Titels vollstreckungsrechtliche Einzelfragen zu klären. Vermeintlich bestehende Nachbarrechte der Kläger seien zudem verwirkt. Der Rechtsvorgänger der Kläger habe nicht den Abriss des Grenzbauwerks betrieben. Der Dachterrasse komme insoweit keine selbständige rechtliche Bedeutung zu. Sie sei abstandsflächenrechtlich für sich genommen irrelevant. Es handele sich um einen unselbständigen und untergeordneten Teil des Grenzbauwerks und sein daher von der Verwirkung der Nachbarrechte „umfasst“. Gegen den Anbau hätten weder die Kläger noch ihr Rechtsvorgänger Einwände erhoben. Der Vergleich sei ihnen – den Beigeladenen – bei Abschluss des Kaufvertrags nicht bekannt gewesen und der Verkäufer habe ihnen zugesichert, dass alle Baulichkeiten genehmigt seien.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der zugehörigen Verwaltungsunterlagen Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

I.

A.

Die vom Senat zugelassene und fristgerecht mit einer Begründung versehene Berufung der Kläger ist auch sonst zulässig.

Die im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens vorgenommene Neufassung des Klageantrags auf – nunmehr – die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass einer Beseitigungsanordnung für den grenzständigen Wohnhausanbau auf dem Grundstück der Beigeladenen unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Es ist bereits fraglich, ob hierin eine Änderung des Streitgegenstands zu erblicken ist, da das Einschreitensbegehren eines Nachbarn gegenüber der Bauaufsichtsbehörde in der Sache immer auf eine Ausräumung materieller Nachbarrechtsverstöße durch das von ihm bekämpfte Bauvorhaben mit den der Behörde durch die Landesbauordnung eröffneten Möglichkeiten des Vorgehens gegen den Bauherrn zielt und vom Nachbarn regelmäßig keine abschließende rechtliche Prüfung hinsichtlich der insoweit im konkreten Einzelfall in Betracht kommenden Einschreitensbefugnisse und ihrer Grenzen verlangt werden kann. Selbst wenn man aber, wie dies der Beklagte und die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung getan haben, die Umstellung des Antrags als Änderung der Klage ansieht, so wäre diese in jedem Falle sachdienlich und daher zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO). Ansprüche privater Nachbarn auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegenüber Dritten können sich von vornherein nur im Rahmen der durch die einschlägigen Bestimmungen der Landesbauordnung eröffneten Befugnisse zum Tätigwerden nach den §§ 57 Abs. 2, 81, 82 LBO 2004 ergeben. Diese Vorschriften ermächtigen nicht zum Erlass von Baugeboten in Form einer Verpflichtung zur baulichen Änderung bestehender Anlagen (vgl. zur fehlenden Befugnis der Bauaufsichtsbehörden zum Erlass sog. Baugebote selbst bei der Durchsetzung verbindlicher nachbarlicher Vorbehalte in Genehmigungsverfahren, die Gegenstand der behördlichen Zulassungsentscheidung geworden sind OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.1.1994 – 2 R 16/93 –, BRS 56 Nr. 192, wonach insoweit regelmäßig nur die Anordnung der Beseitigung entsprechend nicht genehmigungskonform ausgeführter Anlagen in Betracht kommt) und lassen daher hier keinen Raum zumindest für die im erstinstanzlichen Klageantrag von den Klägern geforderte Rückbaumaßnahme hinsichtlich der von den Beigeladenen in die Giebelwand ihres Wohnhauses eingebauten Zugangstür zur Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Die Anordnungsbefugnisse des Beklagten umfassen – bei Vorliegen der in § 82 Abs. 1 LBO 2004 genannten Voraussetzungen – vielmehr lediglich die Beseitigung des insoweit rechtlich als Einheit zu betrachtenden Anbaus in seiner Gesamtheit. Die Änderung des Antrags durch die Kläger dient einer abschließenden Klärung der Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Bauwerks und der rechtlichen Beziehungen der Kläger zum Beklagten mit Blick auf das von ihnen seit Jahren verlangte Tätigwerden. Die Sachdienlichkeit (§ 91 Abs. 1 VwGO) ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht bereits wegen einer erkennbar zutage liegenden Unzulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens in der nun von den Klägern formulierten Fassung zu verneinen. Das Verlangen auf Anordnung der Beseitigung des Anbaus war bereits Gegenstand des Verwaltungsantrags der Kläger und „spielte sich“ daher entgegen der Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht lediglich in deren „Hinterkopf“ ab. Bereits in dem Schreiben der Kläger vom 20.3.2003 an den Beklagten heißt es ausdrücklich, dass der Anbau die notwendigen Abstandsflächen nicht einhalte, weswegen neben der Nutzungsuntersagung auch „die Beseitigung des rechtswidrigen Bauwerks zu veranlassen“ sei. Das hätte dem Beklagten unter Ermessensgesichtspunkten von vornherein Veranlassung geben müssen, sich mit diesem Begehren der Kläger zu befassen und den Gesichtspunkt in seine Erwägungen einzubeziehen.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Die Weigerung des Beklagten zum Einschreiten ist gegenüber den Klägern rechtswidrig und verletzt diese in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht ein Anspruch auf Erlass der begehrten Beseitigungsanordnung bezüglich des grenzständigen Wohnhausanbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen zu.

Dieser Anspruch ergibt sich aus dem § 82 Abs. 1 LBO 2004, wonach die Bauaufsichtsbehörden die Beseitigung baulicher Anlagen anordnen können, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden und rechtmäßig Zustände auf andere Weise nicht hergestellt werden können, in Verbindung mit den nachbarschützenden Bestimmungen in § 7 LBO 2004 über die vor Gebäudeaußenwänden auf dem Baugrundstück einzuhaltenden Abstandsflächen (Grenzabstände).

1. Der bis auf die gemeinsame Grenze mit dem Grundstück der Kläger (Parzellen Nr. 159/1 und Nr. 160/1) reichende Wohnhausanbau verstößt gegen das Grenzabstandsgebot des § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004. Danach sind vor Außenwänden von Gebäuden auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) Abstandsflächen freizuhalten, deren Tiefe mindestens 3 m beträgt (§ 7 Abs. 5 Satz 4 LBO 2004). Die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LBO 2004, nach denen abweichend von dieser Grundregel Abstandsflächen nicht erforderlich sind (Satz 2) beziehungsweise „ohne Grenzabstand“ gebaut werden darf, liegen hier nicht vor. Insbesondere wurde das Grundstück der Kläger nicht ohne Grenzabstand bebaut (Satz 3). Für diese Beurteilung ist mit Blick auf das den Abstandsflächenregelungen zugrunde liegende nachbarliche Austauschverhältnis allein auf die gemeinsame Grenze des Baugrundstücks mit dem Grundstück des sich gegen eine Grenzbebauung wendenden Nachbarn abzustellen. (vgl. zu den sich allgemein aus der Novellierung des Abstandsflächenrechts im Jahre 2004 ergebenden weitergehenden Möglichkeiten „einvernehmlicher“ Grenzbebauung Bitz, „Die neuere Rechtsprechung zum Abstandsflächenrecht der Landesbauordnung 2004“, SKZ 2009, 158 ff.)

Entgegen der im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung der Beigeladenen kommt es dabei nicht entscheidend darauf an, ob nach der Flurkarte Hauptgebäude in der näheren Umgebung ohne die Einhaltung von Grenzabständen errichtet worden sind oder nicht. Anhaltspunkte für einen aus der faktischen Umgebungsbebauung im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO 2004, 34 Abs. 1 BauGB wegen Nichteinfügens einer Bebauung mit Grenzabstand ergebenden strikten bauplanungsrechtlichen Zwang zur Grenzbebauung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Nicht zulässig ist ferner die von den Beigeladenen geforderte isolierte abstandsflächenrechtliche Beurteilung (nur) der Dachterrasse auf der Grundlage des § 7 Abs. 7 Satz 1 LBO 2004. Die Terrasse mit den diese Benutzung des Flachdachs ermöglichenden baulichen Einrichtungen ist untrennbarer Bestandteil des Wohnhausanbaus, auf dessen Dach sie eingerichtet ist und der mit Ausnahme untergeordneter Bauteile nach § 7 Abs. 6 LBO 2004 einer einheitlichen Beurteilung zu unterziehen ist. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 53, OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.8.1999 – 2 Q 31/99 – (Dachgeländer), Urteil vom 14.12.1999 – 2 R 4/99 –, SKZ 2000, 103, Leitsatz Nr. 57 (Rollmarkise))

2. Die materielle Illegalität des 1979 errichteten Bauwerks (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) erfasst den gesamten Zeitraum seines Bestands. Der aus dem Abstandsflächenrecht herzuleitende Widerspruch zum Bauordnungsrecht ergab sich auch aus den einschlägigen Vorläuferbestimmungen in den §§ 6 LBO 1996 und 6 LBO 1988 und aus den Vorschriften über die von Gebäudeaußenwänden und insbesondere von „betretbaren Anbauten“ gegenüber den Grundstücksgrenzen einzuhaltenden Abstände (Bauwiche) nach § 7 Abs. 1 und Abs. 8 LBO 1974/80. Dass nach § 7 Abs. 4 Satz 3 LBO 1974/80 bis zur Änderung der Bauordnung im Jahre 1988 noch Terrassen auf „Grenzgaragen“ gestattet werden konnten, wenn sie einen Abstand von mindestens 2 m von der Grenze einhielten, lässt in mehrfacher Hinsicht keine andere Beurteilung zu. Zum einen handelte es sich bei dem Grenzanbau hier nicht um eine die dafür geltenden gesetzlichen Grenzen, insbesondere hinsichtlich der Höhenvorgaben, wahrende privilegierte Grenzgarage (§ 7 Abs. 5 LBO 1974/80). Zum anderen wurde die nunmehr maßgebliche erneute Änderung der Anlage im Dachbereich erst im Jahr 2002 von den Beigeladenen ins Werk gesetzt.

3. Der Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht wäre mangels Vorliegens der insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen auch zu keinem Zeitpunkt durch die Gewährung einer Abweichung (§ 68 LBO 2004) oder – früher – einer Befreiung (§§ 75 Abs. 3 LBO 1996, 64 Abs. 1 LBO 1988, 95 Abs. 1 LBO 1974/80) mit Blick auf eine atypische Sachverhaltskonstellation im Einzelfall und damit im Sinne des § 82 Abs. 1 LBO 2004 aus heutiger Sicht „auf andere Weise“ ausräumbar gewesen. Zum einen liegen grundstücksbezogene Besonderheiten des Einzelfalls hier offensichtlich nicht vor. Zum anderen hat die Rechtsprechung aus der in diesen Vorschriften durchgängig vom Gesetzgeber geforderten Würdigung nachbarlicher Interessen auf der Tatbestandsseite hergeleitet, dass eine Befreiung von nachbarschützenden Anforderungen des Bauordnungsrechts gegen den Willen der betroffenen Nachbarn in aller Regel nicht in Betracht kam. Das gilt auch für die nunmehr in § 68 Abs. 1 LBO 2004 vorgesehene Abweichungsmöglichkeit.

4. Im Falle einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften des materiellen Baurechts verdichtet sich das der zuständigen Behörde – hier dem Beklagten – auf der Rechtsfolgeseite des § 82 Abs. 1 LBO 2004 vom Gesetzgeber eingeräumte Entschließungsermessen für ein Tätigwerden in aller Regel zu einem positiven Anspruch des betroffenen Nachbarn auf Tätigwerden zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes. Das ist auch hier der Fall. Einschränkungen ergeben sich insoweit im konkreten Fall zunächst nicht aus einem Vorliegen behördlicher Zulassungsentscheidungen für den Wohnhausanbau. Dieser wurde – unstreitig – vom Rechtsvorgänger der Beigeladenen ohne die damals nach den §§ 87 ff. LBO 1974/80 erforderliche Baugenehmigung errichtet und in der Folge von der Bauaufsichtsbehörde ungeachtet ihres gesetzlichen Auftrags (heute: § 57 Abs. 2 LBO 2004) nie überprüft, geschweige denn genehmigt.

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen, die – was im Übrigen bezogen auf die Nutzung des vollständigen, sich in mehreren Metern Höhe befindenden Daches des grenzständigen Anbaus ohnehin sehr stark bezweifeln lässt – eine Störung der Kläger in ihrem Eigentum in Abrede stellen, setzt eine Ermessensreduzierung auf Null und damit der nachbarliche Einschreitensanspruch gegen die sich aus den Bestimmungen über die Abstandsflächen ergebende Grenzabstandserfordernisse unterschreitende Gebäude insbesondere nicht die Feststellung einer tatsächlichen Betroffenheit durch das Bauwerk voraus. (ständige Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte, so bereits OVG des Saarlandes, Urteil vom 6.3.1987 – 2 R 180/84 –, BRS 47 Nr. 100 unter Hinweis auf die „zentimeterscharf“ konzipierte Abstandsverpflichtung) Insofern gilt für den § 82 Abs. 1 LBO 2004 nichts anderes als für die entsprechenden Vorläuferbestimmungen. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 99) Die saarländischen Abstandsflächenvorschriften (§§ 7, 8 LBO 2004) sind (auch) an die Stelle der früheren Regelungen über die Sozialabstände (§ 8 LBO 1974/80) getreten, wobei der Gesetzgeber bei der diesen Gesichtspunkt ausdrücklich einbeziehenden Novellierung des Grenzabstandsrechts im Saarland im Jahre 1988 (§§ 6, 7 LBO 1988) ausdrücklich auch die weitere Gewährleistung eines störungsfreien Wohnens zur Wahrung des Nachbarfriedens im Blick hatte. Für die aktuellen Nachfolgebestimmungen über die insbesondere von Gebäuden einzuhaltenden Abstandsflächenvorschriften in den §§ 7 und 8 LBO 2004 gilt nichts anderes. (vgl. Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 19 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Gesetzesmaterialien; OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.11.2000 – 2 R 2/00 –, SKZ 2001, 111, Leitsatz Nr. 48, BRS 63 Nr. 135)

5. Die Kläger sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht aufgrund von Besonderheiten des konkreten Falls an der Geltendmachung ihres Abwehrrechts und damit des Anspruchs gegen den Beklagten gehindert.

a. Der Einschreitensanspruch der Kläger nach § 82 Abs. 1 LBO 2004 gegenüber dem „Schwarzbau“ wegen Verletzung des materiellen Grenzabstandsgebots kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht mit Blick auf den Bestandszeitraum des Wohnhauses von nunmehr über 20 Jahren als gemäß § 242 BGB entspr. verwirkt angesehen werden. (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen dieses auch gegenüber sog. ungenehmigten „Schwarzbauten“ im öffentlichen Baunachbarrecht beachtlichen Verlusttatbestands Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 73, 77 ff.)

Weder die Kläger noch – insoweit zurechenbar – ein Rechtsvorgänger haben in der Vergangenheit durch ihr Verhalten den Beigeladenen beziehungsweise deren Rechtsvorgängern zu irgendeinem Zeitpunkt – geschweige denn über einen ein schutzwürdiges Vertrauen in die Hinnahme des Bauwerks begründenden Zeitraum Veranlassung zu der Annahme gegeben, dass der grenzständige Wohnhausanbau in seiner jetzigen Form, das heißt mit einem als Terrasse benutzbaren Flachdach, hingenommen würde. Der Voreigentümer des Wohnhauses der Kläger hat unmittelbar nach der Ausführung der Anlage um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht und über einen mit den Bauherrn geschlossenen zivilgerichtlichen Vergleich den Rückbau der Terrasse, insbesondere die Schließung der Zugangstür erreicht, die baulich umgesetzt wurde und anschließend bis zur Änderung durch die Beigeladenen im Jahre 2002 Bestand hatte. Gegen den erneuten Einbau der Tür haben sich die Kläger zeitnah sowohl in Schreiben an die Beigeladenen als auch, nachdem diese einen erneuten Rückbau abgelehnt hatten, an den Beklagten gewandt.

Ob die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Verwirkung von sich aus dem materiellen Bundesbaurecht ergebenden nachbarlichen Abwehransprüchen gegen Bauvorhaben entwickelten strengen Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Kausalitätskriteriums zwischen einem Untätigbleiben des Nachbarn und einer darauf aufbauenden Vertrauensbetätigung durch den Bauherrn (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urteil vom 16.5.1991 – 4 C 4.89 –, BRS 52 Nr. 218) auf die Verwirkung landesrechtlicher Abwehrrechte vollumfänglich zu übertragen sind und ob insoweit hier überhaupt eine Verwirkung des Anspruchs der Kläger in Betracht käme, kann daher auf sich beruhen.

b. Dem Begehren auf Erlass einer Beseitigungsanordnung durch den Beklagten für den streitgegenständlichen Wohnhausanbau kann auch nicht der Einwand eines darin liegenden Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens entgegen gehalten werden. ( vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.5.1996 – 2 R 24/95 -, SKZ 1996, 266, Leitsatz Nr. 20, wonach die im Rahmen eines Zivilprozesses abgegebene Erklärung des Nachbarn, er erhebe keine Einwendungen gegen ein bestimmtes Bauvorhaben, die Erhebung des Widerspruchs gegen die für dieses Vorhaben erteilte Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des ‚ venire contra factum proprium ’ unzulässig machen kann, und Beschluss vom 14.3.1983 – 2 R 14/82 –, BRS 40 Nr. 209 ) Das gilt insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass sowohl ihr Rechtsvorgänger, wie sich dem zwischen ihm und den Bauherrn im Jahre 1983 vor dem Amtsgericht in Lebach geschlossenen Vergleich entnehmen lässt, als auch die Kläger, wie bereits die Fassung ihres Klageantrags in erster Instanz zeigt, bereit waren beziehungsweise sind, den formell und materiell illegalen Grenzbau zu tolerieren, sofern die Benutzung des Flachdaches als Terrasse „über“ ihrem Garten beziehungsweise Außenwohnbereich unterbleibt und die diese Nutzung ermöglichenden baulichen Vorkehrungen in Form einer Zugangstür im Giebel des Wohnhauses und einer Umwehrung der dann betretbaren Dachfläche (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 LBO 2004) „zurückgebaut“ werden. Aus dem eindeutig an diese Vorbedingung geknüpften nachbarlichen Einverständnis vermögen die Beigeladenen offensichtlich keine Verpflichtung zur Hinnahme des Anbaus in seiner nunmehr insoweit gerade entgegen der nachbarlichen Bedingung wiederum veränderten Form mit der Terrasse auf dessen Flachdach herzuleiten.

Eine Bindung der Kläger ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Rechtsvorgänger 1983 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich. Zwar hat der Senat in der Vergangenheit Nachbarn, die sich im Rahmen eines Zivilprozesses mit einem ursprünglich von ihnen bekämpften Bauvorhaben in einer bestimmten Form einverstanden erklärt hatten, anschließend unter Verweis auf ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB entspr.) die Befugnis abgesprochen, bezüglich dieses Bauvorhabens Ansprüche auf Einschreiten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde wegen einer Nichteinhaltung nachbarschützender öffentlich-rechtlicher Vorschriften geltend zu machen. Das betraf indes Fälle, in denen das Vorhaben nicht nachträglich in einer die Frage der Nachbarbetroffenheit – wie hier – neu aufwerfenden Form verändert wurde oder in denen teilweise sogar das Bauwerk im Gefolge und nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Nachbarn geändert worden war. (vgl. insoweit OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1997 – 2 R 1/97 –, n.v., betreffend ein Beseitigungsverlangen des Nachbarn für einen auf seiner Grenze ausgeführten Wintergarten, der zuvor entsprechend seinen Wünschen im Zivilprozess vom Bauherrn verändert worden war.) Das hat mit dem vorliegenden Fall, in dem sich die Beigeladenen offensichtlich – ob bewusst oder unbewusst, spielt insoweit keine Rolle – von der zivilrechtlichen Einigung entgegen dem erkennbar fortbestehenden Willen der Nachbarn einseitig „eigenmächtig verabschiedet“ haben, nichts zu tun. Daher ließe sich hier allenfalls die Frage aufwerfen, ob den Klägern trotz der neuerlichen Veränderung des Bauwerks im Jahre 2002 im Falle des (erneuten) Rückbaus (weiterhin) eine Pflicht zur Hinnahme des Anbaus in der Form obliegt, wie sie im Vergleich von 1983 festgelegt worden ist. Das muss indes mit Blick auf die diesbezüglich eindeutigen Erklärungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, wonach die Kläger weiterhin zur Hinnahme des Grenzbaus ohne die Terrasse entsprechend dem 1983 geschlossenen Vergleich bereit sind, nicht vertieft werden.

Die Situation stellt sich daher rechtlich nicht anders dar, als in der Konstellation, dass der Beklagte seinerzeit, was mit Blick auf seine allgemeine Aufgabenstellung als Bauaufsichtsbehörde (damals: § 82 Abs. 2 LBO 1974/80) zu erwarten gewesen wäre, über eine ausdrückliche Nachbarzustimmung und eine – unterstellt rechtmäßige – Befreiung (§ 95 Abs. 1 LBO 1974/80) für den Anbau in der von dem Rechtsvorgänger der Kläger tolerierten Form ohne Nutzung des Daches eine nachträgliche zumindest formelle Legalisierung herbeigeführt hätte. Auch in diesem Fall beschränkte sich die Bindungswirkung der Nachbarzustimmung allein auf das konkrete Vorhaben in der Ausgestaltung, in der es der Nachbar gebilligt hatte, das heißt hier ebenfalls ohne Herstellung einer Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Dass der von den Beigeladenen im Jahre 2002 vorgenommene, dem Beklagten spätestens seit 2003 bekannte Umbau diesem ohnehin unabhängig von Nachbarbeschwerden Veranlassung zu einer baurechtlichen Überprüfung des Vorgangs geben müsste, sei dabei nur ergänzend erwähnt.

Wollte man den Klägern eine Befugnis zur Geltendmachung der Verletzung der ihrem Schutz dienenden Abstandsflächenvorschriften verwehren, so hätte das zur Konsequenz, dass sie nun den illegalen Bau auf ihrer Grenze in einer Form hinzunehmen hätten, die sie beziehungsweise ihr Rechtsvorgänger von Anfang an nicht zu tolerieren bereit waren und den sie auch in beiden Herstellungsphasen der Terrasse jeweils konsequent und zeitnah bekämpft haben. Da dies eindeutig ist, kann der Beklagte gegenüber dem Einschreitensbegehren vorliegend nicht darauf verweisen, dass er als Bauaufsichtsbehörde – was im Grundsatz zutrifft – nicht verpflichtet sein kann, die inhaltliche Reichweite im Einzelfall getroffener zivilrechtlicher Absprachen zwischen Bauherrn und von dem Bauvorhaben betroffenen Nachbarn im Wege der Auslegung und Würdigung zu ermitteln. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.6.1985 – 2 R 404/83 –, SKZ 1985, 235 Leitsatz Nr. 19, wonach der Bauaufsichtsbehörde unter Ermessensgesichtspunkten die Befugnis einzuräumen sein soll, unter Hinweis auf „ungeklärte zivilrechtliche Vorfragen“ auch bei einer nur möglichen Pflicht zur Hinnahme des Bauwerks durch den Nachbarn ein Einschreiten abzulehnen; OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.6.1991 – 2 R 12/90 –, zur Pflicht der Bauaufsichtsbehörde, im Rahmen einer auf die Nachbarrechtsverletzung abhebenden Beseitigungsanordnung bei der Ermessensausübung zivilrechtliche Absprachen zwischen Bauherrn und Nachbarn zu berücksichtigen)

c. Schließlich müssen sich die Kläger in dem konkreten Fall entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht die Existenz des vor dem Amtsgericht Lebach im Jahre 1983 von ihrem Rechtsvorgänger geschlossenen Vergleichs, in dem sich die Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu dem von den Klägern nunmehr erneut verlangten Rückbau verpflichtet haben, entgegenhalten lassen. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass der Nachbar im Grundsatz dann kein (zusätzliches) bauaufsichtsbehördliches Einschreiten erfolgreich einfordern kann, wenn er im Besitz eines inhaltlich die zur Ausräumung seiner geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung von ihm für geboten erachtete Anordnung abdeckenden vollstreckbaren zivilgerichtlichen Titels ist und er sich daher insoweit selbst einfacher „zu seinem Recht verhelfen“ kann. (vgl. insoweit zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.2.2010 – 2 A 390/09 – mit weiteren Nachweisen, wonach das auch im Hinblick auf die aus Sicht des Nachbarn einfachere und vor allem „kostengünstigere“ Vollstreckung einer behördlichen Anordnung im Vergleich zur Durchsetzung eines Zivilurteils gilt) Das gilt hier indes nicht. Dies ergibt sich zwar nicht bereits formal aus dem Umstand, dass weder die Kläger noch die Beigeladenen als Vollstreckungsgläubiger beziehungsweise Vollstreckungsschuldner – wie in § 750 Abs. 1 ZPO für den Beginn der Vollstreckung vorgeschrieben – in der Vergleichsurkunde namentlich benannt sind. Insoweit müssten sich die Kläger im Grundsatz auf ihnen zivilprozessual eröffnete Möglichkeiten einer Umschreibung des Titels verweisen lassen. Die Kläger weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass eine Vollstreckung durch sie aus dem 1983 zwischen den Rechtsvorgängern geschlossenen Vergleich gegenüber den Beigeladenen, sofern diese überhaupt in Betracht kommt, eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft, die, nachdem die Beigeladenen Rechtsbehelfe gegen die von den Klägern beantragte Umschreibung des Titels angekündigt haben, im Rahmen weiterer (zivil-)gerichtlicher Verfahren, deren Ausgang aus heutiger Sicht nicht im Sinne der Kläger positiv prognostiziert werden kann, zu klären wären.

Die Kläger haben im September 2003, also unmittelbar nachdem der Beklagte ein Tätigwerden unter Hinweis auf den zivilgerichtlichen Vergleich der Rechtsvorgänger abgelehnt hatte, beim Amtsgericht in Lebach beantragt, ihnen eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) auf der Grundlage des insoweit über § 795 ZPO auch für gerichtliche Vergleiche geltenden § 727 Abs. 1 ZPO zu erteilen. (vgl. den Schriftsatz vom 23.9.2003 im Verfahren 3 C 659/82 der Rechtsvorgänger, Blatt 115 der Gerichtsakte) Ohne eine solche qualifizierte Klausel ist der Titel für die Kläger von vorneherein nicht vollstreckbar; sie können eine Vollstreckung weder beginnen noch fortsetzen. Das Vollstreckungsgericht ist auch in Fällen der Rechtsnachfolge (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25.1.2007 – V ZB 47/06 –, NJW 2007, 3357) grundsätzlich zu einer materiellen Überprüfung des titulierten Anspruchs und der materiellen Rechtslage weder berechtigt noch in der Lage. Mit der Möglichkeit der Umschreibung in § 727 Abs. 1 ZPO soll nachträglichen Veränderungen in der materiellen Berechtigung Rechnung getragen und insbesondere ein neuer Prozess für oder gegen Rechtsnachfolger vermieden werden. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1) Von daher konsequent verneint die Rechtsprechung ein Rechtsschutzinteresse für den neuen Prozess gegen den Rechtsnachfolger unter Verweis auf die Umschreibungsmöglichkeit nach § 727 Abs. 1 ZPO beziehungsweise die dem Gläubiger dadurch eröffneten Möglichkeiten, einen gegen den Rechtsvorgänger des Schuldners erstrittenen Titel auch gegen dessen Rechtsnachfolger nutzbar zu machen. Das wird indes wiederum ausnahmsweise dann nicht angenommen, wenn es sich bei dem Titel um eine vollstreckbare Urkunde oder – wie hier – um einen Vergleich, also um einen nicht der Rechtskraft fähigen Titel handelt und der Gläubiger eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ernsthaft gewärtigen muss, mit welcher der in Anspruch genommene Rechtsnachfolger die Geltendmachung von Einwendungen gegen den titulierten (materiellen) Anspruch gegenüber dem Prozessgericht erhebt. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 3.4.1957 – V ZR 111/56 –, NJW 1957, 1111 und KG Berlin, Urteil vom 21.1.2005 – 13 UF 146/04 –,  FamRZ 2005, 1759) Diese Wertung ist auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Die Beigeladenen haben gegenüber dem Amtsgericht Lebach schon im Dezember 2003 eine Vielzahl von Einwendungen gegen die – wohlgemerkt im Ansatz doppelt erforderliche – Umschreibung des Vergleichs erhoben und eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bereits ausdrücklich angekündigt. (vgl. den Schriftsatz vom 17.12.2003 – 3 C 659/82 – an das AG Lebach, Blatt 117 der Gerichtsakte) Dabei wurden neben der Rechtsnachfolge, und zwar für beide Anwesen, auch die materielle Berechtigung der Kläger aus dem Vergleich beziehungsweise aus § 1004 BGB in Abrede gestellt und den Klägern insoweit die Einleitung eines erneuten Erkenntnisverfahrens angesonnen. Darüber hinaus haben die Beigeladenen einen Herausgabeanspruch bezogen auf den Titel eingewandt mit Blick auf den Umstand, dass der frühere Eigentümer ihres Grundstücks die im Vergleich gegenüber dem damaligen Eigentümer des klägerischen Anwesens übernommene Verpflichtung des Teilrückbaus der Tür erfüllt und dass dieser Zustand bis ins Jahr 2002 Bestand hatte. In dieser Situation kann es kaum verwundern, dass das Amtsgericht in Lebach bisher – unstreitig – den Titel nicht umgeschrieben hat. Nicht ganz widerspruchsfrei erscheint es allerdings, wenn sich die Beigeladenen in dem Zusammenhang die Auffassung des Beklagten zu eigen machen, wonach den Klägern ein einfacherer zivilrechtlicher Weg offenstehe, um ihre Rechte durchzusetzen.

Vor dem Hintergrund kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass den Klägern aufgrund des 1983 vor dem Amtsgericht geschlossenen Vergleichs eine „einfachere“ und „sichere“ Möglichkeit offenstünde, um im Ergebnis zu ihrem Recht zu kommen. Die Kläger sind daher im konkreten Fall nicht verpflichtet, die absehbar notwendigen weiteren streitigen zivilgerichtlichen Erkenntnisverfahren mit derzeit zumindest ungewissem Ausgang durchzuführen, bevor ihnen eine Befugnis zuerkannt werden kann, im Verwaltungsrechtsweg die ihnen aus öffentlichem Recht, hier der Landesbauordnung, zustehenden materiellen Abwehrrechte und Ansprüche gegenüber dem vom Landesgesetzgeber mit der „Überwachung“ der Einhaltung dieser Vorschriften – unabhängig von Fragen des Bauverfahrensrechts – betrauten Beklagten (§§ 57 Abs. 2, 60 Abs. 2 LBO 2004) geltend zu machen.

3. Insgesamt war daher der Berufung stattzugeben und der Beklagte unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Erlass der von den Klägern geforderten Beseitigungsanordnung hinsichtlich des Anbaus in seiner durch die Beigeladenen (erneut) hergestellten Form mit bis auf die gemeinsame Grenze reichendem begehbarem Flachdach, und auch zur im Fall der Nichtbefolgung erforderlichen Durchsetzung einer solchen Verfügung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs (§§ 13 ff. SVwVG) zu verpflichten. Bei letzterem handelt es sich lediglich um eine „Klarstellung“ des Umstands, dass sich der Einschreitensanspruch der Kläger in der Sache auf eine Ausräumung der Nachbarrechtsverletzung richtet und daher erforderlichenfalls auch die Durchsetzung diesem Ziel dienender Anordnungen durch den Beklagten umfasst.

4. Zur Klarstellung ist anzumerken, dass die Beigeladenen jedenfalls im Rechtsverhältnis zu den Klägern im Falle des Erlasses beziehungsweise gegenüber der Durchsetzung der Beseitigungsanordnung (§§ 82 Abs. 1 LBO 2004, 13 ff. SVwVG) für den Anbau berechtigt sind, als – in der vollstreckungsrechtlichen Terminologie – geeignetes Austauschmittel zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes den Rückbau entsprechend den Vorgaben des Vergleichs aus dem Jahre 1983 durchzuführen. Dass die Kläger mit dieser Maßnahme ihre Nachbarrechte als gewahrt ansehen, haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.6.2010 noch einmal ausdrücklich zu Protokoll erklärt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Die Beigeladenen, die nur in zweiter Instanz Anträge gestellt haben, waren insoweit nach Maßgabe des § 154 Abs. 3 VwGO hälftig an den Kosten des Berufungsverfahrens zu beteiligen. Für einen Ausspruch nach § 162 Abs. 3 VwGO zu ihren Gunsten bestand mit Blick auf den Prozessausgang insgesamt keine Veranlassung.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG, ebenso bereits die vorläufige Festsetzung im Beschluss vom 7.11.2008 – 2 A 406/07 –).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

I.

A.

Die vom Senat zugelassene und fristgerecht mit einer Begründung versehene Berufung der Kläger ist auch sonst zulässig.

Die im Verlaufe des Rechtsmittelverfahrens vorgenommene Neufassung des Klageantrags auf – nunmehr – die Verpflichtung des Beklagten zum Erlass einer Beseitigungsanordnung für den grenzständigen Wohnhausanbau auf dem Grundstück der Beigeladenen unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Es ist bereits fraglich, ob hierin eine Änderung des Streitgegenstands zu erblicken ist, da das Einschreitensbegehren eines Nachbarn gegenüber der Bauaufsichtsbehörde in der Sache immer auf eine Ausräumung materieller Nachbarrechtsverstöße durch das von ihm bekämpfte Bauvorhaben mit den der Behörde durch die Landesbauordnung eröffneten Möglichkeiten des Vorgehens gegen den Bauherrn zielt und vom Nachbarn regelmäßig keine abschließende rechtliche Prüfung hinsichtlich der insoweit im konkreten Einzelfall in Betracht kommenden Einschreitensbefugnisse und ihrer Grenzen verlangt werden kann. Selbst wenn man aber, wie dies der Beklagte und die Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung getan haben, die Umstellung des Antrags als Änderung der Klage ansieht, so wäre diese in jedem Falle sachdienlich und daher zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO). Ansprüche privater Nachbarn auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegenüber Dritten können sich von vornherein nur im Rahmen der durch die einschlägigen Bestimmungen der Landesbauordnung eröffneten Befugnisse zum Tätigwerden nach den §§ 57 Abs. 2, 81, 82 LBO 2004 ergeben. Diese Vorschriften ermächtigen nicht zum Erlass von Baugeboten in Form einer Verpflichtung zur baulichen Änderung bestehender Anlagen (vgl. zur fehlenden Befugnis der Bauaufsichtsbehörden zum Erlass sog. Baugebote selbst bei der Durchsetzung verbindlicher nachbarlicher Vorbehalte in Genehmigungsverfahren, die Gegenstand der behördlichen Zulassungsentscheidung geworden sind OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.1.1994 – 2 R 16/93 –, BRS 56 Nr. 192, wonach insoweit regelmäßig nur die Anordnung der Beseitigung entsprechend nicht genehmigungskonform ausgeführter Anlagen in Betracht kommt) und lassen daher hier keinen Raum zumindest für die im erstinstanzlichen Klageantrag von den Klägern geforderte Rückbaumaßnahme hinsichtlich der von den Beigeladenen in die Giebelwand ihres Wohnhauses eingebauten Zugangstür zur Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Die Anordnungsbefugnisse des Beklagten umfassen – bei Vorliegen der in § 82 Abs. 1 LBO 2004 genannten Voraussetzungen – vielmehr lediglich die Beseitigung des insoweit rechtlich als Einheit zu betrachtenden Anbaus in seiner Gesamtheit. Die Änderung des Antrags durch die Kläger dient einer abschließenden Klärung der Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich des Bauwerks und der rechtlichen Beziehungen der Kläger zum Beklagten mit Blick auf das von ihnen seit Jahren verlangte Tätigwerden. Die Sachdienlichkeit (§ 91 Abs. 1 VwGO) ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht bereits wegen einer erkennbar zutage liegenden Unzulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens in der nun von den Klägern formulierten Fassung zu verneinen. Das Verlangen auf Anordnung der Beseitigung des Anbaus war bereits Gegenstand des Verwaltungsantrags der Kläger und „spielte sich“ daher entgegen der Einlassung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht lediglich in deren „Hinterkopf“ ab. Bereits in dem Schreiben der Kläger vom 20.3.2003 an den Beklagten heißt es ausdrücklich, dass der Anbau die notwendigen Abstandsflächen nicht einhalte, weswegen neben der Nutzungsuntersagung auch „die Beseitigung des rechtswidrigen Bauwerks zu veranlassen“ sei. Das hätte dem Beklagten unter Ermessensgesichtspunkten von vornherein Veranlassung geben müssen, sich mit diesem Begehren der Kläger zu befassen und den Gesichtspunkt in seine Erwägungen einzubeziehen.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Die Weigerung des Beklagten zum Einschreiten ist gegenüber den Klägern rechtswidrig und verletzt diese in ihren subjektiven Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Den Klägern steht ein Anspruch auf Erlass der begehrten Beseitigungsanordnung bezüglich des grenzständigen Wohnhausanbaus auf dem Grundstück der Beigeladenen zu.

Dieser Anspruch ergibt sich aus dem § 82 Abs. 1 LBO 2004, wonach die Bauaufsichtsbehörden die Beseitigung baulicher Anlagen anordnen können, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden und rechtmäßig Zustände auf andere Weise nicht hergestellt werden können, in Verbindung mit den nachbarschützenden Bestimmungen in § 7 LBO 2004 über die vor Gebäudeaußenwänden auf dem Baugrundstück einzuhaltenden Abstandsflächen (Grenzabstände).

1. Der bis auf die gemeinsame Grenze mit dem Grundstück der Kläger (Parzellen Nr. 159/1 und Nr. 160/1) reichende Wohnhausanbau verstößt gegen das Grenzabstandsgebot des § 7 Abs. 1 Satz 1 LBO 2004. Danach sind vor Außenwänden von Gebäuden auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 2 Satz 1 LBO 2004) Abstandsflächen freizuhalten, deren Tiefe mindestens 3 m beträgt (§ 7 Abs. 5 Satz 4 LBO 2004). Die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Sätze 2 und 3 LBO 2004, nach denen abweichend von dieser Grundregel Abstandsflächen nicht erforderlich sind (Satz 2) beziehungsweise „ohne Grenzabstand“ gebaut werden darf, liegen hier nicht vor. Insbesondere wurde das Grundstück der Kläger nicht ohne Grenzabstand bebaut (Satz 3). Für diese Beurteilung ist mit Blick auf das den Abstandsflächenregelungen zugrunde liegende nachbarliche Austauschverhältnis allein auf die gemeinsame Grenze des Baugrundstücks mit dem Grundstück des sich gegen eine Grenzbebauung wendenden Nachbarn abzustellen. (vgl. zu den sich allgemein aus der Novellierung des Abstandsflächenrechts im Jahre 2004 ergebenden weitergehenden Möglichkeiten „einvernehmlicher“ Grenzbebauung Bitz, „Die neuere Rechtsprechung zum Abstandsflächenrecht der Landesbauordnung 2004“, SKZ 2009, 158 ff.)

Entgegen der im erstinstanzlichen Verfahren vertretenen Auffassung der Beigeladenen kommt es dabei nicht entscheidend darauf an, ob nach der Flurkarte Hauptgebäude in der näheren Umgebung ohne die Einhaltung von Grenzabständen errichtet worden sind oder nicht. Anhaltspunkte für einen aus der faktischen Umgebungsbebauung im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO 2004, 34 Abs. 1 BauGB wegen Nichteinfügens einer Bebauung mit Grenzabstand ergebenden strikten bauplanungsrechtlichen Zwang zur Grenzbebauung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Nicht zulässig ist ferner die von den Beigeladenen geforderte isolierte abstandsflächenrechtliche Beurteilung (nur) der Dachterrasse auf der Grundlage des § 7 Abs. 7 Satz 1 LBO 2004. Die Terrasse mit den diese Benutzung des Flachdachs ermöglichenden baulichen Einrichtungen ist untrennbarer Bestandteil des Wohnhausanbaus, auf dessen Dach sie eingerichtet ist und der mit Ausnahme untergeordneter Bauteile nach § 7 Abs. 6 LBO 2004 einer einheitlichen Beurteilung zu unterziehen ist. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 53, OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.8.1999 – 2 Q 31/99 – (Dachgeländer), Urteil vom 14.12.1999 – 2 R 4/99 –, SKZ 2000, 103, Leitsatz Nr. 57 (Rollmarkise))

2. Die materielle Illegalität des 1979 errichteten Bauwerks (§ 82 Abs. 1 LBO 2004) erfasst den gesamten Zeitraum seines Bestands. Der aus dem Abstandsflächenrecht herzuleitende Widerspruch zum Bauordnungsrecht ergab sich auch aus den einschlägigen Vorläuferbestimmungen in den §§ 6 LBO 1996 und 6 LBO 1988 und aus den Vorschriften über die von Gebäudeaußenwänden und insbesondere von „betretbaren Anbauten“ gegenüber den Grundstücksgrenzen einzuhaltenden Abstände (Bauwiche) nach § 7 Abs. 1 und Abs. 8 LBO 1974/80. Dass nach § 7 Abs. 4 Satz 3 LBO 1974/80 bis zur Änderung der Bauordnung im Jahre 1988 noch Terrassen auf „Grenzgaragen“ gestattet werden konnten, wenn sie einen Abstand von mindestens 2 m von der Grenze einhielten, lässt in mehrfacher Hinsicht keine andere Beurteilung zu. Zum einen handelte es sich bei dem Grenzanbau hier nicht um eine die dafür geltenden gesetzlichen Grenzen, insbesondere hinsichtlich der Höhenvorgaben, wahrende privilegierte Grenzgarage (§ 7 Abs. 5 LBO 1974/80). Zum anderen wurde die nunmehr maßgebliche erneute Änderung der Anlage im Dachbereich erst im Jahr 2002 von den Beigeladenen ins Werk gesetzt.

3. Der Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht wäre mangels Vorliegens der insoweit geltenden gesetzlichen Anforderungen auch zu keinem Zeitpunkt durch die Gewährung einer Abweichung (§ 68 LBO 2004) oder – früher – einer Befreiung (§§ 75 Abs. 3 LBO 1996, 64 Abs. 1 LBO 1988, 95 Abs. 1 LBO 1974/80) mit Blick auf eine atypische Sachverhaltskonstellation im Einzelfall und damit im Sinne des § 82 Abs. 1 LBO 2004 aus heutiger Sicht „auf andere Weise“ ausräumbar gewesen. Zum einen liegen grundstücksbezogene Besonderheiten des Einzelfalls hier offensichtlich nicht vor. Zum anderen hat die Rechtsprechung aus der in diesen Vorschriften durchgängig vom Gesetzgeber geforderten Würdigung nachbarlicher Interessen auf der Tatbestandsseite hergeleitet, dass eine Befreiung von nachbarschützenden Anforderungen des Bauordnungsrechts gegen den Willen der betroffenen Nachbarn in aller Regel nicht in Betracht kam. Das gilt auch für die nunmehr in § 68 Abs. 1 LBO 2004 vorgesehene Abweichungsmöglichkeit.

4. Im Falle einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften des materiellen Baurechts verdichtet sich das der zuständigen Behörde – hier dem Beklagten – auf der Rechtsfolgeseite des § 82 Abs. 1 LBO 2004 vom Gesetzgeber eingeräumte Entschließungsermessen für ein Tätigwerden in aller Regel zu einem positiven Anspruch des betroffenen Nachbarn auf Tätigwerden zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes. Das ist auch hier der Fall. Einschränkungen ergeben sich insoweit im konkreten Fall zunächst nicht aus einem Vorliegen behördlicher Zulassungsentscheidungen für den Wohnhausanbau. Dieser wurde – unstreitig – vom Rechtsvorgänger der Beigeladenen ohne die damals nach den §§ 87 ff. LBO 1974/80 erforderliche Baugenehmigung errichtet und in der Folge von der Bauaufsichtsbehörde ungeachtet ihres gesetzlichen Auftrags (heute: § 57 Abs. 2 LBO 2004) nie überprüft, geschweige denn genehmigt.

Entgegen der Ansicht der Beigeladenen, die – was im Übrigen bezogen auf die Nutzung des vollständigen, sich in mehreren Metern Höhe befindenden Daches des grenzständigen Anbaus ohnehin sehr stark bezweifeln lässt – eine Störung der Kläger in ihrem Eigentum in Abrede stellen, setzt eine Ermessensreduzierung auf Null und damit der nachbarliche Einschreitensanspruch gegen die sich aus den Bestimmungen über die Abstandsflächen ergebende Grenzabstandserfordernisse unterschreitende Gebäude insbesondere nicht die Feststellung einer tatsächlichen Betroffenheit durch das Bauwerk voraus. (ständige Rechtsprechung der saarländischen Verwaltungsgerichte, so bereits OVG des Saarlandes, Urteil vom 6.3.1987 – 2 R 180/84 –, BRS 47 Nr. 100 unter Hinweis auf die „zentimeterscharf“ konzipierte Abstandsverpflichtung) Insofern gilt für den § 82 Abs. 1 LBO 2004 nichts anderes als für die entsprechenden Vorläuferbestimmungen. (vgl. dazu allgemein Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 99) Die saarländischen Abstandsflächenvorschriften (§§ 7, 8 LBO 2004) sind (auch) an die Stelle der früheren Regelungen über die Sozialabstände (§ 8 LBO 1974/80) getreten, wobei der Gesetzgeber bei der diesen Gesichtspunkt ausdrücklich einbeziehenden Novellierung des Grenzabstandsrechts im Saarland im Jahre 1988 (§§ 6, 7 LBO 1988) ausdrücklich auch die weitere Gewährleistung eines störungsfreien Wohnens zur Wahrung des Nachbarfriedens im Blick hatte. Für die aktuellen Nachfolgebestimmungen über die insbesondere von Gebäuden einzuhaltenden Abstandsflächenvorschriften in den §§ 7 und 8 LBO 2004 gilt nichts anderes. (vgl. Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp VIII Rn 19 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Gesetzesmaterialien; OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.11.2000 – 2 R 2/00 –, SKZ 2001, 111, Leitsatz Nr. 48, BRS 63 Nr. 135)

5. Die Kläger sind entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht aufgrund von Besonderheiten des konkreten Falls an der Geltendmachung ihres Abwehrrechts und damit des Anspruchs gegen den Beklagten gehindert.

a. Der Einschreitensanspruch der Kläger nach § 82 Abs. 1 LBO 2004 gegenüber dem „Schwarzbau“ wegen Verletzung des materiellen Grenzabstandsgebots kann entgegen der Ansicht des Beklagten nicht mit Blick auf den Bestandszeitraum des Wohnhauses von nunmehr über 20 Jahren als gemäß § 242 BGB entspr. verwirkt angesehen werden. (vgl. allgemein zu den Voraussetzungen dieses auch gegenüber sog. ungenehmigten „Schwarzbauten“ im öffentlichen Baunachbarrecht beachtlichen Verlusttatbestands Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Auflage 2005, Kp XI Rn 73, 77 ff.)

Weder die Kläger noch – insoweit zurechenbar – ein Rechtsvorgänger haben in der Vergangenheit durch ihr Verhalten den Beigeladenen beziehungsweise deren Rechtsvorgängern zu irgendeinem Zeitpunkt – geschweige denn über einen ein schutzwürdiges Vertrauen in die Hinnahme des Bauwerks begründenden Zeitraum Veranlassung zu der Annahme gegeben, dass der grenzständige Wohnhausanbau in seiner jetzigen Form, das heißt mit einem als Terrasse benutzbaren Flachdach, hingenommen würde. Der Voreigentümer des Wohnhauses der Kläger hat unmittelbar nach der Ausführung der Anlage um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht und über einen mit den Bauherrn geschlossenen zivilgerichtlichen Vergleich den Rückbau der Terrasse, insbesondere die Schließung der Zugangstür erreicht, die baulich umgesetzt wurde und anschließend bis zur Änderung durch die Beigeladenen im Jahre 2002 Bestand hatte. Gegen den erneuten Einbau der Tür haben sich die Kläger zeitnah sowohl in Schreiben an die Beigeladenen als auch, nachdem diese einen erneuten Rückbau abgelehnt hatten, an den Beklagten gewandt.

Ob die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Verwirkung von sich aus dem materiellen Bundesbaurecht ergebenden nachbarlichen Abwehransprüchen gegen Bauvorhaben entwickelten strengen Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Kausalitätskriteriums zwischen einem Untätigbleiben des Nachbarn und einer darauf aufbauenden Vertrauensbetätigung durch den Bauherrn (vgl. hierzu grundlegend BVerwG, Urteil vom 16.5.1991 – 4 C 4.89 –, BRS 52 Nr. 218) auf die Verwirkung landesrechtlicher Abwehrrechte vollumfänglich zu übertragen sind und ob insoweit hier überhaupt eine Verwirkung des Anspruchs der Kläger in Betracht käme, kann daher auf sich beruhen.

b. Dem Begehren auf Erlass einer Beseitigungsanordnung durch den Beklagten für den streitgegenständlichen Wohnhausanbau kann auch nicht der Einwand eines darin liegenden Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB entspr.) unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens entgegen gehalten werden. ( vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 28.5.1996 – 2 R 24/95 -, SKZ 1996, 266, Leitsatz Nr. 20, wonach die im Rahmen eines Zivilprozesses abgegebene Erklärung des Nachbarn, er erhebe keine Einwendungen gegen ein bestimmtes Bauvorhaben, die Erhebung des Widerspruchs gegen die für dieses Vorhaben erteilte Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des ‚ venire contra factum proprium ’ unzulässig machen kann, und Beschluss vom 14.3.1983 – 2 R 14/82 –, BRS 40 Nr. 209 ) Das gilt insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass sowohl ihr Rechtsvorgänger, wie sich dem zwischen ihm und den Bauherrn im Jahre 1983 vor dem Amtsgericht in Lebach geschlossenen Vergleich entnehmen lässt, als auch die Kläger, wie bereits die Fassung ihres Klageantrags in erster Instanz zeigt, bereit waren beziehungsweise sind, den formell und materiell illegalen Grenzbau zu tolerieren, sofern die Benutzung des Flachdaches als Terrasse „über“ ihrem Garten beziehungsweise Außenwohnbereich unterbleibt und die diese Nutzung ermöglichenden baulichen Vorkehrungen in Form einer Zugangstür im Giebel des Wohnhauses und einer Umwehrung der dann betretbaren Dachfläche (§ 38 Abs. 1 Nr. 3 LBO 2004) „zurückgebaut“ werden. Aus dem eindeutig an diese Vorbedingung geknüpften nachbarlichen Einverständnis vermögen die Beigeladenen offensichtlich keine Verpflichtung zur Hinnahme des Anbaus in seiner nunmehr insoweit gerade entgegen der nachbarlichen Bedingung wiederum veränderten Form mit der Terrasse auf dessen Flachdach herzuleiten.

Eine Bindung der Kläger ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Rechtsvorgänger 1983 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich. Zwar hat der Senat in der Vergangenheit Nachbarn, die sich im Rahmen eines Zivilprozesses mit einem ursprünglich von ihnen bekämpften Bauvorhaben in einer bestimmten Form einverstanden erklärt hatten, anschließend unter Verweis auf ein widersprüchliches Verhalten (§ 242 BGB entspr.) die Befugnis abgesprochen, bezüglich dieses Bauvorhabens Ansprüche auf Einschreiten gegenüber der Bauaufsichtsbehörde wegen einer Nichteinhaltung nachbarschützender öffentlich-rechtlicher Vorschriften geltend zu machen. Das betraf indes Fälle, in denen das Vorhaben nicht nachträglich in einer die Frage der Nachbarbetroffenheit – wie hier – neu aufwerfenden Form verändert wurde oder in denen teilweise sogar das Bauwerk im Gefolge und nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vereinbarung mit dem Nachbarn geändert worden war. (vgl. insoweit OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.9.1997 – 2 R 1/97 –, n.v., betreffend ein Beseitigungsverlangen des Nachbarn für einen auf seiner Grenze ausgeführten Wintergarten, der zuvor entsprechend seinen Wünschen im Zivilprozess vom Bauherrn verändert worden war.) Das hat mit dem vorliegenden Fall, in dem sich die Beigeladenen offensichtlich – ob bewusst oder unbewusst, spielt insoweit keine Rolle – von der zivilrechtlichen Einigung entgegen dem erkennbar fortbestehenden Willen der Nachbarn einseitig „eigenmächtig verabschiedet“ haben, nichts zu tun. Daher ließe sich hier allenfalls die Frage aufwerfen, ob den Klägern trotz der neuerlichen Veränderung des Bauwerks im Jahre 2002 im Falle des (erneuten) Rückbaus (weiterhin) eine Pflicht zur Hinnahme des Anbaus in der Form obliegt, wie sie im Vergleich von 1983 festgelegt worden ist. Das muss indes mit Blick auf die diesbezüglich eindeutigen Erklärungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, wonach die Kläger weiterhin zur Hinnahme des Grenzbaus ohne die Terrasse entsprechend dem 1983 geschlossenen Vergleich bereit sind, nicht vertieft werden.

Die Situation stellt sich daher rechtlich nicht anders dar, als in der Konstellation, dass der Beklagte seinerzeit, was mit Blick auf seine allgemeine Aufgabenstellung als Bauaufsichtsbehörde (damals: § 82 Abs. 2 LBO 1974/80) zu erwarten gewesen wäre, über eine ausdrückliche Nachbarzustimmung und eine – unterstellt rechtmäßige – Befreiung (§ 95 Abs. 1 LBO 1974/80) für den Anbau in der von dem Rechtsvorgänger der Kläger tolerierten Form ohne Nutzung des Daches eine nachträgliche zumindest formelle Legalisierung herbeigeführt hätte. Auch in diesem Fall beschränkte sich die Bindungswirkung der Nachbarzustimmung allein auf das konkrete Vorhaben in der Ausgestaltung, in der es der Nachbar gebilligt hatte, das heißt hier ebenfalls ohne Herstellung einer Terrasse auf dem Dach des Anbaus. Dass der von den Beigeladenen im Jahre 2002 vorgenommene, dem Beklagten spätestens seit 2003 bekannte Umbau diesem ohnehin unabhängig von Nachbarbeschwerden Veranlassung zu einer baurechtlichen Überprüfung des Vorgangs geben müsste, sei dabei nur ergänzend erwähnt.

Wollte man den Klägern eine Befugnis zur Geltendmachung der Verletzung der ihrem Schutz dienenden Abstandsflächenvorschriften verwehren, so hätte das zur Konsequenz, dass sie nun den illegalen Bau auf ihrer Grenze in einer Form hinzunehmen hätten, die sie beziehungsweise ihr Rechtsvorgänger von Anfang an nicht zu tolerieren bereit waren und den sie auch in beiden Herstellungsphasen der Terrasse jeweils konsequent und zeitnah bekämpft haben. Da dies eindeutig ist, kann der Beklagte gegenüber dem Einschreitensbegehren vorliegend nicht darauf verweisen, dass er als Bauaufsichtsbehörde – was im Grundsatz zutrifft – nicht verpflichtet sein kann, die inhaltliche Reichweite im Einzelfall getroffener zivilrechtlicher Absprachen zwischen Bauherrn und von dem Bauvorhaben betroffenen Nachbarn im Wege der Auslegung und Würdigung zu ermitteln. (vgl. dazu OVG des Saarlandes, Urteil vom 14.6.1985 – 2 R 404/83 –, SKZ 1985, 235 Leitsatz Nr. 19, wonach der Bauaufsichtsbehörde unter Ermessensgesichtspunkten die Befugnis einzuräumen sein soll, unter Hinweis auf „ungeklärte zivilrechtliche Vorfragen“ auch bei einer nur möglichen Pflicht zur Hinnahme des Bauwerks durch den Nachbarn ein Einschreiten abzulehnen; OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.6.1991 – 2 R 12/90 –, zur Pflicht der Bauaufsichtsbehörde, im Rahmen einer auf die Nachbarrechtsverletzung abhebenden Beseitigungsanordnung bei der Ermessensausübung zivilrechtliche Absprachen zwischen Bauherrn und Nachbarn zu berücksichtigen)

c. Schließlich müssen sich die Kläger in dem konkreten Fall entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht die Existenz des vor dem Amtsgericht Lebach im Jahre 1983 von ihrem Rechtsvorgänger geschlossenen Vergleichs, in dem sich die Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu dem von den Klägern nunmehr erneut verlangten Rückbau verpflichtet haben, entgegenhalten lassen. Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass der Nachbar im Grundsatz dann kein (zusätzliches) bauaufsichtsbehördliches Einschreiten erfolgreich einfordern kann, wenn er im Besitz eines inhaltlich die zur Ausräumung seiner geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigung von ihm für geboten erachtete Anordnung abdeckenden vollstreckbaren zivilgerichtlichen Titels ist und er sich daher insoweit selbst einfacher „zu seinem Recht verhelfen“ kann. (vgl. insoweit zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom 16.2.2010 – 2 A 390/09 – mit weiteren Nachweisen, wonach das auch im Hinblick auf die aus Sicht des Nachbarn einfachere und vor allem „kostengünstigere“ Vollstreckung einer behördlichen Anordnung im Vergleich zur Durchsetzung eines Zivilurteils gilt) Das gilt hier indes nicht. Dies ergibt sich zwar nicht bereits formal aus dem Umstand, dass weder die Kläger noch die Beigeladenen als Vollstreckungsgläubiger beziehungsweise Vollstreckungsschuldner – wie in § 750 Abs. 1 ZPO für den Beginn der Vollstreckung vorgeschrieben – in der Vergleichsurkunde namentlich benannt sind. Insoweit müssten sich die Kläger im Grundsatz auf ihnen zivilprozessual eröffnete Möglichkeiten einer Umschreibung des Titels verweisen lassen. Die Kläger weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass eine Vollstreckung durch sie aus dem 1983 zwischen den Rechtsvorgängern geschlossenen Vergleich gegenüber den Beigeladenen, sofern diese überhaupt in Betracht kommt, eine Vielzahl rechtlicher Fragen aufwirft, die, nachdem die Beigeladenen Rechtsbehelfe gegen die von den Klägern beantragte Umschreibung des Titels angekündigt haben, im Rahmen weiterer (zivil-)gerichtlicher Verfahren, deren Ausgang aus heutiger Sicht nicht im Sinne der Kläger positiv prognostiziert werden kann, zu klären wären.

Die Kläger haben im September 2003, also unmittelbar nachdem der Beklagte ein Tätigwerden unter Hinweis auf den zivilgerichtlichen Vergleich der Rechtsvorgänger abgelehnt hatte, beim Amtsgericht in Lebach beantragt, ihnen eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Titels (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) auf der Grundlage des insoweit über § 795 ZPO auch für gerichtliche Vergleiche geltenden § 727 Abs. 1 ZPO zu erteilen. (vgl. den Schriftsatz vom 23.9.2003 im Verfahren 3 C 659/82 der Rechtsvorgänger, Blatt 115 der Gerichtsakte) Ohne eine solche qualifizierte Klausel ist der Titel für die Kläger von vorneherein nicht vollstreckbar; sie können eine Vollstreckung weder beginnen noch fortsetzen. Das Vollstreckungsgericht ist auch in Fällen der Rechtsnachfolge (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25.1.2007 – V ZB 47/06 –, NJW 2007, 3357) grundsätzlich zu einer materiellen Überprüfung des titulierten Anspruchs und der materiellen Rechtslage weder berechtigt noch in der Lage. Mit der Möglichkeit der Umschreibung in § 727 Abs. 1 ZPO soll nachträglichen Veränderungen in der materiellen Berechtigung Rechnung getragen und insbesondere ein neuer Prozess für oder gegen Rechtsnachfolger vermieden werden. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1) Von daher konsequent verneint die Rechtsprechung ein Rechtsschutzinteresse für den neuen Prozess gegen den Rechtsnachfolger unter Verweis auf die Umschreibungsmöglichkeit nach § 727 Abs. 1 ZPO beziehungsweise die dem Gläubiger dadurch eröffneten Möglichkeiten, einen gegen den Rechtsvorgänger des Schuldners erstrittenen Titel auch gegen dessen Rechtsnachfolger nutzbar zu machen. Das wird indes wiederum ausnahmsweise dann nicht angenommen, wenn es sich bei dem Titel um eine vollstreckbare Urkunde oder – wie hier – um einen Vergleich, also um einen nicht der Rechtskraft fähigen Titel handelt und der Gläubiger eine Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO ernsthaft gewärtigen muss, mit welcher der in Anspruch genommene Rechtsnachfolger die Geltendmachung von Einwendungen gegen den titulierten (materiellen) Anspruch gegenüber dem Prozessgericht erhebt. (vgl. dazu Prütting/Gehrlein – PG –, ZPO 2. Auflage 2010, § 727 Rn 1 unter Verweis auf BGH, Urteil vom 3.4.1957 – V ZR 111/56 –, NJW 1957, 1111 und KG Berlin, Urteil vom 21.1.2005 – 13 UF 146/04 –,  FamRZ 2005, 1759) Diese Wertung ist auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Die Beigeladenen haben gegenüber dem Amtsgericht Lebach schon im Dezember 2003 eine Vielzahl von Einwendungen gegen die – wohlgemerkt im Ansatz doppelt erforderliche – Umschreibung des Vergleichs erhoben und eine Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) bereits ausdrücklich angekündigt. (vgl. den Schriftsatz vom 17.12.2003 – 3 C 659/82 – an das AG Lebach, Blatt 117 der Gerichtsakte) Dabei wurden neben der Rechtsnachfolge, und zwar für beide Anwesen, auch die materielle Berechtigung der Kläger aus dem Vergleich beziehungsweise aus § 1004 BGB in Abrede gestellt und den Klägern insoweit die Einleitung eines erneuten Erkenntnisverfahrens angesonnen. Darüber hinaus haben die Beigeladenen einen Herausgabeanspruch bezogen auf den Titel eingewandt mit Blick auf den Umstand, dass der frühere Eigentümer ihres Grundstücks die im Vergleich gegenüber dem damaligen Eigentümer des klägerischen Anwesens übernommene Verpflichtung des Teilrückbaus der Tür erfüllt und dass dieser Zustand bis ins Jahr 2002 Bestand hatte. In dieser Situation kann es kaum verwundern, dass das Amtsgericht in Lebach bisher – unstreitig – den Titel nicht umgeschrieben hat. Nicht ganz widerspruchsfrei erscheint es allerdings, wenn sich die Beigeladenen in dem Zusammenhang die Auffassung des Beklagten zu eigen machen, wonach den Klägern ein einfacherer zivilrechtlicher Weg offenstehe, um ihre Rechte durchzusetzen.

Vor dem Hintergrund kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass den Klägern aufgrund des 1983 vor dem Amtsgericht geschlossenen Vergleichs eine „einfachere“ und „sichere“ Möglichkeit offenstünde, um im Ergebnis zu ihrem Recht zu kommen. Die Kläger sind daher im konkreten Fall nicht verpflichtet, die absehbar notwendigen weiteren streitigen zivilgerichtlichen Erkenntnisverfahren mit derzeit zumindest ungewissem Ausgang durchzuführen, bevor ihnen eine Befugnis zuerkannt werden kann, im Verwaltungsrechtsweg die ihnen aus öffentlichem Recht, hier der Landesbauordnung, zustehenden materiellen Abwehrrechte und Ansprüche gegenüber dem vom Landesgesetzgeber mit der „Überwachung“ der Einhaltung dieser Vorschriften – unabhängig von Fragen des Bauverfahrensrechts – betrauten Beklagten (§§ 57 Abs. 2, 60 Abs. 2 LBO 2004) geltend zu machen.

3. Insgesamt war daher der Berufung stattzugeben und der Beklagte unter Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Erlass der von den Klägern geforderten Beseitigungsanordnung hinsichtlich des Anbaus in seiner durch die Beigeladenen (erneut) hergestellten Form mit bis auf die gemeinsame Grenze reichendem begehbarem Flachdach, und auch zur im Fall der Nichtbefolgung erforderlichen Durchsetzung einer solchen Verfügung mit den Mitteln des Verwaltungszwangs (§§ 13 ff. SVwVG) zu verpflichten. Bei letzterem handelt es sich lediglich um eine „Klarstellung“ des Umstands, dass sich der Einschreitensanspruch der Kläger in der Sache auf eine Ausräumung der Nachbarrechtsverletzung richtet und daher erforderlichenfalls auch die Durchsetzung diesem Ziel dienender Anordnungen durch den Beklagten umfasst.

4. Zur Klarstellung ist anzumerken, dass die Beigeladenen jedenfalls im Rechtsverhältnis zu den Klägern im Falle des Erlasses beziehungsweise gegenüber der Durchsetzung der Beseitigungsanordnung (§§ 82 Abs. 1 LBO 2004, 13 ff. SVwVG) für den Anbau berechtigt sind, als – in der vollstreckungsrechtlichen Terminologie – geeignetes Austauschmittel zur Ausräumung des Nachbarrechtsverstoßes den Rückbau entsprechend den Vorgaben des Vergleichs aus dem Jahre 1983 durchzuführen. Dass die Kläger mit dieser Maßnahme ihre Nachbarrechte als gewahrt ansehen, haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.6.2010 noch einmal ausdrücklich zu Protokoll erklärt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 ZPO. Die Beigeladenen, die nur in zweiter Instanz Anträge gestellt haben, waren insoweit nach Maßgabe des § 154 Abs. 3 VwGO hälftig an den Kosten des Berufungsverfahrens zu beteiligen. Für einen Ausspruch nach § 162 Abs. 3 VwGO zu ihren Gunsten bestand mit Blick auf den Prozessausgang insgesamt keine Veranlassung.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 7.500,- EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG, ebenso bereits die vorläufige Festsetzung im Beschluss vom 7.11.2008 – 2 A 406/07 –).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 6.10.2010 – 5 L 915/10 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin des mit einem mit dem Giebel rechtsseitig grenzständigen Wohnhaus (Anwesen C-Straße) bebauten Grundstücks Parzellen Nrn. 843/119 und 118/1 in Flur ... der Gemarkung W. Sie wendet sich gegen ein Bauvorhaben der Beigeladenen auf der rechtsseitig angrenzenden Parzelle Nr. 118/3 (vormals: 118/2), das ebenfalls bis an die gemeinsame Grenze herangeführt werden soll. Beide Grundstücke liegen in der Ortslage von W. Ein Bebauungsplan existiert nicht.

Im August 2010 erteilte die Antragsgegnerin den Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren eine Bauerlaubnis für den „Neubau von 3 Garagen mit Hauseingang und Unterkellerung“ auf der ehemaligen Parzelle Nr. 118/2. (vgl. den Bauschein vom 2.8.2010 – 36-2010/0086 –) Dabei handelt es sich nach den Plänen um eine Lücke zwischen dem Haus der Antragstellerin und dem Wohnhaus der Beigeladenen (Anwesen Nr. ...) auf der Parzelle Nr. 845/117. (Nach der Bauakte wurden diese beiden Parzellen zwischenzeitlich zur Parzelle Nr. 118/3 vereinigt.) Ausweislich der genehmigten Bauvorlagen sollen die drei Garagen neben dem neu gestalteten Eingangsbereich des Wohnhauses der Beigeladenen auf der Ebene des Erdgeschosses eingerichtet werden. Im Grundriss für das Untergeschoss sind eine Sauna mit WC und Dusche, ein Abstell- und ein Hobbyraum vorgesehen.

Nach Aufnahme der Arbeiten erhob die Antragstellerin noch im August 2010 Widerspruch gegen die Baugenehmigung und beantragte gleichzeitig bei der Antragsgegnerin, die sofortige Einstellung der Bauarbeiten zu veranlassen. Sie machte geltend, sie sei mit der Errichtung einer unmittelbar an ihr Haus angrenzenden „größeren Garagenanlage“ nicht einverstanden. Im Zusammenhang mit der Übertragung der 0,1 ar großen Parzelle Nr. 118/1 an sie habe sie den früheren Eigentümern des heutigen Baugrundstücks lediglich ein Anbaurecht für ein Wohnhaus eingeräumt.

Ebenfalls noch im August 2010 beantragte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zur sofortigen Einstellung der Bauarbeiten gegenüber den Beigeladenen zu verpflichten. Sie machte geltend, aufgrund „hoheitlicher Anordnung“ sei zwischen den Jahren 1934 und 1945 ein 2 m breiter Streifen des eigenen Grundstücks dem heutigen Baugrundstück (damals Parzelle Nr. 844/118) zugeschlagen worden, um in dem Bereich eine durchgehende Bebauung mit Doppelhäusern zu ermöglichen. Da bei der Errichtung des eigenen Zweifamilienhauses die Grundstücksgrenze „überschnitten“ worden sei, sei im Jahre 1957 zur Bereinigung dieses Überbaus aus dem Nachbargrundstück ein kleines Stück herausgetrennt und unter der Bezeichnung Nr. 118/1 an sie übertragen worden. Weil die auf dem Nachbargrundstück vorgesehene Doppelhaushälfte nicht ausgeführt worden sei, sei durch notariellen Vertrag ein entsprechendes Anbaurecht vereinbart worden. Vor dem Hintergrund gehe sie davon aus, dass die Errichtung der von der Antragsgegnerin genehmigten „Garagenanlage“ nicht zulässig sei. Darüber hinaus sei im Genehmigungsverfahren den Aspekten des Lärm- und des Brandschutzes sowie bei dem vorgesehenen rückseitigen Dachüberstand der Einhaltung der „Baulinien“ nicht Rechnung getragen worden.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag im Oktober 2010 zurückgewiesen. In der Begründung heißt es, das Begehren sei zunächst als Aussetzungsantrag hinsichtlich der Baugenehmigung zu werten, da den Beigeladenen von dieser gedeckte Bauarbeiten nicht untersagt werden könnten. Daher komme eine Untersagung von Bauarbeiten nur in Betracht, soweit bei der Ausführung des Vorhabens von der Baugenehmigung abgewichen worden sei oder sich die Antragstellerin auf bauordnungsrechtliche Fragen berufe, die von der im vereinfachten Verfahren erteilten Genehmigung nicht berührt würden. Das Aussetzungsbegehren hinsichtlich der Baugenehmigung sei unbegründet. Das genehmigte Vorhaben verletze die Antragstellerin unter den in diesem Verfahren zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Aspekten nicht in ihren Rechten. Das gelte insbesondere für das darin enthaltene Gebot nachbarlicher Rücksichtnahme. Garagen- und Stellplatzemissionen gehörten in Wohngebieten ebenso wie das Lärmen spielender Kinder oder die Geräusche von Rasenmähern zu den von den Nachbarn hinzunehmenden Alltagserscheinungen. Besonderheiten seien vorliegend nicht ersichtlich. Zivilrechtlichen Vereinbarungen komme im Rahmen der Anfechtung einer Baugenehmigung keine Bedeutung zu. Unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten ergebe sich weder mit Blick auf die Abstandsflächenbestimmungen noch unter Brandschutzaspekten eine subjektive Rechtsverletzung der Antragstellerin und damit auch kein Einschreitensanspruch gegenüber der Antragsgegnerin.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen haben im Rechtsmittelverfahren keine Anträge gestellt.

II.

Die gemäß § 146 VwGO statthafte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6.10.2010 – 5 L 915/10 – ist zulässig, aber unbegründet. Die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren bestimmende Begründung des Rechtsmittels lässt keine abweichende Beurteilung des Eilrechtsschutzbegehrens der Antragstellerin zu. Das Verwaltungsgericht hat die mit der Beschwerde weiter verfolgten Begehren auf Aussetzung der den Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 2.8.2010 und auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Erlass einer Baueinstellungsanordnung zu Recht zurückgewiesen.

1. Bei Aussetzungsbegehren von Nachbarn nach den §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen eine Baugenehmigung ist Entscheidungskriterium für die Verwaltungsgerichte die mit den Erkenntnismöglichkeiten des Eilverfahrens zu prognostizierende Erfolgsaussicht ihres in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer für den Erfolg des Nachbarwiderspruchs oder gegebenenfalls einer anschließenden Anfechtungsklage der Antragstellerin unabdingbaren Verletzung ihrem Schutz dienender Vorschriften des öffentlichen Rechts durch die angefochtene Baugenehmigung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). (vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 28.8.1998 – 2 V 15/98 -, SKZ 1999, 120, Leitsatz Nr. 52, wonach der Umstand, dass eine Baugenehmigung lediglich gegen im öffentlichen Interesse erlassene Vorschriften verstößt und sich insoweit als erkennbar rechtswidrig erweist, keinen Grund darstellt, dem Nachbarinteresse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit den Vorrang einzuräumen; ebenso etwa Beschlüsse vom 26.1.2007 – 2 W 27/06 –, SKZ 2007, 135, vom 16.12.2003 – 1 W 42/03 -, vom 24.6.2004 – 1 W 18/04 –, SKZ 2005, 71, Leitsatz Nr. 26, und vom 6.9.2004 – 1 W 26/04 -, SKZ 2005, 94, Leitsatz Nr. 35)

Da sich eine Verletzung von Nachbarrechten von vorneherein nur aus einer Nichtbeachtung nachbarschützender Anforderungen des materiellen Rechts, nicht hingegen aus verfahrensrechtlichen Vorgaben ergeben kann, ist entgegen dem Vortrag in der Beschwerdebegründung grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eine Beteiligung von Nachbarn (§ 71 LBO 2004), hier konkret der Antragstellerin, erforderlich war und gegebenenfalls erfolgt ist.

Mit Blick auf das Beschwerdevorbringen ist ferner klar zu stellen, dass aus der seit der Novellierung der Saarländischen Landesbauordnung im Jahre 2004 geltenden Reduzierung des nunmehr das gesamte Bauordnungsrecht ausklammernden präventiven Pflichtprüfungsprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (§ 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBO 2004) notwendig ein für die Beurteilung der Frage des Vorliegens einer Nachbarrechtsverletzung eingeschränkter Entscheidungsinhalt der Baugenehmigung nach § 64 LBO 2004 folgt. (vgl. zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom 23.9.2010 – 2 A 196/10 –) Von daher geht der neuerliche Hinweis der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren weitgehend fehl, dass nach der erteilten Baugenehmigung in keiner Weise ersichtlich sei, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften des Brand- und des Lärmschutzes geprüft oder dass entsprechende Auflagen gemacht worden seien. Diese ganz überwiegend, insbesondere was den Brandschutz angeht, bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Bauvorhaben im Sinne des § 64 Abs. 1 LBO 2004 darf die Bauaufsichtsbehörde nach der Vorgabe des Gesetzgebers in § 64 Abs. 2 LBO 2004 in diesem Verfahren – vorbehaltlich einer konkreten Abweichung (§ 68 Abs. 1 LBO 2004) und zusätzlich eines auf deren Zulassung zielenden Antrags des Bauherrn (§ 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LBO 2004) – generell nicht mehr prüfen.

Was den Genehmigungsinhalt mit Blick auf die Reichweite dieser Entscheidung (§ 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 LBO 2004) anbelangt, lässt sich eine Verletzung von Nachbarrechten der Antragstellerin hinsichtlich der mit der Beschwerde erneut beanstandeten „Lärmeinwirkungen“ durch die Nutzung der genehmigten „wohnakressorischen“ Garage in dem Anbau mit (insgesamt) drei Stellplätzen auch unter dem Aspekt des Gebots der Rücksichtnahme – soweit die Erkenntnismöglichkeiten des vorliegenden schriftlichen Verfahrens eine Beurteilung zulassen – ausschließen. Durch die Benutzung bedarfsgerechter Pkw-Stellplätze ausgelöste Immissionen gehören auch in Wohngebieten zu den dort von der Nachbarschaft in aller Regel hinzunehmenden „Alltagserscheinungen“. Dass die Benutzung der genehmigten Garagen im Wohnhausanbau der Beigeladenen sich bei der gebotenen gegenseitigen Interessenbewertung gegenüber der Antragstellerin als schlechthin unzumutbar erweist, kann nicht festgestellt werden. Besonderheiten sind insoweit nicht ersichtlich, ergeben sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Lstraße – folgt man dem Vortrag der Antragstellerin - eine Sackgasse ist. Eine über den Normalfall hinausgehende Schutzwürdigkeit lässt sich ferner allgemein weder aus einer gesteigerten subjektiven Empfindlichkeit eines konkreten Nachbarn noch aus einer besonderen baulichen Situation auf seinem eigenen Grundstück herleiten. Das betrifft auch den – sachlich eher dem Bereich des Abstandsflächenrechts zuzuordnenden – Einwand der Antragstellerin, durch den vorgesehenen rückseitigen Dachüberstand des genehmigten Anbaus der Beigeladenen werde es zu einer dann nur noch eingeschränkten Belichtung der nach Fotos in der Bauakte über die Rückfront des Hauptbaukörpers ihres Wohnhauses hinausreichenden und seitlich zur Grenze hin mit Fenstern versehenen „Balkone“ kommen. Im Grundsatz ist jeder Eigentümer bei der Bebauung seines Grundstücks gehalten, für eine ausreichende Belichtung (selbst) zu sorgen. Die eingeschränkte Beachtung dieser Verpflichtung lässt sich nicht im Wege einer Forderung nach „Rücksichtnahme“ und nach einer eingeschränkten baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks des Bauherrn kompensieren.

Daher gibt es keinen Grund, dem Widerspruch der Antragstellerin im Wege gerichtlicher Anordnung (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) abweichend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 212a Abs. 1 BauGB für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens Suspensiveffekt zu verleihen.

2. Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend einen auf den Erlass einer Baueinstellungsanordnung (§ 81 LBO 2004) gerichtetenEinschreitensanpruch der Antragstellerin verneint. Aus Anlass der einleitenden Darlegungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts ist klarzustellen, dass die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren (§ 64 LBO 2004) das genehmigte Bauvorhaben nicht derart „immunisiert“, dass die Bauaufsichtsbehörde – generell – an einem repressiven Tätigwerden auf der Grundlage der § 81, 82 LBO 2004 auch bei Verstößen gegen die im Rahmen der Ausführung des Vorhabens vom Bauherrn „eigenverantwortlich“ zu beachtenden Vorschriften außerhalb des Prüfungs- und Entscheidungsinhalts, also regelmäßig insbesondere das (gesamte) Bauordnungsrecht, gehindert wäre. (vgl. zu dem insoweit zu beklagenden Verlust an Rechtssicherheit und dem entsprechend nur noch eingeschränkten „Wert“ einer Baugenehmigung nach § 64 LBO 2004 etwa Bitz SKZ 2010, 173, 185)

Auch bauordnungsrechtlich lässt sich dem Vorbringen der Antragstellerin indes keine Verletzung nachbarschützender materieller Vorschriften entnehmen. Das gilt zunächst für die Stellplatzauswirkungen (§ 47 Abs. 5 Satz 1 LBO 2004). Soweit die Antragstellerin im Zusammenhang mit einem Schlagen von Auto- und Garagentüren verstärkte Beeinträchtigungen durch „den Resonanzraum des Baukörpers“ befürchtet, bieten weder der Akteninhalt noch der Vortrag als solcher durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Anbau an das grenzständige Wohnhaus die bautechnischen Anforderungen an den Schallschutz nicht beachtet würden. Die Errichtung von Garagen unmittelbar auf den Nachbargrenzen – auch unter Anbau an vorhandene Gebäude auf angrenzenden Grundstücken – ist nichts Ungewöhnliches und, wie schon der § 8 Abs. 2 LBO 2004 zeigt, ein vom Gesetzgeber sogar generell abstandsflächenrechtlich begünstigtes Bauvorhaben. Eine Verletzung der nachbarschützenden Bestimmungen über die Abstandsflächen (§ 7 LBO 2004) scheidet hier offensichtlich bereits mit Blick auf die vorhandene Grenzbebauung auf dem Anwesen der Antragstellerin aus. Nach dem – bewussten – Verzicht des Gesetzgebers auf das in den Vorläuferfassungen der Landesbauordnung noch enthaltene Anbauerfordernis (zuletzt § 6 Abs. 1 LBO 1996) kann der Eigentümer eines seinerseits nicht im Einklang mit den Grenzabstandserfordernissen bebauten Nachbargrundstücks selbst einen darüber hinausgehenden Eingriff in die Abstandsflächenfunktionen auf dem angrenzenden Baugrundstück – vorbehaltlich der Einhaltung des in planungsrechtlichen Vorschriften enthaltenen Rücksichtnahmegebotes – grundsätzlich nicht mehr abwehren. (vgl. dazu etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25.5.2010 – 2 A 31/10 –, SKZ 2010, 212, Leitsatz Nr. 18, zu der Änderung etwa Bitz, SKZ 2009, 158) Dies hätte beispielsweise auch bei einem einseitig nach hinten auskragenden größeren Dachüberstand zu gelten. Ansonsten bleibt der Anbau der Beigeladenen sogar größenmäßig deutlich hinter dem Profil des grenzständigen Wohngebäudes der Antragstellerin zurück.

Die von ihr angeführten zivilrechtlichen Vereinbarungen aus dem Jahr 1957 vermögen die Rechtsposition der Antragstellerin im öffentlich-rechtlichen Baunachbarstreit nicht zu erweitern. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dürften sich hieraus die von der Antragstellerin reklamierten Ansprüche auf Anbau eines dem eigenen entsprechenden zweigeschossigen Wohngebäudes – auch zivilrechtlich – ohnehin nicht herleiten lassen. Das bedarf hier indes keiner Vertiefung. Eventuelle – genehmigungsabweichende – Überbauten durch die Beigeladenen wären zivilrechtlich abzuwehren (§ 912 BGB).

3. Demnach musste die Beschwerde der Antragstellerin insgesamt erfolglos bleiben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem § 154 Abs. 2 VwGO. Für einen Ausspruch über die Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen (§ 162 Abs. 3 VwGO) besteht kein Anlass; sie haben keinen eigenen Antrag gestellt und damit keine Kostenrisiken übernommen (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1, 47 GKG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.