Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Jan. 2013 - 2 A 10626/12

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2013:0114.2A10626.12.0A
bei uns veröffentlicht am14.01.2013

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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Vergütung der von ihm in der Vergangenheit geleisteten Überstunden.

2

Der 1952 geborene Kläger stand als Polizeihauptkommissar, zuletzt in der Besoldungsgruppe A 11, im Dienst des Beklagten und verrichtete bis zu seiner vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand seinen Dienst als Leiter der Diensthundegruppe der Polizeidirektion W. Vom 1. April 2009 bis zu seiner Pensionierung am 1. November 2010 war der Kläger ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich auf seinem Arbeitszeitkonto insgesamt 341 Mehrarbeitsstunden der Kategorie „MAU“ (sog. unbezahlbare Mehrarbeit) angesammelt, die in den Jahren zuvor aufgrund von ihm geleisteter Überstunden angefallen waren.

3

Vor seiner dauerhaften Erkrankung sowie der sich daran anschließenden Zurruhesetzung wies das Arbeitszeitkonto Kläger folgende Summen von Mehrarbeitsstunden der Kategorie „MAU“ auf:

4

- Zum 1. Januar 2007:

679:30 Stunden,

- zum 1. Januar 2008:

709:30 Stunden,

- zum 1. Januar 2009:

578:30 Stunden und

- zum 1. April 2009:

341:00 Stunden.

5

Am 14. Oktober 2010 beantragte der Kläger die Vergütung der verbliebenen 341 Mehrarbeitsstunden, weil er aufgrund der bevorstehenden Ruhestandsversetzung keinen Freizeitausgleich mehr in Anspruch nehmen könne.

6

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 2010 ab; der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Daraufhin erhob er die vorliegende Klage, mit der er sein Begehren auf finanziellen Ausgleich der von ihm geleisteten Dienststunden weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, dass die nach den beamtenrechtlichen Vorgaben erforderlichen Voraussetzungen in seinem Fall vorlägen, weil er die Mehrarbeit nicht durch Freizeit habe ausgleichen können. Zudem berufe er sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Dienstherr habe seine Treuepflicht verletzt, weil er nicht nur in speziellen Ausnahmesituationen, sondern regelmäßig und über einen langen Zeitraum hinweg durch die Ausgestaltung der Dienstpläne Mehrarbeit de facto angeordnet habe. Überstundenstände von mehreren Hundert Stunden seien in der Diensthundestaffel keine Seltenheit gewesen. Bereits aus der regelmäßigen Verwendung von Haushaltsüberschüssen zur Abgeltung dieser Mehrarbeit werde deutlich, dass ein Freizeitausgleich nicht möglich gewesen sei. Seine Ansprüche seien auch nicht verjährt. Es sei davon auszugehen, dass im Rahmen des ihm in den letzten Jahren gewährten Freizeitausgleichs stets zunächst der jeweils älteste Mehrarbeitsbestand abgebaut worden sei. Verjährung könne darüber hinaus erst eintreten, wenn der zugrunde liegende Anspruch fällig sei. Da es beim Beklagten aber keine Vorgaben für die Abrechnung von Mehrarbeitsstunden gegeben habe, könne nur der Tag des Eintritts der Dienstunfähigkeit maßgeblich sein. Schließlich verstoße die Nichtgewährung einer Mehrarbeitsvergütung gegen europäisches Recht.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 20. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2012 zu verpflichten, ihm für 341 geleistete Mehrarbeitsstunden Mehrarbeitsvergütung auf der Grundlage der Mehrarbeitsvergütungsverordnung zu gewähren.

9

Der Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Nach seiner Auffassung ist eine finanzielle Vergütung für Mehrarbeit nur möglich, wenn diese für mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus dienstlich angeordnet und genehmigt worden sei und die Mehrarbeitsstunden aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Freizeitausgleich abgegolten werden könnten. Der Kläger habe vor seiner Erkrankung jedoch keinen Antrag auf Freizeitausgleich gestellt, der aus dienstlichen Gründen abgelehnt worden sei. Vielmehr sei er nur wegen seiner Erkrankung und damit aus persönlichen Gründen vor seiner Ruhestandsversetzung nicht mehr in der Lage gewesen, Freizeitausgleich in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus hätte der Kläger selbst dann keinen Mehrarbeitsvergütungsanspruch geltend machen können, wenn er im Dienst geblieben wäre. Die von ihm geleistete Mehrarbeit falle nämlich nicht unter die laut Schreiben des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur vom 12. März 1998 vergütungsfähigen Mehrarbeitsstunden. Auch die beim Polizeipräsidium Trier angewandte und im Wege einer Mitarbeiterinformation bekannt gemachte Regel, wonach Mehrarbeitsstunden vergütet werden könnten, wenn in einem mehr als achtzehn Monate zurück liegenden Zeitraum mehr als 400 Überstunden entstanden seien und am Ende eines Haushaltsjahres entsprechende Überschüsse zur Verfügung stünden, finde keine Anwendung, da der Kläger weniger als 400 Mehrarbeitsstunden aufzuweisen habe. Der Kläger habe zudem in den Jahren 2008 und 2009 in erheblichem Umfang Mehrarbeit durch Freizeitausgleich abgebaut. Ein weiterer Abbau sei nur wegen seiner Erkrankung nicht mehr möglich gewesen. Die verbliebene, nicht abgebaute Mehrarbeit sei im Wesentlichen im Zeitraum vor 2007 entstanden. Diesbezüglich seien Ausgleichsansprüche zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits verjährt. Auch ein Verstoß gegen das europäische Recht sei nicht gegeben. Die Auswertung der Dienstpläne des Klägers habe gezeigt, dass er die europarechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden auch unter Einbeziehung der geleisteten Mehrarbeitsstunden in keinem Fall überschritten habe.

12

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 8. Mai 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger könne die Vergütung von erbrachter Mehrarbeit nicht verlangen, weil die beamtenrechtlichen Voraussetzungen einer Mehrarbeitsvergütung nicht erfüllt seien. Insbesondere sei ein Freizeitausgleich nicht aus zwingenden dienstlichen, sondern vielmehr aus in der Person des Klägers liegenden Gründen nicht möglich gewesen. Darüber hinaus habe er seine Ansprüche nicht zeitnah geltend gemacht. Für die Zeit vor dem 1. Januar 2007 seien etwaige Vergütungsansprüche ohnehin verjährt. Ein Verstoß gegen europäisches Recht liege nicht vor. Die vom Kläger für seine Rechtsauffassung herangezogenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs seien nicht einschlägig.

13

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen ergänzt und vertieft. Er hält an seiner Rechtsauffassung fest und begehrt nach wie vor eine Vergütung der von ihm erbrachten Mehrarbeit. Für diese habe ein dringender dienstlicher Bedarf bestanden, weil aufgrund der Notwendigkeit von gewissen Schichtbesetzungen zwangsläufig Mehrarbeitsstunden aufgelaufen seien. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der einfachgesetzlichen Vorschriften verstoße gegen europäische Richtlinien. Diese könnten auch nicht durch eine gängige Verwaltungspraxis, wie sie in dem vom Beklagten herangezogenen Erlass ihren Ausdruck gefunden habe, unterlaufen werden.

14

Der Kläger beantragt,

15

das Urteil des Verwaltungsgerichts Tier vom 8. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 20. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2012 zu verpflichten, ihm für 341 geleistete Mehrarbeitsstunden Mehrarbeitsvergütung auf der Grundlage der Mehrarbeitsvergütungsverordnung zu gewähren.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die er auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens für zutreffend hält.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, den vorgelegten Verwaltungsvorgang (2 Heftungen) sowie den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

20

Die Berufung hat keinen Erfolg.

21

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung. Ein solcher Anspruch folgt weder aus beamtenrechtlichen Vorschriften (1.) noch aus dem allgemein geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (2.). Auch der europarechtliche Staatshaftungsanspruch bei einer Heranziehung von Beamten über die höchstzulässige Wochenstundenzahl hinaus gibt dem Kläger keinen derartigen Zahlungsanspruch (3.).

22

1. Die maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen für die vom Kläger begehrte Mehrarbeitsvergütung gemäß § 73 Abs. 2 Landesbeamtengesetz – LBG – in der ab 1. Juli 2012 geltenden Fassung (inhaltsgleich § 80 Abs. 2 LBG a. F.) i. V. m. der Landesmehrarbeitsvergütungsverordnung vom 3. Juli 2012 – LMVergVO – sind nicht erfüllt. Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 LBG ist der Beamte grundsätzlich verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern. Die Mehrarbeit muss allerdings gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 LBG angeordnet oder genehmigt werden und zudem auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Ein Ausgleich der Mehrarbeit hat dann regelmäßig durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres zu erfolgen, wenn der Beamte durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wurde. Nur wenn die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich ist, kann stattdessen nach Maßgabe der besoldungsrechtlichen Vorschriften eine Vergütung gezahlt werden (§ 73 Abs. 2 Satz 3 LBG). Hiervon ausgehend legt auch die hierzu erlassene Rechtsverordnung in § 3 Abs. 1 LMVergVO unter anderem fest, dass eine Mehrarbeitsvergütung nur gewährt wird, wenn die Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann.

23

Entsprechend dem aus den vorstehenden Regelungen deutlich werdenden Charakter der Mehrarbeitsvergütung, die eine eng begrenzte Ausnahme von der Verpflichtung des Beamten darstellt, bei zwingenden dienstlichen Erfordernissen über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus auch ohne Entschädigung Dienst zu verrichten, soll sie lediglich einen vorübergehenden außergewöhnlichen Bedarf decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 35/02 –, Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 39; OVG RP, Urteil vom 7. März 2007 – 2 A 10071/07.OVG –, LKRZ 2007, 238 und juris). Eine generelle „Kommerzialisierung“ von Mehrarbeit soll dagegen vermieden werden. Daher hat sich die Anordnung von Mehrarbeit gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 LBG auf Ausnahmefälle zu beschränken. Die Aufstellung und Praktizierung eines Dienstplans kann der Anordnung von Mehrarbeit im Sinne des § 73 Abs. 2 LBG grundsätzlich nicht gleichgesetzt werden. Seine dahingehende Ermessensentscheidung muss der Dienstherr vielmehr durch Verwaltungsakt unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände treffen. Dabei hat er zu prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt eine Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 35/02 –, a.a.O.). Wegen des in § 73 Abs. 2 Sätze 2 und 3 LBG und § 3 Abs. 1 Nr. 4 LMVergVO normierten Vorrangs von Freizeitausgleich und der zusätzlichen finanziellen Belastung des Dienstherrn durch Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung für den Fall, dass Freizeitausgleich wegen zwingender dienstlicher Belange nicht gewährt werden kann, ist es außerdem geboten, bereits bei der Anordnung oder Genehmigung der Mehrarbeit zu prüfen, ob die Mehrarbeit voraussichtlich durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann.

24

Die vom Kläger geleisteten Stunden genügen mit Blick auf die Gründe, die Häufigkeit und die Art und Weise ihrer Anordnung bereits nicht den so definierten Anforderungen an Mehrarbeit im gesetzlichen Sinne. Der in Rede stehende Dienst wurde vom Beklagten zwar genehmigt, jedoch nur auf den Dienstplänen und nicht in Form eines Verwaltungsakts. Hatten die Beamten der Diensthundestaffel der Polizeidirektion W. außerdienstplanmäßig Dienst geleistet, so trugen sie – wie auch der Kläger – die entsprechenden Stunden im Arbeitszeiterfassungssystem ein. Danach wurden sie vom Vorgesetzten genehmigt und sodann dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Eine Anordnung von Mehrarbeit im Ausnahmefall (vgl. § 73 Abs. 2 Satz 2 LBG) ist hierin nicht zu sehen, allenfalls eine allgemeine Duldung von Überstunden.

25

Die Bezeichnung und Einordnung dieser Überstunden als – dem vorstehend dargestellten Charakter entsprechend ausdrücklich so bezeichnete – „unbezahlbare“ Mehrarbeit durch den Beklagten erfolgte auf der Grundlage des einschlägigen Rundschreibens des Ministeriums des Innern und für Sport vom 12. März 1998 (Bl. 29 ff. VA). Danach sollte eine Vergütung von Mehrarbeit nur vorgenommen werden bei besonderen Anlässen, bei denen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit einer Organisationseinheit die Leiter der Polizeibehörden und -einrichtungen im Rahmen ihres Budgets eine finanzielle Vergütung ausnahmsweise anordnen oder genehmigen, bei Einsätzen aus besonderen Anlässen, zu deren Bewältigung die Verwendung geschlossener Polizeieinheiten erfolgt und bei Einsätzen von Spezialeinsatzkommandos und Mobilen Einsatzkommandos. Hierunter fielen die Anlässe für die vom Kläger angehäuften Mehrarbeitsstunden (u. a. an einzelnen Tagen mehrere Stunden für „Hundepflege“) jedoch ersichtlich nicht.

26

Ob es dem Beklagten zustand, im Wege eines bloßen Rundschreibens den Bereich vergütungsfähiger Mehrarbeit über die Vorgaben des § 73 Abs. 2 LBG und der Mehrarbeitsvergütungsverordnung hinaus einzugrenzen, kann dahinstehen. Denn unabhängig von der vom Kläger insoweit problematisierten Frage, ob alle oder wenigstens ein Teil der von ihm geltend gemachten Stunden als Mehrarbeit im Sinne der Landesmehrarbeitsvergütungsverordnung einzustufen sind, kann eine sich hierauf beziehende Mehrarbeitsvergütung nur dann geleistet werden, wenn im Einzelnen nachgewiesen ist, dass ein Ausgleich der schriftlich angeordneten oder genehmigten Mehrarbeit durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich war. Dies hat der Kläger vorliegend jedoch nicht nachgewiesen, was im Einzelnen bereits das Verwaltungsgericht zutreffend herausgearbeitet hat. Hierauf wird zur Vermeidung von überflüssigen Wiederholungen verwiesen.

27

Der Senat stimmt insbesondere der Einschätzung der Vorinstanz zu, nach der keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kläger sich vor dem Jahr 2008 um Freizeitausgleich bemüht oder einen dahingehenden Antrag gestellt hat. Im Gegenteil hat der Kläger zwischen Januar 2008 und März 2009 seinen Mehrarbeitsbestand um etwa die Hälfte der zuvor aufgelaufenen Mehrarbeitsstunde verringert, so dass jedenfalls während dieses Zeitraums die Gewährung von Dienstbefreiung vom Beklagten ganz offensichtlich nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen abgelehnt worden ist. Die sodann eingetretene Unmöglichkeit des weiteren Abbaus von Überstunden ist demgegenüber ausschließlich auf die Erkrankung und anschließende Zurruhesetzung des Klägers und damit nicht auf dienstliche Gründe zurückzuführen. Die Ursache für das Unmöglichwerden eines weiteren Abbaus der Überstunden durch Freizeitausgleich fällt eindeutig in die Risikosphäre des Klägers, nicht aber in die des Beklagten.

28

2. Eine weitere Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Zahlung einer Vergütung für den von ihm geleisteten Dienst, die wegen der strengen Gesetzesbindung der Besoldung von Beamten (vgl. § 2 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz) unabdingbare Voraussetzung für eine finanzielle Ausgleichszahlung an Beamte ist, besteht nicht.

29

Soweit es sich bei den vom Kläger geleisteten Stunden nicht um Mehrarbeit, sondern um über die in § 2 Abs. 1 Arbeitszeitverordnung bestimmte regelmäßige Dienstzeit hinaus hingenommene Zuvielarbeit handelt, kann der Kläger finanzielle Ausgleichsansprüche nicht mit Erfolg geltend machen. Zwar hätte der Dienstherr einer eventuellen Missachtung beamtenrechtlicher Arbeitszeitbestimmungen mit geeigneten Maßnahmen entgegentreten müssen. Denn der Dienstherr darf nicht auf Dauer einen Teil seines Personalbedarfs durch die Heranziehung der Beamten zur Dienstleistung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 35/02 -, a.a.O.; OVG RP, Urteil vom 7. März 2007 – 2 A 10071/07.OVG –, a.a.O.). Sollte vorliegend also die kontinuierliche Erbringung von Zuvielarbeit auf eine mangelhafte Personalbedarfsdeckung des Beklagten und der sich daraus ergebenden Dienstplangestaltung beruhen, hätte der Kläger seinerzeit eine rechtmäßige Dienstplangestaltung einfordern und notfalls gerichtlich zu erzwingen versuchen müssen.

30

Auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 45 Satz 1 Beamtenstatusgesetz) lässt sich die beanspruchte finanzielle Abgeltung eines nicht realisierten Freizeitausgleiches nicht stützen. Aus der Fürsorgepflicht ergeben sich nur dann Leistungsansprüche, wenn andernfalls die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Den Wesenskern der Fürsorgepflicht können allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2000 – 2 C 39.99 –, BVerwGE 112, 308). Von einer solchen unzumutbaren Belastung kann jedoch keine Rede sein, wenn die gesamte Wochenarbeitszeit des Beamten – wie hier – deutlich unter der gesetzlich höchstzulässigen Zahl von 48 Stunden bleibt.

31

Ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich für geleisteten Dienst könnte sich somit allenfalls aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz gilt auch im öffentlichen Recht, insbesondere im Beamtenrecht. Er vermag in dem engen, auf Dauer angelegten Rechtsverhältnis, in dem Dienstherr und Beamter verbunden sind, die nach der jeweiligen Interessenlage gebotenen Nebenpflichten zu begründen. Im Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten hat der Grundsatz von Treu und Glauben danach die Pflicht zum Ausgleich der Zuvielarbeit entstehen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 28.02 –, Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38 sowie Urteil vom 29. September 2011 – 2 C 32/10 –, BVerwGE 140, 351).

32

Der Anspruch auf zeitlichen oder finanziellen Ausgleich für Zuvielarbeit muss allerdings vom Beamten gegenüber seinem Dienstherrn ausdrücklich geltend gemacht werden. Ein Ausgleich kommt nur für Zuvielarbeit in Betracht, die der Beamte nach entsprechender Antragstellung leisten muss. Ein Ausgleich der vorher erbrachten Zuvielarbeit ist unabhängig davon, ob der Anspruch verjährt ist oder nicht, nicht angemessen und würde dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen. Dies folgt aus der sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflicht, auch im Rahmen eines Ausgleichs für rechtswidriges Verhalten auf die Belange des Dienstherrn Rücksicht zu nehmen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich auf die gegen ihn erhobenen Ansprüche einzustellen. Der Dienstherr hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit hohen Ausgleichsforderungen belastet zu werden. Auch der Zweck des Anspruchs, durch Freizeitausgleich die besonderen gesundheitlichen Belastungen der Zuvielarbeit auszugleichen, spricht für das Erfordernis einer Geltendmachung im zeitlichen Zusammenhang mit der Belastung. Hiervon unabhängig ist es einem Beamten in dem von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägten gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis zu seinem Dienstherrn zuzumuten, seinem Begehren auf Gewährung von zeitlichem Ausgleich frühzeitig Ausdruck zu verleihen, zumal an einen solchen Antrag keine hohen Anforderungen zu stellen sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 2 C 32.10 –, a.a.O.). Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts zum Erfordernis der Geltendmachung von Besoldungsansprüchen innerhalb des jeweils laufenden Haushaltsjahres (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990, BVerfGE 81, 363 [385] sowie Beschluss vom 24. November 1998, BVerfGE 99, 300 [330]; BVerwG, Urteil vom 21. September 2006, NVwZ 2007, 342). An dieser ständigen Rechtsprechung der Verfassungs- und Verwaltungsgerichte, die auch derjenigen des Senats entspricht (Beschlüsse vom 20. Dezember 2007 – 2 A 10882/07.OVG –, vom 10. März 2008 – 2 A 10078/08.OVG – und vom 13. Dezember 2012 – 2 A 10524/12.OVG –) hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner, vom Kläger für sein Begehren unter anderem herangezogenen, Entscheidung vom 26. Juli 2012 (2 C 29/11, juris, dort Rn. 26) ausdrücklich festgehalten.

33

Vorliegend hat der Kläger bis zum 14. Oktober 2010 keinen solchen Antrag gestellt. Zwar hat er ab Anfang des Jahres 2008 begonnen, seine Überstunden – sogar in einem ganz erheblichen – Umfang abzubauen. In dem Jahr vor seiner Erkrankung (1. April 2008 bis 31. März 2009) hatte er sein Arbeitszeitkonto nämlich bereits um 335 Stunden reduziert. Auch im Haushaltsjahr 2009 leistete der Kläger keine sog. „MAU-Stunden“ mehr, sondern verringerte die seinem Arbeitszeitkonto gutgeschriebenen Stunden weiterhin. Einen finanziellen Ausgleich hat er indessen selbst in diesem Jahr nicht beantragt. Dass er die verbliebenen Stunden nicht mehr abbauen konnte, liegt ausschließlich an seiner Erkrankung und der sich daran unmittelbar anschließenden Zurruhesetzung. Diese Umstände dürfen – wie bereits dargelegt – nicht zu Lasten des Dienstherrn gehen.

34

Ob hinsichtlich der bis zum 31. Dezember 2006 aufgelaufenen Überstunden im Zeitpunkt der Beantragung einer Vergütung durch den Kläger am 14. Oktober 2010 bereits Verjährung eingetreten war, braucht aus diesen Gründen nicht entschieden zu werden.

35

3. Europäisches Gemeinschaftsrecht gibt dem Kläger schließlich gleichfalls keinen Anspruch auf Zahlung der verlangten Vergütung. Die von ihm für sein Begehren herangezogene Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sowie die Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 3. Mai 2012, Az.: C-337/10, juris) sind ersichtlich nicht einschlägig, weil es vorliegend nicht um eine Mehrarbeit über die nach Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG festgesetzte durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum von 48 Stunden hinaus geht. Mithin scheidet die genannte Bestimmung vorliegend als Grundlage eines denkbaren Staatshaftungsanspruchs (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 – Rs. C-429/09, Fuß –, NZA 2011, 53) aus.

36

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs über die finanzielle Abgeltung von nicht genommenem Jahresurlaub (Urteil vom 20. Januar 2009 – Rs. C-350/06, Schultz-Hoff, und C-520/06, Stringer –, Slg. 2009, I-179; Urteil vom 3. Mai 2012 – C-337/10 –, NVwZ 2012, 688) ist auf die Unmöglichkeit der Inanspruchnahme eines durch Mehrarbeit erworbenen Freizeitausgleichsanspruchs nicht übertragbar. Nach dieser Rechtsprechung ist Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass ein Beamter bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub hat, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst geleistet hat.

37

Art. 6 RL 2003/88/EG, der Bestimmungen zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit enthält, regelt im Gegensatz zu Art. 7 der Richtlinie allein arbeitsschutzrechtliche Aspekte, jedoch keine Vorgaben hinsichtlich Art und Umfang einer aufgrund von rechtlich unzulässiger Zuvielarbeit zu leistenden Kompensation. Ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich ist in der Richtlinie mit Blick auf arbeitszeitrechtliche Fragen von vornherein nicht angelegt. Enthält die Richtlinie mithin schon keine Vorgaben zur Kompensation von Überschreitungen der europarechtlich vorgegebenen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden, so ergibt sich ein solcher Anspruch erst recht nicht im Hinblick auf Überschreitungen der nationalrechtlich bestimmten Regelarbeitszeit, die – wie hier – erkennbar unterhalb der europarechtlichen wöchentlichen Höchstarbeitszeit bleiben.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

39

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708, 709 Zivilprozessordnung.

40

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe in der in § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 Beamtenrechtsrahmengesetz genannten Art nicht vorliegen.

41

Beschluss

42

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz auf 5.960,68 Euro festgesetzt.

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Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Wohnung so zu nehmen, dass die ordnungsmäßige Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird.

(2) Die oder der Dienstvorgesetzte kann, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern, anweisen, dass die Wohnung innerhalb einer bestimmten Entfernung von der Dienststelle zu nehmen oder eine Dienstwohnung zu beziehen ist.

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

Bei den Verhandlungen über den freihändigen Erwerb ist jeder Eigentümer darauf hinzuweisen, daß

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ihm für das abgegebene Grundstück statt einer Barvergütung ganz oder teilweise eine Abfindung in Land (Ersatzland) oder eine sonstige Gegenleistung zu gewähren ist;
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ihm Ersatzland insbesondere dann gewährt wird, wenn er zur Aufrechterhaltung seines persönlich bewirtschafteten Betriebs oder zur Erfüllung der ihm wesensgemäß obliegenden Aufgaben auf Ersatzland angewiesen ist und das Land zu angemessenen Bedingungen beschafft und erforderlichenfalls hergerichtet werden kann;
c)
ihm eine sonstige, seine Existenz sichernde Gegenleistung zu gewähren ist, wenn er infolge Alters oder sonstiger Umstände zur Sicherung seiner Existenz oder zur Erfüllung der ihm wesensgemäß obliegenden Aufgaben auf den Ertrag aus dem Grundstück angewiesen ist.

Zustellungen durch die Verwaltungsbehörden werden nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes bewirkt.

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Abrechnungszeitraum bei Gleitzeit der Zeitraum, in dem ein Über- oder Unterschreiten der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auszugleichen ist,
2.
Arbeitsplatz grundsätzlich die Dienststelle oder ein von der oder dem Dienstvorgesetzten bestimmter Ort, an dem Dienst zu leisten ist,
3.
Arbeitstag grundsätzlich der Werktag,
4.
Bereitschaftsdienst die Pflicht, sich, ohne ständig zur Dienstleistung verpflichtet zu sein, an einer vom Dienstherrn bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall den Dienst aufzunehmen, wenn dabei Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen,
5.
Blockmodell die Zusammenfassung der Freistellung von der Arbeit bis zu fünf Jahren bei Teilzeitbeschäftigung,
6.
Funktionszeit der Teil der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, in dem der Dienstbetrieb durch Absprache der Beamtinnen und Beamten sichergestellt wird,
7.
Gleitzeit die Arbeitszeit, bei der Beamtinnen und Beamte Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in gewissen Grenzen selbst bestimmen können,
8.
Gleittag ein mit Zustimmung der oder des unmittelbaren Vorgesetzten gewährter ganztägiger Zeitausgleich im Abrechnungszeitraum bei Gleitzeit, dabei gelten tägliche Arbeitszeiten von weniger als zwei Stunden als Gleittag,
9.
Kernarbeitszeit der Teil der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, in dem grundsätzlich alle Beamtinnen und Beamten in der Dienststelle anwesend sein müssen,
10.
Langzeitkonto ein personenbezogenes Arbeitszeitkonto, auf dem durch erhöhten Arbeitsanfall bedingte Zeitguthaben für Freistellungszeiten angespart werden können,
11.
Nachtdienst ein Dienst, der zwischen 20 Uhr und 6 Uhr zu leisten ist,
12.
regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die innerhalb von zwölf Monaten durchschnittlich zu erbringende wöchentliche Arbeitszeit,
13.
Reisezeit die Zeit ohne Wartezeit (Nummer 17), die die Beamtin oder der Beamte benötigt für den Weg zwischen
a)
der Wohnung oder der Dienststätte und der Stelle des auswärtigen Dienstgeschäfts oder der auswärtigen Unterkunft (Anreise),
b)
der Stelle des auswärtigen Dienstgeschäfts oder der auswärtigen Unterkunft und der Stelle eines weiteren auswärtigen Dienstgeschäfts oder einer weiteren auswärtigen Unterkunft,
c)
der Stelle des auswärtigen Dienstgeschäfts oder der auswärtigen Unterkunft und der Wohnung oder der Dienststätte (Abreise),
14.
Rufbereitschaft die Pflicht, sich außerhalb des Arbeitsplatzes bereitzuhalten, um bei Bedarf sofort zu Dienstleistungen abgerufen werden zu können,
15.
Ruhepause der Zeitraum, in dem Beamtinnen und Beamte keinen Dienst leisten,
16.
Schichtdienst der Dienst nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht,
17.
Wartezeit eine während einer Dienstreise anfallende Zeit ohne Dienstleistung zwischen
a)
dem Ende der Anreise und dem Beginn der dienstlichen Tätigkeit,
b)
dem Ende der dienstlichen Tätigkeit an einem Tag und dem Beginn der dienstlichen Tätigkeit an einem anderen Tag,
c)
dem Ende der dienstlichen Tätigkeit und dem Beginn der Abreise.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Wohnung so zu nehmen, dass die ordnungsmäßige Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird.

(2) Die oder der Dienstvorgesetzte kann, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern, anweisen, dass die Wohnung innerhalb einer bestimmten Entfernung von der Dienststelle zu nehmen oder eine Dienstwohnung zu beziehen ist.

Tatbestand

1

Der Kläger ist städtischer Beamter auf Lebenszeit und als Oberbrandmeister bei der Berufsfeuerwehr der Beklagten beschäftigt. Er will Freizeitausgleich für die Überschreitung der höchstens zulässigen Wochenarbeitszeit in den Jahren 2002 bis 2006 erhalten. Bis Ende 2006 betrug seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 56 Stunden. Davon entfielen 31 Stunden auf Bereitschaftsdienst; zwei Stunden wurden jeweils durch Freizeit ausgeglichen.

2

Im Dezember 2001 beantragte der Kläger, ab dem 1. Januar 2002 bei der Gestaltung der Dienstpläne zu beachten, dass nach europäischem Gemeinschaftsrecht höchstens 48 Wochenstunden gearbeitet werden dürfen. Seiner Klage, ihm Freizeitausgleich im Umfang von 17 Stunden pro Monat zu gewähren, hat das Verwaltungsgericht im Umfang von 7 Stunden pro Monat für die Zeit ab Oktober 2005 stattgegeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, insgesamt 12,11 Stunden pro Monat für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2006 auszugleichen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers sei in den Jahren 2002 bis 2006 unter Verstoß gegen Unionsrecht um sechs Wochenstunden zu hoch festgesetzt worden, weil der Bereitschaftsdienst im feuerwehrtechnischen Dienst als Vollarbeitszeit einzustufen sei. Deshalb stehe dem Kläger nach Treu und Glauben ein angemessener zeitlicher Ausgleich zu. Zu viel geleisteter Bereitschaftsdienst müsse allerdings nur mit einer Quote von 50 % angerechnet werden. Von dem sich hieraus ergebenden Anspruch von 17,11 Stunden seien nochmals fünf Stunden abzuziehen, da von jedem Beamten in diesem Umfang ausgleichslose Mehrarbeit gefordert werden dürfe.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2006 Freizeitausgleich im Umfang von weiteren 4,89 Stunden je Kalendermonat zu gewähren, sowie die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Mai 2009 und des Verwaltungsgerichts Minden vom 25. Juli 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2006 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält das Berufungsurteil für richtig.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist begründet. Er kann einen zeitlichen Ausgleich für zuviel geleisteten Dienst in dem von ihm beantragten Umfang von insgesamt 17 Stunden pro Monat für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2006 beanspruchen. Soweit das Urteil des Oberverwaltungsgerichts den geltend gemachten Anspruch im Umfang von 4,89 Stunden im Monat abgewiesen hat, verletzt es revisibles Recht (§ 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG).

8

Der geltend gemachte Anspruch folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben i.V.m. § 78a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981 (GV NRW S. 234, ber. 1982, S. 256). Voraussetzung für diesen Anspruch ist eine rechtswidrige Inanspruchnahme des Beamten über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus. Der Anspruch ist auf einen zeitlichen Ausgleich im Umfang der rechtswidrig verlangten Zuvielarbeit gerichtet. Zeiten des Bereitschaftsdienstes sind in vollem Umfang auszugleichen; ein Abzug von fünf ausgleichslos zu leistenden Stunden ist jedenfalls in Fällen, in denen die normativ festgesetzte Höchstarbeitszeit rechtswidrig überschritten worden ist, nicht zulässig. Zudem entsteht der Ausgleichsanspruch mit Wirkung für die Zukunft erst, wenn der Beamte ihn geltend macht.

9

Zieht der Dienstherr einen Beamten auf der Grundlage einer rechtswidrig zu hoch festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit zum Dienst heran oder nimmt ihn über die rechtmäßig festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit hinaus in Anspruch, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit erfüllt sind, so ist diese Inanspruchnahme rechtswidrig (Zuvielarbeit). Soweit das jeweils maßgebliche Bundes- oder Landesbeamtenrecht keine Regelung dazu enthält, ob und in welchem Umfang eine solche Inanspruchnahme auszugleichen ist, bedeutet dies jedoch nicht, dass derartige Zuvielarbeit folgenlos bleibt. Vielmehr ist die im Einzelfall einschlägige Vorschrift - im vorliegenden Fall § 78a Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a.F. - nach Treu und Glauben in einer Weise zu ergänzen, die die Interessen des Beamten und des Dienstherrn auch bei einer rechtswidrigen Inanspruchnahme des Beamten zu einem billigen Ausgleich bringt und dabei dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung gerecht wird. Beamte, die von Zuvielarbeit betroffen sind, haben deshalb einen Anspruch auf angemessene Dienstbefreiung (vgl. Urteil vom 28. Mai 2003 - BVerwG 2 C 28.02 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 38, S. 6 f. und Beschluss vom 10. Juni 2009 - BVerwG 2 B 26.09 - juris Rn. 5 ff.).

10

Im vorliegenden Fall ist der geltend gemachte Anspruch gegeben. Ein Fall der Zuvielarbeit über die Grenze der höchstens zulässigen Wochenarbeitszeit hinaus liegt vor. Der Kläger hat in den Jahren 2002 bis einschließlich 2006 - abgesehen von zwei weiteren Stunden, für die Freizeitausgleich bereits gewährt worden ist - regelmäßig anstelle der unionsrechtlich zulässigen 48 Wochenstunden 54 Stunden Dienst geleistet. Diese Zuvielarbeit von sechs Stunden wöchentlich ergibt bei pauschalierter Berücksichtigung von Urlaubszeiten einen Umfang von 24 Stunden im Monat.

11

Zwar hat sich die Beklagte bei der Erstellung der Dienstpläne an § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes in den Feuerwehren der Gemeinden und Gemeindeverbände des Landes Nordrhein-Westfalen (AZVOFeu) in den hier maßgeblichen Fassungen vom 29. September 1998 und vom 18. Februar 2003 (GV. NW 1998 S. 589 und 2003 S. 74) sowie des Gesetzes vom 5. April 2005 (GV. NW S. 306) orientiert. Diese Bestimmung ließ eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von durchschnittlich 54 Stunden zu, aufgeteilt in 23 Stunden Vollarbeitszeit und 31 Stunden Bereitschaftsdienst. Nach dem Konzept des Normgebers entsprach dies bei einer Anrechnung des Bereitschaftsdienstes zu 50 % einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen vom 28. Dezember 1986, GV. NW 1987 S. 15). Die Vorschrift war jedoch, soweit sie eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von mehr als 48 Stunden festsetzte, wegen Verstoßes gegen Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (EGRL 2003/88, ABl L 299 vom 18. November 2003, S. 9, Arbeitszeitrichtlinie) unanwendbar.

12

Nach Art. 6 Buchst. b EGRL 2003/88, der Art. 6 Nr. 2 der insoweit inhaltsgleichen Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl L 307 vom 13. Dezember 1993, S. 18) ersetzt, darf die wöchentliche Arbeitszeit einschließlich der Überstunden einen Umfang von 48 Stunden nicht überschreiten. Unter Arbeitszeit ist nach Art. 2 Nr. 1 EGRL 2003/88 jede Zeitspanne zu verstehen, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Nach dieser Begriffsbestimmung zählen auch Zeiten des Bereitschaftsdienstes - einschließlich der "inaktiven Zeiten" - ohne Abstriche als Arbeitszeit, wenn der Beamte sie an einem vom Dienstherrn bestimmten Ort außerhalb des Privatbereichs leistet und sich zu einem jederzeitigen unverzüglichen Einsatz bereithält, und wenn erfahrungsgemäß mit einer dienstlichen Inanspruchnahme zu rechnen ist (Urteile vom 29. April 2004 - BVerwG 2 C 9.03 - Buchholz 240 § 48 BBesG Nr. 8 Rn. 17 und vom 22. Januar 2009 - BVerwG 2 C 90.07 - Buchholz 240.1 BBesO Nr. 31; EuGH, Urteile vom 3. Oktober 2000 - Rs. C-303/98, Simap - Slg. 2000, I-7963 und vom 9. September 2003 - Rs. C-151/02, Jäger - Slg. 2003, I- 8389, stRspr). Daraus folgt, dass Bereitschaftsdienst in die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit in vollem Umfang einzubeziehen ist. Die vom Kläger regelmäßig geleisteten 31 Stunden Bereitschaftsdienst zählen daher als Vollarbeitszeit, da die Beamten in der Dienststelle anwesend sein mussten und jederzeit in einen Einsatz berufen werden konnten (vgl. § 2 Abs. 1, 2 AZVOFeu).

13

Die unionsrechtliche Arbeitszeitrichtlinie (EGRL 2003/88) gilt auch für Feuerwehrleute (vgl. EuGH, Beschluss vom 14. Juli 2005 - Rs. C-52/04, Personalrat der Feuerwehr Hamburg - Slg. 2005, I- 7111). Sie ist auch unmittelbar anwendbar, da sie trotz eindeutigen Norminhalts nicht hinreichend in deutsches Recht umgesetzt worden und die Umsetzungsfrist der Vorgängerrichtlinie bereits seit 1996 abgelaufen ist (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - NZA 2001, 53 Rn. 35 ff.).

14

Die Anordnung einer regelmäßigen Arbeitszeit, die über die unionsrechtlich höchstens zulässige Wochenarbeitszeit hinausgeht, kann auch nicht als Mehrarbeit gerechtfertigt werden. Die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit lagen nicht vor. Zum einen darf die unionsrechtliche Höchstarbeitszeitgrenze von 48 Wochenstunden auch durch die Anordnung von Mehrarbeit - außerhalb der vom Unionsrecht vorgesehenen Verfahren - nicht überschritten werden. Zum anderen soll Mehrarbeit einen vorübergehenden außergewöhnlichen Bedarf decken (vgl. § 78a Abs. 1 Satz 1 LBG NW), nicht aber eine dauerhafte Erhöhung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit bewirken.

15

Der Anspruch ist auf zeitlichen Ausgleich in angemessenem Umfang gerichtet. Als angemessen ist der zeitliche Ausgleich von Zuvielarbeit grundsätzlich anzusehen, wenn er ebenso lang ist wie der zuvor geleistete rechtswidrig geforderte Dienst (Urteil vom 28. Mai 2003 a.a.O. Rn. 23). Dabei ist die in Form von Bereitschaftsdienst geleistete Zuvielarbeit mit demselben Gewicht zu bewerten wie zu viel geleistete Vollarbeitszeit; ein Abzug von weiteren fünf Stunden monatlich scheidet aus. Allerdings entsteht der Anspruch für die Zukunft erst, wenn er geltend gemacht wird.

16

Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Zeiten des Bereitschaftsdienstes müssten nicht in demselben Umfang ausgeglichen werden wie Vollarbeitszeit, entspricht nicht dem gebotenen Ausgleich nach Treu und Glauben. Dem Interesse des Beamten, der die rechtswidrig von ihm verlangte Dienstleistung - pflichtgemäß - zunächst erbracht hat, an einem vollen Ausgleich für die Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit steht kein gleich gewichtiges Interesse des Dienstherrn an einer Reduzierung des Ausgleichsumfangs gegenüber. Dem berechtigten öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Dienstbereitschaft im feuerwehrtechnischen Dienst kann durch geeignete Maßnahmen bei der Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich Rechnung getragen werden. So kann etwa der Zeitraum, in dem der Freizeitausgleich bewirkt werden muss, nach dienstlichen Bedürfnissen verlängert werden, um die Einsatzbereitschaft dauerhaft sicher zu stellen. Auch das Angebot einer finanziellen Abgeltung des Anspruchs auf Freizeitausgleich kommt in Betracht. Eine Ermäßigung des zeitlichen Ausgleichs durch eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes ist hierfür nicht erforderlich. Sie würde dem Ziel des Anspruchs - Ausgleich eines von dem Dienstherrn begangenen Rechtsfehlers (vgl. Beschluss vom 10. Juni 2009 a.a.O. Rn. 8) - auch nicht gerecht, sondern könnte im Gegenteil als Anreiz für die Fortführung einer derartigen Praxis wirken. Auch fiskalische Interessen des Dienstherrn an einer Reduzierung des Ausgleichsanspruchs spielen bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs keine Rolle, da dem Dienstherrn aus einer langjährigen unionsrechtswidrigen Praxis keine Vorteile erwachsen dürfen.

17

Eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs führt zudem zu einem Wertungswiderspruch zu den Normzielen des unionsrechtlichen Arbeitszeitrechts. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit, in die sowohl Bereitschaftsdienst in vollem Umfang als auch Überstunden einzurechnen sind, ist zum Schutz der Gesundheit und der Arbeitssicherheit festgelegt worden (vgl. Art. 1 Abs. 1 sowie Erwägungsgründe 4 und 11 EGRL 2003/88). Ein ermäßigter Ausgleich des geleisteten Bereitschaftsdienstes würde diese Schutzziele gefährden. Denn er würde letztlich dazu führen, dass Überschreitungen der höchstens zulässigen Arbeitszeit, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit vermieden werden sollen, dauerhaft nur teilweise auszugleichen wären. Den betroffenen Beamten würde die Möglichkeit, ihre Dienstfähigkeit durch Freizeitausgleich umfassend wieder herzustellen, teilweise genommen. Mögliche normative Anknüpfungspunkte für eine geringere Gewichtung des Bereitschaftsdienstes im innerstaatlichen Recht sind demgegenüber ohne Bedeutung, da sie der Verpflichtung zuwider laufen, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen. Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Bestimmung von Art und Höhe einer Entschädigung für Zuvielarbeit nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union dem nationalen Recht vorbehalten wird (Urteile vom 5. Mai 1996 - Rs. C-46/93 und 48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame - Slg. 1996 I-1029 Rn. 82 f. und vom 25. November 2010 a.a.O. Rn. 91 ff.; vgl. auch Art. 153 AEUV).

18

Der Anspruch auf vollen Ausgleich für Zuvielarbeit über die wöchentliche Höchstarbeitszeit hinaus kann aus den genannten Gründen auch nicht um fünf Stunden monatlich reduziert werden. Denn auch dies würde dem Sinn und Zweck der Arbeitszeitregelung widersprechen. Die Sanktionierung einer unionsrechtswidrigen Praxis würde zudem das Gebot verletzen, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu sichern, weil die Überschreitung der normativ festgelegten Höchstarbeitszeit in diesem Umfang folgenlos bliebe. Zwar sind Beamte grundsätzlich verpflichtet, in gewissem Umfang ausgleichslose Mehrarbeit zu leisten (vgl. § 78a Abs. 1 LBG NRW a.F., § 61 LBG NRW, § 88 BBG). Dies gilt jedoch nicht, wenn die unionsrechtlich verbindliche Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit bereits erreicht ist, da diese durch Mehrarbeitsstunden grundsätzlich nicht überschritten werden darf (Art. 6 Buchst. b EGRL 2003/88); Abweichungen sind nur im Rahmen der unionsrechtlichen Bestimmungen zulässig (vgl. Art. 17, 18 und 22 EGRL 2003/88).

19

Der Anspruch auf zeitlichen Ausgleich für Zuvielarbeit muss allerdings von dem Beamten gegenüber seinem Dienstherrn ausdrücklich geltend gemacht werden. Ein Ausgleich kommt nur für Zuvielarbeit in Betracht, die der Beamte nach Antragstellung leisten muss. Ein Ausgleich der vorher erbrachten Zuvielarbeit ist unabhängig davon, ob der Anspruch verjährt ist oder nicht, nicht angemessen und würde dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen. Dies folgt aus der sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Pflicht, auch im Rahmen eines Ausgleichs für rechtswidriges Verhalten auf die Belange des Dienstherrn Rücksicht zu nehmen und ihm die Möglichkeit zu geben, sich auf die gegen ihn erhobenen Ansprüche einzustellen. Der Dienstherr hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht nachträglich mit hohen Ausgleichsforderungen belastet zu werden. Auch der Zweck des Anspruchs, durch Freizeitausgleich die besonderen gesundheitlichen Belastungen der Zuvielarbeit auszugleichen, spricht für das Erfordernis einer Geltendmachung im zeitlichen Zusammenhang mit der Belastung. Hiervon unabhängig ist es dem Beamten in dem von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägten Verhältnis zu seinem Dienstherrn zuzumuten, seinem Begehren auf Gewährung von zeitlichem Ausgleich frühzeitig Ausdruck zu verleihen, zumal an einen solchen Antrag keine hohen Anforderungen zu stellen sind (Urteile vom 27. Mai 2010 - BVerwG 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 14, 15 und vom 13. November 2008 - BVerwG 2 C 16.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 101 Rn. 21 ff.).

20

Dies ist mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urteil vom 25. November 2010 a.a.O. Rn. 71 ff.) vereinbar. Zwar darf die Ausübung der Rechte, die dem Einzelnen aus den unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts erwachsen, nicht durch die Ausgestaltung des innerstaatlichen Verfahrensrechts unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden. Insbesondere darf der Anspruch eines Beamten auf Ersatz des Schadens, der ihm durch den Verstoß der Behörden gegen Art. 6 Buchst. b der Richtlinie 2003/88 entstanden ist, nicht davon abhängig gemacht werden, dass zuvor ein Antrag auf Einhaltung dieser unionsrechtlichen Bestimmung bei seinem Dienstherrn gestellt wurde (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 a.a.O. Rn. 90). Denn das Recht der Europäischen Union ist von den Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten unabhängig davon anzuwenden, ob seine Anwendung ausdrücklich beantragt worden ist oder nicht. Dies steht jedoch dem Erfordernis eines Antrags auf Gewährung von zeitlichem Ausgleich für die Zukunft nicht entgegen. Ohne einen derartigen Antrag muss der Dienstherr nicht davon ausgehen, jeder Beamte werde die Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit beanstanden, zumal ihn zunächst die Pflicht trifft, die von ihm verlangte Zuvielarbeit zu leisten. Der Antrag ist vielmehr erforderlich, eine Prüfung mit dem Ziel herbeizuführen, die Belange des Beamten zu berücksichtigen, und die Dienstpläne entsprechend anzupassen. Eine übermäßige Erschwerung der Durchsetzung von Unionsrecht liegt darin ebenso wenig wie beispielsweise in der normativen Festsetzung angemessener Ausschluss- und Verjährungsfristen (vgl. zu § 15 Abs. 4 AGG EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - Rs. C-246/09, Bulicke - NZA 2010, 869).

21

Nach diesen Maßstäben ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch in vollem Umfang gegeben; die Beschränkung auf 17 Stunden monatlich ergibt sich daraus, dass der Kläger seinen Antrag auf diesen Umfang beschränkt hat. Der Kläger hat auch den erforderlichen Antrag rechtzeitig, nämlich im Dezember 2001 mit Wirkung für die Zeit ab Januar 2002, gestellt.

22

Ob der Kläger zusätzlich einen unmittelbar aus Unionsrecht abgeleiteten Anspruch geltend machen kann (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 a.a.O.), muss nicht entschieden werden. Denn der auf Treu und Glauben gestützte Anspruch auf Freizeitausgleich wird dem vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Erfordernis gerecht, dass die Entschädigung dem erlittenen Schaden angemessen ist und dass ein effektiver Schutz der unionsrechtlichen Rechte des Einzelnen gewährleistet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 a.a.O. Rn. 91 ff.).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.