Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 03. März 2015 - 17 A 1047/14

ECLI:ECLI:DE:OVGNRW:2015:0303.17A1047.14.00
bei uns veröffentlicht am03.03.2015

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 195,00 € festgesetzt.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG | § 3


(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts. (2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch

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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 teilweise abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 wird hinsichtl

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Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherh

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Tatbestand 1 Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Handwerkskammerbeitrag für das Jahr 2010. Zwischen den Beteiligten ist vor allem streitig, ob die durch die Beklagte vorgenommene Bildung von Rücklagen dem Grunde und der Höhe n

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Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 Die Klägerin w

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 teilweise abgeändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 wird hinsichtlich der Beitragserhebung für die Jahre 2007 und 2008 - d.h. in Höhe von 1.327,32 € - aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Klägerin zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu IHK-Beiträgen. Mit Bescheid vom 17. November 2011 veranlagte die Beklagte sie zu folgenden Beiträgen:

2

Beitrag 2005:

541,91 € (410,-- € Grundbeitrag; 131,91 € Umlage)

Beitrag 2006:

300,65 € (280,-- € Grundbeitrag; 20,65 € Umlage)

Beitrag 2007:

766,91 € (540,-- € Grundbeitrag; 226,91 € Umlage)

Beitrag 2008:

560,41 € (410,-- € Grundbeitrag; 150,41 € Umlage)

3

Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 zurückgewiesen.

4

Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, ihre Zwangsmitgliedschaft sei verfassungs- und unionsrechtswidrig. Zudem seien die gebildeten Rücklagen zu hoch. Die Beklagte habe gegen das beitragsrechtliche Kostendeckungsprinzip verstoßen und mit den angegriffenen Beiträgen eine unzulässige Vermögensbildung vorgenommen. Das Finanzgebaren der Beklagten besitze einen vermögensverwaltenden Charakter, der mit dem Kostendeckungsprinzip des § 3 Abs. 2 Satz 1 IHK-G unvereinbar sei. Die in den betreffenden Jahren erwirtschafteten, ungeplanten Gewinne würden unzulässigerweise dem Eigenkapital der Beklagten zugeführt, anstatt über Beitragssenkungen an die Mitglieder ausgegeben zu werden.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 aufzuheben.

7

Die Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen,

9

Sie hat ausgeführt, bei den Haushaltsplanungen habe sie sich bis 2005 an der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) orientiert. Danach habe eine Betriebsmittelrücklage in Höhe von 30 bis 50 % gebildet werden müssen. Zusätzlich sei eine Haushaltsausgleichsrücklage in Höhe von bis zu 50 % der fortdauernden Ausgaben zulässig gewesen, um Beitragsschwankungen auszugleichen. Diese Regelungen habe 2006 mit anderen Begrifflichkeiten § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts übernommen. Die Bildung angemessener Rücklagen stelle keine unzulässige Vermögensbildung dar, sondern gehöre zu einer geordneten Haushaltsführung.

10

Mit Urteil vom 25. November 2013 hat das Verwaltungsgericht der Klage mit der Begründung stattgegeben, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 IHK-G - wonach die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der IHK, soweit sie nicht anderweitig gedeckt seien, durch Beiträge der Kammerzugehörigen aufgebracht würden -, lägen nicht vor. Rücklagen dürften zwar gebildet werden, aber nicht der Bildung von Vermögen dienen. Letzteres sei hier in Bezug auf die Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen zumindest teilweise der Fall. Die Beklagte habe insoweit jedenfalls das ihr in den Satzungsregelungen eingeräumte Ermessen zum Teil überschritten und hiervon in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Es sei bereits fraglich, ob die für die Beschlussfassung zuständige Vollversammlung bei der Festlegung der Rücklagen überhaupt Ermessen ausgeübt habe. Zudem sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Höhe der Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen offenkundig nicht mehr gewahrt. Immer dann, wenn die Beklagte Rücklagen bilden wolle, die über die zwingend vorgegebenen 30 % des Betriebsaufkommens hinausgingen, bedürfe dies nämlich einer besonderen Begründung im Einzelfall. Daran fehle es hier.

11

Zur Begründung ihrer durch das Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, sie habe keine unzulässige Vermögensbildung betrieben. Die zulässigen Grenzen würden erst dann überschritten, wenn sich die Rücklagenbildung als ein mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbares Verhalten erweise. Das sei hier nicht der Fall. Die in den umstrittenen Beitragsjahren gebildeten Rücklagen lägen innerhalb des durch die Satzungsregelungen gesteckten Rahmens. Aber selbst eine fehlerhafte Rücklagenbildung begründe keine Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheids. Stelle sich nämlich nachträglich heraus, dass zu hohe Rücklagen gebildet worden seien, müssten diese ex nunc aufgelöst oder abgeschmolzen und ab diesem Zeitpunkt für die Deckung der Kosten der Tätigkeiten der IHK eingesetzt werden. Ein Mitglied könne solche etwaigen Rechtsverstöße im Wege der Feststellungs- oder Unterlassungsklage angreifen. Nur diese Handlungsmöglichkeit und nicht etwa eine Beitragsanfechtung stelle den richtigen Weg dar, um eine Aufgabenüberschreitung der IHK geltend zu machen. Den Überschuss des Jahresabschlusses 2005 in Höhe von 1,75 Millionen Euro habe sie bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz in der Nettoposition berücksichtigt. Durch die Umstellung von der kameralen auf die kaufmännische Buchführung sei im Erfolgsplan für das Jahr 2006 ein Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr nicht auszuweisen gewesen. Die Nettoposition habe man im Jahr 2008 um 5 Millionen Euro erhöht, um den Kosten Rechnung zu tragen, die mit dem Zugang des Gebäudes N…, dem Ausbau des Dachgeschosses C… Straße sowie erheblichen Renovierungs- und Erneuerungsmaßnahmen im Altgebäude S… Straße einhergegangen seien. Seit 2013 plane sie erhebliche negative Jahresergebnisse, um die gebildeten Rücklagen abzuschmelzen.

12

Die Beklagte beantragt,

13

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2013 die Klage abzuweisen.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie verweist auf beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungs-beschwerden und macht geltend, der Gesetzgeber habe die ihm vom Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit auferlegte ständige Prüfung hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zwangsmitgliedschaft ganz offensichtlich versäumt. Die Pflichtmitgliedschaft in der IHK verstoße gegen Unionsrecht. Das Verwaltungsgericht sei im Übrigen zutreffend von einer mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbaren Vermögensbildung bei der Beklagten ausgegangen.

17

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus den zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätzen und den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.

19

Das Verwaltungsgericht hätte den Bescheid vom 17. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 nur teilweise und nicht vollständig aufheben dürfen. Der Bescheid ist nämlich nur in Höhe einer Beitragsforderung von 1.327,32 € rechtswidrig. Diese Rechtswidrigkeit bezieht sich auf die Beitragserhebung für das Jahr 2008 in Höhe 560,41 € (1.) und für das Jahr 2007 in Höhe von 766,91 € (2.). Im Übrigen - d.h. hinsichtlich der Beiträge für die Jahre 2005 und 2006 - ist die Klage unbegründet; insoweit ist sie unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts abzuweisen (3.).

20

1. In Bezug auf das Jahr 2008 ist der angefochtene Bescheid in Höhe des für dieses Jahr erhobenen Beitrags von 560,41 € rechtswidrig, weil in dem für dessen Festsetzung maßgeblichen Erfolgsplan vom 29. November 2007 für das Jahr 2008 unter der Position Nr. 21 unzutreffend als „Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr“ „0,-- Euro“ vermerkt sind, obwohl sich aus der Bilanz für das Jahr 2006 vom 29. Juni 2007 als Ergebnis ein Gewinn in Höhe von 2.210.513,13 € ergibt.

21

Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, diesen Bilanzgewinn - da keine Beitragsrückerstattung an die Mitglieder erfolgte und auch ein andernfalls in Betracht kommender gesonderter Beschluss der Vollversammlung über die aufgabengemäße Gewinnverwendung nicht getroffen wurde - in den nächsten, zeitlich auf seine Feststellung nachfolgenden Erfolgsplan einzustellen. Das folgt aus § 3 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHK-G -. Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans (bis 31.12.2007: nach Maßgabe des Haushaltsplans) durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Die Beiträge dürfen also nur insoweit erhoben werden, als die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer nicht anderweitig gedeckt sind; sie dürfen daher nicht der Bildung von Vermögen dienen (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45/87 -, juris, Rn. 20). Eine IHK muss folglich einen ungeplanten Bilanzgewinn zeitnah für die Finanzierung ihrer gesetzlichen Aufgaben einsetzen. Sie hat den Gewinn deshalb in der Regel – soweit nicht eine Beitragsrückerstattung an die Kammermitglieder erfolgt ist oder die Vollversammlung bereits einen speziellen Beschluss über die aufgabengemäße Gewinnverwendung gefasst hat – spätestens in den nächsten, zeitlich auf die Feststellung des Gewinns nachfolgenden Wirtschaftsplan einzustellen.

22

Nach diesem Maßstab hätte der angefochtene Beitrag für das Jahr 2008 jedenfalls nicht in der von der Beklagten festgesetzten Höhe erhoben werden dürfen.

23

a) Ausweislich der Bilanz vom 29. Juni 2007 stand der - nach dem Erfolgsplan für das Jahr 2006 ursprünglich nicht beabsichtigte - Gewinn aus dem Jahr 2006 in Höhe von 2.210.513,13 € als Quelle für die Finanzierung der für das Haushaltsjahr 2008 geplanten Ausgaben der Beklagten im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 IHK-G zur Verfügung. Auch sah der Erfolgsplan für das Jahr 2008 als insoweit maßgeblicher Teil des Haushaltsplans im Sinne von § 3 Abs. 2 IHK-G (vgl. § 10 Abs. 1 Haushaltsgrundsätzegesetz) spiegelbildlich zu der Bilanz unter Ziffer 21 die Position „Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr“ vor. Dort findet sich jedoch der unzutreffende Vermerk „Euro 0,-- €“.

24

Der Vermerk „Euro 0,-- €“ in dem Erfolgsplan für das Jahr 2008 ist auch unter Berücksichtigung des Einwandes der Beklagten unzutreffend, das unmittelbare Vorjahresergebnis des Jahres 2007 sei im Zeitpunkt der Aufstellung des Erfolgsplanes für 2008 noch nicht förmlich festgestellt gewesen. Denn jedenfalls stand der bereits am 29. Juni 2007 festgestellte Gewinn aus dem Jahr 2006 in Höhe von 2.210.513,13 € als anteiliger Bestandteil des Ergebnisses aus 2007 bereits fest und wäre deshalb als Ergebnisvortrag „aus dem Vorjahr“ in Ansatz zu bringen gewesen, obwohl er bereits im Jahr 2006 angefallen war. Dieses Verständnis der Position „Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr“ im Rahmen des jeweiligen Erfolgsplans ist auch deshalb geboten und folgerichtig, da andernfalls angesichts der vorgegebenen zeitlichen Abläufe ein „Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr“ in jedem vor Beginn des Haushaltsjahres aufgestellten Erfolgsplan von vornherein ausgeschlossen wäre, da das Bilanzergebnis aus dem unmittelbaren Vorjahr im Zeitpunkt der Aufstellung des Erfolgsplans für das Folgejahr regelmäßig noch nicht bekannt sein kann. Vor diesem Hintergrund kann lediglich die unterbliebene Einbeziehung des bilanzierten Überschusses aus dem Haushaltsjahr 2007 in Höhe von weiteren 2.162.859,6 € (4.373.372,77 € minus 2.210.513,13 €) im Hinblick auf den für die Beitragserhebung allein maßgeblichen Erfolgsplan für das Jahr 2008 vom 29. November 2007 nicht beanstandet werden, weil der Gewinn aus dem Jahr 2007 erst mit der Erfolgsrechnung vom 29. August 2008 festgestellt war.

25

Da die Beklagte nach § 3 Abs. 2 IHK-G zur Planung eines Gesamtüberschusses bzw. eines Gewinns aus Beiträgen nicht berechtigt gewesen war und sie dies ausweislich des Erfolgsplans vom 29. November 2007 (Geplantes Ergebnis: 0,-- €) für 2008 auch nicht beabsichtigte, hätte sich die gebotene Einspeisung des positiven Ergebnisses aus dem Jahr 2006 unter Ziffer 21 des Erfolgsplanes 2008 unmittelbar beitragsmindernd ausgewirkt. Anstelle der vorgesehenen Einnahmen durch Beiträge in Höhe von 14.289.600,-- € hätten danach kalkulierte Einnahmen in Höhe von 12.079.086,87 € ausgereicht, um das gebotene und erwünschte neutrale Planergebnis zu erreichen.

26

Indem die Beklagte die - nach dem Erfolgsplan unter Nr. 21 ausdrücklich vorgesehene - Einbeziehung des seit Mitte 2007 feststehenden Ergebnisses aus dem Jahr 2006 unterließ und statt dessen mit „0,-- Euro“ in Ansatz brachte, wurde der Gewinn aus dem Jahr 2006 der Beitragsplanung dauerhaft vorenthalten, also unzulässig Vermögen gebildet, welches entgegen den Anforderungen des § 3 Abs. 2 IHK-G nicht für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Beklagten (vgl. § 1 Abs. 1 IHK-G) verwendet wurde.

27

b) Auf eine etwaige alternative Möglichkeit der Gewinnverwendung kann die Beklagte sich insoweit nicht berufen. Von der Möglichkeit einer zeitnahen Ausschüttung des Bilanzgewinns aus dem Jahr 2006 an die Mitglieder außerhalb der Beitragskalkulation für das (Nach-)Nachfolgejahr 2008 wurde nämlich offenkundig kein Gebrauch gemacht.

28

Auch eine etwaige in Betracht kommende Gewinnverwendung durch Zuführung in eine der satzungsmäßig vorgesehenen Rücklagen war wegen der bereits erfolgten weitgehenden Ausschöpfung des nach § 15 Abs. 3 Finanzstatut vorgegebenen zulässigen Rahmens von jeweils höchstens 50 % des geplanten Betriebsaufwandes im Jahr 2008 (16.250.300 €), also von je 8.125.150 €, ausgeschlossen. Denn zum Jahresbeginn beliefen sich die Ausgleichsrücklage auf 8.052.281,93 € und die Liquiditätsrücklage auf 8.070.000,-- €. Für keine der beiden Rücklagenarten hätten daher eine Zuführung von mehr als rund 100.000,-- € geplant werden dürfen.

29

Schließlich ist auch die Zuführung des Ergebnisses aus dem Jahr 2006 (sowie weiterer Überschüsse aus den nachfolgenden Jahren) in die Nettoposition durch den Beschluss der Vollversammlung vom 26. November 2008 nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des Erfolgsplanes für das Jahr 2008 zu beseitigen. Denn die Zuführung zur Nettoposition - also zu dem grundsätzlich unveränderlichen, gerade nicht für künftige Ausgaben vorgesehenen Posten innerhalb des Eigenkapitals der Beklagten - hatte zur Folge, dass eine Verwendung des Gewinns zur Finanzierung der gesetzlich vorgesehenen Aufgaben der Beklagten im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 IHK-G endgültig unterblieb.

30

Soweit die Beklagte sinngemäß vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung bekräftigt hat, es habe sich bei der Erhöhung der Nettoposition vom 26. November 2008 eigentlich nicht um eine Zuführung, sondern lediglich um die Berichtigung und rechnerische Anpassung der Nettoposition gehandelt, die aufgrund von bereits in den vorangehenden Jahren erfolgten Veränderungen des Immobilienbestandes notwendig geworden sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Diese Behauptung ist bereits deshalb nicht plausibel, weil in dem Beschluss vom 26. November 2008 keine Rede ist von Veränderungen im Immobilienbestand, sondern er ausdrücklich eine Gewinnverwendung zum Gegenstand hatte. In dem Protokoll über die Sitzung der Vollversammlung der Beklagten vom 26. November 2008 heißt es unter TOP 10: „Die Vollversammlung beschließt bei einer Enthaltung die einmalige Erhöhung der Nettoposition in der Bilanz um 5 Mio. Euro auf 21 Mio. Euro. Die Mittel sollen aus dem Ergebnis 2006 und 2007 in Höhe von 4.373.372,77 Euro sowie in Höhe von 626.627,23 Euro aus dem eventuellen Ergebnis 2008 verwendet werden.“

31

Zudem widersprechen die von der Beklagten vorgelegten Bilanzen der Annahme einer bloßen Anpassung der Nettoposition aufgrund von (Wert-)Veränderungen des Immobilienvermögens. Aus den Bilanzen geht keine Veränderung des unbeweglichen Sachanlagevermögens hervor, die der Erhöhung der Nettoposition um 5 Millionen Euro entspräche. Die Sachanlagen (Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken sowie andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung) beliefen sich zum 1. Januar 2006 auf rund 7,71 Millionen Euro. Zum 31.12.2006 war der Posten auf rund 7,92 Millionen Euro angewachsen. Zum 31.12.2007 betrug das Sachanlagevermögen der Beklagten ausweislich der Bilanz zum 31.12.2007 vom 29. August 2008 8,97 Millionen Euro und zum 31.12.2008 laut der Bilanz vom 4. Mai 2009 rund 8,87 Millionen Euro. Vom 1. Januar 2006 bis zum 31.12.2008 war also eine Erhöhung des Sachanlagevermögens um lediglich rund 1,16 Millionen Euro zu verzeichnen. Dagegen stieg das in der Bilanz ausgewiesene Finanzanlagevermögen im gleichen Zeitraum von rund 33,83 Millionen Euro (1.1.2006) auf rund 46,18 Millionen Euro (31.12.2008), also um 12,35 Millionen Euro.

32

Darüber hinaus ergibt sich aus der Bilanz zum 31. Dezember 2008 vom 4. Mai 2009, dass die Nettoposition nach der Erhöhung vom 26. November 2008 mit einer Summe von 21 Millionen Euro erheblich höher war als das mit rund 7,5 Millionen Euro ausgewiesene Immobilienvermögen (Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken). Es ist deshalb davon auszugehen, dass der weit überwiegende Teil der Nettoposition der Beklagten gerade nicht - wie es auch § 15a Abs. 1 des neuen Muster-Finanzstatuts der Industrie- und Handelskammern vorsieht (vgl. dazu Jahn, GewArch 2014, 64 [66]) - im Wesentlichen dem unbeweglichen Sachanlagevermögen entsprach. Vielmehr handelte es sich offenkundig in erheblichem Umfang um Kapital, welches nicht - auch nicht in Gestalt von Sachanlagen - für die gesetzlichen Aufgaben der Beklagten benötigt wurde, also in diesem Sinne um „freies“ Kapital.

33

Der Beklagten hätte es frei gestanden, mit den Gewinnen z.B. eine zweckgebundene Immobilienrücklage zu bilden, um einen etwaigen späteren Immobilienerwerb zu finanzieren. Die von ihr praktizierte, zweckfreie Ansammlung des Gewinns ohne eine Einbeziehung in die Haushalts- bzw. Wirtschaftsplanung war indessen mit § 3 Abs. 2 Satz 1 IHK-G unvereinbar. Damit lag zugleich eine Überschreitung des grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums vor, der der Beklagten bei der Aufstellung ihres Wirtschaftsplanes zukommt (vgl. OVG RP, Urteil vom 20. September 2010 - 6 A 10282/10.OVG -, juris Rn. 73).

34

c) Liegt danach ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 IHK-G vor, so ist dieser im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage gegen den Beitragsbescheid auch rügefähig. Der Senat geht zwar in ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass die Aufgabenüberschreitung einer IHK im Rahmen einer Anfechtung des Beitragsbescheides nicht gerügt werden kann (vgl. hierzu bereits OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. April 2011 - 6 A 11076/10 -, juris Rn. 16 ff.). Diese Rechtsprechung ist aber auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn die Klägerin beanstandet im Rahmen der Beitragsanfechtung nicht konkrete Ausgaben für bestimmte Tätigkeiten, die während eines abgelaufenen Beitragsjahres erfolgt sind. Vielmehr geht es um die umgekehrte Frage, ob und in welcher Höhe die Beklagte Beiträge erheben durfte, obwohl ihr Gewinne aus den Vorjahren für die Finanzierung ihrer gesetzlich vorgesehenen Tätigkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Anders als im Falle der Rüge etwaiger unzulässiger Ausgaben ist das beanstandete Vermögen im vorliegenden Fall - als Teil der Nettoposition - auch noch vorhanden. Dementsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht die Rüge unzulässiger Vermögensbildung ohne Weiteres für zulässig und sie lediglich im konkreten Fall wegen der Angemessenheit der beanstandeten Rücklagen als unbegründet erachtet (vgl. Urteil vom 26. Juni 1990 - 1 C 45/87 -, juris, Rn. 20).

35

Nach alledem ist die Klägerin durch die unterbliebene Verwendung des Gewinnes aus dem Jahr 2006 im Rahmen der Wirtschaftsplanung für das Jahr 2008 anteilig in Höhe der auf ihren Beitrag entfallenden unzulässigen Mehrbelastung im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO beschwert.

36

d) Die rechtswidrig unterbliebene Einbeziehung des Gewinnes aus dem Jahr 2006 in den Erfolgsplan für das Jahr 2008 führt zur Aufhebung des Beitragsbescheides in Bezug auf das Jahr 2008 in vollem Umfang des auf die Klägerin entfallenden Beitrags. Die Verwaltungsgerichte sind zwar grundsätzlich gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet selbst festzustellen, in welcher Höhe ein rechtswidriger Abgabenbescheid aufrechterhalten bleiben kann, und dürfen diesen nur aufheben, soweit er rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Die Verpflichtung zur Spruchreifmachung bezieht sich, wie aus der Einschränkung im Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO („soweit“) folgt, auch darauf, den Abgabenbescheid gegebenenfalls nur hinsichtlich eines Teilbetrags in bestimmter Höhe zu bestätigen und die Klage hinsichtlich des überschießenden Betrags abzuweisen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. September 2008 - 9 B 2/08 - NVwZ 2009, 253 [254]). Dies gilt aber nur, soweit der zutreffende Betrag der Höhe nach konkret bezifferbar und daher ein von dem Kläger in jedem Fall geschuldeter Beitrag in bestimmter Höhe zu ermitteln ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. September 2008 - 9 B 2/08 - NVwZ 2009, 253 [254 f.]). Hieran fehlt es, wenn eine neue behördliche Ermessensentscheidung oder die Ausübung eines Gestaltungsspielraums erfolgen müsste (vgl. entsprechend zur fehlerhaften Abschnittsbildung im Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 1974 - IV C 9.73 - BVerwGE 47, 64, juris Rn. 17).

37

So verhält es sich hier. Die Beschwer der Klägerin kann seitens des Senats nicht etwa durch eine einfache proportionale Vergleichsrechnung unter Berücksichtigung des Jahresergebnisses 2006 festgestellt werden. Die Beiträge der Mitglieder der Beklagten setzen sich nämlich nach Maßgabe der Wirtschaftssatzung der Beklagten aus Grundbeiträgen und Umlagen zusammen, wobei die Grundbeiträge in Abhängigkeit von dem Gewerbeertrag des Mitglieds gestaffelt sind (vgl. § 3 Abs. 3 IHK-G). Hiernach liegt die Entscheidung, in welcher Höhe und Relation die Grundbeiträge und/oder der Umlagesatz unter Zugrundelegung eines ordnungsgemäßen Erfolgsplans zu reduzieren sind, im Bereich des Gestaltungsspielraums der Beklagten. Insoweit bedarf es einer Korrektur der Beitragssätze für das Jahr 2008 durch die Vollversammlung der Beklagten, selbst wenn sich diese Neubestimmung aufgrund der eingetretenen Bestandskraft der Beitragsbescheide der anderen Mitglieder - soweit ersichtlich - tatsächlich nur auf die Klägerin auswirken mag. Vor diesem Hintergrund ist die Beitragserhebung für das Jahr 2008 im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage in vollem Umfang aufzuheben. Die Rechtsbeeinträchtigung der Klägerin liegt hier unter den gegebenen Umständen nämlich bereits darin, dass ein fehlerhafter Beitragsbescheid in ihre Rechtssphäre eingreift und von ihr eine Geldleistung fordert, die der Bescheid in rechtswidriger Weise bestimmt (vgl. entspr. BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 1974 - IV C 9.73 - BVerwGE 47, 64, juris Rn. 17).

38

2. In Bezug auf das Jahr 2007 ist der angefochtene Beitragsbescheid in Höhe weiterer 766,91 € ebenfalls rechtswidrig, weil der Gewinn aus dem letzten kameral geführten Haushalt (2005) in Höhe von 1.750.507,16 € zu Unrecht im Rahmen des Erfolgsplanes vom 29. November 2006 mit „0,-- Euro“ in Ansatz gebracht wurde.

39

Auch insoweit gilt nach den bereits oben (1.b) ausgeführten Maßstäben, dass die Beklagte sich nicht mit Erfolg darauf berufen kann, diesen Überschuss im Rahmen der Eröffnungsbilanz 2006 in der Nettoposition ausgewiesen zu haben. Denn auch im doppischen Haushalt ist für den Erfolgsplan ebenso wie für die Erfolgsrechnung der Gliederungspunkt „Ergebnisvortrag“ vorgesehen; an dieser Stelle hätte sich der Gewinn aus dem Jahr 2005 - anders als bei seiner Zuführung zur Nettoposition - beitragsmindernd ausgewirkt. Bezeichnenderweise haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, der kameral ausgewiesene Überschuss 2005 habe als Barkapital zur Verfügung gestanden.

40

Indem der Überschuss aus dem Jahr 2005 anlässlich der Umstellung auf die doppische Haushaltsführung statt dessen der Nettoposition - und damit einem grundsätzlich unveränderlichen, der jährlichen Erfolgsplanung und damit auch der Beitragskalkulation entzogenen Posten - zugeführt wurde, wurde auch insoweit die prinzipielle Unverfügbarkeit der betreffenden Finanzmittel für die künftige Tätigkeit und die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Beklagten festgelegt.

41

Der Einwand der Beklagten, die Nettoposition definiere sich rechnerisch als „Saldo aus der Summe aller Vermögenspositionen und der Summe aller Kapitalpositionen“ dar, greift nicht durch. Ausweislich der Standards für die staatliche doppelte Buchführung (Standards staatlicher Doppik) nach § 7a HGrG in Verbindung mit § 49a HGrG (Stand: 23. Oktober 2013) - die jedenfalls als Orientierung herangezogen werden können - ist bei der Gliederung im Rahmen des Eigenkapitals zwischen der Nettoposition (Passiva, Gliederungspunkt A.I.) und dem Gewinnvortrag (Passiva, Gliederungspunkt A.IV.) zu unterscheiden. Dementsprechend definiert sich die Nettoposition im engeren Sinne als Eigenkapital abzüglich der Rücklagen abzüglich des Ergebnisvortrags. Die bloße Umstellung der Rechnungslegung von der Kameralistik auf Doppik befreite die Beklagte dabei nicht von der aus § 3 Abs. 2 IHK-G folgenden Verpflichtung, den kameral erwirtschafteten Überschuss im nächstmöglichen Haushaltsjahr zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben einzusetzen oder eine teilweise Rückerstattung der Beiträge vorzunehmen. Auch auf das formal-begriffliche Argument, für den Neubeginn des doppischen Systems müsse - da gewissermaßen die Neugründung eines Unternehmens fingiert wird - der Ergebnisvortrag zwangsläufig mit „Null“ angesetzt werden, kann sich die Beklagte vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Verpflichtung zur Verwendung des Überschusses nicht zurückziehen. Denn die Grundsätze des § 3 Abs. 2 IHK-G - die eine Verwendung für die gesetzlichen Aufgaben der Beklagten oder Rückerstattung an die Beitragszahler geboten - konnten mit der bloßen Umstellung der Rechnungslegung nicht außer Kraft gesetzt werden.

42

Nach alledem hätten in dem Erfolgsplan für das Jahr 2007 die Beiträge nicht mit 13.933.900 € in Ansatz gebracht werden dürfen, sondern - um ein neutrales Gesamtergebnis zu erzielen - nur mit 12.183.393 €. Der Beitragsbescheid ist vor diesem Hintergrund in Bezug auf das Jahr 2007 in vollem Umfang aufzuheben, weil es, wie bereits unter 1.d) näher dargelegt, der Vollversammlung der Beklagten obliegt, über die Art und Weise der Reduktion der gestaffelten Beiträge zu entscheiden.

43

3. Im Übrigen - das heißt in Bezug auf die Beiträge für die Jahre 2005 und 2006 - ist die Klage unbegründet. Insoweit ist sie unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts abzuweisen.

44

Das gilt zunächst im Hinblick auf die grundsätzliche Beitragspflicht der Klägerin und die Zwangsmitgliedschaft unter verfassungs- und unionsrechtlichen Gesichtspunkten. Insoweit hat der Senat bereits in früheren Entscheidungen ausgeführt, dass die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer weder gegen Verfassungsrecht, noch gegen Unionsrecht verstößt (vgl. ausführlich OVG RP, Urteil vom 20. September 2010 - 6 A 10282/10.OVG -, juris Rn. 32 ff.). Hieran wird erneut festgehalten und zur Begründung auf die seinerzeitigen Entscheidungsgründe Bezug genommen.

45

Auch die weiteren Einwände der Klägerin gegen die Höhe der Beiträge greifen nicht durch. Dies gilt insbesondere für die Rüge unzulässiger Rücklagenbildung. Eine gerichtliche Kontrolle der Rücklagenbildung ist im Rahmen der vorliegenden Anfechtungsklage gegen den Beitragsbescheid allenfalls insoweit möglich, als die erhobenen Beiträge kalkulatorisch wenigstens teilweise auf einer geplanten Zuführung zu den Rücklagen beruhen. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHK-G werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer nach Maßgabe des Wirtschaftsplans (bis 31.12.2007: des Haushaltsplans) durch Beiträge aufgebracht. Grundlage für die Beurteilung der gerügten Vermögensbildung durch die Beklagte im Hinblick auf den angefochtenen Beitragsbescheid sind daher nicht die Erfolgsrechnungen oder Bilanzen, sondern die Pläne, da allein auf deren Grundlage die Beitragserhebung erfolgt. Damit sind die Kammermitglieder in Bezug auf das sonstige Handeln der Beklagten nicht rechtsschutzlos gestellt. Vielmehr kann ein einzelnes Kammermitglied seinen Anspruch auf Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Grenzen der Kammertätigkeit im Wege einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage geltend machen (vgl. OVG RP, Urteil vom 13. April 2011 - 6 A 11076/10 -, juris Rn. 16 ff.),

46

Nach Maßgabe der Haushalts- bzw. Erfolgspläne war jedoch im gesamten umstrittenen Zeitraum (2005 – 2008) keine Zuführung in die Liquiditätsrücklage geplant. Die Frage der Zulässigkeit der Höhe der Liquiditätsrücklage stellt sich daher im vorliegenden Verfahren nicht, da es insoweit jedenfalls an einer Beschwer der Klägerin durch die Beitragserhebung fehlt. Zudem finden sich - im Unterschied zu der oben unter 1. und 2. dargelegten unterbliebenen Einbeziehung der Gewinne aus den Vorjahren in die Erfolgspläne - in Bezug auf die Liquiditätsrücklage auch keine unzutreffenden Angaben in den der Beitragserhebung zugrunde liegenden Erfolgsplänen.

47

Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob sich die Rüge unzulässiger Rücklagenbildung in Bezug auf die Liquiditätsrücklage durch die neue Satzungslage ohnehin prozessual erledigt hat, weil die Liquiditätsrücklage - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung bekundet hat - bis zum 31.12.2018 abgeschmolzen werden soll.

48

In Bezug auf die von der Klägerin ebenfalls beanstandete Ausgleichsrücklage sah lediglich der Erfolgsplan für das Jahr 2007 eine Zuführung in Höhe von 136.500,-- € vor. Da indessen der angefochtene Bescheid in Bezug auf das Jahr 2007 bereits aus den unter 1.d). dargelegten Gründen der vollständigen Aufhebung unterliegt, kommt es auf die Zulässigkeit dieser geplanten Zuführung zur Ausgleichsrücklage nicht mehr an. Ergänzend weist der Senat aber darauf hin, dass die geplante Höhe der Ausgleichsrücklage für das Jahresende 7.805.500,-- € betrug, sie sich also auf unter 50 % des geplanten Betriebsaufwandes belief (50 % von 16.091.900,-- € = 8.045.950,-- €). Zur Zulässigkeit von Ausgleichsrücklagen in dieser Höhe hat der Senat bereits in einer früheren Entscheidung ausgeführt, der vorgesehene Umfang der Rücklage in Höhe von bis zu 50 % erscheine nicht unangemessen. Denn ein um mehrere Monate verzögerter Beitragseingang sei nicht ungewöhnlich, so dass die entsprechenden Guthaben dazu dienten, in einem solchen Fall kostspielige Kassenkredite zu vermeiden (vgl. OVG RP, Urteil vom 20. September 2010 - 6 A 10282/10.OVG -, juris Rn. 80). An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch in Ansehung der Argumente der Klägerin weiter fest.

49

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO.

50

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

51

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

52

Beschluss

53

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 2.169,88 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG).


Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in noch festzusetzender Höhe vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu IHK-Beiträgen.

2

Sie betreibt seit dem 11. Juli 2005 das Gewerbe „Logistik und Spedition“. Mit Bescheid vom 17. November 2011 zog die Beklagte die Klägerin zu folgenden Beiträgen heran:

3

- Beitrag 2005, berichtigte Abrechnung 541,91 € (410,-- € Grundbeitrag; 131,91 € Umlage)
- Beitrag 2006, berichtigte Abrechnung 300,65 € (280,-- € Grundbeitrag; 20,65 € Umlage)
- Beitrag 2007, berichtigte Abrechnung 766,91 € (540,-- € Grundbeitrag; 226,91 € Umlage)
- Beitrag 2008, berichtigte Abrechnung 560,41 € (410,-- € Grundbeitrag; 150,41 € Umlage)

4

Dagegen hat die Klägerin am 21. November 2011 Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2012 zurückgewiesen wurde.

5

Am 7. Februar 2012 hat die Klägerin Klage erhoben.

6

Zu deren Begründung machte sie geltend, die Beitragserhebung sei sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach rechtswidrig. Im Rahmen ihrer schriftsätzlichen Klagebegründung trug die Klägerin zunächst schwerpunktmäßig vor, die Zwangsmitgliedschaft bei der Industrie- und Handelskammer und die daraus resultierende Beitragspflicht seien verfassungswidrig und würden darüber hinaus gegen europarechtliche Bestimmungen verstoßen. Dies wurde im Einzelnen ausführlich dargelegt.

7

Nachdem das erkennende Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 2012 zu erkennen gegeben hatte, dass es die von der Klägerin angemeldeten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken nicht teilt, verlagerte die Klägerin den Schwerpunkt ihres Vorbringens nunmehr auf die Frage der Höhe der erhobenen Beiträge. Hierzu trägt sie vor, dass unter anderem die von der Beklagten praktizierte Rücklagenbildung übersetzt sei, was im Ergebnis einer unzulässigen Vermögensbildung gleichkomme, wodurch die Mitgliedsbeiträge unnötig hochgehalten würden. Schon die der Bildung einer „Liquiditätsrücklage“ und „Ausgleichsrücklage“ zugrunde liegenden Regelungen des § 33 Haushalts-, Kosten-, Rechnungslegungsordnung bzw. § 15 Abs. 3 Finanzstatut seien nicht hinreichend bestimmt genug. Auch sei die Bildung einer Liquiditätsrücklage bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt. Deshalb werde sie in anderen Bundesländern wie z.B. in Bayern abgeschafft. Hinsichtlich der Ausgleichsrücklage sei der in den einschlägigen Regelungen vorgesehene Korridor in Höhe von 50 % des Betriebsaufkommens gemessen am Bedarf der Beklagten zu hoch angesetzt. Die Ausgleichsrücklage diene dem Zweck, Beitragsschwankungen auszugleichen. Es müsse aber davon ausgegangen werden, dass auch auf Jahre betrachtet die Beitragsschwankungen nicht derart hoch seien, dass damit eine Rücklagenbildung in dieser Höhe gerechtfertigt werden könne. Selbst die allgemeine Wirtschafts- und Finanzkrise rechtfertige nicht die Bildung derart erheblicher Rücklagen wie im Falle der Beklagten.

8

Darüber hinaus hat die Klägerin noch weitere Einwände betreffend die Höhe der Beiträge vorgetragen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Klägerin sowie auf die Niederschrift über den Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 4. September 2013 verwiesen.

9

Auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juli 2012 erließ das Gericht einen Aufklärungsbeschluss, mit dem der Beklagten u.a. aufgegeben wurde, die konkrete Höhe der Rücklagen in den Haushaltsjahren 2005 bis 2008 darzulegen. Daraufhin machte die Beklagte u.a. folgende Angaben:

10

Jahr 2005:

        

- Summe der fortlaufenden Ausgaben (Plan)

13.038.700,00 €

- Betriebsmittelrücklage

6.430.407,47 €

- Haushaltsausgleichsrücklage

6.494.735,49 €

                 

Jahr 2006:

        

- Betriebsaufwand (Plan)

15.404.700,00 €

- Liquiditätsrücklage

7.669.307,47 €

- Ausgleichsrücklage

7.915.781,93 €

                 

Jahr 2007:

        

- Betriebsaufwand (Plan)

17.987.200,00 €

- Liquiditätsrücklage

8.070.007,47 €

- Ausgleichsrücklage

8.052.281,93 €

                 

Jahr 2008:

        

- Betriebsaufwand (Plan)

16.561.200,00 €

- Liquiditätsrücklage

8.070.007,47 €

- Ausgleichsrücklage

8.052.281,93 €

11

Die Klägerin beantragt,

12

den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2012 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Sie ist der Klage entgegengetreten und hält die Beitragserhebung sowohl dem Grunde wie auch der Höhe nach für rechtmäßig.

16

Bezüglich der Ausgleichs- und auch der Liquiditätsrücklagen sei zunächst darauf hinzuweisen, dass diese jeweils in der Vergangenheit gebildet worden und dann über längere Zeiträume in der Summe nicht verändert worden seien. Es habe auch in den streitgegenständlichen Beitragsjahren 2005 bis 2008 keine Veranlassung bestanden, aus Sicht der Beklagten hier Veränderungen vorzunehmen, zumal klar gewesen sei, dass im Laufe der Jahre der Prozentsatz in Bezug auf das Betriebsaufkommen sinken würde, während gleichzeitig auch jährliche Beitragssenkungen hätten vorgenommen werden können, ohne die gebildeten Rücklagen abzuschmelzen. Ziel der Rücklagenbildung sei es gewesen, eine geordnete Haushaltsführung zu gewährleisten, ohne die Aufnahme von Krediten, wie dies beispielsweise bei kommunalen Gebietskörperschaften der Fall sei. Insbesondere in den Jahren 2007/2008 sei hinzugekommen, dass eine Wirtschaftskrise bestanden habe und sich von daher bereits bei der Gewerbesteuer erhebliche Rückgänge abgezeichnet hätten mit der Folge, dass entsprechende Beitragsrückgänge auch für die Beklagte zu erwarten gewesen seien. Diese Aspekte seien auch jeweils in der Vollversammlung diskutiert worden.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist begründet.

19

Der Bescheid der Beklagten vom 17. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er unterliegt daher der Aufhebung (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

20

Dabei bedarf es nicht des Eingehens auf die von der Klägerin zunächst angesprochene Frage der Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft mit verfassungs- und/oder europarechtlichen Bestimmungen. Denn die streitgegenständliche Beitragserhebung entspricht bereits nicht den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und kann von daher keinen Bestand haben.

21

Nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und HandelskammernIHKG – werden die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der IHK, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Diese Voraussetzungen lagen hier in Bezug auf die streitgegenständliche Beitragserhebung nicht vor. Denn aufgrund einer fehlerhaften Rücklagenbildung standen der Beklagten für die Haushaltsjahre 2005 bis 2008 zur Deckung der Kosten ihrer Tätigkeit zusätzliche, rechtlich ungebundene Mittel zur Verfügung, die die Höhe der gegenüber der Klägerin festgesetzten Beiträge bei weitem überschritten haben. Für den Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides bestand daher kein Anlass.

22

Unbestritten ist allerdings, dass nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der das erkennende Gericht folgt (vgl. Jahn, zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern – ein Rechtsprechungsreport 2005 bis 2007 –, GewArch 2008, 187 ff.; ders. zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern – ein Rechtsprechungsreport 2008 bis 2011 –, GewArch 2012, 9 ff.; Frentzel/Jäckel/Junge, IHKG, Kommentar, 7. Auflage, § 3 Rdnr. 25; BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 1 C 45.87 – juris; VG Magdeburg, Urteil vom 7. Februar 2013 – 3 A 385/11 –, juris), eine IHK zur Bildung von Rücklagen nicht nur berechtigt, sondern im Interesse einer ordnungsgemäßen Haushaltsführung sogar verpflichtet ist. Im Hinblick darauf hat die Beklagte zwar durchaus zu Recht darauf verwiesen, dass es sich bei der Bildung angemessener Rücklagen ebenfalls um Kosten der IHK i.S.d. § 3 Abs. 2 IHKG handelt. Sie dürfen allerdings nicht der Bildung von Vermögen dienen (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 – 1 C 47.87 –, juris). Letzteres ist hier aber in Bezug auf die von der Beklagten in den Beitragsjahren 2005 bis 2008 gebildeten Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen zumindest teilweise der Fall.

23

Die Rücklagenbildung als solche ist im IHKG nicht ausdrücklich geregelt. Der Gesetzgeber hat aber in § 3 Abs. 7a IHKG die Gestaltung des Kammerhaushalts als wesentliche Selbstverwaltungsangelegenheit statuiert. Hiernach ist das Nähere für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplanes und den Jahresabschluss durch Satzung zu regeln. Für deren Erlass ist gemäß § 4 Satz 1 Nr. 8 IHKG allein die Vollversammlung zuständig.

24

Von diesem Gestaltungsrecht hat die Beklagte Gebrauch gemacht durch Erlass der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung, gültig bis 31. Dezember 2005 – HKRO – und des Finanzstatuts, gültig ab 1. Januar 2006 – FSt –. Bezüglich des wirksamen Zustandekommens dieser Regelungen hat die Klägerin keine gesonderten Einwände vorgebracht, so dass die Kammer von weiteren Ausführungen dazu absieht.

25

Was die Bildung von Rücklagen anbelangt, finden sich dazu Regelungen in § 33 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 FSt.

26

Nach § 33 Abs. 1 HKRO ist eine Betriebsmittelrücklage in Höhe von mindestens 30 %, höchstens 50 % der Summe der fortdauernden Ausgaben zu bilden, deren Zweck die Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten ist.

27

Nach § 33 Abs. 2 HKRO kann daneben eine Haushaltsausgleichsrücklage bis zu 50 % der fortdauernden Ausgaben angesammelt werden, um allgemein große Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen.

28

Nach § 33 Abs. 3 HKRO sind weitere zweckgebundene Rücklagen zulässig.

29

Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt ist eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 v.H. und 50 v.H. der Betriebsaufwendungen beträgt und die dem Zweck dient, Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen.

30

Nach § 15 Abs. 3 Satz 2 FSt kann daneben eine Liquiditätsrücklage in Höhe von höchstens 50 v.H. der Summe der Betriebsaufwendungen gebildet werden, die der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten dient.

31

Nach § 15 Abs. 3 Satz 4 FSt ist die Bildung anderer Rücklagen zulässig.

32

Die in Bezug auf diese Regelungen von der Klägerin vertretene Auffassung, deren Rechtswidrigkeit ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass damit die Möglichkeit eröffnet werde, bei voller Ausschöpfung des für die Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen vorgegebenen „Korridors“ Rücklagen in Höhe von 100 % der jährlich fortdauernden Ausgaben bzw. Betriebsaufwendungen zu bilden, bedarf ebenfalls keiner abschließenden Entscheidung durch das Gericht. Das Gleiche gilt im Ergebnis für die weitere aufgeworfene Frage, ob es überhaupt zulässig ist, eine Liquiditätsrücklage zu bilden. Denn nach Aktenlage und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte jedenfalls das ihr in den genannten Bestimmungen eingeräumte Ermessen zum Teil überschritten und darüber hinaus hiervon in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, vgl. § 114 Satz 1 VwGO.

33

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf ihr Selbstverwaltungsrecht argumentiert, die in Rede stehenden Regelungen der HKRO bzw. des Finanzstatus stellten lediglich den zulässigen Rahmen dar, innerhalb dessen sie sich bewegen müsse, ohne dass der konkrete Umfang der Ausschöpfung dieses Rahmens im Einzelfall bezogen auf die jeweiligen Haushaltsjahre einer rechtlichen Nachprüfung unterliege, kann dem nicht gefolgt werden. Insbesondere lässt sich dies entgegen der Annahme der Beklagten nicht aus den Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 4. September 2012 – 22 ZB 11.1007 –, juris) und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Urteil vom 20. September 2010 – 6 A 10282/10.OVG –, juris) herleiten, da beide Entscheidungen sich mit der vorstehend aufgeworfenen Frage nicht befassen (mussten), sondern sich lediglich allgemein dazu äußern, ob der satzungsmäßig vorgegebene Rahmen schon dem Grunde nach unangemessen sein könnte.

34

Demgegenüber findet die hier vertretene Auffassung eine Stütze in der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 20. September 2012 (1 L 124/11, juris, insbesondere Rdnr. 55). Darin heißt es unter anderem, bei der Beurteilung dessen, was die Kammer im Einzelnen für erforderlich und welche Rücklagen sie in welcher Höhe für angemessen hält, stehe ihr ein weiter Ermessensspielraum zu, der einerseits dadurch begrenzt werde, dass die durch die Rücklage zu finanzierende Maßnahme dem Aufgabenbereich der Kammer unterfallen muss und andererseits die Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung nicht offensichtlich überschritten werden dürfen bzw. ein mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbares Verhalten der Beklagten feststellbar ist. In Bezug auf die Angemessenheit der Rücklagenhöhe sei weiter zu berücksichtigen, dass die Rücklagenbildung aufgrund der mit ihr bezweckten Sicherung eines zukünftigen Finanzbedarfs in der Regel aufgrund einer Prognose und Schätzung künftiger Kosten erfolge und das diesbezüglich der Kammer eingeräumte Ermessen erst dann rechtswidrig ausgeübt werde, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig sei. Diese Ausführungen, denen das erkennende Gericht folgt, verhalten sich erkennbar zu dem bei der Überprüfung der Höhe einer Rücklage im Einzelfall anzuwendenden Prüfungsmaßstab. Im Übrigen wäre es selbst unter Berücksichtigung des der Beklagten zustehenden Selbstverwaltungsrechts mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG –) bedenklich, das Finanzgebaren der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts in bestimmten Bereichen der gerichtlichen Nachprüfbarkeit völlig zu entziehen.

35

Unterliegt damit auch die Festsetzung der konkreten Höhe der in Rede stehenden Rücklagen durch die Vollversammlung bezogen auf jedes einzelne Haushaltsjahr einer gerichtlichen Nachprüfbarkeit, so ist eine teilweise Ermessensüberschreitung der Beklagten zunächst für das Haushaltsjahr 2006 zu verzeichnen. Zufolge des dazu von ihr vorgelegten Zahlenmaterials hat sie in diesem Jahr mit 7.915.781,93 € eine Ausgleichsrücklage in Höhe von 51,4 % des planmäßigen Betriebsaufwands in Höhe von 15.404.700 € beschlossen. Damit wurde der in § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt vorgegebene maximal zulässige Rahmen von 50 % um 1,4 %, mithin 213.431,93 € überschritten. Mindestens in dieser Höhe lag demnach im Jahr 2006 eine unzulässige Vermögensbildung vor, die zur Deckung der Kosten hätte verwendet werden müssen.

36

Darüber hinaus ist für alle der in Streit stehenden Beitragsjahre ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten festzustellen.

37

Es ist bereits fraglich, ob die für die Beschlussfassung zuständige Vollversammlung bei der Festlegung der beiden in Rede stehenden Rücklagen überhaupt Ermessen ausgeübt hat. Zwar hat die Vollversammlung jeweils über die Festsetzung des Wirtschaftsplans für die einzelnen Kalenderjahre entschieden. Zum Inhalt der Wirtschaftspläne gehört auch die Angabe von Rücklagen, die jeweils in den Wirtschaftsplänen gesondert ausgewiesen sind. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um „absolute“ Zahlen, ohne dass in den Wirtschaftsplänen Angaben dazu gemacht werden, wie hoch der Prozentsatz im Sinne des § 33 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 FSt jeweils ist. Auch wenn die Wirtschaftspläne den Mitgliedern der Vollversammlung im Vorfeld der jeweiligen Sitzung erläutert worden sind, so ist damit noch nicht belegt, dass ihnen im Zeitpunkt der Beschlussfassung tatsächlich bewusst war, dass sie insoweit einen Entscheidungsspielraum hatten. Es wurden von der Beklagten auch keine Sitzungsniederschriften vorgelegt, aus denen sich etwa ein Hinweis auf die genannten Satzungsbestimmungen ergibt, geschweige denn, dass die Höhe der zu bildenden Rücklagen im Rahmen der Vollversammlung nochmals im Einzelnen erörtert worden wäre. Diese Annahme wird auch durch die Ausführungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Denn vor dem Hintergrund, dass nach Auffassung der Beklagten lediglich der in § 33 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 FSt vorgegebene Rahmen einzuhalten war, bestand aus ihrer Sicht – folgerichtig – allenfalls Veranlassung über eine Anpassung der Rücklage „nach oben“ im Falle einer Steigerung des Betriebsaufkommens nachzudenken.

38

Selbst wenn man aber zu Gunsten der Beklagten davon ausgeht, sie habe von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht, so haftet den Beschlussfassungen aus mehreren Gesichtspunkten der Makel einer fehlerhaften Ermessensausübung an.

39

Von wesentlicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die beschlossenen Rücklagen jeweils in ihrer konkreten Höhe zur Erreichung des verfolgten Zwecks erforderlich, angemessen und insgesamt verhältnismäßig sein müssen. Unter Anlegung des oben bereits dargelegten Prüfungsmaßstabes auf die hier in Rede stehenden Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf deren Höhe offenkundig nicht mehr gewahrt.

40

Sinn und Zweck der Bildung von Ausgleichs- und Liquiditätsrücklagen ist es entsprechend dem Wortlaut der zugrunde liegenden Regelungen, im jeweils laufenden Geschäftsjahr eine ordnungsgemäße Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten zu gewährleisten und Schwankungen im Beitragsaufkommen auszugleichen. Weiter ist insoweit in den Blick zu nehmen, dass die Beklagte sich mit den Regelungen in § 33 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 FSt selbst einen Rahmen gesetzt hat, den sie bezogen auf das jeweilige Haushaltsjahr mit nachvollziehbaren Erwägungen ausfüllen und an dem sie ihre Entscheidungen messen lassen muss. Gerade die differenzierte Ausgestaltung des § 33 Abs. 1 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 Satz 1 FSt als kombinierte Festlegung einer 30 % des Betriebsaufwandes umfassenden zwingenden Rücklage, die im Ermessenswege um weitere 20 % aufgestockt werden kann und die Ausgestaltung des § 33 Abs. 2 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 Satz 2 FSt als reine Ermessensvorschrift betreffend das „ob“ und die Höhe der Rücklage zeigen, dass selbst die Beklagte es nicht für grundsätzlich zwingend erforderlich hält, dauerhaft Rücklagen zum Ausgleich von Schwankungen im Beitragsaufkommen und/oder zur Vermeidung von Kassenkrediten in Höhe von annähernd 100 % des jährlichen Betriebsaufkommens vorzuhalten. Die Richtigkeit dieser Grundannahme wird auch objektiv dadurch bestätigt, dass nach den Angaben der Vertreter der Beklagten im Erörterungstermin während der hier streitigen Beitragsjahre lediglich die Liquiditätsrücklage in Höhe von 1,5 Millionen Euro für einen Zeitraum von ca. 2 Monaten in Anspruch genommen werden musste. Bei dieser Ausgangslage ist zu fordern, dass es immer dann, wenn die Beklagte Rücklagen zu den in Rede stehenden Zwecken bilden möchte, die über die zwingend vorgegebenen 30 % des Betriebsaufkommens hinausgehen, einer besonderen Begründung im Einzelfall bedarf. Denn bei einem durchschnittlichen Betriebsaufwand von ca. 15 Millionen Euro im Jahr entsprechen die 30 % Liquiditätsrücklage einem Betrag von ca. 4,5 Millionen Euro, was gemessen an dem bisher festgestellten tatsächlichen Bedarf von 1,5 Millionen Euro für einen Zeitraum von zwei Monaten als immer noch sehr komfortabel zu bezeichnen ist. Demgegenüber ist die Vorhaltung einer Summe, die durchschnittlich den festgestellten Bedarf um ca. das Zehnfache übersteigt selbst mit einer auf maximale Sicherheit ausgerichteten Finanzpolitik nicht mehr zu rechtfertigen. Dabei ist nochmals die Zweckgebundenheit der in Rede stehenden Rücklagen zu unterstreichen. Für sonstige Zwecke können und dürfen sie zulässigerweise nicht eingesetzt bzw. vorgehalten werden. Dessen bedarf es auch nicht, da nach § 33 Abs. 3 HKRO bzw. § 15 Abs. 3 Satz 4 FSt zusätzlich die Möglichkeit der Bildung sonstiger (maßnahmebezogener) Rück-lagen besteht.

41

Besondere tragfähige Gründe, über die vorgegebenen 30 % hinauszugehen, hat die Beklagte für die Jahre 2005 bis 2008 nicht aufzuzeigen vermocht. So ist der Hinweis darauf, dass die Rücklagen in dieser Höhe bereits in den Jahren zuvor gebildet und sodann über einen längeren Zeitraum nicht verändert worden seien, kein sachlicher Grund dafür, die Rücklagen weiter hochzuhalten, da es ja gerade darum geht, über diese Frage jährlich eine neue bedarfsorientierte Entscheidung zu treffen. Ebenso wenig tragfähig ist das Argument, es habe im fraglichen Zeitraum keine Veranlassung bestanden, hier Veränderungen vorzunehmen, weil wegen zukünftig zu erwartender Steigerungen im Betriebsaufkommen ohnehin ein Absinken des Prozentsatzes zu erwarten gewesen sei. Dies ist eine sachfremde Erwägung, da die Rücklage allein nach der Zweckbestimmung in der zugrunde liegenden Regelung zu bemessen ist. Ein zukünftiger möglicher Anstieg der Betriebsausgaben ist – sofern er sich nicht auf das laufende Geschäftsjahr bezieht – irrelevant. Erst recht kommt es nicht darauf an, ob im jeweiligen Jahr Beitragssenkungen möglich waren, ohne die entsprechenden Rücklagen abzuschmelzen. Schließlich ist auch der pauschale Hinweis auf eine sich abzeichnende Wirtschaftskrise in den Jahren 2007/2008 in dieser allgemeinen Form nicht ausreichend. Auch insoweit hätte es zumindest einer in groben Zügen nachvollziehbaren Darlegung bedurft, in welchem Umfang sich dies auf die Liquidität der Beklagten möglicherweise hätte auswirken können.

42

Erweist sich die Rücklagenbildung in den Jahren 2005 bis 2008 demnach zumindest insoweit als rechtswidrig, als sie die 30 % zwingend festgelegte Rücklagenbildung übersteigt, handelt es sich dabei um eine unzulässige Vermögensbildung seitens der Beklagten. Damit standen ihr im genannten Zeitraum rechtlich nicht gebundene Mittel in Höhe mehrerer Millionen Euro zur Verfügung, die den gegenüber der Klägerin geltend gemachten Beitragsanspruch ersichtlich deutlich übersteigen. Für die Beitragserhebung gegenüber der Klägerin bestand demnach kein Grund. Dabei ist nach Auffassung der Kammer auch für eine teilweise Heranziehung der Klägerin zu Beiträgen für die Jahre 2005 bis 2008 keine Veranlassung (mehr) gegeben. Zwar hätten bei richtiger Sachbehandlung die unzulässig gebildeten Rücklagen zur Deckung der Kosten eingesetzt werden müssen, was in diesem Fall allen Kammermitgliedern zugutegekommen wäre. Dies ist aber tatsächlich nicht geschehen mit der Folge, dass die übrigen Kammermitglieder zu Beiträgen für diese Jahre mit inzwischen bestandskräftigen Bescheiden herangezogen wurden, mithin die Beiträge im Wesentlichen auch in der im Wirtschaftsplan vorgesehenen Höhe tatsächlich vereinnahmt wurden. Das unzulässig gebildete Vermögen in Gestalt der Rücklagen wurde indessen in das jeweilige Folgejahr übertragen und war auch insoweit wiederum als unzulässig gebildetes Vermögen zu qualifizieren und rechtlich zu behandeln. Ob die zur Kostendeckung in den jeweiligen Haushaltsjahren verausgabten Mittel von der Beklagten im Verhältnis zu anderen Kammermitgliedern in vollem Umfang rechtmäßig eingenommen wurden, spielt im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter indes keine Rolle.

43

Die Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass die Vollversammlung bei Kenntnis der unzulässigen Vermögensbildung möglicherweise entschieden hätte, das Geld ganz oder zum Teil für andere Projekte einzusetzen. Diese Argumentation ist rein hypothetisch und eine nachträgliche Beschlussfassung über derartige Projekte für die Jahre 2005 bis 2008 ist nicht mehr zulässig. Es sind daher die tatsächlichen Gegebenheiten zugrunde zu legen.

44

Ebenso wenig kann die Beklagte sich darauf berufen, die unzulässige Vermögensbildung habe auf die konkrete Beitragserhebung keinen Einfluss, weil die Vollversammlung unabhängig von der Rücklagenbildung jeweils die entsprechenden Beitragssätze wirksam beschlossen habe. Dem ist entgegen zu halten, dass die Beitragserhebung wegen der unzulässigen Vermögensbildung gegen das Äquivalenzprinzip verstößt (vgl. § 3 Abs. 2 IHKG) und die damit einhergehende fehlerhafte Bildung der Beitragssätze ebenfalls auf die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung durchschlägt.

45

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

46

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

47

Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

48

Beschluss

49

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.169,88 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

50

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Die Industrie- und Handelskammer ist Körperschaft des öffentlichen Rechts.

(2) Die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer werden, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht. Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen.

(3) Als Beiträge erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Natürliche Personen und Personengesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, und eingetragene Vereine, wenn nach Art oder Umfang ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb nicht erforderlich ist, sind vom Beitrag freigestellt, soweit ihr Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz oder soweit für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihr nach dem Einkommensteuergesetz ermittelter Gewinn aus Gewerbebetrieb 5 200 Euro nicht übersteigt. Die in Satz 3 genannten natürlichen Personen sind, soweit sie in den letzten fünf Wirtschaftsjahren vor ihrer Betriebseröffnung weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielt haben, noch an einer Kapitalgesellschaft mittelbar oder unmittelbar zu mehr als einem Zehntel beteiligt waren, für das Geschäftsjahr einer Industrie- und Handelskammer, in dem die Betriebseröffnung erfolgt, und für das darauf folgende Jahr von der Umlage und vom Grundbeitrag sowie für das dritte und vierte Jahr von der Umlage befreit, wenn ihr Gewerbeertrag oder Gewinn aus Gewerbebetrieb 25.000 Euro nicht übersteigt. Wenn nach dem Stand der zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Wirtschaftssatzung vorliegenden Bemessungsgrundlagen zu besorgen ist, dass bei einer Industrie- und Handelskammer die Zahl der Beitragspflichtigen, die einen Beitrag entrichten, durch die in den Sätzen 3 und 4 genannten Freistellungsregelungen auf weniger als 55 vom Hundert aller ihr zugehörigen Gewerbetreibenden sinkt, kann die Vollversammlung für das betreffende Geschäftsjahr eine entsprechende Herabsetzung der dort genannten Grenzen für den Gewerbeertrag oder den Gewinn aus Gewerbebetrieb beschließen. Wird für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag festgesetzt, ist Bemessungsgrundlage für die Umlage der Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb. Bei natürlichen Personen und bei Personengesellschaften ist die Bemessungsgrundlage um einen Freibetrag in Höhe von 15.340 Euro zu kürzen. Die Kammerzugehörigen sind verpflichtet, der Kammer Auskunft über die zur Festsetzung der Beiträge erforderlichen Grundlagen zu geben, soweit diese nicht bereits nach § 9 erhoben worden sind; die Kammer ist berechtigt, die sich hierauf beziehenden Geschäftsunterlagen einzusehen. Kapitalgesellschaften, deren gewerbliche Tätigkeit sich in der Funktion eines persönlich haftenden Gesellschafters in nicht mehr als einer Personenhandelsgesellschaft erschöpft, kann ein ermäßigter Grundbeitrag eingeräumt werden, sofern beide Gesellschaften derselben Kammer zugehören. Gleiches gilt für Gesellschaften mit Sitz im Bezirk einer Kammer, deren sämtliche Anteile von einem im Handelsregister eingetragenen Unternehmen mit Sitz in derselben Kammer gehalten werden.

(4) Natürliche und juristische Personen und Personengesellschaften, die in der Handwerksrolle oder in dem Verzeichnis nach § 19 der Handwerksordnung eingetragen sind und deren Gewerbebetrieb nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sind beitragspflichtig, wenn der Umsatz des nichthandwerklichen oder nichthandwerksähnlichen Betriebsteils 130.000 Euro übersteigt. Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, werden mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermeßbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Satz 2 findet auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird.

(5) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Kosten, welche mit der Begründung, Unterhaltung oder Unterstützung von Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) verbunden sind, Sonderbeiträge von den Kammerzugehörigen derjenigen Gewerbezweige erheben, welchen derartige Anlagen und Einrichtungen ausschließlich oder in besonderem Maße zugute kommen. Den Beteiligten ist vor Begründung solcher Anlagen und Einrichtungen Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

(6) Die Industrie- und Handelskammer kann für die Inanspruchnahme besonderer Anlagen und Einrichtungen (§ 1 Abs. 2) oder Tätigkeiten Gebühren erheben und den Ersatz von Auslagen verlangen.

(7) Sonderbeiträge gemäß Absatz 5 werden nach Maßgabe einer Sonderbeitragsordnung, Gebühren und Auslagen nach Absatz 6 nach Maßgabe einer Gebührenordnung erhoben. In der Beitragsordnung, der Sonderbeitragsordnung sowie in der Gebührenordnung ist Erlaß und Niederschlagung von Beiträgen, Gebühren und Auslagen zu regeln.

(7a) Für das Rechnungswesen, insbesondere Rechnungslegung und Aufstellung und Vollzug des Wirtschaftsplans und den Jahresabschluss der Industrie- und Handelskammern sind die Grundsätze kaufmännischer Rechnungslegung und Buchführung in sinngemäßer Weise nach dem Dritten Buch des Handelsgesetzbuches in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Das Nähere wird durch Satzung unter Beachtung der Grundsätze des staatlichen Haushaltsrechts geregelt.

(8) Hinsichtlich der Beiträge, Sonderbeiträge, Gebühren und Auslagen sind

für die Verjährung
die Vorschriften der Abgabenordnung über die Verjährung der Steuern vom Einkommen und Vermögen,
für die Einziehung und Beitreibung
die für Gemeindeabgaben geltenden landesrechtlichen Vorschriften
entsprechend anzuwenden. Durch Landesrecht kann Verfahren und Zuständigkeit für Einziehung und Beitreibung abweichend geregelt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.


Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Heranziehung zu einem Beitrag sowie einer Vorauszahlung durch die beklagte Industrie- und Handelskammer, deren Mitglied sie ist.

2

Mit Bescheid vom 6. Februar 2009 veranlagte die Beklagte die Klägerin für das Jahr 2007 zu einem Beitrag in Höhe von 21.291,90 € und für das Jahr 2009 zu einem vorläufigen Beitrag in derselben Höhe. Der Betrag setzte sich zusammen aus einem Grundbeitrag in Höhe von 690,00 € und einer Umlage in Höhe von 20.601,90 €. Der Umlagebetrag folgte aus der Multiplikation des im Jahre 2007 erzielten Gewerbeertrags (5.282.539,07 €) mit dem von der Beklagten festgesetzten Hebesatz von 0,39 %.

3

Auf den fristgerecht erhobenen Widerspruch der Klägerin reduzierte die Beklagte mit Bescheid vom 2. April 2009 die vorläufige Veranlagung für das Jahr 2009 auf 12.390,00 €, wobei sie der Berechnung einen Gewerbeertrag in Höhe von nur noch 3.000.000,00 € zugrundelegte. Auch gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch.

4

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2009 zurück.

5

Der Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer fristgerecht erhobenen Klage hatte keinen Erfolg (Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. Juli 2009 - 5 L 372/09.TR-; Beschluss des Senats vom 11. September 2009 - 6 B10855/09.OVG -).

6

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2010 als unbegründet abgewiesen. Darin heißt es im Wesentlichen:

7

Die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer sei weder verfassungs- und europarechtswidrig. Der Kammerbeitrag sei auch keine verfassungswidrige Sonderabgabe, sondern ein Beitrag im Rechtssinne.

8

Der Beklagten stehe hinsichtlich der Entscheidung, welche Tätigkeiten sie zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben als erforderlich ansehe, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung ein gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbarer Freiraum zu. Es bestehe keine Veranlassung, zu prüfen, welche Einzelpositionen die Beklagte bei der Ermittlung ihres Finanzbedarfs in Ansatz gebracht habe, denn das Gesetz sehe einen institutionalisierten Kontrollmechanismus vor. Das einzelne Mitglied der Vollversammlung, somit erst recht das einzelne Kammermitglied, das nicht Mitglied der Vollversammlung sei, habe hingegen keinen detaillierten Auskunftsanspruch hinsichtlich des Finanzgebarens der Beklagten und grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Vorlage einer der Beitragserhebung zugrunde liegenden detaillierten Kostenkalkulation. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Darstellung der Einnahme- und Ausgabensituation in der Wirtschaftssatzung in sich stimmig und ein grobes Missverhältnis zwischen der Beitragsbelastung und dem durch die Mitgliedschaft begründeten Vorteil des Kammermitglieds nicht erkennbar sei.

9

Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip und das Kostendeckungsprinzips sei nicht zu erkennen. Die Beklagte sei aufgrund ihrer Selbstverwaltungsautonomie hinsichtlich der Bemessung ihrer Mitgliedsbeiträge grundsätzlich frei. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränke sich auf die Einhaltung der äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtsetzungsbefugnis. Diese würden im vorliegenden Fall nicht überschritten.

10

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend:

11

Das Gericht sei verpflichtet, dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) die in ihrem Hilfsantrag formulierten entscheidungserheblichen Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der Gerichtshof habe diese Fragen noch nicht abschließend beantwortet. Die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit dar. In der Rechtsprechung und im Schrifttum sei umstritten, ob hierfür ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegen müsse. Es gebe Urteile und Beschlüsse des Gerichtshofs, in denen rein innerstaatliche Sachverhalte den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten - insbesondere der Niederlassungsfreiheit - eröffneten. In ihrem Falle liege zudem aufgrund ihrer Verflechtung mit (insbesondere Tochter-) Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten eine grenzüberschreitende Konstellation vor. Die mit der Zwangsmitgliedschaft verknüpfte Beitragspflicht führe zu einem Nachteil im Wettbewerb mit ausländischen Unternehmen. Die derzeitige Ausgestaltung des deutschen Kammerwesens und die Verwendung der Pflichtbeiträge zur Förderung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige verstießen zudem gegen das gemeinschaftsrechtliche Beihilfeverbot. Das Gebot der Verwirklichung des Binnenmarktes werde ebenfalls missachtet, da das deutsche Kammerwesen zur Bildung von Binnengrenzen beitrage, die den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital hemmten. Darüber hinaus werde das gemeinschaftsrechtliche Demokratieprinzip verletzt, da die Industrie- und Handelskammern lediglich auf einer einfachgesetzlichen Grundlage gegründet seien, ohne dass einer demokratisch legitimierten Behörde fachaufsichtliche Weisungsbefugnisse zustünden. Zudem verstoße die in § 5 Abs. 3 IHK-G vorgeschriebene Gruppenwahl gegen den Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit.

12

Die Zwangsmitgliedschaft stelle auch einen verfassungswidrigen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG dar, da sie, wie die Beispiele der meisten anderen Gemeinschaftsstaaten zeigten, nicht erforderlich sei. Zudem nehme die Beklagte Tätigkeiten außerhalb ihres Aufgabenbereichs wahr. Ihre Beteiligung am Flugplatz Bitburg und am Radiosender RPR sei weder für die Beklagte noch für ihre Mitglieder von Nutzen gewesen. Daher seien die von ihr erhobenen Beiträge als rechtswidrige Sonderabgaben zu qualifizieren. Eine nachvollziehbare Kalkulation der Kammerbeitragssätze sei im Übrigen nicht zu erkennen. Die Beklagte verstoße des Weiteren gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Schon der Betriebsaufwand von 6,9 Millionen Euro sei für eine so kleine Kammer erschreckend. Die Bilanz spiegele im Übrigen nur die Zahlen wider, lasse jedoch eine tatsächliche Überprüfung nicht zu. Gleiches gelte für das negative Finanzergebnis von knapp 300.000,00 €. Ausweislich der Bilanz für das Jahr 2007 seien Sachanlagen (Grundstücke und Bauwerke) von über 20,3 Millionen Euro vorhanden gewesen. Eine Rechtfertigung für eine solche Vermögensanhäufung sei nicht ersichtlich. Ebenso unverständlich sei, weshalb die Beklagte einen Betrag von über 2,4 Millionen Euro als „Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks“ angehäuft und nicht ihren Mitgliedern im Wege einer Beitragssenkung habe zukommen lassen. Entsprechendes gelte für den Gewinn aus dem Jahre 2007 von über 1 Million Euro. Den Neubau ihrer Niederlassung, für den sie zunächst ihre Rücklagen aufgebraucht und Darlehen aufgenommen habe, habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nicht näher beleuchtet. Ebenso sei es auf den Aspekt, dass 22 % der Kostenpositionen auf Versorgungsbezüge ehemaliger Vorstandsmitglieder der Beklagten entfielen, sowie auf die von der Beklagten erzielten zu geringen Zinserträge nicht eingegangen. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Kontrollinstanzen der Beklagten übersehe, dass eine echte Kontrolle nicht stattfinde. Schließlich sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 sowie der Finanzkrise zu berücksichtigen und den Hebesatz zumindest für das Jahr 2009 anzupassen.

13

Die Klägerin beantragt,

14

unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2010 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Trier den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6. Februar 2009 in der Fassung des Beitragsbescheids vom 2. April 2009 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Mai 2009 aufzuheben,

15

hilfsweise,

16

das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

17

1. Ist die europarechtliche Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) so auszulegen, dass an die Niederlassung eines mitgliedstaatlichen Unternehmens (sei es ein deutsches Unternehmen oder ein Unternehmen eines andern Mitgliedstaates) in Deutschland eine verpflichtende, beitragsbegründende Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer (hier der Industrie- und Handelskammer (IHK) geknüpft werden darf?

18

2. Ist das staatliche Beihilfeverbot (Art. 107 AEUV) so auszulegen, dass die durch eine deutsche berufsständische Kammer (hier die IHK), die als öffentlich-rechtliche Körperschaft mit staatlichen Befugnissen ausgestattet ist, zwangsweise und hoheitlich erhobene Mitgliedsbeiträge zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft im IHK-Bezirk oder einzelner Gewerbezweige im IHK-Bezirk verwendet werden dürfen?

19

3. Ist es mit dem staatlichen Beihilfeverbot (Art. 107 AEUV) vereinbar, dass die deutschen berufsständischen Kammern (hier die IHK) mit den zwangsweise und hoheitlich erhobenen Mitgliedsbeiträgen der Gewerbetreibenden in ihrem Bezirk Anlagen und Einrichtungen einzelner Gewerbezweige fördern, die mit anderen Mitgliedsunternehmen im Wettbewerb stehen, oder selbst Dienstleistungen (Unternehmensberatung, Existenzgründungsberatung und Sachverständigenwesen) anbieten und damit als Wettbewerber ihrer Mitglieder auftreten?

20

4. Ist es mit dem Ziel der Verwirklichung des Binnenmarktes (Art. 26, 27 AEUV) ohne Binnengrenzen für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- oder Kapitalverkehr vereinbar, dass die niederlassungsgebundene Pflichtmitgliedschaft mit gewinnabhängiger Beitragslast in Deutschland als Ausnahme neben freiwilligen berufsständischen Vereinigungen in den meisten Mitgliedstaaten fortbesteht.

21

5. Ist es mit dem europäischen Demokratieprinzip des Art. 2 EUV vereinbar, dass eine berufsständische Vereinigung (hier die IHK) als funktionale Selbstverwaltung ohne eine verfassungsrechtliche Legitimation im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland besteht und lediglich durch einfachgesetzliches Bundesrecht ohne behördliche Fachaufsicht etabliert ist?

22

6. Ist es mit dem europäischen Demokratieprinzip des Art. 2 EUV vereinbar, dass ein Träger funktionaler Selbstverwaltung (hier die IHK) ihre Satzungsbefugnis durch eine Vollversammlung ausüben lässt, die durch eine Gruppenwahl gewählt wurde, wenn diese Gruppenwahl die Wahlberechtigten in Branchen separiert und ihren Repräsentanten unterschiedlich starke Mandatsverhältnisse zuweist?

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Berufung zurückzuweisen.

25

Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend:

26

Eine Vorlage an den Gerichtshof komme nicht in Betracht, da der Sachverhalt keinen Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufweise. Sie habe ihren gesetzlichen Aufgabenbereich eingehalten. Zudem sei die Klägerin im vorliegenden Verfahren mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen präkludiert, da sie einen entsprechenden Unterlassungsanspruch nicht geltend gemacht habe. Sie habe im Übrigen ihre Finanzierung nachvollziehbar dargelegt. Die Festlegung und Strukturierung ihrer Beiträge gehöre in den Bereich ihrer Finanzhoheit. Konkrete Verstöße oder Gesetzesübertretungen habe die Klägerin nicht dargelegt. Eine fundierte Abschätzung der tatsächlichen Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform und der Finanzkrise könne aufgrund der Festsetzung der Gewerbeerträge etc. durch das Finanzamt wohl erst Ende 2010 erfolgen.

27

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, da die Beitragsveranlagung der Klägerin für das Jahr 2007 sowie die Festsetzung einer Vorauszahlung für das Jahr 2009 rechtlich nicht zu beanstanden sind und die Klägerin daher nicht in ihren Rechten verletzen.

I.

29

Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2008, BGBl. I S. 2418, im Folgenden: IHK-G). Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht (Satz 1). Der Wirtschaftsplan ist jährlich nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung unter pfleglicher Behandlung der Leistungsfähigkeit der Kammerzugehörigen aufzustellen und auszuführen (Satz 2). Gemäß § 3 Abs. 3 IHK-G erhebt die Industrie- und Handelskammer Grundbeiträge und Umlagen (Satz 1). Unter bestimmten Voraussetzungen sind die Mitglieder von der Beitragspflicht befreit (Sätze 3 – 5). Bemessungsgrundlage ist der Gewebeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, sofern für das betreffende Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt worden ist, andernfalls der nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelte Gewinn aus Gewerbebetrieb (Satz 6).

30

§ 1 Abs. 3 der Beitragsordnung der Beklagten vom 22. Dezember 2005 bzw. vom 18. Dezember 2007 (im Folgenden: BO 2005/BO 2007) überträgt der Vollversammlung die Aufgabe, die Grundbeiträge, den Hebesatz der Umlage und die Freistellungsgrenze jährlich in der Wirtschaftssatzung festzusetzen. Der Grundbeitrag liegt gemäß Ziff. II.2. der Wirtschaftssatzung vom 29. November 2006 (für das Geschäftsjahr 2007, im Folgenden WS 2007) bzw. vom 8. Dezember 2008 (für das Geschäftsjahr 2009, im Folgenden: WS 2009) in Abhängigkeit von der Höhe des Gewerbeertrags oder Gewinns aus Gewerbebetrieb - regelmäßig - zwischen 46 € und 690 €. Die Umlage beträgt nach Ziff. II.3. WS 2007/WS 2009 0,39 Prozent des in dem betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb. Nach § 16 BO 2005/BO 2007 i.V.m. Ziff. 5 WS 2007/WS 2009 wird, soweit ein Gewerbeertrag beziehungsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Bemessungsjahr noch nicht bekannt ist, eine Vorauszahlung des Grundbeitrags und der Umlage auf der Grundlage des letzten der IHK vorliegenden Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb erhoben.

31

Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2007 und die Vorauszahlung für das Jahr 2009 aufgrund einer fehlerhaften Anwendung der genannten Vorschriften zu hoch berechnet hat. Da die Klägerin keine diesbezüglichen Rügen erhebt, wird von weiteren Ausführungen hierzu abgesehen.

II.

32

Die von ihr erhobenen Einwände gegen die Beitragspflicht als solche und den von der Beklagten festgesetzten Umlagesatz vermögen der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (III.1.), wobei insbesondere die Ausgestaltung der Wahl zur Vollversammlung als Gruppenwahl (III.2.a), die unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Nachwahl von Vollversammlungsmitgliedern durch die Vollversammlung (III.2.b) und das Fehlen einer staatlichen Fachaufsicht (III.2.c) verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Der Beitrag zur Industrie- und Handelskammer ist nicht als verfassungswidrige Sonderabgabe zu qualifizieren (IV.). Verstöße gegen die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit (V.1.), das Gebot der Verwirklichung des Binnenmarktes (V.2.), ein „gemeinschaftsrechtliches Demokratieprinzip“ (V.3) oder das gemeinschaftsrechtliche Beihilfeverbot (V.4) sind nicht ersichtlich. Die Festsetzung des Beitrags für das Jahr 2007 und der Vorauszahlung für das Jahr 2009 ist nicht wegen einer Überschreitung des der Beklagten gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichs (VI.) oder eines Verstoßes gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (VII.), das Kostendeckungsprinzip (VIII.), das Äquivalenzprinzip (IX.) oder den allgemeinen Gleichheitssatz (X.) rechtswidrig. Die Beklagte war bisher auch nicht verpflichtet, den Umlagesatz für das Wirtschaftsjahr 2009 im Hinblick auf die Unternehmensteuerreform 2008 bzw. die Auswirkungen der Finanzkrise zu senken (XI.). Es besteht schließlich keine Veranlassung für ein an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtetes Vorabentscheidungsersuchen (XII.).

III.

33

Die von der Klägerin erhobenen Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer greifen nicht durch.

34

1. Zwar liegt hierin ein Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -), das auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit von Handelsgesellschaften schützt (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Juni 1959 - 1 BvR 394/58 -, BVerfGE10, 89 [99]). Dieser ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Senat folgt, gerechtfertigt (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2001 - 1 BvR 1806/98 -, NVwZ 2002, 335; BVerwG, Beschluss vom 21. Oktober 2004 - 6 B 60.04 -, GewArch 2005, 24; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 - 8 C 20.09 -, Juris, jeweils m.w.N.). Angesichts des weiten Gestaltungsermessens des deutschen Gesetzgebers (vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010, a.a.O., m.w.N.) vermag die von der Klägerin ins Feld geführte abweichende Rechtslage in anderen Staaten die Verfassungsmäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer nicht infrage zu stellen.

35

Dem von ihr in diesem Zusammenhang genannten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Juni 2003(- 8 A 4281/02 -, GewArch 2003, 418) lassen sich ebenfalls keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft entnehmen. Dort heißt es lediglich, die Zwangsmitgliedschaft stelle einen Eingriff in das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar, welches durch eine Aufgabenüberschreitung seitens der Körperschaft verletzt werde (vgl. hierzu unten).

36

2. Die von der Klägerin geäußerten Bedenken gegen die Grundsätze der Wahl zur Vollversammlung (a, b) sowie gegen das Fehlen einer staatlichen Fachaufsicht (c) sind nicht gerechtfertigt. Daher kann dahinstehen, ob ein insoweit bestehendes Legitimationsdefizit der Industrie- und Handelskammern im Allgemeinen und der Beklagten im Besonderen die Zwangsmitgliedschaft als solche zu Fall brächte oder lediglich die Rechtswidrigkeit der von der Beklagten getroffenen Entscheidungen zur Folge hätte.

37

a) Das in Art. 20 Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 GG verankerte Demokratieprinzip (vgl. auch Art. 50 und Art. 74 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz - LV -) erfordert für die unmittelbare und die kommunale Staatsverwaltung eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern. Außerhalb dieses Bereichs, namentlich in der funktionalen Selbstverwaltung, dem die Industrie- und Handelskammern zuzuordnen sind, ist das Demokratieprinzip hingegen offen für andere, insbesondere vom Erfordernis der lückenlosen personellen demokratischen Legitimation aller Entscheidungsbefugten abweichende Formen der Organisation und Ausübung von Staatsgewalt. Es erlaubt, durch Gesetz für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen. In diesem Falle darf der Gesetzgeber keine Ausgestaltung vorschreiben, die mit dem Grundgedanken autonomer interessengerechter Selbstverwaltung einerseits und effektiver öffentlicher Aufgabenwahrnehmung andererseits unvereinbar wäre. Deshalb sind organisatorische Vorkehrungen erforderlich, damit die betroffenen Interessen angemessen berücksichtigt und nicht Interessen Einzelner oder bestimmter Gruppen bevorzugt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2002 - 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 -, BVerfGE 107, 59 m.w.N.).

38

Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, dass § 5 Abs. 3 Satz 2 IHK-G und ihm folgend die Wahlordnung der Beklagten (vgl. § 7 der Wahlordnung vom 18. Juni 2008, im Folgenden: WO) die Aufteilung der Kammermitglieder in besondere Wahlgruppen vorschreiben und diesen eine bestimmte Anzahl von Sitzen in der Vollversammlung zuordnen. Dies trägt der im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung erforderlichen angemessenen Berücksichtigung unterschiedlicher Einzel- und Gruppeninteressen Rechnung. Der für die Volksvertretungen in der unmittelbaren und kommunalen Staatsverwaltung geltende Grundsatz der Gleichheit der Wahl (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 GG, Art. 50, 76 Abs. 1 LV) tritt demgegenüber im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung zurück.

39

b) Nach den dargelegten Grundsätzen bestehen auch keine Bedenken gegen die Regelung des § 6 Abs. 3 WO, wonach eine mittelbare Wahl von Mitgliedern der Vollversammlung durch die Vollversammlung - die verbliebenen Mitglieder - selbst erfolgt, wenn nach dem Ausscheiden eines Mitglieds kein qualifizierter Nachrücker vorhanden ist. Der Grundsatz der unmittelbaren Wahl (vgl. Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 38 GG, Art. 50, 76 Abs. 1 LV) beansprucht im Bereich der funktionalen Selbstverwaltung keine Geltung (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. September 1963 - I C 113.61 -, BVerwGE 16, 312).

40

c) Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die Beklagte einer staatlichen Fachaufsicht zu unterstellen.

41

In seinem Beschluss vom 5. Dezember 2002 (a.a.O.) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, es stehe dem Gesetzgeber frei, einen Träger funktionaler Selbstverwaltung zu verbindlichem Handeln mit Entscheidungscharakter, und zwar auch gegenüber Nichtmitgliedern zu ermächtigen. Ein solches Handeln sei den Organen von Trägern der funktionalen Selbstverwaltung aus verfassungsrechtlicher Sicht aber nur gestattet, sofern das Volk auch insoweit maßgeblichen Einfluss auf dieses Handeln behalte. Das sei der Fall, wenn die Aufgaben und Handlungsbefugnisse in einem von der Volksvertretung beschlossenen Gesetz ausreichend vorherbestimmt seien und ihre Wahrnehmung der Aufsicht demokratisch legitimierter Amtswalter unterliege. Diese Anforderungen hat das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung im Fall zweier Wasserverbände, denen durch Gesetz ein Großteil der wesentlichen wasserwirtschaftlichen Aufgaben für bestimmte Gebiete übertragen worden sind, als erfüllt angesehen. Für die Aufgaben der Selbstverwaltungseinheiten, für die Kreation der Verbands- und Genossenschaftsorgane und zu deren Handlungsbefugnissen gebe es detaillierte gesetzliche Vorgaben. Zudem existierten umfassende gesetzliche Regelungen über die staatliche Aufsicht, die neben der Rechtsaufsicht auch Ansätze der Fachaufsicht einschließe.

42

Demgegenüber unterliegen die Industrie- und Handelskammern nach § 11 Abs. 1 Satz 1 IHK-G zwar lediglich der Rechtsaufsicht des betreffenden Landes, und auch die Beschreibung ihrer wesentlichen Aufgaben in § 1 Abs. 1 IHK-G ist recht allgemein gehalten. Danach haben sie die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dabei obliegt es ihnen insbesondere, durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für die Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.

43

Die insoweit bestehende Lockerung des Bestimmungsrecht des (Staats-) Volkes ist nach den oben dargelegten Maßstäben jedoch unbedenklich, da die Industrie- und Handelskammern zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht zu einem Handeln mit Entscheidungscharakter, zumal nicht gegenüber Nichtmitgliedern, ermächtigt werden. Ihre Tätigkeit ist auch nicht mit Auswirkungen für die Allgemeinheit oder ihre Mitglieder verbunden, die mit denen der Betätigung von Wasserverbänden mit umfangreichen wasserwirtschaftlichen Befugnissen vergleichbar wären.

IV .

44

Bei dem Beitrag zur Industrie- und Handelskammer handelt es sich um einen Beitrag im Rechtssinne und nicht um eine verfassungswidrige Sonderabgabe. Er dient nämlich als korporativer Zwangsbeitrag der Abgeltung eines besonderen Vorteils, nämlich des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Nutzens (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990 - 1C 45/87 -, NVwZ 1990, 1167; Urteil vom 21. Juli 1998 - 1 C 32/97 -, BVerwGE 107, 169, vgl. allgemein z.B. Drüen, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 3 AO Rn. 26, 29a). An dieser rechtlichen Einordnung des Kammerbeitrags würde sich entgegen der Auffassung der Klägerin selbst dann nichts ändern, wenn sich die Beitragserhebung durch die Beklagte etwa wegen einer Überschreitung ihres Aufgabenbereichs als rechtswidrig erwiese.

V .

45

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht.

46

1. Sie steht zunächst nicht im Widerspruch zu der in Art. 49 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47, im Folgenden: AEUV) geregelten Niederlassungsfreiheit.

47

a) Nach Art. 49 AEUV (vormals Art. 43 EGV) ist die Beschränkung der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten (Satz 1). Das Gleiche gilt für Beschränkung der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind (Satz 2). Vorbehaltlich der - hier nicht einschlägigen - Regelungen im Kapitel über den Kapitalverkehr (Art. 63 ff. AEUV, Art. 56 ff. EGV) umfasst die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere Gesellschaften im Sinne des Artikels 54 Abs. 2 AEUV, nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen (Satz 3). Art. 54 AEUV (Art. 48 EGV) stellt für die Anwendung des Kapitels über das Niederlassungsrecht die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften - insbesondere die des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts -, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind.

48

b) Nach § 2 Abs. 1 IHK-G gehören zur Industrie- und Handelskammer alle zur Gewerbesteuer veranlagten natürlichen Personen, Handelsgesellschaften, andere Personenmehrheiten und juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts (im Folgenden: Unternehmen), welche im Kammerbezirk eine Betriebsstätte unterhalten. Die Vorschrift knüpft wie § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002, BGBl. I S. 4167, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. April 2010, BGBl. I S. 386) an die Unterhaltung eines Betriebssitzes im Inland an. Somit werden auch Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten bzw. dort ansässige Gesellschaften, die sich mit ihrem Unternehmen im Inland niederlassen oder dort Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften gründen, der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer unterworfen. Hierdurch werden sie jedoch lediglich inländischen Unternehmen gleichgestellt, so dass die gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsfreiheit grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird (vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 30. November 1995 - Rs. C-55/94 - [Gebhard], Slg. S. I-4165).

49

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union kann freilich auch in der Unterwerfung eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens unter die allgemein geltenden innerstaatlichen Vorschriften unter bestimmten Umständen einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit bedeuten. So hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 5. Oktober 2004 (- Rs. C-442/02 - [CaixaBank France], Slg. S. I-8983) festgestellt, das aufgrund französischer Vorschriften bestehende Verbot, Sichteinlagenkonten zu verzinsen, stelle für die Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten - im konkreten Fall eine Gesellschaft spanischen Rechts - ein ernsthaftes Hindernis für die Ausübung ihrer Tätigkeiten durch eine Tochtergesellschaft in diesem Mitgliedstaat (Frankreich) dar, das ihren Zugang zum Markt beeinträchtige. Es hindere nämlich die Tochtergesellschaften ausländischer Gesellschaften an der Sammlung von Kapital beim Publikum, indem es ihnen verwehrt sei, mit den traditionell im Niederlassungsstaat ansässigen Kreditinstituten, die über ein ausgedehntes Filialnetz und damit über größere Möglichkeiten verfügten, Kapital beim Publikum zu sammeln, durch eine Verzinsung von Sichteinlagenkonten wirksamer in Wettbewerb zu treten.

50

Vergleichbare Wettbewerbsnachteile ausländischer gegenüber inländischen Unternehmern sind mit der Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer jedoch nicht verbunden. Somit kann dahingestellt bleiben, ob ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit Auswirkungen auf die Zwangsmitgliedschaft der Klägerin als inländisches Unternehmen (vgl. Art. 54 AEUV) hätte, oder ob lediglich ausländische Unternehmen mit ihren inländischen Betriebsstätten von der Zwangsmitgliedschaft auszunehmen wären.

51

c) Die mit der Beitragspflicht verbundene Benachteiligung inländischer Unternehmen bzw. ausländischer Unternehmen mit Betriebsstätten im Inland gegenüber Konkurrenten ohne inländische Betriebsstätten steht hingegen nicht im Widerspruch zur gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit. Denn sie garantiert nach Art. 63 Satz 3 AEUV lediglich die Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nach den für seine eigenen Angehörigen geltenden Bestimmungen (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 30. November 1995, a.a.O., sowie Urteil vom 26. Januar 1993 – Rs. C-112/91 – [Werner], Slg S. I-429). Die aufgezeigte Benachteiligung ist lediglich eine Folge der unterschiedlich ausgestalteten Rechtsordnungen der EG-Mitgliedstaaten und vergleichbar mit Wettbewerbsnachteilen infolge unterschiedlich hoher steuerlicher Belastungen.

52

d) Die von der Klägerin genannten Entscheidungen des Gerichtshofs lassen entgegen ihrer Auffassung nicht erkennen, dass er den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit auf rein innerstaatliche Sachverhalte ausgedehnt hat. So geht es im Urteil vom 30. März 2006 (- Rs. 451/03 - [Servizi Ausiliari Dottori Commercialisti Srl], Slg. S. I-2941) um eine italienische Regelung, aufgrund der allein Steuerberatungszentren (Centri di Assistenza Fiscale) berechtigt waren, bestimmte Tätigkeiten in Steuerfragen auszuüben. Der Gerichtshof hat die Regelung im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit beanstandet. Sie sei geeignet, die Niederlassung von Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten in Italien zur Erbringung solcher Dienstleistungen zu erschweren oder sogar unmöglich zu machen. Diese Entscheidung lässt somit eine Erstreckung der Niederlassungsfreiheit auf rein innerstaatliche Sachverhalten ebenso wenig erkennen wie das ebenfalls von der Klägerin zum Beleg ihrer Auffassung angeführte Urteil vom 5. Oktober 2004 (vgl. oben). Da die Klägerin sich mit dem Inhalt der von ihr genannten weiteren zahlreichen Entscheidungen nicht näher auseinandergesetzt hat, wird von Ausführungen zu sämtlichen dieser Entscheidungen abgesehen.

53

2. Die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer verstößt nicht gegen das Gebot der Verwirklichung des Binnenmarktes, da es sich hierbei lediglich um ein Politikziel handelt, das sich nicht unmittelbar auf die Wirksamkeit der einschlägigen gesetzlichen Regelungen auswirkt.

54

Nach Art. 26 AEUV erlässt die Union die erforderlichen Maßnahmen, um nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der Verträge den Binnenmarkt zu verwirklichen beziehungsweise dessen Funktionieren zu gewährleisten (Abs. 1). Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist (Abs. 2). Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission die Leitlinien und Bedingungen fest, die erforderlich sind, um in allen betroffenen Sektoren einen ausgewogenen Fortschritt zu gewährleisten (Abs. 3). Bei der Formulierung ihrer Vorschläge zur Verwirklichung der Ziele des Art. 26 AEUV berücksichtigt die Kommission den Umfang der Anstrengungen, die einigen Volkswirtschaften mit unterschiedlichem Entwicklungsstand für die Errichtung des Binnenmarktes abverlangt werden, und kann geeignete Bestimmungen vorschlagen (Art. 27 Satz 1 AEUV). Falls die Kommission feststellt, dass vorhandene Unterschiede in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten die Wettbewerbsbedingungen auf dem Binnenmarkt verfälschen und dadurch eine Verzerrung hervorrufen, die zu beseitigen ist, tritt sie mit den betreffenden Mitgliedstaaten in Beratungen ein (Art. 116 Abs. 1 AEUV). Führen die Beratungen nicht zur Beseitigung dieser Verzerrung, erlassen das Europäische Parlament und der Rat die erforderlichen Richtlinien (Art. 116 Abs. 2 AEUV).

55

Die Regelungen zeigen, dass die Verwirklichung des Binnenmarktes lediglich ein Politikziel darstellt, das unmittelbar weder rechtliche Pflichten der Mitgliedstaaten noch Rechte Einzelner begründet (vgl. zu Art. 2 EWGV: EuGH, Urteil vom 29. September 1987 - Rs. 126/86 -, Slg. 1987, 3697). Insbesondere aus Art. 116 AEUV ergibt sich keine Pflicht der Mitgliedstaaten, wettbewerbsverzerrende Vorschriften von sich aus zu ändern. Erst recht folgt aus ihm nicht, dass innerstaatliche Regelungen, welche die Verwirklichung des Binnenmarktes hemmen oder sein Funktionieren beeinträchtigen, ohne Weiteres unwirksam sind. Vielmehr kommt den Gemeinschaftsorganen die Aufgabe zu, wettbewerbsverzerrende Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Zusammenarbeit mit den betreffenden Mitgliedstaaten und unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Rahmenbedingungen im Verlauf eines mehr oder weniger lange dauernden Prozesses anzugleichen. Daher kann für die vorliegende Entscheidung dahinstehen, ob und in welchem Umfang die Zwangsmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer zu Verzerrungen im innergemeinschaftlichen Wettbewerb führt.

56

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin begegnen das für die Wahl der Vollversammlung der Beklagten gesetzlich vorgegebene Gruppenwahlprinzip und die in der Wahlordnung der Beklagten vorgesehene indirekte Nachwahl von Mitgliedern der Vollversammlung (vgl. o.) auch im Hinblick auf ein „gemeinschaftsrechtliches Demokratieprinzip“ keinen rechtlichen Bedenken. Nach Art. 2 des Vertrags über die Fassung über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (ABl. Nr. C 306 S.1, ber. ABl. 2008 Nr. C 290 S. 1, im Folgenden: EUV) ist die Demokratie einer der Werte, auf die sich die Union gründet (S. 1) und die allen Mitgliedstaaten gemeinsam sind. Art. 49 Abs. 1 Satz 1 EUV verpflichtet Staaten, die in die Union aufgenommen werden möchten, ebenfalls zur Achtung und Förderung dieser Werte.

57

Die Konkretisierung des in Art. 2 EUV enthaltenen Begriffs der Demokratie bereitet allerdings beträchtliche Schwierigkeiten (vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 6 EUV Rn. 16 ff., 21 ff.). Da die Vorschrift an die bestehenden unterschiedlichen demokratischen Systeme der Mitgliedstaaten anknüpft, kann der gemeinschaftsrechtliche Demokratiebegriff lediglich die von allen Mitgliedstaaten als essentiell anerkannten demokratischen Mindeststandards umfassen. Dass sich hieraus strengere Anforderungen an die innere Organisation funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften ableiten lassen sollten als aus dem Demokratieprinzip in der Ausgestaltung durch das Grundgesetz (vgl. oben III.2), ist deshalb ausgeschlossen und wird von der Klägerin nicht näher begründet. Sie bezieht sich vielmehr maßgeblich auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Anforderungen an Einrichtungen der funktionalen Selbstverwaltung.

58

4 . Die angefochtene Beitrags- bzw. Vorauszahlungserhebung steht auch nicht im Widerspruch zu dem gemeinschaftsrechtliche Beihilfeverbot. Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV (ex. Art. 87 EGV) sind, soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

59

Die Klägerin hat für ihre von der Beklagten bestrittene Behauptung, die Kammer gewähre bestimmten Unternehmen bzw. Wirtschaftszweigen Beihilfen im Sinne dieser Vorschrift bzw. habe solche gewährt, weder Beweis angeboten noch konkrete Beispiele benannt. Daher besteht keine Veranlassung, den Sachverhalt im Hinblick auf diesen Vorwurf von Amts wegen weiter aufzuklären. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beklagte keine Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV erbringt bzw. erbracht hat.

60

Darüber hinaus würde sich ein solcher Verstoß gegen die rechtlichen Grenzen der Betätigung der Beklagten aus den nachfolgend dargelegten Gründen ebenso wenig auf den Beitragsanspruch der Beklagten auswirken wie eine Überschreitung des ihr gesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichs.

VI .

61

Die Höhe des festgesetzten Beitrags bzw. der Vorauszahlung ist im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachte Überschreitung des der Beklagten obliegenden Aufgabenkreises nicht zu beanstanden.

62

1. Der Klägerin ist im Ansatz insoweit zu folgen, als die Beeinträchtigung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. o.) durch die Pflichtzugehörigkeit zur Beklagten allein durch die Wahrnehmung der den Industrie- und Handelskammern gesetzlich zugewiesenen Aufgaben gerechtfertigt ist. Daher hat sie einen Anspruch darauf, dass die Beklagte bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich vorgegebenen Grenzen einhält (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010, a.a.O., m.w.N., ständige Rechtsprechung).

63

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist aber die mit Ablauf des Jahres 2008 beendete Beteiligung der Beklagten an der Flugplatz Bitburg GmbH von der ihr durch § 1 Abs. 1 IHK-G übertragenen Aufgabe umfasst, das Gesamtinteresse der ihr angehörenden Gewerbetreibenden wahrzunehmen und für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken. Hierzu kann auch die Beteiligung an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die den Betrieb eines Flugplatzes zum Gegenstand hat, gehören, wenn es im Interesse der gewerblichen Wirtschaft liegt, die Errichtung einer solchen Infrastruktureinrichtung vorzubereiten, zu planen oder in anderer Weise zu fördern (BVerwG, Urteil vom 19. September 2000 - 1 C 29/99 - BVerwGE 112, 69).

64

Um eine solche Beteiligung an dem Umwandlungsprozess eines militärischen in einen zivilen Flugplatz im Interesse der Wirtschaft und nicht um eine dauerhafte Beteiligung an einer Flugplatzbetreibergesellschaft ging es bei der von der Vollversammlung der Beklagten am 11. März 2002 beschlossenen Beteiligung an der „Flugplatz Bitburg GmbH“. Durch diesen Beschluss wurde die Stammeinlage auf maximal 10.000 € und ein möglicher Zuschuss auf maximal 25.000 € begrenzt. Die Gesellschafterrolle sollte im Sinne einer Anschubfunktion zunächst auf maximal 5 Jahre befristet sein. In dem Gesellschaftsvertrag war festzuhalten, dass die Beklagte damit lediglich eine Anschubfunktion für den regionalwirtschaftlich bedeutsamen Verkehrslandeplatz leiste, der schwerpunktmäßig der Ansiedlung von flugaffinem Gewerbe diene.

65

Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, die Pläne für die Umwandlung des Flugplatzes Bitburg seien völlig unrealistisch gewesen, so dass die Beklagte den ihr bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zustehenden Ermessensspielraum möglicherweise überschritten hätte. So heißt es in der entsprechenden Beschlussvorlage, nachdem eine luftverkehrsrechtliche Genehmigung aus dem Jahre 1998 zunächst aufgehoben worden sei, gehe es nur noch darum, wie dem gebotenen Fluglärmschutz durch ein Lärmschutzkonzept Rechnung getragen werden könne. Es seien neben einer Vielzahl anderer Gewerbebetriebe bereits zwei flugaffine Unternehmen angesiedelt. Es fänden zudem Verhandlungen über die airline-spezifische Endlackierung verschiedener Airbus-Typen statt. In der Endstufe sollten 50 Dauerarbeitsplätze geschaffen werden. Angesichts dessen reicht die nicht näher begründete Auffassung der Klägerin, die Pläne zur Umwandlung des Flugplatzes Bitburg seien von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen, nicht aus, um eine Überschreitung des Aufgabenbereichs der Beklagten zu begründen.

66

Im Übrigen wäre die Absenkung des Umlagesatzes für das Jahr 2007 selbst dann nicht geboten gewesen, wenn die Stammeinlage in Höhe von 10.000 € und möglicherweise geleistete Zuschüsse in Höhe von maximal 25.000 € an die Beklagte zurückgeflossen wären. Dieser Betrag in Höhe von insgesamt 35.000 € entspricht circa 0,6 Prozent der in der Erfolgsrechnung der Beklagten für das Jahr 2007 ausgewiesenen Mitgliedsbeiträge in Höhe von 5.774.652 €. Dem entspräche eine Minderung des Umlagesatzes um weniger als 0,0025 Prozent.

67

3. Ob die Beklagte im Rahmen der ihr obliegenden Aufgaben ebenfalls berechtigt war, sich an der Rheinland-Pfälzischen Rundfunk GmbH & Co. KG zu beteiligen, lässt sich aufgrund des derzeitigen Erkenntnisstandes nicht hinreichend sicher beurteilen. Die Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da auch diese mit Ablauf des Jahres 2008 beendete Beteiligung in Höhe von lediglich 511,29 € - nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten - selbst zusammen mit der Beteiligung an der Flugplatz Bitburg GmbH keine Auswirkungen auf die Höhe der Umlage hatte.

68

4. Die Klägerin vermag auch mit ihrer Rüge, die Beklagte sei zu Unrecht in den Bereichen Unternehmensberatung und Existenzgründung tätig, nicht durchzudringen, denn die Beratung einzelner Kammerangehöriger gehört zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft i.S.v. § 1 Abs. 1 und 2 IHK-G und damit zum Aufgabenbereich der Beklagten (Fräntzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 1 Rn. 23; BGH, Urteil vom 12. Juli 1990 - I ZR 278/88 -, GewArch 1991, 233 [Steuerhilfe durch eine Handwerkskammer]). Dass die Beklagte in den genannten Bereichen außerhalb des Kreises ihrer Mitglieder tätig war bzw. ist, hat die Klägerin weder geltend gemacht, noch liegen Anhaltspunkte hierfür vor.

69

5. Selbst wenn man aber mit der Klägerin davon ausginge, die Beklagte habe in den genannten Fällen den Kreis der ihr zugewiesenen Aufgaben überschritten, hätte dies keine Auswirkungen auf den Beitragsanspruch für das Jahr 2007 bzw. den Vorauszahlungsanspruch für das Jahr 2009. Zwar verletzt eine Betätigung einer Industrie- und Handelskammer außerhalb ihres Aufgabenbereichs ihre Mitglieder in ihrer grundrechtlich garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. o.). Daher hat jedes Kammermitglied einen Anspruch darauf, dass die Kammer bei ihrer Tätigkeit die ihr gesetzlich vorgegebenen Grenzen einhält, und kann ihn im Wege einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage geltend machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010, a.a.O.).

70

Die Festsetzung der Beiträge bleibt von einer solchen Aufgabenüberschreitung hingegen grundsätzlich unberührt. Das Beitragsaufkommen ist nämlich in der Regel verwendungsneutral und stellt eine Gegenleistung für sämtliche mit der Kammertätigkeit verbundenen Vorteile dar. Der von einem Mitglied geforderte Beitrag lässt sich somit nicht in verschiedene Anteile aufteilen, die bestimmten von der Kammer ausgeübten Tätigkeiten zugeordnet werden könnten. Eine Minderung des Beitragsanspruchs führt zudem nicht unmittelbar und zwangsläufig zur Beendigung der als unzulässig anzusehenden Betätigung (BVerwG , Urteil vom 1. März 1977 - I C 42.74 -, GewArch 1977, 232;OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Januar 1997 - 11 A 12624/96.OVG -, NVwZ-RR 1997, 196; OVG Niedersachsen, Urteil vom 20. Mai 1996 - 8 L 647/95 -, GewArch 1996, 413).

71

Etwas anders könnte allenfalls dann gelten, wenn es um einen Sonderbeitrag zur Finanzierung einer außerhalb des Aufgabenbereichs liegenden Aktivität oder einen mit einer entsprechenden Zweckbestimmung versehenen Beitragsanteil ginge (vgl. BVerwG , Urteil v. 1. März 1977, a.a.O.). Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht.

72

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es im vorliegenden Fall um Beiträge für vergangene Wirtschaftsjahre geht. Die in diesen Zeiten aufgrund der Aktivitäten der Beklagten entstandenen Kosten lassen sich nicht rückgängig machen, auch soweit sie auf einer Überschreitung des gesetzlichen Aufgabenbereichs beruhen sollten. Würde man die Mitgliedsbeiträge nachträglich im Hinblick auf eine Aufgabenüberschreitung mindern, bliebe die Kostenbelastung erhalten und müsste aus den Mitteln der Beklagten, also letztlich zu Lasten der Gemeinschaft der Mitglieder ausgeglichen werden. Dies würde sich letztlich wiederum auf die Summe der benötigten Mitgliedsbeiträge auswirken.

VII.

73

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Beitragsminderung im Hinblick auf die von ihr gerügten Verstöße gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 2 Satz 2 IHK-G die Beklagte, ihren jährlichen Wirtschaftsplan nach den Grundsätzen einer sparsamen und wirtschaftlichen Finanzgebarung aufzustellen. Insoweit steht ihr allerdings im Rahmen ihrer Selbstverwaltung ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. Jahn, GewArch 2008, 340 [344 f.]; Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O. Rn 27 ff.). Die ihr durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gesetzten Grenzen überschreitet sie erst durch ein Verhalten, das mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechthin nicht vereinbar ist (vgl. zu der entsprechenden Regelung in § 93 Abs. 3 der Gemeindeordnung - GemO -: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. Juli 1974 - 7 A 21/74 -, AS 13, 412; Urteil vom 8. Juni 2007 - 2 A 10286/07.OVG -, ESOVG).

74

Soweit die Klägerin rügt, der Neubau der Niederlassung der Beklagten sei mit erheblichen Kosten verbunden gewesen und habe - was die Beklagte nicht in Abrede stellt - zur Auflösung der Rücklagen im Jahre 1999 und einer Darlehensaufnahme mit erheblichen Zinslasten geführt, lässt dies allein ein mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechterdings nicht zu vereinbarendes Gebaren nicht erkennen. Gleiches gilt für den Umfang der von der Klägerin als zu hoch empfundenen Aufwendungen für Versorgungsbezüge, den nach ihrer Auffassung zu hohen Personalbestand, die als zu gering empfundenen Zinseinkünfte in Höhe von 132.000 € bei einem Guthaben von 2.424.000 € (ca. 5,45 % Jahreszins) sowie die Bildung von Rücklagen trotz bestehender Darlehensverbindlichkeiten.

VIII.

75

Die Klägerin hat auch keine gegen das Kostendeckungsprinzip verstoßende und damit unzulässige Vermögensbildung betrieben. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHK-G dürfen Beiträge allerdings nur insoweit erhoben werden, als die Kosten der Errichtung und der Tätigkeit der Kammer nicht anderweitig gedeckt sind. Sie dürfen somit nicht der Vermögensbildung dienen (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.). Eine unzulässige Vermögensbildung lassen die von der Klägerin erhobenen Rügen jedoch nicht erkennen.

76

a) Soweit sie darauf verweist, die in der Bilanz für das Jahr 2007 ausgewiesenen Aktiva bestünden zu 84 Prozent aus Grundstücken und Bauten, hat der Vertreter der Beklagten dies in der mündlichen Verhandlung wie folgt erläutert: Zu den in der Bilanz für das Jahr 2007 erfassten Immobilien habe noch das Anwesen ihrer vormaligen Niederlassung gehört. Dieses sei wegen der zuvor ungünstigen Bedingungen auf dem Immobilienmarkt erst im Jahre 2007 veräußert worden. Der Erlös aus diesem Geschäft sei ihr im Jahre 2008 zugeflossen. Das Konversionsgelände, das sie seinerzeit erworben habe, um darauf ihre neue Niederlassung zu errichten, sei mit vier Gebäuden bebaut gewesen. Diese habe sie abreißen und durch einen Neubau ersetzen wollen. Die Gebäude seien jedoch unter Denkmalschutz gestellt worden, so dass sie von ihrem ursprünglichen Plan habe abrücken müssen. Sie habe daraufhin alle vier Gebäude ausgebaut und die beiden, die sie für ihre Niederlassung nicht benötigt habe, vermietet. Es sei absehbar, dass sich die Investitionen in diese Gebäude in näherer Zukunft amortisierten.

77

Diese Ausführungen, denen die Klägerin nicht widersprochen hat, erscheinen glaubhaft und sind sachlich nachvollziehbar. So weist die Bilanz der Beklagten für 2009 lediglich Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten im Wert von 16.988.696,00 € aus, während die entsprechende Position sich in der Bilanz für 2007 auf 20.322.479,00 € beläuft. Das belegt die Verringerung des Immobilieneigentums der Klägerin infolge der Veräußerung der vormaligen Niederlassung. Der Umstand, dass sie mit der Veräußerung dieses Anwesens bis 2007 zuwartete, um einen höheren Erlös zu erzielen, ist nicht als unzulässige Vermögensbildung aufzufassen, sondern entspricht gerade dem in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHK-G verankerten Sparsamkeitsgebot.

78

Dass der Erwerb des Konversionsgeländes zum Bau einer neuen Niederlassung nach den ursprünglichen Plänen der Beklagten keine Maßnahme zum Zweck der unzulässigen Vermögensbildung darstellt, liegt auf der Hand. Diese Einschätzung gilt - zumindest derzeit - auch im Hinblick auf die beiden Gebäude, die von der Beklagten nicht selbst genutzt, sondern vermietet werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sie ursprünglich beabsichtigt hatte, die auf dem Anwesen vorhandenen Gebäude abzureißen und lediglich die für ihre Niederlassung benötigten Räumlichkeiten zu schaffen. Diese Pläne wurden allein durch die denkmalrechtliche Unterschutzstellung der Gebäude durchkreuzt. Die Sanierung und anschließende Vermietung der beiden von ihr selbst nicht genutzten Gebäude war somit eine naheliegende Möglichkeit, die durch die Unterschutzstellung entstandenen zusätzlichen finanziellen Belastungen auszugleichen. Der Ausbau dieser Gebäude und ihre Nutzung als Mietobjekt stehen somit in einem engen Zusammenhang mit der Errichtung der neuen Niederlassung. Darin ist jedenfalls solange keine unzulässige Vermögensbildung zu sehen, wie sich die diesbezüglichen Investitionen noch nicht amortisiert haben. Das ist nach den glaubhaften Angaben der Beklagten derzeit noch nicht der Fall.

79

b) Keine rechtlichen Bedenken bestehen auch hinsichtlich der in den Bilanzen der Beklagten für die Jahre 2007 und 2009 ausgewiesenen und von der Klägerin als zu hoch beanstandeten Summe aus Kassenbestand, Bundesbankguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten und Schecks in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro (2007) bzw. 4,3 Millionen Euro (2009). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und unwidersprochen erläutert, dass es sich hierbei im Wesentlichen um Mittel im Rahmen der gebildeten Ausgleichsrücklagen im Sinne ihres Finanzstatuts vom 1. Dezember 2005 handelt.

80

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 des Finanzstatuts ist zum Ausgleich von Schwankungen im Beitragsaufkommen eine Ausgleichsrücklage anzusammeln, die zwischen 30 und 50 Prozent der Betriebsaufwendungen beträgt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass Rücklagen in angemessener Höhe keine unzulässige Vermögensbildung darstellen. Der vorgeschriebene Umfang der Rücklage erscheint nicht unangemessen. Die Beklagte hat nämlich glaubhaft dargelegt, ein um mehrere Monate verzögerter Beitragseingang sei nicht ungewöhnlich, und die beanstandeten Guthaben dienten dazu, in einem solchen Fall kostspielige Kassenkredite zu vermeiden.

81

Angesichts des in den Erfolgsrechnungen der Beklagten ausgewiesenen Betriebsaufwands in Höhe von rund 6,93 Millionen Euro (2007) bzw. 7,65 Millionen Euro (2009) ist davon auszugehen, dass es sich bei den von der Klägerin beanstandeten Finanzmitteln jedenfalls ganz überwiegend um solche Rücklagen zum Ausgleich von Beitragsschwankungen handelt. Auch insoweit liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine unzulässige Vermögensbildung vor.

82

c) Die in den Bilanzen der Beklagten ausgewiesenen Rückstellungen für Pensionen und sonstige Verpflichtungen sind im Hinblick auf das Verbot der Vermögensbildung ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, diese Rückstellungen würden von einem externen Gutachter anhand der bestehenden rechtlichen Verpflichtungen berechnet. Seine Feststellungen würden von ihr übernommen. Die Klägerin ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten, so dass auch insoweit kein Grund für eine weitere Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen besteht.

83

d) Die Rüge der Klägerin, die Beklagte habe keine Kalkulation der von ihr erhobenen Beiträge vorgelegt, begründet ebenfalls keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung. Nach den Erfolgsrechnungen der Beklagten wurde das geplante Beitragsaufkommen von 5.750.000 € (2007) bzw. 6.200.000 € (2009) im Jahre 2007 um 24.652,66 € und im Jahre 2009 um 138.432,23 € übertroffen. Eine solche geringfügige Abweichung von rund 0,43 % (2007) bzw. 2,23 % (2009) lässt nicht erkennen, dass die Beklagte die Beitragssätze im Hinblick auf den von ihr ermittelten Finanzbedarf unter Berücksichtigung bestehender Prognoseunsicherheiten fehlerhaft kalkuliert haben könnte.

IX.

84

Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip ist nicht ersichtlich. Nach dieser beitragsrechtlichen Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedarf die Höhe der Beiträge nicht im Missverhältnis zu dem gewährten Vorteil stehen. Es ist allerdings in der Rechtsprechung geklärt, dass ein die Beitragspflicht rechtfertigender Vorteil selbst dann vorhanden sein kann, wenn der Nutzen der von der Kammer finanzierten Tätigkeiten für das einzelne Mitglied nicht messbar ist, sondern weitgehend nur vermutet werden kann. Es liegt in der Natur eines Mitgliedsbeitrags, dass sich der Zusammenhang zwischen dem Erhebungsanlass und dem Vorteil des Pflichtigen zu einer bloßen Vermutung des Vorteils verflüchtigen kann (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.; Beschluss vom 3. Mai 1995 - 1 B 222/93 -, GewArch 1995, 425). Somit greift der Einwand der Klägerin, sie habe keinen ihrem Beitrag entsprechenden Nutzen von der Tätigkeit der Beklagten gehabt, nicht durch. Zudem haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung nachvollziehbar erläutert, dass sie beispielsweise Fachveranstaltungen zu auch die Klägerin betreffende Themen anbietet. Ein Teilnahmeverzicht lässt aber den der Klägerin dadurch vermittelten beitragsrelevanten Vorteil nicht entfallen.

X.

85

Die streitgegenständliche Beitrags- und Vorauszahlungsfestsetzung verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Er gebietet, niemanden im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen. Bei der Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist daher wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung zu tragen. Insbesondere müssen die Beiträge im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden (BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1995, a.a.O.). Insoweit besteht eine enge Verbindung zwischen dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Äquivalenzprinzip (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.).

86

Die Festsetzung des Beitrags für das Jahr 2007 bzw. der Vorauszahlung für das Jahr 2009 verletzt die Klägerin jedoch nicht in ihrem Recht auf Gleichbehandlung, und zwar weder im Hinblick auf die übrigen Mitgliedern der Beklagten (1.) noch im Hinblick auf die Mitglieder anderer Industrie- und Handelskammern (2.).

87

1. Es begegnet keinen Bedenken, dass die Beklagte den zu erhebenden Grundbeitrag staffelt (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG i.V.m. Ziff. II.2. WS 2007/WS 2009) und hierbei sowie bei der Festsetzung der Umlage auf den Gewerbeertrag bzw. den Gewinn aus Gewerbebetrieb abstellt (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 6 IHK-G i.V.m. Ziff. II.3 WS 2007/WS 2009). Dieser Anknüpfung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder liegt die Vorstellung zugrunde, leistungsstarke Unternehmen könnten aus der der Kammer aufgegebenen Wahrnehmung des Gesamtinteresses ihrer Mitglieder in der Regel höheren Nutzen ziehen als wirtschaftlich schwächere. Eine solche Differenzierung erscheint sachgerecht, auch wenn - wie dargelegt - der Nutzen, den ein Mitglied aus seiner Kammerzugehörigkeit zieht, im konkreten Einzelfall kaum messbar sein mag (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.). Angesichts dessen gebietet der allgemeine Gleichheitssatz auch nicht, den Anstieg des Umlagebetrags für ertragsstarke Unternehmen durch gestaffelte Umlagesätze abzuschwächen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1990, a.a.O.).

88

2. Soweit die Klägerin geltend macht, die Umlagesätze anderer rheinland-pfälzischer Industrie- und Handelskammern seien zum Teil deutlich niedriger als der der Beklagten, trifft dies zwar zu. So betrugen diese in den Jahren 2007 und 2009 bei der IHK Koblenz 0,19 % bzw. 0,13 %, bei der IHK Pfalz 0,33 % bzw. 0,3 % und bei der IHK Rheinhessen 0,25 % bzw. 0,05 % (jeweils nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten). Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz ist hierin jedoch nicht zu sehen.

89

a) Der Gleichbehandlungsanspruch ist nämlich auf den Kompetenzbereich des jeweiligen Trägers öffentlicher Gewalt beschränkt. Deshalb folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Recht darauf, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt (BVerfG, Beschluss vom 1. März 2010 - 1 BvR 2584/06 -, NVwZ-RR 2010, 505 m.w.N.). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 8. Februar 1994 (- 1 BvR 1237/85 -, BVerfGE 89, 365) einen Anspruch der Angehörigen verschiedener Allgemeiner Ortskrankenkassen auf annähernd gleiche Beitragssätze bejaht. Diese Entscheidung beruht jedoch maßgeblich auf den Besonderheiten des gesetzlichen Krankenversicherungswesens und ist somit auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

90

b) Darüber hinaus sind die strukturellen Unterschiede zwischen den rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern so erheblich, dass die Beitragsunterschiede hierdurch sachlich gerechtfertigt sind. Nach den von der Beklagten vorgelegten und von der Klägerin nicht infrage gestellten Zahlen stellen sich die Verhältnisse folgendermaßen dar:

91
        

Mitglieder
2007

Gewerbeertrag
2007 in Mio. €

Gewerbeertrag
2007 pro
Mitglied ca.

 Umlage in %

 2007

2009

IHK Trier

27.927

850

30.000

 0,39

0,39

IHK Koblenz

86.066

3.140

36.000

 0,19

0,13

IHK Pfalz

77.542

2.260

29.000

 0,33

0,3

IHK
Rheinhessen

33.692

2.626

78.000

 0,25

0,05

92

Danach ist die Beklagte die mit zum Teil erheblichem Abstand mitgliederschwächste rheinland-pfälzische Industrie- und Handelskammer. Ihre Mitglieder erzielen einen insgesamt erheblich geringeren Gewerbeertrag als die der anderen Kammern. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, wenn die Beklagte darauf hinweist, dass ein gewisser Aufwand bei jeder Kammer unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder anfällt, und dieser sich bei ihr auf die Beitragsbelastung je Mitglied tendenziell stärker auswirkt als bei den mitgliederstärkeren Kammern.

93

Ein Vergleich der Beitragsbelastung der Mitglieder der verschiedenen Kammern kann auch nicht lediglich anhand der Umlagesätze erfolgen, sondern muss daneben auch den jeweils unterschiedlich hoch festgesetzten Grundbeitrag in den Blick nehmen. So hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und unwidersprochen erläutert, ein Betrieb mit einem jährlichen Gewerbeertrag von 25.000 € müsse im Bezirk Rheinhessen trotz des niedrigeren Umlagesatzes einen deutlich höheren Beitrag zahlen als im Bezirk der Beklagten. Die tatsächliche Beitragsbelastung der Betriebe lässt dich daher nicht allein aus dem konkreten Umlagesatz der Kammer ableiten, der sie angehören.

94

Im Übrigen obliegt es der Beklagten, insbesondere ihrer demokratisch legitimierten Vollversammlung, in Ausübung ihres Selbstverwaltungsrechts den Umfang ihrer Tätigkeiten und der hierfür erforderlichen finanziellen und sächlichen Mittel selbst zu bestimmen, solange sie ihren gesetzlichen Aufgabenbereich und die ihr durch den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit gesteckten Grenzen (vgl. o.) nicht überschreitet. Der allgemeine Gleichbehandlungssatz zwingt sie nicht dazu, ihre Aktivitäten einzuschränken bzw. die nach ihrer Einschätzung hierfür erforderlichen Mittel zu reduzieren, um die Mitgliedsbeiträge ihrer Mitglieder an das niedrigere Niveau anderer Kammern anzugleichen.

XI.

95

Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass die Beklagte in ihrer Wirtschaftssatzung für das Jahr 2009 nicht mit einer Beitragssenkung auf den Erlass des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (vom 14. August 2007, BGBl. I S. 1912) und die Finanzkrise reagiert hat. Sie hat glaubhaft erläutert, sie habe die Auswirkungen dieser Ereignisse auf die Ertragsentwicklung ihrer Mitglieder bislang noch nicht hinreichend zuverlässig abschätzen können, da ihr die hierfür erforderlichen Informationen seitens der Finanzämter erst nach und nach zugingen.

96

Darüber hinaus hat die Beklagte dem Anliegen der Klägerin bereits dadurch Rechnung getragen, dass sie die Vorauszahlung abweichend von § 16 BO 2006/BO 2007 i.V.m. Ziff. 5 WS 2007/WS 2009 unter Zugrundelegung eines unterstellten geringeren Gewerbeertrags erheblich reduziert hat. Auf der Grundlage des von der Klägerin im Jahre 2007 erzielten Gewerbeertrags entspräche die Reduzierung einem Umlagesatz von ca. 0,22 Prozent.

XII.

97

Es besteht keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union die im Hilfsantrag der Klägerin aufgeführten Fragen gemäß Art. 267 AEUV (Art. 234 EGV) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Eine Vorlagepflicht besteht nach dieser Vorschrift nicht, da das Urteil mit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 133 VwGO) angefochten werden kann und die Vorlagefragen revisibles Recht (§ 137 VwGO) betreffen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. März 1986 - 3 B 3.86 -, Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 59). Zudem sind, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, die maßgeblichen Rechtsfragen des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof entweder bereits geklärt, oder es ist offenkundig, wie sie zu beantworten sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Februar 2010 - 1 BvR 230/09 -, NJW 2010, 1268).

98

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

99

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

100

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

101

Beschluss

102

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 33.681,90 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG).

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Handwerkskammerbeitrag für das Jahr 2010. Zwischen den Beteiligten ist vor allem streitig, ob die durch die Beklagte vorgenommene Bildung von Rücklagen dem Grunde und der Höhe nach ordnungsgemäß erfolgt ist und ob dies Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Beitragerhebung hat.

2

Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen und ist Mitglied der Beklagten. Mit Beitragsbescheid vom 21. Mai 2010 setzte die Beklagte für das Beitragsjahr 2010 gegenüber der Klägerin einen Gesamtbeitrag in Höhe von 492,00 Euro fest, der sich aus einem Grundbeitrag in Höhe von 132,00 Euro und einem Zuschlag in Höhe von 360,00 Euro zusammensetzt.

3

Die Beitragserhebung stützte die Beklagte auf ihre Beitragsordnung vom 10. Juli 1997, zuletzt geändert mit Wirkung zum 19. November 2009, in Verbindung mit dem Beschluss der Vollversammlung der Beklagten vom 23. Februar 2010 über die Festsetzung des Handwerkskammerbeitrags für 2010. Danach beträgt der Grundbeitrag 132,00 € und der Zuschlag zum Grundbeitrag für juristische Personen und Personengesellschaften unter Beteiligung einer juristischen Person 360,00 €. Die Beschlussfassung der Vollversammlung über die Beitragsfestsetzung 2010 erfolgte als Bestandteil der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung und über den Wirtschaftsplan 2010 vom 23. Februar 2010; Letztere wurden mit Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. April 2010 mit Maßgaben und Hinweisen genehmigt, die indes keine Auswirkungen auf den festgestellten Kammerbeitrag hatten. Die Festsetzung des Handwerkskammerbeitrages für 2010 wurde im Mitteilungsblatt der Beklagten „Norddeutsches Handwerk“ vom 6. Mai 2010 veröffentlicht.

4

Im Hinblick auf mehrfache Änderungen und Ergänzungen der Kammersatzung in den Vorjahren hatte die Vollversammlung der Beklagten am 15. Dezember 2009 einen Beschluss zur Neufassung der Satzung der Handwerkskammer B-Stadt gefasst, der mit Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. Februar 2010 genehmigt wurde und am Tag nach der Veröffentlichung im Mitteilungsblatt der Handwerkskammer „Norddeutsches Handwerk“ vom 18. Februar 2010 - unter gleichzeitiger Außerkraftsetzung der Satzung vom 18. Dezember 1995, zuletzt geändert am 27. September 2005 - in Kraft getreten ist. Diese Neufassung der Kammersatzung sieht in § 37 erstmals den Erlass eines Finanzstatuts vor:

§ 37

5

Im Übrigen gilt für die Aufstellung und den Vollzug des Wirtschaftsplans (Wirtschaftsführung) sowie die Rechnungslegung und Jahresabschlussprüfung das Finanzstatut der Handwerkskammer. Das Finanzstatut ist von der Vollversammlung zu beschließen und von der Aufsichtsbehörde zu genehmigen.

6

Bereits am 20. Oktober 2009, mithin vor Inkrafttreten der Neufassung der Satzung, hatte die Vollversammlung der Beklagten den Erlass eines Finanzstatuts der Handwerkskammer B-Stadt beschlossen. Dieser Beschluss wurde mit Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Dezember 2009 genehmigt und im Mitteilungsblatt der Beklagten „Norddeutsches Handwerk“ vom 10. Dezember 2009 veröffentlicht.

7

§ 31 der Satzung der Beklagten in der Fassung aus dem Jahr 2005 schrieb noch die Anwendung der Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HRKO) vor, in der hinsichtlich der Bildung von Rücklagen folgendes geregelt war:

8

§ 28 Rücklagen

9

(1) Es ist eine Ausgleichsrücklage und eine Betriebsmittelrücklage zu bilden…. Bei Bedarf können weitere Rücklagen gebildet werden.
(2) Höhe und Zweckbestimmung sind in einer gesonderten Rücklagenordnung zu regeln, die von der Vollversammlung zu beschließen ist.

10

Das Finanzstatut der Beklagten vom 20. Oktober 2009 trifft in Bezug auf sein Inkrafttreten folgende Regelung:

11

§ 22 Inkrafttreten

12

Dieses Finanzstatut tritt nach Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde und nach seiner öffentlichen Bekanntmachung am 01.01.2010 in Kraft. Die bisherige Haushalts-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) für die Handwerkskammer vom 04.12.1991 zuletzt geändert durch Beschluss der Vollversammlung am 27.09.2005 sowie die bisherige Rücklagenordnung für die Handwerkskammer vom 04.12.1991 treten zum gleichen Zeitpunkt außer Kraft.

13

In Bezug auf die Rücklagenbildung der Beklagten ist im Finanzstatut geregelt:

14

§ 17 Rücklagen

15

(1) Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses können Zuführungen und Entnahmen von Rücklagen vorgenommen werden.
(2) Die Handwerkskammer bildet aus den Jahresüberschüssen eine Betriebsmittelrücklage und eine Ausgleichsrücklage. Darüber hinaus können auf Beschluss des Vorstandes weitere Rücklagen aus Überschüssen gebildet werden.
...

16

Die Rücklagenordnung vom 4. Dezember 2001, zuletzt geändert durch Beschluss der Vollversammlung der Beklagten vom 16. April 2009, traf in Bezug auf die „Sonderrücklagen“ folgende Regelungen:

§ 1

17

Die Handwerkskammer hat eine Betriebsmittelrücklage und eine Ausgleichsrücklage anzusammeln.

18

Sie kann auch Sonderrücklagen bilden.

§ 5

19

Sonderrücklagen können auf Beschluss der Vollversammlung gebildet werden, wenn künftige Ausgaben voraussichtlich nicht aus Mitteln des jährlichen Haushaltsplanes bestritten werden können.

20

Hinsichtlich der Bildung von Sonderrücklagen gab es in den Jahren 2009 und 2010 folgende Beschlüsse:

21

Am 16. April 2009 beschloss die Vollversammlung der Beklagten eine „neue Rücklagenstruktur“, die zu einer Umverteilung und neuen Zuordnung der Finanzmittel anstelle der bis zum 31. Dezember 2008 bestehenden Rücklagenstruktur führte.

22

So wurde die Betriebsmittelrücklage in Höhe von (bislang) 9.051.072,10 € reduziert auf 7.120.000,00 €, wobei zugleich nicht rückführbare Entnahmen für 2009 in Höhe von insgesamt 4.320.000,00 € erfolgten, so dass die verbleibende Betriebsmittelrücklage künftig 2.800.000,00 € betragen sollte. Die ursprüngliche Ausgleichsrücklage in Höhe von 8.606.241,59 € wurde reduziert auf 600.000,00 €. Der Restbetrag sowie die bisherigen Rücklagen „BBZ“ „Internat BBZ“ und „Altersteilzeit“ wurden nunmehr als „Sonderrücklagen“ deklariert und wie folgt verteilt:

23

 - für Altersteilzeit

  435.252,04 €,

 - für notwendige Instandhaltungs-, Wiederbeschaffungs- und Modernisierungsinvestitionen

 2.466.344,19 €,

 - für besondere Verwendungszwecke

 9.200,000,00 €.

24

Die Sonderrücklage „besondere Verwendungszwecke“ setzte sich ihrerseits zusammen aus der Rücklage

25

-Haus des Handwerks

 in Höhe von

6,2 Mio. €,

-Struktur KHS

 in Höhe von

1,0 Mio. €,

-Stiftung

 in Höhe von

2,0 Mio. €.

26

Mit Bescheid vom 17. Juni 2009 genehmigte das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt unter lfd. Nr. 5 den Beschluss zur Struktur der Rücklagen, der mit Zeichnung durch den Präsidenten und die Hauptgeschäftsführerin am 16. April 2009 in Kraft getreten ist.

27

Auf Grund der Umstellung der Buchhaltung der Beklagten zum 1. Januar 2010 von der kameralistischen Buchführung auf die doppische Buchführung änderte sich die Rücklagenstruktur der Beklagten zum 1. Januar 2010 in der Weise, dass die Sonderrücklage „Altersteilzeit“ in Höhe von 435.252,04 € ausgegliedert wurde und nunmehr als Rückstellung geführt wird. Nicht verbrauchte Ausgaben des Haushaltsjahres 2009 für das Haus des Handwerks in Höhe von 2.004.653,21 € wurden zum 1. Januar 2010 der Sonderrücklage „Haus des Handwerks“ zugeführt, so dass sich deren Wert von 6,2 Mio. € (Stand 31.12.2009) auf 8.204.653,21 € (Stand 01.01.2010) erhöhte. Die Sonderrücklagen der Beklagten wiesen danach am 1. Januar 2010 einen Bestand von insgesamt 13.670.997,40 € aus.zer5

28

Am 31. Mai 2010 traf der Vorstand der Beklagten auf der Grundlage der Rücklagenordnung der Handwerkskammer B-Stadt den „Beschluss über die Zuführung der nicht benötigten Sonderrücklagen 2009 in Höhe von 1.277.036,00 € in die bereits vorhandene Sonderrücklage für das Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien“.

29

Ebenfalls am 31. Mai 2010 beschloss der Vorstand der Beklagten - wiederum auf der Grundlage der Rücklagenordnung - über die „Verwendung des außerplanmäßigen Überschusses aus der Jahresrechnung 2009 in Höhe von 1.123.879,10 EUR für folgende Zwecke:

30

 - 800.000,00 EUR

 Pensionsrückstellung,

 - 100.915,10 EUR

 Investitionsrücklage,

 - 222.964,00 EUR

 Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien“.

31

Die Vollversammlung der Beklagten traf am 8. Juni 2010 fast gleichlautende Beschlüsse, und zwar über die „Zuführung der nicht benötigten Sonderrücklagen 2009 in Höhe von 1.277.036,00 EUR in die bereits vorhandene Sonderrücklage für das Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien“ und über die „Verwendung des außerplanmäßigen Überschusses aus der Jahresrechnung 2009 in Höhe von 1.123.879,10 EUR für folgende Zwecke:

32

 - 900.000,00 EUR

 Pensionsrückstellung,

 -       915,10 EUR

 Investitionsrücklage,

 - 222.964,00 EUR

 Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien“.

33

Am 15. Juni 2010 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Magdeburg Klage erhoben. Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt:

34

Für eine Beitragserhebung fehle es an einer wirksamen Beitragsordnung der Beklagten sowie an Nachweisen für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung hinsichtlich der Beitragserhebung 2010.

35

Neben einer fehlenden Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung sei auch die „Rücklagenhandhabung“ der Beklagten nicht gesetzeskonform erfolgt. Die Beklagte habe Vermögenswerte dem Einsatz zur Kostendeckung entzogen, indem Rücklagen für nicht notwendige Aufgaben formell und materiell fehlerhaft gebildet und der Haushalt mit vermeintlichen Ausgabepositionen künstlich „aufgebläht“ worden sei.

36

Der Beschluss der Vollversammlung vom 16. April 2009 zur „Struktur der Rücklagen“ verstoße gegen § 28 Abs. 2 HKRO, wonach Höhe und Zweckbestimmung der Rücklagen in einer gesonderten Rücklagenordnung zu regeln seien, die von der Vollversammlung zu beschließen sei.

37

Hinsichtlich der bis zum 31. Dezember 2008 gebildeten Rücklagen „BBZ“, „Internat BBZ“, „Altersteilzeit“ mangele es bereits an entsprechenden Beschlussfassungen der Vollversammlung über die Bildung von Sonderrücklagen. Auch die „neue Rücklagenstruktur“ sei der Sache und der Höhe nach zu beanstanden.

38

Soweit die von der Beklagten vorgelegte „Finanzübersicht für das Jahr 2010“ für die Sonderrücklage „Kompetenzzentrum erneuerbarer Energien“ einen Zugang von 2,5 Mio. Euro (richtigerweise wohl 1,5 Mio. Euro) ausweise, sei dieser Betrag den Beitragspflichtigen vorenthalten worden; hierfür gebe es keine (rechtzeitige) Beschlussfassung.

39

Die Klägerin hat beantragt,

40

den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2010 aufzuheben.

41

Die Beklagte hat beantragt,

42

die Klage abzuweisen.

43

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Vollversammlung der Beklagten habe am 23. Februar 2010 den Beitrag für das Jahr 2010 beschlossen; die Beitragshöhe sei Bestandteil des Wirtschaftsplanes. Der Wirtschaftsplan und der Beschluss zur Beitragshöhe seien im Mitteilungsblatt „Norddeutsches Handwerk“ vom 6. Mai 2010 bekannt gemacht worden.

44

Weder die bisherige noch die neue Rücklagenstruktur sei zu beanstanden.

45

Die Rücklagenstruktur bis zum 31. Dezember 2008 sei Bestandteil der jeweiligen Jahresabrechnung. Die durch die Vollversammlung am 16. April 2009 beschlossene und am 17. Juni 2009 genehmigte neue Rücklagenstruktur sei sowohl in Bezug auf die Zweckbindung wie die Höhe der einzelnen Rücklagen gerechtfertigt.

46

Auch für das Jahr 2010 sei eine ordnungsgemäße Rücklagenbildung erfolgt. Gem. Beschluss der Vollversammlung der Beklagten am 8. Juni 2010 (TOP 8) seien die außerplanmäßigen Überschüsse aus der Jahresrechnung 2009 in Höhe von insgesamt 1.123.879,10 Euro der Sonderrücklage für „Pensionsrückstellung“, der „Investitionsrücklage“ und der Rücklage „Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien“ zugeführt worden. Gem. TOP 9 sei der Sonderrücklage „Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien“ zudem ein weiterer Betrag in Höhe von 1.277.036,00 Euro aus nicht benötigten Sonderrücklagen 2009 zugeführt worden. Dieses Vorgehen entspreche den satzungsrechtlichen Vorgaben zur Bildung von Rücklagen, insbesondere den Regelungen in der Rücklagenordnung.

47

Mit Urteil vom 2. August 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt:

48

Der angefochtene Bescheid finde in § 113 Abs. 1 HandwO i. V. m. der Beitragsordnung der Beklagen eine hinreichende Rechtsgrundlage.

49

Hinsichtlich der Rücklagenbildung habe sich die Beklagte eine Rücklagenordnung gegeben, die durch Beschluss der Vollversammlung vom 16. April 2009 geändert und am 17. Juni 2009 durch die Aufsichtsbehörde genehmigt worden sei. Die Genehmigung sei auch hinsichtlich der Beschlüsse der Vollversammlung zur Struktur der Rücklagen, der Änderung der Rücklagenordnung und der Haushaltssatzung sowie des Haushaltsplans 2009 „vor dem Hintergrund“ erfolgt, dass mitgeteilt worden sei, welche Maßnahmen unter den Sonderrücklagen „Stiftung“ und „Struktur der KHS“ zu verstehen seien und was diesbezüglich geplant sei. Die Rücklagenordnung müsse keine detaillierte Aufzählung der einzelnen Sonderrücklagen enthalten. Die Konkretisierung obliege der Beschlussfassung durch die Vollversammlung, wie sie am 16. April 2009 erfolgt sei.

50

Im Weiteren führt das Verwaltungsgericht aus, weshalb die einzelnen Rücklagen der Sache und der Höhe nach rechtlich nicht zu beanstanden seien.

51

Gegen das der Klägerin am 15. August 2011 zugestellte Urteil hat der Senat auf Antrag der Klägerin mit Beschluss vom 15. Februar 2012 die Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zugelassen.

52

Mit am 13. März 2012 beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingegangenen Schriftsatz vom 12. März 2012 begründet die Klägerin ihre Berufung wie folgt:

53

Sie wiederholt und vertieft ihr Klagevorbringen; insbesondere erhebt sie weiterhin Einwände gegen die Rücklagenbildung der Beklagten. Hinsichtlich der geänderten Rücklagenzwecke hätten diese weder vor noch nach der Änderung der Rücklagenstruktur die erforderliche Regelung in der Rücklagenordnung gefunden. Auch hätten die Voraussetzungen für Zweckänderungen nicht vorgelegen. Das wirksame Zustandekommen des Finanzstatuts werde bestritten.

54

Die Klägerin beantragt,

55

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 3. Kammer - vom 2. August 2011 den Beitragsbescheid der Beklagten vom 21. Mai 2010 aufzuheben.

56

Die Beklagte beantragt,

57

die Berufung zurückzuweisen.

58

Zur Begründung führt sie aus, dass sie sich auf wirksam in Kraft gesetztes Beitragsrecht stützen könne und der Beitrag in der Vollversammlung vom 23. Februar 2010 unter TOP 5 ordnungsgemäß beschlossen und bekannt gemacht worden sei. Für die Bildung von Sonderrücklagen reiche es aus, wenn über diese – auf der Grundlage von § 5 der Rücklagenordnung – jährlich im Wege der Haushaltsaufstellung beschlossen werde; eines jeweils spezifischen Beschlusses in Gestalt einer gesonderten Rücklagenordnung bedürfe es danach nicht.

59

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte im anhängigen Verfahren sowie zu den Verfahren 1 L 124/11 und 3 A 158/09 MD und die jeweils vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

60

Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 3. Kammer - vom 2. August 2011 gerichtete Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

61

Ihre Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Denn der Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2010 über die Beitragsfestsetzung für das Jahr 2010 in Höhe von 492,60 Euro ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

62

Die Beklagte hat über die Bildung von Rücklagen formal unter Verstoß gegen untergesetzliches, von ihr selbst gesetztes normatives Recht beschlossen. Auf Grund der fehlerhaften Rücklagenbildung standen der Beklagten für das Beitrags-/Haushaltsjahr 2010 zur Deckung der Kosten ihrer Tätigkeit zusätzliche, rechtlich ungebundene finanzielle Mittel zur Verfügung, die das für 2010 vorgesehene Beitragsaufkommen um ein Mehrfaches überschritten haben. Ein Anlass für eine Beitragserhebung wegen anderweitig nicht gedeckter Kosten ist hiernach nicht feststellbar.

63

Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen durch die Handwerkskammer ist § 113 Abs. 1 HandwO i. d. F. der Bekanntmachung vom 24. September 1998 (BGBl. I, S. 3074, ber. 2006 I S. 2095), bei Erlass des angefochtenen Bescheides zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2009 (BGBl. I, S. 2091). Danach werden die durch die Errichtung und Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, von den Inhabern eines Betriebs eines Handwerks und eines handwerksähnlichen Gewerbes sowie den Mitgliedern der Handwerkskammer nach § 90 Abs. 3 HandwO nach einem von der Handwerkskammer mit Genehmigung der obersten Landesbehörde festgesetzten Beitragsmaßstab getragen.

64

Die Handwerkskammer darf hiernach Beiträge nur zur Deckung der Kosten, die durch ihre Errichtung und die laufende Tätigkeit verursacht werden, erheben. Sie darf dies zudem nur insoweit, als sie nicht durch anderweitige Einnahmen gedeckt sind. Die Kammer ist nicht befugt, planmäßig ein Kammervermögen schlicht anzusammeln. Es ist ihr aber andererseits nicht verwehrt, höhere Beiträge, als zur Kostendeckung notwendig sind, zu erheben und daraus Rücklagen für die Finanzierung eines Vorhabens zu bilden, das der Erfüllung ihrer Aufgaben dient.

65

Hieran gemessen erweist sich die Heranziehung der Klägerin als rechtswidrig, weil sie nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht, soweit nur „nicht anderweitig“ gedeckte Kosten Anlass für eine Beitragserhebung geben können; der streitgegenständliche Beitrag dient vorliegend auch nicht der Bildung einer Rücklage. Vielmehr verfügte die Beklagte jedenfalls im hier zugrundeliegenden Beitragsjahr über Geldvermögen, das infolge nicht ordnungsgemäßer Rücklagenbildung zur Kostendeckung hätte eingesetzt werden können und gemäß § 113 Abs. 1 HandwO müssen.

66

Die Rücklagenbildung ist in der Handwerksordnung nicht geregelt. Der Gesetzgeber hat aber in der Gestaltung des Kammerhaushalts eine wesentliche Selbstverwaltungsangelegenheit gesehen, die auch den Erlass kammereigener haushaltsrechtlicher Bestimmungen rechtfertigt (vgl. Hess. VGH, Urt. v. 15. Oktober 1986 - 5 UE 236/84 -, GewArch 1987, 395 [396]). Hiervon hat die Beklagte in der Weise Gebrauch gemacht, als sie durch das am 20. Oktober 2009 beschlossene Finanzstatut ab 1. Januar 2010 mittels Satzung eine normative Regelung zur Rücklagenbildung getroffen hat. An deren Beachtung muss sich die Beklagte festhalten und messen lassen, sofern das Finanzstatut wirksam zustande gekommen und materiell-rechtlich nicht zu beanstanden sein sollte.

67

Ob allerdings Letzteres der Fall ist, insbesondere ob dem Umstand rechtliche Relevanz beizumessen ist, dass die den Erlass eines Finanzstatuts vorsehende Bestimmung des § 37 der Neufassung der Satzung der Beklagten vom 15. Dezember 2009 erst am 19. Februar 2010, mithin erst nach Beschlussfassung, Genehmigung und Veröffentlichung des Finanzstatuts in Kraft getreten ist, und ob zudem eine Delegation der Befugnis zur Rücklagenbildung im Sinn des § 17 Abs. 2 Satz 2 Finanzstatut auf den Vorstand - zumal ohne jegliche Maßgabe und Voraussetzung in dessen freies Ermessen gestellt - mit dem Aufgabenvorbehalt für die Vollversammlung gemäß § 106 Abs. 1 Satz 1 HandwO vereinbar ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung.

68

Denn soweit § 17 Abs. 2 Satz 2 Finanzstatut vorsieht, dass (neben der Betriebsmittel- und Ausgleichsrücklage) „darüber hinaus... auf Beschluss des Vorstandes weitere Rücklagen aus Überschüssen gebildet werden“ können, lagen entsprechende Vorstandsbeschlüsse über die Bildung von Sonderrücklagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides vom 21. Mai 2010 weder vor noch waren nachträgliche Beschlussfassungen mit entsprechender Rückwirkung in Kraft getreten. Die von der Beklagten mitgeteilten Vorstandsbeschlüsse datieren vom 31. Mai 2010 und sollten mit Zeichnung durch den Präsidenten und die Hauptgeschäftsführerin in Kraft treten, die ebenfalls am 31. Mai 2010 erfolgt ist.

69

Die zur selben Thematik ergangenen Beschlussfassungen der Vollversammlung der Beklagten vom 8. Juni 2010 sollten ebenfalls erst mit Zeichnung durch den Präsidenten und die Hauptgeschäftsführerin am 8. Juni 2010 in Kraft treten. Zudem hat die Vollversammlung eine andere Verteilung des außerplanmäßigen Überschusses aus der Jahresrechnung 2009 für die Zwecke „Pensionsrückstellung“ und „Investitionsrücklage“ beschlossen als der Vorstand.

70

Darüber hinaus umfassen die Beschlussfassungen vom 31. Mai 2010 bzw. 8. Juni 2010 nur einen Teil der Sonderrücklagen, nämlich das „Kompetenzzentrum für erneuerbare Energien“, die „Investitionsrücklage“ und eine „Pensionsrückstellung“; auch beliefen sie sich der Höhe nach auf einen Gesamtrücklagenbetrag von rund 2.4 Mio. Euro, so dass den im Wirtschaftsplan 2010 in Ansatz gebrachten Einnahmen aus Handwerkskammerbeiträgen für das laufende Rechnungsjahr von 4,9 Mio. Euro (vgl. Kontenplan, Konto 8 000 000) formal nicht ordnungsgemäß gebildete „Sonderrücklagen“ in Höhe von mindestens 11 Mio. Euro gegenüberstanden. Die Beklagte verfügte hiernach über ausreichende Vermögenswerte zu einer „anderweitigen Kostendeckung“ im Sinn des § 113 Abs. 1 Satz 1 HandwO.

71

Eine der Beklagten günstigere Rechtslage ergibt sich auch dann nicht, wenn wegen der von der Klägerin gerügten Unwirksamkeit des Finanzstatuts bzw. in Ergänzung der nach dem Finanzstatut nicht ausreichenden Beschlussfassungen des Vorstandes der Beklagten auf die „alte“ Rechtslage abzustellen wäre. Für die Rücklagenbildung wäre in diesem Fall die Haushalt-, Kassen- und Rechnungslegungsordnung (HKRO) für die Handwerkskammer B-Stadt vom 4. Dezember 1991 in der durch Beschluss der Vollversammlung vom 27. September 2005 überarbeiteten Fassung maßgeblich, gegen deren wirksames Zustandekommen die Verfahrensbeteiligten Bedenken nicht erhoben haben und für den Senat auch nicht ersichtlich sind.

72

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 HKROist eine Ausgleichsrücklage und eine Betriebsmittelrücklage zu bilden. Gem. Satz 2 dient die Ausgleichsrücklage der Sicherstellung des Haushaltsausgleichs und die Betriebsmittelrücklage der Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Kreditermächtigungen. Nach Satz 3 können weitere Rücklagen gebildet werden. Die Bildung angemessener Rücklagen gehört zu einer geordneten Haushaltsführung (so BVerwG, Urt. v. 26. Juni 1990 - 1 C 45.87 -, juris).

73

Soweit die Vollversammlung der Beklagten mit ihrem Beschluss vom 16. April 2009 über eine „neue Rücklagenstruktur“ neben der nach der HKRO zwingend zu bildenden Betriebsmittel- und Ausgleichsrücklage auch verschiedene „Sonderrücklagen“ gebildet hat, ist dies also grundsätzlich möglich. Dabei ist die sich aus ihrem Selbstverwaltungsrecht ergebende Eigenverantwortlichkeit und der damit verbundene weite Gestaltungsspielraum der Beklagten zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung dessen, was die Beklagte im Einzelnen für erforderlich und welche Rücklagen sie in welcher Höhe für angemessen hält, steht ihr ein weiter Entscheidungsspielraum zu, der einerseits dadurch begrenzt wird, dass die durch Rücklage zu finanzierende Maßnahme dem Aufgabenbereich der Beklagten unterfallen muss und andererseits die Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung nicht offenkundig überschritten werden dürfen bzw. ein mit den Grundsätzen eines vernünftigen Wirtschaftens schlechthin unvereinbares Verhalten der Beklagten feststellbar ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 13. April 2011 - 6 A 11076/10 -, juris RdNr. 22).

74

In Bezug auf die Angemessenheit der Rücklagenhöhe ist zu berücksichtigen, dass die Rücklagenbildung aufgrund der mit ihr bezweckten Sicherung eines zukünftigen Finanzbedarfs in der Regel aufgrund einer Prognose und Schätzung künftiger Kosten erfolgt und ebenso im normativen Ermessen der Kammer steht, wie die Entscheidung, ob und inwieweit sie umlagefähige Kosten außer durch Grundbeiträge auch durch Zusatzbeiträge oder Sonderbeiträge decken will. Das normative Ermessen des Normgebers wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zwecks der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26. April 2006 - 6 C 19.05 -, juris).

75

Vorliegend kann indes dahingestellt bleiben, inwieweit die einzelnen Rücklagen, insbesondere die „Sonderrücklagen“, diesen Anforderungen genügen. Der Senat sieht daher – anders als das Verwaltungsgericht – keine Veranlassung, sich im Rahmen dieses Rechtsstreits mit der Frage der Angemessenheit der Mittelveranschlagung für einzelne Vorhaben bzw. Projekte der Beklagten zu befassen. Denn die Vollversammlung der Beklagten hat weder bei der Beschlussfassung zur „Neubildung der Rücklagenstruktur“ vom 16. April 2009 noch bei der Beschlussfassung über die Rücklagenbildung für das Jahr 2010 beachtet, dass nach § 28 Abs. 2 HKRO Höhe und Zweckbestimmung (der Rücklagen) in einer gesonderten Rücklagenordnung zu regeln sind, die von der Vollversammlung zu beschließen ist.

76

Entgegen der Auffassung der Beklagten genügte es auch nicht, auf der Grundlage der (lediglich) allgemeinen Regelung in § 5 der Rücklagenordnung der Handwerkskammer über die Bildung von Sonderrücklagen durch einen einfachen Beschluss der Vollversammlung – etwa im Rahmen der jeweiligen Haushaltsberatungen - zu entscheiden, wie dies durch den Beschluss vom 16. April 2009 erfolgt ist. Eine solche Verfahrensweise verstieße gegen die eindeutigen Vorgaben in § 28 Abs. 2 S. 2 HRKO bzw. - sofern jene Regelung anwendbar sein sollte – gegen die Maßgaben in § 17 Abs. 2 S. 2 des Finanzstatuts.

77

Die von der Vollversammlung der Beklagten am 4. Dezember 1991 beschlossene Rücklagenordnung enthält ebenso wie die am 16. April 2009 beschlossene und erst mit Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde vom 17. Juni 2009 in Kraft getretene Änderung der Rücklagenordnung zur Sonderrücklagenbildung lediglich die Regelung in § 5,wonach Sonderrücklagen auf Beschluss der Vollversammlung gebildet werden können, wenn künftige Ausgaben voraussichtlich nicht aus Mitteln des jährlichen Haushaltsplanes bestritten werden können. Eine Bestimmung zur „Höhe“ der Sonderrücklage ist damit nicht getroffen.

78

Auch genügt der Begriff „Sonderrücklage“ und die sich aus der Rücklagenordnung ergebende Voraussetzung für deren Bildung nicht den Anforderungen des § 28 Abs. 2 HKRO an die Regelung der „Zweckbestimmung“. Der Begriff „Sonderrücklage“ ist insoweit zu unbestimmt und sagt nichts darüber aus, für welche Aufgaben und Projekte die Mittelansparung gebildet wird und verwendet werden darf (vgl. § 8 Satz 1 RLO). Auch erlaubt der Begriff „Sonderrücklage“ in Anbetracht der unterschiedlichen konkreten Ausformungen, die er gemäß der Beschlussfassung der Vollversammlung der Beklagten am 16. April 2009 zur Bildung einer neuen Rücklagenstruktur gefunden hat, keine Prüfung einer Zweckänderung i. S. d. § 9 RLO. Der Bestimmung über die Voraussetzung, unter der eine Sonderrücklage gebildet werden darf, kann ebenfalls nicht entnommen werden, welchem Zweck sie dient.

79

Anhaltspunkte dafür, dass Beschlussfassungen der Vollversammlung der Beklagten über die alte und/oder neue Rücklagenstruktur wenigstens zum Bestandteil der Rücklagenordnung gemacht und damit formgerecht in diese inkorporiert wurden, bestehen ebenfalls nicht, so dass eine Regelung von Höhe und Zweckbestimmung der Sonderrücklagen mittels Rücklagenordnung im Sinne von § 28 Abs. 2 HKRO nicht festgestellt werden kann.

80

Nach alldem fehlt es an einem (formal) ordnungsgemäßen Beschluss des hier zu berufenen Gremiums über die Bildung von Rücklagen für das Beitragsjahr 2010. Infolgedessen standen der Kammer für das Beitragsjahr 2010 rechtlich ungebundene finanzielle Geldmittel in beträchtlicher Höhe, und zwar zumindest in einer solchen Höhe zur Verfügung, dass aus ihnen die durch die Tätigkeit der Handwerkskammer entstehenden Kosten gedeckt werden konnten. Dieser Umstand stand gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 HandwO der Erhebung von Beiträgen entgegen.

81

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

82

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

83

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


Tatbestand

1

Der Kläger, der in A-Stadt einen Druckerei- und EDV-Wartungsbetrieb führt, wendet sich gegen seine Heranziehung zum IHK-Beitrag für das Jahr 2009.

2

Mit Bescheid vom 19.10.2011 zog die Beklagte den Kläger im Wege der Abrechnung zur Zahlung eines Beitrags zur Industrie- und Handelskammer A-Stadt für das Jahr 2009 in Höhe von 575,60 € heran und gab ihm auf, zuzüglich eines offenen Betrages aus anderen Beitragsjahren in Höhe von 136,76 € einen Betrag von 712,36 € zu zahlen. Als Bemessungsgrundlage wurde dabei der Gewerbeertrag 2009 des Klägers zugrundegelegt (112.200,- €) und hierfür ein Grundbeitrag von 440,- € angesetzt. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 15.340,- € wurde sodann auf den verbleibenden Gewerbeertrag von 96.860,- € durch Anwendung des Hebesatzes von 0,140 % ein Betrag von 135,60 € als Umlage festgesetzt.

3

Am 21.11.2011 hat der Kläger Klage erhoben. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Schriftsätze vom 29.1.2012, 24.2.2012, 24.3.2012, 1.5.2012 und 25.1.2013 sowie das Terminsprotokoll verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

4

Der Kläger trägt vor: Die überhöhte Zwangsbeitragsforderung führe bei der Beklagten zur unverhältnismäßigen Rücklagenbildung. Die Beklagte sei nicht legitimiert, allgemein verbindliche Beitragssatzungen zu erlassen, weil sie durch undemokratische Wahlen ihrer Hauptversammlung gebildet sei. Der Beklagten sei aufzuerlegen, vollständig und umfänglich Auskunft darüber zu erteilen, wie hoch ihre Rücklagen seien, wie und in welcher Höhe der Zu- und Abgang zu den Rücklagen erfolgt sei und wie sie in Zukunft mit den Rücklagen verfahren wolle (entschieden vom VG Minden 2010, vgl. auch OVG NRW Beschl. v. 10.10.2011). Das OVG NRW habe Rücklagen in Höhe von 75 % des Beitragsaufkommens als zu hoch erachtet. Für die nicht unerheblichen Zwangsbeiträge erbringe die Beklagte ihren Zwangsmitgliedern gegenüber keine adäquate Gegenleistung. Die Beklagte habe in den vergangenen Jahren nie dargelegt, wofür sie eigentlich Beiträge erhebe und welche Gegenleistungen sie dafür biete. Für das Jahr 2009 erhebe die Beklagte Beiträge aufgrund ihrer Wirtschaftssatzung vom 20.11.2008, in der sie darlege, dass sie 2009 Erträge in Höhe von 9.463.900,- € habe und Ausgaben in Höhe von 10.397.200,- €. Die Differenz von fast 1 Mio. € entnehme sie ihren Rücklagen. Des weiteren führe sie Investitionsauszahlungen in Höhe von 313.500,- € an sowie weitere Auszahlungen in Höhe von 1.053.700,- €, die wahrscheinlich auch aus den Rücklagen finanziert würden. Dies heiße, dass die Beklagte ihren Wirtschaftsplan mit knapp 2,5 Mio. € aus Rücklagen finanziere, was über 20 % des gesamten Aufkommens entspreche. In der Vergangenheit habe die Beklagte für das Wirtschaftsjahr 2006 einen Betrag von 928.300,- € aus Rücklagen entnommen und weitere Auszahlungen in Höhe von 360.000,- € getätigt, insgesamt somit etwa 15 % des Wirtschaftsplans. Im Wirtschaftsjahr 2007 seien 616.200,- € aus Rücklagen direkt eingebracht und weitere 340.000,- € ausgezahlt, was 10 % des Wirtschaftsplans entspreche. Im Jahr 2008 habe der direkte Rücklagenzugriff 1.092.300,- € betragen, und es hätten Auszahlungen in Höhe von 966.800,- € stattgefunden (20 % des Wirtschaftsplans). Auch in späteren Jahren habe die Beklagte auf Rücklagen zurückgegriffen, so im Jahr 2010 auf 1.513.100,- € für den Wirtschaftsplan und 1.419.600,- € an Auszahlungen. Bis zum Jahr 2005 habe die Beklagte in ihren Haushaltssatzungen immer ein ausgeglichenes Ergebnis ausgewiesen. Einnahmen und Ausgaben hätten sich gedeckt. Es bestehe somit die berechtigte Frage, wo die Rücklagen herkämen, auf welche die Beklagte in den letzten Jahren so tatkräftig zurückgreife. Immerhin habe sie allein zum Ausgleich ihrer Plan-GuV auf über 6 Mio. € zurückgegriffen, was vermuten lasse, dass sie anscheinend über Rücklagen in nicht unerheblicher Größenordnung verfüge. Weder in den einzelnen Wirtschaftssatzungen noch in den Nachträgen zur Wirtschaftssatzung würden Einzahlungen in Rücklagen angeführt. Da es keine Einzahlungen der Beklagten auf Rücklagen gebe, könne somit davon ausgegangen werden, dass die Beklagte in nicht unerheblicher Höhe durch Dritte finanziert werde. Wenn die Beklagte von einigen Wenigen „schwarz“ finanziert werde, dürfe man berechtigt fragen, wie die Beklagte dann überhaupt ein Gesamtinteresse vertreten oder wahrnehmen könne. Außer der Frage zur Herkunft der Rücklagen stünde auch die Frage über die Höhe der Rücklagen an. Das BVerwG habe bei Industrie- und Handelskammern Rücklagen von 15 % ihrer Gesamtaufwendungen als maximal zulässig erachtet. Diese Grenze scheine die Beklagte erheblich überschritten zu haben. Beitragserhebungen dürften auch nicht der Bildung von Vermögen dienen (BVerwG, Urt. v. 26.6.1990 - 1 C 45.87 -). Der Bayerische Rechnungshof habe über das Bayerische Wirtschaftsministerium die Empfehlung ausgesprochen, in den IHK-Mustersatzungen die Möglichkeit zur Bildung von Liquiditätsrücklagen ersatzlos zu streichen. Somit sehe auch der Bayerische Rechnungshof die horrenden und unverhältnismäßigen Rücklagenbildungen der Industrie- und Handelskammern als kritisch an. Solange die Beklagte es nicht bestreite oder gegenteilig belege, müsse das Gericht zwangsläufig davon ausgehen, dass die Beklagte über derart hohe Rücklagen und sonstige Vermögen verfüge, dass sie nicht berechtigt sei, Beiträge von Zwangsmitgliedern zu erheben, da sie ihre Kosten anderweitig decken könne. Die Beklagte behaupte, eine Selbstverwaltungsorganisation der Wirtschaft zu sein und deren Gesamtinteresse zu vertreten. Um ein Gesamtinteresse überhaupt vertreten zu können, müssten die entsprechenden Vertreter in den Gremien und hier vor allem die Hauptversammlung in demokratischer Weise gewählt werden. Bei der letzten Wahl, welche die Beklagte 2008 zur Vollversammlung durchgeführt habe, habe es hingegen an jedwedem Mindeststandard einer demokratischen Wahl und insbesondere ihrer Nachvollziehbarkeit gefehlt. In gewohnter Manier habe die Beklagte bis heute die tatsächlichen Wahlergebnisse nicht veröffentlicht. Weder sei veröffentlicht worden, wie hoch die Wahlbeteiligung insgesamt oder in den einzelnen Wahlbereichen gewesen sei, noch, wieviele Stimmen die einzelnen Kandidaten auf sich vereinigt hätten. Weder die Öffentlichkeit noch die abstimmungsberechtigten Mitglieder oder die unterlegenen Kandidaten seien von der Beklagten über das reale Ergebnis der Wahl unterrichtet worden. Die Beklagte habe lediglich verkündet, wer für die einzelnen Wahlbereiche in die Hauptversammlung ziehe. Ob diese Personen auch tatsächlich von der Mehrheit der jeweils stimmberechtigten Mitgliedsbetriebe gewählt worden seien, bleibe fraglich und könne aufgrund der Intransparenz der Wahl sowie der Weigerung der Beklagten, Zahlen zu veröffentlichen, auch angezweifelt werden. Landauf landab würden immer wieder Manipulationsvorwürfe gegen Industrie- und Handelskammern erhoben. Bemerkenswert sei, dass erstmals im letzten Jahr eine Wahl zur Hauptversammlung bei der IHK Koblenz durch externe Sachverständige geprüft und im Anschluss daran offiziell für ungültig erklärt worden sei. U.a. hätten Schriftsachverständige auf einem Viertel aller Stimmzettel markante Spuren von identischen Kreuzen gefunden. Da die Industrie- und Handelskammern identisch argumentierten und agierten und auch sonst handlungskonform seien, dürfe also nicht ausgeschlossen sein, dass die Beklagte die Wahlen zur Hauptversammlung genauso „durchgeführt“ habe wie die IHK Koblenz. Die Weigerung der Beklagten, die Zahlen der Wahl zu veröffentlichen, lasse zumindest die reale Vermutung zu, dass es auch bei der hiesigen Wahl zur Hauptversammlung nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Damit stehe die Frage, ob die Hauptversammlung überhaupt über die tatsächliche Legitimierung der Mitgliedsbetriebe verfüge, um Beitragsordnungen, Wirtschaftssatzungen und ähnliches zu beschließen. Er, der Kläger, zweifele das an. Da die Beitragssatzung der Beklagten für das Jahr 2009 nicht von gewählten Vertretern der Mitglieder legitimiert sei und die Beklagte offensichtlich über erhebliche Rücklagen verfüge, die vorrangig vor Beitragserhebungen hätten verwendet werden müssen, sei der Beitragsbescheid aufzuheben. Die Brisanz der Rücklagen und Schwarzgeldkonten der Beklagten sei ihr selbst bewusst, was sich auch dadurch verdeutliche, dass ihr Prozessvertreter nicht einmal ansatzweise auf diese grundlegende Thematik eingehe. Die Beklagte müsse schon einmal darlegen, wie Millionen Euro aus dem Nichts kämen und wieder in das Nichts verschwänden, wenn es keine dubiosen Rücklagen- oder Finanzierungskonten bei der Beklagten gäbe. Die zweite Magdeburger Zwangskammer, die Handwerkskammer, habe jüngst erst nicht nur Rücklagen aus Zwangsbeiträgen angehäuft, sondern auch in Millionenhöhe verspekuliert. Diesbezüglich könne er, der Kläger, als zwangsrekrutiertes Mitglied der Beklagten auch zu Recht die Auskunft einfordern, in welcher Höhe die Beklagte beim Finanzdebakel der letzten Jahre selbst Überschüsse aus Zwangsbeiträgen verspekuliert habe. Andere Kammern hätten bereits angefangen, ihre exorbitanten Rücklagen vollständig über Beitragsrückerstattungen aufzulösen. Derartige Auskünfte seien in jedem Gesangverein und Kegelclub gang und gäbe. Um so mehr müsse eine öffentlich-rechtliche Zwangsvereinigung Auskunft erteilen. Die Verantwortlichen der Beklagten hätten offensichtlich mehrere Millionen Euro in den Bilanzen veruntreut bzw. verschleiert. Er, der Kläger, rege an, die Staatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Prüfung einzuschalten. Im Gegensatz zum Vortrag der Beklagten sehe der von ihr beigefügte Wirtschaftsplan 2009 sehr wohl Rücklagenveränderungen von fast 1 Mio. € vor. Da es sich hier nur um einen Wirtschaftsplan handele, bedürfe es zu einer Prüfung aber der realen Zahlenwerte für Einnahmen, Ausgaben, Rücklagen, Verwendung etc. und nicht irgendwelcher fragwürdigen und nicht überprüfbaren Planzahlen. Nun habe auch der VGH BaWü (Beschl. v. 6.9.2012 - 6 S 777/12 -) in gleicher Rechtsangelegenheit wie das OVG NRW die Berufung zugelassen. Beim BVerfG seien 3 Verfassungsbeschwerden dazu anhängig. Das Verfahren sei in einer Sackgasse, solange das Gericht seinen klägerischen Anträgen nicht folge und der Beklagten auferlege, ihre realen Geschäftszahlen vorzulegen.

5

Der Kläger beantragt,

6

1. den Termin vom 7.2.2013 aufzuheben und das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG bzw. bis zu Entscheidungen des OVG NRW und des VGH BaWü in dort anhängigen Berufungsverfahren auszusetzen,

7

2. den Bescheid der Beklagten vom 19.10.2011 aufzuheben und der Beklagten aufzuerlegen, detaillierte Auskunft über die Höhe ihrer Rücklagen, deren Herkunft bzw. Zusammensetzung sowie der beabsichtigten Verwendung zu erteilen.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagte erwidert: Die Mitgliedschaft des Klägers und die damit verbundene Beitragspflicht ergebe sich unmittelbar aus den §§ 2, 3 IHKG. Der Kläger betreibe ein Unternehmen für EDV-Wartung und als Einzelunternehmen. Er werde von dem für ihn zuständigen Finanzamt zur Gewerbesteuer veranlagt. Er habe seinen Sitz bzw. seine Niederlassung in A-Stadt und somit im Kammerbezirk der Beklagten. Der vom Kläger im Jahr 2009 erzielte Gewerbeertrag sei vom Finanzamt mit 112.000,- € mitgeteilt worden. Auf dieser Grundlage habe sie, die Beklagte, einen Grundbeitrag von 440,- € sowie eine Umlage von 135,60 €, insgesamt 575,60 € als Kammerbeitrag für 2009 festgesetzt. Dies entspreche der Wirtschaftssatzung und werde vom Kläger insoweit nicht angegriffen. Die Bedenken des Klägers gegen ihre Wirtschaftssatzung seien unbegründet. Er übersehe, dass die Aufstellung des Wirtschaftsplans und die Festlegung der darin vorgesehenen Beiträge eine Selbstverwaltungsangelegenheit seien. Hierbei stehe der Vollversammlung ein weites Organisationsermessen zu. Der Kläger zeige keine Gesichtspunkte auf, aus denen sich ggf. eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens ergeben könnten. Die gegen die Wahl der Vollversammlung erhobenen Einwendungen seien ebenfalls unbegründet. Die Wahl der Vollversammlung sei in Übereinstimmung mit den in § 13 ihrer Wahlordnung enthaltenen Regelungen ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der Wahlausschuss habe sodann das Wahlergebnis ermittelt und die Namen der gewählten Bewerber ordnungsgemäß nach § 15 Abs. 3 der Wahlordnung bekanntgemacht. Aus dem Vortrag des Klägers ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen etwaigen Verstoß gegen das in der Wahlordnung vorgesehene Verfahren. Dieses wäre ferner nicht im Rahmen der Anfechtung des Beitragsbescheides zu berücksichtigen, sondern ggf. nur im Rahmen eines fristgebundenen Wahlprüfungsverfahrens. Sie, die Beklagte, verwahre sich nachdrücklich gegen die aufgestellte unsubstantiierte und unzutreffende Behauptung, bei ihr seien angeblich brisante Rücklagen und Schwarzgeldkonten vorhanden. Der Kläger lege nicht einmal ansatzweise dar, wodurch ihre Gremien das ihnen vom Gesetzgeber eingeräumte Organisationsermessen überschritten haben sollten. Sie, die Beklagte, sei zur Bildung von Rücklagen berechtigt. Sie sei sogar verpflichtet, in die Kalkulation ihrer Wirtschaftssatzungen eine Ausgleichsrücklage einzustellen, um konjunkturbedingte Schwankungen im Beitragsaufkommen auffangen und eine kontinuierliche Finanzwirtschaft gewährleisten zu können. Eine geordnete Haushaltsführung beinhalte die Bildung angemessener Rücklagen. Für ihre Wirtschaftsführung gelte das von der Vollversammlung am 22.9.2005 beschlossene Finanzstatut. In § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts sei vorgesehen, dass eine Ausgleichsrücklage sowie eine Liquiditätsrücklage zu bilden seien. Aus § 15 Abs. 3 Satz 5 ergebe sich weiter, dass die Bildung „anderer Rücklagen“ zulässig sei, ohne dass dafür besondere Regelungen gälten. Die bei der Kalkulation von Rücklagen ggf. zu beachtenden Grundsätze seien hier jedoch nicht entscheidungserheblich. In der Kalkulation, die der Wirtschaftssatzung für das Geschäftsjahr 2009 zugrundeliege, sei keine Rücklagenbildung vorgesehen. Demgemäß diene der streitgegenständliche Beitragsbescheid nicht der Refinanzierung einer etwaigen Rücklagenbildung. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens lägen nicht vor. Die in den vom Kläger benannten Verfahren zu treffenden Entscheidungen seien für den vorliegenden Rechtsstreit nicht vorgreiflich. Die Gültigkeit einer abstrakten Rechtsnorm sei nicht vorgreiflich für die Frage der Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides. Hinter der Rücklagenveränderung in Höhe von 933.300,- €, die sich aus dem Wirtschaftsplan 2009 ergebe, stehe keine Erhöhung der vorhandenen Rücklagen, sondern eine Verminderung der in früheren Jahren gebildeten Rücklagen, um die im Wirtschaftsjahr 2009 eingetretene Kostenunterdeckung auszugleichen. Als Kammermitglied habe der Kläger weder einen Anspruch noch eine unmittelbare Einflussnahme darauf, ob und in welchem Umfang vorhandene Rücklagen zur Vermeidung von Beitragserhöhungen bzw. zur Beitragsreduzierung verwendet würden. Für die Entscheidung über die Grundlage der Beitragserhebung sei allein die Vollversammlung der Beklagten zuständig. Reale Geschäftszahlen würden dem Kläger nicht vorenthalten, da es sich bei den von ihr, der Beklagten, veröffentlichten Zahlen in jeder Hinsicht um zutreffende und reale Zahlen handele. Wegen des Umfangs der den Mitgliedern der Vollversammlung zugänglich zu machenden Informationen werde auf das Urteil des BVerwG v. 31.3.2004 (- 6 C 25/03 -, NVwZ 2004, 1253) verwiesen. Dem Kläger könnten keine weitergehenden Rechte als den Mitgliedern der Vollversammlung zustehen.

11

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der Gerichtsakte 3 A 181/11 MD nebst vorgelegter „Beiakten“ der Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist entscheidungsreif und unbegründet.

13

Das Verfahren ist nicht unter Aufhebung des Termins auszusetzen, bis das Bundesverfassungsgericht, das OVG Nordrhein-Westfalen und der VGH Baden-Württemberg in den dortigen vom Kläger benannten Verfahren entschieden haben. Nach § 94 VwGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen ist. Die Voraussetzungen für eine derartige Aussetzung liegen nicht vor. Die Entscheidungen der anderen Gerichte sind nicht i.S.v. § 94 VwGO vorgreiflich, weil sie nicht eine Vorfrage oder die Feststellung eines für den vorliegenden Fall abhängigen Rechtsverhältnisses betreffen. Vielmehr ist in ihnen dieselbe Rechtsfrage im Rahmen der gebotenen Normauslegung zu entscheiden, ohne dass dies den hier laufenden Prozess hindert (vgl. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblattkommentar, Bd. II, Stand: 2012, § 94 Rn. 21; Jahn, Zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern - Ein Rechtsprechungsreport 2005 bis 2007 -, GewArch 2008, 187, 193). Der entsprechende Antrag des Klägers war daher abzulehnen.

14

Der Bescheid der Beklagten vom 19.10.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

15

Rechtsgrundlage für die in dem Bescheid für das Jahr 2009 vorgenommene Beitragsabrechnung ist § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern - IHKG - vom 18.12.1956 (BGBl. I S. 920), im maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Gesetz v. 11.12.2008 (BGBl. I S. 2418), in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Industrie- und Handelskammern in Sachsen-Anhalt - AG-IHKG - vom 10.6.1991 (GVBl. LSA S 103), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.11.2005 (GVBl. LSA S. 698, 709), und der Beitragsordnung der Beklagten v. 24.9.2008 (veröffentlicht in „Der Markt in Mitteldeutschland“, Heft November 2008, S. 50) sowie deren Wirtschaftssatzung vom 20.11.2008 („Der Markt in Mitteldeutschland, Heft Dezember 2008, S. 6 ff.).

16

Nach diesen Vorschriften werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und Handelskammer, soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer Beitragsordnung aufgebracht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG). Nach § 6 der Beitragsordnung i.V.m. der Wirtschaftssatzung der Beklagten, die auf der Grundlage der §§ 3 und 4 IHKG erlassen worden sind, haben die Betriebe einen Grundbeitrag zu entrichten, wobei Zuschläge u.a. nach der Rechtsform und dem Umsatz festgesetzt werden können. Der Grundbeitrag kann gestaffelt werden; dabei sollen insbesondere Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden (§ 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 IHKG). Daneben erhebt die IHK Umlagen.

17

Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft in der Industrie- und Handelskammer sowie der Beitragserhebung bestehen keine durchgreifenden Bedenken (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.2001, GewArch 2002, 111; Loertzer, Aktuelle Fragen des Kammerrechts, GewArch 2013, 22, 24 m.w.N.). Dies gilt auch in Ansehung des umfangreichen Schriftsatzes (Bl. 93-160 der Gerichtsakte) eines Beschwerdeführers in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren, über welches das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden hat, und den der Kläger sich inhaltlich zu eigen macht. Soweit das BVerfG in seinem Beschluss aus dem Jahr 2001 dem Gesetzgeber eine ständige Prüfung aufgegeben hat, ob der in der Pflichtmitgliedschaft liegende Grundrechtseingriff weiter gerechtfertigt ist, bestehen im Hinblick auf die seither vollzogenen gesetzgeberischen Änderungen des IHKG (zuletzt durch Gesetz v. 22.12.2011, BGBl. I S. 3044) keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Pflicht nicht nachgekommen worden sei. Die in der erwähnten und vom Kläger vorgelegten Beschwerdeschrift aufgezeigten Gesichtspunkte gehören durchgängig zu dem Problemfeld, dessen Betrachtung nicht die Annahme eines Verfassungswandels, der eine Neubewertung erforderlich machte, rechtfertigt (vgl. Jahn, Zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern - Ein Rechtsprechungsreport 2008 bis 2011 -, GewArch 2011, 464, 465, der es vor dem Hintergrund der zitierten gefestigten Rechtsprechung für offensichtlich aussichtslos hält, in IHK-Beitragsprozessen die Rechtmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft in Frage zu stellen).

18

Unter Berücksichtigung der vorerwähnten Regelungen hat die Beklagte den vom Kläger zu zahlenden Beitrag auf der Grundlage der ihr zur Verfügung stehenden Daten zutreffend ermittelt. Der für den ergangenen Bescheid vom 19.10.2011 zuletzt vom zuständigen Finanzamt gemeldete Gewerbeertrag des Klägers belief sich auf 112.200,- € für das Jahr 2009. Nach Ziff. II. 2.3.b) der Wirtschaftssatzung war damit ein Grundbeitrag von 440,- € und unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 15.340,- € eine Umlage von 0,14 % (135,60 €) zu erheben. Die finanzamtliche Feststellung über die persönliche und sachliche Gewerbesteuerpflicht hat Tatbestandswirkung und bindet die IHK im Rahmen der Beitragsveranlagung (vgl. Jahn, a.a.O., GewArch 2011, 467). Die Höhe des insgesamt für 2009 vom Kläger erhobenen Beitrags (575,60 €) ist auch unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden. Dabei vermag der Kläger der Beklagten nicht entgegenzuhalten, sie erbringe keine adäquate Gegenleistung für die Beiträge. Denn die Beitragspflicht besteht unabhängig von einer konkreten Gegenleistung der IHK und unabhängig davon, ob der Kläger den gebotenen Service als für ihn nützlich wahrnimmt (vgl. Jahn, a.a.O., GewArch 2008, 187). Denn der beitragsrechtliche Vorteil braucht nur abstrakt und mittelbar zu sein, so dass der allgemeine Nutzen genügt, der sich für die Mitglieder der Kammer aus der Wahrung der Kammeraufgaben durch die IHK ergibt, und nicht in einem Missverhältnis zum Vorteil der Kammerzugehörigkeit steht (vgl. Jahn, a.a.O. GewArch 2012, 10).

19

Gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19.10.2011 spricht auch nicht, dass in ihm der Kläger auf einen weiteren offenen Betrag von 136,76 € „aus anderen Beitragsjahren“ hingewiesen wurde. Hierin liegt lediglich eine wiederholende Verfügung und keine neue Regelung, die der Anfechtung unterläge (vgl. Jahn, a.a.O., GewArch 2008, 190).

20

Soweit der Kläger die Legitimation der Vollversammlung der Beklagten in Frage stellt, vermittelt ihm dies kein Beitragsverweigerungsrecht (vgl. Kluth, Handbuch des Kammerrechts, Abschn. K. Kammerfinanzierung, Rn. 173). Die Wahlen zur Vollversammlung der Beklagten richten sich nach deren Wahlordnung v. 17.4.2008. Gemäß § 16 der Wahlordnung findet eine Wahlprüfung statt, jedoch müssen Einsprüche gegen die Feststellung des Wahlergebnisses innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntgabe schriftlich beim Wahlausschuss eingegangen sein. Der Kläger, der selbst zur Wahl kandidiert hat (Der Markt in Mitteldeutschland, Heft Oktober 2008, S. 14), dürfte mit dieser Vorgehensweise vertraut sein. Allein die bloße Behauptung des Klägers, die Beitragsordnung und Wirtschaftssatzung der Beklagten seien mangels Legitimation nicht ordnungsgemäß zustandegekommen, löst noch keine Amtsermittlungspflicht des Gerichts aus. Das schlichte Bestreiten des Klägers bezüglich des ordnungsgemäßen Zustandekommens der Beitragsordnung und der Wirtschaftssatzung genügt insoweit nicht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 4.4.2012 - 1 M 29/12 -, OZ 20, zit. nach juris). Die entsprechenden unsubstantiierten Ausführungen des Klägers beruhen nach seinen eigenen Angaben im Wesentlichen auf Spekulationen oder allgemein zugänglichen Informationen über Missstände in anderen Kammern. Einen Grundsatz, dass aufgrund von Vorkommnissen, die bei anderen Kammern Anlass zu Beanstandungen gegeben haben, es auch bei der Beklagten nicht mit rechten Dingen zugeht, gibt es jedoch nicht. Auch soweit der Kläger der Beklagten die Gesamtinteressenvertretung i.S.v. § 1 Abs. 1 IHKG abspricht, lässt dies seine Beitragszahlungspflicht unberührt (vgl. Jahn, a.a.O., GewArch 2012, 10).

21

Dem Vortrag des Klägers, die Beklagte dürfe keine Beiträge erheben, weil ihre Kosten durch ihre hohen Rücklagen i.S.v. § 3 Abs. 2 IHKG gedeckt seien, folgt das Gericht nicht. Anerkannt ist, dass eine IHK zur Bildung von Rücklagen nicht nur berechtigt, sondern im Interesse einer geordneten Haushaltsführung auch verpflichtet ist (vgl. Jahn, Zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern - Ein Rechtsprechungsreport 2005 bis 2007 -, GewArch 2008, 187; ders., Zur Entwicklung des Beitragsrechts der Industrie- und Handelskammern - Ein Rechtsprechungsreport 2008 bis 2011, GewArch 2012, 9; Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, Kommentar, 7. Aufl., § 3 Rn. 25). Anders als im Fall des BVerwG (Urt. v. 26.6.1990, NVwZ 1990, 1167, 1168) hat die Beklagte mit dem abgerechneten Beitrag 2009 keine Rücklagen gebildet. Das BVerwG hat in diesem Urteil im Übrigen darauf hingewiesen, dass die Bildung einer angemessenen Rücklage keine unzulässige Vermögensbildung darstellt, sondern zu einer geordneten Haushaltsführung gehört und die Mittel dafür ebenfalls zu den Kosten der IHK i.S.v. § 3 Abs. 2 IHKG gehören. Das BVerwG (Urt. v. 26.6.1990, a.a.O.) hat des weiteren Rücklagen in Höhe von 15 % des Gesamthaushalts der IHK nicht als unangemessen hoch angesehen. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zunächst festzustellen, dass Vorschriften über die Rücklagenbildung allein im Finanzstatut der Beklagten v. 22.9.2005 (Bl. 69-76 der Gerichtsakte) enthalten sind.

22

Während hinsichtlich des Jahresabschlusses 2007 die Vollversammlung noch beschlossen hatte, die zwei Pflichtrücklagen um 225.000,- € zu erhöhen (Der Markt in Mitteldeutschland, Heft Oktober 2008, S. 16), sah der Erfolgsplan 2009 „Entnahmen aus Rücklagen: 0“ und „Einstellungen in Rücklagen 0“ (Der Markt in Mitteldeutschland, Heft Dezember 2008, S. 8) vor. Der Wirtschaftsplan der Beklagten (Der Markt in Mitteldeutschland, Heft Dezember 2008, S. 7) veranschlagte bezüglich der Differenz aus der Summe der Aufwendungen (10.397.200,- €) und der Summe der Erträge im Erfolgsplan (9.463.900,- €) einen Saldo der Rücklagenveränderung (§ 7 Abs. 2 Finanzstut) und dem Ergebnisvortrag aus dem Vorjahr in Höhe von 933.300,- €. Damit ist belegt, dass das erwartete Ertragsdefizit zur Vermeidung von Krediten und in Umsetzung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 6 des Finanzstatuts) durch Rückgriff auf Rücklagen kompensiert werden konnte, weil in „guten“ Jahren, wie der Kläger selbst vorträgt, entsprechende Rücklagen aufgebaut werden konnten. Hierbei berücksichtigt das Gericht insbesondere, dass die seit Herbst 2008 ausgebrochene und 2009 grassierende internationale Wirtschaftskrise sich auch ersichtlich auf die Wirtschaftsführung der Beklagten ausgewirkt hat. So ist das Beitragsaufkommen von 2008 auf 2009 zwar noch von 7.278.000,- € auf 7.882.000,- € gestiegen, aber bis 2011 auf 6.981.000,- € gefallen, während der Aufwand von 9.809.000,- € über 9.928.000,- € auf 10.656.000,- € konstant gewachsen ist (Erfolgsrechnungen der Beklagten zum 31.12.2009/2011). Schon bei Betrachtung der vom zuständigen Finanzamt der Beklagten mitgeteilten Gewerbeerträge des Klägers (2008: 25.600,- €, vgl. Urt. v. 7.2.2013 - 3 A 181/11 MD -; 2009: 112.000,- €), wird deutlich, welche Schwankungen an Beitragseinnahmen sich für die Beklagte ergeben können. Zum Ausgleich derartiger Schwankungen dient die Ausgleichsrücklage, die als Pflichtrücklage gem. § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts zu bilden ist. Deren Höhe von 4.694.500,- € (Bilanz der Beklagten zum 31.12.2009) liegt innerhalb der nach § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts zulässigen Höhe von 30-50 % der Betriebsaufwendungen (< 4.964.000,- €, 50 % von 9.928.000,- €).

23

Des weiteren erlaubt § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts die Bildung „anderer Rücklagen“. Deren Bestandteil ist eine Liquiditätsrücklage, die in Höhe von höchstens 50 % der Summe der Betriebsaufwendungen gebildet werden kann (zur Zulässigkeit vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 3 Rn. 25) und die der Aufrechterhaltung einer ordentlichen Kassenwirtschaft ohne Inanspruchnahme von Krediten dient (§ 15 Abs. 3 S. 3 und 4 des Finanzstatuts). Von den „anderen Rücklagen“ der Beklagten im Jahr 2009 in Höhe von 11.222.800,- € (Bilanz zum 31.12.2009) sind daher nochmals bis zu 4.964.000,- € als Liquiditätsrücklage zulässig. Die verbleibenden weiteren Rücklagen der Beklagten 2009 in Höhe von 6.258.800,- € sieht das Gericht nicht als unzulässige Vermögensbildung an. Auszugehen ist zunächst davon, dass über § 15 Abs. 3 des Finanzstatuts hinaus keine weiteren Vorschriften für die Beklagte bezüglich „anderer Rücklagen“ bestehen. Es existiert insbesondere, anders als bei der Handwerkskammer A-Stadt, hinsichtlich derer die Rücklagenwirtschaft aufgrund der danach zu beachtenden Beschlusslage durch das OVG Sachsen-Anhalt (Urt. v. 20.9.2012 - 1 L 107/11 - u.a.) anders bewertet wurde, keine als autonome Satzung ausgefertigte Rücklagenordnung. Eine Rücklagenordnung war auch von der Beklagten nicht zwingend zu erlassen (vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 4 Rn. 31). Es verbleibt daher nur als Maßstab zur Beurteilung der Rücklagenhöhe, ob die Rücklagen schlechterdings nicht mehr vereinbar sind mit den Grundsätzen einer vernünftigen Wirtschaftsführung (vgl. Loertzer, a.a.O., GewArch 2013, 22, 25). Dies vermag das Gericht hingegen im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Mit Blick darauf, ob die Kosten der Kammer anderweitig gedeckt sind (§ 3 Abs. 2 IHKG), bezieht sich die anderweitige Deckung zunächst auf Erträge (vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 3 Rn. 24). Damit dürfen die Kammern nur ein solches Beitragsvolumen in ihren Wirtschaftsplänen veranschlagen, welches sich mit der Summe der geplanten Aufwendungen deckt, da beim Anstreben eines Überschusses der Beitragserträge über die erforderlichen Aufwendungen eine unzulässige Vermögensbildung vorliegt (vgl. Loertzer, a.a.O., GewArch 2013, 22, 25). Hier liegt eine derartige unzulässige Vermögensbildung bei geplanten 6.800.000,- € Erträgen aus Beiträgen (Erfolgsplan 2009) und einem geplanten Betriebsaufwand von 10.366.800,- € sowie einer sonstigen Rücklage von 6.258.800,- € (< 25 % des Gesamthaushalts 2009 von 26.498.765,92 €) nicht vor.

24

Der Antrag des Klägers auf Auskunftserteilung bezüglich Details der Rücklagen (Herkunft, Zusammensetzung, beabsichtigte Verwendung) ist abzulehnen. Nach § 10 der Satzung der Beklagten vom 12.4.1990 i.d.F. vom 17.4.2008 obliegt die Geschäftsführung der IHK dem Hauptgeschäftsführer. Er bereitet im Einvernehmen mit dem Präsidium den Wirtschaftsplan vor. Der Präsident und der Hauptgeschäftsführer überwachen die Einhaltung des von der Vollversammlung festgestellten Wirtschaftsplanes (§§ 7, 15 Abs. 2 der Satzung). Die Buchführung erfolgt nach den Regeln der kaufmännischen doppelten Buchführung (§ 13 Finanzstatut, §§ 238 ff. HGB). Der Wirtschaftsplan unterliegt der Prüfung durch gewählte Rechnungsprüfer (§ 15 Abs. 3, 4 der Satzung). Das Wirtschaftsministerium als Aufsichtsbehörde bestimmt durch Rechtsverordnung die Rechnungsprüfungsstelle (§§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 2 AGIHKG LSA; vgl. zum System der IHK-Rechnungsprüfung Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, Kommentar, 7. Aufl., § 3 Rn. 16 ff., § 4 Rn. 30 m.w.N.). Eine rechtliche Grundlage für das Begehren des Klägers ist daher im Gesetz und im Satzungsrecht der Beklagten nicht ersichtlich. Rechnungslegungsbestimmungen und Informationsrechte aus Satzungen anderer juristischer Personen, insbesondere des privaten Rechts, wie die vom Kläger zum Vergleich herangezogenen eingetragenen Vereine (Gesangvereine, Kegelclubs) sind insoweit nicht einschlägig. Das einzelne Kammermitglied hat im Beitragsrechtsstreit keinen Anspruch auf Vorlage einer Kostenkalkulation, die der Beitragserhebung zugrundeliegt, oder dass ihm die IHK in einer bestimmten Art und Weise über ihr Geschäftsgebaren Auskunft erteilt (vgl. Jahn, a.a.O., GewArch 2008, 193; GewArch 2012, 11; Grütters, Informationsfreiheit – auch gegenüber Industrie- und Handelskammern?, GewArch 2002, 270). Das Kammermitglied hat kein eigenständiges Einsichts- und Informationsrecht, weil diese Rechte nur der Vollversammlung als Gesamtorgan zustehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.3.2004. GewArch 2004, 331). Es gibt auch keinen allgemeinen umfassenden Kontrollanspruch des Kammermitglieds zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Kammerhandelns. Welche Rechnungsweisen und Pläne sich hinter den im Wirtschaftsplan und der Bilanz veröffentlichten Zahlen im Einzelnen verbergen, lässt sich daher bei der öffentlich-rechtlichen Körperschaft einer IHK ebenso wie bei einem Unternehmen nicht mit den vom Kläger gewünschten Details ergründen. Zwar ist der Internetseite der Beklagten und auch derjenigen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages das Bemühen um eine sog. Transparenzoffensive (www.ihk-transparent.de) zu entnehmen. Beispielsweise ist dort die durchschnittliche Wahlbeteiligung an Vollversammlungswahlen der Industrie- und Handelskammern veröffentlicht. Es obliegt jedoch der Geschäftspolitik der Kammer, insoweit einen Ausgleich zu finden zwischen dem bekundeten Offenlegungsinteresse der Kammermitglieder und schützenswerten Datenbeständen andererseits. Ebenso wie bei der vom Kläger aufgeworfenen Frage nach den Wahlstimmen, die auf unterlegene Wahlbewerber bei der Vollversammlungswahl der Beklagten entfallen sind, und die genaue Wahlbeteiligung im Bereich der Beklagten, steht es der jeweiligen IHK frei, zur Erhöhung ihrer Akzeptanz bei den Mitgliedern eine eigenständige Transparenzoffensive durchzuführen. Dies ist jedoch eine Frage der Verbands- bzw. Unternehmenskultur und nicht eine justiziable Frage des Beitragsrechts, so dass sich Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Beitragsfestsetzung aus dem Vortrag des Klägers nicht herleiten lassen.

25

Nach alldem ist die Klage abzuweisen.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

27

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.