Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 18. Apr. 2013 - 5 U 416/11 - 58

bei uns veröffentlicht am18.04.2013

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 21.9.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az.: 12 O 197/10, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird, soweit Versicherungsleistungen für die Zeit ab dem 22.3.2012 bis zum 15.1.2016 verlangt werden.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 34.965 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus zwei „Restschuld-Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherungen“ in Anspruch.

Diese Versicherungsverträge hatte der Kläger im Zusammenhang mit der Finanzierung zweier Fahrzeugkäufe in den Jahren 2004 und 2007 abgeschlossen. Die Darlehensverträge bei der S. Bank vom 28.4.2004 – mit einer Laufzeit bis zum 15.5.2011 - (Bl. 9 ff. d.A.) und vom 27.12.2007 – mit einer Laufzeit bis zum 15.1.2016 - (Bl. 14 ff. d.A.) sahen formularmäßig die Möglichkeit des Abschlusses von Restschuldversicherungen vor, darunter auch Restkreditlebensversicherungen mit „Restschuld-Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherungen“ bei der Beklagten, von der der Kläger Gebrauch machte.

In dem Darlehensvertrag vom 28.4.2004 heißt es: „Bei Arbeitsunfähigkeit zahlt die Restkredit-Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung eine Arbeitsunfähigkeitsrente gemäß den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen“; den Erhalt der Versicherungsbedingungen bestätigten der Kläger und seine Ehefrau unmittelbar über der Unterschriftsleiste. In dem Darlehensvertrag vom 27.12.2007 ist formuliert: „Bei Arbeitsunfähigkeit zahlt die Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung die mit dem Darlehensgeber vereinbarten monatlichen Darlehensraten i.H.v. max. 1.600 EUR gemäß den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen“; die Bestätigung des Erhalts der Bedingungen erfolgte hier in einer gesondert unterschriebenen Sparte am Ende des Vertragsformulars.

Gemäß § 1 der „Allgemeinen Bedingungen für die Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung“ (Bl. 24 d.A.) verspricht die Beklagte Zahlung einer monatlichen Arbeitsunfähigkeitsrente, wenn die versicherte Person während der Versicherungsdauer arbeitsunfähig wird. Nach § 1 Abs. 2 der Bedingungen liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn die versicherte Person infolge Gesundheitsstörungen, die ärztlich nachzuweisen sind, außerstande ist, ihre bisherigen oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.

In § 5 „Umfang des Versicherungsschutzes; Karenzzeit“ ist geregelt:

„(1) Ein Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente entsteht nach Ablauf von 42 Tagen nach Eintritt des die Arbeitsunfähigkeit begründenden Zustands.
(2)…
(3)…
(4) Der Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente erlischt, wenn

a) die Arbeitsunfähigkeit endet;
b) die versicherte Person stirbt;
c) die versicherte Person unbefristet berufs- oder erwerbsunfähig wird
d) …“

Unter dem Stichwort „Bezugsrecht“ heißt es in beiden Darlehensverträgen: “Aus den Versicherungen sollen alle Leistungen unwiderruflich an die Bank erbracht werden“. Gemäß § 12 „Empfänger der Versicherungsleistung“ werden die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag „an den Darlehensgeber zu Gunsten des Finanzierungskontos erbracht (unwiderrufliches Bezugsrecht)“.

Nachdem der Kläger im Mai 2009 erkrankt war, erbrachte die Beklagte bis einschließlich März 2010 Leistungen aus beiden Versicherungsverträgen. Weitere Leistungen verweigerte sie auf der Grundlage ihr vorliegender ärztlicher Unterlagen unter Hinweis auf die Feststellung einer „Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit“ des Klägers (Bl. 13, 19 d.A.).

Der Kläger bezeichnet sich selbst aufgrund einer am 12.6.2009 diagnostizierten dilatativen Kardiomyopathie als „dauerhaft berufs- und erwerbsunfähig“. Die Parteien streiten über Einbeziehung und Wirksamkeit der Klausel des § 5 Abs. 4c) der Bedingungen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die streitige Bestimmung benachteilige ihn unangemessen; mit Blick auf die Übernahme eines begrenzten Risikos sei die Beschränkung des Versicherungsschutzes nicht durch berechtigte Interessen des Versicherers gerechtfertigt. Der Wirksamkeit der Klausel stehe ferner entgegen, dass die Abgrenzung von Arbeits- und Berufsunfähigkeit dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erhebliche Probleme bereite. Im Übrigen seien ihm die Versicherungsbedingungen im Rahmen des Vertragsschlusses nicht ausgehändigt worden, weswegen sie nicht Vertragsbestandteil geworden seien.

Der Kläger hat beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von seinen Verpflichtungen aus dem abgeschlossenen Darlehensvertrag zu der Finanzierungsnummer 148...460 gegenüber der S. Bank AG, Mö., für den Leistungszeitraum vom 16.3.2010 bis zum 15.1.2016 gemäß der Versicherung mit der Versicherungsnummer GR .../...-...-...110 freizustellen.

2) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von seinen Verpflichtungen aus dem mit der S. Bank AG, Mö., abgeschlossenen Darlehensvertrag mit der Finanzierungsnummer 148...110 und der Versicherungsnummer der Beklagte GR .../...-...-...300 für den Zeitraum vom 15.3.2010 bis zum 15.5.2011 freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Klage bereits für unzulässig erachtet. Hinsichtlich der rückständigen Leistungen gelte der Vorrang der Leistungsklage; im Übrigen fehle es an den Voraussetzungen, unter denen die Zivilprozessordnung eine Klage auf künftige Leistungen zulasse.

Das Landgericht hat die Klage mit am 21.9.2011 verkündetem Urteil – 12 O 197/10 – abgewiesen, weil der Kläger unstreitig seit Mai 2009 dauerhaft berufsunfähig und eine Leistungspflicht der Beklagten gemäß der wirksamen Klausel des § 5 Abs. 4c) der Bedingungen deshalb ausgeschlossen sei.

Der Kläger hat hiergegen unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens Berufung eingelegt. Aus der Definition des Leistungsversprechens in den Darlehensverträgen – „Bei Arbeitsunfähigkeit zahlt die Restkredit-Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung eine Arbeitsunfähigkeitsrente gemäß den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen“ – folge die Zusage, dass im Falle der Arbeitsunfähigkeit der restliche Kreditrahmen durch eben diese Versicherung abgesichert sei. Die Klausel des § 5 Abs. 4c) der Bedingungen sei deshalb auch überraschend, was umso mehr gelte, als auch die Definition der Arbeitsunfähigkeit in § 1 Abs. 2 der Bedingungen keine zeitliche Einschränkung vorsehe. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit stelle sich danach als Oberbegriff dar, der die Begriffe der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit einschließe. Die streitige Klausel sei daher nicht einschlägig. Im Übrigen benachteilige den Kläger unangemessen, dass die Beklagte einerseits nicht sofort bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sondern erst nach Karenzzeit - § 5 Abs. 1 der Bedingungen - haften, andererseits aber bei bestehender Berufsunfähigkeit wiederum nicht haften wolle.

Der Kläger beantragt,

1) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von seinen Verpflichtungen aus dem abgeschlossenen Darlehensvertrag zu der Finanzierungsnummer 148...460 gegenüber der S. Bank AG, Mö., für den Leistungszeitraum vom 16.3.2010 bis zum 15.1.2016 gemäß der Versicherung mit der Versicherungsnummer GR .../...-...-...110 freizustellen.

2) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von seinen Verpflichtungen aus dem mit der S. Bank AG, Mö., abgeschlossenen Darlehensvertrag mit der Finanzierungsnummer 148...110 und der Versicherungsnummer der Beklagte GR .../...-...-...300 für den Zeitraum vom 15.3.2010 bis zum 15.5.2011 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass Arbeitsunfähigkeit als vorübergehender Zustand und Berufsunfähigkeit als dauerhafter Zustand auch nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens zu unterscheiden seien. Im Übrigen bleibe es dabei, dass die Klage in zulässiger Weise nur auf Zahlung gerichtet werden könne, die nach der einschlägigen Vereinbarung in den Darlehensverträgen an die S. Bank zu erfolgen habe.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

1.

Die Klage ist nur teilweise - hinsichtlich der „rückständigen“, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 21.3.2012 entstandenen Ansprüche auf Arbeitsunfähigkeitsrente – in zulässiger Weise erhoben. Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 1) nicht nur „rückständige“, sondern auch künftige Leistungen in Bezug auf den im Januar 2016 endenden Darlehensvertrag vom 27.12.2007 begehrt, ist die Klage indes bereits unzulässig. Unter wiederkehrenden Leistungen i.S.d. § 258 ZPO, bei denen auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden kann, sind nur solche einseitigen Verpflichtungen zu verstehen, die sich in ihrer Gesamtheit als Folge ein und desselben Rechtsverhältnisses ergeben, so dass die einzelne Leistung nur noch vom Zeitablauf abhängig ist, ohne dass aber der Umfang der Schuld von vornherein feststeht (vgl. BGH, Urt. v. 10.7.1986 – IX ZR 138/85 - NJW 1986, 3142: z.B. Ansprüche auf Ruhegehalt, Renten). Hieran fehlt es im Streitfall, weil das Bestehen von Ansprüchen auf Arbeitsunfähigkeitsrente vom Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit abhängig ist, welcher ungewiss ist (vgl. OLG Koblenz, VersR 2009, 104; OLG Stuttgart, VersR 2008, 1343). Für die Berufsunfähigkeitsrente nimmt die Rechtsprechung deshalb Anderes an, weil der Versicherer sich von seiner einmal anerkannten oder festgestellten Leistungspflicht nur unter bestimmten Voraussetzungen – im Wege des Nachprüfungsverfahrens – wieder lösen kann, deren Eintritt bei der Entscheidung über den zur Entstehung gelangten Anspruch auf künftige (wiederkehrende) Leistungen noch offen ist (vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1987 – IVa ZR 56/86 – VersR 1987, 808).

Hinsichtlich der in zulässiger Weise geltend gemachten „rückständigen“ Arbeitsunfähigkeitsrenten bleibt der Kläger als Vertragspartner der Beklagten trotz der Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts der S. Bank - gemäß § 12 der Bedingungen und den Vereinbarungen des Darlehensvertrages – zur klageweisen Geltendmachung der Versicherungsleistungen befugt, kann jedoch nur Zahlung an die Bezugsberechtigte fordern, § 335 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 14.7.1993 – IV ZR 153/92 – VersR 1993, 1089); dies gilt auch insoweit, als der Kläger die entsprechenden Darlehensraten möglicherweise bereits an die Beklagte erbracht hat. Dem trägt der auf Freistellung gerichtete Antrag des Klägers – zumindest nach Auslegung – Rechnung.

2.

Ansprüche des Klägers auf Leistungen aus den bei der Beklagten abgeschlossenen Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherungen bestehen nicht. Weil der Kläger sich selbst darauf beruft, aufgrund einer Herzerkrankung „dauerhaft berufs- und erwerbsunfähig“ zu sein, wäre ein Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente gemäß § 5 Abs. 4c) der Bedingungen der Beklagten erloschen.

a)

Gemäß § 5a VVG a.F., der nach Art. 1 Abs. 1, 2 EGVVG für das vorliegende Verfahren weiter Anwendung findet, steht dem nicht die Behauptung des Klägers entgegen, die Versicherungsbedingungen seien ihm bei Vertragsschluss nicht ausgehändigt worden.

Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben, so gilt der Vertrag nach der vorgenannten Bestimmung des § 5a VVG a.F. auf der Grundlage des Versicherungsscheins und der Versicherungsbedingungen als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widerspricht (§ 5a Abs. 1 VVG a.F.). Nach zutreffender Ansicht richtet sich der Inhalt des Vertrages aber auch dann nach den – bei Antragstellung geltenden – Versicherungsbedingungen, wenn der Versicherungsnehmer sein Widerspruchsrecht gemäß 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie verloren hat. Dies beruht auf der Erwägung, dass dann davon ausgegangen werden kann, dass der Versicherungsnehmer die Bedingungen des Versicherers in Kauf nehmen will, welchen Inhalt auch immer sie haben; dass der Versicherer den Vertrag nur mit seinen Bedingungen zustande kommen lassen will, ist dem Versicherungsnehmer in der Regel – so auch im Streitfall – aus den im Antragsformular enthaltenen Hinweisen auf die Bedingungen bekannt (vgl. OLG Koblenz, VersR 2003, 851; OLG Köln, VersR 2003, 101; Römer in Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., § 5a Rdn. 46; Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 5a, Rdn. 57 jew. m.w.N.).

b)

Der Kläger bezeichnet sich selbst als „dauerhaft berufs- oder erwerbsunfähig“; die entsprechende Feststellung der Beklagten, welche diese auf der Grundlage ihr vorliegender ärztlicher Unterlagen für den Zeitraum ab März 2010 getroffen hat, greift er nicht an. Entgegen der Ansicht des Klägers, ist die streitige Bestimmung nach ihrem eindeutigen Wortlaut – „unbefristet berufs- oder erwerbsunfähig“ – einschlägig.

Nach den Bedingungen folgt aus dem Eintritt dauerhafter Berufsunfähigkeit unmittelbar das Erlöschen der Leistungspflicht der Beklagten. Aus §§ 177 Abs. 1, 174 Abs. 1 VVG n.F., welche die Leistungsfreiheit des Versicherers auch im Versicherungsfall der dauerhaften Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit an die weitere Voraussetzung einer Darlegung der die Leistungsfreiheit begründenden Veränderungen in Textform knüpfen, folgt nichts Anderes, weil diese Bestimmungen auf bis zum 31.12.2007 geschlossene Altverträge nicht anwendbar sind, Art. 4 EGVVG (vgl. Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl., § 172 Rdn. 2).

c)

Die streitige Klausel des § 5 Abs. 4c) der Bedingungen wurde auch wirksam in den Versicherungsvertrag einbezogen, § 305c Abs. 1 BGB (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 305c Rdn. 1 f.: als sogenannte negative Einbeziehungsvoraussetzung) und benachteiligt den Kläger nicht unangemessen.

Die Wirksamkeit solcher den Leistungsumfang einschränkender Klauseln entspricht mittlerweile ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2011, 972; OLG Dresden, VersR 2010, 760; zur Zulässigkeit des Ausschlusses psychischer Erkrankungen: OLG Stuttgart, VersR 2008, 1343; OLG Köln, VersR 2011, 201; OLG Karlsruhe, VersR 2008, 524). Der Bundesgerichtshof hat eine entsprechende Klausel – Beendigung des Versicherungsvertrages bei Eintritt der Berufsunfähigkeit – im Bereich der Krankentagegeldversicherung ausdrücklich gebilligt (vgl. BGH, Urt. v. 2.10.1980 – IVa ZR 14/80 – VersR 1980, 1163; Urt. v. 25.1.1989 – IVa ZR 178/87 – VersR 1989, 392); dem hat der Senat sich angeschlossen (vgl. Urt. v. 28.11.1990 – 5 U 29/90 – VersR 1991, 650). Die konkreten Umstände des Streitfalls rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

aa)

Bei § 5 Abs. 4 der Bedingungen handelt es sich nicht um eine überraschende Klausel, mit der ein verständiger Versicherungsnehmer nicht zu rechnen brauchte (§ 305c Abs. 1 BGB). Sie wird auch den Anforderungen an das Transparenzgebot gerecht, welches dem Versicherer gebietet, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und verständlich darzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – BGHZ 165, 12; Urt. v. 23.3.1988 – VIII ZR 58/87 – BGHZ 104, 82).

(1) Dem Versicherungsnehmer wird schon in den Darlehensverträgen – gerade durch die vom Kläger zitierte Definition des Leistungsversprechens: „Bei Arbeitsunfähigkeit zahlt die Restkredit-Arbeitsunfähigkeits-Zusatzversicherung eine Arbeitsunfähigkeitsrente gemäß den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen“ - verdeutlicht, dass Voraussetzungen und Umfang der Versicherungsleistungen im Bedingungswerk des Versicherers konkretisiert werden. Schon deshalb kann er aus der zitierten Formulierung keineswegs folgern, dass hiermit im Falle krankheitsbedingter Unfähigkeit ein Einkommen zu erzielen einschränkungslos die vollständige Rückzahlung des (restlichen) Darlehensbetrages zugesagt werden sollte.

Der Versicherungsnehmer kann auch nicht allein aus dem Umstand auf eine zeitlich unbeschränkte Leistungspflicht der Beklagten für die gesamte Versicherungsdauer schließen, dass in der den „Gegenstand der Versicherung“ regelnden Bestimmung des § 1 der Bedingungen ein gegenteiliger Hinweis fehlt, die Definition des Versicherungsfalls Arbeitsunfähigkeit in deren Absatz 2 insbesondere nicht verdeutlicht, dass hierunter nur ein vorübergehender Zustand zu verstehen sein solle, sondern durch die Aufnahme der Möglichkeit eines Verweises auf eine andere Tätigkeit vielmehr den gegenteiligen Eindruck erwecken kann.

Der verständige Versicherungsnehmer erkennt vielmehr, dass die Bedingungen weitere Regelungen zu Inhalt und Umfang der Leistungspflicht des Versicherers enthalten, darunter die streitige Bestimmung des § 5, worauf er durch deren Überschrift „Umfang des Versicherungsschutzes; Karenzzeit“ aufmerksam gemacht wird. Dass dort neben dem Enden der Arbeitsunfähigkeit und dem Tod der versicherten Person auch der Eintritt unbefristeter Berufs- oder Erwerbsfähigkeit als Grund für das Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitsunfähigkeitsrente aufgeführt wird, kann unter diesen Umständen weder mit Blick auf den Inhalt der Bestimmung noch mit Blick auf deren Stellung in den Bedingungen (vgl. BGH, Urt. v. 6.12.1995 – IV ZR 363/94 – VersR 1996, 322) als Überrumpelung oder Übertölpelung des Versicherungsnehmers (vgl. BGH, Urt. v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81 – BGHZ 84, 109) angesehen werden.

(2) Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, die streitige Bestimmung sei mehrdeutig und intransparent und benachteilige ihn deshalb unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Allerdings wendet er sich zu Recht gegen die Feststellung des Landgerichts, jedem Arbeitnehmer sei klar, dass der Begriff der Arbeitsunfähigkeit gerade keinen Zustand dauerhafter Unfähigkeit zur Verrichtung einer Erwerbstätigkeit beschreibe, sich also von dem Zustand der Erwerbsunfähigkeit oder der Berufsunfähigkeit unterscheide. Abgesehen davon, dass es einen allgemeinen Begriff der Arbeitsunfähigkeit und der Berufsunfähigkeit nicht gibt und das Verständnis deshalb von der jeweiligen gesetzlichen oder (versicherungs-) vertraglichen Definition abhängt (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.1989 – IVa ZR 178/87 – VersR 1989, 392), spricht vielmehr Einiges für die Annahme des Klägers, der durchschnittliche Versicherungsnehmer verstehe den Begriff der Arbeitsunfähigkeit in einem umfassenden Sinne, der die Unfähigkeit, (lediglich) den gewählten Beruf nicht mehr ausüben zu können, mit einschließe.

Dennoch ist den Anforderungen an das Transparenzgebot genüge getan, nach welchem der Versicherer die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren so klar und präzise wie möglich umschreiben soll (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05 – BGHZ 165, 12). Die streitige Regelung ist eindeutig: Wird die versicherte Person unbefristet berufs- oder erwerbsunfähig, so endet die Leistungspflicht der Beklagten.

bb)

Die Klausel beinhaltet auch in anderer Hinsicht keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers. Der Senat vermag eine solche insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt vertragszweckgefährdender Einschränkungen vertraglicher Rechte des Versicherungsnehmers (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) zu erkennen.

Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte (lediglich) für den Zeitraum nach Ablauf der in § 5 Abs. 1 der Bedingungen vorgesehenen Karenzzeit von 42 Tagen nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bis zum eventuellen Eintritt unbefristeter Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit einstehen will. Denn nicht jede Leistungsbegrenzung bedeutet schon eine Vertragszweckgefährdung, sondern ist grundsätzlich Ausdruck der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers, solange dieser mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer nicht falsche Vorstellungen weckt. Eine Vertragszweckgefährdung ist deshalb erst dann anzunehmen, wenn die Leistungsbegrenzung den Vertrag so weit aushöhlt, dass er in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2004 – IV ZR 130/03 – VersR 2004, 1039). Hiervon kann indes nicht die Rede sein.

Die Bestimmung des § 5 Abs. 1 der Bedingungen, deren Wirksamkeit als solche der Kläger nicht in Zweifel zieht, trägt erkennbar dem Umstand Rechnung, dass ein Arbeitnehmer im Krankheitsfall für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber hat (§ 3 EntgFG), und deshalb des Versicherungsschutzes nicht bedarf (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2011, 972: Arbeitsunfähigkeitsversicherung als Ergänzung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle). Auch dass der Versicherer den Versicherungsschutz aus der Arbeitsunfähigkeitszusicherung dort enden lässt, wo bekanntermaßen die Möglichkeit anderweitigen Versicherungsschutzes durch Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung oder aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche besteht, ist unter Berücksichtigung der Interessenlage der Parteien des Versicherungsvertrages sachgerecht und trägt dem Wegfall des versicherten Risikos - dem Verdienstausfall - Rechnung. Denn derjenige, der dauerhaft berufs- oder erwerbsunfähig geworden ist, hat typischerweise keinen Arbeitsverdienst mehr, dessen Verlust durch eine Arbeitsunfähigkeitsrente ausgeglichen werden könnte.

Deckt der Versicherungsschutz mithin lediglich den Zeitraum ab, in dem der Kläger (noch) nicht berufsunfähig gewesen ist, so enthält die streitige Bestimmung des § 5 Abs. 4 der Bedingungen auch keine Unklarheit über das Ende des Versicherungsschutzes, die zu einer Auslegung zu Lasten der Beklagten und zu einer Erweiterung deren Leistungspflicht führen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 2.10.2980 – IVa ZR 14/80 – VersR 1980, 1163 zur Beendigung des Versicherungsvertrages über Krankentagegeld bei Eintritt der Berufsunfähigkeit). Von einer unbefristeten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist nach allgemeinem Sprachgebrauch auszugehen, wenn eine Beendigung der Beeinträchtigung nicht absehbar ist. Dies fällt nicht notwendigerweise nahtlos mit dem tatsächlichen Bezug einer privaten Berufsunfähigkeitsrente oder entsprechender sozialversicherungsrechtlicher Leistungen zusammen. Dem berechtigten Interesse des Versicherungsnehmers, auch für eine Übergangszeit Versicherungsleistungen zu erhalten, um seine Lebensverhältnisse – insbesondere durch Beantragung und Prüfung entsprechender Leistungen anderer Leistungsträger – auf die geänderten Umstände einzustellen, trägt die in §§ 177 Abs. 1, 174 Abs. 2 VVG n.F. vorgesehene dreimonatige Fortdauer der Leistungspflicht Rechnung, welche im Streitfall indes nicht anwendbar ist, Art. 4 EGVVG.

Davon, dass kein nennenswerter Versicherungsschutz gegen das Risiko eines Verdienstausfalls verbliebe, kann nicht die Rede sein. Der Umstand, dass die Beklagte aufgrund der seit Mai 2009 bestehenden Erkrankung bis einschließlich März 2010 Versicherungsleistungen erbracht hat, belegt vielmehr das Gegenteil.

3.

Dass bei Abschluss der Versicherungsverträge in einer der Beklagten zuzurechnenden Weise der (unrichtige) Eindruck erweckt worden wäre, es bestehe in einem weitergehenden Umfang Versicherungsschutz, was Ansprüche aus culpa in contrahendo begründen könnte, hat der Kläger nicht behauptet.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ZPO ist nicht anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, nicht für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass zwar die Revision nicht zugelassen ist, jedoch gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO die Nichtzulassungsbeschwerde nicht für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer des Klägers im Berufungsverfahren mehr als 20.000 EUR beträgt.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Juni 2004 - IV ZR 130/03

bei uns veröffentlicht am 23.06.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 130/03 Verkündet am: 23. Juni 2004 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja _____________________ AGBG §§ 5, 9 C

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Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.

Der Versprechensempfänger kann, sofern nicht ein anderer Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist, die Leistung an den Dritten auch dann fordern, wenn diesem das Recht auf die Leistung zusteht.

(1) Die §§ 173 bis 176 sind auf alle Versicherungsverträge, bei denen der Versicherer für eine dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Leistung verspricht, entsprechend anzuwenden.

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(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
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IV ZR 130/03 Verkündet am:
23. Juni 2004
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
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Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
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Der Leistungsausschluß in § 2 IV AUB 94 für krankhafte Störungen infolge psychischer
Reaktionen ist nicht unklar (§ 5 AGBG, § 305c Abs. 2 BGB); er hält einer
Inhaltskontrolle stand (§ 9 AGBG, § 307 BGB).
BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 - IV ZR 130/03 - Saarländisches OLG
LG Saarbrücken
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juni 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 16. April 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Unfallvers icherung, der unter anderem die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB 94) der Beklagten zugrunde liegen.
Er behauptet, er sei am 1. Oktober 1996 von einer Leiter gefallen und mit dem Hinterkopf auf den Boden aufgeschlagen. Dabei habe er einen Gehirnschaden davongetragen, der epileptische Anfälle verursache, die allein zu einer 55%igen Invalidität führten, sowie einen Hörschaden erlitten. Die Beklagte hat nach einem im Dezember 1997 eingeholten ersten HNO-ärztlichen Gutachten vorläufig eine 10%ige Invalidität wegen des Hörschadens zugrunde gelegt und einen Vorschuß von 12.000 DM

gezahlt. Auf der Grundlage einer von ihr 1999 veranlaßten neurologischen und weiteren HNO-ärztlichen Begutachtung hat sie sodann eine unfallbedingte Invalidität überhaupt bestritten. Soweit der Kläger an psychisch bedingten Beschwerden leide, beruft sie sich auf den Leistungsausschluß in § 2 IV AUB 94, der lautet: "Nicht unter den Versicherungsschutz fallen: … IV. Krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen gleichgültig, wodurch diese verursacht sind." Der Kläger verlangt wegen Hirnleistungsstörungen u nd Hörschäden eine Invaliditätsentschädigung in Höhe von 132.000 DM. Seine Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt er das Zahlungsbegehren insgesamt weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.
Dem Kläger stehen wegen des Leitersturzes keine In validitätsleistungen aus der Unfallversicherung zu.
I. Das Berufungsgericht (r+s 2003, 470) hat festge stellt, der Kläger habe zwar über die Zeugenaussage seines Sohnes nachgewiesen, daß sich der Unfall, so wie von ihm behauptet, zugetragen habe. Er habe

aber nicht nachweisen können, daß eine versicherte Invalidität im Sinne des § 7 Abs. 1 AUB 94 eingetreten sei.
Auf die vom ohrenärztlichen Sachverständigen anger egte psychiatrische Beurteilung, ob der vom Kläger berichtete Schwindel neurotischer Natur ohne faßbares organisches Korrelat sei, es sich also um einen psychogenen Schwindel handele, komme es wegen § 2 IV AUB 94 nicht an. Diese Klausel halte einer AGB-rechtlichen Kontrolle stand.
Sie verstoße nicht infolge von Intransparenz gegen § 9 Abs. 1 AGBG. Bei unbefangener Lesart erfasse diese Klausel nur Gesundheitsbeeinträchtigungen , die ausschließlich auf einem seelisch bedingten Ursachenzusammenhang , nicht aber auf einer unfallbedingten organischen Schädigung beruhten. Dieses Verständnis werde von den systematischen und wertenden Erwägungen, die bereits bei den Leistungsausschlüssen in §§ 2 Abs. 3 lit. b und 10 Abs. 5 AUB 61 eine Rolle gespielt hätten, bestätigt. Schwierigkeiten bei der Feststellung der Ursachen für psychisch empfundene Beschwerden führten nicht zur Intransparenz.
Der Leistungsausschluß gefährde auch nicht den Ver tragszweck im Sinne von § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG. Dieser sei über § 1 AUB 94 nicht durch einen umfassenden, tariflich nur schwer kalkulierbaren Schutz bei jedweder gesundheitsrelevanten Schädigung, sondern in erster Linie dadurch gekennzeichnet, körperliche Beeinträchtigungen zu versichern.
Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

II. Die Revision nimmt hin, daß der Kläger nicht a n einer unfallbedingten organisch-körperlichen Störung bzw. einer psychischen Erkrankung als Manifestation einer solchen Schädigung leidet. Sie wendet sich nur gegen die Wirksamkeit des Leistungsausschlusses in § 2 IV AUB 94. Dabei macht sie sich im wesentlichen die Ausführungen von Schwintowski (NVersZ 2002, 395 ff., Anm. zu OLG Jena VersR 2002, 1019 f. = NVersZ 2002, 402 f.) zu eigen, der die Klausel für intransparent hält. Die Klausel gefährde zudem den Vertragszweck, was zu einer unangemessenen Benachteiligung des Klägers führe (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG - jetzt § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB), und sei eindeutig unklar (§ 5 AGBG - jetzt § 305c Abs. 2 BGB).
Damit vermag die Revision nicht durchzudringen. De r in § 2 IV AUB 94 festgelegte Leistungsausschluß hält einer Bedingungskontrolle stand. Die Klausel ist wirksam.
1. a) Vor der Bedingungskontrolle ist die Klausel zunächst auszulegen , um Klarheit über ihren zu kontrollierenden Inhalt zu schaffen (Senatsurteil vom 17. März 1999 - IV ZR 137/98 - VersR 1999, 745 unter II 1 b). Dem folgt an sich auch das Berufungsgericht, wenn es - allerdings innerhalb der Transparenzprüfung - eine nähere Festlegung des Verständnisses der Klausel vornimmt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung , aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versiche-

rungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85 und ständig).

b) Danach ist die Klausel wie folgt auszulegen:
Ausgehend vom Wortlaut wird der Versicherungsnehme r erkennen, daß die AUB 94 zunächst generell und umfassend Leistungen für Unfallfolgen einschließlich psychischer Folgen zusagen (§§ 1, 7 I 1 AUB 94; vgl. Knappmann, NVersZ 2002, 1, 4). Bei Durchsicht des in § 2 AUB 94 enthaltenen Katalogs der "Ausschlüsse" wird er sodann gewahr, daß diese allgemeine Leistungszusage nicht uneingeschränkt gelten soll, vielmehr der Versicherungsschutz bei einer genau umschriebenen Art von Unfällen und Gesundheitsschädigungen (I, II), bei speziellen Verletzungsfolgen (III) und bei psychisch vermittelten Krankheitszuständen (IV) nicht gelten soll. Bei letzteren wird ihm die weite Fassung dieses Ausschlusses vor Augen geführt, mit dem krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen gleichgültig, wodurch diese verursacht worden sind, vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. Das erfaßt Gesundheitsschädigungen infolge psychischer Reaktionen, die sowohl auf Einwirkungen von außen über Schock, Schreck, Angst und ähnliches erfolgen , als auch auf unfallbedingter Fehlverarbeitung beruhen (Senatsurteil vom 19. März 2003 - IV ZR 283/02 - VersR 2003, 634 unter II 2; OLG Koblenz VersR 2001, 1550 f.; Prölss/Martin/Knappmann, VVG 26. Aufl. § 2 AUB 88 Rdn. 40).
Damit werden ihm auch die für den Versicherungssch utz vorausgesetzten Zusammenhänge zwischen den Gesundheitsschäden und ihren Ursachen deutlich. Fehlt es an körperlichen Traumata oder kann die

krankhafte Störung des Körpers nur mit ihrer psychogenen Natur erklärt werden, will der Versicherer keinen Versicherungsschutz übernehmen (Grimm, Unfallversicherung 3. Aufl. § 2 AUB Rdn. 108). Anders dagegen soll - wie schon das Berufungsgericht zutreffend sieht - Versicherungsschutz bestehen, wenn er durch den Unfall beispielsweise hirnorganisch beeinträchtigt wird, was dann seine Psyche krankhaft verändert (Knappmann , aaO S. 4). Die organische Schädigung oder Reaktion, die zu einem psychischen Leiden führt, vermag den Ausschlußtatbestand nicht auszulösen; diese seelischen Beschwerden beruhen dann nicht, wie von der Klausel wörtlich verlangt, ihrerseits auf psychischen Reaktionen, sondern sind physisch hervorgerufen und mithin nicht vom Ausschluß erfaßt. Diese Auslegung beruht nicht etwa, wie die Verständnisbetrachtung des Berufungsgerichts nahelegen könnte, auf systematischen und wertenden Erwägungen zur Vorgängerklausel in den AUB 61, die der durchschnittliche Versicherungsnehmer aber nicht kennt, sondern allein auf den Erkenntnismöglichkeiten bei umsichtiger Beschäftigung mit dem Klauselwerk seines Versicherungsvertrages (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - VersR 2000, 1090 unter 2).
2. Die Bestimmung des § 2 IV AUB 94 ist nach diese r Auslegung nicht unklar im Sinne von § 5 AGBG und hält auch einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand.

a) Unklar gemäß § 5 AGBG sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind (BGHZ 112, 65, 68 f.; BGH, Urteil vom 11. März 1997 - X ZR 146/94 - NJW 1997, 3434 unter 1 b). Das ist nach dem zuvor gewon-

nenen Auslegungsergebnis nicht der Fall. Aus der maßgeblichen Sicht des Versicherungsnehmers bleiben keine Zweifel, daß alle durch psychische Reaktionen hervorgerufenen Schäden ausgeschlossen werden sollen ; daß er keine Leistungen vom Versicherer erhalten soll, wenn und soweit sich psychische Reaktionen auf seinen Zustand nach dem Unfall auswirken, ist eindeutig und unmißverständlich (Knappmann, aaO S. 4). Für § 5 AGBG ist danach kein Raum (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1992 - X ZR 74/91 - NJW 1993, 657 unter II 2).
Anderes vermag auch die Revision nicht aufzuzeigen , wenn sie darauf verweist, daß die Begriffe "krankhafte Störungen infolge psychischer Reaktionen" im wesentlichen aus Unsicherheiten bestünden, sie deswegen für einen Risikoausschluß besonders ungeeignet und Klauseln mit derart mehrdeutigen Begriffen gemäß § 5 AGBG unwirksam seien. Das läuft - worauf auch der Hinweis auf BGHZ 147, 354, 361 mit der dort behandelten Transparenzprüfung hindeutet - in der Sache darauf hinaus, die Unklarheitenregel als ein Mittel verdeckter Inhaltskontrolle einzusetzen. Ein solcher Ansatz ist jedoch überholt und nicht mehr zu rechtfertigen (Palandt/Heinrichs, BGB 60. Aufl. § 5 AGBG Rdn. 8). Unklarheitenregelung und Inhaltskontrolle unterliegen eigenen spezifischen Prüfungskriterien und dürfen so nicht miteinander vermischt werden.
Entgegen der Auffassung der Revision zeigt auch di e jüngere Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht, daß diese Klausel unterschiedlich ausgelegt wird (vgl. OLG Köln VersR 2000, 1489 f.; OLG Frankfurt OLGR 2000, 27 ff. - mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 20. September 2000 - IV ZR 194/99; OLG Oldenburg r+s 2004, 34 f. mit Nichtzulassungsbeschluß des Senats vom 26. März 2003 - IV ZR

342/02; LG Landshut ZfS 1998, 23). Wie selbst die Revision zugesteht, sollen darin (bloß) Schwierigkeiten bei der "rechtlichen Handhabung" der Klausel zum Ausdruck kommen. Das betrifft jedoch keine verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten im Sinne von nicht behebbaren Zweifeln für die Unterscheidung zwischen physisch ausgelösten versicherten und nichtversicherten psychogenen Gesundheitsschäden. Etwaige Schwierigkeiten bei den im Einzelfall insoweit zu treffenden Feststellungen lassen eine im übrigen klare Abgrenzungsregelung ohnehin nicht unklar werden.
Die Unklarheitenregelung des § 5 AGBG wird nach al ledem durch die in der Klausel festgeschriebene Ausgrenzung psychisch reaktiver Gesundheitsschäden vom Versicherungsschutz nicht betroffen.

b) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, d aß § 8 AGBG (jetzt § 307 Abs. 3 BGB) eine Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG nicht hindert, weil die Klausel nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Zweck das schon in § 1 AUB 94 i.V. mit § 7 AUB 94 gegebene Hauptleistungsversprechen lediglich beschränkt, indem sie aus dem Kreis der versicherten, also an sich entschädigungspflichtigen unfallbedingten Gesundheitsschäden, die krankhaften Störungen infolge psychischer Reaktionen ausschließt. Solche leistungsbeschränkenden Klauseln sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats kontrollfähig (BGHZ 141, 137, 140 ff.; 142, 103, 109 ff.; BGH, Urteile vom 21. Februar 2001 - IV ZR 11/00 - VersR 2001, 576 unter 1 und 30. Oktober 2002 - IV ZR 60/01 - VersR 2002, 1546 unter II 1). Gegen diese Beurteilung wendet sich auch die Revisionserwiderung nicht.

aa) Die Ausgrenzung psychisch reaktiver Gesundheit sschäden gefährdet den Vertragszweck nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 2 AGBG. Nicht jede Leistungsbegrenzung bedeutet schon eine Vertragszweckgefährdung , sondern ist zunächst grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer nicht falsche Vorstellungen erweckt (BGHZ 141, 137, 143). Eine Gefährdung ist daher erst dann anzunehmen, wenn mit der Einschränkung der Leistung der Vertrag ausgehöhlt werden kann und damit der Versicherungsvertrag in bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird (BGHZ 137, 174, 176 und ständig).
Das ist hier nicht der Fall. Der zugesagte Unfallv ersicherungsschutz für von außen auf den Körper wirkende Ereignisse (§ 1 III AUB 94) bleibt von dieser Klausel für alle Gesundheitsschäden - also einschließlich psychischer Leiden - unangetastet, soweit sich die Beschwerden nicht als Folge psychischer Reaktionen darstellen. Es trifft daher schon nicht zu, daß - wie die Revision meint - bei Wirksamkeit des § 2 IV AUB 94 für seelische Unfallfolgen aller Art zumeist ein Leistungsausschluß zugunsten des Versicherers gegeben wäre. Für den gesamten Bereich physisch vermittelter Unfallschädigungen greift dieser Ausschluß nicht. Bereits deswegen scheidet eine Aushöhlung des Unfallversicherungsvertrages aus; sein Zweck, Schutz vor Unfallrisiken zu bieten, wird in diesem weit gespannten Bereich ausreichend erfüllt.
bb) Der Ausschluß der psychischen Reaktionen benac hteiligt den Versicherungsnehmer auch im übrigen nicht unangemessen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 AGBG). Mit dem Ausschluß knüpft die bedingungsgemäße Ent-

schädigung von Unfallschäden an objektiv erfaßbare Vorgänge an. Das trägt dem Interesse des Versicherers an einer möglichst zuverlässigen Tarifkalkulation und an einer zeitnahen, mit vertretbarem Kostenaufwand ergehenden Entscheidung über die Entschädigung Rechnung. Andererseits liegen eine zügige Regulierung und günstige Prämien auch im Interesse des Versicherungsnehmers (vgl. dazu OLG Düsseldorf VersR 1998, 886 f.; Grimm, aaO § 2 Rdn. 103, 108). Eine möglichst reibungslose , kostengünstige Vertragsabwicklung wäre bei der Einbeziehung von psychogenen Schäden so nicht mehr gewährleistet. Denn diese Schäden hängen stark auch von den persönlichen Dispositionen eines Versicherungsnehmers ab, und als Auslöser kommt praktisch jedwedes Geschehen in der Außenwelt in Betracht. Zu Recht weist die Revisionserwiderung darauf hin, daß zur Feststellung solcher zu entschädigender unfallbedingter Folgen regelmäßig langwierige, gegebenenfalls stationäre Untersuchungen erforderlich werden, um einigermaßen verläßliche Feststellungen treffen zu können, ob eine krankhafte psychische Reaktion vorliegt und diese dann auch auf dem Unfall beruht. Die von der Revision gezogene Parallele zum Haftungsrecht, bei dem auch der Schädiger grundsätzlich sogar für psychische Fehlverarbeitungen als Folge eines Unfalls einzustehen habe (vgl. nur BGHZ 132, 341 ff.; 137, 142 ff.), überzeugt nicht. Denn es ist gerade das erkennbare Ziel dieser Regelung , den schadensersatzrechtlichen Problemen zu entgehen (vgl. OLG Düsseldorf VersR 1998, 886 f.). Die Forderung, aus Billigkeitserwägungen Unfallversicherungsschutz im Umfang der deliktischen Schadensersatzpflicht anzuerkennen, findet ihre Grenzen in der Vertragsgestaltung. Der angebotene und vom Versicherungsnehmer genommene, in den AUB klar und unmißverständlich umschriebene Versicherungsschutz (so

bereits Senatsurteil vom 19. April 1972 - IV ZR 50/71 - NJW 1972, 1233 unter II) steht darüber hinausgehenden Leistungswünschen entgegen.
cc) § 2 IV AUB 94 genügt auch den Anforderungen de s sich aus § 9 AGBG ergebenden Transparenzgebotes. Die Regelung benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen. Insbesondere führt sie ihm ausreichend klar und verständlich vor Augen, was er zu erwarten hat (vgl. BGHZ 141, 137, 143). Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, daß eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, daß sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen läßt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGHZ 147, 354, 362 und ständig). Diesen Erfordernissen wird § 2 IV AUB 94 gerecht.
Die von der Revision vermißte klare Grenzziehung z wischen physischen und psychischen Reaktionen stellt das nicht in Frage. Es mag sein, daß es im Rahmen der sogenannten Leib-Seele-Diskussion unterschiedliche medizinische, psychologische und philosophische Ansätze gibt, krankhafte Störungen diesen Bereichen zuzuordnen, der Begriff "psychische Reaktionen" in Abgrenzung zu physischen deswegen nicht leicht auszufüllen ist, der danach fragende Versicherungsnehmer vom Agenten im Beratungsgespräch nicht stets eine trennscharfe Antwort erhalten wird und dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer eine abstrakte Unterscheidung bei den denkbaren Fallgestaltungen nicht immer

möglich ist. Dadurch wird der Ausschluß aber nicht intransparent. Entgegen Schwintowski (aaO S. 396) fehlt der Klausel damit nicht ein halbwegs klarer und justiziabler Begriffskern. Diese Erwägungen betreffen vielmehr - vergleichbar der Prüfung gemäß § 5 AGBG - die Anforderungen an die im Einzelfall zu treffenden Feststellungen und die Frage, zu wessen Lasten es geht, wenn insoweit etwas nach den derzeit gegebenen Erkenntnismöglichkeiten offenbleibt. Einem potentiellen Versicherungsnehmer wird mit dieser Formulierung jedoch deutlich vor Augen geführt , daß er nur für physisch vermittelte Gesundheitsschäden Unfallschutz erhält. Er kann damit erkennen, daß er durch den Unfall körperlich /organisch betroffen sein muß, wodurch seine Beschwerden, wegen derer er sich auf bedingungsgemäße Invalidität beruft, hervorgerufen werden. Dieser Klauselinhalt ist transparent. Er wird durch die nach den allgemeinen Regeln bestehende Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten nicht intransparent.
Der Nachweis unfallbedingter Invalidität obliegt d em Versicherungsnehmer , wobei für die konkrete Ausgestaltung des Gesundheitsschadens und seiner Dauerhaftigkeit der Maßstab des § 286 ZPO und dafür, ob der unfallbedingte Gesundheitsschaden für die bewiesene Invalidität ursächlich war, die Beweiserleichterung des § 287 ZPO gilt (Senatsurteile vom 17. Oktober 2001 - IV ZR 205/00 - NJW-RR 2002, 166 und vom 12. November 1997 - IV ZR 191/96 - r+s 1998, 80; jeweils m.w.N.). Dagegen steht es zur Beweislast des Versicherers, will er sich auf den Ausschlußtatbestand des § 2 IV AUB 94 berufen (vgl. BGHZ 131, 15 ff., 21; Grimm, aaO Rdn. 109). Danach muß der Versicherer beweisen , daß und vor allem in welchem Umfang psychische Reaktionen den krankhaften Zustand hervorgerufen haben (Knappmann, aaO S. 4;

derselbe VersR 2002, 1230, Anm. zu OLG Jena aaO). Die sich in Fällen sogenannter Mitursächlichkeit bei den Unfallfolgen möglicherweise ergebenden Schwierigkeiten ändern an dieser die Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigenden Beweislastverteilung nichts; nicht zu klärende Unklarheiten über Beitrag und Gewicht etwaiger psychischer Reaktionen gehen zu Lasten des Versicherers (Knappmann, aaO S. 4).
Die in § 2 IV AUB 94 verwendeten Begriffe hindern einen Versicherungsnehmer bei Vertragsschluß jedenfalls nicht daran zu erkennen, was ihn erwartet, und machen den Ausschlußtatbestand auch nicht injustiziabel. Probleme können im Einzelfall bei der Feststellung der Wirkungszusammenhänge und der Anwendung des Feststellungsergebnisses auf den vorgegebenen rechtlichen Rahmen entstehen. Das gehört aber zur üblichen forensischen Praxis. Schwierigkeiten dieser Art kann durch eine ausgiebige sachverständige Unterstützung und eine ausgewogene Verteilung der Darlegungs- und Beweislasten begegnet werden. Der Versicherungsnehmer wird damit auch nicht unter Transparenzgesichtspunkten entgegen den Grundsätzen von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die Nachteile und Belastungen, die mit der den gewählten Versicherungsschutz einschränkenden Ausschlußklausel verbunden sind, werden ihm, soweit dies nach den Umständen möglich ist, deutlich gemacht. Der von der Revision geforderten Benennung und Konkretisierung einzelner Arten von psychischen Reaktionen (vgl. Schwintowski, aaO S. 396 f.) bedarf es dafür gerade nicht. Unabhängig davon, inwieweit eine umfängliche Auflistung psychischer Vorgänge detailliert überhaupt möglich ist, wäre das rechtlich nicht zu beanstandende Ziel (vgl. vorstehend unter III. 1.), diesen Risikobereich überhaupt auszuklammern , damit schwerlich zu erreichen. Dem Transparenzgebot wird ge-

nügt, wenn der Versicherungsnehmer diese Zielsetzung und den danach bestehenden Umfang der angebotenen Versicherung erkennt. Das ist bei § 2 IV AUB 94 - wie ausgeführt - der Fall.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn

1.
er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder
2.
seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

(2) Als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Absatzes 1 gilt auch eine Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt. Dasselbe gilt für einen Abbruch der Schwangerschaft, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.

(3) Der Anspruch nach Absatz 1 entsteht nach vierwöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.

(1) Die §§ 173 bis 176 sind auf alle Versicherungsverträge, bei denen der Versicherer für eine dauerhafte Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit eine Leistung verspricht, entsprechend anzuwenden.

(2) Auf die Unfallversicherung sowie auf Krankenversicherungsverträge, die das Risiko der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit zum Gegenstand haben, ist Absatz 1 nicht anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Die in den §§ 711, 712 zugunsten des Schuldners zugelassenen Anordnungen sollen nicht ergehen, wenn die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.