Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 21. Nov. 2006 - 4 U 49/06 - 16

bei uns veröffentlicht am21.11.2006

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 29.12.2005 – 4 O 261/05 – aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 6.526,22 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die klagende B.-Agentur den Beklagten als Geschäftsführer der in Vermögensverfall geratenen Firma E. E. GmbH, früherer Geschäftssitz: ..., ..., (im Folgenden: GmbH), unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung in Anspruch.

Gegen die GmbH wurden seit April 2000 Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt. Seit Mai 2000 leistete die GmbH keine Sozialabgaben für die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer; die Rückstände bei der beliefen sich auf 6.719,05 DM. Anfang Mai 2000 wies das Geschäftskonto der GmbH einen Sollstand von 198.970,94 DM auf. Die Klägerin leistete für den Zeitrahmen 1.4. bis 30.6.2000 an die ehemaligen Arbeitnehmer der GmbH Insolvenzgeld gemäß § 183 Sozialgesetzbuch III in Höhe von 6.526,22 EUR. Auf die detaillierte Aufstellung vom 14.7.2005 (Bl. 5 d. A.) wird Bezug genommen.

Am 16.10.2000 stellte der Beklagte einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, dessen Eröffnung mit Beschluss vom 30.11.2001 mangels Masse abgelehnt wurde. Mit Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 8.9.2004 wurde der Beklagte u. a. wegen verspäteter Insolvenzanmeldung gemäß § 64 Abs. 1, § 84 GmbHG rechtskräftig verurteilt.

Mit Schreiben vom 7.4.2005 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung zum 30.4.2005 auf, das gezahlte Insolvenzgeld zu erstatten.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe sie in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich geschädigt. Er habe als Geschäftsführer der GmbH den Insolvenzantrag in Kenntnis der Vermögensverhältnisse verspätet gestellt. Dabei habe er billigend in Kauf genommen, dass bei einem Dritten ein Schaden entstehe. Bei rechtzeitigem Antrag wären keine Lohnrückstände entstanden, so dass auch kein Anspruch auf Insolvenzgeld gemäß § 183 SGB III gegeben gewesen wäre.

Auch sei der geltend gemachte Anspruch nicht verjährt sein, da die Regelverjährung erst dann zu laufen beginne, wenn der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt habe. Diese Voraussetzungen seien erst im Dezember 2004 erfüllt gewesen, da der zuständige Mitarbeiter der Regresserteilung der Klägerin erst mit Übersendung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten durch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen erlangt habe.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.526,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1.5.2005 zu zahlen.

Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Er hat die Auffassung vertreten, aus der Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen beziehungsweise der verspäteten Insolvenzantragstellung lasse sich weder eine vorsätzliche, noch eine sittenwidrige Schädigung der Klägerin herleiten. Vorsorglich erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung. Er hat behauptet, die Klägerin habe nicht erst mit der Übersendung der Akten durch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken, sondern zu einem „weit früheren Zeitpunkt“ Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage. Er rügt, das Landgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, welches Ausmaß die Überschuldung der Gesellschaft gehabt habe und ob der Beklagte hiervon Kenntnis besessen habe. Auch mangele es an Feststellungen zur Höhe der Ansprüche der Klägerin. Es werde lediglich unterstellt, dass bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags keine Lohnrückstände bestanden hätten. Schließlich begegne es Bedenken, dass das Landgericht die Sittenwidrigkeit des Verhaltens des Beklagten ausschließlich damit begründet habe, dass er dem Gebot, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen, nicht Folge geleistet habe.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 29.12.2005 – 4 O 261/05 – die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, weitergehende Feststellungen zur Höhe der Überschuldung seien nicht erforderlich gewesen, da der Beklagte den Vortrag der Klägerin zur Überschuldung nicht bestritten habe. Auch der Sittenverstoß sei nachgewiesen, nachdem der Beklagte keine Umstände dargelegt habe, die ein anderes Motiv nahe legten. Insbesondere habe sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die Stellung des Insolvenzantrags mit Blick auf eine aussichtsreiche Sanierung unterblieben sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 28.2.2006 (Bl. 59 d. A.), auf die Berufungserwiderung vom 5.4.2006 (Bl. 67 d. A.) sowie auf den nachgelassenen Schriftsatz des Klägervertreters vom 30.10.2006 Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen (Bl. 75 f. d. A.).

II.

A. Die zulässige Berufung hat Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Klägerin auch aus § 826 BGB kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz zu, da die Klägerin den ihr obliegenden Beweis dafür, dass die unterlassene Stellung des Insolvenzantrags für die Zahlung des Insolvenzgeldes im Rechtssinne kausal wurde, nicht erbracht hat.

1. Zunächst kann die Klägerin den Anspruch auf Erstattung des Insolvenzgeldes nicht aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG herleiten. Zwar handelt es sich bei § 64 Abs. 1 GmbHG um ein Schutzgesetz zu Gunsten der Gläubiger der GmbH im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Jedoch gehört die Bundesanstalt nicht zum Kreis der geschützten Gesellschaftsgläubiger. Denn die Bundesanstalt wurde erst dadurch Gesellschaftsgläubigerin, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, kraft Gesetzes gemäß § 187 SGB III auf sie übergegangen sind. Die Klägerin leitet ihre Rechtsstellung als Gläubigerin der GmbH ausschließlich aus den auf sie übergegangenen Forderungen der Arbeitnehmer der GmbH her. Dies schließt einen aus eigenem Recht begründeten Schadensersatzanspruch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Schutzgesetzverletzung aus (für das alte Recht: BGHZ 108, 134, 137).

2. Auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG aus übergegangenem Recht sind nicht verwirklicht. Mögliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf Ersatz eines eventuellen Quotenschadens werden von § 187 SGB III nicht erfasst. Der Wortlaut der Vorschrift betrifft Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Mit dieser Formulierung werden gegen den Geschäftsführer gerichtete Ansprüche auf Erstattung eines möglichen Quotenschadens nicht einbegriffen (BGHZ 108, 138).

3. Allerdings kommt § 826 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Das Landgericht hat im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass der Geschäftsführer einem Unternehmensgläubiger gem. § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, wenn er die Insolvenz vorsätzlich in der Absicht verschleppt, die als unabwendbar erkannte Insolvenz solange wie möglich hinauszuzögern, und er dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf nimmt.

a) Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht die Voraussetzungen für einen Rechtsverstoß des Beklagten nach § 64 Abs. 1 GmbHG festgestellt hat. Nach dieser Vorschrift haben die Geschäftsführer ohne Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Dies gilt sinngemäß, wenn sich eine Überschuldung der Gesellschaft ergibt.

aa) Nach den Feststellungen des Landgerichts war die GmbH bereits im Juni 2000 überschuldet und zahlungsunfähig. Diese Feststellungen werden von dem unstreitigen Sachvortrag getragen; die Feststellungen halten den Angriffen der Berufung stand:

Die Klägerin hat vorgetragen, die Gesellschaft sei seit Mai 2000 dauerhaft zur Begleichung ihrer fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr im Stande gewesen. Nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens habe die GmbH bereits im Mai 2000 ihrer Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen auf die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer nicht mehr nachkommen können. Auch die Kreditlinie der GmbH, die sich auf 100.000 DM belaufen habe, sei Anfang Mai 2000 mehr als ausgeschöpft gewesen. Denn der Sollstand habe sich auf 198.970,94 DM belaufen, weshalb die Hausbank weder Schecks noch Lastschriften eingelöst habe.

Diese Tatsachen tragen den Schluss, dass die GmbH zum fraglichen Zeitpunkt zahlungsunfähig und überschuldet war. Diesem Sachvortrag ist der Beklagte weder in der ersten Instanz, noch im zweiten Rechtszug entgegengetreten. Da die maßgeblichen Tatsachen unstreitig wurden, war das Landgericht nicht gehalten, ergänzende Nachforschungen über die exakte Höhe der Überschuldung anzustellen.

bb) Auch begegnet es keinen Bedenken, die subjektiven Voraussetzungen im Kern aus einem Verstoß gegen § 64 GmbHG herzuleiten: Die verzögerte Stellung des Insolvenzantrags ist im Grundsatz geeignet, den Sittenverstoß zu begründen. Der Geschäftsführer, der um den drohenden Kollaps des von ihm geführten Unternehmens weiß, nimmt eine Schädigung der Gläubiger in ihrer Gesamtheit billigend in Kauf. Darüber hinaus ist er sich bewusst, dass er eines Tages die Lohn- und Gehaltsansprüche seiner Arbeitnehmer nicht mehr befriedigen kann. Dieses Bewusstsein verleiht dem Schädigungsvorsatz eine hinreichende Richtung, ohne dass es darauf ankommt, dass der Schaden letztlich nicht bei den Arbeitnehmern, sondern bei der Klägerin wirtschaftlich zum Tragen kam. Auch entlastet es den Beklagten nicht, dass die Verzögerung der Insolvenzantragstellung im Einzelfall auf Motiven beruhen mag – etwa der Absicht, eine Erfolg versprechende Sanierung nicht zu gefährden –, denen der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht anhaftet. Denn derartigen Motiven ist nur dann nachzugehen, wenn sich der Geschäftsführer darauf beruft. Da der durch eine verzögerte Antragstellung Geschädigte über die subjektive Motivation des Geschäftsführers keine Kenntnis besitzt und die maßgeblichen Anknüpfungstatsachen zudem im Regelfall Geschäftsinterna betreffen, genügt der Gläubiger seiner Darlegungslast, wenn er die ständige wachsende Verschuldung der Gesellschaft referiert, die entsprechend dem erwartenden Verlauf der Dinge zum Zusammenbruch der Gesellschaft geführt hat. Es ist dann Sache des Geschäftsführers, zu einer abweichenden Motivation vorzutragen (BGHZ 108, 145; zur Darlegungslast hinsichtlich der Fortbestehungsprognose bei Ansprüchen aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 GmbHG vgl. auch BGHZ 126, 181, 200; OLG Koblenz, NJW-RR 2003, 1198 f. mit umf. Nachweis). Dies hat der Beklagte nicht getan.

b) Dennoch steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da sie den ihr obliegenden Beweis dafür, dass der Schaden bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags vermieden worden wäre, nicht führen konnte.

aa) Der eingeklagte Schaden besteht darin, dass die Klägerin den Arbeitnehmern der GmbH für den Zeitraum 1.4. bis 30.6.2000 Insolvenzgeld zahlen musste. Das schadensstiftende Verhalten ist kein positives Tun, sondern im Rechtssinne das Unterlassen des Beklagten, im maßgeblichen Zeitpunkt (im Mai 2000) von der Stellung des Insolvenzantrags Abstand genommen zu haben. Nach allgemeinen Grundsätzen wird ein Unterlassen für einen Erfolg dann kausal, wenn der Erfolg – denkt man sich die gebotene Handlung hinzu – ausgeblieben wäre. Im Grundsatz muss der Gläubiger die tatsächlichen Voraussetzungen dieser normativen Schlussfolgerung darlegen und beweisen (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., vor § 249 Rdnr. 84; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 249 Rdnr. 60; so insbesondere für die deliktische Haftung: BGH, Urt. v. 4.3.2004 – III ZR 225/03, NJW 2004, 1381; vgl. auch BGHZ 34, 206, 215; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, § 823 Rdnr. 16).

Angewandt auf den vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt ist der Kausalitätsnachweis geführt, wenn die Klägerin bei einem in Gemäßheit der Anforderungen des § 64 Abs. 1 GmbHG rechtzeitig gestellten Insolvenzantrag nicht zur Zahlung von Insolvenzgeld verpflichtet gewesen wäre. Da die Zahlungsunfähigkeit frühestens zu Anfang des Monats Mai 2000 nachgewiesen ist, ist konkret zu prüfen, ob die Klägerin bei einer Antragstellung Mitte Mai 2000 kein Insolvenzgeld gezahlt hätte. Hierzu fehlt es bereits an einem Prozessvortrag. Die in den Urteilsgründen enthaltene Feststellung, bei rechtzeitiger Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätten keine Lohnrückstände bestanden, wird nicht durch Anknüpfungstatsachen erhärtet, weshalb der Senat an die unter Verstoß gegen § 286 ZPO getroffene Feststellung nicht gebunden ist. Überdies hat das Landgericht übersehen, dass die Klägerin gemäß der mit Bl. 5 d. A. eingereichten Aufstellung für die Arbeitnehmer S. S. und H. J. bereits ab dem 1.4.2000 Insolvenzgeld zahlte. Da dieser frühe Zeitpunkt vor der nachgewiesenen Insolvenzreife lag, kann der Rechtsverstoß des Beklagten für die den Monat April 2000 betreffenden Zahlungen der Klägerin denknotwendig nicht ursächlich geworden sein. Der Senat hat die Parteien im Termin vom 19.9.2006 auf die Bedenken gegen den Nachweis der Kausalität hingewiesen und der Klägerin Gelegenheit gegeben, zur Frage des Ursachenzusammenhangs im Rahmen eines Schriftsatznachlasses ergänzend vortragen. Die im Schriftsatz des Klägervertreters vom 30.10.2006 vorgetragenen Argumente lassen keine Rückschlüsse darauf zu, welchen Lauf das Insolvenzverfahren im hier fraglichen Zeitraum bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags genommen hätte. Auch der nachgelassene Sachvortrag füllt das Schlüssigkeitsdefizit nicht aus.

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht gerechtfertigt, dem Beklagten nach den Rechtsgrundsätzen, die Rechtsprechung und Lehre zur Rechtsfigur des rechtmäßigen Alternativverhaltens entwickelt haben, die Darlegungs- und Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die Klägerin auch bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung im fraglichen Zeitraum zur Zahlung von Insolvenzgeld verpflichtet gewesen wäre.

aaa) Die Rechtsfigur des rechtmäßigen Alternativverhaltens erlaubt dem Schädiger die haftungsbefreiende Einwendung, dass der Schaden auch bei normgerechtem Verhalten eingetreten wäre (BGHZ 96, 157, 173; 90, 103, 111; Urt. v. 25.11.1992 – VIII ZR 170/91, NJW 1990, 520, 521; Urt. v. 26.10.1999 – X ZR 30/98, NJW 2000, 661, 662 f.; MünchKomm(BGB)/Oetker, 4. Aufl., § 249 Rdnr. 211 ff.; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 249 Rdnr. 72 ff.; Palandt/Heinrichs, aaO., vor § 249 Rdnr. 105). Paradigma ist zum einen die deliktische Haftung für einen nachgewiesenen Sorgfaltsverstoß: Hat der Schädiger unter Missachtung der gebotenen Sorgfalt beispielsweise einen Verkehrsunfall verursacht, so kann er seiner Inanspruchnahme für den eingetretenen Schaden entgegenhalten, dass der Unfall auch bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt eingetreten wäre (vgl. zum Sachverhalt etwa BGHSt 11, 1 ff.). Eine weitere Fallgruppe eröffnet dem Schuldner die Einwendung, dass er den eingetretenen Schaden auch durch rechtskonformes Verhalten hätte herbeiführen dürfen. So kann sich etwa der vertragsbrüchig gewordene Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber auf Ersatz der Inseratskosten für die Suche nach einer Ersatzkraft in Anspruch genommen wird, mit Erfolg darauf berufen, dass die Aufwendungen auch dann entstanden wären, wenn er das Arbeitsverhältnis seinerseits ordentlich gekündigt hätte (BAGE 35, 179, 182 ff.; zur Kasuistik: Überblick bei MünchKomm(BGB)/Oetker, aaO., § 249 Rdnr. 214).

Beiden Fallgruppen ist gemeinsam, dass die Kausalität der konkreten Handlung für den eingetretenen Schaden außer Streit steht: Der Unfall wäre nicht eingetreten, wenn man sich die Handlung hinweg denkt. Es besteht kein Zweifel, dass der Geschädigte seine Verletzungen dem Handeln des Schädigers verdankt. Beruft sich der Schädiger darauf, dass er den schädigenden Erfolg auch durch rechtskonformes Handeln hätte herbeiführen können, so ändert dieses Argument nichts daran, dass die konkrete, tatsächlich verwirklichte Handlung im Sinne der Äquivalenztheorie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele. Mithin eröffnet die Einwendung des rechtmäßigen Alternativverhaltens dem Schädiger die Möglichkeit, seiner Haftung durch Aufzeigen eines hypothetischen Kausalzusammenhangs zu entgehen, indem er geltend macht, dass sich der Unfall auch dann zugetragen hätte, wenn er sich nicht wie geschehen, sondern anders verhalten hätte. Nur auf der Grundlage dieses Verständnisses muss der Schädiger gewissermaßen unter Durchbrechung der allgemeinen Kausalitätslehre die Darlegungs- und Beweislast für das Alternativverhalten tragen, da er mit seiner Einwendung eine neue für ihn günstige Tatsache in den Prozess einführt (vgl. MünchKomm(BGB)/Oetker, § 249 Rdnr. 218).

bbb) Davon unterscheidet sich der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt: Schadensstiftend ist kein positives Tun, sondern ein Unterlassen. Hinsichtlich eines Unterlassens ist der Zurechnungszusammenhang nach anerkannten Grundsätzen dann nachgewiesen, wenn der Schaden – denkt man sich in die unterbliebene Handlung hinzu – nicht eingetreten wäre. Dieser Schluss kann im vorliegenden Fall nicht gezogen werden: Es steht gerade nicht fest, ob die Klägerin nicht auch dann zur Zahlung von Insolvenzgeld verpflichtet gewesen wäre, falls der Beklagte rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt hätte. Mithin entlastet sich der Schädiger nicht durch das Aufzeigen einer Handlungsalternative; bei Licht besehen steht die Kausalität der gebotenen Handlung unmittelbar im Streit.

Die vorliegend zu beurteilende Konstellation weist eine weitere Besonderheit auf: Im Gegensatz zu den anerkannten Fallgruppen erscheint die Schadensqualität der geltend gemachten Vermögensminderung, die durch die Zahlung des Insolvenzgeldes entstanden ist, zweifelhaft. Die Vermögensminderung wurde nicht durch einen unmittelbaren Eingriff des Beklagten hervorgerufen, sondern dadurch herbeigeführt, dass die Klägerin einer gesetzlich manifestierten Verpflichtung Folge leistete. Schadensqualität besitzt diese Vermögensminderung bei wertender Betrachtung erst dann, wenn der Zurechnungszusammenhang zu einem pflichtwidrigen Verhalten hergestellt werden kann.

Diese Erwägungen erlauben den Schluss, dass die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im vorliegenden Fall nicht den Regeln des rechtmäßigen Alternativverhaltens folgt, sondern nach den allgemeinen Grundsätzen der Zurechnung eines schadensstiftenden Unterlassens zu beurteilen ist (a.A. OLG Frankfurt, Urt. v. 26.2.1999 – 24 U 112/97, zit. nach juris): Es war demnach Sache der Klägerin, den Ursachenzusammenhang zwischen verspäteter Antragstellung und Insolvenzgeldzahlung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.

ccc) Der vorliegende Fall bietet keine Veranlassung, zu Gunsten der Klägerin Darlegungs- und Beweiserleichterungen anzuerkennen (vgl. hierzu etwa BGHZ 138, 1, 3; vgl. auch BGHZ 152, 280, 287; Palandt/Heinrichs, aaO., § 280 Rdnr. 34 ff.; Baumgärtel, aaO., Anhang zu § 282 Rdnr. 31 ff.).

aaaa) Insbesondere ist eine Beweiserleichterung nicht bereits deshalb geboten, weil die Lebenserfahrung dafür spricht, dass die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld bei rechtzeitiger Antragstellung unterblieben wäre. Die gegenteilige Schlussfolgerung liegt im vorliegenden Fall nahe: Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Zeitpunkt der nachweislichen Insolvenzreife und der den Streitgegenstand bildenden Zeitspanne, die mit der Einstellung des Geschäftsbetriebs endete, erscheint es nicht wahrscheinlich, dass die Klägerin bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags kein Insolvenzgeld gezahlt hätte:

Die Stellung eines Insolvenzantrags hat weder den Verlust der Verfügungsbefugnis des Schuldners, noch die sofortige Einstellung der Geschäftstätigkeit, noch die Auflösung der Arbeitsverhältnisse zur Folge. Mithin hätte die Antragstellung das Entstehen der mit dem Insolvenzgeld abgesicherten Ansprüche auf Arbeitsentgelt für den relevanten Monat Juni 2006 nur dann verhindert, wenn das Insolvenzgericht nach Eingang des Insolvenzantrags unter Ausschöpfung des in § 21 InsO eröffneten Gestaltungsspielraums die sofortige Stilllegung des Betriebs angeordnet hätte.

Ein solches Prozedere erscheint wenig plausibel: Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO steht im pflichtgemäßen Ermessen des Insolvenzgerichts. Die Maßnahme muss verhältnismäßig sein und der Maxime Rechnung tragen, das insolvent gewordene Unternehmen nach Möglichkeit fortzuführen. Im Regelfall wird sich das Insolvenzgericht dazu veranlasst sehen, als vorläufige Sicherungsmaßnahme gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen. Auch dieser ist zunächst gehalten, das Unternehmen bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag fortzuführen (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Hält der vorläufige Insolvenzverwalter den Betrieb einstweilen aufrecht und nimmt er hierzu Arbeitsleistungen der beschäftigten Arbeitnehmer in Anspruch, so sind die korrespondierenden Arbeitsentgeltansprüche Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 InsO (Gagel, SGB III, vor § 183 Rdnr. 13). Reicht die Masse nicht aus, kann ein vorläufiger Verwalter die Weiterbeschäftigten für die Dauer von längstens drei Monaten auf die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld verweisen (Uhlenbruck/Berscheid, InsO, 12. Auflage, § 22 Rdnr. 90). Bei genauer Betrachtung manifestiert sich in der Verpflichtung zur Zahlung von Insolvenzgeld nicht notwendigerweise ein Rechtsverstoß des Insolvenzschuldners. Vielmehr kann die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld auch bei rechtzeitiger Stellung des Insolvenzantrags ein legitimes Mittel des sich rechtstreu verhaltenden Insolvenzverwalters sein, um sich im Dienste der gesetzgeberischen Leitentscheidung, der Fortführung des Unternehmens Vorrang zu gewähren, den notwendigen Spielraum zu verschaffen.

Dafür, dass das Insolvenzgericht vor dem 30.6.2000 – dem Datum der vom Beklagten veranlassten Betriebseinstellung – Veranlassung gesehen hätte, einer etwaigen, von einem vorläufigen Insolvenzverwalter initiierten Betriebsstillegung zuzustimmen, gibt es keinen Anhaltspunkt. Die Klägerin selbst entzieht einer solchen Annahme mit ihrem nachgelassenen Schriftsatz den Boden. Denn nach dem Sachvertrag des Klägervertreters (Bl. 78 d. A.) gelang es dem Beklagten, den Geschäftsbetrieb zum 1.7.2000 durch Neugründung eines Unternehmens nahtlos fortzuführen.

bbbb) Lässt sich die Beweiserleichterung für den Kausalitätsnachweis nicht aus dem empirischen Verlauf eines Insolvenzverfahrens herleiten, so erscheint eine Beweiserleichterung auch nicht deshalb geboten, weil die aufzuklärenden Umstände gewissermaßen in der Beweissphäre des Beklagten wurzeln, die der Klägerin naturgemäß verschlossen ist: Die Prognose des hypothetischen Laufs des Insolvenzverfahrens setzt zunächst die Kenntnis der Vermögenssituation der Insolvenzschuldnerin voraus. Die hierfür maßgeblichen Tatsachen sind im Regelfall aus den im Insolvenzverfahren erstellten Berichten unschwer zu ersehen, die der Klägerin als Insolvenzgläubigerin gem. § 4 InsO i. V. m. § 299 ZPO auch nach Ablehnung der Insolvenzeröffnung zugänglich sind (vgl. BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IV AR (VZ) 1/06, NZI 2006, 472, 473; OLG Celle NZG 2006, 584). Überdies legt die Klägerin nicht dar, aufgrund eines Informationsdefizits zur substantiierten Prüfung des im Falle einer rechtzeitigen Antragstellung zu prognostizierenden Verfahrensgangs gehindert zu sein. Soweit die Darlegung des bei rechtzeitiger Antragstellung zu erwartenden Laufs des Insolvenzverfahrens Kenntnisse über die im hier maßgeblichen Gerichtsbezirk übliche Praxis des Insolvenzgerichts erfordert, ist ein Informationsvorsprung des Beklagten nicht erkennbar.

cccc) Schließlich überzeugt es nicht, die Beweiserleichterungen deshalb anzuerkennen, weil die objektive Pflichtverletzung des Beklagten typischerweise das Risiko der Unaufklärbarkeit in sich trägt: Die Prognose über den Verlauf des Insolvenzverfahrens ist einer Aufklärung zugänglich und nicht mit größeren Unsicherheiten behaftet, die jeder Prognose innewohnen. Anders als bei Aufklärungspflichtverletzungen hängt die Prognoseentscheidung im vorliegenden Fall nicht von der Beurteilung einer mit besonderen Unwägbarkeiten verbundenen freien Willensentscheidung des Aufzuklärenden ab. Maßgeblich für die richtige Prognose ist vielmehr der hypothetische Verlauf des an Recht und Gesetz gebundenen Insolvenzverfahrens, dessen Entscheidungsgrundlage die einer objektiven Beurteilung offen stehende wirtschaftliche Situation der Insolvenzschuldnerin bildet.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, §§ 710, 711 ZPO. Die Revision war zuzulassen, da die dargestellten Rechtsfragen zur Kausalität grundsätzliche Bedeutung besitzen (§ 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO); dieser rechtliche Aspekt ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Haftung des Geschäftsführers für eine zu späte Stellung des Insolvenzantrags – soweit ersichtlich – nicht angesprochen. Mit Blick auf die divergierende Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt ist die Zulassung der Revision überdies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO) geboten.

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Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2004 - III ZR 225/03

bei uns veröffentlicht am 04.03.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 225/03 Verkündet am: 4. März 2004 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 839 D Zur Ver

Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2006 - IV AR (VZ) 1/06

bei uns veröffentlicht am 05.04.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV AR(VZ) 1/06 vom 5. April 2006 in der Justizverwaltungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ InsO § 4; ZPO § 299 Abs. 2 Auch nach Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse

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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer es als Geschäftsführer unterläßt, den Gesellschaftern einen Verlust in Höhe der Hälfte des Stammkapitals anzuzeigen.

(2) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(1) Die Agentur für Arbeit kann die Durchführung einer Maßnahme nach § 176 Absatz 2 prüfen und deren Erfolg beobachten. Sie kann insbesondere

1.
von dem Träger der Maßnahme sowie den Teilnehmenden Auskunft über den Verlauf der Maßnahme und den Eingliederungserfolg verlangen und
2.
die Einhaltung der Voraussetzungen für die Zulassung des Trägers und der Maßnahme prüfen, indem sie Einsicht in alle die Maßnahme betreffenden Unterlagen des Trägers nimmt.

(2) Die Agentur für Arbeit ist berechtigt, zum Zweck nach Absatz 1 Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Trägers während der Geschäfts- oder Unterrichtszeit zu betreten. Wird die Maßnahme bei einem Dritten durchgeführt, ist die Agentur für Arbeit berechtigt, die Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume des Dritten während dieser Zeit zu betreten. Stellt die Agentur für Arbeit bei der Prüfung der Maßnahme hinreichende Anhaltspunkte für Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften fest, soll sie die zuständige Kontrollbehörde für den Datenschutz hiervon unterrichten.

(3) Die Agentur für Arbeit kann vom Träger die Beseitigung festgestellter Mängel innerhalb einer angemessenen Frist verlangen. Die Agentur für Arbeit kann die Geltung des Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins oder des Bildungsgutscheins für einen Träger ausschließen und die Entscheidung über die Förderung aufheben, wenn

1.
der Träger dem Verlangen nach Satz 1 nicht nachkommt,
2.
die Agentur für Arbeit schwerwiegende und kurzfristig nicht zu behebende Mängel festgestellt hat,
3.
die in Absatz 1 genannten Auskünfte nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig erteilt werden oder
4.
die Prüfungen oder das Betreten der Grundstücke, Geschäfts- und Unterrichtsräume durch die Agentur für Arbeit nicht geduldet werden.

(4) Die Agentur für Arbeit teilt der fachkundigen Stelle und der Akkreditierungsstelle die nach den Absätzen 1 bis 3 gewonnenen Erkenntnisse mit.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 225/03
Verkündet am:
4. März 2004
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Verkehrssicherungspflicht für Straßenbäume (hier: Ursächlichkeit
einer unterlassenen Baumüberprüfung für einen durch das Abbrechen
eines Astes verursachten Verkehrsunfall).
BGH, Urteil vom 4. März 2004 - III ZR 225/03 - OLG Celle
LG Verden
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Galke und Dr. Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Juni 2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der Pkw der Klägerin wurde am 26. August 2000 durch den herabstürzenden Ast eines Alleebaums (Pyramidenpappel) beschädigt. Die Klägerin wirft der beklagten Gemeinde vor, diese habe ihre Straßenverkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie es unterlassen habe, die Alleebäume hinreichend zu kontrollieren. Sie verlangt daher von der Gemeinde Ersatz des ihr entstandenen Schadens von 969,41
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Verfahrensrüge der Revision, in dem angefochtenen Urteil sei der Berufungsantrag der Klägerin nicht hinreichend deutlich wiedergegeben (§ 540 ZPO), ist vom Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet worden; von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
2. Die - in Niedersachsen hoheitlich ausgestaltete (§ 10 NStrG; vgl. auch Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. [2002] § 839 Rn. 668 f) - Straßenverkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf den Schutz vor Gefahren durch Straßenbäume (Senatsurteil vom 21. Januar 1965 - III ZR 217/63 = NJW 1965, 815). Ihre Verletzung ist daher geeignet, Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) zu begründen.

a) Die straßenverkehrssicherungspflichtige Gemeinde muß Bäume oder Teile von ihnen entfernen, die den Verkehr gefährden, insbesondere, wenn sie nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen. Zwar stellt jeder Baum an einer Straße eine mögliche Gefahrenquelle dar, weil durch Naturereignisse sogar gesunde Bäume entwurzelt oder geknickt oder Teile von ihnen abgebrochen werden können. Andererseits ist die Erkrankung oder Vermorschung eines Baumes von außen nicht immer erkennbar; trotz starken Holzzerfalls können die Baumkronen noch völlig grün sein und äußere Krankheits-
zeichen fehlen. Ein verhältnismäßig schmaler Streifen unbeschädigten Kambiums genügt, um eine Baumkrone rundum grün zu halten. Das rechtfertigt aber nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen; denn der Verkehr muß gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt in solchen Fällen nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen (Senatsurteil aaO).

b) Aus diesen Grundsätzen wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte teilweise die Folgerung gezogen, daß eine sorgfältige äußere Gesundheits - und Zustandsprüfung regelmäßig zweimal im Jahr erforderlich ist, nämlich einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand (s. insbesondere OLG Düsseldorf VersR 1992, 467 und 1997, 463 f; OLG Hamm NJW-RR 2003, 968; OLG Brandenburg OLGR 2002, 411; s. auch das Muster einer Dienstanweisung zur Baumüberprüfung, BADK-Information, Sonderheft Haftungsrechtliche Organisation im Interesse der Schadenverhütung, 1997, S.58; vgl. Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. E 149 m.w.N.).

c) Da hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die letzte Kontrollüberprüfung spätestens im Herbst 1999, möglicherweise sogar aber schon im Frühjahr 1999 stattgefunden hatte, liegt es nahe, hier - in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht - eine Verletzung dieser Kontrollpflicht zu bejahen. Diese Frage bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung.
3. Der Amtshaftungsanspruch scheitert nämlich, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, jedenfalls daran, daß die Klägerin die Ursächlichkeit einer etwaigen Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden nicht hat nachweisen können.

a) Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit der Anspruchsteller. Ihm obliegt daher auch der Nachweis, daß bei der zumutbaren Überwachung der Straßenbäume eine Schädigung entdeckt worden wäre (OLG Oldenburg VersR 1977, 845, 846). Wurden die Bäume nicht kontrolliert, so ist dies für das Schadensereignis nur dann kausal, wenn eine regelmäßige Besichtigung zur Entdeckung der Gefahr bzw. der Schädigung des Baumes hätte führen können (OLG Schleswig MDR 1995, 148; zum Ganzen: Staudinger/Hager aaO Rn. E 155).

b) Die Frage, ob und in welchem Umfang dem Geschädigten Beweiserleichterungen , etwa nach Art des Anscheinsbeweises, zugute kommen können (grundsätzlich verneinend: OLG Karlsruhe VersR 1994, 358; Staudinger/Hager aaO), bedarf nach den Besonderheiten des hier zu beurteilenden Sachverhalts keiner abschließenden Klärung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigte grundsätzlich auch den Beweis zu führen, daß ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist. Wenn allerdings die Amtspflichtverletzung und der zeitlich nachfolgende Schaden feststehen, so kann der Geschädigte der öffentlichen Körperschaft den Nachweis überlassen, daß der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht; anderenfalls bleibt die Beweislast beim
Geschädigten (Senatsurteil vom 3. März 1983 - III ZR 34/82 - NJW 1983, 2241, 2242; Staudinger/Wurm aaO Rn.236 m.zahlr.w.N.). Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit hat das Berufungsgericht hier mit Recht ausgeschlossen.
aa) Zwar hatte die Klägerin vorgetragen, die hier in Rede stehenden Alleepappeln stammten aus der Zeit von vor 1939 und hätten eine durchschnittliche Lebensdauer von 70 Jahren. Indessen ist in der Rechtsprechung bereits darauf hingewiesen worden, daß das Alter - und sogar eine Vorschädigung - eines Baumes für sich allein genommen nicht ohne weiteres eine gesteigerte Beobachtungspflicht des Verkehrssicherungspflichtigen erfordern (OLG Stuttgart VersR 1994, 359). Der im ersten Rechtszug vernommene Zeuge S., der für die Beklagte als Baumpfleger tätig war und damit über eine gewisse Sachkunde verfügte, hat anhand der von der Klägerin zu den Akten gereichten Fotos der Unfallstelle, die den abgebrochenen Ast zeigen, bekundet, dieser sei belaubt gewesen und wäre auch bei einer durchgeführten Kontrolle nicht beseitigt worden. Daraus hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung gefolgert, es sei überwiegend unwahrscheinlich, daß der Ast bei einer - unterstellten - ordnungsgemäßen Kontrolle im Frühjahr 2000 als ein solcher aufgefallen wäre, der zu besonderen Sicherungsmaßnahmen Anlaß gegeben hätte. Insbesondere waren auch sonstige Krankheitszeichen, etwa am Stamm, die schon seit längerem hätten beobachtet werden können, nicht behauptet und auch nicht sonst erkennbar.
bb) Vielmehr kam als besonders naheliegende Schadensursache in Betracht , daß der Ast infolge eines zum Unfallzeitpunkt herrschenden Sturmes abgebrochen ist. Beide Vorinstanzen sind nach dem damaligen Sach- und Streitstand von einem solchen Sturm ausgegangen; die dagegen erhobene
Verfahrensrüge der Revision greift nicht durch: In der Klageschrift hatte die Klägerin keine Angaben zu den Witterungsverhältnissen gemacht. Die Beklagte hatte schon in der Klageerwiderung nicht nur einen Sturm behauptet, sondern daraus unter Anführung von Rechtsprechung haftungsrechtlich entlastende Folgerungen für sich gezogen. Die Klägerin war darauf nicht weiter eingegangen ; übergangenen Sachvortrag vermag auch die Revision nicht aufzuzeigen. Dementsprechend hatte schon das Landgericht nach § 138 Abs. 3 ZPO in den unstreitigen Tatbestand aufgenommen, daß Sturm herrschte, und in den Entscheidungsgründen festgestellt, daß der Ast gesund war und auch ohne regelmäßige Sichtkontrollen (gemeint ist: bei regelmäßigen Sichtkontrollen) aufgrund des starken Windes abgefallen wäre. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist von der Klägerin nicht gestellt worden und hätte auch keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht hätte diese Feststellungen seiner Verhandlung und Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), greift, wie der Senat geprüft hat, nicht durch; von einer näheren Begründung wird auch hier abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO). Da es der Klägerin nicht gelungen ist, diese vorrangige Schadensursache auszuräumen, ist ihre Amtshaftungsklage mit Recht abgewiesen worden.
Schlick Wurm Streck Galke Herrmann

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Das Insolvenzgericht hat alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten. Gegen die Anordnung der Maßnahme steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.

(2) Das Gericht kann insbesondere

1.
einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, für den § 8 Absatz 3 und die §§ 56 bis 56b, 58 bis 66 und 269a entsprechend gelten;
1a.
einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, für den § 67 Absatz 2, 3 und die §§ 69 bis 73 entsprechend gelten; zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses können auch Personen bestellt werden, die erst mit Eröffnung des Verfahrens Gläubiger werden;
2.
dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind;
3.
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner untersagen oder einstweilen einstellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind;
4.
eine vorläufige Postsperre anordnen, für die die §§ 99, 101 Abs. 1 Satz 1 entsprechend gelten;
5.
anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen berührt nicht die Wirksamkeit von Verfügungen über Finanzsicherheiten nach § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes und die Wirksamkeit der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren, die in Systeme nach § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden. Dies gilt auch dann, wenn ein solches Rechtsgeschäft des Schuldners am Tag der Anordnung getätigt und verrechnet oder eine Finanzsicherheit bestellt wird und der andere Teil nachweist, dass er die Anordnung weder kannte noch hätte kennen müssen; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Anordnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(3) Reichen andere Maßnahmen nicht aus, so kann das Gericht den Schuldner zwangsweise vorführen und nach Anhörung in Haft nehmen lassen. Ist der Schuldner keine natürliche Person, so gilt entsprechendes für seine organschaftlichen Vertreter. Für die Anordnung von Haft gilt § 98 Abs. 3 entsprechend.

(1) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. In diesem Fall hat der vorläufige Insolvenzverwalter:

1.
das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten;
2.
ein Unternehmen, das der Schuldner betreibt, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden;
3.
zu prüfen, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens decken wird; das Gericht kann ihn zusätzlich beauftragen, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen.

(2) Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne daß dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, so bestimmt das Gericht die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters. Sie dürfen nicht über die Pflichten nach Absatz 1 Satz 2 hinausgehen.

(3) Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner hat dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen; die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1, 2, Abs. 2 gelten entsprechend.

(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:

1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören;
2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß;
3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.

(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.

(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.

(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:

1.
sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben,
2.
bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern,
3.
die Luftverkehr- und die Kraftfahrzeugsteuer und
4.
die Lohnsteuer.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.

(1) Die Parteien können die Prozessakten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.

(2) Dritten Personen kann der Vorstand des Gerichts ohne Einwilligung der Parteien die Einsicht der Akten nur gestatten, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird.

(3) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, gewährt die Geschäftsstelle Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akte wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Eine Entscheidung über einen Antrag nach Satz 3 ist nicht anfechtbar.

(4) Die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die zu ihrer Vorbereitung gelieferten Arbeiten sowie die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV AR(VZ) 1/06
vom
5. April 2006
in der Justizverwaltungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
Auch nach Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels
Masse besteht für einen Gläubiger der Insolvenzschuldnerin das
rechtliche Interesse im Sinne der §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO an der
Einsicht in die Insolvenzakten fort. Dieses rechtliche Interesse entfällt
nicht dadurch, dass der Gläubiger die Akteneinsicht begehrt, um festzustellen
, ob ihm Durchgriffs- und Schadensersatzansprüche gegen
Dritte, insbesondere Geschäftsführer oder Gesellschafter der Schuldnerin
, zustehen.
BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - IV AR(VZ) 1/06 - OLG Dresden
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert und Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 5. April 2006

beschlossen:
1. Der Bescheid des Antragsgegners vom 15. September 2005 wird aufgehoben.
2. Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antrag auf Einsicht in die Insolvenzakte … des Amtsgerichts Chemnitz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
3. Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers werden der Staatskasse auferlegt.
4. Der Geschäftswert wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Antragsteller begehrt Einsicht in die Akten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der J. & N. GmbH (im Folgenden : Schuldnerin). Deren Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfah- rens hat das Amtsgericht Chemnitz im Oktober 2002 mangels Masse abgelehnt.
2
1. Der Antragsteller behauptet unter Vorlage eines Subunternehmervertrages und seiner Schlussrechnung vom 14. Mai 2002, er habe gegen die Schuldnerin wegen der Gestaltung einer Außenanlage noch offene, nicht titulierte Forderungen in Höhe von insgesamt 24.455,81 €. Sein Akteneinsichtsgesuch hat er darauf gestützt, er wolle prüfen, ob er den Geschäftsführer der Schuldnerin auf Schadensersatz in Anspruch nehmen könne. Letzterer hat namens der Schuldnerin der Akteneinsicht widersprochen.
3
Mit 2. dem angefochtenen Bescheid hat der Antragsgegner den Antrag auf Akteneinsicht zurückgewiesen, weil das dafür nach den §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO erforderliche rechtliche Interesse für einen nicht am Insolvenzverfahren beteiligten Dritten wie den Antragsteller dann nicht bestehe, wenn er lediglich die Prüfung möglicher Durchgriffs- und Schadensersatzansprüche gegen Organe der Schuldnerin bezwecke. In diesem Falle werde lediglich ein wirtschaftliches Interesse verfolgt, das mit dem Gegenstand des Insolvenzverfahrens rechtlich nicht verbunden sei.
4
3. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG, mit dem er weiter geltend macht, ihm sei mit der Ablehnung seines Akteneinsichtsgesuchs auch die Prüfung abgeschnitten, ob die Schuldnerin noch pfändbare Ansprüche gegen ihre Geschäftsführer und Gesellschafter habe.

5
Das 4. Oberlandesgericht Dresden möchte dem Antrag insoweit stattgeben, als es den angegriffenen Bescheid aufheben und den Antragsgegner verpflichten will, das Akteneinsichtsgesuch mit der Maßgabe neu zu bescheiden, dass bei einem Gläubiger der Schuldnerin eines Insolvenzverfahrens regelmäßig das von den §§ 4 InsO, 299 Abs. 2 ZPO geforderte rechtliche Interesse für eine Akteneinsicht zu bejahen und deshalb die - hier bisher unterbliebene - Ermessensprüfung nach den genannten Vorschriften eröffnet sei. Dass dem Gläubiger mit der Einsicht in die Insolvenzakten zugleich die Prüfung von Durchgriffsansprüchen gegen Organe der Schuldnerin ermöglicht werde, könne das allein schon aus der Gläubigerstellung erwachsende rechtliche Interesse nicht beseitigen. Insoweit mache es keinen Unterschied, ob ein Gläubiger diesen Aspekt in seinem Akteneinsichtsgesuch offen anspreche oder bewusst verschweige.
6
So zu entscheiden sieht sich das Oberlandesgericht jedoch durch Entscheidungen der Oberlandesgerichte Köln (WM 1998, 1091, 1092) und Celle (NZI 2000, 319) sowie des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (ZIP 2002, 2320, 2321) gehindert. Es hat deshalb die Sache nach § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
7
II. Die Vorlage erfüllt die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 Satz 2 EGGVG (vgl. dazu BGHZ 77, 209, 210 f.; BGH, Beschlüsse vom 18. Februar 1998 - IV AR(VZ) 2/97 - ZIP 1998, 961 unter II 1 und vom 12. Oktober 1988 - IVb ZB 37/88 - NJW 1989, 668 unter III m.w.N.). Die begehrte Stellungnahme des Bundesgerichtshofs ist nicht nur für die zu treffende treffende Entscheidung des Falles erheblich, sondern die Rechtsauffassung , von der das vorlegende Oberlandesgericht abweichen will, war auch die Grundlage für die vorausgegangene Entscheidung des anderen Gerichts, dessen Entscheidung auf der abweichenden Beurteilung der Rechtsfrage beruhte.
8
Jedenfalls in den Entscheidungen vom 25. Juli 2000 (11 VA 7/00 - ZIP 2000, 1541 f.) und 5. September 2002 (11 VA 11/02 - ZIP 2002, 2320) hat das Brandenburgische Oberlandesgericht Gläubigern (nicht titulierter Forderungen) von Schuldnern Einsicht in die Insolvenzakten mit der Begründung versagt, es fehle (ungeachtet der Gläubigerstellung) an einem rechtlichen Interesse im Sinne von § 299 Abs. 2 ZPO, wenn das Akteneinsichtsgesuch auf die Prüfung von Durchgriffs- und Schadensersatzansprüchen gegen Organe der Schuldner gestützt werde. In beiden Fällen hat das Brandenburgische Oberlandesgericht allein die Gläubigerstellung der dortigen Antragsteller nicht als ausreichend angesehen, um das geforderte rechtliche Interesse zu bejahen.
9
Ob auch die Entscheidungen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. August 2001 (11 VA 10/01 - ZIP 2001, 1922) sowie des Thüringer Oberlandesgerichts vom 4. Juli 2002 (8 VA 1/02 - ZVI 2002, 318), ferner der Oberlandesgerichte Köln vom 18. August 1997 (7 VA 4/97 - NJW-RR 1998, 407 = NZG 1998, 156) und Celle vom 28. Oktober 1999 (16 VA 2/99 - NZI 2000, 319 = OLGR 2000, 58), die beide im Ergebnis danach differenzieren, ob der Antragsteller ausdrücklich erklärt, er wolle die Vermögenslage der Schuldnerin prüfen (vgl. insoweit OLG Köln ZIP 1999, 1449 und OLG Celle ZIP 2002, 446) oder ob er sich in erster Linie auf die Prüfung von Durchgriffsansprüchen gegen Dritte stützt, der beabsichtigten Entscheidung des vorlegenden Oberlandesgerichts entgegengestanden hätten, kann offen bleiben.
10
Nach § 29 Abs. 1 Satz 3 EGGVG hat der Senat an Stelle des vorlegenden Oberlandesgerichts zu entscheiden.
11
III. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach den §§ 23, 24, 26 EGGVG zulässig und begründet.
12
In der Sache selbst schließt sich der Senat der Auffassung des vorlegenden Gerichts an. Deshalb waren der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Sache zur erneuten Bescheidung an den Antragsgegner zurückzuverweisen. Dieser hat zu Unrecht das nach den §§ 4 InsO , 299 Abs. 2 ZPO erforderliche rechtliche Interesse verneint und deshalb die ihm nach den genannten Vorschriften eröffnete Ermessensprüfung unterlassen. Sie ist nunmehr nachzuholen und setzt insbesondere voraus, dass der Schuldnerin zunächst im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Gelegenheit gegeben wird, ihr Geheimhaltungsinteresse geltend zu machen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. Februar 1998 aaO unter II 2). Da dies bisher nicht geschehen ist, kam eine abschließende Sachentscheidung durch den Senat nicht in Betracht (vgl. § 28 Abs. 3 EGGVG).
13
1. Der Antragsteller hat, wie das Oberlandesgericht näher dargelegt hat, ausreichend glaubhaft gemacht, dass er Gläubiger der Schuldnerin ist.

14
Schon daraus folgt ein ausreichendes rechtliches Interesse an der Akteneinsicht im Sinne von § 299 Abs. 2 ZPO i.V. mit § 4 InsO.
15
Vorschrift Die setzt voraus, dass persönliche Rechte des Antragstellers durch den Akteninhalt berührt werden. Dabei muss sich das rechtliche Interesse aus der Rechtsordnung selbst ergeben und verlangt als Mindestbedingung ein auf Rechtsnormen beruhendes oder durch solche geregeltes gegenwärtiges Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache (BGHZ 4, 323, 325; HansOLG Hamburg ZIP 2002, 266, 267; Brandenburgisches OLG ZIP 2000, 1541, 1542; OLG Köln NJW-RR 1998, 407 m.w.N.).
16
DieGläubigerste llung des Antragstellers schafft eine solche unmittelbare rechtliche Beziehung zur Schuldnerin. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte ihm als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) das Akteneinsichtsrecht nach §§ 4 InsO i.V. mit 299 Abs. 1 ZPO zugestanden. In dem auf gemeinschaftliche Befriedigung aller Gläubiger gerichteten Verfahren (§ 1 InsO) nimmt jeder von ihnen an den Vor- und Nachteilen des Verfahrens teil, unabhängig davon, ob er seine Forderung angemeldet hat. Auch nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse muss aber dem Antragsteller die Möglichkeit erhalten bleiben , Einsicht in die Insolvenzakte zu nehmen. Denn es ist weiterhin nicht auszuschließen, dass der Antragsteller seine Forderung noch realisieren kann. Sie besteht fort und hat jedenfalls dann noch Aussicht auf erfolgreiche Beitreibung, wenn sich herausstellt, dass noch Gesellschaftsvermögen der Schuldnerin vorhanden ist (vgl. für den Fall einer im Handelsregister gelöschten GmbH BGHZ 53, 264, 266). Das gilt selbst dann, wenn zur Realisierung eines Vermögensgegenstandes der Schuldnerin ein Aktivprozess notwendig sein sollte (HansOLG aaO m.w.N.). Solange Gesellschaftsvermögen der Schuldnerin noch vorhanden ist, führt selbst deren Löschung nicht zugleich zur Beendigung der Gesellschaft.
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Nach einhelliger Auffassung muss ein Gläubiger gerade dann, wenn er gegen eine im Handelsregister gelöschte Gesellschaft noch Forderungen geltend machen will, darlegen, dass die Gesellschaft noch Vermögen hat. Die Rechtsprechung lässt insoweit bloße unsubstantiierte Behauptungen schon deshalb nicht genügen, weil Gläubiger sonst zeitlich unbegrenzt vermögensrechtliche Ansprüche gegen eine gelöschte Gesellschaft geltend machen könnten (HansOLG Hamburg ZIP 2002, 266, 268). Auch mit Blick auf diese Vortragslast kann dem Antragsteller das Interesse an der Einsicht in die Insolvenzakte nicht abgesprochen werden.
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Wollte man von einem Gläubiger zur Darlegung seines rechtlichen Interesses verlangen, er müsse über die Glaubhaftmachung seiner Gläubigerposition hinaus weitere Umstände benennen, die bereits den Erfolg der Akteneinsicht im Sinne einer Feststellung noch vorhandenen Gesellschaftsvermögen wahrscheinlich machen, verlangte man in vielen Fällen Unzumutbares, da dem Gläubiger die entsprechenden Kenntnisse fehlen, wie gerade sein Begehren nach Akteneinsicht zeigt (HansOLG Hamburg aaO; OLG Dresden ZIP 2003, 39, 41; OLG Celle ZIP 2002, 446 f.). Dementsprechend ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte im Grundsatz außer Streit, dass der Gläubiger eines insolventen Schuldners auch bei Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ein rechtliches Interesse an der Einsicht in die Insolvenzakte hat, das er zur ordnungsgemäßen Begründung eines Akteneinsichtsgesuchs nicht weitergehend darlegen muss (vgl. u.a. Brandenburgisches OLG ZIP 1998, 962; OLG Braunschweig ZIP 1997, 894; OLG Dresden aaO m.w.N.; OLG Düsseldorf ZIP 2000, 322; HansOLG Hamburg aaO; OLG Hamm ZIP 2004, 283; OLG Köln ZIP 1999, 1449). Dass seine Forderung nicht tituliert ist, steht dem rechtlichen Interesse an der Akteneinsicht nicht entgegen (vgl. dazu Graf/Wunsch aaO S. 1801 m.w.N. in Fn. 19).
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Dieses 2. rechtliche Interesse des Gläubigers entfällt nicht deshalb , weil er, wie der Antragsteller, mit seinem Akteneinsichtsgesuch - möglicherweise sogar vorrangig - das Ziel verfolgt, festzustellen, ob ihm Durchgriffs- und Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter der Schuldnerin zustehen, etwa wegen Verletzung der Pflicht, rechtzeitig den Insolvenzantrag zu stellen.
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Anders als das Brandenburgische Oberlandesgericht (ZIP 2000, 1541 f.; ZIP 2001, 1922 ff. und ZIP 2002, 2320 f.) und die Oberlandesgerichte Celle (NZI 2000, 319 und ZIP 2002, 446) und Köln (NJW-RR 1998, 407 und ZIP 1999, 1449) offenbar annehmen, lässt sich das Gläubigerinteresse nicht aufspalten in ein rechtliches Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO an der Feststellung, ob noch Vermögen bei der Schuldnerin vorhanden ist und ein - von § 299 Abs. 2 ZPO nicht geschütztes - rein wirtschaftliches Interesse an der Prüfung der Erfolgsaussichten von Schadensersatzansprüchen gegen Dritte, insbesondere Organe der Schuldnerin. Vielmehr stehen solche Schadensersatzansprüche meist in einem rechtlich untrennbaren Zusammenhang mit der zugrunde liegenden Forderung des Gläubigers.

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Das zeigt gerade der vorliegende Fall. Der Antragsteller hat sich gegenüber dem Antragsgegner auf seine Gläubigerstellung berufen und angegeben, er ziehe in Erwägung, wegen seines erheblichen Forderungsausfalls Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführer der Schuldnerin zu erheben.
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Grundlegende Voraussetzung solcher Schadensersatzansprüche ist, dass der Antragsteller einen Schaden erlitten hat. Ein solcher scheidet aber aus, soweit der Antragsteller seine Forderung noch beitreiben kann. Daran zeigt sich, dass auch insoweit die Frage der Vermögenslage der Schuldnerin im Mittelpunkt des Interesses des Antragstellers steht. Angesichts dessen vermag sich der Senat in Übereinstimmung mit dem vorlegenden Oberlandesgericht der Wertung nicht anzuschließen, der Gläubiger verfolge, wenn er die Akteneinsicht lediglich mit Blick auf solche Schadensersatzansprüche begehre, ein ausschließlich wirtschaftliches , gemessen am Zweck des Insolvenzverfahrens sachwidriges Interesse (so aber im Ergebnis Brandenburgisches OLG aaO; OLG Köln aaO; OLG Celle NZI 2000, 319 f.). Die Gegenmeinung verkennt, dass das Insolvenzverfahren gerade auch dem Zweck dient, den Gläubiger vor Schäden im Zusammenhang mit dem Ausfall von Forderungen, die ihm gegen die Schuldnerin zustehen, zu schützen, solche Schäden jedenfalls zu mindern. Schon deshalb besteht auch ein rechtlicher Zusammenhang - und in Bezug darauf auch ein von § 299 Abs. 2 ZPO geschütztes rechtliches Interesse - zwischen der zugrunde liegenden Forderung eines Insolvenzgläubigers und dem Schadensersatzanspruch, den er bei Forderungsausfall erheben will.

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Dass ein Gläubiger durch Einsicht in die Insolvenzakte sowohl Informationen über die Schuldnerin als auch über sonstige Dritte gewinnen kann, ist, hinzunehmen, weil anderenfalls dem schutzwürdigen rechtlichen Interesse des Gläubigers im Verhältnis zum Schuldner nicht entsprochen und der Gläubiger dadurch im Verhältnis zu diesem in seinem Recht auf Akteneinsicht verletzt würde (so auch HansOLG Hamburg aaO). Soweit das Brandenburgische Oberlandesgericht (ZIP 2001, 1922 ff.) aus den weit reichenden (und selbst strafprozessuale Aussageverweigerungsrechte nicht berücksichtigenden) Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners und seiner Organe nach § 97 Abs. 1 InsO ein besonderes Geheimhaltungsinteresse ableitet, muss sich der Antragsteller als Gläubiger der Schuldnerin dies schon deshalb nicht entgegenhalten lassen, weil die genannten Pflichten gerade auch seinen Schutz bezwecken.
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3. Hier kommt noch hinzu, dass sich der Antragsteller darauf beruft , er wolle prüfen, ob der Schuldnerin pfändbare Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer und Gesellschafter zustehen, auf die er im Falle der Zwangsvollstreckung zugreifen könnte. Jedenfalls insoweit würde es sich um Vermögen der Schuldnerin handeln, dessen Ermittlung vom Gläubigerinteresse ohne weiteres gedeckt ist.
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IV.ÜberGerichtskosten ist nicht zu befinden, da bei einem erfolgreichen Antrag auf gerichtliche Entscheidung Gerichtskosten nicht anfallen (Gummer in Zöller aaO § 30 EGGVG Rdn. 1). Der Senat hält es für angezeigt, der Staatskasse die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers aufzuerlegen (§ 30 Abs. 2 EGGVG).

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Festsetzung Die des Geschäftswerts beruht auf §§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 KostO.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanz:
OLG Dresden, Entscheidung vom 31.01.2006 - 3 VA 8/05 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Kann der Gläubiger die Sicherheit nach § 709 nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten leisten, so ist das Urteil auf Antrag auch ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn die Aussetzung der Vollstreckung dem Gläubiger einen schwer zu ersetzenden oder schwer abzusehenden Nachteil bringen würde oder aus einem sonstigen Grund für den Gläubiger unbillig wäre, insbesondere weil er die Leistung für seine Lebenshaltung oder seine Erwerbstätigkeit dringend benötigt.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.