Bundesgerichtshof Urteil, 04. März 2004 - III ZR 225/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Pkw der Klägerin wurde am 26. August 2000 durch den herabstürzenden Ast eines Alleebaums (Pyramidenpappel) beschädigt. Die Klägerin wirft der beklagten Gemeinde vor, diese habe ihre Straßenverkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie es unterlassen habe, die Alleebäume hinreichend zu kontrollieren. Sie verlangt daher von der Gemeinde Ersatz des ihr entstandenen Schadens von 969,41
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Verfahrensrüge der Revision, in dem angefochtenen Urteil sei der Berufungsantrag der Klägerin nicht hinreichend deutlich wiedergegeben (§ 540 ZPO), ist vom Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet worden; von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
2. Die - in Niedersachsen hoheitlich ausgestaltete (§ 10 NStrG; vgl. auch Staudinger/Wurm, BGB, 13. Bearb. [2002] § 839 Rn. 668 f) - Straßenverkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf den Schutz vor Gefahren durch Straßenbäume (Senatsurteil vom 21. Januar 1965 - III ZR 217/63 = NJW 1965, 815). Ihre Verletzung ist daher geeignet, Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) zu begründen.
a) Die straßenverkehrssicherungspflichtige Gemeinde muß Bäume oder Teile von ihnen entfernen, die den Verkehr gefährden, insbesondere, wenn sie nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen. Zwar stellt jeder Baum an einer Straße eine mögliche Gefahrenquelle dar, weil durch Naturereignisse sogar gesunde Bäume entwurzelt oder geknickt oder Teile von ihnen abgebrochen werden können. Andererseits ist die Erkrankung oder Vermorschung eines Baumes von außen nicht immer erkennbar; trotz starken Holzzerfalls können die Baumkronen noch völlig grün sein und äußere Krankheits-
zeichen fehlen. Ein verhältnismäßig schmaler Streifen unbeschädigten Kambiums genügt, um eine Baumkrone rundum grün zu halten. Das rechtfertigt aber nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen; denn der Verkehr muß gewisse Gefahren, die nicht durch menschliches Handeln entstehen, sondern auf Gegebenheiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unvermeidbar hinnehmen. Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt in solchen Fällen nur dann vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen (Senatsurteil aaO).
b) Aus diesen Grundsätzen wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte teilweise die Folgerung gezogen, daß eine sorgfältige äußere Gesundheits - und Zustandsprüfung regelmäßig zweimal im Jahr erforderlich ist, nämlich einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand (s. insbesondere OLG Düsseldorf VersR 1992, 467 und 1997, 463 f; OLG Hamm NJW-RR 2003, 968; OLG Brandenburg OLGR 2002, 411; s. auch das Muster einer Dienstanweisung zur Baumüberprüfung, BADK-Information, Sonderheft Haftungsrechtliche Organisation im Interesse der Schadenverhütung, 1997, S.58; vgl. Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. E 149 m.w.N.).
c) Da hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die letzte Kontrollüberprüfung spätestens im Herbst 1999, möglicherweise sogar aber schon im Frühjahr 1999 stattgefunden hatte, liegt es nahe, hier - in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht - eine Verletzung dieser Kontrollpflicht zu bejahen. Diese Frage bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung.
3. Der Amtshaftungsanspruch scheitert nämlich, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, jedenfalls daran, daß die Klägerin die Ursächlichkeit einer etwaigen Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden nicht hat nachweisen können.
a) Darlegungs- und beweispflichtig ist insoweit der Anspruchsteller. Ihm obliegt daher auch der Nachweis, daß bei der zumutbaren Überwachung der Straßenbäume eine Schädigung entdeckt worden wäre (OLG Oldenburg VersR 1977, 845, 846). Wurden die Bäume nicht kontrolliert, so ist dies für das Schadensereignis nur dann kausal, wenn eine regelmäßige Besichtigung zur Entdeckung der Gefahr bzw. der Schädigung des Baumes hätte führen können (OLG Schleswig MDR 1995, 148; zum Ganzen: Staudinger/Hager aaO Rn. E 155).
b) Die Frage, ob und in welchem Umfang dem Geschädigten Beweiserleichterungen , etwa nach Art des Anscheinsbeweises, zugute kommen können (grundsätzlich verneinend: OLG Karlsruhe VersR 1994, 358; Staudinger/Hager aaO), bedarf nach den Besonderheiten des hier zu beurteilenden Sachverhalts keiner abschließenden Klärung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigte grundsätzlich auch den Beweis zu führen, daß ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist. Wenn allerdings die Amtspflichtverletzung und der zeitlich nachfolgende Schaden feststehen, so kann der Geschädigte der öffentlichen Körperschaft den Nachweis überlassen, daß der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht; anderenfalls bleibt die Beweislast beim
Geschädigten (Senatsurteil vom 3. März 1983 - III ZR 34/82 - NJW 1983, 2241, 2242; Staudinger/Wurm aaO Rn.236 m.zahlr.w.N.). Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit hat das Berufungsgericht hier mit Recht ausgeschlossen.
aa) Zwar hatte die Klägerin vorgetragen, die hier in Rede stehenden Alleepappeln stammten aus der Zeit von vor 1939 und hätten eine durchschnittliche Lebensdauer von 70 Jahren. Indessen ist in der Rechtsprechung bereits darauf hingewiesen worden, daß das Alter - und sogar eine Vorschädigung - eines Baumes für sich allein genommen nicht ohne weiteres eine gesteigerte Beobachtungspflicht des Verkehrssicherungspflichtigen erfordern (OLG Stuttgart VersR 1994, 359). Der im ersten Rechtszug vernommene Zeuge S., der für die Beklagte als Baumpfleger tätig war und damit über eine gewisse Sachkunde verfügte, hat anhand der von der Klägerin zu den Akten gereichten Fotos der Unfallstelle, die den abgebrochenen Ast zeigen, bekundet, dieser sei belaubt gewesen und wäre auch bei einer durchgeführten Kontrolle nicht beseitigt worden. Daraus hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung gefolgert, es sei überwiegend unwahrscheinlich, daß der Ast bei einer - unterstellten - ordnungsgemäßen Kontrolle im Frühjahr 2000 als ein solcher aufgefallen wäre, der zu besonderen Sicherungsmaßnahmen Anlaß gegeben hätte. Insbesondere waren auch sonstige Krankheitszeichen, etwa am Stamm, die schon seit längerem hätten beobachtet werden können, nicht behauptet und auch nicht sonst erkennbar.
bb) Vielmehr kam als besonders naheliegende Schadensursache in Betracht , daß der Ast infolge eines zum Unfallzeitpunkt herrschenden Sturmes abgebrochen ist. Beide Vorinstanzen sind nach dem damaligen Sach- und Streitstand von einem solchen Sturm ausgegangen; die dagegen erhobene
Verfahrensrüge der Revision greift nicht durch: In der Klageschrift hatte die Klägerin keine Angaben zu den Witterungsverhältnissen gemacht. Die Beklagte hatte schon in der Klageerwiderung nicht nur einen Sturm behauptet, sondern daraus unter Anführung von Rechtsprechung haftungsrechtlich entlastende Folgerungen für sich gezogen. Die Klägerin war darauf nicht weiter eingegangen ; übergangenen Sachvortrag vermag auch die Revision nicht aufzuzeigen. Dementsprechend hatte schon das Landgericht nach § 138 Abs. 3 ZPO in den unstreitigen Tatbestand aufgenommen, daß Sturm herrschte, und in den Entscheidungsgründen festgestellt, daß der Ast gesund war und auch ohne regelmäßige Sichtkontrollen (gemeint ist: bei regelmäßigen Sichtkontrollen) aufgrund des starken Windes abgefallen wäre. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist von der Klägerin nicht gestellt worden und hätte auch keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht hätte diese Feststellungen seiner Verhandlung und Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), greift, wie der Senat geprüft hat, nicht durch; von einer näheren Begründung wird auch hier abgesehen (§ 564 Satz 1 ZPO). Da es der Klägerin nicht gelungen ist, diese vorrangige Schadensursache auszuräumen, ist ihre Amtshaftungsklage mit Recht abgewiesen worden.
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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.
(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.