Oberlandesgericht Rostock Urteil, 20. Apr. 2018 - 20 RR 16/18

bei uns veröffentlicht am20.04.2018

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft Schwerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerin vom 27.04.2017, soweit dieses den Angeklagten P. betrifft, wird auf Kosten der Landeskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Schwerin hat den Angeklagten P. mit Urteil vom 27.04.2017 aus rechtlichen Gründen vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hielt die Präsidentin des Landtages am 28.06.2011 eine Rede zur Erinnerung an den 70. Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion. In einem Zwischenruf thematisierte der ehemalige Angeklagte und Landtagsabgeordnete der NPD Pa. die „Kulakenvernichtung“ und den anschließenden „Hunger in der Sowjetunion“. Wegen eines akustischen Missverständnisses ging die Präsidentin davon aus, dass in dem Zwischenruf des ehemaligen Angeklagten Pa. von einer „Polackenvernichtung“ die Rede gewesen sei und schloss ihn deshalb von der laufenden Sitzung aus.

2

Gegenüber zwei Mitarbeitern der NPD kommentierte der ehemalige Angeklagte Pa. im unmittelbaren Anschluss an diese Maßnahme noch im Plenarsaal die Maßnahme der Präsidentin wie folgt: „Die Frau B. ist in ihrer Amtsführung und in ihrem geschichtlichem Wissen extrem einfach strukturiert. Sie ist zu unparteiischer Sitzungsleitung nicht fähig und missbraucht ihre Stellung als Landtagspräsidentin in einer unglaublich dreisten Art und Weise. Diese Frau hätte der nicht frei gewählten Volkskammer alle Ehre gemacht. In einem Landtag, der vorgibt demokratisch zu sein, hat eine solche Gesinnungsextremistin eigentlich nichts zu suchen.“

3

Der Angeklagte P. veröffentlichte den Kommentar des ehemaligen Angeklagten Pa. auf der Internetseite www.mupinfo.de, für die er gemäß 55 Abs. 2 RStV als Verantwortlicher benannt war.

4

Durch Beschluss vom 20.03.2018 hat der Senat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren gegen den ehemaligen Angeklagten Pa. gemäß § 206a StPO eingestellt, weil es für die in der Anklageschrift ihm zur Last gelegten Tat an einem Strafantrag der Präsidentin fehlte.

5

Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Sprungrevision zu Ungunsten des Angeklagten P. die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Schwerin. Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel insoweit beigetreten.

II.

6

Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Sache keinen Erfolg. Soweit das Amtsgericht den Angeklagten P. aus rechtlichen Gründen freigesprochen hat, ist dagegen aus revisionsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.

1.

7

Verfolgungsverjährung, die der Senat auf die Sachrüge hin von Amts wegen zu berücksichtigen hat (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20. Juli 1995 - 4St RR 4/95 -, Rn. 24, juris), ist nicht eingetreten.

8

Gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 1 LPrG MV verjährt die Verfolgung von strafbaren Handlungen, die durch die Veröffentlichung oder Verbreitung von Druckwerken strafbaren Inhalts begangen werden, bei Verbrechen in einem Jahr und bei Vergehen in sechs Monaten. Die inkriminierte Internetseite, bei der es an einer stofflichen Verkörperung fehlt, ist nicht als Druckwerk i.S.v. § 6 Abs. 1 und 2 LPrG M-V zu qualifizieren. Gemäß § 6 Abs. 1 LPrG M-V sind Druckwerke alle mittels der Buchdruckerpresse oder eines sonstigen zur Massenherstellung geeigneten Vervielfältigungsverfahrens hergestellten und zur Verbreitung bestimmten Schriften, besprochene Tonträger, bildliche Darstellungen mit und ohne Schrift und Musikalien mit Text oder Erläuterungen. Darunter fallen keine elektronischen Medien wie die von dem Angeklagten P. im Internet verbreitete Pressemitteilung des ehemaligen Angeklagten Pa..

9

§ 6 Abs. 2 LPrG M-V ist nicht einschlägig, weil der ehemalige Angeklagte Pa. nicht für die dort genannten Agenturen und Hilfsunternehmen der Presse tätig war.

10

Nicht verkörperte elektronische Publikationen unterfallen vielmehr dem Begriff der Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten i.S.v. § 55 Abs. 2 Satz 1 RStV M-V (Löffler/Lehr, Presserecht, 6. Auflg., § 7 Rn. 36). Die presserechtliche Verjährungsfrist findet auf Inhaltsdelikte, die über Hörfunk und Telemedien verbreitet werden, in Mecklenburg-Vorpommern keine Anwendung, weil es an einer Verweisungsnorm fehlt. Die Landespressegesetze anderer Länder (vgl. etwa § 25 Satz 1 PresseG BW) haben das anders geregelt (vgl. die Übersicht in: Soehring/Hoene, Presserecht, 5. Auflg., § 26 Rn. 18).

11

Die Verjährungsfrist des § 22 Abs. 1 Nr. 1 LPrG MV ist auch nicht analog auf elektronische Medien anzuwenden. Die Interessenlage ist zwar gleich, weil viele Presseunternehmen ihre Produkte sowohl als Printmedien als auch als Online-Angebote vertreiben. Der Bundesgerichtshof hat eine Analogie allerdings ohne Begründung verneint (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 -, BGHSt 46, 212-225, Rn. 21). Gegen eine Analogie spricht, dass es an einer § 11 Abs. 3 StGB entsprechenden Gleichstellungsvorschrift fehlt (Löffler/Kühl, a.a.O., Rn. 31). Dort sind u.a. Datenspeicher, jedoch keine elektronischen Medien ohne Speicherung erfasst. Auch das Bestehen einer Regelungslücke ist nicht anzunehmen, weil der Landesgesetzgeber in § 22 LPrG M-V, im Gegensatz zu anderen Ländern, von einer Verweisung auf Telemedien abgesehen hat. Allerdings wäre es aus Sicht des Senats bedenkenswert, wenn der Landesgesetzgeber de lege ferenda ebenfalls, etwa durch eine Verweisung des § 22 LPrG auf die Telemedien, eine Gleichbehandlung von Druckwerken und elektronischen Medien gewährleistete.

2.

12

Weiter liegt entgegen der Auffassung der Verteidigung ein wirksamer Strafantrag der Verletzten (§ 194 Abs. 1 Satz 1 StGB) vor. Das Schreiben der Landtagspräsidentin vom 23.08.2011 bringt das Begehren eines strafrechtlichen Einschreitens wegen einer bestimmten Handlung (vgl. Fischer, a.a.O., § 77 Rn 24) deutlich zum Ausdruck. Eher fernliegend ist die Auffassung der Verteidigung, aus der Verwendung des Briefkopfs der Landtagspräsidentin ergebe sich, dass diese bei der Antragstellung nicht in eigenem Namen, sondern für das Land Mecklenburg-Vorpommern gehandelt habe. Die Landtagspräsidentin vertritt das Land gemäß Art. 29 Abs. 5 Verf MV lediglich in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten des Landtages, ansonsten ist das Sache des Ministerpräsidenten (Art. 47 Abs. 1 Satz 1 Verf MV). Die Verteidigung übersieht, dass der Angeklagte die Geschädigte nicht als Privatperson, sondern in deren Funktion als Landtagspräsidentin angegriffen hat. Ohne Erfolg verweist die Verteidigung auf den Antrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, den das Oberlandesgericht mangels Aktivlegitimation des Verfügungsklägers in zweiter Instanz verworfen hat. Im Zivilverfahren ergibt sich die Person des Klägers in der Regel eindeutig aus dem Rubrum. Anders ist es beim Strafantrag, der der Auslegung zugänglich ist (RG, Urteil vom 07. April 1930 - III 165/30 -, RGSt 64, 106, 107).

3.

13

Mit rechtsfehlerfreier Begründung ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Äußerung des ehemaligen Angeklagten Pa. nicht gemäß § 185 StGB strafbar und deshalb der Angeklagte P. freizusprechen war .

a)

14

Obwohl die Äußerung des ehemaligen Angeklagten Pa. einen Angriff auf die Ehre der Landtagspräsidentin darstellt, ist sie gemäß § 193 StGB gerechtfertigt. Das Amtsgericht hat sich einer von Verfassung wegen gebotenen zutreffenden einzelfallorientierten Auslegung des § 193 StGB bedient und sich danach an einer Verurteilung des Angeklagten P. gehindert gesehen.

15

Gemäß § 193 StGB sind tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von Seiten eines Beamten und ähnliche Fälle nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht. Danach ist nicht jede ehrherabsetzende Äußerung gemäß § 185 StGB strafbar. Der Ehrenschutz des Opfers einer Beleidigung steht nämlich regelmäßig im Widerstreit mit der Äußerungsfreiheit des Täters, die ihrerseits dem besonderen Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterliegt (Senatsbeschluss vom 09. September 2016 - 20 RR 66/16 -, Rn. 31, juris). Hier greift der Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG, weil der ehemalige Angeklagte Pa. ein Werturteil und damit eine Meinungsäußerung kundgetan hat (vgl. dazu: Senatsbeschluss, a.a.O., Rn. 32). Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt daher eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und der persönlichen Ehre des von der Äußerung Betroffenen andererseits gerecht wird (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 06. Juni 2017 - 1 BvR 180/17 -, Rn. 12, juris).

aa)

16

Bei herabsetzenden Äußerungen allerdings, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung erweisen, tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurück. Jedoch macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, Rn. 28, juris). Im hier einschlägigen politischen Meinungskampf sind einprägsame und auch starke Formulierungen grundsätzlich hinzunehmen (Fischer, a.a.O., § 185 Rn. 17a). Das hat das Amtsgericht beachtet. Die konkret für strafwürdig erachteten Äußerungen verlieren nicht jeden Bezug zum kritisierten Geschehen - dem Ausschluss des ehemaligen Angeklagten Pa. durch die Landtagspräsidentin von der weiteren Teilnahme an der Sitzung -, mögen sie auch scharf und überzogen sein (vgl. dazu: BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 24. Juli 2013 - 1 BvR 444/13 -, Rn. 22, juris). Diese Einschätzung teilt auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 09.03.2018.

bb)

17

Ohne Erfolg gibt die Generalstaatsanwaltschaft zu bedenken, dass das Amtsgericht das Ausmaß der Beeinträchtigung der persönlichen Ehre der Landtagspräsidentin nicht in die Abwägung eingestellt habe. Der Vergleich mit der Volkskammer der ehemaligen DDR, dem Parlament eines scheindemokratischen, totalitären Einheitsparteienstaates, und die Bezeichnung als Gesinnungsextremistin verletzen die Landtagspräsidentin zwar in ihrem Ansehen, ihrem Ruf und ihrem sozialen Achtungsanspruch (LG Rostock, Urteil vom 04. April 2012 - 3 O 748/11 (2) -, Rn. 23, juris). Ferner ist der Generalstaatsanwaltschaft zuzugeben, dass die vom Angeklagten P. billigend (vgl. zum Zu-eigen-Machen von beleidigenden Fremdäußerungen: LG Frankfurt, Urteil vom 31. Juli 2008 - 2-03 O 221/08 -, Rn. 19, juris; vgl. zur Verbreiterhaftung auch: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 13. März 2017 - 1 BvR 1438/15 -, Rn. 6, juris) wiedergegebenen Äußerungen des ehemaligen Angeklagten Pa. geeignet sind, die Autorität der Landtagspräsidentin in Frage zu stellen. Jeder Abgeordnete schuldet dem Amt des Landtagspräsidenten Respekt (Verfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 29. Januar 2009 - 5/08 -, Rn. 41, juris; Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Urteil vom 03. November 2011 - Vf. 35-I-11 -, Rn. 26, juris). Kritik an der Amtsführung der Präsidentin sollte im Ältestenrat bzw. - bei Fehlen eines solchen - im Präsidium vorgebracht und erörtert werden (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, a.a.O., Rn. 35, juris).

18

Jedoch muss der strafrechtlich geschützte Achtungsanspruch der Landtagspräsidentin im Plenum vorliegend zurücktreten, weil die Kritik des ehemaligen Angeklagten Pa. zumindest im Ansatz nicht haltlos war (vgl. dazu: Senatsbeschluss vom 09.06.2016, Az. 20 RR 66/16, Rn. 42, juris, Senatsbeschluss vom 05.10.2017, Az. 20 RR 69/17, nicht veröffentlicht). Aus den Feststellungen des Amtsgerichts ergibt sich, dass der Ausschluss des ehemaligen Angeklagten Pa., den der Angeklagte P. zitiert hat, auf einem Missverständnis der Landtagspräsidentin beruhte (S. 2 UA). Das hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei berücksichtigt. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht darauf an, ob sich der Ausschluss des ehemaligen Angeklagten Pa. insgesamt als rechtmäßig erweist. Denn es bleibt dabei, dass die Landtagspräsidentin auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage entschieden hatte, was einen Ermessensfehler darstellt. § 99 Abs. 1 Satz 1 GO LT M-V, die Rechtsgrundlage für den Ausschluss eines Mitgliedes des Landtages, eröffnet der Landtagspräsidentin ein Ermessen. Von einem Ermessensdefizit ist auszugehen, wenn die Behörde den Sachverhalt nicht komplett oder nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hat (Pautsch in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 1. Aufl. 2016, § 40 Ermessen, Rn. 20). So liegt es hier. Die Landtagspräsidentin hätte etwa vor dem Ausschluss den Sachverhalt durch eine Rückfrage aufklären können. Darin unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von demjenigen, über den das OLG Stuttgart zu befinden und auf dessen Urteil sich der Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft in der Revisionshauptverhandlung berufen hatte. Dort war nicht festgestellt, dass die Verkehrskontrolle, die Anlass für die kränkenden Äußerungen war, auf einer ermessensfehlerhaften Erwägung des geschädigten Polizeibeamten beruhte (OLG Stuttgart, Urteil vom 07. Februar 2014 - 1 Ss 599/13 -, Rn. 3 bis 7, juris).

b)

19

Festzuhalten ist, dass die Äußerung des ehemaligen Angeklagten Pa. gemäß § 193 StGB gerechtfertigt war. Damit war auch der Angeklagte P. freizusprechen. Die Verbreitung einer gemäß § 193 StGB straflosen Beleidigung erfüllt grundsätzlich nicht den Tatbestand des § 185 StGB. Etwas anderes mag gelten, wenn sich aus der Verbreitungshandlung selbst etwas Abweichendes ergibt. Die eigene Bewertung des Ausschlusses des ehemaligen Angeklagten Pa. durch den Angeklagten P. als „ungerechtfertige Willkürmaßnahme“ und „unglaubliche Handlung“ (S. 2 UA) ist jedoch nicht gemäß § 185 StGB zu ahnden, insoweit kann auf die Ausführung zu lit a) verwiesen werden.

20

Ohne Erfolg gibt die Generalstaatsanwaltschaft zu bedenken, dass die dauerhafte Verbreitung im Internet durch den Angeklagten P. schwerer wiege als die spontane Äußerung des ehemaligen Angeklagten Pa. im Landtag. Denn auch die Veröffentlichung von Meinungsäußerungen im Internet ist durch das Grundgesetz geschützt. Sowohl das Einstellen von journalistisch-redaktionellen Inhalten ins Internet als auch ihr (dauerhaftes) Bereithalten zum Abruf ist Teil des in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK, Art. 11 Abs. 1 GrCh fallenden Publikationsvorgangs (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 - VI ZR 227/08 -, BGHZ 183, 353-366, Rn. 11; Härting in: Härting, Internetrecht, 6. Aufl. 2017, Datenschutzrecht, Rn. 209). Mithin unterliegt nicht nur die Kundgabe, sondern auch die Verbreitung der inkriminierten Äußerungen im Internet dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG.

III.

21

Nach alledem war die Revision der Staatsanwaltschaft Schwerin mit der Kosten- und Auslagenfolge des § 473 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

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(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 184/00
vom
12. Dezember 2000
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
__________________
Stellt ein Ausländer von ihm verfaßte Ä ußerungen, die den Tatbestand der Volksverhetzung
im Sinne des § 130 Abs. 1 oder des § 130 Abs. 3 StGB erfüllen (“Auschwitzlüge”
), auf einem ausländischen Server in das Internet, der Internetnutzern in
Deutschland zugänglich ist, so tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg (§ 9
Abs. 1 3. Alternative StGB) im Inland ein, wenn diese Ä ußerungen konkret zur Friedensstörung
im Inland geeignet sind.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 – 1 StR 184/00 – LG Mannheim
wegen Volksverhetzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Dezember
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
Schaal,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte und
sowie
Rechtsanwältin
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 10. November 1999 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte in den Fällen II.1 und II.3 der Urteilsgründe der Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener schuldig ist;
b) im Ausspruch über die in den Fällen II.1 und II.3 verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in drei Fällen, in einem Fall (II.2) zudem in weiterer Tateinheit mit Volksverhetzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft greift mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision den Schuldspruch in den Internet-Fällen II.1 und II.3 mit der Begründung an, der Angeklagte hätte auch in diesen Fällen wegen Volksverhetzung verurteilt werden müssen. Zudem beanstandet sie die Strafzumessung. Der Angeklagte erhebt eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat insoweit Erfolg, als die Verurteilung auch wegen Volksverhetzung erstrebt wird; die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

A.


I. Der 1944 in Deutschland geborene Angeklagte ist australischer Staatsbürger. Er emigrierte 1954 mit seinen Eltern nach Australien. Nachdem er dort Philosophie, Deutsch und Englisch studiert hatte, kam er 1970/1971 nach Deutschland, wo er als Lehrer an einer Werkschule tätig war. Anschließend studierte er in Deutschland. 1977 begab er sich nach Afrika, 1980 kehrte er nach Australien zurück und war dort als Lehrer tätig.
1996 schloß sich der Angeklagte mit Gleichgesinnten in Australien zum “Adelaide Institute” zusammen, dessen Direktor er ist. Seit 1992 befaßte er sich mit dem Holocaust. Er verfaßte Rundbriefe und Artikel, die er über das Internet
zugänglich machte, in denen er “revisionistische” Thesen vertrat. Darin wurde unter dem Vorwand wissenschaftlicher Forschung die unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Ermordung der Juden bestritten und als Erfindung “jüdischer Kreise” dargestellt, die damit finanzielle Forderungen durchsetzen und Deutsche politisch diffamieren wollten.
II. Drei Publikationen des Angeklagten sind Gegenstand der Verurteilung :
1. Internet-Fall II.1: Zwischen April 1997 und März 1999 – der genaue Zeitpunkt ist nicht festgestellt – speicherte der Angeklagte Webseiten auf einem australischen Server, die von der homepage des Adelaide Institutes über dessen Internetadresse abgerufen werden konnten. Diese Seiten enthielten drei englischsprachige Artikel des Angeklagten mit den Überschriften “Über das Adelaide Institut”, “Eindrücke von Auschwitz” und “Mehr Eindrücke von Auschwitz”. Darin heißt es unter anderem: “In der Zwischenzeit haben wir festgestellt, daß die ursprüngliche Zahl von vier Millionen Toten von Auschwitz ... auf höchstens 800.000 gesenkt wurde. Dies allein ist schon eine gute Nachricht, bedeutet es doch, daß ca. 3,2 Millionen Menschen nicht in Auschwitz gestorben sind – ein Grund zum Feiern.” “Wir erklären stolz, daß es bis heute keinen Beweis dafür gibt, daß Millionen von Menschen in Menschengaskammern umgebracht wurden.” “Keine dieser Behauptungen ist je durch irgendwelche Tatsachen oder schriftliche Unterlagen belegt worden, mit Ausnahme der fragwürdigen Zeugenaussagen , welche häufig fiebrigen Gehirnen entsprungen sind, die es auf eine Rente vom deutschen Staat abgesehen haben.” 2. Fall II.2: Im August 1998 verurteilte eine Amtsrichterin Günter Deckert, weil dieser Max Mannheimer, einen Überlebenden von Auschwitz, beleidigt
hatte. Darauf schrieb der Angeklagte aus Australien einen “offenen Brief” an die Richterin und versandte diesen zugleich an zahlreiche weitere Adressaten, auch in Deutschland, unter anderem an die Berliner Zeitschrift “Sleipnir”. Den englischsprachigen Text des Briefes stellte er in die homepage des Adelaide Institutes ein. In dem Brief warf er Mannheimer vor, Lügen über Auschwitz zu erzählen, und er schrieb unter anderem: “Ich habe Auschwitz im April 1997 besucht und bin aufgrund meiner eigenen Nachforschungen jetzt zu der Schlußfolgerung gelangt, daß das Lager in den Kriegsjahren niemals Menschengaskammern in Betrieb hatte.” 3. Internet-Fall II.3: Ende Dezember 1998/Anfang Januar 1999 stellte der Angeklagte eine weitere Webseite in die homepage des Adelaide Institutes ein. Diese Seite enthielt einen englischsprachigen Artikel des Angeklagten mit der Überschrift “Fredrick Töbens Neujahrsgedanken 1999”. Darin heißt es unter anderem: “In diesem ersten Monat des vorletzten Jahres der Jahrtausendwende können wir auf eine fünfjährige Arbeit zurückblicken und mit Sicherheit feststellen: die Deutschen haben niemals europäische Juden in todbringenden Gaskammern im Konzentrationslager Auschwitz oder an anderen Orten vernichtet. Daher können alle Deutschen und Deutschstämmigen ohne den aufgezwungenen Schuldkomplex leben, mit dem sie eine bösartige Denkweise ein halbes Jahrhundert lang versklavt hat.” “Auch wenn die Deutschen jetzt aufatmen können, müssen sie sich doch darauf gefaßt machen, daß sie weiterhin diffamiert werden, da Leute wie Jeremy Jones von den organisierten Juden Australiens sich nicht über Nacht grundlegend ändern. Ihre Auschwitz-Keule war ein gutes Instrument für sie, das sie gegen alle diejenigen geschwungen haben, die mit ihrer politischen Überzeugung nicht einverstanden sind, um sie ‚funktionsfähig zu machen’, wie Jones sich äußerte.”
Das Landgericht konnte bei den Internet-Fällen weder feststellen, daß der Angeklagte von sich aus Online-Anschlußinhaber in Deutschland oder anderswo angewählt hätte, um ihnen die genannten Webseiten zu übermitteln (zu “pushen”), noch daß – außer dem ermittelnden Polizeibeamten – Internetnutzer in Deutschland die homepage des Adelaide Institutes angewählt hatten.
III. Die Publikationen des Angeklagten hat das Landgericht wie folgt rechtlich gewürdigt:
1. In allen drei Fällen hat das Landgericht den Angeklagten wegen Beleidigung (der überlebenden Juden) in Tateinheit mit Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener verurteilt.
2. In allen drei Fällen habe der Angeklagte das Verfolgungsschicksal der ermordeten und überlebenden Insassen des Konzentrationslagers Auschwitz geleugnet. In den Fällen II.1 und II.3 habe er den Holocaust als erfundenes Druckmittel zur Erlangung politischer Vorteile und im Fall II.3 zusätzlich auch zur Erlangung finanzieller Vorteile bezeichnet.
Durch das von vornherein beabsichtigte öffentliche Zugänglichmachen dieser die Menschenwürde verletzenden Beleidigungen und Verunglimpfungen habe der Angeklagte zugleich auch die Gefahr begründet, daß dadurch der öffentliche Friede gestört würde. Seine ins Internet gestellten Artikel seien geeignet gewesen, das Sicherheitsempfinden und das Vertrauen in die Rechtssicherheit insbesondere der jüdischen Mitbürger empfindlich zu stören.
Das erfülle zwar den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Aber lediglich im Fall II.2 (offener Brief) könne eine Verurteilung auch wegen Volksverhetzung erfolgen. Nur hier läge eine Inlandstat vor, für die deutsches Strafrecht gelte. Für die Internet-Fälle (II.1 und II.3) gelte das deutsche Strafrecht indessen nicht, soweit es die Volksverhetzung betrifft (§ 3 StGB). Insoweit sei kein inländischer Ort der Tat (§ 9 StGB) gegeben, denn gehandelt (§ 9 Abs. 1 1. Alt. StGB) habe der Angeklagte nur in Australien, und einen zum Tatbestand gehörenden Erfolg (§ 9 Abs. 1 3. Alt. StGB) könne es bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt wie der Volksverhetzung nicht geben. Auch sonst (§§ 5 bis 7 StGB) gelte das deutsche Strafrecht nicht.

B.


Presserechtliche Verjährung ist auch bei dem Fall II.1 schon deshalb nicht eingetreten, weil kein Presseinhaltsdelikt vorliegt, denn es geht nicht um die körperliche Verbreitung eines an ein Druckwerk gegenständlich gebundenen strafbaren Inhalts (vgl. BGH NStZ 1996, 492).
C. Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
I. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
1. Rechtsanwalt B. , der Wahlverteidiger des Angeklagten v or dem Landgericht, war am 25. März 1999 wegen Volksverhetzung verurteilt worden, weil er in einem anderen Strafverfahren gegen den dortigen Angeklagten Dek-
kert einen Beweisantrag gestellt hatte, mit dem er den Völkermord an der jüdischen Bevölkerung unter der Herrschaft des Nationalsozialismus verharmlost hatte. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten hat der Bundesgerichtshof in der Revisionshauptverhandlung vom 6. April 2000 verworfen (BGHSt 46, 36).
2. Unter Hinweis auf das gegen ihn anhängige Revisionsverfahren hatte der Verteidiger deshalb am 3. November 1999 – noch vor Beginn der zweitägigen Hauptverhandlung am 8. November 1999 – sein Wahlmandat niedergelegt und darum gebeten, ihn auch nicht als Verteidiger zu bestellen, weil er sich nicht in der Lage sehe, eine effiziente Verteidigung zu führen. Gleichwohl bestellte der Vorsitzende der Strafkammer am 4. November 1999 Rechtsanwalt B. als Verteidiger nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO mit der Begründung, dieser sei nicht gehindert, an der ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens durch sachdienliche Verteidigung des Angeklagten mitzuwirken.
Am ersten Hauptverhandlungstag gab RechtsanwaltB. nach Feststellung der Personalien des Angeklagten eine Erklärung ab, in der er konkret darlegte, daß er zu einer substantiierten Verteidigung nicht in der Lage sei. In der jetzigen Lage gäbe es für ihn – aus Angst vor weiterer Strafverfolgung – nur die Möglichkeit, die Hauptverhandlung zu verlassen oder schweigend zu verbleiben. Er werde jedoch die Hauptverhandlung, solange er beigeordnet sei, nicht verlassen. Die Verantwortung, ob der Angeklagte sachdienlich verteidigt sei, liege daher beim Vorsitzenden. Am zweiten Hauptverhandlungstag stellte der Angeklagte den Antrag auf Zurücknahme der Bestellung von Rechtsanwalt B. und auf Beiordnung eines namentlich benannten anderen Verteidigers. Der vorgeschlagene Verteidiger lehnte jedoch die Verteidigung wegen Ar-
beitsüberlastung ab. Die Bestellung von Rechtsanwalt B. nahm der Vorsitzende nicht zurück. Rechtsanwalt B. s ei nicht gehindert, den Angeklagten im Rahmen der Gesetze zu verteidigen. Das Vertrauensverhältnis sei ersichtlich nicht gestört. Im übrigen sei dem Angeklagten die persönliche Situation seines Verteidigers bekannt gewesen; gleichwohl habe er keinen anderen Verteidiger beauftragt. Im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot komme eine Zurücknahme der Bestellung nicht in Betracht.
Rechtsanwalt B. stellte in der Hauptverhandlung keine Beweisanträge; nach dem Schluß der Beweisaufnahme machte er keine Ausführungen und stellte auch keinen Antrag.
3. Rechtsanwalt B. legte für den Angeklagten Revision ein. Nachdem der Bundesgerichtshof in dem Verfahren gegen Rechtsanwalt B. den Termin für die Revisionshauptverhandlung bestimmt hatte, wies Rechtsanwalt B. das Landgericht darauf hin, daß mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zu rechnen sei, und beantragte erneut die Bestellung eines anderen Verteidigers. Der Vorsitzende der Strafkammer lehnte den Antrag ab. In der von ihm verfaßten Revisionsbegründungsschrift erhob Rechtsanwalt B. lediglich die allgemeine Sachrüge. Er machte unter Hinweis auf die oben geschilderten Vorgänge geltend, er sei gehindert , die Sachrüge näher auszuführen, und beantragte die Bestellung eines anderen Verteidigers zur weiteren Revisionsbegründung, insbesondere zu der Frage, ob der Angeklagte vor dem Landgericht ordnungsgemäß verteidigt war. Diesen Antrag ließ der Vorsitzende der Strafkammer unbeschieden. Der Vorsitzende des erkennenden Senats hat mit Verfügung vom 25. Juli 2000 die Bestellung von Rechtsanwalt B. zurückgenommen und dem Angeklagten einen
anderen Verteidiger bestellt, der die Verfahrensrüge erhoben und insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erhalten hat.
II. Mit dieser Verfahrensrüge wird der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO geltend gemacht. RechtsanwaltB. sei aus Furcht vor eigener Bestrafung daran gehindert gewesen, den Angeklagten sachgerecht und effektiv zu verteidigen. Er sei zwar körperlich anwesend gewesen, in der Hauptverhandlung jedoch untätig geblieben, insbesondere habe er keinen Schlußvortrag gehalten (§ 145 Abs. 1 StPO).
III. Der Senat kann offen lassen, ob der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gegeben ist (vgl. BGHSt 39, 310, 313; BGH NStZ 1992, 503), denn sowohl in den Entscheidungen des Vorsitzenden der Strafkammer über die Auswahl und Bestellung als auch über die Nichtzurücknahme der Bestellung liegt ein Verfahrensverstoß, auf dem das Urteil beruhen kann.
1. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, daß die Verfügung des Vorsitzenden, durch die ein Verteidiger bestellt wird, als Vorentscheidung gemäß § 336 StPO unmittelbar der Überprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, weil das Urteil auf ihr beruhen kann. Die Statthaftigkeit einer solchen Rüge hängt nicht davon ab, daß der Angeklagte zuvor eine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt hat. Dies gilt in gleicher Weise für eine Entscheidung des Vorsitzenden, mit der die Zurücknahme der Bestellung abgelehnt worden ist (BGHSt 39, 310, 311; BGH NStZ 1992, 292; NStZ 1995, 296 jew. m.w.N.; vgl. auch BGH StV 1995, 641; NStZ 1997, 401; StV 1997, 565).
2. Die Entscheidungen des Vorsitzenden verletzten § 140 und § 141 StPO und damit das Recht des Angeklagten auf wirksame Verteidigung (vgl. auch Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c MRK). Sie verstießen zudem gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens (vgl. BGHSt 39, 310, 312). Es lag ein wichtiger Grund vor, Rechtsanwalt B. nicht zu bestellen und dessen Bestellung zurückzunehmen.
Als wichtiger Grund für die Bestellung oder die Zurücknahme der Bestellung kommt jeder Umstand in Frage, der den Zweck der Verteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet. Die Fürsorgepflicht gegenüber dem Angeklagten wird es dem Vorsitzenden regelmäßig verbieten , einen Verteidiger zu bestellen, der die Verteidigung wegen eines Interessenkonflikts möglicherweise nicht mit vollem Einsatz führen kann (BVerfG – Kammer – NJW 1998, 444).
Bei Rechtsanwalt B. lag ein solcher Interessenkonflikt offensichtlich vor. Er konnte den Angeklagten im Hinblick auf sein eigenes Strafverfahren nicht unbefangen verteidigen. Da die Maßstäbe für die Grenzen eines zulässigen Verteidigerverhaltens in Fällen der vorliegenden Art (§ 130 Abs. 5 StGB) höchstrichterlich noch nicht geklärt waren, konnte er keine effektive Verteidigung führen, denn er mußte besorgen, sich selbst strafbar zu machen.
IV. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß im Fall II.2 zu prüfen sein wird, ob neben dem Leugnungstatbestand (§ 130 Abs. 3 StGB) auch eine qualifizierte Auschwitzlüge (§ 130 Abs. 1 StGB) vorliegt.
D. Revision der Staatsanwaltschaft
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge überwiegend Erfolg; auch für die in den Internet-Fällen II.1 und II.3 tateinheitlich begangene Volksverhetzung gilt das deutsche Strafrecht.
I. Die Ä ußerungen in den Internet-Fällen II.1 und II.3 haben einen volksverhetzenden Inhalt, und zwar sowohl nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB als auch nach § 130 Abs. 3 StGB.
1. In beiden Internet-Fällen liegt die sog. qualifizierte Auschwitzlüge (BGH NStZ 1994, 140; BGHSt 40, 97) vor, die den Tatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Beschimpfungs-Alternative) und des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Aufstachelungs-Alternative) erfüllt.

a) Mit offenkundig unwahren Tatsachenbehauptungen (BVerfGE 90, 241; BGH NStZ 1994, 140; 1995, 340) wird nicht nur das Schicksal der Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus als Lügengeschichte dargestellt, sondern diese Behauptung wird auch mit dem Motiv der angeblichen Knebelung und Ausbeutung Deutschlands zugunsten der Juden verbunden. Im Fall II.1 wird die Qualifizierung insbesondere deutlich durch die Formulierung: “... häufig fiebrigen Gehirnen entsprungen sind, die es auf eine Rente vom deutschen Staat abgesehen haben.”. Im Fall II.3 insbesondere durch die Formulierungen “Schuldkomplex”, “versklavt” und “Auschwitz-Keule”.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht deshalb angenommen, daß der Ä ußerungstatbestand des § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB, zumindest in der Form des
Beschimpfens (vgl. von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 130 Rdn. 22), gegeben ist. Es liegt eine besonders verletzende Form der Mißachtung vor. Im Fall II.1 insbesondere durch die Formulierung “ein Grund zum Feiern” und im Fall II.3 insbesondere durch die Formulierung “mit dem sie eine bösartige Denkungsweise ein halbes Jahrhundert lang versklavt hat”. Da die Behauptungen darauf ausgingen , feindliche Gefühle gegen die Juden im allgemeinen und gegen die in Deutschland lebenden Juden zu erwecken und zu schüren, liegt auch ein Angriff gegen die Menschenwürde vor (BGH NStZ 1981, 258; vgl. auch BGHSt 40, 97, 100; von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 12, 18; Lenckner in Schönke /Schröder, StGB 25. Aufl. § 130 Rdn. 7).

c) Nach den Feststellungen liegt aber auch – was dem Angeklagten bereits in der Anklage vorgeworfen wurde – eine Volksverhetzung im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB vor (vgl. dazu BGHSt 31, 226, 231; 40, 97, 100; BGH NStZ 1981, 258; 1994, 140; von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 18; Lenckner aaO § 130 Rdn. 5a; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 130 Rdn. 4; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 130 Rdn. 5, 20b). Die Feststellungen belegen (vgl. UA S. 21), daß die Ä ußerungen dazu bestimmt waren, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung und Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen die in Deutschland lebenden Juden zu erzeugen (vgl. BGHSt 40, 97, 102).
2. Zugleich wird – was gleichfalls angeklagt ist – eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 220a Abs. 1 StGB bezeichneten Art geleugnet und verharmlost (§ 130 Abs. 3 StGB). Die vom Angeklagten persönlich verfaßten Internetseiten waren für einen nach Zahl und Individualität unbestimmten Kreis von Personen unmittelbar wahrnehmbar und damit öffentlich (Lackner/Kühl aaO § 80a Rdn. 2). Der Leug-
nungstatbestand des § 130 Abs. 3 StGB steht in Tateinheit zum Ä ußerungstatbestand des § 130 Abs. 1 StGB (von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 50).
3. Soweit daneben der Schriftenverbreitungstatbestand des § 130 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b StGB erfüllt sein sollte, wird er von § 130 Abs. 1 StGB verdrängt , wenn sich – wie hier – die Ä ußerung gegen Teile der (inländischen) Bevölkerung richtet (Lenckner aaO § 130 Rdn. 27; für Tateinheit auch insoweit wohl von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 50).
4. Die Voraussetzungen der Tatbestandsausschlußklausel des § 130 Abs. 5 StGB i.V.m. § 86 Abs. 3 StGB (vgl. dazu BGHSt 46, 36) liegen nicht vor. Die Ä ußerungen dienen nicht der Wissenschaft, Forschung oder Lehre (BVerfG – Kammer – Beschluß vom 30. November 1988 – 1 BvR 900/88 –; BVerwG NVwZ 1988, 933); sie sind auch nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt (BVerfGE 90, 241; BVerfG – Kammer – Beschluß vom 6. September 2000 – 1 BvR 1056/95 –).
5. Die Eignung zur Friedensstörung ist gemeinsames Tatbestandsmerkmal von § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB, die zusätzlich zu der Ä ußerung hinzutreten muß.

a) Mit der Eignungsformel wird die Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB zu einem abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikt (vgl. Senat in BGHSt 39, 371 zum Freisetzen ionisierender Strahlen nach § 311 Abs. 1 StGB und in NJW 1999, 2129 zur Straftat nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG); teilweise wird diese Deliktsform auch als “potentielles Gefährdungsdelikt” bezeichnet (BGH NJW 1994, 2161; vgl. auch Sieber NJW 1999, 2065, 2067 m.w.N.). Da-
bei ist die Deliktsbezeichnung von untergeordneter Bedeutung; solche Gefährdungsdelikte sind jedenfalls eine Untergruppe der abstrakten Gefährdungsdelikte (Senat NJW 1999, 2129).

b) Für die Eignung zur Friedensstörung ist deshalb zwar der Eintritt einer konkreten G e f a h r nicht erforderlich (so aber Rudolphi in SK-StGB 6. Aufl. § 130 Rdn. 10; Roxin Strafrecht AT Bd. 1 3. Aufl. § 11 Rdn. 28; Schmidhäuser, Strafrecht BT 2. Aufl. S. 147; Gallas in der Festschrift für Heinitz S. 181). Vom Tatrichter verlangt wird aber die Prüfung, ob die jeweilige Handlung bei genereller Betrachtung gefahrengeeignet ist (vgl. BGH NJW 1999, 2129 zu § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG).
Notwendig ist allerdings eine konkrete E i g n u n g zur Friedensstörung; sie darf nicht nur abstrakt bestehen und muß – wenn auch aufgrund generalisierender Betrachtung – konkret festgestellt sein (HansOLG Hamburg MDR 1981, 71; OLG Koblenz MDR 1977, 334; OLG Köln NJW 1981, 1280; von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 4; Tröndle/Fischer aaO § 130 Rdn. 2; Lenckner aaO § 130 Rdn. 11; Lackner/Kühl aaO § 130 Rdn. 19 i.V.m § 126 Rdn. 4; Streng in der Festschrift für Lackner S. 140 ). Deshalb bleibt der Gegenbeweis der nicht gegebenen Eignung zur Friedensstörung im Einzelfall möglich.

c) Dieses Verständnis von der Eignung zur Friedensstörung entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu vergleichbaren Eignungsdelikten wie dem Freisetzen ionisierender Strahlen nach § 311 Abs. 1 StGB (BGHSt 39, 371; NJW 1994, 2161) oder der Straftat nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG (BGH NJW 1999, 2129). Ä hnliches gilt für den unerlaubten Um-
gang mit gefährlichen Abfällen nach § 326 Abs. 1 Nr. 4 StGB (vgl. BGHSt 39, 381, 385; BGH NStZ 1994, 436; 1997, 189).

d) Für die Eignung zur Friedensstörung genügt es danach, daß berechtigte – mithin konkrete – Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern (BGHSt 29, 26; BGH NStZ 2000, 530, zur Veröffentlichung in BGHSt 46, 36 bestimmt, BGH NStZ 1981, 258).
6. Die Taten waren geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.

a) Eine solche Eignung wird durch die bisherigen Feststellungen belegt. Im Hinblick auf die Informationsmöglichkeiten des Internets, also aufgrund konkreter Umstände, mußte damit gerechnet werden – und darauf kam es dem Angeklagten nach den bisherigen Feststellungen auch an –, daß die Publikationen einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bekannt werden.

b) Der Angeklagte verfolgte das Ziel, revisionistische Thesen zu verbreiten (UA S. 3, 4) und er wollte auch, daß jedermann weltweit und damit auch in Deutschland die Artikel lesen konnte (UA S. 18; die mißverständlichen Ausführungen auf UA S. 43 widersprechen dem nicht). Er wollte damit auch aktiv in die Meinungsbildung bei der Verbreitung der Thesen in Kreisen deutscher “Revisionisten” eingreifen, wie der “offene Brief” mit seinem Verteilerkreis im Fall II.2 zeigt.

c) Es ist offenkundig, daß jedem Internet-Nutzer in Deutschland die Publikationen des Angeklagten ohne weiteres zugänglich waren. Die Publikatio-
nen konnten zudem von deutschen Nutzern im Inland weiter verbreitet werden. Daß gerade deutsche Internet-Nutzer – unbeschadet der Abfassung in englischer Sprache – zum Adressatenkreis der Publikationen gehörten und gehören sollten, ergibt sich insbesondere auch aus ihrem Inhalt, der einen nahezu ausschließlichen Bezug zu Deutschland hat (etwa: “untersuchen wir die Behauptung , daß die Deutschen systematisch sechs Millionen Juden umgebracht haben” ; “Die Jagdsaison auf die Deutschen ist eröffnet”; “Daher können alle Deutschen und Deutschstämmigen ohne den aufgezwungenen Schuldkomplex leben”; “Die Deutschen können wieder stolz sein”).

d) Das Landgericht hat daher zu Recht angenommen, daß der Angeklagte eine Gefahrenquelle schuf, die geeignet war, das gedeihliche Miteinander zwischen Juden und anderen Bevölkerungsgruppen empfindlich zu stören und die Juden in ihrem Sicherheitsgefühl und in ihrem Vertrauen auf Rechtssicherheit zu beeinträchtigen (UA S. 21).
II. Das deutsche Strafrecht gilt für das abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikt der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB auch in den Internet-Fällen. Seine Anwendbarkeit ergibt sich aus § 3 StGB in Verbindung mit § 9 StGB. Denn hier liegt eine Inlandstat (§ 3 StGB) vor, weil der zum Tatbestand gehörende Erfolg in der Bundesrepublik eingetreten ist (§ 9 Abs. 1 3. Alt. StGB).
1. Die Auslegung des Merkmals “zum Tatbestand gehörender Erfolg” muß sich an der ratio legis des § 9 StGB ausrichten. Nach dem Grundgedanken der Vorschrift soll deutsches Strafrecht – auch bei Vornahme der Tathandlung im Ausland – Anwendung finden, sofern es im Inland zu der Schädi-
gung von Rechtsgütern oder zu Gefährdungen kommt, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist (BGHSt 42, 235, 242; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 9 Rdn. 24). Daraus folgt, daß das Merkmal “zum Tatbestand gehörender Erfolg” im Sinne des § 9 StGB nicht ausgehend von der Begriffsbildung der allgemeinen Tatbestandslehre ermittelt werden kann.
2. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit kann der Gesetzgeber durch verschiedene Ausgestaltungen eines Gefährdungsdelikts vornehmen. Er kann konkrete Gefährdungsdelikte schaffen (wie § 315c StGB), oder aber abstraktkonkrete (wie § 130 Abs. 1 und Abs. 3, § 311 Abs. 1 StGB, § 34 AWG) und rein abstrakte Gefährdungstatbestände (wie § 316 StGB). Wie der Gesetzgeber den Deliktscharakter bestimmt, hängt häufig vom Rang des Rechtsguts und der spezifischen Gefährdungslage ab.
Daß konkrete Gefährdungsdelikte – als Untergruppe der Erfolgsdelikte – dort, wo es zur konkreten Gefahr gekommen ist, einen Erfolgsort haben, ist weitgehend unbestritten (vgl. nur Gribbohm aaO § 9 Rdn. 20 und Hilgendorf NJW 1997, 1873, 1875 m.w.N.). Abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte stehen zwischen konkreten und rein abstrakten Gefährdungsdelikten. Sie sind unter dem hier relevanten rechtlichen Gesichtspunkt des Erfolgsorts mit konkreten Gefährdungsdelikten vergleichbar, weil der Gesetzgeber auch hier eine zu vermeidende Gefährdung – den Erfolg – im Tatbestand der Norm ausdrücklich bezeichnet. Ob bei rein abstrakten Gefährdungsdelikten ein Erfolgsort jedenfalls dann anzunehmen wäre, wenn die Gefahr sich realisiert hat, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
3. Bei abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten ist ein Erfolg im Sinne des § 9 StGB dort eingetreten, wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im Tatbestand umschriebene Rechtsgut entfalten kann. Bei der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB ist das die konkrete Eignung zur Friedensstörung in der Bundesrepublik Deutschland (Collardin CR 1995, 618: speziell zur Auschwitzlüge, wenn der Täter in Deutschland wirken will; Kuner CR 1996, 453, 455: zu Ä ußerungen im Internet; Beisel/Heinrich JR 1996, 95; Heinrich mit beachtlichen Argumenten in GA 1999, 72; ähnlich Martin ZRP 1992, 19: zu grenzüberschreitenden Umweltdelikten).

a) Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers bei Schaffung des Volksverhetzungstatbestandes im Jahre 1960 (vgl. dazu Streng aaO). Schon im Vorfeld von unmittelbaren Menschenwürdeverletzungen wollte er dem Ingangsetzen einer historisch als gefährlich nachgewiesenen Eigendynamik entgegenwirken und schon den Anfängen wehren (Streng aaO S. 508: “Klimaschutz”).
Mit der Einfügung des Leugnungstatbestandes des § 130 Abs. 3 StGB im Jahre 1994 betonte der Gesetzgeber nochmals die Intention, “eine Vergiftung des politischen Klimas durch die Verharmlosung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft zu verhindern” (Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, BTDrucks. 12/8588 S. 8; vgl. auch Bundesministerin der Justiz bei der 1. Beratung des Gesetzentwurfs zur Strafbarkeit der Leugnung des nationalsozialistischen Völkermordes – BTDrucks. 12/7421 – am 18. Mai 1994, Plenarprotokoll der 227. Sitzung des Deutschen Bundestages, S. 19671).
Der Gesetzgeber wollte somit den strafrechtlichen Schutz vorverlagern; schon die “Vergiftung des politischen Klimas” sollte unterbunden werden. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit war – wie das Abstellen auf das “politische Klima” zeigt – auch davon bestimmt, daß eine konkrete Gefährdung oder gar eine individuelle Rechtsgutverletzung nur sehr selten unmittelbar auf eine einzelne Ä ußerung zurückgeführt werden könne (vgl. Streng aaO S. 512, der zusätzlich darauf hinweist, daß die Menschenwürde anderer nur angegriffen, nicht aber verletzt werden muß).

b) Auch sonst wird der Begriff des Erfolgsorts nicht im Sinne der allgemeinen Tatbestandslehre verstanden.
So hat der Bundesgerichtshof bei abstrakten Gefährdungsdelikten einen “zum Tatbestand gehörenden Erfolg” im Sinne des § 78a Satz 2 StGB (Verjährungsbeginn ) durchaus für möglich gehalten: “Bei diesen Delikten [§ 326 Abs. 1 StGB, abstraktes Gefährdungsdelikt] tritt mit der Begehung zugleich der Erfolg der Tat ein, der in der eingetretenen Gefährdung, nicht in einer aus der Gefährdung möglicherweise später erwachsenden Verletzung besteht” (BGHSt 36, 255, 257; siehe auch Jähnke in LK 11. Aufl. § 78a Rdn. 11).
Auch kann ein abstraktes Gefährdungsdelikt durch Unterlassen begangen werden. Dabei setzt § 13 StGB gleichfalls einen Erfolg voraus, “der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört” (vgl. BGH NStZ 1997, 545: Tatbestandsverwirklichung des § 326 Abs. 1 StGB durch Unterlassung, die lediglich nicht fahrlässig war; BGHSt 38, 325, 338: die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB waren durch Unterlassen erfüllt, dieser Tatbestand wurde allerdings von § 324 StGB verdrängt). Das entspricht auch der
überwiegenden Auffassung in der Literatur (Tröndle/Fischer aaO § 13 Rdn. 2; Lackner/Kühl aaO § 13 Rdn. 6; Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 13 Rdn. 3; aA Jescheck in LK 11. Aufl. § 13 Rdn. 2, 15).

c) Soweit von einer verbreiteten Meinung die Auffassung vertreten wird, abstrakte Gefährdungsdelikte könnten keinen Erfolgsort im Sinne des § 9 StGB haben (OLG München StV 1991, 504: zur Hehlerei als schlichtem Tätigkeitsdelikt; KG NJW 1999, 3500; Gribbohm aaO § 9 Rdn. 20; Tröndle/Fischer aaO § 9 Rdn. 3; Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 9 Rdn. 6; Lackner/Kühl aaO § 9 Rdn. 2; Jakobs Strafrecht AT 2. Aufl. S. 117; Horn/Hoyer JZ 1987, 965, 966; Tiedemann/Kindhäuser NStZ 1988, 337, 346; Cornils JZ 1999, 394: speziell zur Volksverhetzung im Internet), wird nicht immer hinreichend zwischen rein abstrakten und abstrakt-konkreten Gefährdungsdelikten differenziert. Aber auch dort, wo die Auffassung vertreten wird, daß abstrakt-konkrete bzw. potentielle Gefährdungsdelikte – als Unterfall der abstrakten Gefährdungsdelikte – keinen Erfolgsort hätten (Hilgendorf NJW 1997, 1873; Satzger NStZ 1998, 112), vermag das nicht zu überzeugen.
Die Verneinung eines Erfolgsorts bei abstrakten Gefährdungsdelikten wird zumeist nicht näher begründet, stützt sich aber ersichtlich auf den geänderten Wortlaut des § 9 StGB. Durch das 2. StrRG vom 4. Juli 1969 (BGBl I S. 717), in Kraft getreten am 1. Januar 1975 (BGBl I 1973 S. 909), wurde der Erfolgsort nicht mehr nur mit dem “Erfolg”, sondern mit dem “zum Tatbestand gehörenden Erfolg” umschrieben. Da eine konkrete Gefahr oder gar eine Gefahrverwirklichung gerade nicht zum Tatbestand eines abstrakten Gefährdungsdelikts gehöre, könne auch der Ort der Gefährdung nicht Tatort sein.
Allerdings war das Ziel der Gesetzesänderung nicht, eine Begrenzung des § 9 Abs. 1 3. Alt. StGB auf Erfolgsdelikte vorzunehmen, wie Sieber (NJW 1999, 2065, 2069) überzeugend dargelegt hat. Das Merkmal “zum Tatbestand gehörender Erfolg” sollte lediglich klarstellen, daß der Eintritt des Erfolges in enger Beziehung zum Straftatbestand zu sehen ist (Kielwein in: Niederschriften über die Sitzung der Großen Strafrechtskommission IV, AT, 38. bis 52. Sitzung, 1958, S. 20).
Mit der Aufnahme der (konkreten) Eignung zur Friedensstörung in den Tatbestand des § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB hat der Gesetzgeber indes die enge Beziehung des Eintritts des Erfolges zum Straftatbestand umschrieben und damit den zum Tatbestand gehörenden Erfolg selbst bestimmt.

d) Auch die vermittelnden Meinungen von Oehler (Internationales Strafrecht 2. Aufl. Rdn. 257), Jescheck (Lehrbuch des Strafrechts AT 4. Aufl. S. 160; nicht eindeutig Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts AT 5. Aufl. S. 178) und Sieber (NJW 1999, 2065), die bei der hier vorliegenden Fallgestaltung zu einer Verneinung des Erfolgsorts führen würden, vermögen an dem gefundenen Ergebnis nichts zu ändern.
4. Für die Anwendung des deutschen Strafrechts bei der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 und Abs. 3 StGB in Fällen der vorliegenden Art liegt auch ein völkerrechtlich legitimierender Anknüpfungspunkt vor. Denn die Tat betrifft ein gewichtiges inländisches Rechtsgut, das zudem objektiv einen besonderen Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufweist (vgl. Jescheck/Weigend aaO S. 179; Hilgendorf NJW 1997, 1873, 1876; Derksen
NJW 1997, 1878, 1880; Martin ZRP 1992, 19, 22). Auch soll die Verletzung dieses Rechtsguts gerade von dieser Strafvorschrift unterbunden werden.
Das Ä ußerungsdelikt nach § 130 Abs. 1 StGB schützt Teile der inländischen Bevölkerung schon im Vorfeld von unmittelbaren Menschenwürdeverletzungen und will – wegen der besonderen Geschichte Deutschlands – dem Ingangsetzen einer historisch als gefährlich nachgewiesenen Eigendynamik entgegenwirken. Der Leugnungstatbestand des § 130 Abs. 3 StGB hat aufgrund der Einzigartigkeit der unter der Herrschaft des Nationalsozialismus an den Juden begangenen Verbrechen einen besonderen Bezug zur Bundesrepublik Deutschland (vgl. von Bubnoff aaO § 130 Rdn. 45; Lackner/Kühl aaO § 130 Rdn. 8a; Gemeinsame Maßnahme des Rates der Europäischen Union betreffend die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vom 15. Juli 1996, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 24. Juli 1996, Nr. L 185/5).
5. Es kann offen bleiben, ob der Angeklagte auch im Inland gehandelt haben könnte (§ 9 Abs. 1 1. Alt. StGB), wenn ein inländischer Internet-Nutzer die Seiten auf dem australischen Server aufgerufen und damit die Dateien nach Deutschland “heruntergeladen” hätte. Der Senat hätte allerdings Bedenken , eine auch bis ins Inland wirkende Handlung darin zu sehen, daß der Angeklagte sich eines ihm zuzurechnenden Werkzeugs (der Rechner einschließlich der Proxy-Server, Datenleitungen und der Übertragungssoftware des Internets ) zur – physikalischen – “Beförderung” der Dateien ins Inland bedient hätte. Eine Übertragung des im Zusammenhang mit der Versendung eines Briefes (vgl. dazu Gribbohm aaO § 9 Rdn. 39) entwickelten Handlungsbegriffes (zu
Rundfunk- und Fernsehübertragungen siehe auch KG NJW 1999, 3500) auf die Datenübertragung des Internets liegt eher fern.
III. Das deutsche Strafrecht gilt auch für die Erfolgsdelikte der Beleidigung (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 185 Rdn. 15; Roxin aaO § 10 Rdn. 102; Hilgendorf NJW 1997, 1783, 1876) und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 189 Rdn. 2) in den Internet-Fällen. Die Ehrverletzung (zu den Grenzen der Meinungsfreiheit vgl. BVerfG – Kammer – Beschluß vom 6. September 2000 – 1 BvR 1056/95 –) trat jedenfalls mit der Kenntniserlangung des ermittelnden Polizeibeamten ein (vgl. BGHSt 9, 17; Tröndle/Fischer aaO § 185 Rdn. 15; Lenckner aaO § 185 Rdn. 5, 16). Hierbei handelte es sich nicht etwa um vertrauliche Ä ußerungen, von denen sich der Staat Kenntnis verschafft hat (vgl. BVerfGE 90, 255).
IV. Die somit entsprechend § 354 Abs. 1 StPO vorzunehmende Ä nderung des Schuldspruchs in den Fällen II.1 und II.3 führt zur Aufhebung der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Da der Schuldspruch im Fall II.2 von der Revision der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen wird, war die in diesem Fall verhängte Einsatzstrafe nicht aufzuheben, denn insoweit enthält die Strafzumessung keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler.
Schäfer Nack Boetticher Hebenstreit Schaal

(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist

1.
Angehöriger:wer zu den folgenden Personen gehört:
a)
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, der Ehegatte, der Lebenspartner, der Verlobte, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister, Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, und zwar auch dann, wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft, welche die Beziehung begründet hat, nicht mehr besteht oder wenn die Verwandtschaft oder Schwägerschaft erloschen ist,
b)
Pflegeeltern und Pflegekinder;
2.
Amtsträger:wer nach deutschem Recht
a)
Beamter oder Richter ist,
b)
in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder
c)
sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;
2a.
Europäischer Amtsträger:wer
a)
Mitglied der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank, des Rechnungshofs oder eines Gerichts der Europäischen Union ist,
b)
Beamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union oder einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung ist oder
c)
mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Europäischen Union oder von Aufgaben einer auf der Grundlage des Rechts der Europäischen Union geschaffenen Einrichtung beauftragt ist;
3.
Richter:wer nach deutschem Recht Berufsrichter oder ehrenamtlicher Richter ist;
4.
für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter:wer, ohne Amtsträger zu sein,
a)
bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, oder
b)
bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluß, Betrieb oder Unternehmen, die für eine Behörde oder für eine sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen,
beschäftigt oder für sie tätig und auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet ist;
5.
rechtswidrige Tat:nur eine solche, die den Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht;
6.
Unternehmen einer Tat:deren Versuch und deren Vollendung;
7.
Behörde:auch ein Gericht;
8.
Maßnahme:jede Maßregel der Besserung und Sicherung, die Einziehung und die Unbrauchbarmachung;
9.
Entgelt:jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung.

(2) Vorsätzlich im Sinne dieses Gesetzes ist eine Tat auch dann, wenn sie einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, der hinsichtlich der Handlung Vorsatz voraussetzt, hinsichtlich einer dadurch verursachten besonderen Folge jedoch Fahrlässigkeit ausreichen läßt.

(3) Inhalte im Sinne der Vorschriften, die auf diesen Absatz verweisen, sind solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden.

(1) Die Beleidigung wird nur auf Antrag verfolgt. Ist die Tat in einer Versammlung oder dadurch begangen, dass ein Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, so ist ein Antrag nicht erforderlich, wenn der Verletzte als Angehöriger einer Gruppe unter der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verfolgt wurde, diese Gruppe Teil der Bevölkerung ist und die Beleidigung mit dieser Verfolgung zusammenhängt. In den Fällen der §§ 188 und 192a wird die Tat auch dann verfolgt, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Die Taten nach den Sätzen 2 und 3 können jedoch nicht von Amts wegen verfolgt werden, wenn der Verletzte widerspricht. Der Widerspruch kann nicht zurückgenommen werden. Stirbt der Verletzte, so gehen das Antragsrecht und das Widerspruchsrecht auf die in § 77 Abs. 2 bezeichneten Angehörigen über.

(2) Ist das Andenken eines Verstorbenen verunglimpft, so steht das Antragsrecht den in § 77 Abs. 2 bezeichneten Angehörigen zu. Ist die Tat in einer Versammlung oder dadurch begangen, dass ein Inhalt (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, so ist ein Antrag nicht erforderlich, wenn der Verstorbene sein Leben als Opfer der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verloren hat und die Verunglimpfung damit zusammenhängt. Die Tat kann jedoch nicht von Amts wegen verfolgt werden, wenn ein Antragsberechtigter der Verfolgung widerspricht. Der Widerspruch kann nicht zurückgenommen werden.

(3) Ist die Beleidigung gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Richtet sich die Tat gegen eine Behörde oder eine sonstige Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so wird sie auf Antrag des Behördenleiters oder des Leiters der aufsichtführenden Behörde verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern und für Behörden der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(4) Richtet sich die Tat gegen ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes oder eine andere politische Körperschaft im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes, so wird sie nur mit Ermächtigung der betroffenen Körperschaft verfolgt.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 05.02.2016 - 90 Ns 75/15 - aufgehoben.

2. Der Angeklagte wird freigesprochen.

3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

1

Das Amtsgericht Pasewalk - 305 Cs 70/15 - verurteilte den Angeklagten am 20.05.2015 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 50 €. Seine dagegen mit dem Ziel des Freispruchs gerichtete Berufung verwarf das Landgericht durch das angefochtene Urteil vom 05.02.2016. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II.

2

Die Revision hat in vollem Umfang Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Angeklagten. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beleidigung gemäß §§ 185, 193 StGB nicht.

III.

3

1. Das Landgericht hat in der Sache folgende Feststellungen getroffen:

4

„A. Vorgeschichte:

5

...
Am Samstag, dem 31.05.2014, befand sich der Zeuge T auf der Fahrt in einen mehrtägigen Urlaub in Richtung Ostsee. In Fahrtrichtung des Angeklagten herrschte zu dieser Zeit auf der B ein hohes Verkehrsaufkommen. Während der Fahrt erhielt der Zeuge einen Anruf von einem Jagdkollegen mit dem Hinweis, dass im Jagdrevier des Zeugen T auf der B 109 ein totes Reh liege.

6

Der Zeuge T bemerkte sodann das Fallwild an der rechten Seite der Fahrbahn der B 109 kurz vor der Abfahrt nach N A. Der Zeuge, welcher weder mit einem Anhänger noch einer Plane zur Bergung eines Tierkadavers ausgerüstet war, entschloss sich kurzerhand, das tote Reh mit einem Seil an der Anhängerkupplung seines Fahrzeuges zu befestigen und in Schrittgeschwindigkeit und eingeschalteter Warnblinkanlage am rechten Fahrbahnrand bis zum nächstgelegenen Feldwegabzweig in einer Entfernung von ca. 100 Meter zu ziehen. Der Zeuge, welcher seit 1993 im Besitz eines Jagdscheins ist, wollte auf diese Weise das Wild als mögliche Unfallgefahr so schnell wie möglich von der Bundesstraße entfernen. Ein Wegziehen des Kadavers auf die an der Fahrbahn angrenzende Grasfläche kam aus seiner Sicht nicht in Betracht, weil er befürchtete, dass Füchse bzw. Vögel sich an dem Kadaver zu schaffen machen könnten und dies wiederum eine Unfallgefahr hervorrufen könne. Am nächstgelegenen Feldweg bog der Zeuge T nach rechts ab und entsorgte das tote Reh, indem er dieses im Erdreich vergrub.

7

Der Fahrer eines nachfolgenden Fahrzeugs fotografierte das Fahrzeug des Zeugen T mit dem angebundenen toten Reh. Kurz darauf wurde dieses Foto ins Internet gestellt.

8

B. Tatgeschehen:

9

Nachdem bereits am Montag, dem 02.06.2014, in der Regionalausgabe der `Haff-Zeitung´ (Ueckermünde, Torgelow, Eggesin, Ferdinandshof und die Region) durch einen anderen Redakteur über den Vorfall unter der Überschrift `Darf man so ein totes Reh transportieren ?` berichtet worden war, bekam der Angeklagte (Anm. des Senats: Der Lokalredakteur der Haffzeitung ist) von seinem Lokalchef den Auftrag, sich der Sache anzunehmen. Der Angeklagte versuchte noch am Montag, den Zeugen T zu erreichen, was jedoch nicht gelang, weil sich dieser - wie bereits erwähnt - auf einem mehrtägigen Ostseeurlaub befand. Der Angeklagte, der über das ins Internet gestellte Bild entsetzt war, den zugrundeliegenden Sachverhalt jedoch weder kannte, noch mit der Berichterstattung zuwarten wollte, verfasste noch am selben Tag einen Artikel mit der Überschrift 'Rabauken-Jäger erhitzt die Gemüter', welcher am Dienstag, dem 03.06.2014, in der 'Haff-Zeitung' mit folgendem Inhalt erschien:

10

'Das Bild des toten Rehs, das an einer Anhängerkupplung über die Straße geschleppt wurde, erregt in der Region die Gemüter. Der Jäger, der aus U stammt, muss mit einer Strafe rechnen. Die Jagdbehörde ermittelt.

11

Ueckermünde: Vermutlich ist der Mann erst einmal abgetaucht, hat sich vielleicht in seinem Jagdgebiet verkrochen und traut sich nicht in die Öffentlichkeit. Doch vielleicht kommt er in der Einsamkeit des Waldes zu der Einsicht, dass er am Wochenende großen Mist gebaut hat.

12

Der Mann wird aber nicht drum herum kommen, sich den vielen Fragen zu stellen. Die Hauptfrage ist: Was ging im Kopf des Jagdpächters vor, als er am Wochenende ein totes Reh an die Anhängerkupplung seinen Volvos festzurrte und über die Straße zog? Der Fall des Rabaukenjägers sorgte auch am Montag in der Region für Diskussionen, gar heftig ging es in den sozialen Netzwerken zu. Dort wird der Mann unter anderem als `Drecksjäger` beschimpft, dem sofort die Jagdlizenz entzogen gehört.

13

Sichtlich geschockt ist A F, Sprecher der Unteren Jagdbehörde im Landkreis: 'Schwarze Schafe gibt es ja in jeder Branche. Aber so etwas habe ich in dieser Form noch nicht erlebt. Das ist einfach respektlos, so geht man nicht mit einem toten Tier um.'

14

Der Landkreis arbeite intensiv an der Aufklärung des Vorfalls. 'Inwieweit der Mann gegen das Tierschutzgesetz verstoßen hat, wird derzeit geprüft. Es war aber ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung, so darf man nicht fahren. Er wird irgendeine Buße aufgebrummt bekommen.' F, selbst Jäger, sieht durch den Vorfall auch das Ansehen der eigenen Zunft beschädigt. 'Dem Stand der Jäger hat das Ganze mit Sicherheit nicht gut getan', sagte er.

15

Nach Informationen des Nordkuriers stammt der wundersame Jäger aus U. Bei der Kommunalwahl für die Stadtvertretung war er für die … ins Rennen gegangen, schaffte aber den Einzug ins Parlament nicht. Der Rentner arbeitete früher im Bauamt der ... Stadt. Einstige Mitarbeiter sagen, dass er zwar ein Mensch gewesen, der viel geredet hat, ein 'Schnacker' eben, aber so eine Tat habe man ihm nie und nimmer nicht zugetraut.

16

Für eine Stellungnahme war der Jagdpächter am Montag trotz mehrerer Versuche nicht zu erreichen.' "

17

2. Zur Überzeugung des Landgerichts war dem Angeklagten bei Abfassung des Artikels bewusst, dass auch ohne ausdrückliche Namensnennung für einen Großteil der regionalen Leserschaft aufgrund der darin über den Zeugen enthaltenen Individualisierungsmerkmale die Erkennbarkeit des Jägers ohne Weiteres gegeben sein würde. Ebenso sei ihm bewusst gewesen, mit dem Artikel zu suggerieren, der Zeuge T habe das Reh gejagt, erlegt und anschließend aus Bequemlichkeit über öffentliche Straßen nach Hause geschleift. Der Angeklagte habe dabei zumindest billigend in Kauf genommen, dass der Zeuge T in seinem sozialen Achtungsanspruch, insbesondere in seiner Integrität als Jäger, durch den Kontext des Artikels, vor allem aber durch die Verwendung der Begriffe „Rabauken-Jäger“ und „Drecksjäger“ in ehrenrühriger Weise verletzt werde. Dabei sei dem Angeklagten auch bewusst gewesen, dass diese Missachtung von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt sei. Als Einlassung des Angeklagten hat das Landgericht zu Grunde gelegt, dass der Begriff des „Rabauken-Jägers“ von ihm selbst stamme, er den Begriff des „Drecksjägers“ für angemessen erachtet habe, um ihn als Zitat in dem Artikel zu erwähnen und dass die Chefredaktion ihm zu keinem Zeitpunkt die missbilligende Beschwerdeentscheidung des Deutschen Presserates vom 02.12.2014 mitgeteilt oder zugeleitet habe und dass der Angeklagte die in seinem Artikel gemachten Ausführungen und verwendeten Begriffe weiterhin für angemessen und legitim halte und er der Auffassung sei, nur seine Arbeit gemacht zu haben.

18

3. Das Landgericht hat in dem Verhalten des Angeklagten eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB gesehen. Der Begriff „Rabauken-Jäger“ sei im maßgeblichen Textzusammenhang als ehrverletzende Missachtung und nicht etwa nur als Sprachwitz zu werten. Der Begriff des „Rabauken“ weise gerade keinen Zusammenhang zu seiner neben dem hier einschlägigen Vorwurf, ein Rowdy o.ä. zu sein, weiteren Bedeutung als „Bengel“ o.ä. auf. Dem Zeugen T werde damit die soziale Integrität als Jäger abgesprochen, zumal die Bezeichnung im unmittelbaren textlichen Zusammenhang mit dem Begriff „Drecksjäger“ stehe. Im Übrigen werde der - letztlich unzutreffende - Eindruck vermittelt, es stehe jetzt schon fest, dass der Zeuge T ein Gesetzesbrecher sei.

19

Die Verwendung des Begriffs sei auch nicht nach § 193 StGB unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt. Zum einen stelle die Bezeichnung eine Schmähkritik dar, mit der Folge, dass die Meinungsfreiheit von vornherein gegenüber dem Ehrenschutz zurücktrete. Zum anderen müsse selbst bei Vornahme einer Güterabwägung die Meinungsfreiheit zurücktreten, da es sich bei dem Geschehen, über das berichtet wurde, um keine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage handele, sondern letztlich um den (bedeutungslosen) Einzelfall des Abtransports eines Tierkadavers zur Gefahrenbeseitigung. Auch handele es sich bei dem Zeugen T nicht um eine öffentliche Person, der diese Auseinandersetzung zuzumuten sei. Im Übrigen sei die Sachverhaltsdarstellung durch das Suggerieren, der Zeuge T habe das Wild gejagt, erlegt und dann abtransportiert, verfälschend und könne auch deshalb keinen Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz genießen.

20

Auch soweit der Angeklagte den Begriff „Drecksjäger“ benutzte, handele es sich trotz der Tatsache, dass er diesen als Zitat verwendet habe, um eine Beleidigung, da er sich diese Äußerung als eigene zurechnen lassen müsse. Denn er habe es nicht nur an einer eigenen und ernsten Distanzierung fehlen lassen, sondern in seinen eigenen Gedankengang in der Weise eingebaut, dass damit der Begriff des „Rabauken-Jägers“ in dem Artikel eine zusätzliche Schärfe erlangt habe.

21

Die Annahme eines vermeidbaren Verbotsirrtums seitens des Angeklagten verbiete sich im Hinblick auf die Möglichkeit, sich - insbesondere im Hinblick auf seine besonderen Kenntnisse des Pressekodex - entsprechend kundig zu machen.

22

4. Dem folgt der Senat nicht.

23

Es kann dahinstehen, ob die Bezeichnung des Zeugen T als „Rabauken-Jäger“ überhaupt eine tatbestandsmäßige Beleidigung im Sinne des § 185 StGB darstellt (a). Diese wäre in jedem Falle gemäß § 193 StGB zu Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt (b).

24

a. Das tatbestandsmäßige Verhalten in § 185 StGB wird als „Beleidigung“ beschrieben, ohne diesen Begriff näher zu erläutern. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt eine solche bei einem Angriff auf die Ehre einer Person durch Kundgabe von Missachtung vor (BGHSt 1, 289; 11, 67; 16, 63; 36, 148, vgl. Fischer, StGB, 63. Auflage, § 185 Rn. 4 m.w.N.). Diese kann den ethischen Wert einer Person betreffen, den diese nach außen infolge ihres Verhaltens hat, oder den sozialen Wert, den sie wegen ihrer Leistungen und Eigenschaften für die Erfüllung sozialer Sonderaufgaben hat, z.B. im Hinblick auf einen Beruf; dies ist unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände zu ermitteln (Fischer, a.a.O., § 185 Rn. 8 m.w.N.). Insoweit kommen u.a. in Betracht die Anschauungen und Gebräuche der Beteiligten sowie die sprachliche und gesellschaftliche Ebene, auf der die Äußerung gefallen ist (Fischer, a.a.O., § 185 a.a.O. m.w.N.). Maßgebend ist diesbezüglich, wie ein verständiger Dritter die Äußerung versteht (Fischer, a.a.O. § 185 a.a.O. m.w.N.). Bei mehrdeutigen Äußerungen darf die zur Verurteilung führende Bedeutung nicht zu Grunde gelegt werden, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. 05. 2009 - 1 BvR 2272/04 -, juris). Der Vorsatz des Täters muss das Bewusstsein umfassen, dass die Äußerung nach ihrem objektiven Sinn eine Missachtung darstellt (Fischer, a.a.O., § 185 Rn. 17).

25

Dazu ist vorliegend zunächst festzustellen, dass die dem Angeklagten vorgeworfene Äußerung bei isolierter Betrachtung eine ehrverletzende Komponente und damit einen Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht enthält. Auf der einfachen Sinn- und Deutungsebene ohne Einbeziehung weiterer Umstände hat die Bezeichnung des Zeugen T als „Rabauken-Jäger“ aus der Sicht eines verständigen Dritten in gewissem Maße herabsetzenden Charakter.

26

Unter Hinzuziehung weiterer Umstände relativiert sich diese Herabsetzung jedoch bereits. Schon begrifflich enthält die Bezeichnung als „Rabauken-Jäger“ eine Einschränkung dergestalt, dass sie sich allein auf die ausgeübte Tätigkeit des Zeugen T als Jäger beschränkt und eben gerade nicht die Gesamtpersönlichkeit des Zeugen in den Blick nimmt und kritisiert. Das wird im weiteren Kontext noch dadurch bestätigt, dass zugunsten des Zeugen ausgeführt wird, ein auf eine entsprechende Gesamtpersönlichkeit hindeutendes Verhalten sei im Kollegenkreis nicht bekannt. Die Betroffenheit des Zeugen durch Verwendung des Begriffs „Rabauken-Jäger“ beschränkt sich damit auf einen auf einem konkreten Lebenssachverhalt beruhenden und nur darauf beschränkten Vorwurf. Entgegen der Auffassung der Kammer suggeriert der Artikel auch nicht, dass der Zeuge T das Wild selbst erlegt und dann abtransportiert habe. Der dem Abtransport zu Grunde liegende Vorgang wird vielmehr vollständig offengelassen.

27

Auch die Verwendung des Begriffs des „Rabauken“ selbst stellt sich im Vergleich mit anderen denkbaren herabsetzenden Bezeichnungen aus Sicht des Senats als eher harmlose Herabsetzung dar (so beispielsweise schon im Vergleich zur Bezeichnung „Drecksjäger“ oder „fieser Wildschleifer“). Der Begriff selbst, der in die deutsche Sprache erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts Eingang gefunden hat und im Grimm'schen Wörterbuch der deutschen Sprache noch nicht verzeichnet ist, bezeichnet salopp und abwertend einen rohen (gewalttätigen) Jugendlichen oder jungen Mann, der sich laut und ungesittet benimmt [Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG)]. Das entspricht auch dem aktuellen Sprachgebrauch (vgl. nur Beispiele bei WDG u.a.).

28

Im Kontext des inkriminierten Artikels relativiert sich diese - ohnehin milde - Herabsetzung noch weiter: Schon die Diskrepanz des nach allgemeinem Sprachgebrauch zentralen Verwendungskontextes (junger ungestümer Mann) und den vom Angeklagten getroffenen - zutreffenden - Feststellungen zur Person des Zeugen T als eines älteren Herrn lassen aus der Sicht des objektiven Betrachters eine feuilletonistisch-ironisierende Verwendung dieses Begriffes erkennen. Dies ist im Rahmen einer zu Gunsten des Angeklagten nicht ausschließbaren Auslegung zumindest vorstellbar. Eine solche Auslegung zu Gunsten des Angeklagten wird durch den deutlich ironisierenden Kontext, der das eher unreife Verhalten einer sich nunmehr seiner Untat bewusst gewordenen Person beschreibt, die sich möglicherweise vor Scham über ihr Verhalten im Wald „verkriecht“, gestützt. Dass der Angeklagte mit dieser Bezeichnung allein die Ungesittetheit (vgl. obige Definition) des Verhaltens des Zeugen in den Mittelpunkt der Kritik rückt, zeigt sich auch daran, dass er schwerere Vorwürfe (nämlich der Strafbarkeit des Verhaltens) wohlweislich nur als Frage in den Raum stellt und damit bewusst - wenn auch mit gewisser Tendenz zu Lasten des Zeugen - offen lässt. Eine deutliche Relativierung dieser Mutmaßungen enthält auch - für den Leser sogar hervorgehoben - die Untertitelung des Bildes „hat wohl Konsequenzen, zumindest laut Straßenverkehrsordnung“. Zusammenfassend relativiert sich der Sinn der Verwendung des Begriffs „Rabauken-Jäger“ daher dahingehend, dass dem Zeugen für einen Teilbereich seines Handelns ein nicht normgerechtes, ungesittetes Verhalten vorgeworfen wird.

29

Es erscheint deshalb durchaus zweifelhaft, ob damit überhaupt die Voraussetzungen der Missachtung des ethischen oder sozialen Wertes des Zeugen T im Sinne des § 185 StGB erfüllt sind.

30

b. Jedenfalls ist diese Äußerung als Wahrnehmung berechtigter Interessen im Sinne des § 193 StGB nicht strafbar.

31

Danach ist nicht jede ehrherabsetzende Äußerung gemäß § 185 StGB strafbar. Der Ehrenschutz des Opfers einer Beleidigung steht nämlich regelmäßig im Widerstreit mit der Äußerungsfreiheit des Täters, die ihrerseits dem besonderen Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG, hier zudem in der besonderen Ausprägung der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, unterliegt. Zwar findet dieses Grundrecht schon nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranke im Recht der persönlichen Ehre. Dies führt jedoch aufgrund der besonderen Bedeutung dieses Grundrechts für eine pluralistische Demokratie nicht dazu, dass per se jede ehrangreifende Äußerung der Strafandrohung der §§ 185 ff. StGB unterliegt. Vielmehr müssen beide Rechtspositionen bei der Anwendung des einfachen Rechts in einen verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. Dies erfolgt über eine Gesamtabwägung aller Umstände.

32

Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Äußerung eine Tatsachenbehauptung oder die Kundgabe eines Werturteils, einer Meinung, darstellt. Während bei Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität im Vordergrund steht, sind Meinungen durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage und durch die Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt (BVerfG, NJW 1994, 1779). Der Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG bezieht sich grundsätzlich auf Letzteres. Ob eine Äußerung eine Tatsache oder ein Werturteil beinhaltet, bestimmt sich grundsätzlich nach der Nachprüfbarkeit ihrer zugrundeliegenden Wahrheitsbehauptung. Vorliegend lässt sich die Bezeichnung als „Rabauken-Jäger“ - wie auch vom Landgericht so gesehen - allein als Werturteil, nämlich als aus einem tatsächlichen Geschehen abgeleitete Schlussfolgerung bezüglich der charakterlichen Einstellung des Jägers definieren. Diese wertende Schlussfolgerung fällt daher in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit.

33

Liegt damit eine dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallende Meinungsäußerung des Angeklagten vor, hat diese gegenüber dem Persönlichkeitsschutz des Opfers nur dann von vornherein zurückzutreten, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde oder als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellt (BVerfG NJW 1999, 2262 [2263]; NJW 2009, 3016; zuletzt soweit ersichtlich: 29.06.2016,1 BvR 2646/15). Gleiches kann gelten, wenn Meinungsäußerungen mit Tatsachenbehauptungen verbunden und letztere erwiesen unwahr sind (BVerfG NJW 1994, 1779 [1780]).

34

c. Solches ist hier nicht der Fall.

35

aa. Von einem Angriff auf die Menschenwürde des Zeugen T in dem Sinn, dass ihm die personale Würde abgesprochen, er als unterwertiges Wesen beschrieben werden sollte (vgl. BVerfG, NJW 1987, 2261 [2262]), kann im Hinblick auf die Wortwahl, die Umstände der Äußerung, ihren Inhalt und ihr Argumentationsziel nicht die Rede sein. Vielmehr wird - wenn auch mit harschen Worten - Kritik am Zeugen, beschränkt auf ein konkretes ihm vorgeworfenes Verhalten - das Ziehen eines toten Wildtieres mittels eines PKW über eine Straße - geübt und gerade nicht seine gesamte personale Würde in Zweifel gezogen. Eine solche Annahme scheitert schon daran, dass dem Zeugen T im inkriminierten Artikel aufgrund der vom Angeklagten festgestellten Nichterreichbarkeit menschliche Scham und Einsicht in sein vorgeblich unrechtmäßiges Tun unterstellt werden (vgl. den ersten Absatz des Artikels).

36

bb. Ebenso verhält es sich bei der Frage nach dem Vorliegen einer Formalbeleidigung, deren Kennzeichen es ist, dass sich die Kränkung bereits aus der Form der Äußerung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt ergibt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.06.2016, 1 BvR 2646/15). Auch davon kann keine Rede sein; der Angriff auf den Zeugen T ergibt sich aus dem Inhalt der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerung und nicht aus ihrer Form.

37

cc. Die Meinungsfreiheit müsste daher vorliegend nur dann gegenüber dem Ehrenschutz des Opfers zurücktreten, wenn es sich bei der dem Angeklagten vorgeworfenen Äußerung um eine Schmähkritik handeln würde. Schmähkritik, die als solche nicht mehr vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt ist und deshalb eine Abwägung obsolet macht, liegt nur unter engen Voraussetzungen vor (BVerfG, Beschl. v. 28.09.2015, 1 BvR 3217/14; Beschl. v. 12.05.2009, 1 BvR 2272/04; BVerfGE 93, 266 (294); BVerfG NJW 1994, 2413). Dabei sind strenge Maßstäbe anzuwenden (BVerfG, Beschl. v. 29.06.2016, 1 BvR 2646/15;). Wesentliches Merkmal der Schmähung ist eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung. Sie wäre gegeben, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person und ihre Herabsetzung im Vordergrund stünde (vgl. BVerfGE 82, 272). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor (BVerfGE 93, 266, 294).

38

Dies ist jedoch vorliegend gerade nicht der Fall. Zwar tritt das nach der Überschrift des inkriminierten Artikels scheinbar vorrangige Thema der durch das - unstreitige - Verhalten des Zeugen T entstandenen Unruhe in den sozialen Medien sehr schnell in den Hintergrund und der Angeklagte widmet sich sodann fast ausschließlich der Person des Zeugen T und dessen Verhalten. Dies geschieht auch in sehr überspitzter feuilletonistischer und zum Teil umgangssprachlicher Weise (“erst einmal abgetaucht, in seinem Jagdgebiet verkrochen, großen Mist gebaut“ Zitate im Indikativ statt Konjunktiv [„entzogen gehört“]), was eine gewisse holzschnittartige Grobheit in der Darstellung mit sich bringt. Dies geschieht jedoch mit jederzeit gewahrtem Sachbezug zum kritisierten Verhalten des Zeugen T. Das gilt sowohl für das das Tatgeschehen dokumentierende Foto, die Beschreibung dieses Geschehens als auch für die Darstellung der sich daran anschließenden Nachforschungen zur Person des Zeugen T, die jeweils den Sachbezug zu dessen - unstreitigem - Verhalten wahren. Entgegen der Auffassung des Landgerichts (und des Beschwerdeausschusses des Presserates) waren die letztlich die Identifizierung ermöglichenden Angaben zu seiner gesellschaftlichen Rolle in der Gegend nicht zwingend darauf angelegt, den Zeugen T zu diffamieren bzw. an den Pranger zu stellen. Vielmehr hat all dies seinen Sachbezug darin, dass einer - entgegen der Auffassung des Landgerichts - in dem hier relevanten ländlichen Raum auf Grund seiner früheren Aktivitäten gesellschaftlich herausgehobenen Persönlichkeit wie dem Zeugen T ein besonders kritischer Blick auf ihr sonstiges Verhalten zuzumuten ist.

39

dd. Handelt es sich hiernach um eine Meinungsäußerung, die die vorgenannten Grenzen zur Schmähkritik nicht überschreitet, ist eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit/Pressefreiheit und Ehrenschutz geboten, deren Ergebnis verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist, bei der jedoch alle wesentlichen Umstände des Falls zu berücksichtigen sind und bei der es auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter ankommt (BVerfG NJW 1996, 1529; 1999, 2262 [2263]). Dabei gilt zuvorderst die Feststellung, dass keinem Rechtsgut der abstrakte Vorrang gebührt. Die Verfassung schützt sowohl die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs.1 GG) als auch die Integrität der persönlichen Ehre als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 GG. Das Prinzip praktischer Konkordanz sieht in solchen Kollisionsfällen vor, dass ein möglichst schonender Ausgleich zu größtmöglicher Erhaltung der konkurrierenden Interessen führen soll. Für diese Abwägung sind das Ausmaß der Betroffenheit, die Motive und Zwecke sowie die Plumpheit und Aggressivität der Äußerung zu berücksichtigen (vgl. LK-Hilgendorf, 12. Aufl., § 193 StGB Rn. 6).

40

Die vom Senat nach diesen Kriterien vorzunehmende rechtliche Abwägung führt zum Vorrang der Meinungsfreiheit/Pressefreiheit. Angesichts der tatsächlichen Umstände des in dem Artikel berichteten Geschehens erscheint die im Begriff des „Rabauken-Jägers“ zum Ausdruck kommende Kritik noch als angemessen und verhältnismäßig.

41

Im Hinblick auf das in diese Abwägung einzustellende Persönlichkeitsrecht des Zeugen T gilt Folgendes: Die Kritik gilt dem Verhalten des Zeugen in der Öffentlichkeit. Dieses verdient von vornherein nur einen eingeschränkten Schutz vor Kritik. Jedermann muss jederzeit damit rechnen, dass sein Verhalten in der Öffentlichkeit - im Gegensatz zum Verhalten in den eigenen vier Wänden - von derselben, insbesondere von der Presse, kritisch gewürdigt wird. Das Verhalten des Zeugen in der Öffentlichkeit ist damit von vornherein weniger schutzwürdig als ein solches im privaten Raum.

42

Ein Verhalten im öffentlichen Raum genießt dabei umso weniger Schutz vor Kritik, je mehr es berechtigten Anlass zu einer solchen liefert. Gemessen daran erweist sich das Verhalten des Zeugen T als durchaus kritikwürdig. Bei der Beseitigung von Fallwild handelt es sich um Jagdausübung. Damit unterfällt das Verhalten des Zeugen T den Grundsätzen deutscher Weidgerechtigkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BJagdG. Danach hat der die Jagd Ausübende in Ansehung des Gebotes, das Wild als Geschöpf der Natur zu achten, dieses auch entsprechend zu behandeln. Zudem hat er zur Wahrung des Ansehens der Jägerschaft den Jagdbetrieb diszipliniert auszuüben (vgl. näher Schuck, BJagdG, 2. Aufl. 2015, § 1 Rdn. 27ff. M.w.N.). Diesen Anforderungen entspricht das Abschleppen eines toten Wildtieres mittels PKW und Seil auf öffentlicher Straße erkennbar nicht. Die Schutzwürdigkeit des Zeugen vor auch heftiger Kritik ist deshalb angesichts seines nicht weidgerechten Verhaltens in erheblichem Maße abgesenkt. Ob sein Vorgehen aus Gründen der Gefahrenabwehr gerechtfertigt oder entschuldigt gewesen ist oder nicht, ändert an der Feststellung des objektiven Fehlverhaltens nichts, zumal dazu zum Zeitpunkt der Abfassung des Artikels noch keine Erkenntnisse vorlagen.

43

Auf der anderen Seite bestand angesichts des bereits in der Öffentlichkeit in Gang befindlichen Diskussionsprozesses über die Legitimität dieses Verhaltens ein berechtigtes und damit schutzwürdiges Interesse des Angeklagten als Vertreter der Presse über diesen Sachverhalt zu berichten. Er war auch berechtigt, darüber zu einem Zeitpunkt zu berichten, zu dem dieses Thema noch nichts an Aktualität eingebüßt hatte. Zu Lasten des Angeklagten könnte daher allenfalls in die Abwägung einbezogen werden, nicht ausreichend die Möglichkeit von Entschuldigungs- oder Rechtfertigungsgründen (wegen Gefahrenabwehr im Straßenverkehr) für dieses Verhalten in den Blick genommen zu haben, sondern einseitig zu Lasten des Zeugen T von einer straf- oder bußgeldrechtlichen Vorwerfbarkeit seines Verhaltens ausgegangen zu sein. Einer solchen Erwägung steht aber schon entgegen, dass sich der Angeklagte nach den Feststellungen vergeblich bemüht hatte, den Zeugen T zu erreichen. Weitere Bemühungen können ihm in Ansehung der Notwendigkeit aktueller Berichterstattung auf der einen Seite und des erkennbar vorliegenden objektiv normwidrigen Verhaltens des Jägers sowie der darüber bereits in den sozialen Medien geführten öffentlichen Diskussion auf der anderen Seite nicht abgefordert werden. Das Unterlassen weiterer Sachverhaltsaufklärung kann daher nicht in die Abwägung zu Lasten des Angeklagten einfließen. Vielmehr war es dem objektiv pflichtwidrig handelnden Zeugen T zumutbar, Gesichtspunkte der Entschuldigung oder Rechtfertigung seines Verhaltens erst im öffentlichen Diskussionsprozess oder im Wege einer presserechtlichen Gegendarstellung vorzubringen. Das gilt nur dann nicht, soweit diese unmittelbar auf der Hand liegen und/oder vom Angeklagten etwa zur Ermöglichung einer reißerischen Berichterstattung bewusst verschwiegen wurden. Ein solches seinerseits nicht schutzwürdiges Verhalten des Angeklagten ist aber nicht erkennbar. Vielmehr spricht in diesem Zusammenhang zu seinen Gunsten, dass er sich zumindest kurz darum bemüht hat, eine Stellungnahme des Jägers zu erreichen und er erst dann den Artikel verfasst hat. In Ansehung von Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG wäre es nicht zumutbar, wollte man ihm unter der Drohung der Strafbarkeit von § 185 StGB abfordern, zu Lasten aktueller Berichterstattung im Rahmen seiner Berufsausübung weiter zuzuwarten. Im Rahmen der Meinungsäußerung muss es dann auch möglich sein, über die offen als unklar dargelegte Motivation oder die Hintergründe der Tathandlung zu spekulieren. Nichts anderes hat der Angeklagte unter Offenlegung der unklaren Tatsachenbasis getan.

44

Liegt damit ein berechtigtes Interesse des Angeklagten an der vorgenommenen Berichterstattung vor, ist die Verwendung des Begriffs „Rabauken-Jäger“ nicht strafbar.

45

5. Auch soweit in dem vom Angeklagten verfassten Artikel der Begriff „Drecksjäger“ Verwendung findet, war der Angeklagte vom Vorwurf der Beleidigung freizusprechen.

46

Die bloße Weitergabe beleidigender Urteile Dritter ohne Hinzutreten weiterer Umstände stellt grundsätzlich keine Beleidigung dar. Die Bezeichnung „Drecksjäger“ ist entgegen der Auffassung der Kammer ein solches keiner Strafbarkeit gemäß § 185 StGB unterliegendes Drittzitat. Das Zitat ist einbettet in die Darstellung der Reaktion der sozialen Medien auf das Verhalten des Zeugen T. Es passt daher zur Überschrift des Artikels und auch zum abgedruckten Bild, das den sozialen Medien entnommen worden ist. Der Angeklagte referiert die Tatsache der Begriffsverwendung, ohne sie sich durch eine entsprechende Formulierung zu Eigen zu machen. Soweit er in diesem Zusammenhang in indirekter Rede die im sozialen Medium geäußerte Auffassung wiedergibt, dass „dem (Anm. des Senats: dem Zeugen T) sofort die Jagdlizenz entzogen gehört“ und er dabei statt des Konjunktivs „gehöre“ den Indikativ „gehört“ verwendet, kann dies nicht als Indiz der Selbstaneignung gewertet werden. Zu Gunsten des Angeklagten ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich dabei lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit handelt. Auf die Frage, ob dieser Begriff ebenfalls von der Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt wäre, kommt es damit nicht an.

IV.

47

Da die Aufhebung des angefochtenen Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung der §§ 185, 193 StGB auf die dem Urteil zugrunde liegenden - vollständigen und unstreitigen - Feststellungen erfolgt, war der Angeklagte gemäß § 354 Abs. 1, 1. Alt. StPO freizusprechen.

V.

48

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Tenor

1. Das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 29. Juni 2016 - 302 Js 36279/14 15 Cs - und der Beschluss des Landgerichts Gera vom 15. Dezember 2016 - 302 Js 36279/14 7 Ns - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Gera zurückverwiesen.

3. Der Freistaat Thüringen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB.

I.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt im Ruhestand. Im Jahr 2014, als er noch beruflich aktiv war, war er Verteidiger eines wegen Unfallflucht Angeklagten, der zunächst vom Amtsgericht verurteilt wurde. In der zweiten Instanz wurde das Verfahren auf Kosten der Staatskasse gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt. Da sein Antrag auf Kostenerstattung für dieses Verfahren trotz mehrfacher Mahnungen zwei Monate lang nicht beschieden wurde, wandte der Beschwerdeführer sich an den die Dienstaufsicht innehabenden Präsidenten des Landgerichts. In seinem Schreiben beschwerte er sich über die schleppende Bearbeitung des Kostenfestsetzungsantrags und schilderte sodann ausführlich, warum der Prozess seiner Meinung nach seitens des zuständigen Richters schlecht geführt worden sei. Unter anderem erklärte er:

"Der Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht P. glich dann schon dem, was ich als ,Musikantenstadl' bezeichnen möchte. Kein vernünftiges Eigenargument auf Seiten des Richters, aber eine ,Gesamtsicht der Dinge'. Es wird mir ein ewiges Rätsel bleiben, wie es möglich ist, dass aus nicht einem einzigen stichhaltigen Argument eine ,stichhaltige Gesamtsicht' zusammengenäht - halt besser: zusammengeschustert - wird. (...)".

3

Der Präsident des Landgerichts stellte Strafantrag.

4

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer mit angegriffenem Urteil wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30 €. Der Vergleich der mündlichen Verhandlung mit einem "Musikantenstadl" sei geeignet, den zuständigen Richter in seiner Ehre zu kränken. Die richterliche Tätigkeit werde damit gegenüber dem zur Dienstaufsicht und Beurteilung der Leistungen des Richters berufenen Landgerichtspräsidenten einer Veranstaltung der Volksbelustigung gleichgestellt. Die Äußerung des Beschwerdeführers sei auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass dieser mit seinem Schreiben nach eigenen Angaben allein die Beschleunigung des Kostenfestsetzungsverfahrens bezweckt habe. Denn das Strafverfahren sei zu dem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen, so dass es keine Rechtfertigung für eine nachträgliche Diffamierung der Verhandlungsleitung gebe, die in keinem Zusammenhang mit der Kostenerstattung stehe. Die Äußerung des Beschwerdeführers sei auch nicht durch das Petitionsrecht oder Art. 5 GG beziehungsweise Art. 10 der EMRK gerechtfertigt. Denn diese rechtfertigten keine beleidigenden Äußerungen, die wie hier pauschal die Verhandlung eines Richters in den Bereich der Lächerlichkeit stellten und keinen konkreten Sachbezug aufwiesen.

5

3. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Annahme der Berufung wies das Landgericht mit angegriffenem Beschluss zurück. Die Berufung sei gemäß § 313 Abs. 1 StGB nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie offensichtlich unbegründet sei.

6

4. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Petitionsrechts aus Art. 17 GG.

7

5. Dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

II.

8

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

9

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

10

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

11

a) Die inkriminierte Äußerung fällt in den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit. Sie ist durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt und deshalb als Werturteil anzusehen. Die polemische oder verletzende Formulierung einer Aussage entzieht diese grundsätzlich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 <138 f.>; 93, 266 <289>; stRspr).

12

b) Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gilt allerdings nicht vorbehaltlos, sondern findet nach Art. 5 Abs. 2 GG seine Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, namentlich in dem der hier angegriffenen Verurteilung zugrunde liegenden § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 <290 ff.>). Auslegung und Anwendung der Strafvorschriften ist grundsätzlich Sache der Strafgerichte. Das Bundesverfassungsgericht ist auf die Klärung beschränkt, ob das Strafgericht die wertsetzende Bedeutung des Freiheitsrechts verkannt hat (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 93, 266 <292>; stRspr). Steht ein Äußerungsdelikt in Frage, so verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG eine Gewichtung der Beeinträchtigung, die der Meinungsfreiheit des sich Äußernden einerseits und der persönlichen Ehre des von der Äußerung Betroffenen andererseits droht (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <293>; stRspr). Handelt es sich bei der Äußerung um eine Stellungnahme in einem gerichtlichen Verfahren, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dient, so sind bei der Anwendung des § 193 StGB auch die Auswirkungen des Rechtsstaatsprinzips zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. April 1991 - 2 BvR 963/90 -, NJW 1991, S. 2074 <2075>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. März 2000 - 2 BvR 1392/96 -, NJW 2000, S. 3196 <3197>). Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist (vgl. BVerfGE 93, 266 <293>). Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, den Beschwerdeführer auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen.

13

c) Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

14

aa) Das Amtsgericht hat zwar geprüft, ob die Äußerung durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) gedeckt sein könnte. Indem es argumentiert, das Strafverfahren sei zu jenem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen und daher eine Rechtfertigung der darauf bezogenen Äußerung ausgeschlossen, verkennt es jedoch die Reichweite der Meinungsfreiheit. Zum einen deckt diese auch die Kritik bereits abgeschlossener Strafverfahren. Zum anderen übersieht das Gericht, dass das Kostenfestsetzungsverfahren durchaus mit dem vorhergehenden Erkenntnisverfahren in Zusammenhang steht. Der Beschwerdeführer verbindet seine Kritik an der schleppenden Bearbeitung seines Kostenfestsetzungsantrags mit Ausführungen zu den aus seiner Sicht schon in der mündlichen Verhandlung zu verzeichnenden Schwächen, um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Überdies hat das Amtsgericht bei der Abwägung auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Äußerung nicht öffentlich, sondern in einer allein an den Präsidenten des Landgerichts adressierten Dienstaufsichtsbeschwerde gefallen ist, so dass der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Richters nur eine geringe Außenwirkung entfaltet hat.

15

bb) Da das Landgericht die Berufung als offensichtlich unbegründet erachtet hat, leidet seine Entscheidung an denselben Mängeln wie das Urteil des Amtsgerichts.

16

3. Ob die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der beanstandeten Meinungsäußerung auch einen Verstoß gegen das in Art. 17 GG gewährleistete Petitionsrecht darstellt, war von der Kammer nicht mehr zu entscheiden, da die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen bereits wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 GG aufgehoben wurden.

17

4. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

18

5. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

1. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung. Der Beschwerdeführer veröffentlichte auf "www.mupinfo.de" den nachfolgend wiedergegebenen Beitrag unter der Überschrift "Jamel ehrt die ,Helden des Nordens'".

Das beschauliche Dörfchen Jamel ist mittlerweile international bekannt. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwelche sensationslüsternen Touristen oder Presseteams im Ort vorbeischauen, um einmal waschechte Neonazis in freier Wildbahn zu sehen. Viele sind dann überrascht, daß sie dort dann tatsächlich auf ganz normale Familien treffen und sich - anders als z.B. bei einer Großwild-Safari - sogar aus dem Auto trauen können.

Auch der leicht abseits gelegene Forsthof, in welchem sich zwei lupenreine Demokraten mit ihren Katzen eingenistet haben, erlangte mittlerweile traurige Berühmtheit. Dort wohnen … und …, ein zugewandertes Künstlerpärchen aus St. Pauli, die mit ihren neuen Nachbarn einfach nicht klar kommen wollen.

Die beiden sticheln und stänkern seit Jahren, wo und wann es nur geht, gegen den lieben Dorffrieden. Die volkstreue Einstellung der anderen Dorfbewohner ist ihnen ein Dorn im Auge, gern hätten sie es multikultureller. Doch warum sind sie dann überhaupt aus Hamburg fortgezogen? Dieses als Zivilcourage und Toleranz mißverstandene Fehlverhalten erweist sich dennoch durchaus als einträgliches Geschäftsmodell.

Die ... haben in den letzten beiden Jahren jeweils fünfstellige Preisgelder irgendwelcher Anti-Rechts-Initiativen oder Stiftungen eingestrichen, u.a. wurden sie mit dem Paul-Spiegel-Preis (5.000 Euro) ausgezeichnet. Selbst beim Bundespräsidenten durften sie schon vorsprechen. Das hält sie selbstverständlich nicht davon ab, weiterhin finanzkräftige Sponsoren für die Unterhaltung ihres Hofes und des maroden Forstrock-Festivals zu suchen. Angeblich soll die Kirche den baufälligen Zaun ersetzen.

Im Dezember 2011 wurden sie vom NDR und vier norddeutschen Tageszeitungen sogar zu "Helden des Nordens" gekürt. Dieser Fakt wurde natürlich auch von der Dorfgemeinschaft gewürdigt.

Gleich am Ortsteingang weist seit einigen Tagen ein neues Schild auf die weitere Attraktion des Dorfes hin. Dem Motiv war ein Karikaturenwettstreit vorausgegangen. Die beiden besten Entwürfe sind nun für jedermann sichtbar ausgestellt.

2

Die Seite des in dem Beitrag genannten Schildes, die man beim Verlassen des Ortes sieht, zeigt - nach den fachgerichtlichen Feststellungen - das im Artikel genannte Ehepaar als Karikatur, das um einen Topf mit Gold tanzt - und trägt die Aufschrift "Die Faulen und die Dreisten bekommen am meisten". Auf der Seite, die man am Ortseingang passiert, sind die karikierten Köpfe der Eheleute abgebildet. Die Köpfe werden von dem Text "Die Dorfgemeinschaft grüßt: Die ,Helden' des Nordens" umrahmt.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 100 €. Der Artikel an sich - ohne Verknüpfung mit den Fotos - halte sich noch im Rahmen zulässiger Kritik/Satire. Das Amtsgericht befasst sich dann mit dem Teil des Schildes, auf dem die Abgebildeten als "faul" und "dreist" bezeichnet werden und für dessen Abbildung der Beschwerdeführer als Verbreiter hafte, und begründet ausführlich, weshalb die Meinungsfreiheit hinter den Belangen der persönlichen Ehre zurücktreten muss.

4

3. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet unter Verweis auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft, welche das amtsgerichtliche Urteil befürwortet hatte, ergänzt um Ausführungen zur Verbreiterhaftung.

5

4. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung seiner Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG.

II.

6

Die angegriffenen Entscheidungen bewegen sich im fachgerichtlichen Wertungsrahmen und verletzen die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht. Die Gerichte haben nachvollziehbar begründet, dass sich der Beschwerdeführer durch die Abbildung der Schilder deren Inhalt zu Eigen gemacht hat. Das Amtsgericht hat zwischen dem Eintrag und den Abbildungen differenziert und den Eintrag zutreffend als zulässige Meinungsäußerung eingeordnet.

7

Hiervon ist die Abbildung des am Ortseingang aufgestellten Schildes, das auf Vorder- und Rückseite Karikaturen des abgebildeten Ehepaares zeigt und dieses auf der Rückseite als "dumm" und "dreist" bezeichnet, zu unterscheiden. Diesbezüglich sind die Gerichte nach Vornahme der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung zu dem verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ergebnis gekommen, dass die Belange der persönlichen Ehre der Abgebildeten überwiegen. Der Text auf der Rückseite des Schildes und die Bezeichnung als "dumm" und "dreist" enthält keinerlei spezifische politische Aussage und beschränkt sich ausschließlich darauf, die Abgebildeten menschlich schlecht zu machen. Durch das an prominenter Stelle am Ortseingang aufgestellte Schild und die verzerrte Darstellung werden die Abgebildeten an den Pranger gestellt und aus der Dorfgemeinschaft ausgegrenzt. Vor diesem situativen Hintergrund und in Verbindung mit der entpolitisierten Aussage ist die Annahme eines Überwiegens der Belange der persönlichen Ehre gut vertretbar und verletzt die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers nicht.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1. Juli 2013 wird als unbegründet

v e r w o r f e n .

Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte den Angeklagten am 29. November 2012 wegen Beleidigung zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 EUR. Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 1. Juli 2013 wurde auf seine hiergegen eingelegte Berufung das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu der Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 60 EUR verurteilt wurde, die weitergehende Berufung wurde verworfen.
Das Landgericht hat in der Berufungshauptverhandlung folgenden Sachverhalt festgestellt und tatbestandsmäßig als Beleidigung im Sinne des § 185 StGB gewertet:
Am Abend des 03. März 2012 führte die Polizeistreife PHM K./PM S. gegen 22.20 Uhr eine Kontrolle des Zeugen F. durch, weil dieser mit seinem PKW VW Polo vor ihnen auf der R… Straße in S. auf der Fahrt bergabwärts in Richtung Stadtmitte in Schlangenlinien gefahren war. Sie gaben ihm durch ein eingeschaltetes Blaulicht auf dem Dach ihres zivilen Dienstfahrzeugs zu verstehen, dass er anhalten sollte und er stellte seinen Pkw in der Bushaltestelle vor dem Gebäude R… Straße 1 ab. Die zivil gekleideten Beamten parkten ihr Fahrzeug mit weiterhin eingeschaltetem Blaulicht hinter diesem. Während sich PM S. zu der Fahrertür an dem Polo begab, um die Kontrolle des F. durchzuführen, blieb PHM K. auf der Beifahrerseite des Pkw stehen, um die Kontrolle abzusichern.
Auf das Blaulicht aufmerksam geworden verließ der Angeklagte das Gebäude R… Straße 1, in dessen Erdgeschoss sich das Lokal „R.“ befindet, durch die Haustür. Der Angeklagte, der von der Polizei wenig hält und sich dank seiner juristischen Ausbildung, seines Intellekts und seiner rhetorischen Fähigkeiten Polizeibeamten überlegen fühlt, findet Gefallen daran, diese Überlegenheit auszuspielen, und erkannte in der Kontrolle eine Gelegenheit hierzu. Er ging daher in der Erwartung, dass der Polizeibeamte daran Anstoß nehmen würde, mehrfach langsam auf dem Gehweg die R… Straße auf Höhe der beiden Fahrzeuge und mit Blickrichtung auf diese auf und ab. Tatsächlich sah sich PHM K. in seiner Aufgabe, die Kontrolle gegen Störungen Dritter zu sichern, beeinträchtigt, und forderte den Angeklagten mit dem Hinweis, hier werde eine Polizeikontrolle durchgeführt, auf, weiter zu gehen. Dieser Aufforderung kam der Angeklagte in verhaltenem Tempo nach, kehrte aber in Verfolgung seines Vorhabens, den Beamten in eine Debatte zu verwickeln, darin sein dienstliches Verhalten zu kritisieren und ihn so zu verunsichern, alsbald zu dem Polizeibeamten an den Pkw zurück und blieb stehen.
Auf die erneute Aufforderung von PHM K., sich zu entfernen, erwiderte der Angeklagte, dass er doch seine Staatsdiener kontrollieren müsse. Ohne darauf einzugehen wandte sich PHM K. von dem Angeklagten ab und ging einige Schritte in Richtung des Dienstfahrzeugs, wohin sich PM S. mit dem Zeugen F. zwischenzeitlich zur Abfrage von dessen Daten per Funk begeben hatte. In der Folgezeit unterzog PM S. den Zeugen F. auf dem Gehweg einigen Tests, darunter dem Rhomberg-Test, um den Verdacht einer alkoholischen oder Drogenbeeinflussung weiter abzuklären, an denen der Zeuge anstandslos mitwirkte. Die Tests bestätigten letztlich den Verdacht einer Intoxikation nicht. Als der Angeklagte PHM K. zu dem Dienstfahrzeug folgte, wies sich dieser durch Vorzeigen seines Dienstausweises als Polizeibeamter aus und drohte dem Angeklagten für den Fall weiterer Störung an, ihn in Beseitigungsgewahrsam zu nehmen. Zudem forderte der Zeuge den Angeklagten auf, sich auszuweisen, was dieser tat.
Diese polizeilichen Maßnahmen bildeten für den Angeklagten den Einstieg in die verbale Auseinandersetzung mit PHM K.. Er mokierte sich über die seiner Meinung nach andere Verkehrsteilnehmer irritierende und dadurch gefährdende Kontrolle im Bereich der Kurve mit laufendem Blaulicht. Er machte dem Beamten wegen der Tests, denen sich der Zeuge F. unterziehen musste, Vorhalte, weil sie bei einer Durchführung in der Öffentlichkeit entwürdigend seien, und äußerte, die Polizei solle keine unschuldigen Bürger belästigen. Da sich PHM K. auf keine Diskussion einließ und stattdessen seine Stimme erhob, verlor auch der Angeklagte ungewollt seine Abgeklärtheit und wurde lauter und emotional.
Schließlich wandte er sich ab, rief etwas von „Polizeiwillkür“ und lief in die Gaststätte „R.“ hinein. Von dort aus kam die Frau des Angeklagten mit diesem zusammen oder kurz nach ihm auf die Straße und fragte, was los sei. Auf die Erläuterung von PHM K., dass es sich um eine Kontrolle handele, die mit ihrem Mann gar nichts zu tun habe, meinte sie, dass er halt so sei. Auch ihr zeigte der Beamte seinen Dienstausweis. Währenddessen redete der Angeklagte weiter lautstark auf den Beamten ein, ob er denn wisse, mit wem er es zu tun habe, er kenne den früheren Leiter des Reviers G… Straße. Die Äußerungen des Angeklagten gipfelten in dem Satz, dass er viele ältere Kollegen kenne, die mehr Verstand hätten als der Zeuge. Damit wollte der Angeklagte dem Beamten in abschätziger, ehrverletzender Weise kundtun, dass er ihn für dumm halte. PHM K. verstand diese Äußerung auch in diesem Sinn und kündigte dem Angeklagten sofort an, dass er ihn nunmehr wegen Beleidigung zur Anzeige bringen werde. Darauf rang sich der Angeklagte ein Lächeln ab, reagierte aber nicht weiter.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Im Wesentlichen stützt der Angeklagte seine Revision darauf, dass die Äußerung des Angeklagten als Kritik der angegriffenen Maßnahme der Polizeibeamten gegolten habe, nicht aber als Herabwürdigung deren Persönlichkeit. In einem in der Öffentlichkeit ausgetragenen Meinungskampf seien eindringliche und sinnfällige Schlagworte oder scharfe, polemisch überspitzte Äußerungen von der grundrechtlich garantierten Meinungsfreiheit gedeckt und deshalb nicht tatbestandsmäßig im Sinne der Norm. Der Angeklagte beantragte daher in der Revisionsbegründung, das angefochtene Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zurückzuverweisen und - weitergehend - in der Revisionshauptverhandlung, ihn freizusprechen.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision des Angeklagten mit Zuschrift vom 19. September 2013 beigetreten und beantragte ebenfalls, das Urteil des Landgerichts Stuttgart aufzuheben und den Angeklagten unter Auferlegung seiner notwendigen Auslagen auf die Staatskasse vom Vorwurf der Beleidigung freizusprechen.
II.
10 
Die zulässige Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
1.
11 
Das Landgericht hat seine dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Feststellungen, die diesen in rechtlicher Hinsicht auch tragen (dazu unten Ziff. 2.), rechtsfehlerfrei aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen.
12 
Die Beweiswürdigung ist dabei ureigene Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat die Entscheidung des Tatrichters hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu beschränken, ob die Urteilsgründe Fehler enthalten. Eine Beweiswürdigung ist etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 - 1 StR 582/06 -; BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371). Während die frühere Rechtsprechung in der Darlegung der Beweiswürdigung in den schriftlichen Urteilsgründen dabei Schlussfolgerungen des Tatgerichts, die nach der Lebenserfahrung möglich sind, genügen ließ, wird nunmehr vorausgesetzt, dass der Schuldspruch auf einer tragfähigen Beweisgrundlage aufbaut, die die objektiv hohe Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Beweisergebnisses ergibt (BVerfG NJW 2003, 2444).
13 
Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils in jeder Hinsicht gerecht. Die Revision zeigt denn auch keine fehlerhafte Beweiswürdigung auf, was die Feststellung des objektiven Sachverhalts angeht. Das Urteil setzt sich insbesondere mit der Einlassung des Angeklagten auseinander, seine Äußerung habe wie folgt gelautet: „Ich kenne ältere Kollegen, die diesen Vorfall vernünftiger abhandeln würden“ (UA S. 8). Es hat diese Einlassung aufgrund der Aussage des Geschädigten und dem Nachtatverhalten des Angeklagten nachvollziehbar als widerlegt angesehen (UA S. 17). Gegen die hierbei vorgenommene Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
14 
Die Kammer hat zu der Feststellung der subjektiven Tatseite weiter bedacht, dass zu den Anforderungen bei der Deutung einer inkriminierten Äußerung von Verfassungs wegen auch gehört, dass sie unter Einbeziehung ihres Kontextes ausgelegt werden muss und ihr kein Sinn zugemessen werden darf, den sie objektiv nicht haben kann. Bei mehrdeutigen Äußerungen darf die zur Verurteilung führende Bedeutung nicht zu Grunde gelegt werden, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen, da dieser Sinngehalt in jedem Falle dem Schutzbereich der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegt (BVerfG in ständiger Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 12. Mai 2009 - 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, 3016, Rn. 31 bei juris). Mit tragfähiger Begründung hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei wiederum in erster Linie auf getätigte und eingestandene Äußerungen des Angeklagten während des Tatgeschehens wie auch während der Berufungshauptverhandlung bis hin zu seinem letzten Wort (BGH NStZ-RR 2010, 310) abgestellt (UA S. 10 ff., S. 18 f.). So hat der Angeklagte den Urteilsgründen zufolge in seinem letzten Wort ausgeführt, Beamte müssten bei einem so grob rechtswidrigen Verhalten „zurecht gestutzt“ werden (UA S. 8). Weiter führte er den Urteilsgründen zufolge in der Hauptverhandlung aus, in solchen Situationen „spiele er mit Worten“ (UA S. 8). Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer unter anderem hieraus die Überzeugung abgeleitet, „dass der Angeklagte zu keinem Zeitpunkt als „kritischer Bürger“ PHM K. auf ein seiner Meinung nach gefährdendes und den Zeugen F. in seiner Würde verletzendes Verhalten hinweisen wollte, sondern von vornherein zu seiner Unterhaltung den verbalen Konflikt mit dem Beamten suchte und er in diesem bewusst die ehrverletzend gemeinte und verstandene Äußerung machte“ (UA S. 9).
15 
Dass die getätigte Äußerung nicht nur von dem Geschädigten subjektiv als ehrverletzend betrachtet wurde, sondern sie im Rahmen des Gesamtgeschehens auch objektiv von jedem verständigen Dritten als ehrverletzende Äußerung dahingehend zu verstehen war, dass der Geschädigte keinen Verstand habe und mithin „dumm“ sei, hat die Strafkammer hierbei bedacht (UA S. 17, Ziff. 8a). Der Senat vermag deshalb auszuschließen, dass die Strafkammer sich - trotz wiederholter Äußerung des subjektiven Empfindens des Geschädigten (UA S. 17, S. 19) - nicht auch an einem objektiven, sondern nur einem subjektiv empfundenen Sinngehalt der Äußerung aus Opfersicht orientiert hat (BVerfG aaO).
2.
16 
Auch der Umstand, dass die Strafkammer rechtsirrig auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit des Angeklagten und Ehrenschutz des Geschädigten unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung verzichtet hat, da der Angeklagte nicht gemäß § 193 StGB in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe (UA S. 20), vermag den Bestand des Urteils nicht zu gefährden.
17 
Im Einzelnen:
a)
18 
Bei der grundsätzlich vorzunehmenden Abwägung tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig nur dann hinter dem Ehrenschutz zurück, wenn es sich bei den herabsetzenden Äußerungen um Formalbeleidigungen oder Schmähungen handelt, bei denen nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (BVerfG, aaO, Rn. 28 bei juris). In diesem Zusammenhang kann von der Abwägung allenfalls ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es sich um eine Äußerung handelt, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von ihrem konkreten Kontext stets als persönliche diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie es bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter - etwa aus der Fäkalsprache - der Fall sein kann (BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2008 - 1 BvR 1318/07 -, NJW 2009, 749, Rn. 16 bei juris). Dabei hat das Bundesverfassungsgericht den in der Fachgerichtsbarkeit entwickelten Begriff der „Schmähkritik“ eng definiert.
19 
Trotz der sehr knappen rechtlichen Würdigung in dem angegriffenen Urteil, das sich mit dem Rechtsbegriff der „Schmähkritik“ nicht auseinandersetzt, jedoch darlegt, dass der Angeklagte „nicht im Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gehandelt“ habe, da er nicht in Wahrnehmung öffentlichkeitsrelevanter Angelegenheiten gehandelt habe, sondern vielmehr die verbale Auseinandersetzung mit dem Geschädigten gesucht habe, liegt nach dem Gesamtzusammenhang dennoch nicht nahe, dass die Strafkammer von dem Vorliegen einer Schmähkritik ausgegangen ist. Denn die Strafkammer legt an anderer Stelle dar, dass die Behauptung, jemand anderes habe mehr Verstand als eine Person, eine Behauptung sei, die nahezu jeder gegen sich gelten lassen müsse (UA S. 18, Ziff. 10). Die Strafkammer kommt mithin lediglich unter Berücksichtigung des konkreten Kontexts der Tatumstände zu der ehrverletzenden Auslegung der Formulierung.
20 
Damit war die Strafkammer aber der Abwägung der Rechtsgüter der Meinungsäußerung und des Ehrenschutzes nicht enthoben.
b)
21 
Da das angefochtene Urteil ausreichende Feststellungen zu den Tatumständen und der Motivation des Angeklagten enthält, kann das Revisionsgericht den Abwägungsvorgang als reine Rechtsfrage nachholen. Dieser ergibt, dass die Äußerung des Angeklagten, auch wenn sie keine Schmähkritik darstellt, nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt war.
22 
Das Bundesverfassungsgericht hat in den genannten Entscheidungen wiederholt entschieden, dass von dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei, wenn Meinungsführer verschiedener informierter und interessierter Bürgerbewegungen oder auch politischer Parteien im Rahmen von öffentlich ausgetragenen Sachdiskussionen, zu denen sie geladen waren, die gebotene Zurückhaltung verloren und im Kampf um die Vorherrschaft ihrer Meinung Äußerungen tätigten, die sich - zumindest auch - in ehrverletzender Weise gegen die Person des Mitdiskutanten wendeten. Eine Meinungsäußerung wird in diesen Fällen nicht schon wegen ihrer herabsetzenden Wirkung für Dritte zur Schmähung; hinzukommen muss vielmehr, dass die persönliche Kränkung das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängt (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2009, aaO, Rn. 35 bei juris).
23 
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils handelt es sich vorliegend um keinen vergleichbaren Sachverhalt. Der Angeklagte war nicht informierter und interessierter Meinungsführer einer Gruppierung von Bürgern oder einer politischen Partei, vielmehr schwang er sich zu einem unberufenen „Zensor“ über dienstliches Handeln von Polizeibeamten auf, das ihn selbst unmittelbar bis zu seinem Einschreiten nicht betraf und zu dessen Vorgeschehen, nämlich der Fahrweise des einer Kontrolle unterzogenen Pkw-Lenkers, er keinerlei Vorinformationen hatte. Als er zu dem Geschehen hinzu kam, hatte der Pkw-Lenker sein Fahrzeug bereits verlassen und wurde Standardtests hinsichtlich seiner Fahrtüchtigkeit unterzogen. Ob diese Maßnahme veranlasst und rechtmäßig war, konnte der Angeklagte mithin nicht beurteilen. Nach den weiterhin rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ging es dem Angeklagten schließlich auch alleine darum, „Staatsdiener zu beaufsichtigen“, sie „zurechtzustutzen“ und sie dabei seine intellektuelle und rhetorische Überlegenheit durch „Wortspielereien“ spüren zu lassen. Auch wenn in diesem Zusammenhang kritische Äußerungen eines Bürgers am Verhalten von Polizeibeamten durch das Recht zur freien Meinungsäußerung gedeckt sein mögen, erlaubt dieses Recht vorliegend keine ehrverletzenden Äußerungen. Denn sie wurden gerade nicht im Rahmen eines vom Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen gemeinhin als hohes Gut betrachteten öffentlichen Meinungsstreits geäußert, da der Angeklagte ein sachliches Anliegen, das ihn persönlich oder als Protagonisten einer Gruppierung interessierter Bürger unmittelbar betraf, nach den getroffenen Feststellungen a priori nicht verfolgt hat, sondern ihm ausschließlich um das intellektuelle Herabwürdigen seines Kontrahenten zu tun war. Ohne rechtliche Bedeutung ist deshalb der Umstand, dass dem Angeklagten der Beseitigungsgewahrsam angedroht wurde, da ihm nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils gerade um die Provokation des Geschädigten zu tun war und er die zu erwartende Reaktion gerade als Einstieg in die verbale Auseinandersetzung nutzen wollte (UA S.5).
c)
24 
Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Geschädigte als Amtsträger Opfer der Beleidigung wurde. Selbst wenn man dem Angeklagten zugestehen wollte, dass die Vermutung für die freie Rede umso schwereres Gewicht haben soll, als die geübte Kritik die Ausübung staatlicher Gewalt zum Inhalt hat (BVerfG, aaO, Rn. 38 bei juris), so verließ der Angeklagte diesen Schutzbereich spätestens dann, als er sich nicht mehr darauf beschränkte, darauf hinzuweisen, dass die Kontrollmaßnahmen seiner Ansicht nach überzogen waren und an einer für andere Verkehrsteilnehmer gefährlichen Stelle durchgeführt würden. Denn mit dem Hinweis darauf, dass der Geschädigte weniger Verstand habe als andere Polizeibeamte und ihm im Gesamtkontext damit sinngemäß geringere Intelligenz als anderen Menschen zugestanden wurde, ist die private Person des Geschädigten in den Vordergrund gestellt worden und nicht sein öffentliches Wirken als Polizeibeamter mit etwaigen weitreichenden gesellschaftlichen Folgen (BVerfG, aaO).
25 
Das Recht auf Äußerung freier Meinung alleine dazu zu missbrauchen, Amtsträger in Uniform gezielt zu provozieren und öffentlich in ihrer Person zu diffamieren, ohne dass dies im Rahmen eines von beiden Seiten öffentlichkeitswirksam gesuchten Meinungsaustauschs stattfindet, verlangt nach strafrechtlicher Sanktion. Ein Gemeinwesen, das nicht bereit ist, strafrechtlich relevantes Tun gegen seine Repräsentanten zu ahnden, nimmt sehenden Auges in Kauf, dass seine Institutionen und Rechtssätze insgesamt an Achtung und Geltung verlieren und verliert so in weiten Bevölkerungskreisen an Akzeptanz.
d)
26 
Der vorliegende Sachverhalt liegt mithin auch anders als der von dem Oberlandesgericht Düsseldorf am 25. März 2003 (NStZ-RR 2003, 295) entschiedene, den die Generalstaatsanwaltschaft für ihren Antrag ins Feld führt. Dort hatte der Angeklagte ihn kontrollierende Polizeibeamte der „Wegelagerei“ bezichtigt. Nach dem Kontext lag auf der Hand, dass es sich hierbei um eine allgemeine Kritik an dem Vorgehen der Polizei handelte, die keinen personalisierten Bezug zu dem konkret kontrollierenden Polizeibeamten hatte.
3.
27 
Da auch die Begründung des Rechtsfolgenausspruchs revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, hat der Senat die Revision als unbegründet mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 StPO verworfen.

Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

11
b) Im Ausgangspunkt zutreffend hat es das Berufungsgericht auch für geboten erachtet, über die Klage aufgrund einer Abwägung des Rechts des Klägers auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden. Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles so- wie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 523; vom 11. März 2008 - VI ZR 189/06 - VersR 2008, 695 Rn. 13; vom 11. März 2008 - VI ZR 7/07 - VersR 2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07 - VersR 2009, 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 - VI ZR 19/08 - VersR 2009, 1545 Rn. 16; BVerfGE 114, 339, 348 m.w.N.; 120, 180, 200 f.; AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 - VI ZR 122/04 - VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 - VI ZR 226/08 - z.V.b. m.w.N.).

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.