Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 27. Okt. 2016 - 41 U 17/16

bei uns veröffentlicht am27.10.2016

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des Landgerichts Stendal vom 22. Dezember 2015 mit dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben und die Sache an das Landgericht Stendal zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.285 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kapitalinvaliditätsleistungen aus einer Unfallversicherung.

2

Nach vorangegangenem Antrag des Klägers auf Abschluss einer Familienversicherung übersandte ihm die Beklagte im Jahr 2002 einen entsprechenden Versicherungsschein über eine Familienversicherung, die für ihn auch einen Unfallversicherungsschutz beinhaltete. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob der Sendung auch die damaligen AUB 2001 der Beklagten beigefügt waren.

3

Auf einen Änderungsantrag des Klägers vom 20. Januar 2005 (Bl. 85, 86 Bd. I d. A.) wurde ab Februar 2005 eine dynamische Unfallversicherung mit jährlichem Zuwachs von 5 % bei einer Invaliditätsgrundsumme von 40.000 € vereinbart, wobei auch insoweit umstritten ist, ob dem Kläger zusammen mit einem Ersatzversicherungsschein die AUB 2001 (Version 1/05) mit übersandt wurden.

4

Auf Grund eines weiteren formularmäßigen Änderungsantrages vom 11. März 2008 (Bl. 97, 98 Bd. I d. A.), in dem als Vertragsgrundlage auf die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (M. AUB 2008) verwiesen wird und in dem der Kläger auf Seite 2 schriftlich bestätigte, die Vertragsinformationen zur Unfallversicherung ausgehändigt erhalten zu haben (Bl. 98 Bd. II d. A.), fand eine Umstellung auf eine 500 %ige Progression für das Invaliditätskapital sowie eine sogenannte Komfortdeckung statt. Auch insoweit hat der Kläger in Abrede gestellt, die AUB 2008 erhalten zu haben.

5

Zum 1. August 2010 beantragte die Ehefrau des Klägers bei der Beklagten die Mitversicherung für die am 12. April 2010 geborene gemeinsame Tochter A. .

6

Am 2. November 2012 erlitt der Kläger während seiner Arbeit einen Unfall, als er von der Ladefläche eines Lkw-Anhängers etwa 2 m in die Tiefe stürzte. Neben anderen Verletzungen trug er eine distale Radiustrümmerfraktur am linken Arm unter Beteiligung des Handgelenkes sowie eine Bandverletzung (zwischen Kahnbein und Mondbein der Handwurzel) davon. Auf Grund von Komplikationen im Heilungsverlauf wurde zunächst am 15. April 2013 das zuvor eingebrachte Osteosynthesematerial operativ am linken Handgelenk entfernt und im Rahmen einer weiteren Operation am 2. Juni 2013 eine Denervierung geschädigter Nerven sowie die Versteifung des linken Handgelenks vorgenommen.

7

Der als Sachverständiger von der Beklagten beauftragte Dr. D. stellte in seinem Gutachten vom 11. September 2014 (Bl. 16 - 27 Bd. I d. A.) als verbleibende Unfallfolgen fest:

8

1. Ein vollständiger Verlust der Beweglichkeit im linken Handgelenk infolge der erforderlich gewordenen Arthrodese-Operation,

9

2. belastungsabhängige Schmerzzustände im linken Handgelenk,

10

3. eine elektrisierende Berührungsempfindlichkeit über der linken Handwurzel,

11

4. eine Interaktivitätsosteoporose des linken Handgelenks und

12

5. drei reizlose oberflächliche Narben im Bereich des linken Handgelenks sowie

13

6. eine eingeschränkte Auswärtsbewegung im linken Unterarm

14

Diese Beeinträchtigungen schätzte Dr. D. als Invalidität mit 6/20 Handwert ein. Hierauf aufbauend bezifferte die Beklagte Invaliditätsansprüche des Klägers mit Schreiben vom 30. September 2014 (Bl. 29, 30 Bd. I d. A.) nach der Gliedertaxe und gelangte bei einem aufgerundeten Invaliditätsgrad von 17 % bezogen auf die Invaliditäts-Grundsumme von 44.500 € zu einem Betrag von insgesamt 7.565 €.

15

Der Kläger hat behauptet, keinerlei Fassungen der AUB von der Beklagten erhalten zu haben. Seiner Auffassung nach könnten deshalb die AUB der Beklagten - ganz gleich in welcher Version - nicht wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden sein. Im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung müsse man für eine Lückenschließung auf die Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft in der Fassung AUB 94/88 zurückgreifen, die - so die Behauptung des Klägers - zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2002 von Versicherern teilweise auch noch für Neuverträge verwandt worden seien. Nach dieser ursprünglichen Fassung der AUB, in der sich bei der Gliedertaxe noch die Formulierung "Hand im Handgelenk" finde, sei nach der sogenannten Gelenkrechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 9. Juni 2003, Az.: IV ZR 74/02, zitiert nach juris) die vollständige Versteifung eines Handgelenks dem Verlust der gesamten Hand gleichzusetzen. Ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 55 % laufe dies angesichts einer vereinbarten Progression von 500 % auf 130 % der Invaliditätssumme (44.500 €) und damit auf einen Anspruch in Höhe von 57.850 € hinaus.

16

Wegen der Vertragsänderung im März 2008 hat der Kläger weiterhin beanstandet, die Beklagte habe gegen ihre Beratungspflichten verstoßen, weil ihr Vertreter R. nicht über verbundene Nachteile der Änderung informiert und auch nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, ein Protokoll über das Beratungsgespräch erstellt habe.

17

Hilfsweise hat sich der Kläger darauf zurückgezogen, dass selbst dann, wenn eine zeitlich nachfolgende Versionen der AUB, die in der Gliedertaxe auf den Begriff "Hand" abstellt, Anwendung zu finden hätte, ein weiterer Invaliditätsanspruch in Höhe von 23.585 € noch offen sei. Denn für diesen Fall sei nach der Gliedertaxe nicht auf den Wert der Hand, sondern auf den für den Unterarm geltenden Wert (60 %) abzustellen, da der Sitz der unfallbedingten Schädigung im Unterarm liege. Einer Einschätzung von 3/7 des Unterarmwertes, wie dies zwischenzeitlich nach einer Einschätzung von Dr. D. im Raum gestanden habe, sei hingegen zu niedrig bemessen. Richtigerweise müsse eine Invalidität mit 5/7 des Unterarmwertes angesetzt werden.

18

Der Kläger hat beantragt,

19

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 57.850,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. November 2014 auf 23.585 € sowie auf weitere 34.265,50 € seit Rechtshängigkeit und daneben außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.242,84 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

20

Die Beklagte hat beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Die Beklagte hat behauptet, dem Kläger seien nach Maßgabe des sogenannten Policenmodells sowohl bei Vertragsschluss als auch bei der Vertragsänderung im Jahr 2005 ihre AUB 2001 in der jeweils gültigen Fassung zusammen mit einem entsprechenden Versicherungsschein übersandt worden. Zudem seien dem Kläger im Jahr 2008 anlässlich der Vertragsänderungen die AUB in der Fassung von 2008, und zwar bereits vor der Antragsstellung, überlassen worden.

23

Vor diesem Hintergrund sei für eine Anwendung der AUB 94/88 und die dortige Gliedertaxe mit der Anknüpfung "Hand im Handgelenk" kein Raum. Im Übrigen sei bei den zeitlich nachfolgenden Fassungen der Gliedertaxe richtigerweise auf den Hand- und nicht den Unterarmwert abzustellen. Folglich sei nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige Dr. D. die Beeinträchtigung nach dem Handwert vorgenommen habe. Der Kläger könne deshalb keine weiteren Leistungen mehr beanspruchen.

24

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Dezember 2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass für die Gliedertaxe nicht mehr auf die ursprüngliche Fassung der AUB mit der Formulierung "Hand im Handgelenk", sondern allein auf den Begriff "Hand" abzustellen sei. Denn spätestens im Jahr 2008, anlässlich der damaligen Vertragsänderung, habe der Kläger die AUB 2008 erhalten. Da er dies entsprechend schriftlich bestätigt habe, sei er wegen seiner anders lautenden Behauptung, die der Urkundenlage widerspräche, beweisfällig geblieben.

25

Soweit die Klägerseite einen Verstoß der Beklagten gegen die Informationspflichten aus § 7 VVG rügt, könne dies im Ergebnis offen bleiben. Denn selbst wenn man mit dem Kläger von der Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsanpassung ausginge, sei auf die AUB 99 mit der neueren Formulierung "Hand" abzustellen, da die entsprechenden Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft LV bei Vertragsschluss im Jahr 2002 bereits mehr als drei Jahre veröffentlicht gewesen seien. Bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen hätten die Parteien, wenn ihnen damals die Unwirksamkeit der Bedingungen bewusst gewesen wäre, die modernere Fassung der AUB gewählt, da diese, anders als die Vorgängervorschrift, nicht mehr die vom BGH als missverständlich gerügte Formulierung "Hand im Handgelenk" verwendete.

26

Richtigerweise sei entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf den Unterarmwert, sondern allein auf den Wert der Hand nach der Gliedertaxe abzustellen. Selbst wenn die Ausgangsverletzung im Bereich des Unterarms gelegen habe, bestehe die hier maßgebliche Schädigung in einer Versteifung des Handgelenkes, welches zur Hand und nicht zum Unterarm zu zählen sei. Das Maß der Funktionsbeeinträchtigung mit 6/20 des Handwertes sei zudem angemessen und nicht zu beanstanden. Der Kläger habe die entsprechende Einschätzung des Dr. D. nicht substantiiert angegriffen. Letztlich hätten zwischen den Parteien nicht das Maß der Invaliditätsbeeinträchtigung, sondern allein rechtliche Aspekte einer Invaliditätsberechnung im Streit gestanden. Von der Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen zur Überprüfung des Invaliditätsgrades könne deshalb abgesehen werden.

27

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung und verfolgt sein erstinstanzliches Begehren im Wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens weiter fort.

28

So rügt er weiterhin, das Landgericht habe fehlerhaft den Handwert der Gliedertaxe zugrunde gelegt, da bei einer Handgelenksverletzung richtigerweise auf den Wert des Unterarms abgestellt werden müsse. In diesem Zusammenhang sei der bereits in erster Instanz geltend gemachte Unterarmwert von 4/7 um weitere 15 Prozentpunkte wegen der vorliegenden Versteifung des Handgelenks zu erhöhen, was auf eine Gesamtinvalidität von 55 % hinauslaufe und unter Berücksichtigung der bereits von Beklagtenseite geleisteten Zahlung (7.565 €), eine noch offene Forderung von 50.285 € bedeute.

29

Daneben wendet sich der Kläger zwar nicht mehr gegen eine vertragliche Einbeziehung der AUB 2008, hält aber am Vorwurf eines Beratungsverschuldens sowie seiner Auffassung fest, es müsse im Ergebnis auf die ursprüngliche Gliedertaxe mit der Formulierung "Hand im Handgelenk" und die hieran anknüpfende Gelenkrechtsprechung des BGH abgestellt werden.

30

Der Kläger beantragt,

31

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 50.285 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. November 2014 auf 23.585 € sowie auf 26.415 € seit Rechtshängigkeit als auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.242,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

32

Hilfsweise beantragt er,

33

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

34

Die Beklagte beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

II.

37

Die gemäß § 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst formell zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517, 519, 520 ZPO eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache insoweit Erfolg, als auf den Hilfsantrag des Klägers die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nebst dem zugrunde liegenden Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen war.

38

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht nicht auf die Gliedertaxe in ihrer ursprünglichen Fassung mit der Formulierung "Hand im Handgelenk" abgestellt (1). Allerdings hat es im Folgenden für die betroffene Verletzung unzutreffend den Wert der Hand anstatt den Unterarmwert als maßgeblich erachtet (2). Weiterhin hat es die Einwände des Klägers gegen den von Dr. D. in seinem vorprozessualen Gutachten bestimmten Invaliditätsgrad verfahrensfehlerhaft als unsubstantiiert angesehen und unberücksichtigt gelassen (3).

1.

39

Anders als der Kläger meint, können auf den gegenständlichen Versicherungsfall nicht mehr die Gliedertaxe mit ihrer ursprünglichen Begrifflichkeit "Hand im Handgelenk" entsprechend den AUB 94/88 und die hieran anknüpfende Gelenkrechtsprechung des BGH Anwendung finden.

40

Der BGH hat in einem Urteil vom 9. Juli 2003, Az.: IV ZR 74/02, die Formulierung Hand im Handgelenk als missverständlich in den Fällen erachtet, in denen, etwa nach einer Versteifung des Handgelenks, die Funktionsfähigkeit eines Gelenks ganz aufgehoben war. Der BGH hat deshalb dem Versicherungsnehmer das für ihn günstigste Verständnis der Gliedertaxe zugutegehalten und trotz verbliebener Handfunktionen (Fingerbeweglichkeit) den vollen Invaliditätsgrad für die Hand zugesprochen. Um ein solches Ergebnis auszuschließen, sind in den der AUB 94/88 nachfolgenden Bedingungswerken - wie auch in denen der Beklagten - die Zusätze im Schultergelenk, im Handgelenk und im Fußgelenk gestrichen worden. Damit war der sogenannten Gelenkrechtsprechung des BGH nach den neueren Bedingungswerken der Boden entzogen.

41

a) Für die zumindest in erster Instanz vom Kläger präferierte Anwendung der AUB 94/88 im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung, ist bereits deshalb kein Raum mehr, weil die AUB 2008 - wogegen sich der Kläger mit der Berufung auch gar nicht mehr wendet - anlässlich der Vertragsänderung im März 2008 wirksam einbezogen worden sind.

42

Zutreffend hat das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf abgestellt, dass der Kläger im März 2008 in seinem Versicherungsantrag ausdrücklich schriftlich bestätigt hat, die AUB 2008 erhalten zu haben. Es mag dahinstehen, ob mit dieser schriftlichen Erklärung die Beweislast für eine fehlende Übergabe zulasten des Klägers umgekehrt worden ist oder ob man, ausgehend von der mit einer Quittung für gewöhnlich verbundenen Beweiskraft des § 416 ZPO, lediglich von einem ersten Anschein für die Übergabe auszugehen hat. Denn in jedem Fall hätte es dem Kläger oblegen, Umstände darzutun, die geeignet gewesen wären, eine entsprechende tatsächliche Vermutung für eine Übergabe der AUB 2008 zu entkräften. Dies ist nicht geschehen. Die schriftliche Übergabebestätigung unterliegt auch sonst keinen rechtlichen Bedenken. Hierbei handelt es sich zwar um eine vorgefertigte Erklärung, die ihrerseits als Allgemeine Geschäftsbedingung zu verstehen ist. Sie ist aber in dem Antragsformular drucktechnisch mittels besonderer Umrahmung und einer gesondert zu leistenden Unterschrift ausreichend vom übrigen Formulartext abgehoben, sodass von einer gesonderten Unterschrift im Sinne des § 309 Nr. 12 b) BGB auszugehen ist.

43

Doch selbst, wenn man von einer fehlerhaften Einbeziehung von Versicherungsbedingungen und der Notwendigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung mit dem Kläger ausginge, wäre für die Anwendung der AUB 94/88 kein Raum.

44

Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil kann an dieser Stelle verwiesen werden. Daneben verkennt der Kläger allerdings auch, dass sich eine an Treu und Glauben ausgerichtete vertragliche Lückenausfüllung nur schwerlich an dem erst Jahre später eingetretenen Versicherungsfall orientieren kann, um dem Versicherungsnehmer mit Blick hierauf, anhand einer für ihn günstigen AUB-Klausel, zu einer für ihn möglichst vorteilhaften Regulierung zu verhelfen. Ein derartiges Auslegungsverständnis widerspräche bereits dem Wesen des Versicherungsvertrages, das gerade auf eine Absicherung vor einem ungewissen Schadensereignis ausgerichtet ist und folglich erst später eingetretene Versicherungsfälle bei einer Lückenausfüllung unberücksichtigt lassen muss. Hinzu kommt, dass als maßgeblichen Zeitpunkt für eine ergänzende Vertragsauslegung nicht allein auf das Jahr 2002, sondern vielmehr auf das Jahr 2008 abgestellt werden müsste, da sich in diesem Jahre auf Grund der Vertragsänderung die Frage einer Einbeziehung von AUB erneut stellte. Im Jahre 2008 waren hingegen die ursprünglichen AUB mit der Formulierung Hand im Handgelenk, wie dies der Kläger noch für das Jahr 2002 behauptet hat, nicht mehr gebräuchlich, weshalb auch danach für eine Gliedertaxe mit der Begrifflichkeit Hand im Handgelenk jede nachvollziehbare Anknüpfung fehlt.

45

b) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auch auf ein Beratungsverschulden des Versicherungsvermittlers R. anlässlich der Vertragsänderung im März 2008, welches einer Einbeziehung der AUB 2008 entgegenstehen soll. Selbst bei Annahme - eines ohnehin nicht ersichtlichen - Beratungsverschuldens wegen des konkret vereinbarten bzw. geänderten Versicherungsumfanges musste sich eine Beratung jedenfalls nicht auf die Einbeziehung der dem Kläger ausgehändigten AUB 2008 beziehen. Hierfür war kein konkreter Beratungsbedarf ersichtlich. Ebenso geht der Einwand fehl, es sei kein Beratungsprotokoll erstellt worden, da eine Dokumentationspflicht während der Dauer eines laufenden Versicherungsverhältnisses nach § 6 Abs. 4 VVG nicht vorgesehen ist.

2.

46

Angesichts der hier betroffenen Unfallverletzung hat das Landgericht jedoch nach der Gliedertaxe fehlerhaft nicht auf den Wert des Unterarms, sondern auf den Wert für die Hand abgestellt.

47

Im Ausgangspunkt ist indessen nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht die Versteifung des Handgelenks als maßgeblichen Invaliditätsschaden ansieht. Denn wenngleich diese Versteifung nicht unmittelbar durch den Unfall, sondern erst vermittelt durch entstandene Komplikationen im Heilungsverlauf und eine anschließende Operation hervorgerufen wurde, geht sie doch letztendlich kausal und zurechenbar auf den ursprünglichen Unfall zurück, weshalb - auch von den Parteien nicht infrage gestellt - der Zustand nach der Versteifungsoperation, wie vom Sachverständigen Dr. D. in seinem Gutachten beschrieben, bei der Invaliditätsbewertung Berücksichtigung zu finden hat.

48

Die Frage, ob der Unterarm oder, wie Beklagte und Landgericht meinen, der Wert der Hand der richtige Ausgangspunkt für eine Invaliditätsbemessung bedeutet, spiegelt letztlich den Meinungsstreit in der Unfallversicherung wider, ob für die Gliedertaxe auf den Sitz der (primären) Verletzung oder aber den Ort, an dem sich die Funktionsunfähigkeit bzw. Beeinträchtigung manifestiert, abzustellen ist. Hierzu hat sich der BGH anlässlich einer betroffenen Schulterverletzung in einem Urteil vom 1. April 2015, Az.: IV ZR 104/13, zitiert nach juris, richtungsweisend positioniert:

49

Dort hatte das Berufungsgericht die Schulterverletzung in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung nach dem Oberarmwert der Gliedertaxe bemessen und darauf abgestellt, dass das Schultergelenk in erster Linie der Beweglichkeit des Armes diene, wohingegen weitergehende Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich des Schultergürtels nur untergeordneter Bedeutung seien. Dem ist der BGH nicht gefolgt. Ausgehend von der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers sei es, anders als bei den Vorgängerfassungen (Arm im Schultergelenk), bei der Begrifflichkeit Oberarm keineswegs eindeutig, dass damit auch Verletzungen im Schultergelenkbereich mit einbezogen sein sollen. Deshalb müsse die Invalidität in einem solchen Falle nicht nach der Gliedertaxe, sondern unabhängig hiervon nach den anderen Körperteilen bemessen werden.

50

Diese Ausführungen des BGH, die der Senat teilt, sind nicht nur auf Verletzungen des Schultergelenks zu beschränken, sondern auch auf andere Gelenkverletzungen anzuwenden. Mithin ist die Invalidität für den gegenständlichen Unfall nicht nach dem Hand-, sondern dem Unterarmwert der Gliedertaxe zu bestimmen.

51

Der Argumentation des Landgerichts in dem angefochtenen Urteil, das Handgelenk sei, wie sein Name quasi schon nahelege, zur Hand zu zählen, überzeugt den Senat hingegen nicht. Handgelenk und Hand sind keineswegs gleichbedeutend. Die Bedeutung des Handgelenks geht vielmehr von seinem Wortlaut und von seiner körperlichen Funktion über die Bedeutung der Hand hinaus. Es stellt das Bindeglied zwischen Hand und Oberarm dar. Maßgeblich muss danach letztlich sein, dass die ursprüngliche Unfallverletzung als Radialbruch im Unterarm und nicht in der Hand lokalisiert war. Die Versteifungsfolge geht damit auf eine Verletzung, die ihren Sitz im Unterarm hatte, zurück.

52

Daneben verkennt das Landgericht aber auch, dass nicht nur die Hand unfallbeeinträchtigt ist, sondern auch der Unterarm eine eigenständige Unfallbeeinträchtigung aufweist. Es ist zwar anerkannt, dass ausstrahlende Beeinträchtigungen, die von der Verletzung eines rumpfferneren auf ein rumpfnäheres Glied erfolgen, zumindest dann, wenn es sich um typische, nicht ungewöhnliche Beeinträchtigungen handelt, bereits mit dem Invaliditätswert des niederen Körpergliedes nach der Gliedertaxe mit abgegolten sind. So verhält es sich hier aber nicht. Denn, was die im Gutachten des Dr. D. beschriebene, eingeschränkte Auswärtsdrehung im linken Unterarm anbelangt, handelt es sich um keine typische Folge einer Handverletzung, sondern um das Resultat der hier vorliegenden Handgelenksversteifung. Deshalb muss man sowohl vom Ort der Unfallverletzung her als auch wegen einer hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung auf den Wert des Unterarms abstellen (vgl. etwa Naumann, VersR 2015, 1350, 1356). Für eine Bemessung außerhalb der Gliedertaxe ist hingegen kein Raum. Der BGH ist in der zitierten Entscheidung vom 1. April 2015 hierzu nur deshalb gelangt, weil sich über dem Oberarm kein rumpfnäheres Glied mehr befindet und folglich der Schultergürtel zu dem nicht von der Gliedertaxe erfassten Rumpf gehört. Dies ist bei der hier betroffenen Verletzung hingegen anders, weil die Gliedertaxe über dem Handgelenk mit dem Unterarm ein maßgebliches Glied für eine Invaliditätsbemessung bereithält.

3.

53

Das Landgericht hat das rechtliche Gehör des Klägers in entscheidungserheblicher Weise verletzt, worin ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO liegt, auf Grund dessen eine umfängliche bzw. aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat gleichermaßen zweckdienlich wie geboten, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen.

54

Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das erkennende Gericht namentlich dazu, entscheidungserheblichen Sachvortrag zur Kenntnis zu nehmen und diesen bei der Urteilsfindung zu berücksichtigen (BVerfG, NJW 2000, 131; BGH, ZIP 2007, 1524; BGH, Urteil vom 22. Juni 2009, Az.: II ZR 143/08, zitiert nach juris, Rdnr. 2; OLG München, Urteil vom 18. Dezember 2008, Az.: 19 U 5582/07, zitiert nach juris, Rdnr. 11; OLG Rostock, Urteil vom 16. April 2008, Az.: 1 U 42/08, zitiert nach juris, Rdnr. 28, 29).

55

Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht verstoßen, indem es verfahrensfehlerhaft das Vorbringen des Klägers dazu, dass der vorprozessual tätig gewordene Sachverständige Dr. D. den Invaliditätsgrad für die erlittenen Unfallbeeinträchtigungen zu niedrig bemessen habe, verfahrensfehlerhaft als unsubstantiiert erachtet und unberücksichtigt gelassen hat.

56

Selbst von der rechtlichen Warte des Landgerichts aus, musste der Frage, in welcher Höhe ein unfallbedingter Invaliditätsgrad zu bemessen ist, entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen. Es verhält sich auch keineswegs so, dass der Kläger in diesem Zusammenhang die Invaliditätsbemessung nach dem Wert der Hand allein unter rechtlichen Prämissen beanstandet hätte. Vielmehr hat er auch in tatsächlicher Hinsicht den festgestellten Invaliditätsgrad als zu niedrig behauptet. Ebenso wenig lässt sich argumentieren, die Behauptung eines höheren Invaliditätsgrades bzw. die Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. D. , dem als bloßes Parteigutachten für das gegenständliche Verfahren keine Bindungswirkung zukommt, seien ohne die erforderliche Substanz geblieben. Denn dem Kläger als Versicherungsnehmer und vor allem als medizinischen Laien war eine nähere Substantiierung dazu, warum sich die Invaliditätseinschätzung des Dr. D. als zu niedrig bemessen darstellt, nicht abzuverlangen. Der Umstand, dass der Kläger den höheren, von ihm behaupteten Invaliditätsgrad in erster Instanz nicht unter Sachverständigenbeweis gestellt hat, wie dies nunmehr geschehen ist, steht der Annahme eines erheblichen Verfahrensfehlers ebenfalls nicht entgegen. Denn insoweit hätte das Landgericht vor einer abschließenden Entscheidung zunächst auf den offensichtlich vom Kläger übersehenen, fehlenden Beweisantritt hinweisen müssen, was gleichfalls verfahrensfehlerhaft verabsäumt wurde.

57

Angesichts des aus diesem Verfahrensdefizit in erster Instanz umfangreich resultierenden Aufklärungsbedarfs erachtet der Senat nach pflichtgemäßem Ermessen eine Aufhebung des angefochtenen Urteils nebst Zurückverweisung der Sache an das Landgericht für die prozessual allein zweckgerechte und sachlich gebotene Maßnahme.

58

Die Frage einer Zurückverweisung ist im Termin vom 14. September 2016 vor dem Senat ausführlich erörtert worden, ohne dass gegen ein derartiges, allgemein für sachdienlich erachtetes Procedere Bedenken von Seiten einer Partei geäußert worden wären. Angesichts der gleichermaßen umfangreich wie aufwändig zu erwartenden Beweisaufnahme entspricht es dem vorrangigen Interesse der Parteien, vor dem Landgericht als primär zuständiger Tatsacheninstanz zweckdienlicherweise schon dort eine Klärung der nach wie vor grundlegend streitigen Umstände herbeiführen zu können, zumal angesichts der gegenwärtigen Belastungs- und Terminierungssituation des Senates bei eigener Beweisaufnahme nicht mit einer zeitlich früheren Entscheidung zu rechnen wäre.

59

Für das weitere Verfahren weist der Senat noch vorsorglich darauf hin, dass die vom Kläger in der Berufungsbegründung gebrachte Berechnungsmethode, mit der er nach den AUB 2008 zu einem Invaliditätsgrad von 55 % gelangen will, nur schwerlich haltbar sein dürfte. Denn ungeachtet eines konkreten Invaliditätsgrades für die Beeinträchtigung von Hand und Unterarm lässt der Kläger außer Acht, dass in der Unfallversicherung eine Addition der Gliederwerte und Beeinträchtigungen von rumpfferneren und rumpfnäheren Gliedern gerade nicht vorgesehen ist. Die Invaliditätsbeeinträchtigung des untergeordneten Gliedes (hier der Hand) bedeutet lediglich die Mindestschwelle für eine nach dem Unterarmwert zu bildenden Gesamtinvalidität.

III.

60

Über die Kosten der Berufung wird mit der Hauptsache in erster Instanz zu befinden sein.

61

Obgleich es an einem unmittelbar vollstreckbaren Inhalt fehlt, war das Urteil, mit Blick auf die sich insoweit aus den §§ 775 Nr. 1, 767 ZPO vollstreckungsrechtlich ergebenen Konsequenzen, gemäß § 708 Nr. 10 Satz 1 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären (siehe dazu Heßler, in: Zöller, ZPO, 39. Aufl., § 538 Rdnr. 59).

62

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, weil die von den Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch - mit Blick auf das Urteil des BGH vom 1. April 2015, IV ZR 104/13, - die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

63

Der Streitwert für das Berufungsverfahren ist entsprechend dem in zweiter Instanz vom Kläger noch verfolgten Zahlungsantrag festgesetzt worden.

64

gez. Krause                gez. Grimm                gez. Scholz


ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 27. Okt. 2016 - 41 U 17/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 27. Okt. 2016 - 41 U 17/16

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 27. Okt. 2016 - 41 U 17/16 zitiert 13 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 511 Statthaftigkeit der Berufung


(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 517 Berufungsfrist


Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 6 Beratung des Versicherungsnehmers


(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 775 Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung


Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:1.wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder das

Zivilprozessordnung - ZPO | § 416 Beweiskraft von Privaturkunden


Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 7 Information des Versicherungsnehmers; Verordnungsermächtigung


(1) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung seine Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die in einer Rechtsverordnung nach Absatz 2 bestimmten Inform

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 27. Okt. 2016 - 41 U 17/16 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 27. Okt. 2016 - 41 U 17/16 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juli 2003 - IV ZR 74/02

bei uns veröffentlicht am 09.07.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 74/02 Verkündet am: 9. Juli 2003 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein __________________

BGH IV ZR 104/13

bei uns veröffentlicht am 01.04.2015

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf weitere Invalidi

Oberlandesgericht Rostock Urteil, 16. Apr. 2008 - 1 U 42/08

bei uns veröffentlicht am 16.04.2008

Tenor I. Das am 20.11.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Stralsund, Az.: 4 O 259/06, wird aufgehoben. Die Sache wird unter Aufhebung des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwie
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberlandesgericht Naumburg Urteil, 27. Okt. 2016 - 41 U 17/16.

Landgericht Weiden Endurteil, 29. Apr. 2019 - 21 O 8/19 Ver

bei uns veröffentlicht am 29.04.2019

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig

Referenzen

(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 74/02 Verkündet am:
9. Juli 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AUB 88 § 7 I (2) a; AGBG § 5; BGB § 305c Abs. 2
Die in der Gliedertaxe (§ 7 I (2) a AUB 88) enthaltene Wendung "... Funktionsunfähigkeit
... einer Hand im Handgelenk ..." ist unklar (§§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB).
BGH, Urteil vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02 - OLG Hamm
LG Essen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Dr. Schlichting, die Richterin
Ambrosius und die Richter Wendt und Felsch auf die mündliche Ver-
handlung vom 9. Juli 2003

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. November 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten, bei der er eine private Unfallversicherung unterhält, eine höhere Invaliditätsentschädigung als bereits bezahlt. Die Parteien streiten um die richtige Bemessung des Invaliditätsgrades und hierbei insbesondere darum, wie der in den Versicherungsbedingungen enthaltene Begriff der "Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk" auszulegen ist.
Der Kläger erlitt durch einen Unfall einen Trümmerbruch der Speiche des linken Armes, mit Gelenkflächenbeteiligung und Schädigung der distalen Handwurzelknochen. Wegen fortdauernder Schmerzen mußte eine künstliche Versteifung des Handgelenks vorgenommen werden.

Einzelne Funktionen der Hand wie Tasten, Fühlen, Bewegen und die Beweglichkeit der Finger sind erhalten geblieben, so daß die Hand für den Kläger nicht vollständig nutzlos, sondern weiterhin teilweise gebrauchsfähig ist.
In der sogenannten Gliedertaxe der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (§ 7 I (2) a und b AUB 88) heißt es hierzu u.a.:
"(2) Die Höhe der Leistung richtet sich nach dem Grad der Invalidität.
a) Als feste Invaliditätsgrade gelten - unter Ausschluß des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität - bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes im Schultergelenk 70 Prozent eines Armes bis oberhalb des Ellbogengelenks 65 Prozent eines Armes unterhalb des Ellbogengelenks 60 Prozent einer Hand im Handgelenk 55 Prozent. eines Daumens 20 Prozent eines Zeigefingers 10 Prozent eines anderen Fingers 5 Prozent ... eines Fußes im Fußgelenk 40 Prozent
b) Bei Teilverlust oder Funktionsbeeinträchtigung eines dieser Körperteile oder Sinnesorgane wird der entsprechende Teil des Prozentsatzes nach a) angenommen." Der Kläger meint, der Grad seiner Invalidität sei nach der Funktionsbeeinträchtigung seiner Hand und des Handgelenks zu bemessen, die mindestens 80% betrage, so daß sein Invaliditätsgrad mit (80% von 55% =) 44% anzusetzen sei. Auf dieser Basis steht ihm unstreitig eine

Entschädigung von 216.480 DM zu, von der nach Abzug des von der Beklagten bereits geleisteten Betrages noch die mit der Klage geltend gemachten 126.720 DM offenstehen. Die Beklagte vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß es auf die Funktionsbeeinträchtigung des ganzen Armes ankomme, die 2/5 betrage. Dementsprechend hat die Beklagte auf der Basis eines Invaliditätsgrades von (2/5 von 70% =) 28% abgerechnet und gezahlt.
Das Landgericht hat auf die Funktionsbeeinträchtigung des Armes abgestellt und die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung der begehrten weiteren Entschädigung mit Ausnahme eines Teils der verlangten Zinsen verurteilt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht die verlangte weitere Invaliditätsentschädigung zu.
I. Das Berufungsgericht hat zunächst ausgeführt, daß es nicht auf die Funktionsbeeinträchtigung des Armes ankomme. Wegen des abstrakten und generellen Maßstabs der Gliedertaxe, die feste Invaliditätsgrade für die in ihr benannten Glieder bestimme, dürfe bei vollständiger Funktionsunfähigkeit des Teilgliedes Hand im Handgelenk der Invaliditätsgrad nicht unter Rückgriff auf die Auswirkungen auf das Restglied ge-

ringer angesetzt werden. Des weiteren hat das Berufungsgericht wegen des seiner Ansicht nach eindeutigen Wortlauts des Begriffs "Funktions- unfähigkeit der Hand im Handgelenk" angenommen, daß es auf die Funktionsunfähigkeit der Hand gerade im Handgelenk und nicht auf die Funktionsunfähigkeit des Teilgliedes Hand ankomme. Bei einer kompletten Versteifung des Handgelenks, wie sie beim Kläger vorliege, sei es deshalb unerheblich, ob das Teilglied Hand noch vorhanden und funktionsfähig sei.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht die Ausstrahlungen der Funktionsbeeinträchtigung der Hand im Handgelenk auf den ganzen Arm für unbeachtlich erklärt und deshalb nicht den Armwert angewandt (vgl. Senatsurteile vom 30. Mai 1990 - IV ZR 143/89 - VersR 1990, 964 unter 2 a; vom 17. Oktober 1990 - IV ZR 178/89 - VersR 1991, 57 unter 3 b; vom 23. Januar 1991 - IV ZR 60/91 - VersR 1991, 413; vom 17. Januar 2001 - IV ZR 32/00 - VersR 2001, 360 unter 2 a).
2. Im Ergebnis ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden , daß "Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk" vorliegt, wenn nur das Handgelenk funktionsunfähig ist. Dies ergibt sich aus der Unklarheitenregel der §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen.


a) Versicherungsbedingungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen und unterliegen daher dem AGBG bzw. den §§ 305 ff. BGB mitsamt der Unklarheitenregel.

b) Die Unklarheitenregel würde nicht eingreifen, wenn, wie das Berufungsgericht meint, die Klausel eindeutig und damit gar nicht auslegungsbedürftig wäre (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 62. Aufl. § 305c Rdn. 18; BGH, Urteil vom 20. Oktober 1992 - X ZR 74/91 - NJW 1993, 657 unter II 2). Die in der Gliedertaxe gebrauchte Wendung "als feste Invaliditätsgrade gelten ... bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit einer ... Hand im Handgelenk 55%" ist indessen nicht eindeutig. Der Wortlaut weist zwar einerseits auf einen im Handgelenk lokalisierten Verlust, eine dort lokalisierte Funktionsunfähigkeit hin, er läßt aber wegen der Gleichstellung von Verlust und Funktionsunfähigkeit dennoch Zweifel zu, ob es für die Funktionsunfähigkeit nicht auch auf die Hand bis zum Handgelenk ankommen soll.

c) Die demnach erforderliche Auslegung vermag diese Zweifel nicht zu beheben. Es sind vielmehr die Voraussetzungen der Unklarheitenregel gegeben: Die Auslegung führt zu dem Ergebnis, daß die Klausel nach dem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinnes und Zwecks objektiv mehrdeutig ist. Die Mehrdeutigkeit kann auch nicht beseitigt werden, und es bleiben nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar (BGHZ 112, 65, 68 f.).

(1) Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (BGHZ 123, 83, 85). Es ist nicht maßgeblich, was sich der Verwender der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorgestellt hat. Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen, die der Versicherungsnehmer typischerweise nicht kennt, hat bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 17. Mai 2000 - IV ZR 113/99 - VersR 2000, 1090 unter 2 a).
(2) Die vom Berufungsgericht erwogene Auslegung ist möglich.
Die Wortwahl "Hand im Handgelenk" kann den Versicherungsnehmer , der die Bedeutung der Formulierung "im Gelenk" zu erschließen sucht, zu einem Verständnis führen, daß auf die Funktionsunfähigkeit des Gelenks selbst und nicht auf die Funktionsunfähigkeit des Teilgliedes Hand abzustellen ist. In diesem Verständnis kann sich der Versicherungsnehmer insbesondere dadurch bestätigt sehen, daß die Gliedertaxe Teilbereiche eines Gliedes - so des Armes - auch mit Wendungen beschreibt wie "eines Armes bis" (oberhalb des Ellbogengelenks - unterhalb des Ellbogengelenks); Entsprechendes gilt für Teilbereiche des Beines. Wenn einerseits mit der Wendung "bis" ausdrücklich Gliedabschnitte beschrieben werden, deutet im Gegensatz dazu die Wendung "im" auf eine Lokalisierung der Funktionsunfähigkeit gerade im Gelenk selbst hin. Liegt also vollständige Funktionsunfähigkeit des Handgelenks durch dessen Versteifung vor, kann der Versicherungsnehmer die Glie-

dertaxe dahin verstehen, daß allein deshalb ein Invaliditätsgrad von 55% zugrunde zu legen ist. Selbst wenn trotz der Funktionsunfähigkeit des Handgelenks die Hand selbst noch teilweise funktionsfähig geblieben sein sollte, muß das den Versicherungsnehmer nicht notwendig zu einer anderen Einschätzung führen. Denn er darf auch berücksichtigen, daß es in § 7 I (2) a AUB 88 einleitend heißt: "Als feste Invaliditätsgrade gelten - unter Ausschluß des Nachweises einer höheren oder geringeren Invalidität...". Zwar erkennt der Versicherungsnehmer auch, daß der Verlust einer Hand im Handgelenk der Funktionsunfähigkeit im Gelenk bei verbleibender Teilfunktionsfähigkeit der Hand in seinen Auswirkungen nicht gleichstehen muß, gleichwohl aber der gleiche Invaliditätsgrad - also eine gleich hohe Entschädigung - in Betracht kommt. Der Versicherungsnehmer kann das auf die mit der Gliedertaxe vorgenommene pauschalisierende Bewertung des Invaliditätsgrades zurückführen, deren versicherungswirtschaftliche oder medizinische Rechtfertigung sich ihm ohnehin nicht erschließt. Das gilt auch und gerade mit Blick auf die Gleichstellung von Verlust und Funktionsunfähigkeit von Gliedern oder Gliedteilbereichen.
(3) Auf der anderen Seite ist aber auch eine Auslegung dahin möglich, daß "Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk" ihrerseits die Funktionsunfähigkeit der restlichen Hand voraussetzt (vgl. Knappmann , VersR 2003, 430, 431).
Das kann dem Versicherungsnehmer der Aufbau der Gliedertaxe nahelegen. Die Gliedertaxe sieht Abstufungen des Invaliditätsgrades - etwa des Armes - vor, nachdem der Invaliditätsgrad mit der Rumpfnähe der in der Gliedertaxe festgelegten Teilbereiche ansteigt. Diese Abstu-

fung trägt - dem Versicherungsnehmer erkennbar - den zunehmenden Auswirkungen des jeweiligen Teilgliedverlustes oder der Teilgliedfunktionsunfähigkeit auf die generelle Arbeitsfähigkeit des Menschen Rechnung. Liefert aber die Rumpfnähe des Teilgliedes den Bewertungsmaßstab , läßt sich die Wendung "Hand im Handgelenk" auch dahin verstehen , daß mit ihr - wie mit der Abgrenzung "bis zum" - nur die Grenze eines Gliedteilbereichs beschrieben wird, es also bei der Funktionsunfähigkeit auf die Hand insgesamt ankommt. Für ein solches Verständnis kann auch die Gleichbewertung von Verlust und Funktionsunfähigkeit einer Hand im Handgelenk sprechen. Sie läßt jedenfalls den Schluß zu, daß der Versicherer hier Sachverhalte gleichbehandeln wollte, die sich aus seiner Sicht hinsichtlich des versicherten Risikos gleichen.
(4) Beide Auslegungen sind vertretbar. Die sich aus der mehrdeutigen Formulierung "Hand im Handgelenk" ergebenden Zweifel lassen sich aus der Sicht des um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers nicht überwinden. Diese Auslegungszweifel gehen gemäß §§ 5 AGBG, 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders; es ist deshalb von der für den Versicherungsnehmer günstigeren Auslegung auszugehen.
Soweit sich aus dem (nicht begründeten) Nichtannahmebeschluß des Senats vom 2. Oktober 2002 - IV ZR 222/01 - etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest.

(5) Im vorliegenden Fall ist demgemäß bei der Bemessung der In- validität des Klägers allein darauf abzustellen, daß sein Handgelenk funktionsunfähig ist. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich danach als im Ergebnis zutreffend.
Terno Richter am Bundesgerichtshof Ambrosius Dr. Schlichting ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Terno
Wendt Felsch

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € nebst Zinsen infolge des Unfalles vom 8. Oktober 2005 abgewiesen und die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger fordert - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € aus einer bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, der Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten (AUB 2000) zugrunde liegen. Vereinbart ist unter anderem eine Invaliditätsgrundsumme von 150.000 € und für den Fall einer Invalidität durch Unfall eine nach deren Grad aus der Grundsumme errechnete Kapitalzahlung nebst Zuschlag ("Treuebonus") von 10%.

2

Unter "2.1 Invaliditätsleistung" heißt es in den Bedingungen unter anderem:

"2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung

2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist

- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

- innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.

2.1.2 Art und Höhe der Leistung

2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, die folgenden Invaliditätsgrade (Gliedertaxe):

Arm     

70%

Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenks          

65%

Arm unterhalb des Ellenbogengelenks

60%

Hand   

55%

Daumen

20%

Zeigefinger

10%

anderer Finger

5%

…       

        

2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

2.1.2.2.3 Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt, wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Ziffer 2.1.2.2.1 und Ziffer 2.1.2.2.2 zu bemessen."

3

Am 8. Oktober 2005 schlug der Kläger bei einem Sturz mit der linken Schulter auf und zog sich dabei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine Schulterprellung sowie eine Sprengung des linken Schultereckgelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Schulterblatt, mit positivem Klaviertastenphänomen (im Schweregrad Tossy II) zu. Innerhalb eines Jahres nach dem Sturz traten dauerhafte Beeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter ein, deren Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 attestierte der den Kläger behandelnde Arzt als Dauerschaden eine "Gebrauchsminderung der li. Schulter".

4

Bereits am 24. August 1999 war der Kläger auf seinen linken Arm gestürzt. Die Beklagte hatte seinerzeit unter Heranziehung der Gliedertaxe eine Invaliditätsleistung auf der Grundlage einer Invalidität von 1/7 Armwert erbracht. Für die vorgenannten Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 lehnte sie Invaliditätsleistungen ab, weil eine dauerhafte Schädigung nicht objektivierbar sei.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, der Grad seiner Invalidität betrage mindestens 3/7 des Armwerts; er habe bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch eine Verletzung des linken Schlüsselbeins und insbesondere des Sternoklavikulargelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Brustbein, erlitten, die fehlverheilt sei und zur Funktionsbeeinträchtigung der Schulter beitrage. Die Beklagte schulde eine Invaliditätsleistung von 45.000 € (30% von 150.000 €) zuzüglich des Treuebonus von 10%, mithin 49.500 €.

6

Das Landgericht hat den Invaliditätsgrad des Klägers nach Einholung zweier medizinischer Gutachten mit 1/10 Armwert (das entspricht einer Gesamtinvalidität von 7%) bestimmt, dem Kläger danach 10.500 € (7% von 150.000 €) zuzüglich 10% Treuebonus, zusammen 11.550 €, zugesprochen und bezüglich des Unfalls vom 8. Oktober 2005 die weitergehende Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, der im Berufungsverfahren unter anderem geltend gemacht hatte, seine Schulterverletzung sei nicht nach der vereinbarten Gliedertaxe, sondern nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu beurteilen, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter und fordert 37.940 € als Differenz zwischen seiner ursprünglichen Klagforderung und der vom Landgericht zugesprochenen Summe.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 betrifft, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Dieses hat den Invaliditätsgrad mit Hilfe des Armwerts der Gliedertaxe bestimmt. Das Schultergelenk habe keinen funktionellen Selbstzweck, sondern diene anatomisch allein dem funktionsgerechten Einsatz des Armes. Beim Kläger bestehe die Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit in einer funktionellen Beeinträchtigung des linken Armes, so dass für die Invaliditätsbestimmung zwingend die Gliedertaxe gelte. Ohne Bedeutung sei, dass die Beeinträchtigung auf einen Sehnenschaden im Schultereckgelenk zurückzuführen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei bei Gelenkversteifungen stets der Invaliditätsgrad für den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit der entsprechenden Gliedmaße "im Gelenk" anzunehmen. Das sachverständig beratene Landgericht habe den Invaliditätsgrad unter Berücksichtigung der erlittenen Verletzung des Schultereckgelenks zutreffend bestimmt. Der Sachverständige Prof. Dr. T.    habe überzeugend dargelegt, dass die Gebrauchsminderung des linken Arms mit insgesamt 5/20 Armwert zu bewerten sei, dabei sei einerseits die Verletzung des Schultereckgelenks zu berücksichtigen, die der Sachverständige mit 2/20 Armwert bewertet habe, andererseits die vom Sachverständigen mit 1/7 Armwert bewertete Vorinvalidität. Letztere müsse nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 in Abzug gebracht werden.

9

Den Nachweis dafür, dass bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch das linke Sternoklavikulargelenk verletzt worden sei, habe der Kläger bisher nicht erbracht. Eine weitere Sachaufklärung dazu erübrige sich, weil es für diese behauptete Verletzung an einer ärztlichen Feststellung binnen 15 Monaten nach dem Unfall fehle (Nr. 2.1.1.1 AUB 2000). Die vom Kläger vorgelegte fristgerechte Feststellung einer dauerhaften Gebrauchsminderung der linken Schulter besage nichts über eine Verletzung des Sternoklavikulargelenks. Eine solche Verletzung und ihre fehlerhafte Verheilung seien als invaliditätsbegründender Dauerschaden somit nicht fristgerecht ärztlich festgestellt.

10

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

11

1. Rechtsfehlerhaft ist bereits die Bestimmung des Invaliditätsgrades anhand der Gliedertaxe der Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000.

12

Deren Auslegung ergibt, dass die Verletzung des Schultereckgelenks vom Armwert nicht erfasst wird, so dass der Grad der Invalidität des Klägers nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu bestimmen ist.

13

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.).

14

b) Ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer entnimmt dem Leistungsversprechen aus Nr. 2.1 AUB 2000 und der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 getroffenen Regelung über die Gliedertaxe zunächst, dass der Versicherer ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Grundlage für die Berechnung der Leistung bilden die Versicherungssumme und der Grad der unfallbedingten Invalidität. Wie sich die Höhe der Leistungen im Einzelnen bemisst, kann der Versicherungsnehmer Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für die dort genannten Körperteile und Sinnesorgane entnehmen. Die Gliedertaxe bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder diesem gleichgestellter Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder. Gleiches gilt bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Gliedes. Demgemäß beschreibt die Regelung abgegrenzte Teilbereiche eines Armes und Beines und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilgliedes steigt. Die Gliedertaxe stellt damit für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab (vgl. zu diesem Verständnis der Gliedertaxe in den AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 - IV ZR 34/11, r+s 2012, 143 Rn. 10 m.w.N.).

15

Der Systematik der Gliedertaxe kann der Versicherungsnehmer ferner entnehmen, dass für die Bereiche der mit dem Arm und dem Bein zusammenhängenden Körperteile abgestufte Invaliditätsgrade festgesetzt werden, die beim Arm mit der Bewertung der Invalidität eines Fingers mit 5% beginnen und des (gesamten) Armes mit 70% enden. Hiermit trägt die Gliedertaxe dem Umstand Rechnung, dass Gliedverluste - entsprechendes gilt für völlige oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit - mit zunehmender Rumpfnähe der Stelle, an der das Körperglied verloren gegangen (oder die Gebrauchsbeeinträchtigungen auslösende Ursache zu lokalisieren) ist, zu wachsender Einschränkung der generellen Leistungsfähigkeit von Menschen führen (Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 11 m.w.N.).

16

Nimmt der Versicherungsnehmer - ausgehend von dieser Systematik - den Wortlaut der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes getroffenen Regelung in den Blick, weist ihn - anders als bei der in früheren Bedingungen gebräuchlichen Formulierung "Verlust oder Funktionsunfähigkeit … eines Armes im Schultergelenk" (vgl. zu § 7 I (2) a AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12; zu § 7 I (2) a AUB 94: Senatsurteil vom 24. Mai 2006, IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff.) - nichts darauf hin, dass der gesamte Schultergürtel zum Arm zählen und eine dort eintretende Gesundheitsbeeinträchtigung bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades als bedingungsgemäße Funktionsstörung des Armes gelten soll. Vielmehr wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer der von 5% bis 70% reichenden Staffelung entnehmen, dass zum Arm nur dessen in der Gliedertaxe im Einzelnen benannte Teile, nämlich die Finger, die Hand, der Arm unterhalb und bis oberhalb des Ellenbogens, schließlich der restliche Arm zählen sollen. Teile der Schulterpartie, mögen sie auch funktionell dazu bestimmt sein, die zwischen Arm und Rumpf auftretenden Kräfte aufzunehmen und somit die Funktionsfähigkeit des Armes zu gewährleisten, wird er nicht als vom Bedingungswortlaut erfasst ansehen.

17

c) Auch aus dem systematischen Zusammenhang, in den die Taxenregelung über den Arm gestellt ist, ergeben sich keine anderslautenden Hinweise. Nichts deutet in den unter Nr. 2.1.2.2.1 und Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 getroffenen Regelungen zur Bestimmung des Invaliditätsgrades darauf hin, dass auch die Schädigung von nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperpartien nach der Gliedertaxe eingestuft werden soll, sofern sich diese Schädigung lediglich auf den Gebrauch der in der Gliedertaxe aufgeführten Gliedmaßen auswirkt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt vielmehr, dass die Gliedertaxe durchgängig auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung abstellt (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 10 m.w.N.). Anders als die Beklagte meint, gilt das nicht nur für die Einordnung einer Schädigung in die von der Gliedertaxe angeführten Teilbereiche eines Armes oder Beines, sondern auch für die Abgrenzung zu nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperteilen.

18

d) Soweit sich das Berufungsgericht für seine anderslautende Auffassung auf die Senatsrechtsprechung zu früheren Fassungen der AUB stützt (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02, r+s 2003, 427 = VersR 2003, 1163 unter II 2 c (2) - "Hand im Handgelenk"; vom 24. Mai 2006 - IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff. und vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12 - "Arm im Schultergelenk") und meint, der Senat habe dabei letztlich für die Anwendung der Gliedertaxe auf eine Funktionsunfähigkeit im jeweiligen Gelenk abgestellt, lässt sich dies auf den hier vereinbarten Bedingungswortlaut nicht übertragen, weil in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 vom Schultergelenk im Zusammenhang mit dem Verlust oder einer Funktionsbeeinträchtigung des Armes nicht mehr die Rede ist und der Versicherungsnehmer mithin keinen Hinweis darauf erhält, dass das Schultergelenk oder gar der gesamte Schultergürtel der Gliedertaxe unterfallen soll.

19

2. Zu Unrecht hat es das Berufungsgericht für entbehrlich erachtet, weiteren Beweis darüber zu erheben, ob der Unfall des Klägers vom 8. Oktober 2005 zusätzlich zu einer - inzwischen fehlverheilten - Verletzung des linken Sternoklavikulargelenks geführt hat; anders, als das Berufungsgericht meint, wäre eine solche Verletzung von der binnen der 15-Monatsfrist der Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 getroffenen ärztlichen Invaliditätsfeststellung vom 13. Oktober 2006 erfasst.

20

a) Seine anderslautende Auffassung kann das Berufungsgericht nicht auf die Senatsentscheidung vom 7. März 2007 (IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114 = r+s 2007, 255 Rn. 10 ff.) stützen.

21

Der Senat (aaO Rn. 10 ff.) hat dort ausgeführt, die 15-Monatsfrist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung diene dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führe selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden treffe. Allerdings seien an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie müsse sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern und brauche hinsichtlich der Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens noch nicht einmal richtig zu sein. Es müssten sich aus ihr aber die ärztlicherseits für einen Dauerschaden angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben, denn die Invaliditätsbescheinigung solle dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich solle sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar seien und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen wolle. Deshalb könnten nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein.

22

b) Das lässt sich auf den Streitfall nicht in der Weise übertragen, dass die behauptete Verletzung des Sternoklavikulargelenks nicht von der hier vorgelegten ärztlichen Invaliditätsfeststellung erfasst wäre. Die ärztliche Bescheinigung über eine durch den Unfall verursachte dauerhafte "Gebrauchsminderung der li. Schulter" gab dem beklagten Versicherer ausreichenden Anlass, zur Prüfung seiner Leistungspflicht alle Körperteile im Bereich der linken Schulter in den Blick zu nehmen, die Einfluss auf diese Gebrauchsminderung haben konnten. Das sind vor allem sämtliche zum linken Schultergürtel des Klägers gehörenden knöchernen Teile, mithin auch das Sternoklavikulargelenk, zumal bereits die festgestellte Verletzung des Schultereckgelenks durch mechanische Gewalt es nicht fernliegend erscheinen ließ, dass die Unfallkräfte auch das andere Ende des linken Schlüsselbeins in Mitleidenschaft gezogen haben konnten. Die vom Senat in seinem Urteil vom 7. März 2007 formulierten Maßstäbe sind nicht dahin zu verstehen, dass bereits im Rahmen der fristgemäßen ärztlichen Invaliditätsfeststellung eine möglichst präzise Diagnose des Umfangs und der Ursachen eines Dauerschadens gefordert wäre. Gemessen am Zweck der fristgebundenen ärztlichen Feststellung genügt es vielmehr, wenn diese Feststellung die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißt, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss und vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird.

23

Im Streitfall konnte der Versicherer der ärztlichen Feststellung entnehmen, dass der Unfall, bei dem der Kläger mit der Schulter aufgeprallt war, zu deren dauerhafter Gebrauchsminderung geführt hatte. Das schließt alle Verletzungen und Schäden ein, die infolge des Aufpralls mechanisch im Bereich der linken Schulter hervorgerufen worden waren. Nicht erfasst wären hingegen Unfallschäden, die zwar aufgrund desselben Unfalls, aber entweder - wie etwa psychisch bedingte Einschränkungen - mittels einer anderen Kausalkette entstünden oder sich an anderen Körperstellen, beispielsweise der Wirbelsäule oder der Hüfte, auswirkten.

24

3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach den vorgenannten Maßstäben zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis führt. Wird sein linker Schultergürtel nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 untersucht und dabei möglicherweise zusätzlich eine unfallbedingte Verletzung des Sternoklavikulargelenks festgestellt, deren Berücksichtigung das Berufungsgericht bisher abgelehnt hat, so ist nicht auszuschließen, dass die Einstufung des Dauerschadens höher ausfällt als bisher angenommen.

25

Es kommt hinzu, dass das Berufungsgericht einen Abzug wegen Vorinvalidität mit der bisher gegebenen Begründung nicht hätte vornehmen dürfen. Nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 wird der Invaliditätsgrad gemindert, wenn "betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt" waren. Die Vorschädigung des Klägers aus seinem früheren Unfall vom August 1999 betrifft nach der Behauptung der Beklagten den linken Arm mit 1/7 Armwert infolge einer Teildurchtrennung der Trizepssehne im Bereich des Oberarmes. Ordnet man nach richtiger Auslegung der Gliedertaxe die nach dem Unfall vom 8. Oktober 2005 erlittene Dauerschädigung nicht dem Arm, sondern dem linken Schultergürtel zu, bedarf es nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 besonderer Darlegungen, dass die Vorschädigung am Oberarm dem von der Invalidität "betroffenen Körperteil" im Sinne der Klausel zuzuordnen ist.

26

III. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

27

Die Jahresfrist für den Eintritt der Invalidität nach Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 soll den Versicherer davor schützen, für dauerhafte Spätfolgen eines Unfalls eintreten zu müssen, die sich erst später als ein Jahr nach einem Unfall erstmals zeigen. Geschützt wird damit das Kalkulationsinteresse des Versicherers. Tritt ein Dauerschaden binnen der Jahresfrist ein, besagt diese Frist aber nicht, dass bei der nachfolgenden Bemessung des Invaliditätsgrades ausschließlich diejenigen Umstände herangezogen werden dürften, die innerhalb der Jahresfrist erkennbar geworden sind. Vielmehr kann der Versicherungsnehmer im Rechtsstreit um die Erstbemessung seiner Invalidität im Grundsatz alle bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingetretenen Umstände heranziehen (Senatsbeschluss vom 22. April 2009 - IV ZR 328/07, r+s 2009, 293 = VersR 2009, 920 Rn. 19). Eine zeitliche Begrenzung für die Berücksichtigung medizinischer Umstände bei der Erstfestsetzung ist auch nicht der in Nr. 9.4 AUB 2000 gesetzten Dreijahresfrist für die Neubemessung der Invalidität zu entnehmen. Zwar wird daraus ersichtlich, dass sich nach einer Erstfestsetzung des Invaliditätsgrades gesundheitliche Veränderungen auf die Leistungspflicht des Versicherers nur dann auswirken sollen, wenn sie spätestens binnen drei Jahren nach dem Unfall eingetreten sind. Das gilt aber nur im Neufestsetzungsverfahren. Ist dieses mangels Erstfestsetzung gar nicht eröffnet, ist für die nur im Neufestsetzungsverfahren vorgesehene Befristung kein Raum.

Mayen                               Felsch                                   Harsdorf-Gebhardt

              Dr. Karczewski                    Dr. Schoppmeyer

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Tenor

I. Das am 20.11.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Stralsund, Az.: 4 O 259/06, wird aufgehoben.

Die Sache wird unter Aufhebung des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens - einschließlich derjenigen der Zurückverweisung - werden niedergeschlagen.

III. Das Urteil ist vorläufig ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn diese nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Streitwert des Berufungsverfahrens: 65.599,92 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung des Kaufes über einen bei der Beklagten erworbenen Neuwagen des Modells "Pkw Audi A6 Limousine 3.0".

2

Wegen des Sachverhalts und den in erster Instanz gestellten Anträgen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, vgl. im Näheren Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 540 Rn. 2 m.w.N. a.d.Rspr.). Ergänzend (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) ist zu den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts auszuführen:

3

Die Beklagte hat erstinstanzlich neben der vom Vordergericht wiedergegebenen Verteidigung vor allem - und wiederholt - in Abrede gestellt, dass die vom Kläger behaupteten Sachmängel (auf die er sein Rücktrittsverlangen stützt) bei Übergabe des gekauften Fahrzeuges am 08.12.2003 vorhanden gewesen seien sowie vor und nach den Werkstattaufenthalten (zur Reparatur des Pkw's) bei der Autohaus ... GmbH gegeben waren bzw. verblieben wären. Außerdem hat sie, die Beklagte, die Auffassung vertreten, dass sich der Kläger auf die Beweislastumkehr nach § 476 BGB - und die dort geregelte Sechs-Monats-Frist - nicht zu berufen vermöge, da er den Pkw nicht als Verbraucher sondern für sein Geschäft als selbständiger Versicherungsmakler gekauft habe. Schließlich hat sie eingewandt, die im Gutachten der ... vom 24.05.2006 angeführten Sachmängel seien erst nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungsfrist festgestellt und angezeigt worden, weshalb der Kläger sie nicht für seine Rechtsposition anführen könne.

4

Im weiteren hat die Beklagte - ebenso wiederholend - auf Mängel, Widersprüchlichkeiten und Unzuträglichkeiten bei der prozessualen Antragstellung des Klägers hingewiesen.

5

Das Landgericht hat in seiner angegriffenen Entscheidung die Frage einer Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes dahinstehen lassen und stattdessen - für die Abweisung der Klage - darauf abgestellt, dass der Kläger der Beklagten - unstreitig - keine Frist zur Nacherfüllung (§§ 440, 437 Nr. 1 BGB) gesetzt habe. Von dieser Voraussetzung sei er nicht i.S. von § 440 Satz 1 und Satz 2 BGB befreit gewesen. Von einer Verweigerung der Mängelbeseitigung (§ 440 Satz 1 BGB) seitens der Beklagten könne vorliegend nicht ausgegangen werden, weil er dieser überhaupt keine Gelegenheit eingeräumt habe, die geltend gemachten Mängel zu beseitigen. Die Berufung des Klägers auf eine - mehr als zwei Mal - fehlgeschlagene Mängelbeseitigung (§ 440 Satz 2 BGB) in einer Drittwerkstatt, eine Maßnahme zu der dieser grundsätzlich nach Ziff. VII. 2.a) der Verkaufsbedingungen der Beklagten ermächtigt gewesen sei, scheitere daran, dass diese Ermächtigung des Käufers in Korrespondenz zu seiner Verpflichtung gegenüber dem Verkäufer gestanden habe, gem. Ziff. VII. 2.a) zweiter Halbsatz der Bedingungen, denjenigen über den Nachbesserungs- bzw. Reparaturversuch in der Drittwerkstatt informieren, bei dem er das Fahrzeug erworben habe, damit dieser in die Lage versetzt wird, Nachbesserungen entweder selbst durchzuführen oder Einfluss auf den Versuch der Mängelbeseitigungsarbeiten in der Werkstatt eines Dritten zu nehmen. Diese ihm auferlegte Informations- und Unterrichtungspflicht, die vom Käufer im Verhältnis zum Verkäufer im zeitlichen Zusammenhang mit der Nachbesserung und insbesondere vor Ausführung des zweiten Nachbesserungsversuchs zu erfüllen sei, habe der Kläger - nach dem Ergebnis der vor dem Erstgericht durchgeführten Beweisaufnahme (zur Vernehmung des Zeugen ...) - verletzt.

6

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe der ersten Instanz Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

7

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingereichte Berufung des Klägers, die auch rechtzeitig begründet worden ist.

8

Der Kläger macht geltend, die vom Landgericht ... vertretene Rechtsauffassung - zur Informationsverpflichtung des Käufers über einen Reparaturversuch in einer Drittwerkstatt -, mit der die zuvor schon vom OLG Stuttgart (Urteil vom 18.05.2006, Az.: 13 U 212/05) und vom Landgericht Schwerin (DAR 2004, 590, 592) in der Judikatur verfochtene Ansicht übernommen wurde, sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch das Urteil des BGH vom 15.11.2006, Az. VIII ZR 166/06, verworfen worden.

9

Der Kläger beantragt:

10

Unter Aufhebung des am 20.11.2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Stralsund, Az.: 4 O 259/06, wird die Beklagte verurteilt,

11

1. Zug um Zug gegen Übergabe des Audi A6 Limousine 3.0 (FZ-ID-Nr.: ...), an den Kläger 42.217,30 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2005 zu zahlen.

12

2. Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag zu 1. abgewiesen wird, wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übergabe des Audi A6 Limousine 3.0 (FZ-ID-Nr.: ...), an die ... Bank, ... den Betrag in Höhe von 42.217,30 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2005 hinsichtlich des Finanzierungsvertrages, Vertragsnummer ... Herr ..., Bankverbindung: Konto Nr.: ... Bankleitzahl ..., ... Bank ..., zu zahlen.

13

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von sämtlichen Ansprüchen der ... Bank, ..., ..., aus dem Finanzierungsvertrag, Vertragsnummer ... Herr ..., zur Finanzierung des Audi A6 Limousine 3.0 (FZ-ID-Nr.: ...), insbesondere den Zinsen, sowie Bearbeitungsgebühren freizustellen, soweit diese Anträge noch nicht durch den Antrag zu 1. oder zu 2. erfasst wurden.

14

4. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger Schadensersatz aus dem nicht anrechenbaren Anteil der Geschäftsgebühr gem. Nr. ... VV RVG i.V.m. Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG in Höhe von 633,10 €, zzgl. Auslagenpauschale von 20,00 € zu zahlen.

15

Weiterhin hilfsweise, für den Fall, dass das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, beantragt der Kläger,

16

das am 20.11.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Stralsund, Az.: 4 O 259/06, aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Stralsund zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte beantragt,

18

die Berufung zurückzuweisen.

19

Auf Anfrage haben beide Parteien ihr Einverständnis zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren - unter Verzicht auf die Gelegenheit, weitere Schriftsätze einzureichen, und unter Verzicht darauf, dass der Senat einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt - erklärt.

20

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Parteischriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im übrigen ausdrücklich Bezug genommen.

II.

21

Die zulässige Berufung hat (vorläufig) Erfolg (1.) und führt - unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens - zur Zurückweisung der Sache an das Gericht in erster Instanz (2.).

22

1. Die Berufung ist erfolgreich, weil sie aufzeigt, dass die angefochtene Entscheidung materiell-rechtlich falsch war.

23

Denn schon im Zeitpunkt des ergangenen Urteils des Landgerichts Stralsund hatte der Bundesgerichtshof höchstrichterlich entschieden, dass die von der Beklagten verwendete Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen über die Informationspflicht des Käufers bei Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen bei vom Hersteller anerkannten Betrieben - auf deren Wirksamkeit (und vom Kläger nicht erfüllte Einlösung) das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung zentral gestützt hat - objektiv mehrdeutig ist und deshalb nicht, wie vom OLG Stuttgart (a.a.O.) und - diesem im Anschluss folgend - dem Landgericht Stralsund, dahingehend ausgelegt werden kann, dass die Unterrichtung des Verkäufers über die Geltendmachung von Ansprüchen des Käufers auf Mängelbeseitigung bei anderen vom Hersteller/Importeur für die Betreuung des Kaufgegenstandes anerkannten Betrieben zu erfolgen hat, bevor die Nachbesserung durch wiederholte erfolglose Mängelbeseitigungsversuche derartiger Betriebe fehlgeschlagen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2006, Az.: VIII ZR 166/06, NJW 2007, 504-506, Leitsatz; näher Tz. 18-23, zitiert nach juris).

24

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da diese (die Gründe) nach dem Willen des Gesetzgebers gem. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO auf die Wiedergabe der wesentlichen Erwägungen, die zur Bestätigung, Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung geführt haben, zu beschränken ist (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 540 Rn. 3 m.w.N.).

25

2. Die Berufung des Klägers kann gleichwohl nicht in dem Sinne von Erfolg getragen sein, dass sie zur Zuerkennung der von ihm verfolgten Ansprüche führt. Denn der Senat (als Berufungsgericht) sieht Anlass, nachdem eine Partei (nämlich der Kläger) dies hilfsweise (was ausreichend ist [vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rna. 4]) beantragt hat (vgl. § 538 Abs. 2 Satz 1, letzter Halbsatz ZPO), von dem ihm zustehenden Ermessen ("darf die Sache... zurückverweisen", vgl. § 538 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Gebrauch zu machen und die Sache, da ihre weitere Verhandlung erforderlich wirkt, weil das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), das rechtsfehlerhafte Urteil - unter Aufhebung des Verfahrens - aufzuheben und den Rechtsstreit an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

26

a) Diese Ermessensentscheidung - als Ausnahme von dem in § 538 Abs. 1 ZPO niedergelegten Grundsatz, dass das Berufungsgericht selbst die notwendigen Beweise zu erheben und die Sache zu entscheiden hat (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 6) - begründet sich dann, wenn die Zurückweisung sachdienlich ist. Eine solche Sachdienlichkeit ist zu bejahen, wenn das Interesse an einer schnelleren Erledigung gegenüber dem Verlust einer Tatsacheninstanz nicht überwiegt (vgl. BGH, NJW 2000, 2024; Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 7). Übereinstimmenden Anregungen (oder Anträgen) der Parteien wird das Gericht dabei regelmäßig zu entsprechen haben, weil dahinter häufig der Wunsch steht, nunmehr im 1. Rechtszug "alsbald zu Ende zu kommen", etwa durch die Führung von Vergleichsverhandlungen (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O.), oder auch deshalb, um einen missratenen prozesstaktischen Vortrag, der in der Berufungsinstanz nicht mehr zu korrigieren wäre (vgl. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO), nunmehr vor dem Gericht erster Instanz "richtig" zu stellen.

27

aa) Für die Zurückverweisung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels i.S. von § 538 Abs. 1 Nr. 1 ZPO - dem wohl hauptsächlichsten Anwendungsfall des Zurückverweisungsrechts - entscheidend ist im Besonderen, dass darunter nicht die materiell-rechtlich unrichtige Sachbehandlung (error in iudicando; vgl. BGH, NJW 1984, 1346; 1993, 538; 1997, 1447) fällt, sondern nur ein Verfahrensmangel (error in procedendo) (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 10; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., Rn. 7 und 8) maßgeblich sein kann, also ein Fehler, der den Weg zum Urteil oder die Art und Weise seines Erlasses betrifft, im Gegensatz zum Fehler bei der Rechtsfindung. Ob ein Verfahrensmangel anzunehmen ist, beurteilt sich hierbei aus der materiell-rechtlichen Sicht des Erstrichters, ungeachtet dessen, ob das Berufungsgericht sie billigt oder nicht (vgl. BGH, NJW 1997, 1447; NJW-RR 1999, 1289; MDR 2001, 469; Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O.; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 538 Rn. 7). Deshalb darf auch eine unrichtige Rechtsansicht des Erstrichters nicht wegen fehlenden Hinweises nach § 139 ZPO in einen Verfahrensmangel umgedeutet werden (zutreffend Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O.).

28

bb) Zu den Verfahrensmängeln sind in der Judikatur (und Kommentarliteratur) Fallgruppen entwickelt worden. Zu ihnen rechnen - beispielsweise - die a) falsche Besetzung des Gerichts, b) die Zuständigkeitsmängel, c) die fehlerhafte Behandlung von Parteivorbringen, d) die mangelhafte Prozessführung, e) die mangelhafte Tatsachenfeststellung und f) Mängel des Urteils selbst (vgl. im Einzelnen Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 13-29; ähnlich Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 538 Rn. 10-12).

29

cc) Eine fehlerhafte Behandlung von Parteivorbringen (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 17-19), auch zu verstehen als Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O, § 538 Rn. 10), ist darin zu sehen, dass der Kern des Parteivorbringens (egal, ob Angriffs- oder Verteidigungsvortrag) so verkannt wird, dass die entscheidungserhebliche Frage unbeantwortet bleibt (vgl. BGH, Warneyer 190, Nr. 107; Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 18), oder ein wesentlicher Teil des Parteivortrages übergangen wird (vgl. BGH, NJW 1998, 2053; Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 538 Rn. 10).

30

b) So liegt es auch hier. Die vorgenannten Voraussetzungen sind - im Ergebnis - erfüllt. Zwar ist das Gericht erster Instanz zu seiner - fehlerhaften - Rechtsauffassung allein aufgrund eines Irrtums zur Begründung der materiellen Rechtslage gelangt.

31

Gleichwohl hat es zugleich und daneben bei seiner Entscheidung einen wesentlichen Verfahrensmangel begangen, indem es relevantes - entscheidungserhebliches - Parteivorbringen (primär der Beklagten) nicht berücksichtigt und gewürdigt hat.

32

aa) Denn bezogen auf die Anspruchsgrundlage des klägerischen Verlangens auf Rückabwicklung des (geschlossenen) Kaufvertrages (§§ 437 Nr. 2, 440, 323 Abs. 1 und 2, 346 BGB), für das er, der Kläger, darlegungs- und beweispflichtig ist, hat das Landgericht den (entgegenstehenden) Parteivortrag der Beklagten unbeachtet gelassen, der darin - schon in erster Instanz - bestand (wie dargestellt), dass ein Sachmangel bei Übergabe der Kaufsache (überhaupt) bestritten worden ist, und daneben im übrigen auch das Auftreten eines Mangels innerhalb der von der Beklagten zu vertretenden Gewährleistungsfrist. Diesen Kern des Beklagtenvortrags hat das Gericht erster Instanz dahinstehen lassen, um stattdessen für die (insoweit unberechtigte) Klageabweisung auf die nicht vom Kläger erfüllte Informationsverpflichtung zu einem in einer Drittwerkstatt reparierten Sachmangel abzustellen.

33

bb) Damit hat das erstinstanzliche Gericht die Berufungsinstanz um eine entscheidungserhebliche Tatsachengrundlage - ob nämlich überhaupt ein Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (unter rechtlich eigenständiger Bewertung des Gerichts zu § 476 BGB) vorgelegen hat, was sachverständigerseits festzustellen wäre - "gebracht", so dass sich der Senat - auch im Interesse der Parteien, um den Verlust einer Tatsacheninstanz zu meiden - gehindert sieht, in der Sache selbst nach § 538 Abs. 1 ZPO zu entscheiden und stattdessen die Zurückverweisung an das Landgericht - aus Ermessensgründen - vorzieht.

34

cc) Das Vordergericht kann insoweit auch nicht exculpieren, dass es seine Entscheidung auf eine jedenfalls vertretbare Grundlage (vgl. das Judikat des OLG Stuttgart; aufgehoben vom BGH in der benannten Entscheidung) gestützt hat. Denn Aufgabe der ersten Instanz ist es (nach dem gesetzgeberischen Willen zur ZPO-Reform), dass die zur (Schluss-) Entscheidung in einem Rechtsstreit erforderlichen Beweise regelmäßig auch in der ersten Instanz erhoben werden (vgl. hier nur allgemein Zöller/Vollkommer, a.a.O., Einleitung Rn. l5 m.w.N.), weshalb die Parteien - sachwidrig - eine Instanz einbüßen würden, wenn der Senat (nach umfänglicher Beweiserhebung: Zeugen- und Sachverständigenbeweis, vgl. hier nur Klageschrift) in der Sache selbst entscheiden täte.

35

Um diese - in der Hauptsache - geforderte Beweiserhebung hat sich das Landgericht "gedrückt", in dem es den Parteivortrag der Beklagten unzureichend gewürdigt (Bestreiten des Sachmangels) und den vom Kläger - als anspruchsbegründender Partei - zu erbringenden Beweis nicht erhoben hat. Der Senat hat mithin keine hinreichend aufgeklärte Sachverhaltsgrundlage, um selbst und ohne Beeinträchtigung der Parteiinteressen (= Benehmung einer Tatsacheninstanz) den Rechtsstreit (schon jetzt) abschließend zu entscheiden.

36

3 . Das Gericht erster Instanz wird sich nunmehr - darauf weist der Senat hin (zu den Bindungswirkungen für die Vorinstanz vgl. hier nur Thomas/Putzo/Reichold, a.a.O., § 538 Rn. 30 m.w.N.) - mit den Folgen und der gebotenen Aufklärung der aufgeworfenen streitgegenständlichen Fragen (zum Vorliegen eines Mangels innerhalb der Mängelgewährleistungsfrist) zu befassen haben.

37

Ebenso wirkt es erforderlich, dass das Landgericht auf eine sachgerechte Antragstellung der - aus Sicht des Senates zutreffend - von der Beklagten bemängelten Klageverfolgung (des Klägers, in seinen Klageanträgen) hinwirkt (dazu allgemein Zöller/Greger, a.a.O., § 139 Rn. 15 m.w.N.).

II.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 21 GKG; sie beruht auf der unrichtigen Sachbehandlung in erster Instanz (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O., § 538 Rn. 58 m.w.N.), wobei zu diesen Kosten auch die der Zurückverweisung rechnen (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, a.a.O., § 97 Rn. 12 m.w.N.). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (dazu allgemein Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O, § 538 Rn. 59) hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

39

Den Streitwert hat der Senat gem. §§ 47, 48 GKG, §§ 3, 4 ZPO in Übereinstimmung mit der Auffassung des Landgerichts (vgl. Beschluss vom 14.01.2008) festgesetzt; hierbei hat der Senat (außerdem) berücksichtigt, dass die begehrte Zug-um-Zug-Verurteilung vorliegend zu keiner Streitwerterhöhung führt (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16, Stichwort: "Zug-um-Zug-Leistungen").

Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:

1.
wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist;
2.
wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf;
3.
wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;
4.
wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat;
5.
wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € nebst Zinsen infolge des Unfalles vom 8. Oktober 2005 abgewiesen und die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger fordert - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - weitere Invaliditätsleistungen in Höhe von 37.940 € aus einer bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, der Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten (AUB 2000) zugrunde liegen. Vereinbart ist unter anderem eine Invaliditätsgrundsumme von 150.000 € und für den Fall einer Invalidität durch Unfall eine nach deren Grad aus der Grundsumme errechnete Kapitalzahlung nebst Zuschlag ("Treuebonus") von 10%.

2

Unter "2.1 Invaliditätsleistung" heißt es in den Bedingungen unter anderem:

"2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung

2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität). Die Invalidität ist

- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten und

- innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.

2.1.2 Art und Höhe der Leistung

2.1.2.2.1 Bei Verlust oder völliger Funktionsunfähigkeit der nachstehend genannten Körperteile und Sinnesorgane gelten ausschließlich, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, die folgenden Invaliditätsgrade (Gliedertaxe):

Arm     

70%

Arm bis oberhalb des Ellenbogengelenks          

65%

Arm unterhalb des Ellenbogengelenks

60%

Hand   

55%

Daumen

20%

Zeigefinger

10%

anderer Finger

5%

…       

        

2.1.2.2.2 Für andere Körperteile und Sinnesorgane bemisst sich der Invaliditätsgrad danach, inwieweit die normale körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit insgesamt beeinträchtigt ist. Dabei sind ausschließlich medizinische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

2.1.2.2.3 Waren betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt, wird der Invaliditätsgrad um die Vorinvalidität gemindert. Diese ist nach Ziffer 2.1.2.2.1 und Ziffer 2.1.2.2.2 zu bemessen."

3

Am 8. Oktober 2005 schlug der Kläger bei einem Sturz mit der linken Schulter auf und zog sich dabei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine Schulterprellung sowie eine Sprengung des linken Schultereckgelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Schulterblatt, mit positivem Klaviertastenphänomen (im Schweregrad Tossy II) zu. Innerhalb eines Jahres nach dem Sturz traten dauerhafte Beeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter ein, deren Umfang zwischen den Parteien streitig ist. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2006 attestierte der den Kläger behandelnde Arzt als Dauerschaden eine "Gebrauchsminderung der li. Schulter".

4

Bereits am 24. August 1999 war der Kläger auf seinen linken Arm gestürzt. Die Beklagte hatte seinerzeit unter Heranziehung der Gliedertaxe eine Invaliditätsleistung auf der Grundlage einer Invalidität von 1/7 Armwert erbracht. Für die vorgenannten Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 lehnte sie Invaliditätsleistungen ab, weil eine dauerhafte Schädigung nicht objektivierbar sei.

5

Der Kläger hat geltend gemacht, der Grad seiner Invalidität betrage mindestens 3/7 des Armwerts; er habe bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch eine Verletzung des linken Schlüsselbeins und insbesondere des Sternoklavikulargelenks, der Verbindung des Schlüsselbeins mit dem Brustbein, erlitten, die fehlverheilt sei und zur Funktionsbeeinträchtigung der Schulter beitrage. Die Beklagte schulde eine Invaliditätsleistung von 45.000 € (30% von 150.000 €) zuzüglich des Treuebonus von 10%, mithin 49.500 €.

6

Das Landgericht hat den Invaliditätsgrad des Klägers nach Einholung zweier medizinischer Gutachten mit 1/10 Armwert (das entspricht einer Gesamtinvalidität von 7%) bestimmt, dem Kläger danach 10.500 € (7% von 150.000 €) zuzüglich 10% Treuebonus, zusammen 11.550 €, zugesprochen und bezüglich des Unfalls vom 8. Oktober 2005 die weitergehende Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers, der im Berufungsverfahren unter anderem geltend gemacht hatte, seine Schulterverletzung sei nicht nach der vereinbarten Gliedertaxe, sondern nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu beurteilen, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter und fordert 37.940 € als Differenz zwischen seiner ursprünglichen Klagforderung und der vom Landgericht zugesprochenen Summe.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die Folgen des Unfalls vom 8. Oktober 2005 betrifft, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Dieses hat den Invaliditätsgrad mit Hilfe des Armwerts der Gliedertaxe bestimmt. Das Schultergelenk habe keinen funktionellen Selbstzweck, sondern diene anatomisch allein dem funktionsgerechten Einsatz des Armes. Beim Kläger bestehe die Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit in einer funktionellen Beeinträchtigung des linken Armes, so dass für die Invaliditätsbestimmung zwingend die Gliedertaxe gelte. Ohne Bedeutung sei, dass die Beeinträchtigung auf einen Sehnenschaden im Schultereckgelenk zurückzuführen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei bei Gelenkversteifungen stets der Invaliditätsgrad für den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit der entsprechenden Gliedmaße "im Gelenk" anzunehmen. Das sachverständig beratene Landgericht habe den Invaliditätsgrad unter Berücksichtigung der erlittenen Verletzung des Schultereckgelenks zutreffend bestimmt. Der Sachverständige Prof. Dr. T.    habe überzeugend dargelegt, dass die Gebrauchsminderung des linken Arms mit insgesamt 5/20 Armwert zu bewerten sei, dabei sei einerseits die Verletzung des Schultereckgelenks zu berücksichtigen, die der Sachverständige mit 2/20 Armwert bewertet habe, andererseits die vom Sachverständigen mit 1/7 Armwert bewertete Vorinvalidität. Letztere müsse nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 in Abzug gebracht werden.

9

Den Nachweis dafür, dass bei dem Unfall vom 8. Oktober 2005 auch das linke Sternoklavikulargelenk verletzt worden sei, habe der Kläger bisher nicht erbracht. Eine weitere Sachaufklärung dazu erübrige sich, weil es für diese behauptete Verletzung an einer ärztlichen Feststellung binnen 15 Monaten nach dem Unfall fehle (Nr. 2.1.1.1 AUB 2000). Die vom Kläger vorgelegte fristgerechte Feststellung einer dauerhaften Gebrauchsminderung der linken Schulter besage nichts über eine Verletzung des Sternoklavikulargelenks. Eine solche Verletzung und ihre fehlerhafte Verheilung seien als invaliditätsbegründender Dauerschaden somit nicht fristgerecht ärztlich festgestellt.

10

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

11

1. Rechtsfehlerhaft ist bereits die Bestimmung des Invaliditätsgrades anhand der Gliedertaxe der Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000.

12

Deren Auslegung ergibt, dass die Verletzung des Schultereckgelenks vom Armwert nicht erfasst wird, so dass der Grad der Invalidität des Klägers nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 zu bestimmen ist.

13

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85 und ständig). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 25. Juli 2012 - IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rn. 21 m.w.N.).

14

b) Ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer entnimmt dem Leistungsversprechen aus Nr. 2.1 AUB 2000 und der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 getroffenen Regelung über die Gliedertaxe zunächst, dass der Versicherer ihm eine Invaliditätsleistung verspricht für den Fall, dass ein Unfall zu einer dauernden Beeinträchtigung seiner körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit (Invalidität) führt. Grundlage für die Berechnung der Leistung bilden die Versicherungssumme und der Grad der unfallbedingten Invalidität. Wie sich die Höhe der Leistungen im Einzelnen bemisst, kann der Versicherungsnehmer Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für die dort genannten Körperteile und Sinnesorgane entnehmen. Die Gliedertaxe bestimmt nach einem abstrakten und generellen Maßstab feste Invaliditätsgrade bei Verlust oder diesem gleichgestellter Funktionsunfähigkeit der mit ihr benannten Glieder. Gleiches gilt bei Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines durch die Gliedertaxe abgegrenzten Teilbereichs eines Gliedes. Demgemäß beschreibt die Regelung abgegrenzte Teilbereiche eines Armes und Beines und ordnet jedem Teilbereich einen festen Invaliditätsgrad zu, der mit Rumpfnähe des Teilgliedes steigt. Die Gliedertaxe stellt damit für den Verlust und für die Funktionsunfähigkeit der in ihr genannten Gliedmaßen oder deren Teilbereiche durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung ab (vgl. zu diesem Verständnis der Gliedertaxe in den AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 - IV ZR 34/11, r+s 2012, 143 Rn. 10 m.w.N.).

15

Der Systematik der Gliedertaxe kann der Versicherungsnehmer ferner entnehmen, dass für die Bereiche der mit dem Arm und dem Bein zusammenhängenden Körperteile abgestufte Invaliditätsgrade festgesetzt werden, die beim Arm mit der Bewertung der Invalidität eines Fingers mit 5% beginnen und des (gesamten) Armes mit 70% enden. Hiermit trägt die Gliedertaxe dem Umstand Rechnung, dass Gliedverluste - entsprechendes gilt für völlige oder teilweise Gebrauchsunfähigkeit - mit zunehmender Rumpfnähe der Stelle, an der das Körperglied verloren gegangen (oder die Gebrauchsbeeinträchtigungen auslösende Ursache zu lokalisieren) ist, zu wachsender Einschränkung der generellen Leistungsfähigkeit von Menschen führen (Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 11 m.w.N.).

16

Nimmt der Versicherungsnehmer - ausgehend von dieser Systematik - den Wortlaut der in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 für Verlust oder Funktionsunfähigkeit eines Armes getroffenen Regelung in den Blick, weist ihn - anders als bei der in früheren Bedingungen gebräuchlichen Formulierung "Verlust oder Funktionsunfähigkeit … eines Armes im Schultergelenk" (vgl. zu § 7 I (2) a AUB 88: Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12; zu § 7 I (2) a AUB 94: Senatsurteil vom 24. Mai 2006, IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff.) - nichts darauf hin, dass der gesamte Schultergürtel zum Arm zählen und eine dort eintretende Gesundheitsbeeinträchtigung bei der Bestimmung des Invaliditätsgrades als bedingungsgemäße Funktionsstörung des Armes gelten soll. Vielmehr wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer der von 5% bis 70% reichenden Staffelung entnehmen, dass zum Arm nur dessen in der Gliedertaxe im Einzelnen benannte Teile, nämlich die Finger, die Hand, der Arm unterhalb und bis oberhalb des Ellenbogens, schließlich der restliche Arm zählen sollen. Teile der Schulterpartie, mögen sie auch funktionell dazu bestimmt sein, die zwischen Arm und Rumpf auftretenden Kräfte aufzunehmen und somit die Funktionsfähigkeit des Armes zu gewährleisten, wird er nicht als vom Bedingungswortlaut erfasst ansehen.

17

c) Auch aus dem systematischen Zusammenhang, in den die Taxenregelung über den Arm gestellt ist, ergeben sich keine anderslautenden Hinweise. Nichts deutet in den unter Nr. 2.1.2.2.1 und Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 getroffenen Regelungen zur Bestimmung des Invaliditätsgrades darauf hin, dass auch die Schädigung von nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperpartien nach der Gliedertaxe eingestuft werden soll, sofern sich diese Schädigung lediglich auf den Gebrauch der in der Gliedertaxe aufgeführten Gliedmaßen auswirkt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt vielmehr, dass die Gliedertaxe durchgängig auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung abstellt (vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 10 m.w.N.). Anders als die Beklagte meint, gilt das nicht nur für die Einordnung einer Schädigung in die von der Gliedertaxe angeführten Teilbereiche eines Armes oder Beines, sondern auch für die Abgrenzung zu nicht in der Gliedertaxe aufgeführten Körperteilen.

18

d) Soweit sich das Berufungsgericht für seine anderslautende Auffassung auf die Senatsrechtsprechung zu früheren Fassungen der AUB stützt (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 2003 - IV ZR 74/02, r+s 2003, 427 = VersR 2003, 1163 unter II 2 c (2) - "Hand im Handgelenk"; vom 24. Mai 2006 - IV ZR 203/03, r+s 2006, 387 Rn. 19 ff. und vom 14. Dezember 2011 aaO Rn. 12 - "Arm im Schultergelenk") und meint, der Senat habe dabei letztlich für die Anwendung der Gliedertaxe auf eine Funktionsunfähigkeit im jeweiligen Gelenk abgestellt, lässt sich dies auf den hier vereinbarten Bedingungswortlaut nicht übertragen, weil in Nr. 2.1.2.2.1 AUB 2000 vom Schultergelenk im Zusammenhang mit dem Verlust oder einer Funktionsbeeinträchtigung des Armes nicht mehr die Rede ist und der Versicherungsnehmer mithin keinen Hinweis darauf erhält, dass das Schultergelenk oder gar der gesamte Schultergürtel der Gliedertaxe unterfallen soll.

19

2. Zu Unrecht hat es das Berufungsgericht für entbehrlich erachtet, weiteren Beweis darüber zu erheben, ob der Unfall des Klägers vom 8. Oktober 2005 zusätzlich zu einer - inzwischen fehlverheilten - Verletzung des linken Sternoklavikulargelenks geführt hat; anders, als das Berufungsgericht meint, wäre eine solche Verletzung von der binnen der 15-Monatsfrist der Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 getroffenen ärztlichen Invaliditätsfeststellung vom 13. Oktober 2006 erfasst.

20

a) Seine anderslautende Auffassung kann das Berufungsgericht nicht auf die Senatsentscheidung vom 7. März 2007 (IV ZR 137/06, VersR 2007, 1114 = r+s 2007, 255 Rn. 10 ff.) stützen.

21

Der Senat (aaO Rn. 10 ff.) hat dort ausgeführt, die 15-Monatsfrist für die ärztliche Invaliditätsfeststellung diene dem berechtigten Interesse des Versicherers an der baldigen Klärung seiner Einstandspflicht und führe selbst dann zum Ausschluss von Spätschäden, wenn den Versicherungsnehmer an der Nichteinhaltung der Frist kein Verschulden treffe. Allerdings seien an die Feststellung der Invalidität keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie müsse sich nicht abschließend zu einem bestimmten Invaliditätsgrad äußern und brauche hinsichtlich der Feststellung der Unfallbedingtheit eines bestimmten Dauerschadens noch nicht einmal richtig zu sein. Es müssten sich aus ihr aber die ärztlicherseits für einen Dauerschaden angenommene Ursache und die Art ihrer Auswirkungen ergeben, denn die Invaliditätsbescheinigung solle dem Versicherer Gelegenheit geben, dem geltend gemachten Versicherungsfall nachzugehen und seine Leistungspflicht auf Grundlage der ärztlichen Feststellung zu prüfen. Zugleich solle sie eine Ausgrenzung von Spätschäden ermöglichen, die in der Regel nur schwer abklärbar und überschaubar seien und die der Versicherer deshalb von der Deckung ausnehmen wolle. Deshalb könnten nur die in der ärztlichen Invaliditätsfeststellung beschriebenen unfallbedingten Dauerschäden Grundlage des Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung sein.

22

b) Das lässt sich auf den Streitfall nicht in der Weise übertragen, dass die behauptete Verletzung des Sternoklavikulargelenks nicht von der hier vorgelegten ärztlichen Invaliditätsfeststellung erfasst wäre. Die ärztliche Bescheinigung über eine durch den Unfall verursachte dauerhafte "Gebrauchsminderung der li. Schulter" gab dem beklagten Versicherer ausreichenden Anlass, zur Prüfung seiner Leistungspflicht alle Körperteile im Bereich der linken Schulter in den Blick zu nehmen, die Einfluss auf diese Gebrauchsminderung haben konnten. Das sind vor allem sämtliche zum linken Schultergürtel des Klägers gehörenden knöchernen Teile, mithin auch das Sternoklavikulargelenk, zumal bereits die festgestellte Verletzung des Schultereckgelenks durch mechanische Gewalt es nicht fernliegend erscheinen ließ, dass die Unfallkräfte auch das andere Ende des linken Schlüsselbeins in Mitleidenschaft gezogen haben konnten. Die vom Senat in seinem Urteil vom 7. März 2007 formulierten Maßstäbe sind nicht dahin zu verstehen, dass bereits im Rahmen der fristgemäßen ärztlichen Invaliditätsfeststellung eine möglichst präzise Diagnose des Umfangs und der Ursachen eines Dauerschadens gefordert wäre. Gemessen am Zweck der fristgebundenen ärztlichen Feststellung genügt es vielmehr, wenn diese Feststellung die Schädigung sowie den Bereich, auf den sich diese auswirkt, ferner die Ursachen, auf denen der Dauerschaden beruht, so umreißt, dass der Versicherer bei seiner Leistungsprüfung den medizinischen Bereich erkennen kann, auf den sich die Prüfung seiner Leistungsverpflichtung erstrecken muss und vor der späteren Geltendmachung völlig anderer Gebrechen oder Invaliditätsursachen geschützt wird.

23

Im Streitfall konnte der Versicherer der ärztlichen Feststellung entnehmen, dass der Unfall, bei dem der Kläger mit der Schulter aufgeprallt war, zu deren dauerhafter Gebrauchsminderung geführt hatte. Das schließt alle Verletzungen und Schäden ein, die infolge des Aufpralls mechanisch im Bereich der linken Schulter hervorgerufen worden waren. Nicht erfasst wären hingegen Unfallschäden, die zwar aufgrund desselben Unfalls, aber entweder - wie etwa psychisch bedingte Einschränkungen - mittels einer anderen Kausalkette entstünden oder sich an anderen Körperstellen, beispielsweise der Wirbelsäule oder der Hüfte, auswirkten.

24

3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Bestimmung des Invaliditätsgrades nach den vorgenannten Maßstäben zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis führt. Wird sein linker Schultergürtel nach Nr. 2.1.2.2.2 AUB 2000 untersucht und dabei möglicherweise zusätzlich eine unfallbedingte Verletzung des Sternoklavikulargelenks festgestellt, deren Berücksichtigung das Berufungsgericht bisher abgelehnt hat, so ist nicht auszuschließen, dass die Einstufung des Dauerschadens höher ausfällt als bisher angenommen.

25

Es kommt hinzu, dass das Berufungsgericht einen Abzug wegen Vorinvalidität mit der bisher gegebenen Begründung nicht hätte vornehmen dürfen. Nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 wird der Invaliditätsgrad gemindert, wenn "betroffene Körperteile oder Sinnesorgane oder deren Funktionen bereits vor dem Unfall dauernd beeinträchtigt" waren. Die Vorschädigung des Klägers aus seinem früheren Unfall vom August 1999 betrifft nach der Behauptung der Beklagten den linken Arm mit 1/7 Armwert infolge einer Teildurchtrennung der Trizepssehne im Bereich des Oberarmes. Ordnet man nach richtiger Auslegung der Gliedertaxe die nach dem Unfall vom 8. Oktober 2005 erlittene Dauerschädigung nicht dem Arm, sondern dem linken Schultergürtel zu, bedarf es nach Nr. 2.1.2.2.3 AUB 2000 besonderer Darlegungen, dass die Vorschädigung am Oberarm dem von der Invalidität "betroffenen Körperteil" im Sinne der Klausel zuzuordnen ist.

26

III. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

27

Die Jahresfrist für den Eintritt der Invalidität nach Nr. 2.1.1.1 AUB 2000 soll den Versicherer davor schützen, für dauerhafte Spätfolgen eines Unfalls eintreten zu müssen, die sich erst später als ein Jahr nach einem Unfall erstmals zeigen. Geschützt wird damit das Kalkulationsinteresse des Versicherers. Tritt ein Dauerschaden binnen der Jahresfrist ein, besagt diese Frist aber nicht, dass bei der nachfolgenden Bemessung des Invaliditätsgrades ausschließlich diejenigen Umstände herangezogen werden dürften, die innerhalb der Jahresfrist erkennbar geworden sind. Vielmehr kann der Versicherungsnehmer im Rechtsstreit um die Erstbemessung seiner Invalidität im Grundsatz alle bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingetretenen Umstände heranziehen (Senatsbeschluss vom 22. April 2009 - IV ZR 328/07, r+s 2009, 293 = VersR 2009, 920 Rn. 19). Eine zeitliche Begrenzung für die Berücksichtigung medizinischer Umstände bei der Erstfestsetzung ist auch nicht der in Nr. 9.4 AUB 2000 gesetzten Dreijahresfrist für die Neubemessung der Invalidität zu entnehmen. Zwar wird daraus ersichtlich, dass sich nach einer Erstfestsetzung des Invaliditätsgrades gesundheitliche Veränderungen auf die Leistungspflicht des Versicherers nur dann auswirken sollen, wenn sie spätestens binnen drei Jahren nach dem Unfall eingetreten sind. Das gilt aber nur im Neufestsetzungsverfahren. Ist dieses mangels Erstfestsetzung gar nicht eröffnet, ist für die nur im Neufestsetzungsverfahren vorgesehene Befristung kein Raum.

Mayen                               Felsch                                   Harsdorf-Gebhardt

              Dr. Karczewski                    Dr. Schoppmeyer

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.